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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Abänderung des Art. 77 der Bundesverfassung (Wählbarkeit der Bundesbeamten in den Nationalrat).

(Vom 13. Januar 1922.)

Die eidgenössischen Räte haben durch Bundesbeschluss vom 23. Dezember abhin das von 57,139 stimmberechtigten Schweizerbürgern unterzeichnete Volksbegehren betreffend die Wählbarkeit der Bundesbeamten in den Nationalrat als zustande gekommen erklärt und die Angelegenheit an den Bundesrat zur Berichterstattung überwiesen.

Das Volksbegehren lautet: ,,Der Art. 77 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 soll aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt werden : Art. 77. Die Mitglieder des Ständerates und des ßundesrates können nicht zugleich Mitglieder des Nationalrates sein.

Dasselbe gilt für die den Departementen des Bundesrates direkt unterstellten Dienstchefs sowie für die Mitglieder der Generaldirektion und der Kreisdirektionen der Bundesbahnen.

Die Bedingungen, unter denen die übrigen Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung und der Bundesbahnen dem Nationalrat angehören können, werden durch die Bundesgesetzgebung geregelt. Der Bundesrat ist ermächtigt, bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen diese Bedingungen im Verordnungswege festzusetzen.a Wie Ihnen bekannt ist, haben wir Ihnen mit Botschaft vom 7. Juni 1920 die Revision des Art. 77 der Bundesverfassung in völlig identischem Wortlaute beantragt. Der von uns vorgeschlagene Beschlussesentwurf ist vom Nationalrate am 25. Januar 1921, unter Streichung des letzten Satzes, mit 55 gegen

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47 Stimmen angenommen worden, wurde aber vom Ständerat am 7. April 1921 mit 29 gegen 9 Stimmen abgelehnt, worauf der Nationalrat am 24. Juni 1921 mit 78 gegen 71 Stimmen den Beschluss fasste, das Geschäft von der Traktandenliste abzusetzen .

Unsere Botschaft vorn 7. Juni 1920 hat sich über den zur Diskussion stehenden Grundsatz, unter vergleichender Herbeiziehung der kantonalen und der ausländischen Gesetzgebungen^ in erschöpfender Weise ausgesprochen, so dass wir, um uns nicht zu wiederholen, auf unsere damaligen Ausführungen uns in allen Teilen berufen können. Wir glauben unter diesen Umständen von einer erneuten materiellen Berichterstattung über diesen Gegenstand absehen zu dürfen, um so mehr, als auch in der Bundesversammlung die Vorlage eine sehr einlässliche Behandlung erfahren hat, worüber das stenographische Bulletin beider Räte Aufschluss gibt.

Wir machen speziell darauf aufmerksam, dass unsere Botschaft in einem besondern Abschnitt (Nr. VI) die Fragen erwähnt hat, welche nach Annahme des beantragten Verfassungsgrundsatzes noch der Regelung im Gesetzeswege bedürfen, wobei wir die verschiedenen Möglichkeiten ihrer Lösung ins Auge fassten^ ohne uns indessen für die eine oder andere dieser Lösungen bereits endgültig zu entscheiden. Wir erachten es auch heute nicht für zweckmässig, die in das Bundesgesetz aufzunehmenden Administrativbestimmungen bereits im Detail festzulegen und Ihnen gewissermassen schon eine Skizze des Gesetzesentwurfs zu unterbreiten. Es steht ausser Zweifel, dass, falls der neue Verfassungsgrundsatz angenommen wird, die verwaltungstechnischen Mittel zu seiner Ausführung gefunden wprden müssen und auch tatsächlich gefunden werden k ö n n e n . Diese Mittel jetzt schon in allen Einzelheiten zu bestimmen, dessen bedarf es offenbar nicht, um sich über die Frage, ob den Bundesangestellten der Zutritt in den Nationalrat gewährt werden solle, ein grundsätzliches Urteil zu bilden. Wir sind daher der Ansicht, auf wiederholte Erörterung jener Detailfragen hier verzichten zu dürfen.

Nachdem wir in unserer Botschaft vom 7. Juni 1920 Ihnen den Wortlaut · eines Bundesbeschlusses, wie er jetzt als Volksbegehren vorliegt, zur Annahme empfohlen haben und derselbe von Ihnen abgelehnt worden ist, glauben wir davon Umgang nehmen zu sollen, Ihnen in der Sache erneut Antrag zu stellen.

Um der Beurteilung durch Ihre Behörde in keiner Weise vorzugreifen, enthalten wir uns jeder Stellungnahme und beschränken

107 uns auf den Hinweis, dass es sich um ein Partialrevisionsbegehren in der Form eines ausgearbeiteten Entwurfes handelt, dessen Beratung und Erledigung zum Zwecke der nachherigen Volksabstimmung gemäss Art. 8 des Bundesgesetzes ,,über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung111, vom 27. Januar 1892, von der Bundesversammlung b i n n e n J a h r e s f r i s t durchzuführen ist.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 13. Januar 1.922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Abänderung des Art. 77 der Bundesverfassung (Wählbarkeit der Bundesbeamten in den Nationalrat). (Vom 13. Januar 1922.)

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1922

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1544

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18.01.1922

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