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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend schenkungsweise Überlassung eines Grundstückes an den Völkerbund.

(Vom 22. November 1922.)

Der Bundesrat hat bereits bei früherer Gelegenheit die Aufmerksamkeit der eidgenössischen Räte auf die Aufgaben gelenkt, die dem Staate obliegen, der dazu auserkoren ist, die Institutionen des Völkerbundes zu beherbergen. In seiner Botschaft vom 4. August 1919 betreffend den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund hat er einlässlieh die Bedeutung gewürdigt, welche der Wahl Genfs als Sitz des Völkerbundes für unser Land zukommt. Nachdem sich nun die ständigen Institutionen des Völkerbundes vor zwei Jahren in Genf niedergelassen haben und die Entwicklung erwiesen hat, in welchem Sinne sich deren notwendigste Bedürfnisse in baulicher Hinsicht geltend machen, haben Bundesrat und Behörden des Kantons und der Stadt Genf den Zeitpunkt für gekommen erachtet, Anträge über die Beteiligung der Schweiz an der Ausstattung des Völkerbundes zu stellen.

Als im Frühjahr 1919 der Völkerbundsvertrag ausgearbeitet wurde und der Gedanke Gestalt annahm, Genf als Sitz des Völkerbundes zu bezeichnen, hat der Bundesrat durch seine Vertreter bekanntgegeben, dass die Schweiz es als eine grosse Ehre betrachten würde, ihr Gebiet für diesen Fall gastfreundlich zur Verfügung zu stellen. Wenn auch -- wie in der oben erwähnten Botschaft ausgeführt ist -- die Besprechungen über den Völkerbundssitz wie alle den Völkerbund betreffenden Verhandlungen unter der selbstverständlichen Voraussetzung der Zustimmung der verfassungsmässigen Instanzen geführt wurden, so glaubte doch der Bundesrat dem Gedanken Ausdruck geben zu sollen, dass unser Land in den Organen des Völkerbundes und den Vertretern

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der Mitgliedstaaten dio Repräsentanten einer hohen Idee freudig begrussen werde. Nachdem am 16. Mai 1920 der Beitritt der Schweiz zum Völkerbund vollzogen war, traf der Rat des Völkerbundes Anstalten, um die Überführung der ständigen Dienstzweige der neuen Organisation an den Bundessitz in die Wege zu leiten.

Am 19. Juli 1920 Hess sich das Internationale Arbeitsamt auf Grund eines vom Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation gefassten Beschlusses als erste der Institutionen des Völkerbundes in Genf nieder. Einige Wochen vor der am 15. November des gleichen Jahres eröffneten ersten Session der Versammlung des Völkerbundes traf sodann das Personal des Generalsekretariates in Genf ein. Seither wurden an den in Artikel 7 des Paktes vorgesehenen Bundessitz drei Tagungen der Versammlung aller Mitglieder des Völkerbundes sowie zwei Jahressessionen der allgemeinen Arbeitskonferenz berufen, ganz abgesehen von den Sitzungen des Rates und den zahlreichen Konferenzen zu besonderen Zwecken, die unter der Ägide des Völkerbundes stattfanden.

Die Erfahrung der beiden letzten Jahre hat nun gezeigt, dass die den Institutionen des Völkerbundes vorläufig zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten auch den dringendsten Anforderungen nicht durchweg genügen.

Am günstigsten liegen die Verhältnisse für das G e n e r a l s e k r e t a r i a t des V ö l k e r b u n d e s , das im September 1920 im Gebäude des früheren Hotels National am Quai du Léman untergebracht wurde. Dieses Gebäude ist für einen Kaufbetrag von Fr. 5,500,000, dessen Aufwendung vom Völkerbundsrat und auf dem Budgetwege von der Ersten Versammlung genehmigt wurde, in den Besitz des Völkerbundes übergegangen. Es entspricht heute und voraussichtlich auch für die nähere Zukunft den dringendsten Bedürfnissen des Generalsekretariats, da es günstig gelegen, vom Zentrum der Stadt aus leicht zugänglich und umfassend genug ist, um neben den ständigen Verwaltungszweigen auch den zeitweilig tagenden Spezialkommissionen Obdach zu gewähren.

Die vom Völkerbund käuflich erworbene Liegenschaft des früheren Hotels National hat einen Flächenraum von 8600 Quadratmeter. Auf diesem Grundstücke lassen sich neben dem bestehenden umfassenden Zentralgebäude keine weiteren Gebäulichkeiten errichten. Da jedoch der Völkerbundsrat von Anfang an die Möglichkeit einer Ausdehnung der vorläufig zur Verfügung

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stehenden Räumlichkeiten ins Auge fassen musste, ermächtigte er das Generalsekretariat, sich ein Vorkaufsrecht auf die anliegenden Grundstücke zu sichern. Zu diesen Grundstücken zählt namentlich die Liegenschaft Armleder, von der unten die Rede sein soll.

Im Gegensatz zum Generalsekretariat ist die zweite ständige /entralinstanz der Völkerbundsorganisation, das I n t e r n a t i o n a l e A r b e i t s a m t , zurzeit nicht in einem dem Völkerbund gehörenden Gebäude untergebracht. Als der Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation die Übersiedlung des Arbeitsamtes von seinem provisorischen Sitze in London nach Genf anordnete, schienen, wie erinnerlich, noch Zweifel darüber zu bestehen, ob die Institutionen des Völkerbundes dauernd an dem in Artikel 7 des Paktes bezeichneten Bundessitz verbleiben würden. Zudem war kein fertiges Gebäude erhältlich, das den Anforderungen, die seitens des Arbeitsamtes für eine dauernde Niederlassung gestellt werden mussten, gerecht zu werden vermochte. Nach Prüfung der Sachlage entschloss sich die Leitung des Amtes für die M i e t e des Gebäudes in der Châtelaine bei Genf, in der früher das Pensionat Thudichum untergebracht war.

Der abgeschlossene Mietkontrakt läuft bis zum Monat Juni des Jahres 1923. Bereits vor Beginn der Völkerbundsversammlung des Jahres 1921 wurden jedoch Vorschläge für eine anderweitige Unterbringung der Dienstzweige des Arbeitsamtes laut, da verschiedene entscheidende Gründe gegen die endgültige Erwerbung der Liegenschaft Thudichum sprachen. Die Expertenkommission des Völkerbundsrates, die auf Grund einer Resolution der Ersten Versammlung mit der Überprüfung der Organisation der ständigen Dienstzweige des Völkerbundes beauftragt worden war, musste feststellen, dass das gegenwärtige' Gebäude des Arbeitsamtes schon jetzt nicht genügend Räumlichkeiten für das vorhandene Personal enthalte und dass die zur Verfügung stehenden Bureaux zudem grossenteils zu eng seien. Dazu kommt die Tatsache, dass die Liegenschaft Thudichum von der nächsten Strassenbahnlinie ziemlich und vom Mittelpunkt der Stadt sehr weit entfernt liegt, was für den Betrieb des Amtes erhebliche Nachteile mit sich bringt.

Nach Kenntnisnahme der Feststellungen der Expertenkommission kam die Zweite Völkerbundsversammlung zu dem Ergebnis, dass das Internationale Arbeitsamt
jedenfalls bei seiner endgültigen Niederlassung eine dem Völkerbund gehörende Liegenschaft beziehen müsse. Es wurde jedoch in dem von der Versammlung genehmigten Bericht der Gedanke ausgesprochen, dass nicht zum Ankauf einer Gebäulichkeit für das Arbeitsamt ge-

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schritten werden sollte, ,,bis über die dauernde Beibehaltung des Völkerbundssitzes in Genf ein endgültiger Beschluss gefasst sei".

Der Bericht gab gleichzeitig der Erwartung Ausdruck, dass diese Frage von der Dritten Versammlung eine abschliessende Regelung gefunden haben werde. Es wurde somit die endgültige Unterbringung der ständigen Verwaltung der Arbeitsorganisation mit der grundsätzlichen Frage des Bundessitzes in der Schweiz in unmittelbaren Zusammenhang gestellt.

In noch eindringlicherer Form als die Expertenkommission des Jahres 1921 äusserte sich über die Unzulänglichkeit der gegenwärtig dem Arbeitsamt zur Verfügung stehenden Gebäuliehkeit die auf Grund eines Beschlusses der Zweiten Versammlung eingesetzte finanzielle Kontrollkommission des Völkerbundes in ihrem Bericht vom 10. Juli 1922. Unter Wiederholung der Feststellung, dass die beratenden und exekutiven Instanzen der Arbeitsorganisation einmutig die Notwendigkeit einer Änderung erkannt hatten, erklärte sie überdies auch, dass der bauliche Zustand der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten viel zu wünschen übrig lasse. Als einzige gangbare Lösung schien ihr, angesichts der Schwierigkeit, in der Stadt Genf fertige Gebäude von zureichender Grosse zu finden, die Erstellung eines Neubaus für das Internationale Arbeitsamt.

Auch die mit dem Studium der erwähnten Frage betraute Kommission der Völkerbundsversammlung des Jahres 1922 war der bestimmten Auffassung, dass ein auf die Beschaffung eines neuen Gebäudes hinzielender Beschluss eine Notwendigkeit darstelle. Ein fünfgliedriger Ausschuss dieser Kommission, der auch eine Besichtigung der Liegenschaft Thudichum vornahm, erhielt den Auftrag, konkrete Vorschläge zur Lösung des Problems auszuarbeiten. Auf die Verhandlungen, die bei dieser Gelegenheit mit der Schweizerischen Delegation zur Versammlung einsetzten, wird noch im Nachstehenden näher einzugehen sein.

Neben der Frage der Unterbringung der permanenten Dienststellen des Völkerbundes und der diesem angegliederten Internationalen Arbeitsorganisation hat bald das Problem der Erstellung eines angemessenen und würdigen S a a l e s für die S e s s i o n e n der V e r s a m m l u n g und anderer allgemeiner Konferenzen des Bundes die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.

Die drei ersten Tagungen der Versammlung des Völkerbundes
fanden im Reformationssaale statt, der erstmals im November 1920 in entgegenkommender Weise zur Verfügung gestellt und auch später als der geeignetste vorhandene Raum vom Völkerbund in Anspruch genommen wurde. Man konnte sich jedoch von Anfang

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an nicht verhehlen, dass die Abhaltung der Sessionen in diesem Räume mit verschiedenen Unzukömmlichkeiten verbunden sei.

Einmal ist der Saal kaum gross genug, um den Delegationen sämtlicher Völkerbundsmitglieder -- die bereits zweiundfünfzig an der Zahl sind -- samt ihren Experten und Sekretären, wie auch dem Publikum ausreichenden Platz zu sichern ; auch die Akustik des Saales lässt zu wünschen übrig. Des fernem wäre von einem Versammlungsgebäude namentlich zu wünschen, dass es neben dem Saal für die Plenarsitzungen besondere Räume für Kommissionsberatungen enthielte, was beim Reformationssaal nicht der Fall ist.

Endlich bedeutet die mehr als anderthalb Kilometer betragende Entfernung zwischen dem Gebäude des Generalsekretariats und dem gegenwärtigen Saal der Versammlungen eine Erschwerung des reibungslosen Dienstes während der Sessionen. Die Erstellung eines Konferenzsaales ist somit, wenn auch vielleicht weniger dringlich als die Überführung des Internationalen Arbeitsamtes in neue Räumlichkeiten, doch eines der wichtigsten Erfordernisse der endgültigen Niederlassung der Institutionen des Völkerbundes.

Zusammenfassend ist hinsichtlich der baulichen Verhältnisse des Völkerbundsitzes festzustellen, dass nur das Generalsekretariat in ziemlich befriedigender und voraussichtlich dauernder Art Unterkunft gefunden hat, während die Dienstzweige des Internationalen Arbeitsamts derzeit in ganz unzureichender, vorläufiger Weise untergebracht sind und auch die Abhaltung der Sessionen der Versammlung in einem Rahmen erfolgt, der das Zeichen des Provisoriums an sich trägt.

Angesichts der soeben geschilderten Lage war es vorauszusehen, dass die Dritte Versammlung des Völkerbundes Beschlüsse -- zum. mindesten solche vorbereitenden Charakters -- fassen musste, um im Interesse einer glatten Abwicklung der Geschäfte am Bundessitz die Frage der Gebäude einer Lösung entgegenzuführen. Es ist bereits angedeutet worden, dass in den Erörterungen über diesen Gegenstand nicht durchweg von der Möglichkeit abgesehen wurde, die Institutionen des Völkerbundes von dem in Artikel 7 des Paktes bezeichneten Sitze in eine andere Stadt zu verlegen. In dem Bericht, der der Zweiten Versammlung über die Organisation des Generalsekretariats und des Arbeitsamtes vorlag, wurde darauf hingewiesen, dass beinahe sämtliche Städte, die für eine Verlegung des Völkerbundssitzes in Betracht kämen, geeignete Paläste zur freien Verfügung überlassen könnten. Auch der Bericht der Kontrollkommission,

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welcher der Versammlung des Jahres 1922 erstattet wurde, enthält mit Bezug auf das Gebäude des Internationalen Arbeitsamtes einen Hinweis auf die Anerbieten anderer Länder, dieser Völkerbundsinstitution Immobilien unentgeltlich einzuräumen, und kommt, wie bereits oben ausgeführt, zu dem Schlüsse, dass die endgültige Beantwortung der Sitzfrage eine Vorbedingung des Entscheides über die Erstellung einer neuen Gebäulichkeit sei.

Der Bundesrat hält es unter diesen Umständen für anger zeigt, in kurzen Zügen aufs neue den Standpunkt zu umschreiben, den er gegenüber der Möglichkeit einer Verlegung des Völkerbundssitzes von Genf weg stets eingenommen hat. Er ist der festen Überzeugung, dass die Wahl einer schweizerischen Stadt als Hüterin der Institutionen des Völkerbundes nicht nur eine grosse Ehrung darstellt, sondern auch eine Bedeutung für unser Land besitzt, die politisch hoch zu bewerten ist. "Wie er in seiner Botschaft an die Bundesversammlung vom 4. August 1919 ausgeführt hat, sind es seines Erachtens in erster Linie Überlegungen weitschauender Politik, die zur Bezeichnung Genfs geführt haben, und namentlich die Erwägung, dass in der Schweiz, die von den Erinnerungen an die furchtbare jüngste Vergangenheit weniger beherrscht ist als andere Länder, für die friedliche Lösung der politischen Aufgaben der Zukunft ein besonders günstiger Boden geboten wird. Diese Überlegungen sind durch die Erfahrungen der letzten zwei Jahre nur erhärtet worden.

Der Bundesrat ist daher berechtigt, die Frage des Sitzes als ein politisches und moralisches Problem zu betrachten, dem für die ganze Wirksamkeit des Völkerbundes eine hohe Wichtigkeit zukommt und das deshalb nicht von momentanen politischen Erwägungen beherrscht werden darf. Diesen Standpunkt hat die schweizerische Delegation anlässlich der Zweiten wie der Dritten Session der Völkerbundsversammlung klar kundgegeben und damit" auch die Zustimmung der Mehrheit der Versammlung gefunden..

Wenn somit die Beteiligung der Schweiz an der Erstellung und Ausstattung passender Gebäulichkeiten für den Völkerbund nicht in dem Sinne mit der Beibehaltung des Sitzes in Genf verquickt werden kann und darf, dass sie als Vorbedingung des Verbleibens der Bundesinstitutionen zu betrachten wäre, so muss dennoch unser Land den Wunsch hegen, das Seine zu tun, um die endgültige
Niederlassung der Völkerbuudsorgane zu erleichtern und zu fördern. Das Land, das durch einen Akt allseitigen Vertrauens als Sitz der Völkerbundsorganisation ausersehen wurde, kann nicht gänzlich zurückstehen, wo es sich darum handelt,

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dieser jungen Organisation durch Beschaffung angemessener Räumlichkeiten die notwendige Entfaltungsmöglichkeit zu gewähren.

Bundesrat und Behörden des Kantons und der Stadt Genf suchten daher nach einer Lösung, die einerseits den Erwartungen entspricht, welche an die Schweiz gestellt werden konnten, und anderseits nicht eine zu grosse, in der gegenwärtigen Zeit besonders fühlbare Belastung mit sich bringt. Es konnte jedenfalls nicht ins Auge gefasst werden, auf Kosten der Eidgenossenschaft und Genfs die erforderlichen Gebäulichkeiten für die Versammlung und für das Internationale Arbeitsamt fertigstellen zu lassen und sodann schenkungsweise dem Völkerbund zu übergeben.

Abgesehen von der finanziellen Unmöglichkeit hätte ein solches Vorhaben die Bewegungsfreiheit der interessierten Völkerbundsinstitutionen hemmen können, für die es geboten ist, je nach ihren Bedürfnissen auf Grund von eigenen Plänen zu bauen.

Fertige Gebäude, die den zu stellenden Anforderungen genügt hätten, sind in Genf nicht erhältlich. Auch die Verwirklichung des von mehreren Seiten angeregten Gedankens, dem Völkerbund eine Geldsumme als Beteiligung der Schweiz an die Beschaffungskosten zur Verfügung zu stellen, schien nicht in jeder Hinsicht befriedigend, um so mehr, als ein Geldgeschenk der Schweiz an die Gesamtheit der Völkerbundsmitglieder nicht als angemessen erscheinen konnte. Darum wurde eine durchweg zufriedenstellende Lösung darin erblickt, dass in Aussicht genommen wurde, seitens der Eidgenossenschaft, des Kantons und der Stadt Genf schenkungsweise zweckentsprechende und genügend umfangreiche Liegenschaften zu freier Verfügung zu überlassen, auf denen die erforderlichen Gebäude vom Völkerbund je nach Ermessen errichtet werden können.

Die Verhältnisse kamen bei dieser Lösung dem Bundesrate entgegen. Infolge eines Vergleichs, der in einem Steuerprozesse mit der eidgenössischen Kriegssteuerverwaltung abgeschlossen wurde, war die Eidgenossenschaft Eigentümerin einer Liegenschaft am Ufer des Genfersees geworden, die in jeder Beziehung für eines der geplanten Gebäude geeignet ist. Dieses Grundstück, das sich in vorzüglicher Lage an der Route de Lausanne Nr. 154 befindet, hat die beträchtliche Grosse von 35,843 Quadratmeter und wird auf eine Million Franken bewertet. Obschon an deiPeripherie der Stadt gelegen, ist es nur wenige Minuten vom Gebäude des Generalsekretariats entfernt und mit guten Strassenbahnverbindungen ausgestattet. Die Leitung des Internationalen

7<>2 Arbeitsamtes gab bekannt, dass für den von ihr beabsichtigten Bau diese Liegenschaft alle Vorzüge bieten würde. In der Tat könnte das Arbeitsamt, hier untergebracht, in viel engerem Kontakt mit den anderen Verwaltungen des Völkerbundes bleiben, als dies gegenwärtig der grossen Distanzen wegen der Fall ist.

Der Umfang des Grundstückes erlaubt auch, eine spätere Erweiterung der Gebäude des Arbeitsamtes oder anderer internationaler Institutionen ins Auge zu fassen. Eine Abtretung dieser Liegenschaft an den Völkerbund würde somit gute Vorbedingungen für die Erstellung eines der erforderlichen Gebäude schaffen.

Seitens der Genfer Behörden wird in Aussicht genommen, dem Völkerbunde ein an das Gebäude des Generalsekretariats angrenzendes Grundstück zur Verfügung zu stellen, welches für die Erstellung eines Baus für die Session der Versammlung und andere Konferenzen geeignet wäre. Die Wahl ist auf die sogenannte Liegenschaft Armleder gefallen, auf die der Völkerbund, wie bereits oben erwähnt, in der Voraussicht der Ausdehnung seiner Gebäude sich ein Vorkaufsrecht gesichert hatte. Dieses Grundstück hat einen Flächenraum von 4493 Quadratmeter und bietet somit genügend Raum für einen Versammlungs- und Konferenzsaal.

Die beiden erwähnten Grundstücke würden als Ganzes dem Völkerbund zu gutscheinender Verwendung schenkungsweise übergeben. Dieser in Aussicht genommenen Lösung liegt auch der Gedanke zugrunde, dass die Eidgenossenschaft einerseits, Kanton und Stadt Genf anderseits zu annähernd gleichen Teilen an der Ausstattung .des Völkerbundes sich beteiligen. Dass Genf. mit in erster Linie an der geplanten Donation teilnimmt, erscheint für den im Völkerbundsvertrag bezeichneten konstitutionellen Sitz gegeben. Anderseits entspricht es der Billigkeit, dass der Bund ein ungefähr gleich grosses finanzielles Opfer auf sich nehme, da nicht zu vergessen ist, dass Genf nur als S c h w e i z e r s t a d t für die Wahl des Sitzes in Betracht gekommen ist.

Es musste bereits anlässlich der im September dieses Jahres tagenden Dritten Völkerbundsversammlung eine Entscheidung des Bundesrates und der Genfer Behörden erfolgen, da die oben geschilderten Verhältnisse unsere Delegation zu einer Erklärung über Mitwirkung der Schweiz bei der endgültigen Niederlassung der Institutionen des Völkerbundes drängten. Nachdem im
Anschluss an die im Laufe des Jahres in Bern abgehaltenen Besprechungen am 6. September in Genf eine Konferenz der schweizerischen Delegation mit Vertretern des Staatsrates und des Verwaltungsrates der Stadt Genf stattgefunden hatte, in deren Ver-

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lauf das Angebot der Grundstücke in Aussicht genommen wurde, gab wenige Tage darauf der Bundesrat Bunter Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesversammlung'seine Zustimmung zur Schenkung der an der Route de Lausanne^gelegenen Liegenschaft. Gleichzeitig fasste der Genfer Staatsrat unter Mitwirkung der Stadtgemeinde Genf den Beschluss, dem';* Grossen Rat des Kantons Genf den Erwerb der an das Gebäude des Generalsekretariats angrenzenden Liegenschaft zu beantragen. Hierauf gestützt, gab am 12. September der schweizerische Vertreter in der zuständigen Kommission der Versammlung, Herr Ständerat Usteri, die Erklärung ab, dass der Bundesrat namens der Eidgenossenschaft und des Kantons und der Stadt Genf unter Vorbehalt der Genehmigung durch die zuständigen Instanzen die Liegenschaft an der Route de Lausanne und beim Gebäude des"sGeneralsekretariats dem Völkerbund als Geschenk anbiete. Der Wortlaut dieser Erklärung, die durch Note der Schweizerischen Delegation vom September bestätigt wurde, ist in der Beilage zu dieser Botschaft wiedergegeben. Die Versammlung des Völkerbundes nahm mit Beifall von dem schweizerischen Angebot Kenntnis. In der Plenarsitzung vom 2. Oktober 1922 gab sie ihrem lebhaften Dank für die beabsichtigten Schenkungen Ausdruck und fasste den Beschluss, den Völkerbundsrat zur Annahme jeder der Donationen zu ermächtigen, sobald die Angebote endgültig würden.

Mit Schreiben vom 12. des gleichen Monats brachte der Präsident der Dritten Versammlung, Herr Augustin Edwards, in einem offiziellen Dankschreiben dem Bundesrate die Resolution der Versammlung zur Kenntnis*).

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung, der geplanten Beteiligung der Eidgenossenschaft an der Beschaffung angemessener Gebäulichkeiten für den Völkerbund ihre Zustimmung zu erteilen. Die Teilnahme des Bundes an der in Aussicht genommenen Gabe hat als Ausfluss des Willens, nach Massgabe unserer Kräfte an der Ausstattung des Völkerbundes mitzuwirken, eine Bedeutung, die den Sachwert des abzutretenden Eigentums weit übersteigt.

Sie ist nicht bloss eine Tat internationaler Solidarität, zu deidie Schweiz als Sitzstaat des Völkerbundes berufen ist. Sie ist auch eine Handlung eidgenössischer Solidarität gegenüber dem *) Vgl. den Wortlaut dieses Schreibens und der darin wiedergegebenen Resolution der Versammlung in der Beilage.

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Kanton und der Stadt Genf, welche den Völkerbundsinstitutionen eine würdige Gastfreundschaft zu bieten wünschen.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf eines nicht.

allgemein verbindlichen Bundesbeschlusses zur Annahme empfehlen, benützen wir gleichzeitig diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten.

Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 22. November 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates.

Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler :

Steiger.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

schenkungsweise Überlassung eines Grundstückes an den Völkerbund.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 22. November 1922, beschliesst: Der Bundesrat wird ermächtigt, die der Eidgenossenschaft gehörende, an der Route de Lausanne in Genf gelegene Liegenschaft dem Völkerbund zwecks Erstellung der für seine Institutionen erforderlichen Gebäude schenkungsweise zu überlassen.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses, beauftragt.

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Beilage l.

Note der Schweizerischen Delegation an Sir Erio Drummond, Generalsekretär des Völkerbundes.

(Vom 14. September 1922.)

Herr Generalsekretär !

Wir beehren uns, Ihnen hiermit den Inhalt der Erklärung folgenden Wortlauts zu bestätigen, die Herr Ständerat Usteri am 12. dieses Monats im Namen der schweizerischen Delegation in der vierten Kommission der Versammlung abgegeben hat: ,,Im Namen der Eidgenossenschaft und im Namen des Kantons und der Stadt Genf, In der Absicht, dem Völkerbund die Beschaffung der Räumlichkeiten zu ermöglichen, die sich für die Versammlung und das Internationale Arbeitsamt als immer notwendiger erweisen, Vom Wunsche geleitet, soweit an der Schweiz liegt und im Rahmen ihrer Kräfte an der Verwirklichung des sehr berechtigten Wunsches des Völkerbundes beizutragen, sich günstig gelegenes und leicht zugängliches Bauland zu verschaffen, Bietet der schweizerische Bundesrat, unter dem Vorbehalte ·der Ratifikation durch die verfassungsmässigen eidgenössischen und ° genferischen Instanzen, dem Völkerbunde folgende Grund. stücke an : 1. die auf der Stadtseite an das ,,Hôtel des Nations" angrenzende Liegenschaft von einem Flächenraum von 4493 m 2 ; 2. das am Seeufer gelegene Grundstück Route de Lausanne 154,.

von einem Flächenraum von 35,843 m2."

Wir beehren uns beizufügen, dass die schweizerische Delegation dem Generalsekretariat des Völkerbundes mit Vergnügen jede für nutzlich erachtete Auskunft über das Anerbieten des Bundesrates erteilen wird.

Genehmigen Sie, Herr Generalsekretär, die Versicheruag unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Für die schweizerische Delegation.: (gez.) Motta.

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Beilage H.

Schreiben des Präsidenten der Dritten Völkerbundsversammlung vom 16. Oktober 1922.

Herr Bundesrat, Ich beziehe mich auf das Schreiben, das Sie am 14. September an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtet haben und beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass die Völkerbundsversammlung in der dreiundzwanzigsten Sitzung der dritten Session am Freitag, den 29. September einstimmig folgende Resolution angenommen hat : .,,Nach Kenntnisnahme des Schreibens, das die Schweizerische' Delegation am 14. September 1922 im Namen des Bundesrates sowie im Namen des Staatsrates des Kantons Genf und des Gemeinderate's der Stadt Genf an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtet hat, wonach in der Absicht,, dem Völkerbund die Erstellung von Räumlichkeiten für die Versammlung und das Internationale Arbeitsamt durch die Beschaffung von Bauland in zweckdienlicher Lage in Genf zu erleichtern, folgende Liegenschaften unter dem Vorbehalte der Ratifikation durch die verfassungsmassigen eidgenössischen und genferischen Instanzen schenkungsweise angeboten werden: 1. von der Schweizerischen Eidgenossenschaft das am Seeufer gelegene Grundstück Route de Lausanne 154, von einem Flächenraum von 35,843 m2, 2. vom Kanton Genf und der Stadt Genf die auf der Stadtseite an das ,,Hôtel des Nations" angrenzende Liegenschaft von einem Flächenraum von 4493 m a , gibt die V ö l k e r b u n d s v e r s a m m l u n g ihrer lebhaften Anerkennung für die Freigebigkeit und den guten Willen gegenüber dem Völkerbund Ausdruck, die diesem Anerbieten zugrunde liegen und gibt dem Rate Vollmacht: 1. diese Anerbieten anzunehmen, sobald jedes einzelne derselben endgültig geworden sein wird;

·

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2. das Generalsekretariat zu ermächtigen, zwecks Übertragung der Eigentumsrechte im Namen der Völkerbundes zu handeln.a Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verbunden, wenn Sie die oben erwähnte Resolution dem Bundesrat, dem Staatsrat des Kantons Genf und dem Gemeinderat der Stadt Genf zur Kenntnis bringen und gleichzeitig den eidgenössischen und genferischen Behörden den lebhaftesten Dank der Versammlung für die Anerbieten zum Ausdruck bringen wollten, deren Freigebigkeit und Bedeutung die letztere voll zu würdigen weiss.

Indem ich diese Gelegenheit benütze, um Ihnen sowie Herrn U s t e r i auch in meinem eigenen Namen für das stete Interesse und die unablässige Hingebung zu danken, die Sie nicht müde wurden, im Verlaufe dieser so glücklich geführten Unterhandlungen an den Tag zu legen, bitte ich Sie, Herr Bundesrat, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung genehmigen zu wollen.

(gez.) Augustin Edwards, Präsident der Dritten Versammlung.

Herrn Bundesrat G. M o t t a , Chef des Bidg. Politischen Departements.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend schenkungsweise Überlassung eines Grundstückes an den Völkerbund. (Vom 22. November 1922.)

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29.11.1922

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