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Bundesblatt

74. Jahrgang.

Bern, den 7. Juni 1922.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis HO Franken im Jahr, Franken im zuzüglich ,,Nachnahme- and .

: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate fra an die Stämpfli de. in Bern.

# S T #

Zu 1596

II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1922).

(Vom 23. Mai 1922.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über weitere 69 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

61. Hermann Huber, geb. 1897, Hilfsdreher, Frauenfeld (Thurgau).

(Fälschung einer Bundesakte.)

Hermann Huber wurde am 30. Dezember 1921 vorn Bezirksgericht Frauenfeld in Anwendung der Art. 61 und 31, c und d, des Bundesstrafrechts zu 2 Monaten Gefängnis und Fr. 100 Busse verurteilt.

Huber, der im Jahre 1919 im Anschluss an eine Verurteilung wegen Diebstahls zu einer Arbeitshausstrafe von 6% Monaten und Einstellung im Aktivbürgerrecht bis Ende September 1922 zu den Ersatzpflichtigen versetzt wurde, hat in seinem Dienstbüchlein drei Einträge über An- und Abmeldung selbst vorgenommen, und die Unterschrift eines Sektionschefs nachgeahmt. Dasselbe tat er bezüglich des Eintrags, die Militärsteuer für 1921 bezahlt zu haben.

Mit Eingabe vom 12. Februar 1922 ersuchte Huber um Umwandlung der 2 Monate Gefängnis in Busse unter Ansetzung einer Summe von Fr. 400. Er habe die Fälschungen aus Angst vorgenommen, nachdem er amtlich veranlasst worden sei, sich dem Sektionschef zu stellen. Der Schritt ins Gefängnis falle ihm schwer, besonders mit Rücksicht auf seine Braut und deren Eltern.

Da es zunächst möglich schien, die Begnadigungssache bereits in der Märzsession zu unterbreiten, wurde der Strafvollzug aufgeschoben. In der Folge gingen die Akten der Bundesanwaltschaft jedoch erst am 12. April zu.

» Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. I.

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Wir beantragen i:i Zustimmung zum Polizeidepartement des Kantons Thurgau, das Begnadigungsgesuch abzuweisen. Einmal ist an die Vorstrafe zu erinnern. Weiterhin wird von dem Gesuchsteller gesagt, er sei kein Freund anstrengender Arbeit, auch geniesst er laut Bericht des Bezirksamtes Frauenfeld keinen guten Leumund, Allgemein ist zu bemerken, dass Umwandlungsgesuchen nur dann stattgegeben werden sollte, wenn die Umwandlung wirklich nahe liegt.

Dies ist hier nicht der Fall.

A n t r a g : Abweisung.

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Louis Isely, geb. 1871, August Isely., ge'j. 1898, beide Fischer, Gland (Waadt), Alexis Prod'nom, geb. 1882, Fischer, Perroy (Waadt), Samuel Monney, geb. 1879, Pierriste, Lucens (Waadt), Jean Grivel, geb, 1882, Angestellter, Freiburg, Paul Etienne, geb. 1889, Uhrmacher, Courchavon (Bern).

(Fischereipolizei.)

Gestützt auf das Bxindesgesetz vom 21. Dezember 1888 betreffend die Fischerei und kantonale Ausführungserlasse wurden verurteilt: 62 und 63. Louis und August Isely, verurteilt am 10. Oktober 1921 durch Entscheid des Tribunal de police du district de Eolle in Anwendung des interkaatonalen Fischereikonkordates zwischen Genf, Wallis und Waadt vom 12. Juli 1920 je zu Fr. 100 Busse, auf Berufung der Staatsanwaltschaft liin vom Kantonsgericht am 8. November 1921 verschärft durch den Entzug der Berechtigung zum Fischen für die Dauer von 2 Jahren.

Das erstinstanzlicbe Gericht stellte fest, dass Vater und Sohn Isely am 10. September 1921 zum Fischfang im Genfersee (Fang von Ombles-chevaliers) ein zu engmaschiges Netz gebraucht hatten.

Für die Verurteilten wird ersucht, den Entzug der Fischereiberechtigung im Begnadigungswege aufzuheben. Hierzu wird, wie im gerichtlichen Verfahren, angebracht, das fragliche Netz sei durch Dritte aus Missgunst an die Netze von Vater und Sohn Isely angeknüpft worden, es gehöre nicht den beiden Isely und sei von ihnen auch nicht verwendet worden. Die oberinstanzliche Verurteilung sei zu hart, und entspreche der Gerechtigkeit nicht, namentlich deshalb nicht, «puis que la culpabilité des recourants n'est pas mieux établis, puisqu'ils persistent toujours à proclamer leur innocence».

Da die Verurteilungen sich auf ein interkantonales Fischereikonkordat stützen, ist den Gesuchen gegenüber zunächst zu überprüfen, ob zur Begnadigung die Bundesversammlung oder die kan-

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tonale Begnadigungsbehörde zuständig sei. Der Wortlaut von Art. 24 des eidgenössischen Fischereigesetzes vom 21. Dezember 1888, wonach «der Fischfang in allen interkantonalen Fischgewässern durch Übereinkommen zwischen den beteiligten Kantonen zu regeln ist» legt den Schiusa nahe, die Eegelung des Fischfangs sei in derartigen Gewässern der interkantonalen Vereinbarung überlassen, d. h. es .komme sowohl die Organisation der Fischereiberechtigung wie die Aufstellung von Vorschriften über die Ausübung der Fischerei völlig den Kantonen zu. Kantonal wären dann auch die Strafbestimmungen derartiger Konkordate, und dasselbe hätte zu gelten mit Bezug auf einschlägige Verurteilungen und die Zuständigkeit zum gnadenweisen Erlass von Strafen.

Der zwischen dem Département de l'Agriculture, de l'Industrie et du Commerce des Kantons Waadt einerseits, der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei und der Bundesanwaltschaft andererseits über die Zuständigkeitsfrage erfolgte Meinungsaustausch führt jedoch zu dem Ergebnis, dass dies nicht die Bedeutung von Art. 24 des eidgenössischen Fischereigesetzes sein kann.

Artikel 24 ordnet zwar an, dass der Fischfang in allen interkantonalen Fischgewässern durch Übereinkommen zwischen den Kantonen zu regeln ist. Die Botschaft vom 3. Juni 1887 zum Gesetzesentwurf zeigt, dass damit eine für die Kantone obligatorische Vorschrift geschaffen werden sollte, um auch in diesen Gewässern die notwendige Ordnung herbeizuführen. Bezeichnend hierfür ist die Fristsetzung in Art. 18 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz vom 3. Juni 1889. Diese Eegelung des Fischfangs durch Übereinkommen ist aber nicht f r e i , sondern hat sich an das Bundesgesetz zu halten, das in Art. l bestimmt, die Verleihung oder Anerkennung des Eechts zum Fischfang stehe den Kantonen zu, wogegen für die Ausübung desselben seine Bestimmungen massgebend seien. Es ist den Kantonen nach Art. 27 des Bundesgesetzes lediglich anheimgestellt, zum Schutze und zur Hebung des Fischbestandes strengere Massregeln anzuordnen. Für diesen Standpunkt sprechen Art. l und 2 der Vollziehungsverordnung, wo die Kantone unter anderem eingeladen werden, ihre mit dem Bundesgesetz in Widerspruch stehenden interkantonalen Übereinkünfte ausser Kraft zu setzen und wo hervorgehoben wird, dass das Bundesgesetz auf allen
Seen und Wasserläufen zur Anwendung zu gelangen habe. In diesem Sinne ist dem Bundesrat in Art. 24 des Bundesgesetzes die Genehmigung der Übereinkommen vorbehalten. Zutreffend ist der fernere Hinweis, es wäre eigentümlich, wenn ein Kanton sich für gänzlich ihm zugehörige

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Gewässer an das Bundosgesetz zu halten hätte, dies aber dann nicht der Fall sein sollte, sobald mehrere Kantone an einem Gewässer berechtigt seien. Wie dio Erlasse eines einzelnen Kantons betreffend Ausübung des Fischfangs, sind auch die in Art. 24 des Bundesgesetzes obligatorisch vorgeschriebenen Übereinkünfte eine Form der Vollziehung des Bundesgesetzes. Unter Vorbehalt strengerer Schutzbestimmungen nach Art. 27 haben die Tatbestände und Strafbestimmungen das Burdesgesetz wiederzugeben, als dessen Bestandteile sie in Betracht kommen, auch wenn sie in der Form eines Übereinkommens wiederhol! werden.

Für die Kompetenzfrage ist schliesslich die Art der Behandlung und Erledigung von Bedeutung, welche im Jahre 1910 der ähnliche Begnadigungsfall Imer gefunden hat (Bundesbl. 1910, V, 564).

Der bundesrätliche Bericht besagte, «dass Imer mit verbotenen Gerätschaften gefischt und sich in dieser Weise der Übertretung des eidgenössischen Gesetzes und des kantonalen Konkordates über die Fischerei im Neuenburgersee schuldig gemacht hat». Die Angelegenheit wurde von Bundesrat und Bundesversammlung einlässlich behandelt und erledigt, das heisst bereits in diesem Fall zum Ausgangs.punkt genommen, dass eidgenössische Strafbestimmungen zur Anwendung gelangt seien. Wir bejahen dies heute auch im Falle der beiden Isely und weit3rhin in der anschliessend zur Behandlung gelangenden Begnadigungssache Prod'hpm. In Sachen Isely bemerken wir noch, dass Gegenstand des gemeinsamen Begnadigungsgesuches einzig der Entzug der Fischereiberechtigung bildet. Die Bussen stehen nicht in Frage, weshalb auch dahin gestellt bleiben kann, wie es sich vom Standpunkte des Bundesgesetzes mit der bezüglichen Strafbestimmung des Übereinkommens verhält, die für den Tatbestand der Verwendung von zu engmaschigen Netzen eine höhere Mindestbusse ansetzt als das Bundesgesetz.

Das Département de l'Agriculture, de l'Industrie et du Commerce des Kantons Waadt häli; dafür, die Dauer des Fischereirechtsentzuges könne herabgesetzt werden, um den schwierigen Zeitverhältnissen Eechnung zu tragen. Mit Bezug auf Isely, Sohn, wird besonders auf die zweite Vorstrafe vom 14. September 1919 wegen Ausübung des Fischereirechts ohne Mittragen des Ausweises hingewiesen, die eine geringfügige Zuwiderhandlung betreffe. Es wird eine Herabsetzung bis zu drei oder
sechs Monaten angeregt.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt bei Isely, Vater, Herabsetzung bis zu l Jahr, bei Isely, Sohn, bis zu 6 Monaten.

In den Akten befindet sich femer eine Eingabe von Fischern

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vom 8. März 1922, worin für Isely, Sohn, Stellung genommen wird.

Er habe Familienlasten, und die Fischerei sei sein einziger Erwerb.

Wir möchten angesichts der schweren Zeitverhältnisse Gnade für Eecht ergehen lassen und beantragen in beiden Fällen Aufhebung des Fischereirechtsentzuges vom Tage des Entscheides der Bundesversammlung an. Es sei aber ausdrücklich bemerkt, dass wir ablehnen, die Schuldfrage zu überprüfen. Das vorliegende Strafverfahren, das zur Hauptsache auf den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beruht, schliesst eine derartige Überprüfung im Begnadigungswege von vorneherein aus.

64. Alexis Prod'hom, verurteilt am S.November 1921 vom Préfet du district de Eolle in Anwendung des interkantonalen Fischereikonkordates zwischen Genf, Wallis und Waadt vom 12. Juli 1920 zu zwei Bussen von Fr. 300 und Fr. 100 und Entzug der Berechtigung zum Fischen für die Dauer von 2 Jahren.

Die Verurteilungen ergingen wegen Gebrauchs zu engmaschiger Netze beim Fischfang.

Prod'hom ersucht um Ermässigung der Bussen und Aufhebung des Fischereirechtsentzuges. Er sei ausserstande, Fr. 400 aufzubringen, nachdem man ihm gleichzeitig die Erwerbsmöglichkeit unterbunden habe. Man möge berücksichtigen, dass er 14 Monate Aktivdienst geleistet habe, verheiratet sei und einen guten Euf gemesse. In einer nachträglichen Eingabe ersucht Prod'hom, ihm wenigstens zu gestatten, sich als Fischereigehilfe zu betätigen.

Nach dem Polizeibericht vom 19. Mai 1920 ist Prod'hom keineswegs gut beleumdet.- Dasselbe bestätigt der Auszug aus dem kantonalen Strafenregister vom 27. Dezember 1921. Das Département de l'Agriculture, de l'Industrie et du Commerce schreibt über den Fall: «Nous admettons très volontiers que la peine est dure, mais d'un autre côté le relevé des condamnations vous prouvera que A. Prod'hom n'est pas particulièrement intéressant. Le fait spécialement de s'être rendu coupable à 12 jours d'intervalle -- les 21 octobre et 3 novembre 1921 -- de deux graves contraventions justifie la sévérité du prononcé.» Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Abweisung unter Hinweis auf die Vorstrafen, insbesondere die in einem Zeitraum von 4 Jahren ergangenen vier Strafurteile wegen Fischerei vergehen.

Wir übernehmen diese Anträge. Es ist nicht zu verkennen, dass Prod'hom weit mehr belastet ist, als etwa die Gesuchsteller Isely.

Will man mit Eücksicht auf die schweren Zeitverhältnisse das Gesuch

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nicht von vornherein abweisen, so wäre die Eückweisung an den Bundesrat möglich zwecks erneuter Vorlage in der Dezembersession.

Bis dahin könnten über Prod'hom neuere Erhebungen erfolgen.

65. Samuel Monnay, verurteilt am 2. August 1921 vorn Tribunal de Police du District de Payerne zu Fr. 200 Busse und Entzug der Fischereiberechtigu:ag für die Dauer von 2 Jahren, am 22. Dezember 1921 vom Tribunal de Police du District de Moudon zu Fr. 400 Busse und Entzug der Fischereiberechtigung für die Dauer von 5 Jahren, beidemal in Anwendung des kantonalen arrêté du 5 février 1891 sur la police de la pêchs. Die gegen die Verurteilung vom 2. August 1921 eingelegte Berufung wies das Kantonsgericht am 20. September 1921 ab.

Monney betrieb don Fischfang mit Fanggeräten, welche eine Verwundung oder Tötung der Fische herbeiführen können.

Er ersucht, die ergïmgenen Urteile aufzuheben und ihn von jeder Strafe zu befreien. Hie:czu will er dartun, dass er zu Unrecht bestraft worden sei, indem die von ihm verwendeten Fanggeräte gesetzlich erlaubt seien.

Wir beantragen demgegenüber ohne weiteres Abweisung. Monney ist ein hartnäckiger Fravler, dem mit Eecht entschieden entgegen- « getreten wurde. Nachdem er erst- und oberinstanzlich unterlegen ist, versucht er, die Frage der Gesetzmässigkeit seiner Machenschaften im Begnadigungswege erneut aufzuwerfen. Wir verzichten darauf, ihm hierin zu folgen. Das Département de l'Agriculture, de l'Industrie et du Commerce erklärt, keinen Grund zu haben, die Begnadigung zu befürworten. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei ihrerseits schreibt zu dem Gesuch: «Der Gesuchsteller behauptet, er sei ungerechterweise gestraft worden, indem die von ihm verwendeten Fanggeräte gesetzlich erlaubt seien. Demgegenüber verweisen wir auf die bei den Akten liegenden fachtechnischen Gutachten über diese Fanggeräte, vor allem aber auf die Aussagen der Polizeiorgane über die Art und Weise des Fischfangs mit diesen Geräten. Es wurde auch festgestellt, dass keiner der beschlagnahmten Fische Angelspuren im Maul aufwies, dass vielmehr alle am übrigen Körper verwundet waren. Es handelt sich hier ohne Zweifel um eine Art des Fischens (das sogenannte «Schranzen»), die gemäss eidgenössischem Fischereigesetz (Art. 5, Ziff. 2 und 5) verboten ist. Nr. l und 2 der bei den Akten liegenden
Angeln qualifizieren sich ohne weiteres als unerlaubte Fanggeräte. Es sind Geräte, die sich für den normalen, erlaubten Angelfischfang mittels Köder durchaus nicht eignen. Im Hinblick auf das lange Strafenregister des Gesuchstellers, welches neben andern Delikten 5 Fischereivergehen

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auf weist, erachten wir eine Begnadigung nicht' für angebracht.

Wir beantragen daher, das Gesuch abzuweisen.» Wir übernehmen die Abweisungsanträge. Der Entzug der Fischereiberechtigung ist hier durchaus notwendig, zudem ist Monney kein Berufsfischer, so dass er nicht um seinen Erwerb gebracht ist.

66. Jean Grivel, arn 8. September 1920 von der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg in Anwendung des kantonalen Fischereigesetzes mit Fr. 500 gebüsst.

Grivel brachte beim Fischfang Chlorkalk zur Anwendung.

Er ersucht um Erlass der Busse. Da er einer zahlreichen Familie vorstehe und auf ein bescheidenes Einkommen angewiesen sei, könne er Fr. 500 nicht aufbringen.

Das Polizeidepartement des Kantons Freiburg beantragt, die Busse angesichts der schweren Familienlasten mindestens zu ermassigen.

Die Anwendung giftiger Stoffe zum Fischfang ist durch das Bundesgesetz mit Fr. 100--1000 Busse bedroht. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei bezeichnet das Vergiften von Fischgewässern als eines der ruchlosesten und den Fischstand am meisten gefährdenden Fischereidelikte. Wenn mit Bücksicht auf die Familienverhältnisse des Gesuchstellers eine teilweise Begnadigung erfolgen sollte, werde empfohlen, keinesfalls unter Pr. 800 zu gehen.

Wir übernehmen diesen Antrag in der Meinung, Grivel solle gleich andern auf den Weg von Eatenzahlungen verwiesen werden.

67. Paul Etienne, verurteilt vom Gerichtspräsidenten von Pruntrut am 23. September 1921 gestützt auf die Artikel 4 und 81 des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1888 betreffend die Fischerei zu Fr. 50 Busse.

Etienne wurde mit einem engmaschigen Senkgarn beim Fischfang ertappt.

Er ersucht um Erlass der Busse mit dem Hinweis, dass er arbeitslos sei und Familienlasten habe. Die Entrichtung der Fr. 50 sei ihm nicht möglich, ohne dass seine Angehörigen empfindlich betroffen würden. Ausserdem versichert Etienne, nicht gewusst zu haben, dass er mit seiner Handlungsweise gegen .die Fischereibestimmungen verstosse.

In Zustimmung zu der Polizeidirektion und der Forstdirektion des Kantons Bern, ebenso der eidgenössischen Inspektion für Forst-

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·wesen, Jagd und Fischerei beantragen wir in Berücksichtigung der Gesuchsanbringen Herabsetzung der Busse von Fr. 50 bis zu Fr. 10.

Anträge: Bei Isely, Vater und Sohn, Aufhebung des Entzugses des Fischereirechts von Tage des Entscheides der Bundesversammlung an, bei Prod'hom md Monney Abweisung, bei Grivel Ermässigung der Busse von Fr. 500 bis Fr. 300, bei Etienne von Fr. 50 bis zu Fr. 10. --.

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Adolî Eising, geb. 1875, Zimmerrnann, Mett-Biel (Bern), Louis Schöni, geb. 1888, Dachdecker, Biel (Bern), Jakob Mani, geb. 1879, Unterförster und Bergführer, Adolf Burri, geb, 1895, Käser, beide in Kiental (Bern), Christian Luginbühl, geb. 1888, Landwirt, Scharnachtal bei Reichenbach (Bern), 73. Savino Masieri, Steinhauer, Murkart (Thurgau).

(Jagdpolizei.)

Gestützt auf das Bundesgesetz über Jagd- und Vogelschutz vom 24. Juni 1904 und kantonale Ausführungserlasse wurden verurteilt: 68. und 69. Adolf S i sin g und Louis Schöni, verurteilt ani 23. Januar 1922 vom Gerichtspräsidenten von Erlach in Anwendung von Art. 21, Ziffer 4, Lt. a und c, des Bundesgesetzes je zu Fr. 70 Busse.

Eising und Schön:! wurden an einem Dezembersonntag letzten Jahres mit einem Kueksack betroffen, worin sich acht getötete Igel befanden.

In dem Gesuch um Erlass der Bussen wird angebracht, es sei den Gesuchstellern nicht bekannt gewesen, dass der Igel zu dem geschützten Wild zähle. Eising wie Schöni seien seit längerer Zeit arbeitslos und mit ihren Familien in Not geraten. Unter den quälenden Existenzsorgen müsse «leider auch die kühle Überlegung dem Drang nach Befriedigung des knurrenden Magens weichen».

Die Forstdirektion des Kantons Bern beantragt Herabsetzung .der Bussen von Fr. 70 bis Fr. 30 in der Meinung, es hätte vorliegend nicht Bundesrecht, .sondern kantonales Jagdrecht mit dem entsprechenden Mindestansatz zur Anwendung gelangen sollen. Es könne auch nicht von Sonntagsjagd gesprochen werden. Die kantonale Polizeidirektion schliesst sich dem Herabsetzungsantrage an.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei

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bemerkt demgegenüber, die Annahme von Sonntagsjagd sei zu.

Becht erfolgt. Es stehe ferner ausser Zweifel, dass das geltendeeidgenössische Jagdgesetz auch dann zur Anwendung komme, wenrr es sich um die Jagd auf Tiere handle, die nur kantonalrechtlicb geschützt seien. Im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit und die dürftigen Verhältnisse der Gesuchsteller wird Herabsetzung der Bussen, bis Fr. 40 beantragt.

Wir übernehmen diesen Antrag.

70. und 71. Jakob Mani und Adolf Burri, verurteilt am 6. März: 1922 vom Gerichtspräsidenten von Frutigen in Anwendung der Art. 6, lit. d, und 21, Ziffer 8. lit. &, des Bundesgesetzes je zu Fr. 100' Busse.

Die beiden haben in Bannbezirk einen Hasen erschlagen. DasTier sei verletzt gewesen und habe sich nur mit Mühe fortbewegt.

Sie ersuchen um Brlass der Bussen und behaupten, aus Mitleid gehandelt zu haben. Ferner wird auf missliche Verhältnisse verwiesen.

Der urteilende Bichter und der Begierungsstatthalter des Amts, bezirkes befürworten die Eingabe. Die kantonale Forst- und die Polizeidirektion, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesenf Jagd- und Fischerei beantragen Ermässigung der Bussen um die Hälfte.

Wir übernehmen diese Anträge, da es sich um einen verhältnismässig geringfügigen Vorfall handelt. " Von einem gänzlichen Erlass sollte abgesehen werden, indem sich die Angelegenheit in Banngebiet zutrug und erhebliche Zweifel darüber bestehen, ob die Gesuchsteller bei ihrem Vorgehen vom Mitleid getrieben wurden.

72. Christian Luginbühl, verurteilt .am 6. März 1922 vom.

Gerichtspräsidenten von Frutigen in Anwendung der kantonalen, Jagdverordnung zu Fr. 100 Busse.

Luginbühl wurde verurteilt, weil er in einer in Banngebiet liegenden Sennhütte eine Schusswaffe aufbewahrte.

Luginbühl ersucht um Erlass der Strafe, da er das Jagdgesetz, nicht übertreten habe.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die kantonaleForstdirektion beantragen Ermässigung der Busse um die Hälfte, die Polizeidirektion bis Fr. 20, da keine absichtliche Zuwiderhandlung: vorliege. Die Begnadigung wird mit Bücksicht auf das hohe Strafminimum vom urteilenden Bichter bereits im Urteilstexte befürwortet.

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Wir bemerken mit der eidgenössischen Inspektion für Forst-wesen, Jagd und Fischerei, dass das Aufbewahren von Schusswaffen in Alphütten durch cl.e bundesrätliche Verordnung über die Bannbezirke für das Hochgebirgswild ausdrücklich unter Strafe gestellt ist.

Immerhin erscheint die Mindestbusse von Fr. 100 vorliegend als zu hoch, weshalb wir Ermässigung bis Fr. 50 beantragen.

73. Savino Masieri, verurteilt am 2. März 1922 vom Bezirksamt Frauenfeld in Anwendung der Art. 6, lit. b, und 21, Ziffer 2. des Bandesgesetzes zu Fr. 300 Basse.

Masieri legte vor [Dachshöhlen Drahtschlingen und suchte durch Ausräuchern die Tiere in die Schlingen zu jagen.

In dem Gesuch um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse wird darzutun versucht, Masieri sei sich nicht bewusst gewesen, gegen Jagdvorschriftea zu verstossen. Die Schlinge habe zudem nur aus altem «Büschelidraht» bestanden. Man möge berücksichtigen, dass Masieri zurzeit arbeitslos sei und grosse Familienlasten habe.

Der Bezirksstattib alter von Frauenfeld und das thurgauische Polizeidepartement beantragen Abweisung, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd- und Fischerei. Es wird erklärt, eine Begnadigung des Masieri müsste in Jägerkreisen und bei Tierschutzvereinen berechtigten Unwillen erregen. Die Minimalbusse berücksichtige üe Verhältnisse des Gesuchstellers genügend.

Wir beantragen Abweisung, weil sich das Treiben des Masieri nach den Akten keineswegs eis so harmlos erweist, wie der Verfasser des Gesuches dartun möcJbte. In Betracht kommt eine der grausamsten Fangarten. Masieri legte die Schlingen im geheimen und wusste sie äusserst geschickt anzubringen. Er mag auf den Weg von Batenaahlungen verwiesen werden.

Anträge: Bei Eis.ing und Schöni Herabsetzung der Bussen von T?r. 70 bis Fr. 40, bei Mani, Burri und Luginbühl von Fr. 100 bis Tr. 50, bei Masieri Abweisung.

74. Alexander Schmid, geb. 1870, Gutsbesitzer. Dettligen (Bern), 75. Friedrich Leiser, geb. 1865, Landwirt, in der Harderen bei Lyss (Bern), 76. Albert Christen, geb. 1874, Landwirt, Lyss, (Bern), 77. Jakob Lobsiger, geb. 1871, Gutsbesitzer, Lobsigen (Bern).

(Forstpolizei.)

Gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902, die abän-

431 dernden Bundesratsbeschlüsse betreffend Überwachung der Holznutzung in den privaten Nichtschutzwaldungen vom 23. Februar 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 87), betreffend Erhöhung der Bussen für verbotene Abholzungen vom 20. April 1917 (A. S. n. F. XXXIII, 212) wurden am 17. Februar vom Gerichtspräsidenten von Aarberg verurteilt: Alexander Schmid zu Fr. 600, Friedrich Leiser zu Fr. 800, Albert Christen zu Fr. 800, Jakob Lobsiger zu Fr. 200 Busse.

Sämtliche nahmen in ihren Nichtschutzwaldungen ohne Bewilligung Kahlschläge vor.

In dem Gesuch um Erlass oder doch Herabsetzung der Bussen wird angebracht, die Gesuchsteller seien der irrigen Meinung gewesen, das Holzen für eigenen Bedarf verlange keine Bewilligung. Es handle eich nicht um Spekulationsgeschäfte. Die Bewilligungen wären offenbar erteilt worden, indem keine forstpolizeiliehen Eegeln zuwiderlaufende Nutzung stattgefunden habe. Der Eichter empfehle die Begnadigung.

Wir bemerken zunächst im Falle Lobsiger, dass inzwischen Busse und Kosten entrichtet wurden, so dass dieses Gesuch heute gegenstandslos ist. Zu den übrigen Gesuchen ist zu sagen, dass der Begierungsstatthalter von Aarberg Ermässigung 'der Bussen um die Hälfte beantragt, indessen die kantonalen Forstorgane, so auch die kantonale Forstdirektion und weiterhin die kantonale Polizeidirektion Abweisung beantragen. Immerhin sei beigefügt, dass auch die Forstinspektion Bern-Mittelland sich eventualiter dem Antrag des Begierungsstatthalters von Aarberg anschliesst.

Es handelt sich um ähnliche Fälle wie i. S. Kuny und Mitverurteilte (Anträge 8--14 des ersten Berichtes), weshalb wir auf die dortigen Ausführungen hinweisen. Den Gebüssten wären die Holzschläge ganz oder doch teilweise bewilligt worden. Alle haben das Holz zum Teil für Ausbesserungen an eigenen Gebäulichkeiten verwendet. Spekulationsscbläge liegen nicht vor.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schreibt: «Sofern die Begnadigungsbehörde diese Umstände berücksichtigen will, so beantragen wir, die Bussen für Schmid, Leiser und Christen auf Fr. 5. -- per m8 (Fr. 300. --, 150. -- und 150. --) herabzusetzen.» Wir übernehmen die Herabsetzungsanträge.

Anträge: Herabsetzung der Busse bei Schmid von Fr. 600 bis Fr. 800, bei Leiser und Christen von Fr. 300 bis Fr. 150, Nichteintreten bei Lobsiger.

432 78. Maurice Dauwalder, geb. 1899, Décolleteur, Neuenstadt (Bern).

79. Jakob Werthmüller, geb. 1896, Holzschuhmacher, früher in Bern, nunmehr ausser Landes, 80. Oskar Bacher, geb. 1893, Portier, früher in Bern, nun in Samaden (Graubünden).

81. Edmund Oser, geb. 1887, Angestellter, Bern.

(Militärpflichtersatz.)

Wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes sind in Anwendung des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 betreffend Ergänzung des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz verurteilt worden : 78. Maurice Dauwalder, verurteilt am 18. Februar 1922 vom Gerichtspräsidenten von Neuenstadt zu 5 Tagen Gefängnis und 6 Monaten Wirtshausverbot, die Militärsteuer von Fr. 87. 60 für 1921 betreffend.

Dauwalder ersucht um Erlass der Strafen unter Hinweis auf die längere Arbeitslosigkeit und die seit der Verurteilung erfolgte Begleichung der Steuerschuld.

Der Begierungsstatthalter von Neuenstadt schreibt, nach der ihm erteilten Auskunft, die er zwar nicht habe nachprüfen können, wäre Dauwalder imstande gewesen, rechtzeitig zu zahlen. In der Meinung, dass die Strafe für Dauwalder als nützliche .Lehre in Betracht falle, befürwortet er das Gesuch nicht.

Demgegenüber beantragt die kantonale Polizeidirektion, die Gefängnisstrafe bedingt zu erlassen, da Dauwalder ohne Vorstrafen sei. Aus den allgemeinen Erwägungen, wie sie der Zubilligung bedingter Begnadigung zugrunde liegen, übernehmen wir den letzten Antrag. Dabei sollte zur Bedingung gemacht werden, dass Dauwalder während der Probezeit von 5 Jahren kein vorsätzliches Vergehen verübe und insbesondere nicht neuerdings die Entrichtung des Militärpflichtersatzes schuldhaft unterlasse.

79. Jakob Werthmüller, verurteilt am 24. Oktober 1921 vom Gerichtspräsidenten V von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 46. 50 für 1920 betreffend.

Werthmüller ersuchte am 26. Februar 1922 um Erlass der Gefängnisstrafe und versprach hierbei Begleichung der Steuerschuld innert Monatsfrist. Er ist inzwischen nach Brasilien ausgewandert, ohne die Angelegenheit geordnet zu haben.

Wir beantragen mit den Behörden des Kantons Bern Werthmüller abzuweisen.

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80. Oskar Bucher, verurteilt am 27. Mai 1921 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern zu l Tag Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 52. 50 für 1920 betreffend.

Bucher ersuchte am 16. September 1921 um Erlass der Gefängnisstrafe. Er versprach Bezahlung bis spätestens 15. Oktober. Ende April war die Steuer noch geschuldet. Bucher selbst hat sich von Bern verzogen, angeblich nach Samaden.

Unter diesen Umständen beantragen wir mit den kantonalen Behörden, das Gesuch abzuweisen.

81. Edmund Oser, verurteilt am 24. November 1919 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern zu 3 Tagen Gefängnis, die Militärsteuer von Fr. 106. 60 für mehrere Jahre betreffend.

Nach Überprüfung der Aktenstücke bemerken wir lediglich, dass Oser in Bern den Eestbetrag der Schuld im Betrage von Fr. 81. 60 an demselben Tag entrichtete, an dem das solothurnische Urteil erging. Der 24. November war Oser als letzter Termin bezeichnet worden, was er auch beachtete. Die solothurnische Strafbehörde hatte von der Begleichung der Schuld keine Kenntnis. Oser besitzt einen guten Leumund und hat seither, d. h. in den Jahren 1917/1921 die Militärsteuer ordnungsgemäss entrichtet.

Wir beantragen mit dem Polizei département des Kantons Solothurn gänzliche Begnadigung.

Anträge: Bei Dauwalder bedingter Erlass der Gefängnisstrafe im.Sinne der Erwägungen, bei Werthmüller und Bucher Abweisung, bei Oser gänzliche Begnadigung.

82. Rudolf Vögeli, geb. 1887, Maschinentechniker, Zuchwil (Solothurn), 83. Hans Kräftiger, geb. 1894, Kaufmann und' Beisender, Oberdorf (Basellandschaft).

(Patenttaxen der Handelsreisenden.)

Gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 wurden verurteilt: 82. Eudolf Vögeli am 21. Dezember 1921 vom Amtsgericht J3ucheggberg-Kriegstetten zu Fr. 10 Busse und Fr. 5 Kosten.

Vögeli, dessen Ehefrau in Zuchwil eine Vertretung für Strumpfwaren und Unterkleider innehat, suchte in Zuchwil die Häuser nach Bestellungen ab, ohne eine Taxkarte gelöst zu haben.

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Für Vögeli wird um Erlass der Busse ersucht, da er seit nahezu einem Jahr arbeitslos sei. Die Bezahlung der Busse sei ihm nicht möglich, ohne dass nicht seme Frau und Kinder dadurch in Mitleidenschaft gezogen würden.

Mit der Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes beantragen wir in Zustimmung zum Justizdepartement des Kantons Solothurn, die Busse in Anbetracht der Notlage des Gesuchstellers und seiner Familie zu erlassen. Dabei bemerken wir immerhin, dass dieser Umstand bei Festsetzung der Busse vom Amtsgericht Bucheggberg-Kriegstetten bereits berücksichtigt worden ist und dass der Beklagte ira Verhör erklärt hat, sich einer kleinen Busse unterziehen zu wollen. A.uch fällt uns auf, dass er, statt von der Gelegenheit zur Darlegung seiner misslichen Lage vor Gericht Gebrauch zu machen, auf das Erscheinen verzichtete und sich nicht selbst für den Nachlass der Busse verwendete, sondern zunächst ein Arbeitersekretariat mit den nötigen Schritten betraute. -- Seine Unterschrift ist nachträglich auf amtliche Veranlassung beigebracht worden.

88. Hans Krattige r, verurteilt am 6. März 1922 vom Amtsgericht Balsthal zu Fr. 80 Busse und Fr. 10 Kosten.

Krattiger nahm am 16. Februar abbin in Laupersdorf Bestellungen auf Tuchwaren auf, ohne auf Verlangen die Taxkarte vorweisen zu können.

Er ersucht, ihm die Busse im Begnadigungswege zu erlassen.

Die Firma Gebrüder Krattiger besitze eine Kollektivreisekarte.

Dass der Gesuchsteller diese in Laupersdorf nicht habe vorweisen können, beruhe auf einem Missgeschick, indem der Bruder des Gebüssten die Karte versehentlich mit sich nach Hause genommen habe.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt wie die Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, die Busse bis zu Fr. 5 oder Fr. 10 zu ermässigen. Da ein Missbrauch der Karte nicht erfolgte und es sich um eine geringfügige Übertretung handelt, beantragen wir Herabsetzung bis zu Fr. 5.

Anträge: Erlass der Busse bei Vögeli, Herabsetzung bis zu Fr. 5 bei Krattiger.

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84. Anton Schneider, geb. 1879, Gummiwarenfabrikant, Amriswü (Thurgau).

(Ausfuhrschmuggel.)

Anton Schneider wurde am 30. März 1920 vom Obergericht des Kantons Thurgau gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse vom 30. Juni 1917/12. April 1918 betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot zu 8 Tagen Gefängnis und Fr. 3000 Busse verurteilt.

Schneider lieferte im Jahre 1918 zu Schmuggelzwecken insgesamt 42 kg Zahngummi zum Preise von Fr. 6900.

Wir haben über die Angelegenheit anlässlich der ersten Gesuchseinreichung Schneiders ausführlich berichtet und verweisen hierfür auf Antrag 31 des ersten Berichtes vom 1. November 1921 (Bundesbl.

1921, IV, 888). In der Folge wurde das Gesuch in der Dezembersession antragsgemäss abgewiesen.

Heute liegt ein Wiedererwägungsgesuch vor, worin unter Darlegung der gesundheitlichen Verhältnisse und finanziellen Schwierigkeiten neuerdings um Erlaas der Freiheitsstrafe und gänzlichen oder doch teilweisen Erlass der Busse nachgesucht wird.

Das Wiedererwägungsgesuch gab Anlass, über Schneider erneute Erhebungen anzuordnen.

Zu den vom Gesuchsteller eingelegten Arztzeugnissen gesellt sich- heute das Gutachten des Physikats von Bischofszell, wonach Schneider wegen Nervosität und Gemütsdepression einer Haft nicht ausgesetzt werden dürfe. Demgegenüber wenden sich die thurgauischen Polizeibehörden entschieden gegen eine Begnadigung, indem die verschiedenen Gutachten heute noch auf sehr viele Straferstehungspflichtige- und fähige anwendbar wären. Ähnlich lauten die Berichte der Zollverwaltung.

Was die Tilgung der Fr. 3000 Busse anbetrifft, so darf von Schneider unter allen Umständen verlangt werden, dass er zunächst seinen guten Willen zeige, das zu leisten, was ihm möglich ist. Von einem gänzlichen Erlass kann nicht die Eede sein, und es ist deshalb angebracht, ihn, wie es im Begnadigungswege auch dem kleinen Manne gegenüber regelmässig erfolgte, zunächst auf den Weg der Batenzahlnngen zu verweisen. -- Hinsichtlich der angeblichen Schädigung Schneiders durch Ausfuhrverbote nehmen wir Bezug auf den Mitbericht des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes.

Unter diesen Umständen beantragen wir, auch das Wiedererwägungsgesuch gänzlich abzuweisen. Dies geschieht in der Meinung, dass die Beurteilung der Straferstehungsfähigkeit endgültig den

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Strafvollzugsbehörden anheimzustellen sei und hinsichtlich der Busse in dem Sinne, dass Schneider zunächst jedenfalls die Hälfte derselben tilgen solle.

Antrag: Abweisung.

85. Otto Brugger, gel). 1874. Kaufmann, Zürich 2, Alfred Escherplatz 3.

(Herstellung und Vertrieb eines Pferdefuttermittels, Sachwucher.)

Otto Brugger ist durch Urteil des Obergerichts des Kantons Luzem, II. Kammer, vom 6. November 1919 der Übertretung der Bundesratsbeschlüsse vom 22. Dezember 1917 betreffend Herstellung und Vertrieb von Futtermitteln und vom 18. April 1916 gegen die ·Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen schuldig erklärt und mit Fr. 20,000 Geldbusse, für den Fall der Nichtentrichtung mit einem Jahr Gefängnis bestraft worden, weil er im Jahre 1918 ein Pferdefuttermittel «Jockey» erstellt und in den Handel gebracht, ohne die dafür erforderliche Bewilligung zu besitzen, und hierbei Preise gefordert habe, welche einen im Verhältnis zu den Selbstkosten übermässigen Geschäftsgewinn ergaben.

Brugger reichte am 29. März 1921 ein Begnadigungsgesuch ein.

Die Vorlage der Angelegenheit wurde zunächst verschoben, weil ·es angezeigt schien, durch Zeitablauf zu ermöglichen, sich über die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers und seine nunmehrige Haltung genauere Kenntnis zu verschaffen. Massgebend war weiterhin der Umstand, dass Brugger am 2. Juni 1920 wegen Gehilfenschaft .zu fortgesetztem beschwertem Betrug vom Obergericht des Kantons Luzem zu einer Arbeitshausstrafe von elf Monaten verurteilt wurde unter Zubilligung des bedingten Straferlasses mit einer Probezeit von fünf Jahren. Im August des letzten Jahres wurde sodann bekannt, Brugger sei wegen widerrechtlichen Entzugs von Mobilien in Benachteiligung von Konkursgläubigern erneut dem Kriminalgericht überwiesen, ein Verfahren, das am 4. Januar 1922 mangels subjektiven Tatbestandes zum Entscheide führte, Brugger sei nicht rechtsgenüglich überwiesen.

Die im Begnadigungswege zur Erörterung gebrachte Busse von Fr. 20,000 erging nach dem obergerichtlichen Entscheid in dieser .Höhe, weil Brugger den Handel mit einem Pferdefutterstreckmittel beharrlich fortsetzte, obschon ihm die zuständige Bundesbehörde den Vertrieb untersagt hatte, und weil Brugger die untaugliche, ja

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sogar schädliche Ware zu einem Preise abgab, der den zulässigen Geschäftsgewinn in höchstem Masse überschritt. Da der Vertrieb zudem in einer Zeit grossen Futtermangels erfolgte, wurde in dem Geschäftsgebaren Bruggers geradezu die Ausbeutung einer Notlage der Pferdebesitzer erblickt. Das obergerichtliche Urteil fusst weiterhin darauf, Brugger habe aus diesem Futterhandel feststehendermassen einen Gewinn von über Fr. 20,000 gezogen.

Brugger, der in Eaten von Fr. 5000 und 2000 bis heute Fr. 7000 abbezahlt hat, schreibt, die verbleibenden Fr. 13,000 nicht aufbringen zu können, weil er völlig vermögenslos sei und für seine Frau und drei Kinder sorgen müsse. Der Futterhandel habe ihm in Wirklichkeit keinen beträchtlichen Gewinn gebracht. Abgesehen hiervon hätten sich die Verhältnisse inzwischen geändert, indem er dem Schwindler Krooshof in die Hände gefallen sei und an ihm bedeutende Summen verloren habe. In diesem Zusammenhang wird das Strafverfahren berührt, in dem Brugger wegen Gehilfenschaft zu Betrug verurteilt wurde. Die in jenem Verfahren geleisteten Fr. 10,000 an die Geschädigten und die Fr. 7000 Abzahlung an die Busse habe er mit Hilfe von Freunden und Verwandten aufgebracht. Wenn man im Strafvollzug weiter gegen ihn vorgehe, sei dies seine Vernichtung.

Schliesslich verweist Brugger auf einen Freispruch, den ein Zürcher Gericht mit Bezug auf den Vertrieb desselben Pulvers «Jockey» ausgesprochen hat.

In besonderen Schreiben vom 6. April und 26. August 1921 legt Brugger eingehend seine Verhältnisse dar, um den Beweis zu erbringen, dass es sich für ihn bei dem Entscheid der Begnadigungsbehörde urn eine Existenzfrage handle.

An Mitberichten erwähnen wir zunächst die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, die ihre Beurteilung Bruggers und des Begnadigungsgesuches damit schliesst: «Nach all dem Vorgebrachten müsste es im höchsten Grade Befremden erregen und geradezu demoralisierend wirken, wenn ein Kriegsgewinnler, der seine unter Anwendung von betrüglichen Mitteln und unter systematischer Ausbeutung der allgemeinen Notlage erworbenen grossen Einkünfte sorglos verzehren konnte, während der Grossteil des Volkes am Notwendigsten Mangel litt, nunmehr nach Kriegsschluss mit einem Drittel der ihm auferlegten, durchaus gerechtfertigten Busse davonkommen sollte.» Im übrigen verweisen
wir auf den Mitbericht selbst.

Im weitern veranlassten wir über Brugger unter zwei Malen Erhebungen in Zürich. Es sind dies amtliche Zeugnisse, die im Anschluss an die eigene Darstellung Bruggers geeignet sind, sich über Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd II.

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seine Tätigkeit und persönliche Führung wie über seine dermaligen wirtschaftlichen Verhältnisse ein Urteil zu bilden. Namentlich der Polizeibericht vom 10. Februar 1922 enthält die Feststellung, dass die Eheleute Brugger heute einen harten Existenzkampf führen.

Für das Jahr 1921 versteuerte Brugger an Einkommen Fr. 2700. Ein Betrag von Fr. 7500 ist Frauenvermögen und Sparkassenguthaben der drei Kinder. Eine von Verwandten finanzierte Lederhandlung musste Brugger im Mai letzten Jahres aufgeben, da die Wirtschaftskrisis den Betrieb allzulange ergriffen hatte. Heute schlägt er sich mit Vertretungen durch. Mit Bezug auf die Lebensführung werden Brugger verschiedentlich gut Zeugnisse ausgestellt.

Es lag nahe, auch das eidgenössische Ernährungsamt und die Zentralverwaltung der schweizerischen landwirtschaftlichen Versuchs- und Untersuchungsanstalten, gegen deren Massnahmen Brugger handelte, zur Sache zu vernehmen. Der sehr eingehende Bericht der Zentralverwaltung leuchtet seinerseits in das verwerfliche Geschäftsgebaren hinein, das Brugger sich im Jahre 1918 zuschulden kommen h'ess, und schliesst sich in allen Teilen den Ausführungen der Luzemer Staatsanwaltschaft an. Es wird somit Abweisung des Begnadigungsgesuches beantragt.

Das eidgenössische Ernährungsamt seinerseits stellt fest, dass das Geschäftsgebaren Bruggers in den in Betracht kommenden Jahren der Kriegswirtschaft nicht entschuldigt werden könne. Nach Würdigung seiner heutigen Familien- und Geschäftsverhältnisse sowie der persönlich guten Führung wird jedoch beantragt, die Eestbusse von Fr. 18,000 bis zu Fr. 8000 zu ermässigen.

Auf Grund dieser verschiedenen Stellungnahmen handelte es sich für die Bundesanwaltschaft darum, den Antrag im Falle Brugger in Einklang zu bringen mit der von der Bundesversammlung in ähnlichen Fällen gutgeheissenen Antragspraxis. Unter Hinweis auf das in Sachen Hutter (Antrag 51 des ersten Berichtes vom 9. Mai 1922) Dargelegte betreffend Fälle nachweisbaren Unvermögens, eine Busse aufzubringen, gelangen wir abschliessend dazu, den Antrag einer Ermässigung der Busse von Fr. 13,000 bis Fr. 8000 zu übernehmen. Bei der Verurteilung Bruggers ging man Von der Voraussetzung aus, Brugger habe grosse Gewinne erzielt und könne die Busse aufbringen. In dieser Beziehung liegen heute völlig veränderte Verhältnisse vor. Die
Zürcher Polizeiberichte, welche die Lage Bruggers eingehend schildern, müssen hierin zur Grundlage genommen werden.

In persönlicher Beziehung möchten wir in Betracht ziehen, dass zwar Brugger durch sein unredliches Geschäftsgebaren in den Kriegsjahren entschieden schwer belastet ist und schlecht dasteht, dass er

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aber seither gute Führungszeugnisse aufweist. Unter diesen Umständen möchten wir Gnade für Recht ergehen lassen.

Antrag: Ermässigung der Busse von Fr. 13,000 bis 8000.

86. Theodor Studer, geb. 1878, Kaufmann, Luzern, Bundesstrasse 88 (Inverkehr bringung minderwertiger Saccharin tabletten.)

Theodor Studer wurde am 31. Mai 1921 vom Obergericht des Kantons Luzern in Anwendung von Art. l des Bundesratsbeschlusses vom 6. Juli 1917 betreffend künstliche Süssstoffe in Verbindung mit den Art. 37,44,49 ff. des Lebensmittelpolizeigesetzes vom S. Dezember 1905 verurteilt zu Fr. 1800 Busse.

Dem Entscheid der kantonalen Strafbehörde ist zu entnehmen, dass Studer im Jahre 1917 Saccharintabletten verkaufte, die bei weitem nicht den mit Bundesratsbeschluss vom 6. Juli 1917 vorgeschriebenen Süsstoffgehalt von 20 % . aufwiesen. Bei der Strafausmessung kamen die grosse Zahl der widerrechtlichen Verkäufe und die Höhe des erzielten Gewinnes als Erschwerungsgründe in Betracht.

In dem Gesuch um Erlass der Busse wird die Auffassung vertreten, das obergerichtliche Urteil rufe einer «Korrektur in der Begnadigungsinstanz». Der Entscheid wird sowohl mit Bezug auf den objektiven wie den subjektiven Tatbestand bemängelt und dann namentlich hinsichtlich der Feststellung des erzielten Gewinnes mit Anwürfen an die Adresse des luzernischen Obergerichts in einer Weise gefochten, die sich in einem Begnadigungsgesuch seltsam ausnimmt.

Es sei deshalb schon hier gesagt, dass diese Schreibweise mit Nachdruck zurückgewiesen wird, wobei sie immerhin die Behandlung des Gesuches nicht beeinträchtigen soll, da sie nicht dem Gesuchsteller, sondern seinem Advokaten zur Last fällt. Der Verfasser der Eingabe macht geltend, das Verschulden Studers sei keinesfalle schwer. Hinzu komme, dass die finanzielle Bedrängnis Studers inzwischen zu seiner Zahlungsunfähigkeit geführt habe, ferner müsse er für eine-kranke Frau und vier Kinder aufkommen. Unter diesen Umständen sei die Bezahlung einer Busse von Fr. 1800 ausgeschlossen.

Die Umwandlung in Freiheitsstrafe hinwiederum wäre ein Unrecht.

Man solle Studer, der bisher für seine Familie redlich gesorgt habe, nicht ohne zwingende Not durch eine Freiheitsstrafe entehren.

Demgegenüber bemerken wir zunächst, dass von einer «Korrektur» des obergerichtlichen Urteils, wie sie der Verfasser der Eingabe versteht, nicht die Bede sein kann. Wir begnügen uns, festzustellen,

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dass der Kassationshof des Bundesgerichtes den Straffall zu beurteilen hatte. Der Entscheid der kantonalen Vorinstanz wurde, soweit er sich mit den Zuwiderhandlungen gegen das Lebensmittelpolizeigesetz und den zudienenden Bundesratsbeschluss betreffend künstliche Süssstoffe befasste, geschützt. Unter diesen Umständen kann es unmöglich Sache der IBegnadigungsbehörde sein, sich ihrerseits mit, Tatbestandsfragen zu befassen.

Es bleibt die Erörterung der weitern Frage, ob die persönliche Lage Studers eine Begnadigung befürworten lässt.

Die kantonalen Vernehmlassungen lauten verschieden. Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung und für den Fall, dass mit Bücksicht auf die Familienverhältnisse Studers etwelche Milderung eintreten sollte, die Zubilligung von Ratenzahlungen. Das Statthalteramt Luzern, das eine Anzahlung Studers von Fr. 100 bescheinigt, empfiehlt Studer zur Begnadigung, da er ein völlig mittelloser Familienvater sei. Das Polizeidepartement Luzern hält ebenfalls dafür, der Gesuchsteller sollte begnadigt werden. Aus einem Polizeibericht ergibt sich, dass Studer in der Familie viel mit Krankheiten zu tun hat. Er ist zurzeit Beisender.

Unseres Erachtens sollte im vorliegenden Fall von einer längern Umwandlungshaft abgesehen werden.' Hinwiederum muss von Studer zunächst verlangt werden, dass er an die Busse ein weiteres leiste.

Den gänzlichen Erlass möchten wir ihm nicht zubilligen. Unter diesen Umständen beantragen wir Bückweisung des Gesuches an den Bundesrat zwecks erneuter Vorlage zu gegebener Zeit in der Meinung, durch Zeitablauf werde es möglich, die persönliche Führung des Gesuchstellers und die Entwicklung seiner Verhältnisse genauer kennen zu lernen. Studer wäre demnach vorläufig zu erträglichen Batenzahlungen zu verhalten, dagegen hätte die Anordnung der Umwandlungsstrafe noch zu unterbleiben. Die kantonalen Strafvollzugsbehörden sollen "ferner die Möglichkeit haben, allenfalls zunächst Stundung zu erteilen.

Antrag: Abweisung zurzeit.

87. Albert Kappeier, geb. 1881, Bauführer und Kaufmann, Zürich.

(Kriegswucher.)

Albert Kap peler wurde durch Urteil der III. Kammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 24. Juni 1920 schuldig erklärt der Gehilfenschaft bei einem Teil der von andern Beteiligten begangenen Zuwiderhandlungen gegen Art. l, lit. c, der bundesrätlichen Ver-

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Ordnung vom 10. August 1914 gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen sowie, mit Bezug auf ein Geschäft, der Übertretung des Art. l, lit. c, der Ergänzungsverordnung vom 18. April 1916. Er wurde zu einem Monat Gefängnis, Fr. 1500 Busse und zu einem Jahr Einstellung im Aktivbürgerrecht verurteilt.

Ein erstes Begnadigungsgesach um Erlass der Strafen oder mindestens der Gefängnisstrafe wurde von der Bundesversammlung in der Dezembersession 1921 antragsgemäss abgewiesen (zu vergleichen Bundesbl. 1921, IV, 402 ff.).

Kappeier, der inzwischen die Gefängnisstrafe verbüsst hat, ersucht wiedererwägungsweise um Erlass oder doch Ermässigung deiBusse von Fr. 1500. Er sei seit mehr als einem Jahr ohne jeden Verdienst und habe die letzten Ersparnisse aufgebraucht. Der Gesuchsteller schreibt wörtlich: «Ich bin am Ende dieser Art Demütigung angelangt, mein Verfehlen habe ich abgebüsst, darüber beklage ich mich nicht. Aber der Kummer und die Sorge um meine Frau und Kinder verlangen von mir, dass ich mich zum äussersten zusammenraffe.» Wir haben nicht verfehlt, die ' Behörden des Kantons Zürich neuerdings über Kappeier anzuhören. Die Vernehmlassungen gehen dahin, dass die kantonale Staatsanwaltschaft Nichteintreten beantragt und die Direktion der Justiz sich ihren Ausführungen anschliesst.

Da die Abweisung Kappelers in der Dezembersession 1921 in ganzem Umfang erfolgte, beantragen wir heute Nichteintreten. Unsern ersten Bericht schlössen wir mit den Worten: «Einzig für den Fall, dass Kappeier die Busse im Wege der Umwandlungshaft tilgen müsste, scheint uns ein gewisses Entgegenkommen am Platze.» Darüber braucht jedoch heute gleich wie in der letzten Wintersession nicht entschieden zu werden. Eine andere Stellungnahme, als zurzeit nicht einzutreten, scheint uns nicht wohl angängig, denn die Zürcher Behörden vertreten nachdrücklich den Standpunkt, die Lage Kappelers sei derart, dass er imstande sei, die Busse zu bezahlen.

Da das Urteil bereits seit Mai 1921 rechtskräftig ist, hätte er, wie gesagt wird, «bei gutem Willen längst Teilzahlungen leisten können».

Antrag: Nichteintreten.

88. Paul Schiïferli, geb. 1877, Kaufmann, zurzeit in der Anstalt Eegensdorf (Zürich) in Strafverhaft, 89. Heinrich Angst, geb. 1881, Pächter, zurzeit Walchwil (Zug).

(Kriegswucher.)

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Paul Schifferli and Heinrich Angst wurden am G.Dezember 1921 vom Obergericht des Kantons Zürich verurteilt gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 18. April 1916 gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und unentbehrlichen Bedarfsgegenständen, Schifferli ausserdem gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 17. Februar 1917 betreffend die Höchstpreise für den Verkauf von Baumwollgarnen. Schifferli wurde zu einem Monat Gefängnis und Fr. 5000 Busse, Angst zu einer Woche Gefängnis und Fr. 2000 Busse verurteilt.

88. Schifferli war im Februar 1918 Gehilfe mit Bezug auf eine grössere Zahl wucherisch aufgekaufter, zürn Schmuggel bestimmter Kisten Baumwollgarn, ebenso Angst, dieser jedoch in geringerem Masse. Schifferli verkaufte ferner 25 Kisten Garn-über den Höchstpreis.

Von den beiden Gesuchstellern ist Schifferli seit dem 18. November 1920 Strafgefangener in Regensdorf. Der Auszug aus der kantonalen Vorstrafenkontrolle nennt 6 Strafen, wovon ihrer 3 aus den Jahren 1918 und 1920 wegen Ausfuhrschmuggels, Betrugs, Gehilfenschaft hierzu und versuchter Beamtenbestechung mit zusammen 30 Monaten Freiheitsstrafe. Die wegen kriegswucherischen Machenschaften ergangene Gefängnisstrafe von l Monat verbüsst Schifferli vom 25. April bis 25. Mai. Anschliessend ist Stellung zu nehmen zum Vollzug der Busse von Fr. 5000.

Schifferli ersucht m Eingaben vom 26 März und 5. April um Herabsetzung der Busse, da er auserstande sei. Fr. 5000 aufzubringen und ein Jahr Umwandlungshaft gewärtigen müsse. Die Eingaben und eine spätere Zuschrift an die Staatsanwaltschaft Zürich enthalten überdies eine Schilderung der Familienverhältnisse. Die Frau des Sträflings verliess mit vier Kindern die Schweiz im Oktober letzten Jahres und begab sich zu Verwandten nach Deutschland, wo sie im April abbin verstorben ist. Der Kinder hat sich die Gemeinde Döttingen (Aargau) anzunehmen, was den Gemeinderat veranlagst haben dürfte, die Begnadigung Schifferiis zu befürworten.

Im Meinungsaustausch mit den Behörden des Kantons Zürich (zu vergleichen Geschäftsbericht des Bundesrates für 1921, Bundesanwaltschaft S. 29, gelangte die Bundesanwaltschaft am 20. April zu dem vorläufigen Ergebnis, es sei davon abzusehen, zurzeit eine Unterbrechung des Strafvollzuges in die Wege zu leiten. Dagegen wurde Schifferli eröffnet, sein Begnadigungsgesuch werde der
Bundesversammlung in der Junisession unterbreitet werden. Ferner wurde die Direktion der Strafanstalt Eegensdorf um einen Bericht über das Verhalten Schifferiis in der Strafanstalt angegangen.

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Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich beantragt in Zustimmung zu der Staatsanwaltschaft, Schifferli die Hälfte der Busse zu erlassen, dagegen für den Best keinen Strafaufschub zu gewähren.

Wir entnehmen dem Bericht, dass Schifferli, der seit 2 % Jahren beständig in Haft ist, in den Jahren der Kriegswirtschaft einer der erfolgreichsten Schmuggler war. In dem hier zur Behandlung stehenden Straffall nahm er aus dem Verkauf anvertrauter Schmugglerware zirka Fr. 32,000 ein, über deren Verbleib er sich nicht ausweisen kann. In seiner Verbrecherlaufbahn sei er jahrelang weitergegangen, ohne sich um Frau und Kinder zu sorgen. Es sei anzunehmen, dass er noch über Geld verfüge.

Nach dem Bericht der Strafanstaltsdirektion hat sich Schifferli in der Anstalt gut gehalten. Er wäre zur bedingten Entlassung empfohlen worden, wenn dies nicht die Vorstrafen verhindert hätten.

Schifferli schrieb die ganze Zeit über nur seiner Familie. Die Briefe enthielten über seine Vermögensverhältnisse nichts, dagegen war aus ihnen ersichtlich,- dass seine Familie in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte und die nunmehr verstorbene Frau einen schweren Existenzkampf führen musste. Schifferli selbst erklärte am 28. April, keinerlei Geldmittel zu besitzen. Er müsse das Geld zur Abzahlung der Busse zunächst verdienen. Der Bericht der Strafanstaltsdirektion lautet diesbezüglich bezeichnend: Dieses «Verdienen» stellen sich die Kriegskaufleute, welche in Strafanstalten interniert sind- und in Gedanken immer noch in ihrer Spekulantenzeit leben, leichter vor, als es heute tatsächlich ist.

Auf Grund dieser Berichte in Verbindung mit dem Vorstrafenregister ergibt sich zunächst, dass Schifferli persönlich wenig Interesse erweckt ; immerhin ist seine gute Haltung in der Strafanstalt zu vermerken. Es ist ferner keineswegs sicher, dass er seinen Kindern eine Stütze sein könnte: jedenfalls sollten diese nicht seiner Obhut anvertraut werden. So wie der Fall liegt, dürfte es zurzeit am richtigsten sein, ihm von der Busse die Hälfte zu erlassen. Leistet er Ende Mai an die Busse nichts, so wäre die Umwandlungshaft anzuordnen. Es wäre aber Sache der Bundesanwaltschaft, den weitern Verlauf des Strafvollzuges zu verfolgen und allenfalls eine Unterbrechung derselben in die Wege zu leiten. Über den Begnadigungsfall wäre dann neuerdings für die
Dezembersession Bericht und Antrag zu unterbreiten.

89. Für Angst ersucht die Armenpflege Wyl (Zürich) um Erlass der Busse von Fr. 2000. Angst sei Vater von 10 Kindern, völlig verarmt und habe an Unterstützung bereits nahezu Fr. 2000 bezogen. Zurzeit sei er Pächter eines kleinen Heimwesens auf dem

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Zugerberg. Wenn er die Busse im Wege der Umwaudlungshaft tilgen müsse, habe die Armenpflege für die Frau und die 10 Kinder aufzukommen.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schreibt, dass Angst wie Schifferli zu den gefährlichsten und erfolgreichsten Schmugglern der Kriegszeit gehöre. In dem hier in Betracht kommenden Falle habe er das nicht ihm gehörende Baumwollgarn, nachdem der Schmuggel vereitelt worden sei, verkauft. Er habe damals Fr. 5000 behändigt, die Schifferli vergeblich herauszubekommen versuchte. Die Busse von Fr. 2000 sei keineswegs übersetzt. Mit Eücksicht auf die offenbare nunmehrige Verarmung wird Ermässigung bis Fr. 900 beantragt.

Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich stimmt diesem Antrag, zu. Wir übernehmen ihn ebenfalls, beantragen jedoch ausserdem, es bei einer Umwandlungshaft von drei Monaten bewenden zu lassen. Angesichts der misslichen Familienverhältnisse ist es Sache des kantonalen Strafvollzuges, allfällig in der Art der Anordnung der Umwandlungshaft weiter entgegenzukommen.

Anträge: Bei Schifferli Ermässigung .der Busse von Fr. 5000 bis Fr. 2500, bei Angst von Fr. 2000 bis Fr. 900, getilgt zu erklären durch 3 Monate Umwandlungshaft.

90. Fritz Fuchs, geb. 1880, Agent, zurzeit in Witzwil als Strafgefangener.

(Vorschriften betreffend Käserationierung.)

Fritz Fuchs wurde am 9. Dezember 1919 vom Gerichtspräsidenten IV von Bern wegen erheblichen Schleichhandels mit Käse zu Fr. 2000 Busse verurteilt.

Wir haben über die Angelegenheit in Nr. 81 des II. Berichts für die Wintersession 1921 Bericht erstattet. In der Folge wurde das von Fuchs eingereichte Begnadigungsgesuch antragsgemäss z u r z e i t abgewiesen.

Fuchs verbüsst gegenwärtig in Witzwil eine Korrektionshausstrafe von 6 Monaten wegen Betrugs und Pfändungsbetrugs. Der Strafvollzug endigt am 4. September. Im Anschluss daran ist Stellung zu nehmen zu dem Vollzug der Busse von Fr. 2000 beziehungsweise zu der bevorstehenden Umwandlung in ein Jahr Gefängnis. Die Leitung der Strafanstalt Witzwil schreibt über Fuchs am 28. April, da er erst etwas über einen Monat in der Anstalt sei, könne über sein Verhalten noch kein abschliessendes Urteil erfolgen. Wir entnehmen

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dem Bericht: «Im Anfange der Strafzeit leistete er auf seinem Berufe als Elektriker wenig; er war aufgeregt, hatte eine unsichere Hand und erörterte zuerst jede Arbeit des längern. Seit einiger Zeit geht es aber bedeutend besser, er arbeitet sicherer, ist ruhig und fleissig, so dass wir es wagen wollen, den Mann mit der Führung eines Autolastwagens zu beschäftigen. Die Strafe wegen Betrug beendet Fuchs am 4. September nächsthin, und nach unserer Ansicht sollte er bis zum Frühjahr 1923 in unserer Anstalt behalten werden können.

Mit einem Erlass der Hälfte der Busse wäre dies möglich. Wir hoffen ein derart verlängerter Aufenthalt sei geeignet, Fuchs wieder an regelmässige, nützliche Arbeit zu gewöhnen.» Wir wiederholen im Anschluss hieran die in unserem ersten Bericht geäusserte Auffassung, eine Begnadigung könne mitverursachen, dass Fuchs weiterhin von der Aufnahme einer ernsthaften Tätigkeit absehe und statt sich aufzuraffen, in seiner beschaulichen und sorglosen Lebensart verharre. Seither ist Fuchs über seinen Geisteszustand neuerdings untersucht worden, mit dem Ergebnis, dass er für die nächste Zukunft unbedingt in einen festen Rahmen gehöre.

Unter diesen Umständen beantragen wir, es zunächst bei der Anordnung der Umwandlungshaft bewenden zu lassen. Die Angelegenheit könnte dann neuerdings auf die Dezembersession vorgelegt werden. Fuchs hätte dann zirka drei Monate Umwandlungshaft verbüsst.

Antrag: Rückweisung an den Bundesrat zwecks erneuter Vorlage in der Dezembersession.

91. Kerre Bourret, geb. 1882, Tramführer, Genf.

(Anstiftung zu Diebstahl und unbefugte Verwendung von Käsekarten.)

Pierre Bourret wurde am 17. März 1920 vom Tribunal criminel de la Sarine wegen Anstiftung zu Diebstahl und Widerhandlung gegen die Noterlasse betreffend Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten zu 7 Tagen Gefängnis und Fr. 1000 Busse verurteilt.

Bourret veranlasste die Putzfrau, die die Räume des freiburgischen Ernährungsamtes zu reinigen hatte, im Jahre 1919 zum Diebstahl von 3000 Käsekarten und setzte die gestohlenen Karten in Genf ab. Erschwerend fällt in Betracht, dass Bourret als ehemaliger Angestellter des Amtes der Angestifteten einen noch in seinem Besitze befindlichen Schlüssel zuhielt, ferner', dass er aus den widerrechtlich erlangten Karten Fr. 990 löste.

Bourrer, der Freiburg in der Folge mit seiner Familie verliess, ersucht von Genf aus um Erlass der Fr. 1000, die er ausserstande sei,

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aufzubringen, indem sein Verdienst kaum für den Unterhalt der Familie ausreiche.

Die Polizeidirektion des Kantons Freiburg befürwortet das Gesuch. Die Gefängnisstrafe hat Bourret irn Wege der Untersuchungshaft getilgt.

Wir möchten dem Umstand Rechnung tragen, dass'Bourret sich laut polizeilichen Erhebungen in Genf zur Zufriedenheit aufführt.

Er ist Aushilfsangestellter bei den Strassenbahnen und gilt als zuverlässig. Es trifft zu, dass er auf seinen Verdienst angewiesen ist.

Hinwiederum muss bemerkt werden, dass die hier zu erörternde Strafsache Bourret beträchtlich -belastet. Namentlich im Hinblick auf die damals mühelos erlangten Fr. 990 sollte von einem gänzlichen Erlass der Fr. 1000 abgesehen werden. Wir beantragen Ermässigung bis Fr. 200. Die Zubilligung von Ratenzahlungen ist Sache der kantonalen Strafvollzugsbehörde..

A n t r a g : Herabsetzung der Busse auf Fr. 200.

92. Fritz Röthlisberger, geb. 1857, Knecht, Wiedlisbach (Bern).

(Lebensmittelpolizei.)

Fritz Röthlisberger wurde am 21. April 1920 vom Amtsgericht Solöthurn-Lebern gestützt auf die Verordnung betreffend das Schlachten, die Fleischschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren vom 29. Januar 1909 verurteilt zu Fr. 50 Busse.

Röthlisberger, der ein totgebornes Kalb zu enthäuten hatte und den Kadaver verscharren sollte, nahm das Fleisch und gab verschiedenerorts unentgeltlich davon ab.

Er ersucht um Erlass der Busse und verweist hierfür auf sein Alter und den geringen Verdienst als Knecht.

Da Röthlisberger Fr. 10 entrichtet hat und neben der Busse noch Fr. 45. 50 Kosten aufbringen sollte, beantragen wir Erlass der Rest busse.

A n t r a g : Erlass der Restbusse.

93. Jakob Huber, geb. 1880, Landwirt, Zwillikon-Affoltern a./A.

(Zürich), 94. Friedrich WeUinger, geb. 1889, Händler, Zwillikon (Zürich}, 95. Johann Mehmaun, geb. 1879, Bannwart, Hausen-Bellikon, (Aargau),

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102.

Josef Widmer, geb. 1872, Landwirt, Satmenstorf (Aargau), Jakob Saxer, geb. 1861, Landwirt, Sarmenstorf, Xaver Hunn, geb. 1872, Landwirt, Sarmenstorf, Anton Strebel, geb. 1852, Landwirt, Sarmenstorf, Hans Strebel, geb. 1875, Landwirt, Sarrnenstorf, Franz Stutz, geb. 1871, Landwirt und Polizist, Sarmenstorf, Joseï Baur, geb. 1868, Landwirt und Friedensrichterstatthalter, Sarmenstorf, 103. Emil Huber, geb. 1881, Landwirt und Metzger, Sarmenstorf, 104. Johann Huber, geb. 1859, Landwirt, Arni (Aargau), 105. Albert Huber, geb. 1892, Landwirt, Arni (Aargau), 106. Leonhard Hufschmid, geb. 1895, Schuhmacher, Niederwil (Aargau).

107. Johann Bänmliu, geb. 1862, Kaufmann, Kaisten (Aargau), 108. Josef Schnetzler, geb. 1865, Landwirt und Gemeindekasseverwalter, Kaisten (Aargau), 109. Johann Rufli, geb. 1854, Landwirt, Sisseln (Aargau), 110. Johann Friedrich Deppeier, geb. 1852, Landwirt und Schulhausabwart, T«gerfelden (Aargau), 111. Fritz Deppeier, geb. 1852, Landwirt, Tegerfelden, 112. Johann Deppeier, geb. 1883, Landwirt, Tegerfelden, 119. Johann Hauenstein, geb. 1870, Schmied, Tegerfelden, 114. Arthur Deppeier, geb. 1902, Landwirt, Tegerfelden, 115. Franz Müller, geb. 1902, Landwirt, Tegerfelden, 116. Ernst Müller, geb. 1899, Schuhmacher, Tegerfelden, 117. Jakob Hauenstein, Holländers, geb. 1867, Landwirt, Tegerfelden, 118. August Müller, geb. 1863, Landwirt, Tegerfelden, 119. Johann Hauenstein, geb. 1880, Bäcker, Tegerfelden, 120/120a. Walter Deppeier, geb. 1901, Landwirt, Tegerfelden, 121/121a. Fritz Anner, geb. 1884, Landwirt, Tegerfelden, 122. Johann Jakob Hauenstein, geb. 1872, Landwirt, Tegerfelden, 123. Arnold Baidinger, geb. 1857, Landwirt, Lengnau (Aargau), 124. Eugen Widmer, geb. 1894, Landwirt, Lengnau, 125. Josef Kloter, geb. 1893, Landarbeiter, Lengnau, 126. Hans Widmer, geb. 1889, Landwirt, Lengnau, 127. Josef Jeggli, geb. 1902, Landwirt, Lengnau, 128. Ludwig Wunderlin, geb. 1855, Landwirt, Wallbach (Aargau), 129. Albert Küster, geb. 1888, Landwirt, Diepoldsau (St. Gallen).

(Tierseuchenpolizei.)

Aus einer Anzahl bei eidgenössischen und kantonalen Behörden eingereichten Begnadigungsgesuchen betreffend Zuwiderhandlungen gegen die Viehseuchenpolizei übermittelte die Justizdirektion des

448

Kantons Aargau nach Sichtung der Fälle diejenigen, die nach ihrer Auffassung in die Zuständigkeit der Bundesversamlmung fallen.

Gemäss Begleitschreiben vom 7. Januar 1922 kommen 35 Gesuchsteiler in Betracht.

Den ein/einen Anträgen schicken wir voraus, dass unseres Erachtens von den nachstehenden Fällen für eine Begnadigung von vorneherein deshalb nur wenige in Betracht kommen, weil es sich regelmässig um geringe Bussen handelt. Weiterhin kann es nicht Sache des Begnadigungsverfahrens sein, allgemeinen Erörterungen über die mangelnde Eignung dieser oder jener seuchenpolizeilichen Massnahmen , Folge zu geben. Es hat richtigerweise bei den Gerichtsentscheiden, die auf Grund von Orts- und Personnenkenntnis ergingen, solange sein Bewenden zu haben, als nicht wirkliche Kommiserationsgründe eine Abweichung nahe legen. Vereinzelt mag die Überprüfung der Strafausmessung im Vergleich zu andern Fällen eine gewisse Herabsetzung veranlassen. Auf die Frage, ob die Viehseuchengesetzgebung des Bundes, wie sie bestand vor dem jetzigen Tierseuchengesetz, richtig vollzogen wurde, treten wir aus den Gründen nicht ein, die wir bereits im Begnadigungsfalle Billeter dargelegt haben (Antrag 11 des I.Berichtes für die Wintersession 1921, Bundesbl. 1921, IV, 874 ff.). Soweit im folgenden die der Verurteilung zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen nicht besonders angeführt werden, handelt es sich um Zuwiderhandlungen gegen das Bundesgesetz vom 8. Februar 1872 über polizeiliche Massregeln gegen Viehseuchen oder das nunmehrige Bundesgesetz vom 13. Juni 1917 betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen in Verbindung mit eidgenössischen und kantonalen Vollzugserlassen.

93 und 94. Jakob Huber und Friedrich Wellinger. verurteilt am 21. Juni 1921 vom Bezirksgericht Baden je zu Fr. 50 Busse.

Huber und Wellinger verkauften Schweine, ohne im Zeitpunkt des Verkaufs Gesundheitsscheine eingeholt zu haben. Es fehlte ihnen ausserdem die kantonale Einfuhrbewilligung durch den Bezirkstierarzt.

Huber und Wellinger ersuchen um Erlass der Bussen und bringen zu ihrer Entlastung an, dass die bestellten Schweine zum Teil sofort hätten geliefert werden müssen, zum Teil erst kürzlich untersucht worden seien, so dass eine Seuchenverschleppung nicht habe stattfinden können.

Das urteilende Gericht schreibt, eine Begnadigung erscheine nicht am Platze, da es sich um vorsätzlich begangene Seuchenpolizeivergehen handle. Da ärmliche Verhältnisse nicht vorliegen, beantragen wir Abweisung.

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95. Johann M e h m a n n , verurteilt am 25. Mai 1921 vom Bezirksgerichts Baden zu Fr. 30 Busse.

Obschon über die Gebäulichkeiten Mehmanns im Februar 1921 wegen Seuchengefahr die verschärfte Sperre verhängt war, begab er sich täglich zum Holzen in den Wald.

Mehmann ersucht um. Erlass der Busse, wobei er namentlich darauf verweist, dass er damals seiner zehnköpfigen Familie halber notwendigerweise habe dein Verdienst nachgehen müssen, wie das andere auch getan hätten. Er sei beim Holzen mit niemandem in Verkehr gekommen.

Das urteilende Gericht schreibt, angesichts der wirtschaftlichen Lage des Gesuchstellers dürfte sich ein teilweiser Erlass der Busse rechtfertigen. Wir beantragen Abweisung, da die Mindestbusse gesprochen wurde und die anhaltende Missachtung der verschärften Sperre damals keine geringfügige Zuwiderhandlung war.

96--102. Josef Widmer, Jakob Saxer, Xaver Hunn, Anton Strebel, Hans Strebel, Franz Stutz, Josef Baur, Emil Huber, alle verurteilt vom Gerichtspräsidenten vom Bezirksgericht Bremgarten: Widmer, Saxer, Hunn, Strebel Anton am 2. Mai 1921 je zu Fr. 30 Busse, Strebel Hans am 2. Mai zu Fr. 30, am 2. Juli zu Fr. 20 Busse, Stutz, Baur und Huber am 2. Juli je zu Fr. 20 Busse.

Trotzdem über die Gemeinde Sarmenstorf Stallbann verhängt war, fuhren die Vorgenannten in der Gemeinde mit Vieh herum.

Sämtliche ersuchen in gemeinsamer Eingabe um Erlass der Bussen. Ausführlich wird die missliche Lage der Bauern unter dem letzten Seuchenzug dargetan und vertreten, die Leute seien geradezu in einer Notlage gewesen, als sie dem Verbot zuwider schliesslich doch mit dem Vieh gefahren seien. Die Einschränkungen seien kurz darauf von amtlicher Seite als undurchführbar bezeichnet und aufgehoben worden.

'Das Bezirksgericht Bremgarten empfiehlt die Gesuchsteller zur teilweisen Begnadigung. Wir beantragen deshalb Abweisung, weil sich die geringen Bussen bereits aus dem Umstand erklären, dass die in den Gesuchsanbringen dargelegten Verhältnisse weitgehende Berücksichtigung fanden. Strebel Hans beging die zweite Übertretung in geradezu demonstrativer Weise.

104 und 105. Johann Huber und Albert Huber, Vater und Sohn, beide verurteilt vom Gerichtspräsidenten von Bremgarten, ersterer am 2. Mai 1921 zu zwei Bussen von je Fr. 30, letzterer gleichen Tags zu einer Busse von Fr. 30.

Die beiden pflügten trotz Stallbann mit Vieh.

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In den Eingaben um Erlass der Bussen wird namentlich dargetan, die Gesuchsteller hätten sich deshalb nicht mehr strikt an den Stallbann gehalten, weil damals auf Interpellation hin die Regierung bereits erleichternde Massnahmen in Aussicht gestellt gehabt habe.

Die Aussaat sei dringlich notwendig gewesen. Zum Pflügen habe das Vieh den Acker vom Stall direkt erreichen können. Mindestens sollte der Sohn Huber straflos ausgehen, da er nur getan, was ihn der Vater geheissen habe.

Das Bezirksgericht Bremgarten empfiehlt teilweise Begnadigung.

Wir beantragen Abweisung, da die vorhandenen Verumständungen in den mässig gehaltenen Bussen berücksichtigt sind. Bei Huber, Vater, hätte zwar richtigerweise für sämtliche Zuwiderhandlungen eine Gesamtbusse erkannt werden sollen.

106. Leonhard H u f s c h m i d , verurteilt am 7. Januar 1921 vom Gerichtspräsidenten von Bremgarten zu Fr. 40 Busse und Fr. 7 Kosten.

Trotz Stallbann verkaufte Hufschmid ein Schwein, ohne hierzu die tierärztliche Bewilligung zu haben.

Für Hufschmid, der an Busse und Kosten bereits Fr. 20 bezahlt hat, wird um Erlass der verbleibenden Fr. 27 ersucht. Es wird namentlich geltend gemacht, Hufschmid habe geglaubt, der von ihm aufgesuchte Tierarzt habe den Verkauf bereits damals bewilligt. Der Gesuchsteller sei Giesser und auf seinen Verdienst angewiesen.

Das Bezirksgericht Bremgarten empfiehlt teilweise Begnadigung.

Wir beantragen Ermässigung der Busse um die Hälfte. Es handelt sich offensichtlich um keine schwerere Übertretung als in den Torstehend behandelten Fällen.

107. Johann Bäumlin, verurteilt am 1. Februar 1920 vom Bezirksgericht von Laufenburg zu Fr. 30 Busse.

Bäumlin verliess die Infektionszone Kaisten ohne Bewilligung..

In dem Gesuch um Erlass der Busse wird namentlich gesagt, Bäumlin habe sich nicht eigenmächtig benommen, sondern sich zunächst an die aargauische Sanitätsdirektion gewandt, sei jedoch ohne Antwort geblieben. Er besitze keinen Viehstand.

Das Bezirksgericht Laufenburg teilt mit, es sei mehrheitlich zum Schlüsse gekommen, den Beklagten zur teilweisen Begnadigung zu empfehlen. Die Minderheit lehnt überhaupt jede Entsprechung des Gesuches ab, da sie noch heute der Auffassung ist, Bäumlin haba zum mindesten grobfaJarlässig gehandelt.

451

Wir beantragen Abweisung, da es sich um eine massige Busse handelt. Besondere Kommiserationsgründe liegen nicht vor.

108. Josef Schnetzler, verurteilt am 3. Juni 1921 vom Obergericht des Kantons Aargau zu Fr. 150 Busse.

Schnetzler wurde.wegen zu später Meldung der in seinem Stall ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche verurteilt.

Zwei Söhne des Gebüssten stellen das Gesuch, dem Vater die Busse zu erlassen. Hierzu wird angebracht, die Familie zähle 9 Kinder, wovon zwei Söhne -- die Verfasser der Eingabe -- die Hochschule besuchen und zwei weitere ein Handwerk lernen, was den väterlichen Haushalt erheblich belaste. Die Vermögensverhältnisse seien verhältnismässig bescheiden. Die Seuche habe empfindlichen Schaden gebracht. Der Gebüsste selbst sei mit seinen 56 Jahren erstmals vor Gericht geladen worden. Es handle sich, sofern überhaupt eine Verfehlung vorliege, nicht um einen schweren Fall.

Das Bezirksgericht Laufenburg, das Schnetzler freigesprochen hatte, empfiehlt den Gesuchsteller zur teilweisen Begnadigung. Dem-gegenüber verweisen wir auf die obeirnstanzlichen Urteilserwägungen die unzweifelhaft dartun, dass Schnetzler es darauf ankommen liess, der Seuche selbst Meister zu werden. Sein Haus, er ist Gemeindekassenverwalter, blieb derart dem Verkehr offen, auch bezeichnet es das Obergericht als feststehend, dass die Seuche von hier in einen benachbarten Stall verschleppt wurde.

Wir beantragen Abweisung.

109. Johann Eufli, verurteilt am 20. Januar 1921 vom Bezirksgericht Laufenburg zu Fr. 20 Busse.

Eufli, der selbst Vieh hält, half anderwärts dreschen und begab sich hierbei trotz Verbot in den dortigen Stall.

In dem Gesuch um Erlass der Busse wird versichert, Ruf li habe von dem Seuchenplakat nichts gewusst, da dieses von den Gemeindeorganen nicht bekanntgegeben worden sei.

Das Bezirksgericht Laufenburg empfiehlt Eufli zur teilweisen Begnadigung. Beigefügt wird: «Mit einer vollständigen Begnadigung könnte sich das Gericht dagegen um so weniger einverstanden erklären, als der Beklagte noch heute nicht einzusehen scheint, dass er klaren Vorschriften zuwidergehandelt hat, die ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten bekannt sein müssen.» Die Empfehlung des Gerichts erfolgt unter Bezugnahme auf die Haltung in einem ähnlichen, den Bundesbehörden jedoch nicht eingereichten Begnadigungsfall.

Wir beantragen angesichts der mässig gehaltenen Busse Abweisung.

452

110. Johann Friedrich Deppeier, verurteilt vom 'Gerichtspräsidenten von Zurzach am 6. September 1920 zu Fr. 20 Busse.'

Deppeier übertrat das im Zusammenhang mit Haus-, Stallbann und andern Massnahnien ergangene Verbot, Gras zu mähen.

111. und 112. Fritz Deppeier und Johann Deppeier, verurteilt vom Gerichtspräsidenten von Zurzach am 15. September 1920 je zu Fr. 20 Busse.

Die beiden brachen den über sie verhängten Hausbann, um Gras zu mähen.

113. Johann Hauenstein, verurteilt am 20. September 1920 vom Gerichtspräsidenten Von Zurzach zu Fr. 20 Busse.

Hauenstein brach den über ihn verhängten Hausbann, um Holz zu rüsten.

114--116. Arthur Deppeier, Franz Müller, Ernst Müller, verurteilt vom Bezirksgericht von Zurzach am 28. April 1920 je zu Fr. 50 Busse.

Entgegen den über Tegerfelden verhängten seuchenpolizeilichen Massnahmen begaben sich die Vorgenannten in Umgehung eines Wachtpostens ohne dringenden Grund und ohne Bewilligung nach Zurzach.

117. Jakob Hauenstein, Holländers, verurteilt vom Gerichtspräsidenten von Zurzach am 2. Oktober 1920 zu Fr. 60 Busse.

Hauenstein brach den über ihn verhängten Hausbann, indem er sich zur Besorgung landwirtschaftlicher Arbeiten aufs Feld begab und sich dabei der Weisung eines Polizeisoldaten gewaltsam widersetzte.

118. August Müller, verurteilt am 13. Oktober 1920 vom Bezirksgericht Zurzach zu Fr. 30 Busse.

Müller übertrat zweimal das Verbot, Gras zu mähen.

119--121. Johann Hauenstein, Bäcker, Walter Deppeier, verurteilt am 20. September 1920 vom Gerichtspräsidenten von Zurzach je zu Fr. 20 Busse, Fritz Anner am 13. Oktober 1920 vom Bezirksgericht Zurzach zu Fr. 20 Busse.

Hauenstein weigerte sich, eine weggenommene Absperrstange wieder anzubringen, verweigerte unter zwei Malen, sich desinfiszieren zulassen, und munterte zur Missachtung der Seuchenpolizeivorschriften auf.

Walter Deppeier und Fritz Anner verbrachten eine von ihnen

453 zur Ermöglichung der Durchfahrt beseitigte Absperrstange trotz Aufforderung der Wache nicht mehr an die frühere Stelle.

122, 120 a und 121 a. Johann Jakob Hauenstein, Walter Deppeier und Fritz Anner, verurteilt am 3. Dezember 1920 vom Obergericht des Kantons Aargau, Hauenstein zu Fr. 40, Deppeier .zu Fr. 50 Busse, beide in Anwendung des Bundesgesetzes vom 8. Februar 1872, Anner zu 3 Tagen Gefängnis, bedingt erlassen mit einer Probezeit von drei Jahren und Fr. 40 Busse, dieser in Anwendung des Bundesgesetzes und kantonaler Strafbestimmungen betreffend Vergehen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

Die Vorgenannten erzwangen sich die Zufuhr zu ihren Grundstücken, indem sie einem Seuchenwachtposten zuwider die Sperre durchführen und die Sperrstange zerbrachen. Anner bedrohte dabei einen Polizeisoldaten.

Sämtliche unter Nr. 110 bis 122 Genannten ersuchen in gemeinsamer Eingabe um Erlass der Bussen. Hierzu werden die Verhältnisse dargetan, wie sie infolge der seuchenpolizeilichen Massnahmen in Tegerfelden aufkamen, das Ungerechte der zahlreich einsetzenden Bestrafungen behauptet, die Unterschiede in der Beachtung der Massnahmen hervorgehoben und schliesslich gesagt, die Verurteilungen widersprächen zum Teil geradezu dem Grundsatze «nulla poena sine lege», seien willkürlich und im Widerspruch mit den Garantien der bürgerlichen Freiheit.

Das Bezirksgericht Zurzach erachtet mit Bücksicht darauf, dass die Seuchenpolizeivorschriften inzwischen milder geworden sind, grundsätzlich eine Begnadigung als angezeigt. Anschliessend macht das Gericht darauf aufmerksam, dass, eine andere Gemeinde betreffend, eine Anzahl Bussen ausgefällt worden seien, mit denen es gegebenenfalls gleichzuhalten wäre.

Unserseits sehen wir die Aufgabe des Begnadigungsverfahrens keineswegs darin, zu einer allgemeinen Eevision der erkannten Bussen Hand zu bieten. Bereits die Feststellung, dass die Grosszahl der eingereichten Gesuche einzig den Kanton Aargau betrifft, vermag angesichts der auch in andern Kantonen zahlreich erfolgten seuchenpolizeilichen Verurteilungen die Notwendigkeit der Zurückhaltung darzutun. Im übrigen -wiederholen wir die eingangs geltend gemachten Erwägungen.

Wir beantragen demnach der Kollektiveingabe der unter Nr. 110 bis 122 genannten Gesuchsteller gegenüber im allgemeinen Abweisung.

In den
Fällen Arthur Deppeler (114), Franz Müller (115) und Ernst Müller (116) beantragen wir Ermässigung der Bussen von Fr. 50 auf Fr, 20, da es sich um junge Burschen handelt. Im zweiten Falle Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. II.

31

J

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betreffend Anner (121 a) beantragen wir Nichteintreten, indem die Gefängnisstrafe zusammen mit der Busse .eine kantonale Gesamtstrafe darstellt.

123--127. Arnold Baidinger, Bugen Widmer, Josef Kloter, Hans Widmer, Josef Jeggli, verurteilt am 9. März 1921 vom Bezirksgericht Zurzach, Baidinger zu Fr. 30, die andern zu Fr. 20 Die Vorgenannten brachen den Haus- und Stallbann. Nach den nähern Verumständungen erachtete das urteilende Gericht kleine Geldbussen als genügend.

In dem gemeinsamen Gesuch um Brlass der Bussen wird gesagt, über Baldingers Gebäude sei der Bann wegen Seuchenverdachtes deshalb verhängt worden, weil ein Tierarzt, der anderwärts die Seuche nicht erkannt hatte, in'der Folge auch Baldingers Stall besuchte.

Nachdem der für die Aufhebung in Aussicht gestellte Tag verstrichen war und dem Getreide Schaden drohte, habe es Baidinger geschehen lassen, dass die vier später Mitverurteilten ihm bei der Versorgung der gefährdeten Frucht Hilfe leisteten.

Das Bezirksgericht Zurzach empfiehlt die Gesuchsteller zur Begnadigung unter Hinweis auf die Begnadigungsfälle unter Nr. 110 bis 122 hiervor.

Aus den oben geltend gemachten Erwägungen beantragen wir auch hier Abweisung. Das urteilende Gericht bezeichnet die erkannten Bussen ausdrücklich als «klein», wobei es sein Bewenden haben dürfte. Ärmliche Verhältnisse kommen nicht in Betracht.

Ausser den vorstehenden Straffällen aus dem Kanton Aargau sind noch zwei getrennt eingelangte Gesuche zu behandeln: 128. Ludwig Wunderlin, verurteilt vom Obergericht des Kantons Aargau am 2. Dezember 1921 zu Fr. 150 Busse.

Als in Wunderlins Stall die Viehseuche festgestellt wurde, ergab sich, dass bei zwei Kühen die Erkrankung mindestens 3 bis 4 Tage alt war. Wunderlin wurde deshalb wegen Nichtanzeige der Seuche erstinstanzlich mit Fr. 50, oberinstanzlich mit Fr. 150 gebüsst.

Der Sohn des Bestraften wendet sich in längerer Eingabe an die Bundesversammlung mit dem Ersuchen um Erlass der Busse.

Tinter längerer Erörterung des Sachverhaltes wird vertreten, dass dem Bestraften weder Seuchenverheimlichung noch irgendeine Fahrlässigkeit zur Last falle. Die Busse sei angesichts der bescheidenen Verhältnisse und des sonst erlittenen Seuchenschadens eine schwere Last.

455 Wir sehen davon ab, auf das Tatbeständliche des Falles einzutreten, beantragen aber angesichts der kleinbäuerlichen Verhältnisse und des durch Abgang eines Eindes erlittenen und nicht vergüteten Schadens eine Ermässigung der Busse bis Fr. 100.

129. Albert Küster, verurteilt am 4. Juli 1921 vom Bezirks-gericht Unterrheintal zu Fr. 120 Busse.

Küster unterliess, die in seinem Stall ausgebrochene Seuche zur Anzeige zu bringen.

Er ersucht um Erlass der Busse unter eingehender Schilderung seiner Verhältnisse.

Den Berichten des Gemeinderatsschreibers und Bezirksammanns ist zu entnehmen, dass der Gesuchsteller seit 1918 Landwirt ist.

Grund und Boden bestehen zum grössten Teil aus früher sumpfigen Streuewiesen, die er,, soweit es seine Mittel und Kräfte zulassen, zu verbessern sucht. Die Familie lebt in geradezu dürftigen Verhältnissen. Küster selbst wird als sparsamer und treubesorgter Familienvater bezeichnet.

Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen beantragt gestützt auf diese Berichte Erlass oder Herabsetzung der Busse um 3 /4. Da wirklich Kommiserationsgründe vorliegen, beantragen wir, die Busse auf Fr. 30 zu ermässigen. Den gänzlichen Erlass können wir, im Zusammenhang mit den vorstehend behandelten" Fällen, nicht befürworten.

Anträge: Abweisung in allen Fällen mit folgenden Ausnahmen: Bei Hufschmid (106) Ermässigung der Busse von Fr. 40 bis Fr. 20; bei Arthur Deppeier (114), Franz Müller (115) und Ernst Müller (116) Herabsetzung von Fr. 50 bis Fr. 20; bei Wunderlin (128) von Fr. 150 bis Fr. 100; bei Küster (129) von Fr. 120 bis Fr. 30; bei Anner (121 o) Nichteintreten.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 23. Mai 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Scteurer.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1922). (Vom 23. Mai 1922.)

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