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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetz betr. Umwandlung der Geldbusse in Gefängnis.

(Vom 23. Mai 1922.)

1. Am 15. Juni 1921 reichten Nationalrat Zurburg und 23 Mitunterzeichner folgendes Postulat ein : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zur Prüfung und Berichterstattung entgegenzunehmen, ob nicht die einschlägigen bundesstrafrechtlichen Bestimmungen generell dahin abzuändern seien, dass bei Umwandlung von Geldbusse in Gefängnis ein den heutigen Zeit- und Geldwertverhältnissen eher angemessener Betrag zur Verrechnung kommen soll als -- l Tag Gefängnis = 5 Franken Geldbusse -- wie bis anhin. In der Früjahrssession dieses Jahres wurde das Postulat vom Bundesrat zur Prüfung entgegengenommen und vom Nationalrat angenommen.

2. Art. 8 des BG über das Bundesstrafrecht der Schweiz.

Eidgenossenschaft vom 4, Februar 1853 sieht die Umwandlung einer unerhältlichen Geldbusse vor, wobei für je Fr. 5 Busse l Tag Gefängnis zu rechnen ist. Die Umwandlung ist im weitern in folgenden Erlassen ausdrücklich vorgesehen: Bundesgesetze betr. das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze, betr. Massnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien,, betr. die Fischerei, betr. Erfindungspatente, betr. Fabrik- und Hand eismarken, betr. gewerbliche Muster und Modelle, betr. das Urheberrecht, betr. Patenttaxen der Handelsreisenden, betr. Kontrollierung der Gold- und Silberwaren, betr.

Handel mit Gold- und Silberabfällen, betr. die Handhabung der Bahnpolizei, Verordnung über das militärische Kontrollwesen, Vollziehungsverordnung zum BG betr. die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund. Die U m wandlungs Vorschrift des Bundesstrafrechts gilt auch für alle Bundesstrafgesetze, die einen

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Hinweis auf den allgemeinen Teil des Bundesstrafrechts enthalten, insbesondere auch für die Kriegsnotverordnungen. Durch Art. 151 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 wurde für die Umwandlung in allen Bundesstrafsachen ein einheitlicher Ansatz von einem Tag Gefängnis für Fr. 5 Busse aufgestellt und bestimmt, dass die Umwandlungsstrafe ein Jahr nicht übersteigen dürfe. Der Entwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch hat dieses System der Umwandlungsstrafe verlassen. Er weist den Richter an, die Busse nach den Verhältnissen des Täters, insbesondere nach Einkommen, Vermögen, Familienstand, Familienpflichten, Beruf, Erwerb, Alter und Gesundheit zu bestimmen (Art. 45), sieht für den Vollzug der Busse gewisse Erleichterungen vor (Art. 46) und droht einzig gegen das Nichtzahlen der Busse aus Böswilligkeit, Arbeitsscheu, Liederlichkeit oder Nachlässigkeit eine Haftstrafe von einem Tag bis zu 3 Monaten an (Art. 346). Die nationalrätliche Kommission hat diese Haftstrafe mit einer kleinen Mehrheit gestrichen.

3. Als der Vollzug der wegen Widerhandlung gegen die Kriegsverordnungen ausgesprochenen hohen Bussen zu Härten führte, fand sich der Bundesrat und die Bundesversammlung in ihrer Begnadigungspraxis zu grossem Entgegenkommen bereit, namentlich in Fällen von monatelangen Umwandlungsstrafen, die die Auflösung ganzer Familien und längere Unterstützungsbedürftigkeit zur Folge hatten. Mehrere kantonale Justizdirektionen haben mit Rücksicht auf diese Härten beim eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eine Erhöhung des Umwandlungsansatzes angeregt. Das Justizdepartement konnte sich nicht entschliessen, der Anregung Folge zu geben, weil der Bundesrat im Strafgesetzentwurf zu der Umwandlungsfrage grundsätzlich Stellung genommen habe und dieser Entwurf bereits Verhandlungsgegenstand der Bundesversammlung bilde und weil den grössten Härten durch eine sorgfältige Strafausmessung und durch die Begnadigung begegnet werden könne.

4. Es ist nicht zu verkennen, dass der seit 1853 bestehende Ansatz von Fr. 5 für einen Tag Gefängnis zum heutigen Geldwert in einem Missverhältnis steht, und dass dieses Missverhältnis bei der Umwandlung hoher Bussen, wie sie namentlich in derKriegs- und Nachkriegszeit ausgesprochen wurden, zu Unbilligkeiten führen muss. Es haben sich
bereits mehrere Kantonezu einer Erhöhung des Umwandlungsansatzes veranlasst gesehen : Zürich (§ 351 des Gesetzes betr. den Strafprozess vom 4. Mai 1919), Aargaa (§ 11 des Gesetzes betr. den bedingten Straferlass und die-

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Abänderung des Zuchtpolizeigesetzes vom 13. Oktober 1919), Bern (Art. 2 des Gesetzes betr. die Erhöhung der Wertgrenzen im Strafrccht und Abänderung von Art. 523 des Strafverfahrens vom 10. Mai 1921). Andere Kantone haben eine solche Erhöhung angeregt (z. B. Waadt, Appenzell A.-Rh.) oder in Vorbereitung (St. Gallen). Es ist deshalb gerechtfertigt, dem vom Nationalrat angenomnaenen Postulate Folge zu geben und auch den Umwandlungsansatz des Bundesrechts, wie er in Art. 151 OG einheitlich geregelt worden ist, den veränderten Verhältnissen anzupassen. Der Bundesrat behält sich aber seine grundsätzliche Stellungnahme zur Umwaudlungsfrage ausdrücklich vor. Er kann sich zu einer Aendemng des Umwandlungsansatzes nur in der Voraussetzung verstehen, dass die Revision sich einzig auf diesen Punkt beschränkt und alle andern die Umwandlung betreffenden Fragen der Beratung des Strafgesetzentwurfes vorbehalten bleiben.

Diese grundsätzlichen Fragen, worüber die Anschauungen noch sehr verschieden sind -- wie die Abstimmung in der nationalrätlichen Kommission für den Strafgesetzentwurf erwiesen hat --, können nur beim Strafgesetz im Zusammenhang mit dem gesamten Strafensystem, nicht aber in einer Novelle, gelöst werden.

Wir erachten mit der Mehrzahl der genannten Kantone eine Erhöhung des Ansatzes von Fr. 5 auf Fr. 10 als den Verhältnissen angemessen. Dabei hat es die Meinung, dass bei Bussen unter Fr. 10 die Umwàndluagsstrafe ebenfalls 24 Stunden dauern soll. Im weiteren drängt sich aber eine Herabsetzung der Höchstdauer der Umwandlungsstrafe von einem Jahre auf drei Monate auf.

Es sollte vermieden werden, dass Bussenschuldner, die eine Busse wegen Unvermögen aient bezahlen können, zu längern Freiheitsstrafen verurteilt werden müssen. In mehreren Kantonen ist eine kürzere Höchstdauer als im Bundesrecht vorgesehen (Zürich, Waadt, Frei bürg, Tessici). Die Herabsetzung der Höchstdauer auf drei Monate entspricht dem Bussenverhaft des Zürcher Rechtes und der vom Strafgesetzontwurf für das schuldhafte Nichtzahlen der Busse vorgesehenen Haftstrafe. Bei der Herabsetzung der Höchstdauer der Umwandlungsstrafe auf drei Monate ist auch eine Abnahme der zahlreichen wegen längern Umwandlungsstrafen eingereichten Begnadigungsgesuche zu erwarten. Umgekehrt erscheint eine Haftdauer von drei Monaten so hoch, dass die Umwandlung
nicht zur Umgehung der Geldbusse durch vermögliche Bussenschuldner führen kann.

Es erscheint angezeigt, die neue Umwandlungsvorschrift nicht nur auf die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auszufällenden,

385 sondern auch auf die in jenem Zeitpunkt bereits ausgesprochenen, aber noch nicht vollzogenen Bussen und Um \vandlungsstrafen anzuwenden, hat doch namentlich der Vollzug der bereits ausgesprochenen und nach dem gegenwärtigen Ansatz in Gefängnis umgewandelten Geldstrafen" zu Härten geführt und die Revision veranlasst. Da nach Art. 8 BStR die Umwandlungsstrafe im Urteil mit der Busse auszusprechen ist, hat die zwangsläufige Anwendung der neuen Umwandlungsbestimmung auf diese Fälle durch die Vollzugsbehörden die Milderung bereits '·rechtskräftig erkannter Strafen zur Folge. Diese, einer Amnestie gleichkommende Wirkung sollte dem Gesetze aus Zweckmässigkeitsgrüuden zuerkannt werden, weil sonst wohl alle früher ausgefällten, aber noch nicht vollzogenen Umwandlungsstrafen auf dem Wege der Begnadigung oder der Amnestie an die Bundesversammlung gebracht würden ; sie kann um so eher zuerkannt werden, als die Amnestie auch von den beiden Räten der Bundesversammlung zu behandeln ist (Bundesbl. 1919, III, 732).

Wir empfehlen Ihnen die Annahme des vorliegenden Gesetzesentwurfes.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 23. Mai 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Seheurer.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

Umwandlung der Geldbusse in Gefängnis.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 23. Mai

1922, . in Anwendung des Art. 64bis der Bundesverfassung, in Abänderung des Art. 151 des BG über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893/6. Oktober 1911/ 25. Juni 1921, beschliesst: Art. 1. Wo in. einem Bundesgesetze eine Umwandlung von Geldbusse in Gefängnis vorgesehen ist, werden 10 Fr. Busse einem Tag Gefängnis gleichgesetzt.

Immerhin .darf die in Gefängnis umgewandelte Strafe die Dauer von 3 Monaten nicht übersteigen.

Art. 2. Diese Bestimmung findet auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht vollzogenen Geldbussen und Umwandlungsstrafen Anwendung.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Entwurf zu einem Bundesgesetz betr. Umwandlung der Geldbusse in Gefängnis. (Vom 23. Mai 1922.)

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31.05.1922

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