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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Ankauf einer Liegenschaft für die schweizerische Gesandtschaft in Warschau.

(Vom 6. Juni 1922.)

Als im Oktober 1921 der schweizerische Gesandte in Polen seinen Posten antrat, ging seine erste Sorge dahin, passende Räumlichkeiten für die Gesandtschaftskanzlei und für seine eigene Unterkunft ausfindig zu machen. Gegenwärtig ist unsere Gesandtschaft noch in den -- übrigens ungenügenden -- Räumen des ehemaligen Konsulats untergebracht.

Es wurde sowohl die Miete der erforderlichen Bureauräume als auch der Ankauf eines Gebäudes ins Auge gefasst. Die Prüfung dieser beiden Möglichkeiten hat zu folgenden Feststellungen geführt : 1. Trotz der zurzeit in Warschau herrschenden ausserordentlichen Wohnungsnot fand man eine Wohnung, die sich für die Aufnahme der Gesandtschaftskanzle geeignet hätte und unter Umständen gross genug gewesen wäre, um ein oder zwei Zimmer in Untermiete zu vergeben. Der Mietzins für diese Wohnung stellte sich sehr niedrig; denn bei einem Kurse von Fr. 0,16 für 100 polnische Mark erreichte er kaum den Betrag von Fr. 80. -- jährlich, wozu eine Summe von ungefähr Fr. 2800. -- für Umbauten und Einrichtung, Kommissionsgebühr und andere Spesen getreten wäre. Diese Wohnung war anscheinend spottbillig, aber nur anscheinend, denn es musste mit einer bestimmten, durch die Wohnungsnot verursachten Gepflogenheit gerechnet werden. Die Mieten in Polen sind in der Tat sehr niedrig, weil der Gesetzgeber zur Unterbindung der Spekulation, die bei dem Fehlen der Konkurrenz für die Hausbesitzer zu verlockend wäre, gewisse Ausnahmegesetze erlassen hat. Aber diese Gesetze wurden alsbald umgangen ; auf die Mieten, die, im Vergleich mit den übrigen Kosten der Lebenshaltung, künstlich sehr tief zu halten

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gesucht wurden, wurden nämlich empfindliche ,,Abstandsgelder" geschlagen, die von jedem neuen Mieter boi der Vermietung eines Hauses, einer Wohnung oder eines Zimmers gefordert werden. So hätte im vorliegenden Falle die Eidgenossenschaft eine Summe von Fr. 27,200 zu entrichten gehabt, um überhaupt den Mietvertrag, und zwar auf eine Dauer von 5 Jahren, abschliessen zu können. Selbst wenn man vom Gesamtbetrage, der sich für eine Mietdauer von 5 Jahren auf Fr. 30,400 gestellt haben würde, die paar hundert Franken abzieht, die vielleicht durch Aftermiete von einem oder zwei Zimmern an Angestellte der Gesandtschaft wieder hätten eingebracht werden können, verbleibt doch eine Summe von Fr. 30,000, was einer Jahresmiete von rund Fr. 6000 gleichkommt.

Der Gesandte seinerseits hätte für seinen persönlichen Gebrauch eine Wohnung zu mieten gehabt und dabei für ,, Abstandsgeld" und Instandstellung mit einer Summe von ungefähr Fr. 60,000 rechnen müssen. Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass die Eidgenossenschaft in dieser oder jener Form einen grossen Teil dieser ausserordentlichen Aufwendung würde zu tragen gehabt haben.

2. Es" bot sich Gelegenheit, ein nach jeder Hinsicht passendes Gebäude um den Preis von Fr. 175,000, mit Einschluss aller Spesen für Instandstellung usw., käuflich zu erwerben.

Beim Vergleiche dieser beiden Lösungen schienen die der zweiten anhaftenden Vorteile so gewichtig zu sein, dass wir uns für diese glaubten entschliessen zu sollen.

Es wollte uns ein gewagtes und wenig zweckmässiges Verfahren scheinen, mehr als 27,000 Franken als Abstandsgeld für eine Wohnung aufzuwenden, die unter Umständen nach nicht allzulanger Frist wieder hätte aufgegeben werden müssen, und dazu den schweizerischen Gesandten 50 bis 60,000 Franken für eine Wohnung ausgeben zu sehen, die auch er unter dem Zwange der Umstände vielleicht nur kurze Zeit hätte innehaben können, während gleichzeitig für eine kaum doppelt so hohe Summe ein Gebäude käuflich erworben werden konnte.

Das Gebäude -- ein Doppelwohnhaus --, das wir gekauft haben, bildet einen Teil der Häuserreihe zwischen der Allee des 3. Mai und der Smolnastrasse, zwei Hauptverkehrsadern ; es liegt im Zentrum der Stadt, in einem der besten Viertel, wo sich bereits verschiedene andere diplomatische Vertretungen niedergelassen haben. Die Hauptfassade mit einer Länge von 44 Metern und 15 Fenstern per Stockwerk ist nach Süden gegen die Allee

561 Ues 3. Mai gerichtet, einer etwa 50 Meter breiten, mit Baumreihen bepflanzten und mit Rasenplätzen eingefassten bedeutenden Strasse. Gegenüber erhebt sich in einem Garten das polnische Eisenbahnministerium. Das Gesandtschaftsgehäude wurde vor etwa, 40 Jahren gebaut und ist heute noch in guüem Zustande.

Der freie Ausblick auf die Weichsel und die neue Weichselbrüeke ist durch Servituten gesichert, welche die Überbauung der angrenzenden freien Grundstücke verhindern. Auf der Nordseite nach der Smolnastrasse liegt zwischen zwei Gebäudeflügeln ein offener Hof von 13,s Meter Breite und 11 Meter mittlerer Tiefe. Gegen Osten und Westen werden die Grenzen durch Brandmauern gebildet.

Der Bauplatz hat die Form eines Trapezes und einen Flächeninhalt von etwa 1159 m2. Das Gebäude enthält in fünf Stockwerken zehn grössere, mit ihren Haupträumen nach Süden gerichtete, und in vier Stockwerken acht kleinere, nach Norden gerichtete selbständige Wohnungen.

Die grossen Wohnungen sind je in sieben bis neun Zimmer nebst Küche und Bad, die kleinen in vier Zimmer nebst Küche eingeteilt. Die grossen Wohnungen sind durch ein gemeinsames, am offenen Hof gegen Norden gelegenes Treppenhaus vom Hof und von der Allee des 3. Mai aus zugänglich. Ausserdem haben sie noch je eine Verbindung nach der Smolnastrasse durch die Treppenhäuser der rückwärtigen Gebäudeflügel. Der Zugang zu den kleinen Wohnungen geschieht durch den offenen Hof. Zwischen den beiden Hintergebäuden, die nur Erdgeschoss und drei Stockwerke aufweisen, und dem fünfstöckigen Vordergebäude dient je ein sechseckiger Lichthof von 15,s m 8 Grundfläche der Lichtzufuhr zu den Küchen und untergeordneten Räumen.

Die Kanzlei der Gesandtschaft wird im Erdgeschosse des Vorderhauses untergebracht, wo auch dem Kanzleisekretär, der die Verwaltung des Hauses zu übernehmen hat, eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden kann. Der Gesandte bezieht das erste Stockwerk ; die übrigen Stockwerke werden vermietet.

Über die finanziellen Aufwendungen, die die Eidgenossenschaft für dieses Gebäude zu machen haben wird, ist folgendes zu bemerken.

Der Kaufpreis stellt sich auf 60 Millionen polnische Mark.

Möglicherweise muss überdies mit einer Wertzuwachssteuer an Staat und Gemeinde von höchstens 10,000,000 poln. Mark gerechnet werden. Der Erlass eines hierauf bezüglichen Gesetzes ist indes zunächst nur als wahrscheinlich zu betrachten, und die

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Frage, ob ihm rückwirkende Kraft zukommen wird und in welchem Masse, hat heute noch keine Abklärung gefunden.

Von der Kaufsumme sind 55 Millionen poln. Mark sofort bei Unterzeichnung des notariellen Aktes zahlbar; die verbleibenden 5 Millionen poln. Mark werden nach Bestätigung durch die zuständige Gerichtsbehörde fällig. Die Frist, innerhalb deren das von den Eigentümern gemachte Angebot angenommen werde» musste, lief am 28. Februar ab.

Die Kosten für Umbauten und Einrichtung des Gebäudes werden auf 40,800,000 poln. Mark veranschlagt; überdies muss für Kommission und sonstige Spesen eine Ausgabe von 3,200,000 poln. Mark vorgesehen werden. Der Gesamtpreis würde sich demnach belaufen auf: Kaufpreis poln. Mk. 60,000,000 Umbauten u n d Einrichtung . . . .

,, ,, 40,800,000 Spesen und Kommission ,, ,, 3,200,000 zusammen poln. Mk. 104,000,000 was, wenn man 'einen Kurs von 650 poln. Mark für den Schweizerfranken zugrunde legt Fr. 160,000 ausmacht. Würde dazu im ungünstigsten Fall eine Wertzuwachssteuer von 10 Millionen poln. Mark zum obigen Kurse hinzukommen, d. h ,, 15,000 so würden die Gesamtausgaben betragen

. · Fr. 175,000

Dieser Aufstellung möge folgende von unserm Gesandten eingereichte Betriebsrechnung angeschlossen werden : Ausgaben: Kapitalzins und Unterhalt 8 °/o von Fr. 175,000 = Fr. 14,000 Einnahmen: Mietzins für die G e s a n d t e n w o h n u n g . . . . Fr. 6,000 Mietzins für die Kanzlei, einschliesslich Wohnung des Kanzleichefs ,, 6,000 Ertrag der übrigen Mitwohnungen, wovon 6 grosse und 8 kleine ,, 2,000 Total Einnahmen

Fr. 14,000

Zu obiger Kostenrechnung ist zu bemerken, dass im Finanzhaushalte des Bundes irp allgemeinen für Verzinsung und Amortisation von Liegenschaftskapitalien mit 6J/2 % gerechnet wirdr, während hier 8 °/o eingestellt sind.

563 Die Mietzinse sind sämtlich sehr niedrig angeschlagen. D äs hat seine Ursache in den heutigen Valutaverhältnissen 5 mit der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird sich jedoch der Ertrag von selbst heben. Im Jahre 1913 soll das Haus einen Zins von Rubel 18,965. 70 abgeworfen haben. Wenn man mit einer allmählichen Rückkehr normaler Verhältnisse rechnet, so wird der Ertrag der Liegenschaft in absehbarer Zukunft die Ausgaben decken, selbst wenn für die Kanzlei und für die Gesandtenwohnung kein Mietzins in Rechnung gestellt würde. Vom finanziellen Standpunkt aus darf demnach die getroffene Lösung als sehr günstig gelten. Nebenbei sei noch darauf hingewiesen, dass die 45 und 20 Millionen poln. Mark zum Kurse von Fr. 0,u5 und 0,12 beschafft werden konnten, während der Berechnung der Gesamtausgabe ein Kurs von Fr. 0,15 zugrunde gelegt worden ist.

Die Vorteile dieses Kaufgeschäftes ergeben sich vielleicht noch deutlicher aus einem Vergleich mit den Bedingungen, unter denen die von den eidgenössischen Räten auf unsern Antrag mit Beschluss vom 19. November 1919 genehmigte Erwerbung der Liegenschaft der Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern in Bern, Amthausgasse Nr. 7, erfolgt ist. Es handelte sich hier um den Ankauf eines Bauplatzes, auf dem drei ältere, insgesamt zu Fr. 194,200 versicherte Gebäulichkeiten standen und übrigens jetzt noch stehen und der für ein eidgenössisches Verwaltungsgebäude in Aussicht genommen ist. Die überbaubare Fläche dieser Liegenschaft beläuft sich auf 1184 m2. Für die ganze Besitzung mit Einschluss der Gebäude wurden Fr. 1,109,350 oder Fr. 937 per m2 bezahlt. Das Haus in Warschau hat einschliesslich des Hofes eine Grundfläche von 1159 m2, und der Preis, einschliesslich aller Gebäude, beträgt nach vorstehender Berechnung Fr. 175,000 oder Fr. 151 per m a . Dabei sind aber die Umbau- und Einrichtungskosten inbegriffen, während sich auf der von der Brandversicherungsanstalt erworbenen Liegenschaft ältere Gebäulichkeiten befinden, die abgebrochen werden müssen, wenn ein neues Verwaltungsgebäude erbaut werden soll. Der Baugrund allein für ein neues Verwaltungsgebäude an der Amthausgassé in Bern kostet also Fr. 937 per m2, wogegen dieselbe Flächeneinheit bei der in Warschau erworbenen Liegenschaft für Bauplatz u n d renoviertes Gebäude auf nur Fr. 151 zu stehen kommt.
Die Kosten des Ankaufes und der Instandstellung der bisherim Ausland erworbenen Gesandtschaftsgebäude waren folgende:.

für das Gebäude in Paris . . Fr. 1,072,000 für das Gebäude in Berlin . . . ,, 608,000 für das Gebäude in Rom . . ,, 418,000'

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Vergleicht man diese Ausgaben mit den Aufwendungen für Ankauf und Instandstellung der Liegenschaft in Warschau, so erscheint die Erwerbung dieser letztern ebenfalls im günstigsten Lichte.

Das Gebäude ist allerdings nicht ganz frei von Mängeln ; Treppen und Vorplätze sind für eine Gesandtschaft eher eng; auch das mit Motiven aus der italienischen Renaissance etwas überladene Äussere hat mehr den Charakter eines Miethauses als den eines Gesandtschaftsgebäudes.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, mussten bei diesem Kaufgeschäfte die erforderlichen Entscheidungen so rasch getroEfen werden, dass es nicht möglich war, vor einer Schlussnahme an die eidgenössischen Räte zu gelangen. Wenn uns auch daran liegt, Ihnen schon bei Ihrem ersten Zusammentreten nach Abschluss des Geschäftes das Begehren um nachträgliche Genehmigung der Ausgabe zu unterbreiten, so glauben wir doch darauf hinweisen zu müssen, dass ein derartiges Vorgehen mit gewissen Unzukömmlichkeiten verknüpft ist. Es war nämlich nicht möglich, uns die Pläne und Kostenvoranschläge für die ausuführenden Instandstellungsarbeiten zu beschaffen, und der finanzielle Ausweis über die Verwendung des zu bewilligenden Kredites kann daher nur unvollständig sein.

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benutzen den Anlass, um Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, erneut unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 6. Juni 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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(Entwurf.)

ßundesbeschluss betreffend

den Ankauf einer Liegenschaft in Warschau und deren Umbau für die dortige schweizerische Gesandtschaft.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 6. Juni 1922, beschliesst: 1. Für den Ankauf einer Liegenschaft an der Smolnastrasse Nr. 25 in Warschau und deren Umbau für die dortige schweizerische Gesandtschaft wird ein Kredit von Fr. 175,000 bewilligt.

2. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

3. Der Bundesrat ist mit dessen Vollziehung beauftragt.

Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. II.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Ankauf einer Liegenschaft für die schweizerische Gesandtschaft in Warschau. (Vom 6. Juni 1922.)

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