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Bundesblatt

74. Jahrgang.

Bern, den 26. April 1922.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Cie in. Bern.

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zu 575

XVIII. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914, 3. April 1919 und 19. Oktober 1921 getroffenen Massnahmen.

(Vom 21. April 1922.)

Wir beehren uns, Ihnen im nachstehenden über die von uns vom 1. November 1921 bis zum 31. März 1922 auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914*), 3. April 1919**) und 19. Oktober 1921 ***) getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten.

Departement des Innern.

Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. T o r f V e r s o r g u n g . Durch Bundesratsbeschluss vom 7. Februar 1921 wurden sämtliche Erlasse betreffend inländischen Torf aufgehoben, und infolgedessen ist dann die Abteilung Tortversorgung aufgelöst worden; gleichzeitig wurde die gänzliche Liquidation der schweizerischen Torfgenossenschaft beschlossen.

Der Abbau der Torffelder der S. T. Gr. ist im Laufe des Jahres 1921 vorgenommen worden. Die Liquidation der schweizerischen Torfgenossenschaft wird voraussichtlich im Sommer 1922, soweit es sich nicht um noch unerledigte Prozesse und die Verwertung noch vorhandener Torfvorräte handelt, vollständig durchgeführt sein.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 347.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

***) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVII, S. 741.

Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. I.

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676 Justiz- und Polizeidepartemeut.

Justizabteilung.

1. Die A n w e n d b a r k e i t der N o t s t u n d u n g gemäss Verordnung vom 4. April 1921 in der ostschweizerischen Stickereiindustrie, die nach den bisherigen Beschlüssen auf Ende April 1922 ablief, wurde angesichts der fortdauernden Notlage dieser Industrie bis Ende des Jahres verlängert ; der Beschluss erstreckt sich auf die Lohnstickereien, Lohnnähereien, Lohnausrüstereien, Scherlereien und selbständigen Stickereizeichner in den Kantonen Zürich, Schwyz, St. Gallen, Thurgau und Appenzell A.-Rh., soweit mehrere Betriebe einer Gattung im Kanton vorhanden sind.

Die dem einzelnen Schuldner von der Nachlassbehörde zu gewährende Stundung kann höchstens zehn Monate andauern.

Auf Anfrage einer Kantonsregierung antwortete das Departement, dass die durch vereinzeltes Gesuch einer Giesserei verlangte Anwendung der Notstundung nicht auf die Zustimmung des Bundesrates rechnen könnte, zumal da die Zahlungsschwierigkeiten der Schuldnerin offensichtlich mehr auf besondere Umstände denn auf eine allgenoejnje_Notlage des Industriezweiges zurückzuführen waren.

2. Die N o v e l l e vom 8. J u l i 1919 zum O b l i g a t i o n e n r e c h t setzt in den Art. VI, X und XI den Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften Frist bis zum 15. Juli 1922, um sich den neuen Vorschriften anzupassen und die verlangten Eintragungen im Handelsregister vornehmen zu lassen. Durch K r e i s s c h r e i b e u vom 20. Februar 1922 (Bundesbl. I, 253) ersuchte das Departement die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Handelsregister, im Interesse einer einheitlichen und vollständigen Vollziehung ihre Registerführer anzuweisen, zu ermitteln, welche Gesellschaften mit der Erfüllung der Vorschriften noch im Rückstande seien, und sie möglichst bald auf den Ablauf der Frist wie auch auf die gesetzlichen Folgen der Säumnis aufmerksam zu machen.

Infolge einer über die Auslegung des Art. XI, Abs. 3, aufgetauchten Unklarheit benutzte das Departement die Gelegenheit, im nämlichen Kreisschreiben festzustellen, dass dieser Vorschrift Genüge getan sei, wenn wenigstens eia zur Führung der Unterschritt befugter schweizerischer Verwaltungsrat kollektiv mit einem in der Schweiz wohnenden Direktor schweizerischer Nationalität die Aktiengesellschaft rechtsgültig verpflichten könne. Eine private Anfrage ging dahin, ob Art. XI, Abs. 3, eine Statutenrevision

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erforderlich mache für Aktiengesellschaften, die zur Vertretung ausschliesslich die aus Schweizerbürgern bestehende Direktion ohne Mitwirkung des Verwaltungsrates bevollmächtigen. Das Departement verneinte die Frage, von der Erwägung ausgehend, dass der Zweck der Vorschrift, die Nationalisierung der Vertretung, alsdann ohnehin gewahrt sei und Art. XI, Abs. 3, offenbar nicht beabsichtige, in solchen Fällen die Gesellschaft zur Änderung der statutengemäss geordneten Vertretungsbefugnis zu nötigen.

3. Die ausserordentliche Gesetzgebung zur B e k ä m p f u n g der M i e t - und W o h n u n g s n o t ist in das Stadium des Abbaus getreten. Schon im Sommer 1921 erkundigte sich das Departement durch eine Umfrage bei den Kantonen über den Stand der Wohnungsnot. Einige Antworten meldeten stationäre Lage, die Mehrzahl eine allmähliche Besserung. Die Aufhebung der Notverordnungen glaubten die Kantone im allgemeinen erst nach weiterem Nachlassen der Wohnungsnot befürworten zu können ; den Gedanken ihrer Überführung in die ordentliche Gesetzgebung lehnten sie ab. Das Departement betonte in einem weitern Kreisschreiben vom 28. Dezember 1921 die Notwendigkeit, auch auf diesem Gebiete die Kriegsgesetzgebung möglichst bald zu beseitigen, und lud die Kantone ein, durch eine wenigstens teilweise, dem schwindenden Bedürfnis sich anpassende Aufhebung ihrer Verordnungen den schrittweisen Abbau einzuleiten und der kommenden Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 9. April 1920 als der rechtlichen Grundlage aller kantonalen Massnahmen vorzuarbeiten. Inzwischen haben verschiedene Kantone damit begonnen durch Aufhebung der Vorschriften in einzelnen Gemeinden oder im ganzen Kanton (Obwalden), Befreiung der Neubauten von den Einschränkungen (Zürich, Baselstadt, Aargau), Wiederherstellung der Freizügigkeit (Aargau). Wann der Bundesratsbeschluss selbst wird aufgehoben werden können, lässt sich heute noch nicht bestimmen ; in jedem Falle gedenken wir auf den Sommer hin bundesrechtliche Erleichterungen eintreten zu lassen.

4. Die Gesuche um B e w i l l i g u n g von H o t e l u n t é r n e hm e n gemäss Art. 52--54 der Verordnung vom 18. Dezember 1920 waren in der Berichtsperiode wiederum ziemlich zahlreich.

Bewilligt wurde die Erweiterung zweier Soolbäder in Rheinfelden, die durch bisherige gute Frequenz und ausgedehnte Inanspruchnahme von Privatzimmern zur Unterbringung ihrer Gäste ein Bedürfnis nachzuweisen vermochten, ebenso die Eröffnung einer

678 kleinen Herberge in Arosio (Tessin) als einzigen Gasthauses in weitem Umkreis. Der letzte Bericht erwähnte die Ablehnung der Eröffnung einer Fremdenpension in Bedigliora (Tessin); die Überprüfung des Entscheides auf ein Wiedererwägungagesuch hin führte angesichts neu angebrachter Tatsachen und veränderter Stellungnahme der Kantonsregierung zur Bewilligung. Dagegen wurde das Gesuch, die (gleichfalls im letzten Bericht angeführte) vorübergehend für die Dauer der Völkerbundsversammlung geslattete Erweiterung eines Hotels in Genf in eine dauernde umzuwandeln, abgelehnt und dem Eigentümer nur das Recht vorbehalten, von Fall zu Fall bei eintretendem Bedürfnis, insbesondere während in Genf tagender internationaler Kongresse, beim Bundesrat die Erlaubnis zu vorübergehendem erweitertem Betrieb des Hotels nachzusuchen. Die Eröffnung eines alkoholfreien Hotels in Bern wurde ebenfalls infolge mangelnden Bedürfnisses abgewiesen. Hinsichtlich eines während des Krieges (1917) provisorisch geschlossenen Hotels erkannte der Bundesrat, dass die Wiedereröffnung keiner Bewilligung bedürfe.

Auf Anfrage antwortete das Departement, sich auf die bisherige Praxis des Bundesrates stützend, dass auch die blosse Verlegung eines Fremdenetablissements in ein anderes Haus am gleichen Ort ohne Vermehrung der Bettenzahl nicht an eine Bewilligung gebunden sei. Eine andere Anfrage ging dahin, ob die Eröffnung einer medizinischen Klinik einer Bewilligung bedürfe. Das Departement verneinte die Frage, ebenfalls in Anlehnung an die Praxis. Dieser zufolge sind auch private Spitäler und Kliniken, d. h. ausschliesslich zur Aufnahme und. Heilung von Kranken durch besondere Behandlung bestimmte und unter Leitung eines oder mehrerer Ärzte stehende Etablissemente nicht als Hotelunternehmen zu betrachten. Das Kriterium der Abgrenzung liegt vornehmlich darin, ob nur Kranke oder beliebige Gäste aufgenommen werden. Im letzten Falle ist die Voraussetzung der Konkurrenzierung der Hotelindustrie erfüllt und die Verordnung daher anwendbar (vgl. Entscheid vom 6. März 1916 in Sachen Sanatorium Altein).

Finanz- und Zolldepartement.

Steuerverwaltung.

M i l i t ä r p f l i c h t e r s a t z . Durch Bundesratsbeschluss vom 13. Juni 1921 (A. S. XXXVII, 480) sind die letzten auf den ausserordentlichen Vollmachten beruhenden Vorschriften, welche

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auf den Militärpflichtersatz Bezug haben, nämlich die Art. l, 2 und 4 des Bundesratsbeschlusses vom 15. Januar 1915 betreffend die Militärsteuer in bezug auf den Aktivdienst, aufgehoben worden.

K r i e g s g e w i n n s t e u e r . Im Laufe des Sommers 1921 hat die Einschätzung der Übergewinne der Kriegsgewinnsteuerpflichtigen begonnen, deren Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahre 1920 zusammenfällt. Nach Durchführung dieser Arbeit wurde die Taxation der aufs Jahr 1920 entfallenden Teile der Übergewinne des Geschäftsjahres 1920/21 in Angriff genommen. Wenn auch die Zahl der Steuerpflichtigen im Vergleich zu derjenigen der frühern Jahre stark abgenommen hat und infolgedessen die Taxationsarbeit mit einem kleinern Personal durchgeführt werden kann, so erfordert ihre richtige und sorgfältige Erledigung in Verbindung mit der Abrechnung der früher unter Vorbehalt gewährten Rückstellungen doch noch einige Zeit. Bei dieser Sachlage und namentlich auch angesichts der durch die wirtschaftliche Krisis herbeigeführten Erschwerung des Bezuges wird der Abbau der Kriegsgewinnsteuersektion der eidgenössischen Steuerverwaltung noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Personal dieser Sektion hat sich von Ende März 1921 bis Ende Februar 1922 um 44 Beamte vermindert.

Mit Bezug auf die Wohlfahrtszuwendungen hat das Finanzdepartement am 15. Oktober 1921 eine Ergänzung seiner Verfügung vom 3. Juli 1918 im Sinne der Präzisierung und Erweiterung der Vorschriften derselben vorgenommen. Diese Abänderung ist im Einverständnis mit dem Bundesrate gestützt auf einen eingehenden Bericht erfolgt, der ihm über das von Herrn Ständerat Scherer am 21. Juni 1921 eingereichte Postulat betreffend die Sicherstellung der Wohlfahrtszuwendungen erstattet wurde. Über das erwähnte Postulat haben wir Ihren Räten am 10. Januar 1922 (Bundesbl. 1922, I, 97) einen besondern Bericht zugehen lassen, auf den wir verweisen.

Die Bedeutung der 1920 erzielten Übergewinne geht aus der nachfolgenden Aufstellung hervor, welche auf die Ende Februar 1922 ausgestellten Steuerrechnungen abstellt. Dabei ist zu beachten, dass die Einschätzungen für die Periode 1920/21 erst zu Beginn des Jahres 1922 in Angriff genommen werden konnten.

_ . .

Penode

_ .

.

Reingewinn

Fr.

1919/20 . . 177,832,000 1920 . . . 151,056,000 1920/21 . . 13,470,000

Steuerbarer Kriegsgewinn

Auferlegte Kriegsgewinnsteuer

Fr.

Fr.

87,960,000 80,787,000 7,363,000

28,711,000 16,157,000 1,473,000

680

Ende Februar 1922 waren.46,650 Kriegsgewinnsteuerdossiers, von denen 15,180 steuerpflichtige Fälle betrafen, vorhanden. Auf den angegebenen Termin stellen sich die Ergebnisse der Kriegsgewinnsteuer wie folgt: Gesamtsumme der ausgestellten Steuerrechnungen mit Einschluss des Zuschlages gemäss Bundesratsbeschluss vom 24. März 1917, der auf die Gewinne des Jahres 1920 nicht mehr Anwendung findet Fr. 780,626,236. 67 Dazu Vorauszahlungen auf Steuerfälle und Steuerperioden, für welche die Einschätzung noch nicht stattgefunden hat Sollbetrag auf den 28. Februar 1922 .

,,

3,276,694. 12

. Fr. 783,902,930. 79

Hiervon waren auf den gleichen Termin Fr. 704,494,600. 28 bei der Bundeskasse einbezahlt. Auf den bis 31. Januar 1922 gänzlich liquidierten Kriegsgewinnsteuern sind den Kantonen als lOprozentiger Anteil insgesamt Fr. 57,715,085. 36 ausgerichtet worden.

Der dem Arbeitslosenfonds bis Ende 1921 überwiesene Anteil am Ertrag der Kriegsgewinnsteuer beträgt Fr. 106,485,000.

Sein Anteil am Gesamtsteuereingang macht auf Ende Februar 1922 rund Fr. 107,000,000 aus.

Die Ausstände sind weiter zurückgegangen und betragen auf Ende Februar 1922 noch Fr. 51,788,000. Davon entfallen auf bestrittene Forderungen Fr. 9,824,000 gegen Fr. 28,900,000 Ende März 1921 und auf fällige Steuern Fr. 41,476,000 gegen Fr. 45,700,000 Ende März 1921.

Die bis Ende Februar 1922 gewährten Nachlässe erreichen den Betrag von Fr. 30,472,763. 36.

Der Betrag der von der Kriegsgewinnsteuer befreiten Wohlfahrtszuwendungen erreichte auf den 28. Februar 1922 die Höhe von rund Fr. 216,067,000. Hiervon waren Fr. 133,105,500 definitiv von der Steuer befreit; der Rest von Fr. 82,961,500 ist provisorisch steuerfrei erklärt worden.

Da im Berichte des Bundesrates über die Geschäftsführung im Jahre 1921 eingehender über die eidgenössische Kriegsgewinnsteuer referiert wird, so glauben wir, um Wiederholungen za vermeiden, uns im vorliegenden Berichte auf obige Angaben beschränken zu sollen.

681

Alkoholyei'waltung.

In der Berichtsperiode hat der Bundesrat von seinen ausserordentlichen Vollmachten auf dem Gebiete des Alkoholmonopols im Beschlüsse vom 17. März 1922 über den Monopolverkauf gebrannter Wasser zum Trinkverbrauche und über die Entrichtung von Monopolgebühren auf gebrannten Wassern (A. S. XXXVIII, 299) Gebrauch gemacht.

In diesem Beschlüsse ist der Bundesrat, im Hinblick auf das unbefriedigende Jahresergebnis der eidgenössischen Alkoholverwaltung pro 1921 -- eine Folge der wachsenden Konkurrenz monopolfreier Branntweine und Sprite, speziell des Mostsprits (s. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Voranschlag über den Betrieb der Alkoholverwaltung für 1922 ; Bundesbl. 1921, V, 39) --, mit den Trinkspritpreisen und mit den Monopolgebühren auf gebrannten Wassern und auf Brennereirohstoffen auf annähernd die Ansätze heruntergegangen, welche der Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung des Voranschlages über den Betrieb der Alkoholverwaltung für 1922 vorsieht.

Auch für diese Massnahmen bedurfte es der ausserordentlichen Vollmachten, weil die im vorerwähnten Bundesratsbeschluss vom 17. März 1922 festgesetzten Ansätze immer noch höher sind als die gesetzlichen Maxima.

Volkswirtschaftsdepartement.

I.

Wirtschaftliches Verhältnis zum Ausland, Ein- und Ausfuhr.

1. Am 24. September ist zwischen der schweizerischen und der rumänischen Regierung ein A b k o m m e n geschlossen worden, welches die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit für unsere Exportindustrie zum Zwecke hat. Die Schweiz eröffnete Rumänien einen Kredit von maximal 40 Millionen Schweizerfranken, der durch Getreidelieferungen zurückerstattet wird. 60 % des Kredites sind von Rumänien zum Ankauf von Produkten der schweizerischen Industrie zu verwenden. Über den Rest kann die rumänische Regierung nach Massgabe der unserer Industrie aufgegebenen Bestellungen frei verfügen. Rumänien hat seine Schuld zu einem Zinsfuss zu verzinsen, der um 1 °/o höher ist als der offizielle Diskontosatz. Ferner ist eine Kommission von Y< °/o pro Viertel-

682 jähr vereinbart. Im weitern überweist Rumänien für die jeweilige Höhe des beanspruchten Kredites dem Eundesrat kurzfristige, bei einer schweizerischen Bank domizilierte Schatzscheine.

Rumänien hat im Verlaufe des Winters auf Grundlage des Abkommens für insgesamt 20'/a Millionen Schweizerfranken Bestellungen aufgegeben. Vom freien Kredit wurden bis jetzt Fr. 5,320,000 zur Verfügung gestellt.

Die Getreidelieferungen wurden im vergangenen Winter durch das ausnahmsweise frühe Gefrieren der Donau verunmöglicht. Denn da der Wasserweg 'der einzig praktikable Speditionsweg ist, suspendiert vertraglich das Gefrieren der Donau die Lieferungsverpflichtungen.

2. Die Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 18. Juni 1921, durch welche im Interesse der schweizerischen Gaswerke d i e E i n f u h r v o n G a s k o k s , S c h l a c k e n k o k s und allen Arten Feuerungsrückständen des Gaskoks noch an eine Bewilligung geknüpft wurde, ist mit Ablauf des Jahres 1921 ausser Kraft getreten. Damit ist die letzte kriegswirtschaftliche Bestimmung über die Kohlenversorgung dahingefallen.

3. A u s f u h r v e r b o t e . Es ist keine Änderung seit der letzten Berichterstattung eingetreten. Wir hatten dort ausgeführt, dass sich das Ausfuhrverbot nur noch auf gewisse, für unsere Industrie als Rohstoffe wichtige Metallsorten erstreckt (Abfälle der Eisenbearbeitung, Bruch- und Alteisen, unbearbeitetes Gold, Silber und Platin; dazu noch gemünztes Gold). Die Aufrechterhaltung dieser Ausfuhrbeschränkung erfolgt auf ausdrückliches Verlangen der betreffenden weiterverarbeitenden Industrien.

II.

Arbeitslosenfürsorge.

1. Arbeitsmarkt.

Während der Berichtsperiode hat sich die Lage des schweizerischen Arbeitsmarktes im allgemeinen bedeutend verschlimmert.

Wohl ist die Gesamtzahl der mit verkürzter Arbeitszeit Arbeitenden von Monat zu Monat zurückgegangen. Dagegen hat sich die Zahl der gänzlich Arbeitslosen vergrössert. Daraus ist zu schliessen, dass immer weitere Betriebe, die bisher mit verkürzter Arbeitszeit durchhielten, gänzlich stillgelegt wurden.

683 Nähern Aufschluss über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit seit Ende Oktober 1921 gibt folgende Aufstellung: Lebens- und Genussmittelindustrie Datum

Bekleidungsgewerbe, Lederindustrie

Gänzlich Teilweise Gesamtzahl der Arbeitslos! Arbeitslos! Betroffenen

Unterstützt«

Gänzlich Teilweise Gesamtzahl der Arbeitslose Arbeitslose Betroffenen

1921 Ende Okt. .

,, Nov. .

,, Dez..

778 2,487 3,265 369 1,612 1,600 4.373 5,973 1,126 1.881 2,005 3,902 5,907 936 2,179

1922 Ende Jan. .

3,220 3,540 6,760

1,692

Baugewerbe, Malerei

Ï921 Ende Okt. . 9,190 ,, Nov. . 11,703 ,, Dez.. 14,820 1922 ' Ende Jan. . 18,339

2,262

Unterstützte

3,002 4,614 2,682 4,563 2,489 4,668

799 998 1,222

3,541

1,375

1,279

Holz- und Glasbearbeitung

10,019 3,160 1,983 12,557 4,429 2,255 15,534 6,685 2,759

270 298 434

2,253 2,553 3,193

585 18,924 8,320 3,107

436

3,543 1,740

829 854 714

Textilindustrie

920 1,073 1,457

Graphisches Gewerbe und Papierindustrie

1921 Ende Okt. .

,, Nov..

,, Dez. .

6,539 21,089 27,628 4,512 5,622 17,144 22,766 3,684 6,409 16,268 22,677 4,165

1922 Ende Jan. .

6,557 14,957 21,514 4,673 1,151

1,125 1,192 1,047

957 2,082 807 1,999 1,095 2,142

415 486 682

1,514

681

2,665

684 Metall-, Maschinen- und elektrotechnische Industrie Datum

1921 Ende Okt. .

,, Nov. .

,, Dez. .

Sara« Teilweise Gesamtzahl der Arbeitslose Arbeitslose Betroffenen

Unterstützte

Uhrenindustrie, Bijouterie GJnzlich Teilweise Gesamtzahl der Arbeitslose Arbeitslose Betroffenen

9,148 18,079 27,227 5,241 20,525 10,400 30,926 13,802 10,210 18,635 28,845 5,796 19,422 '8,809 28,231 13,098 11,809 18,307 30,116 6,940 20,403 7,384 27,787 13,938

1922 Ende Jan. . 12,814 17,182 29,996 7,805 19,595

1922 Ende Jan. .

2,656 2,848 3,108

75

2,656 2,848 3,183

6,593 26,188 14,046

Hotel- und Wirtschaftswesen

Handel

1921 Ende Okt. .

,, Nov. .

,, Dez. .

UnterstObte

1,257 1,466 1,609

269 650 1,008

--

269 650 1,008 ' 315

--

1,166

C

3,506

26

3,532

1,817

Ungelerntes Personal

1,166

404

Insgesamt Schweiz*)

1921 Ende Okt. . 14,959 ,, Nov.. 14,786 ,, Dez. . 15,549

255 15,214 7,161 74,238 59,835 134,073 39,072 292 15,078 6,722 80,692 56,869 137,561 40,787 344 15,893 6,756 88,967 53,970 142,937 47,367

1922 Ende Jan. .

216

15,579

15,795 7,716 96,580 49,181 145,761 53,772

*1 Die Zahlen der Kolonne ,,Insgesamt Schweiz" enthalten auch die Arbeitslosen der in der Tabelle nicht erwähnten Berufsgruppen.

Von den als gänzlich arbeitslos Gemeldeten wurden insgesamt bei Notstandsarbeiten beschäftigt: Ende Oktober 1921 14,526 Personen, wovon 631 Frauen, ,, November 1921 19,065 ,, ,, 616 ,, ,, Dezember 1921 18,803 ,, ,, 692 ,, ,, Januar 1922 19,662 ,, 797 ,,

685 Die folgenden Industriegruppen zeigen eine Abnahme der Arbeitslosigkeit : Bekleidungsgewerbe, Lederindustrie, Textilindustrie, Uhrenindustrie und Bijouterie.

Eine weitere Besserung steht in Aussicht für das Hotel- und Baugewerbe. Dagegen ist die Lage in den andern Wirtschaftsgruppen nach wie vor kritisch.

Die folgenden Industriegruppen zeigen eine Zunahme der Arbeitslosigkeit : Lebens- und Genussmittelindustrie, Baugewerbe und Malerei, Holz- und Glasbearbeitung, Graphisches Gewerbe, Papierindustrie, Metall-, Maschinen- und elektrotechnische Industrie, Handel, Hotel- und Wirtschaftswesen.

2. Arbeitsbeschaffung.

a. A l l g e m e i n e s . Die meisten Massnahmen, welche die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit zum Ziel haben, beruhen nunmehr auf Beschlüssen der eidgenössischen Räte und sind nicht mehr ein Ausfluss der^ ausserordentlichen Vollmachten. Infolgedessen haben wir darüber im ordentlichen Geschäftsbericht Rechenschaft abgelegt. Das betrifft insbesondere die Subventionierung von Arbeiten, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unternommen werden, und die Notstandsarbeiten des Bundes; ferner gehört hierher die ausserordentliche Bundeshilfe für die schweizerische Uhrenindustrie. Wir verweisen daher auf unsern Geschäftsbericht für das Jahr 1921, der -- weil eng damit zusammenhängend -- ebenfalls Ausführungen enthält über die staatliche Unterstützung anderer Industrien. Wir haben dort auch erklärt, dass wir über die ganze Frage einer staatlichen Hilfe für notleidende Betriebe und Industrien seinerzeit besonders berichten werden. Der Vollständigkeit halber erinnern wir schliesslich noch an unsere Berichte vom 30. September 1921 und 3. März 1922 betreffend Abänderung der Vorschriften über die Arbeitslosenunterstützung (Bundesbl. 1921, IV, 413, und 1922, I,. 279).

Es bleibt uns also hier nur noch übrig, einige Worte zu sagen über den weitern Verlauf der Aktion zugunsten von arbeitslosen Personen gelehrter und künstlerischer Berufe.

Vorher ist noch eines Postulats des Nationalrates vom 9. Juni 1921 zum Neutralitätsbericht Erwähnung zu tun. Dieses Postulat

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lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, ob nicht zur Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Hochbautätigkeit nach Massgabe des Bundesratsbesehlusses vom 11. Mai 1920 ein weiterer Kredit von 30 Millionen Franken bewilligt werden sollte ; ferner,, ob nicht die Kantone, in denen Wohnungsnot herrscht, zu verpflichten wären, für die Deckung des für die Jahre 1921--1923 zu erwartenden Fehlbetrages an Wohnungen zu sorgen und im Rahmen des Bedarfs bis zur Höhe der vom Bund zugewiesenen Subventionssummen dem Wohnungsbau die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Durch die verschiedenen Massnahmen, die getroffen wurden und von denen in unserm Geschäftsbericht für das Jahr 1921, auf den wir neuerdings verweisen, eingehend die Rede ist, betrachten wir das Postulat als erledigt. Übrigens kann die Wohnungsnot heute so ziemlich als behoben betrachtet werden.

b. G e l e h r t e und k ü n s t l e r i s c h e B e r u f e . Von dem mit Bundesratsbeschluss vom 16. Dezember 1919, ergänzt durch Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1921, zur Arbeitsbeschaffung für Personen gelehrten und künsterischen Berufes bereitgestellten Kredit blieben am 1. März 1922 noch Fr. 468,160. 20 verfügbar.

Unter Heranziehung des Kredites konnte Arbeitsgelegenheit in Form vorübergehender Anstellung beschafft werden für : Personen mit abgesch ossener

Berichtsperiode

16. Dezember 1919 bis - 31 . August 1921 .

1. September 1921 bis 28. Februar 1922 .

Total

Hochschul- Mittelschulbildung bildung

HilfsKUnstler personen Insgesamt Personen

37

17

53

23

130

12 49

5 22

13

5

35

66

28

165

Von den insgesamt 165 Personen lagen am 1. März 1922 noch 54 der ihnen vermittelten Beschäftigung ob. Das Hilfspersonal belief sich dabei auf 5 Personen.

Künstlern wurde ausserdem Arbeit beschafft: A. durch Wettbewerbe, die unter Mitwirkung des eidgenössischen Departements des Innern veranstaltet wurden,*) *) Aus dem mit Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1921 ausgeschiedenen Kredit von Fr. 300,000.

687

a. behufs Ankauf von Kunstwerken, wobei von 180 Künstlern insgesamt 186 Werke im Gesamtbetrage von Fr. 142,780 erworben wurden ; b. Beitrag von Fr. 2850 für den vom eidgenössischen Finanzdepartement ausgeschriebenen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Fünffrankenstück. Aus diesem Beitrag wurden an 15 Autoren der besten nicht prämiierten Entwürfe Entschädigungen ausgerichtet; B. durch Beiträge an Kantone und Städte für Wettbewerbe unter bildenden Künstlern.

3. Arbeitslosenunterstützung.

a. Am 15. November 1921 ist der Bundesratsbeschluss vom 30. September 1921 über Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung, worüber wir Ihnen am 30. September 1921 einen besondern Bericht vorlegten, in Kraft getreten. Durch diesen Bericht betrachten wir das Postulat des Nationalrates vom 18. Februar 1921 zum Neutralitätsbericht, das den Bundesrat einlädt, die Revision seines Beschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung im Sinn der Vorschläge des schweizerischen Gewerkschaftsbundes vom 28. Dezember 1920 zu prüfen, als erledigt. Gegen Ende der Berichtsperiode erwies sich eine neue Änderung als notwendig, hauptsächlich zu dem Zweck, die Unterstützungsbeiträge herabzusetzen. Wir fassten daher am 3. März 1922 einen entsprechenden Beschluss, den ,,Bundesratsbeschluss über Abänderung der Vorschriften betreffend Arbeitslosenunterstützung", und legten Ihnen gleichzeitig in einem besondern Bericht Rechenschaft ab über die Gründe, die uns zu diesem Erlass führten. Wir verweisen auch hier auf diesen Bericht vom 3. März 1922. Der Bundesratsbeschluss selber tritt am 1. April 1922 in Kraft. Andere Massnahmen haben wir nicht getroffen.

Dagegen erliess das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement gestützt auf den erwähnten Bundesratsbeschluss vom 30. September 1921 am 2. März 1922 eine Verordnung, wonach das Verfahren in Streitsachen im Sinne der Vereinfachung abgeändert wurde. Die Hauptvereinfachung besteht darin, dass die kantonalen Einigungsämter sowie die eidgenössische Rekurskommission künftig in ein und demselben Verfahren sowohl über die Unterstützungsberechtigung als über die Verteilung der Unterstützungskosten entscheiden.

688

Ferner wurden durch das Volkswirtschaftsdepartement, um die Auslegung einzelner Bestimmungen der geltenden Vorschriften klarzulegen und einheitlich zu gestalten, in drei Fällen verbindliche Weisungen erlassen; am 17. November 1921 eine solche über die Anwendung von Art. 20 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919/30. September 1921 (Beitragspflicht des Betriebsinhabers für die Unterstützung vorübergehend beschäftigter Angestellter und Arbeiter) ; am 28. Dezember 1921 eine Weisung über einheitliche Notstandsgrenzen bei teilweiser Arbeitslosigkeit, und am 23. Januar 1922 eine weitere Weisung betreffend die Haftung des Solidaritätsfonds. Zu erwähnen ist noch eine Anleitung des Eidgenössischen Arbeitsamtes vom 15. Dezember 1921 für das Abrechnungs- und Kontrollverfahren in der Arbeitslosenunterstützung.

Hinsichtlich der Durchführung des Bundesbeschlusses vom 21. Oktober 1921 über Ausrichtung einer Herbst- und Winterzulage an Arbeitslose (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 5. Oktober 1921 über die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an eine ausserordentliche Herbstzulage für Arbeitslose) verweisen wir auf den ordentlichen Geschäftsbericht.

b. Mit der Zunahme der Zahl der Arbeitslosen, namentlich der gänzlich Arbeitslosen, hat auch die Zahl der Unterstützten dauernd zugenommen. Nähere Angaben darüber enthält folgende Tabelle : Angemeldete gänzlich Arbeitslose

Monat Zahl

davon bei Notstandsarbeiten beschäftigt Zahl

1921 Ende Okt. .

» Nov. .

,, Dez. .

Tatsächlich ohne Arbeit Befindliche davon unterstützt Zahl

°/o

Zahl

°/o

74,238 80,692 88,967

14,526 19,6 59,712 19,065 23,6 61,627 18,803 21,, 70,164

39,072 65,4 40,787 66,2 47,367 67,,,

96,580

19,662 20,3 76,918

53,772 69,9

1922

Ende Jan. .

689 e. Die Unterstützung von Auslandschweizern ist in bisheriger Weise weitergeführt worden. Am 3. Oktober 1921 bewilligten wir noch einen ausserordentlichen Kredit von Fr. 100,000, insbesondere für Russlandschweizer.

In der Unterstützung der Ausländer ist keine Änderung eingetreten; neue Abkommen wurden nicht abgeschlossen.

d. Die Eidgenössische Rekurskommission für Arbeitslosenunterstützung hat seit dem 10. September 1921 bis Ende Februar 1922 an Rekursen erledigt: Rekurse gegen Entscheide über die Unter- deutsch französisch Stützungsberechtigung 411 366 Rekurse gegen Entscheide über die Kostenverteilung 191 69 Rekurse direkt erledigt durch Präsident und Sekretariat gemäss Art. 11, 23, 30 und 31 des B. R. B. vom 29. Oktober 1919/30. September 1921 · 187 231 Streitigkeiten zwischen Behörden gemäss Art. 32 B.R.B 2 3 Insgesamt erledigte Fälle 1460 Hängig waren noch 250 Rekurse.

Wie sich aus der Zusammenstellung ergibt, ist die Zahl der zu erledigenden Fälle bis zum Jahresschluss Stetsfort gestiegen.

Die verhältaismässig grösste Zahl von Rekursen stammte aus den Kantonen Zürich, Genf, Bern (Jura und Seeland), St. Gallen, Baselstadt und Solothurn. Die Mehrzahl der Eingaben betrafen Unterstützungsfälle von Arbeitern aus der Uhren-, Metall- und Textilindustrie, dem damit verbundenen Transportwesen und dem Baugewerbe mit allen seinen Hilfsgewerben. Die Rekurse langen auch jetzt noch in unverminderter Anzahl ein.

III.

Liquidation kriegswirtschaftlicher Organisationen und Abbau von Notverordnungen.

1. S c h w e i z e r i s c h e K o h l e n g e n o s s e n s c h a f t in L i q u i d a t i o n . Die Liquidation wird noch eine gewisse Zeit beanspruchen, da der Ausgang einiger zum Teil bedeutender Rechtsstreitigkeiten abzuwarten ist.

690

2. Schweizerische Genossenschaft zur Förder u n g des A u s s e n h a n d e l s in L i q u i d a t i o n . Die Liquidation kann im grossen und ganzen als beendigt betrachtet werden. Die Liquidationskommission hat die Ausrichtung eines Liquidationsbetreffnisses von vorläufig Fr. 1200 auf einen Anteilschein von Fr. 2500 beschlossen. Eine kleine Reserve ist noch zurückgelegt worden und gelangt nach Erledigung der wenigen noch hängigen Geschäfte ebenfalls zur Verteilung.

3. Die V o l k s t u c h A.-G. hat ihre bereits im September 1921 beschlossene Liquidation am 1. Januar d. J. begonnen. Die Warenstocks haben sich schon bedeutend vermindert, und es besteht die Aussicht, dass die gänzliche Liquidation, sofern sie planmässig weitergeführt werden kann, noch vor Ende des laufenden Jahres beendigt sein wird. Anfangs Januar 1922 wurde die erste Hälfte des Aktienkapitals (2,s Millionen) abbezahlt. Die Leitung der Gesellschaft hofft, dass ihr das Liquidationsergebnis eine vollständige Rückzahlung des Aktienkapitals gestatten werde.

4. Der B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 2. M ä r z 1917 betreffend die F e s t s e t z u n g von Mi nd e s t s t i c h p r e i s e n und von M i n d ests tu u d en l ö h n en in der S t i c k e r e i i n d u s t r i e war, soweit die Schifflimaschinenstickerei in Betracht kommt, in seiner Anwendung bis Ende März d. J. sistiert. Auf 1. April haben wir ihn nun für die Schifflimaschinenstickerei gänzlich aufgehoben. Für die Handmaschinenstickerei dagegen bleiben die Bestimmungen des Beschlusses und der gestützt auf ihn ergangenen Erlasse bis auf weiteres noch in Kraft.

Eroähruugsamt.

Allgemeines.

Auf Antrag des Ernährungsamtes hat der Bundesrat am 13. März 1922 die A u f h e b u n g d i e s e s A m t e s auf 31. Dez e m b e r 1 9 2 2 grundsätzlich beschlossen. Das Ernährungsamt wurde zwecks Vereinigung und einheitlicher Leitung der bisher dem Volkswirtschaftsdepartement und dem Militärdepartement angegliederten Verwaltungsabteilungen für die Lebensmittelversorgung des Landes, gemäss Bundesratsbeschluss vom 13. September 1918, errichtet und dem Bundesrat in seiner Gesamtheit unterstellt.

Die Geschäfte der von 1919 bis 1921 in L i q u i d a t i o n g e t r e t e n e n A b t e i l u n g e n d e s E r n ä h r u n g s a m t e s (Fett-

691

aentrale, Schlachtviehimportbureau, Anstalt für Schlachtviehversorgung, Warenabteilung, Vermehrung der landwirtschaftlichen Produktion) sind mit ganz wenigen Ausnahmen abgeschlossen, «oweit sie nicht von andern, noch bestehenden Dienstzweigen fortgeführt werden mussten. Am 30. April 1922 kommt die Verbilligung von Konsummilch, der letzte Zweig der Fürsorge·tätigkeit des Ernährungsamtes, in Wegfall, so dass alsdann auch ·das Fürsorgeamt, das zurzeit noch zwei Beamte beschäftigt, aufgehoben werden kann. Auf den gleichen Zeitpunkt wird auch das Milchamt, dessen Tätigkeitsgebiet auf 1. Mai weitere wesentliche Einschränkungen erfahren wird, als besondere Abteilung ·aufgehoben werden.

D a s E i n f u h r m o n o p o l f ü r B e n z i n u n d P e t r o l ist ·seit 1. März 1922 aufgehoben. Der Verkauf der Warenvorräte wird voraussichtlich etwa bis Mitte des Jahres zum Abschluss kommen. Mehr Zeit wird hingegen die Liquidation des Wagenparkes (Kesselwagen) in Anspruch nehmen. Bis Ende des Jahres hat das Ernährungsamt für die erforderliche Landesreserve an Benzin zu sorgen. Auf 1. Januar 1923 wird diese Aufgabe vom Militärdepartement (Oberkriegskommissariat) übernommen. Durch Bundesratsbeschluss vom 17. März 1922 wird das E i n f u h r m o n o p o l für K u p f e r v i t r i o l auf 15. Juli und das E i n f u h r m o n o p o l f ü r Z u c k e r spätestens auf 30. September 1922 aufgehoben. Die Liquidation der auf diese Termine noch verbleibenden Warenvorräte wird voraussichtlich bis Ende des Jahres ebenfalls möglich sein.

Die R e c h e n s c h a f t s b e r i c h t e und B i l a n z e n des 'Ernährungsamtes vom 1. August 1914 bis 31. Dezember 1920 sind der Bundesversammlung überwiesen und von dieser teilweise behandelt. Rechnung und Bilanz für 1921 werden bis Mitte des laufenden Jahres vorgelegt werden.

Mit Ausnahme des Getreideimportes und der Übernahme ·des Inlandgetreides werden somit bis Ende 1922 die meisten Geschäfte des Ernährungsamtes zum Abschlüsse kommen oder ·diesem doch nahe zu bringen sein, so dass die Aufhebung des Amtes in seiner bisherigen ausserordentlichen Stellung auf 31. Dezember 1922 möglich und gerechtfertigt erschien.

In Anpassung an die allgemeine Marktlage hat das ErnähTungsamt in der Zeit vom I.Oktober 1921 bis 31. März 1922 «eine V e r k a u f s p r e i s e für 100kg Ware wie folgt herabgesetzt: Weizen Fr. 9.-- bis 11.--, Zucker Fr. 50.-- bis 55.--, Butter Fr. 130.--, Fleischkonserven Fr. 40. -- bis 70. --, Benzin Bundesblatt.

74. Jahrg. Bd. I.

49

692 Fr. 3.-- bis 12.--, je nach Sorte, Petroleum Fr. 3.50, Kupfervitriol Fr. 7. --.

Nach den Indexziffern des Verbandes schweizerischer Konsumvereine hatten die K o s t e n d e r L e b e n s h a l t u n g am 1. Oktober 1920 ihren Höchststand mit Fr. 2790. 53 erreicht..

Seither sind sie bedeutend zurückgegangen und betrugen : am 1. Januar Fr. 2591. 70, am I.April Fr. 2460. 28, am I.Juli Fr. 2282.13., am I.Oktober 1921 Fr. 2133. 78, am l, Januar 1922 Fr. 2021.09, am 1. März 1922 Fr. 1884.64.

Die Zahl der B e a m t e n und A n g e s t e l l t e n des Ernäh* rungsamtes, die im Februar 1919 mit 574 Personen den höchsten Stand aufwies, ging bis 1. Mai 1921 auf 222, bis 1. Oktober 1921 auf 171 und bis 1. April 1922 auf 140 Personen zurück.

Die nächsten Monate werden weitere Personalverminderungen bringen.

"öv Das Bureau für landwirtschaftliche Produkte hat die Liquidation der Vorräte an Kupfervitriol und Fleischkonserven fortgesetzt. Der Absatz der Vorräte an Kupfervitriol wird voraussichtlich bis zur Aufhebung des Einfuhrmonopols, die auf 15. Juli 1922 festgesetzt ist, möglich sein. Dagegen scheint sich die Liquidation der Vorräte an Fleischkonserven zu verzögern.

Durch die gemeinsame Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements und des Ernährungsamtes vom 20. Januar 1922 wurden auf 1. Februar 1922 die bisher noch bestandenen A u s f u h r b e s c h r ä n k u n g e n für Rindvieh, Weichkäse und Kräuterkäse aufgehoben. Soweit Lebensmittel in Frage kommen, bestehen nunmehr einzig noch Ausfuhrbeschränkungen für frische Milch und Hartkäse in Sendungen über 5 kg.

Das Bureau für landwirtschaftliche Produkte hatte auch dieHandhabung der dem Ernährungsamt zugewiesenen E i n f u h r b e s c h r ä n k u n g e n für Stroh, Torfstreue, Hafer- und Gerstenprodukte, aufgeschlossene Dünger und Käselab zu übernehmen.

Getreideversorgung.

Auch in dieser Berichtsperiode gelangte hauptsächlich nordamerikanischer und kanadischer Weizen zur Einfuhr. Daneben kamen einige kleinere Geschäfte über ungarischen, jugoslawischen und bulgarischen Weizen zur Abwicklung. Die Ausführung des im letzten Bericht erwähnten rumänischen Getreidegeschäftes,

693

wurde verzögert, da die Schiffahrt von Ende November bis gegen Mitte März auf der zugefrorenen Donau unterbrochen war. Der erste Dampfer rumänisches Getreide soll nun aber in nächster Zeit zur Verladung kommen.

Unter dem Einflüsse grosser Zufuhren nach den nordamerikanischen Verschiffungsplätzen und offenbar auch unter dem Eindruck einer sehr günstigen Einschätzung der neuen argentinischen und australischen Ernte sanken die Weizenpreise bis in den Spätherbst 1921 hinein. Beeinflusst wurde dieser Preisrückgang auch durch die Zurückhaltung in der Getreidebeschaffung durch die europäischen Verbrauchsländer, die vorerst von ihrer eigenen Ernte zehrten. Während des Winters, namentlich aber seit Neujahr 1922, ist ein gründlicher Umschlag erfolgt. Abgesehen von geringen vorübergehenden Schwankungen nach unten, ist eine bedeutende Preissteigerung eingetreten, die ihren Höhepunkt Ende Februar erreicht zu haben scheint. Dem Bestreben der amerikanischen Produzenten, Getreide nicht zu verlustbringenden Preisen abzugeben, kamen die stärker werdende Nachfrage Europas, Käufe für Russland, eine geringe Ernte in Indien und Klagen über strichweise schlechten Saatenstand als Folge der Trockenheit zu Hilfe. Wie sich die Preisverhältnisse bis zur neuen Ernte entwickeln, ist nicht vorauszusehen. In Fachkreisen ist man mehrheitlich der Auffassung, dass wesentlich billigere Preise vorläufig nicht zu erwarten seien.

Unter diesen Verhältnissen ist auch bei uns eine weitere namhafte Verbilligung des Brotes einstweilen nicht möglich. Mit einem anfangs April 1922 vorgenommenen weitern Preisabschlag .von Fr. 2 auf 100 kg Weizen sind unsere Verkaufspreise den derzeitigen Weltmarktpreisen vollständig angepasst.

In der Berichtsperiode wurde die A b n a h m e des Inlandg e t r e i d e s d e r E r n t e 1921 durchgeführt, und zwar zum erstenmal unter Mitwirkung der landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbände. Die neue Organisation befriedigte, und man nahm deshalb deren Beibehaltung auch für die kommende Ernte in Aussicht.

Das Inlandgetreide wurde nach Möglichkeit direkt in die Mühlen übergeführt, unter tunlichster Vermeidung der Zwischenlagerung. Es wurde im Hinblick auf seine beschränkte Haltbarkeit zum grössten Teil schon während den Wintermonaten zur Vermahlung gebracht. Den Produzenten wurden die gemäss Bundesratsbeschluss vom 2. Juli 1920 festgesetzten Preise bezahlt, d. h. Fr. 60 für Weizen, Fr. 55 für Roggen und Fr. 45 für

694

Korn (Dinkel). Für Ware geringerer Qualität wurden entsprechende Preisabzüge gemacht.

Mit dem 28. Februar 1922 war die Abnahme des Inlandgetreides beendigt. Es kamen insgesamt zur Ablieferung in Wagenladungen à 10 Tonnen: Verband Mm Roggen Dinkel Mischel Total Bezahlter Betrag Fr.

Bp.

Union des Syndicats agricoles Romands à Lausanne 2746 133 3 479 3361 19,824,471. 40 Verbd. Idw. Genossensch.

von Bern u. benachbarter Kantone, Bern . . . 727 1006 720 254 2707 14,444,178. 50 Verbd. ostschw. Idw. Genossensch., Winterthur . 533 372 158 17 1080 6,007,064. -- Verbd. Idw. Genossensch; d. Zentralschw., Luzern 130 229 449 19 827 4,121,363. 30 Verbd. Idw. Genossensch.

der Nordwestschweiz, Solothurn 229 218 89 12 548 3,013,047. 60 Genossenschaftsbverbd. des thurg Idw. Vereins in Bürglen 365 52 17 -- 434 2,540,760. 55 Verbd. zürch. Idw. Vereine und Genossenschaften.

881,880. 95 Winterthur 47 2 156 89 18 Genossenschaftsverbd des kant. Idw. Vereins in 148 826,446. 50 Schaffhausen . . . .

48 l 99 Verbd. Idw. Genossensch.

des Kts. St. Gallen u. be32 243,978. 40 nachb. Gebiete in Azmoos 3 11 -- 46 Vermittlungsstelle des kant.

_ _ Idw. Vereins in Landquart 10 1 11 63,210. 05 Cooperativa agricola Tici2 46,296. 80 nese in Bellinzona . .

6 -- -- 8 Total 4966 2111 1466 783 9326 52,012,698.06

Die Qualität des letztjährigen Inlandgetreides war im allgemeinen recht befriedigend. Zu wünschen liess dagegen an vielen Orten die Reinigung des Getreides durch die Produzenten. In dieser Hinsicht sind in gewissen Gegenden noch grosse Verbesserungen erreichbar, und es werden solche schon für die diesj ahrige Ernte erwartet.

Durch Verfügung des Ernährungsamtes vom 2. November 1921 wurden d i e M a h l v o r s c h r i f t e n u n d d i e H ö c h s t p r e i s e für die M a h l p r o d u k t e auf 7. November 1921 aufgehoben.

Damit war das in der Junisession 1921 im Ständerat aufgestellte, im letzten Bericht behandelte Postulat erfüllt. Die gegen die

695

Aufhebung der Mahlvorschrifteii und der Höchstpreise geäusserten Bedenken haben sich zum Teil als begründet erwiesen. Der Abschlag von Fr. 9 bis Fr. 11 auf 100 kg Weizen, je nach Qualität, der auf den Zeitpunkt der Aufhebung der Mahlvorschriften und Höchstpreise eintrat, kam für den Brotkonsumenten nicht voll zur Auswirkung. Einerseits wurde von den Müllern die Mehlausbeute neuerdings etwas herabgesetzt, also zur Herstellung eines weisseren Mehles geschritten, und anderseits entschlossen sich viele Müller dazu, den Weissmehlpreis mehr herabzusetzen als den Backmehlpreis. Auch der Kleinhandel hat seine Verkaufspreise für Mehl den erfolgten Abschlägen der Müller nicht überall ausreichend angepasst.

In Verbindung mit dem auf 7. November 1921 erfolgten Abschlage führte das Ernährungsamt, das bis dahin den Weizen zu einem einheitlichen Preise verkauft hatte, n a c h Q u a l i t ä t e n a b g e s t u f t e P r e i s e ein, entsprechend einem von der Müllerschaft geäusserten Wunsche. In Verbindung damit wurden den Müllern gewisse Freiheiten bei der Auswahl der Weizensorten eingeräumt. Immerhin musste sich die Getreideverwaltung das Recht vorbehalten, die Lieferung besonders begehrter Qualitäten vom Mitbezuge anderer, weniger gefragter Sorten, wie z. B. Inlandgetreide, abhängig zu machen.

In den Verbrauchszifiern an Getreide ergeben sich in den einzelnen Monaten bedeutende Unterschiede, die in' der Hauptsache darauf zurückzuführen sind, dass Müller und Bäcker jeweilen in Erwartung eines Preisabschlages stark mit ihren Bezügen zurückhalten, um nach erfolgter Preisermässigung zwecks Ausfüllung der geleerten Vorratskammern sofort grosse Einkäufe zu machen. Der Getreideverkauf der Abteilung für Monopolwaren während der Berichtsperiode betrug in Wagenladungen à 10 Tonnen: Monat

Weichweizen und Roggen

Hartweizen fllr Teigwaren

Oktober 1921 2595 194 November ,, 3617 348 Dezember ,, , 4686 472 Januar 1922 3219 331 Februar ,, 2674 176 März ,, 3513 389 Gleichzeitig mit dem Abschlage auf Brotgetreide ermässigte das Ernährungsamt auch seine Verkaufspreise für Hartweizen,

696 was im Laufe des Monats November 1921 einen entsprechenden P r e i s a b s c h l a g auf T e i g w a r e n zur Folge hatte. Ein weiterer bescheidener Abschlag trat am 4. März 1922 ein.

Im Spätherbst 1921 stieg die Nachfrage nach Futtermehl stark an, und die einheimische Müllerei vermochte dieselbe nicht ganz zu befriedigen. Da die Möglichkeit bestund, aus Frankreich und Italien, den Hauptlieferanten vor dem Kriege, preiswürdige Ware zu beziehen, erteilte das Ernährungsamt von Fall zu Fall, und soweit dies zur Deckung der dringendsten Nachfrage als notwendig erschien. E i n f u h r b e w i l l i g u n g e n f ü r F u t t e r m e h l . Seit dem 20. Februar 1922 wurde die Erteilung solcher Bewilligungen wieder sistiert, weil die schweizerische Müllerei während des Frühjahrs und des Sommers voraussichtlich in der Lage sein wird, den Bedarf reichlich zu decken.

Zuckerversorgung.

Trotz Trockenheit waren die Ernteergebnisse der europäischen Produktionsländer im Jahre 1921 befriedigend. Dieses Ernteergebnis, in Verbindung mit den grossen Zuckervorräten in Cuba, bewirkte gedrückte Preise bis in den Januar 1922 hinein. Mitbestimmend war hierbei eine grosse Zurückhaltung der Käufer, als Folge der allgemeinen Wirtschaftskrisis. Seit Februar 1922 sind die Preise wieder gestiegen, namentlich auch in jüngster Zeit, so dass unsere derzeitigen Verkaufspreise der allgemeinen Marktlage entsprechen.

Der Zuckerverbrauch betrug in Wagenladungen à 10 Tonnen : im November 490, Dezember 591, Januar 536, Februar 460, März 620.

Aus inländischen Zuckerrüben der Ernte 1921 wurden in der Zuckerfabrik Aarberg rund 5000 Tonnen Zucker erzeugt.

Ausserdem verarbeitete die Fabrik für Rechnung des Bundes rund 6500 Tonnen importierten Roh- und andern Einwurfzucker.

Importiert wurden von uns geringe Mengen Kristallzucker, da die Vorräte dieser Sorte zur Neige gingen. Zur Beschäftigung einer westsehweizerischen Zuckersägerei wurden monatlich auch einige Wagen Zuckerplatten französischen Ursprungs eingeführt.

Anlässlich der Behandlung des XV. Neutralitätsberichtes in der Junisession 1921 hat der Ständerat folgendes P o s t u l a t seiner Neutralitätskommission angenommen : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht

697 die auf einzelnen Monopolartikeln, z. B. Zucker, sich ergebenden Verluste in analoger Weise wie die Kosten der Kohlenverbilligung getilgt werden könnten ?c'Die Deckung der Beiträge des Bundes an die Kosten der Kohlenverbilligung erfolgt bekanntlich durch Erhebung einer Gebühr auf den zur Einfuhr gelangenden Kohlen. Die Erhebung «iner Gebühr auf Zucker würde auch einer ihrem Zuckergehalt entsprechenden Gebühr auf eingeführten zuckerhaltigen Fabrikaten rufen, andernfalls die inländische Fabrikation gegenüber dem fremden Produkt benachteiligt würde. Auf den zur Ausfuhr gelangenden zuckerhaltigen Fabrikaten hingegen müsste eine Rück-erstattung im Betrage der auf Zucker erhobenen Einfuhrgebühr erfolgen, wenn die Konkurrenzfähigkeit dieser Fabrikate auf dem Auslandsmärkte nicht beeinträchtigt werden soll. Die zwei hierbei hauptsächlich in Betracht kommenden Fabrikate, Kondensmilch und Schokolade, haben zurzeit ohnehin grosse Mühe, unter den bestehenden Verhältnissen auf den fremden Märkten konkurrenzfähig zu bleiben. Nach dem Gutachten der eidgenössischen Oberzolldirektion wäre die Erhebung der Gebühr auf den zur Einfuhr gelangenden und die Rückerstattung' auf den zur Ausfuhr kommenden Fabrikaten mit grossen, fast unüberwindlichen technischen Schwierigkeiten und mit bedeutenden Kosten verbunden.

Die Verhältnisse liegen also hier nicht so einfach wie bei der Kohle. Dazu kommt aber noch die Notwendigkeit, dass die Verbilligung der Lebenshaltung, die ein wesentliches Mittel zur Milderung der Wirtschaftskrisis darstellt, von Staates wegen gefördert wird. Die Erhebung einer Gebühr auf importiertem Zucker würde aber den Zuckerpreis und damit auch die Kosten der Lebenshaltung entsprechend erhöhen. Der Bundesrat kam daher zu dem Schlüsse, es sei von der angeregten Deckung der Ausgaben des Bundes für die Lebensmittelversorgung während des Krieges und in der Nachkriegszeit Umgang zu nehmen. Ist die Wirtschaftskrisis einmal überwunden, so wird man immer wieder auf die Frage zurückkommen können.

Benzin- und Petrolversorgung.

Mit Rücksicht auf die durch Bundesratsbeschluss vom 29. Dezember 1921 auf 1. März 1922 festgesetzte Aufhebung des Einfuhrmonopols für Benzin und Petrol beschränkte sich unsere Tätigkeit in der Hauptsache auf die Abwicklung laufender Importgeschäfte. Es wurden nur noch bescheidene Mengen Benzin und Petrol zugekauft, um den voraussichtlichen Bedarf bis zur

698

Aufhebung des Einfuhrmonopols zu decken. Die Vorräte ara Petroleum waren bis Ende März vollständig verkauft, wogegen das Ernährungsamt in diesem Zeitpunkte noch über rund 150 Wagen eigenes Benzin verfügte. Dieses wird nach Massgabe der Nachfrage verkauft und dient inzwischen zur Äufnung der Landesreserve.

Milch und Milcherzeugnisse.

Seit der letzten Berichterstattung haben sich die Verhältnisse in der Milchversorgung gründlich geändert. Gegen Ende des letzten Jahres machten sich auf dem Weltmarkt für Milchprodukte krisenhafte Erscheinungen geltend, die zunächst in einem starken Rückgang der Butterpreise zum Ausdrucke kamen. Auch die Preise der meisten Käsesorten des Welthandels, sowie besondersdie Preise für Kondensmilch, gingen erheblich zurück.

Durch diese Umstände kam auch der schweizerische Käseexport, der sich im Sommer 1921 verhältnismässig gut angelassen hatte, ins Stocken. .Bis in den Oktober hinein fand der Käse schlanken Absatz ins Ausland zu Preisen, die erheblich über den Inlandspreisen standen. Die Milchproduktion gestaltete sich vom Dezember an auch in der Schweiz verhältnismässig reichlich, so* dass ein grösserer Teil der Milch auf Käse verarbeitet werden musste. Die weitere Entwicklung führte anfangs 1922 zu Verhältnissen, die Hilfsaktionen des Bundes erforderten. Es kann hier auf den Bericht des Bundesrates vom 2. Februar 1922 an die Bundesversammlung betreffend die Landesversorgung mit Milch und Milcherzeugnissen und auf die Botschaft des Bundesrates vom 24. März 1922 an die Bundesversammlung betreffend die Hilfsaktion zugunsten der schweizerischen Milchproduzenten verwiesen werden.

Die K l e i n v e r k a u f s p r e i s e f ü r M i l c h gingen auf 1. Februar und 1. April um je 5 Rappen für den Liter zurück. An einzelnen Orten, die bisher verhältnismässig hohe Detailpreise hatten, betrug der gesamte Preisabschlag bis 1. April sogar bis 15 Rappen für den Liter. Auf 1. Mai ist von den Produzenten ein weiterer Preisabschlag vorgesehen, der im Kleinhandel ebenfalls etwa.

5 Rappen für den Liter betragen wird. Von diesem Zeitpunkte an werden die Milchpreise für die Produzenten wieder annähernd auf die Vorkriegszeit zurückgegangen sein. Diese Erscheinung ist zwar durch die internationale Marktlage für Milcherzeugnisse begründet ; sie wird aber angesichts der immer noch hohen land-

699

wirtschaftlichen Produktionskosten einer grossen Zahl unserer Landwirte finanziell die grössten Schwierigkeiten bereiten.

Die K ä s e p r e i s e erfuhren auf 1. Februar und 1. April im Inlande eine Herabsetzung von zusammen zirka Fr. l. 60 das Kilogramm im Mittel. Die Verbilligimg des Käses dürfte am ehesten geeignet sein, seinen Verbrauch anzuregen und wieder zu steigern.

Die B u t t e r p r e i s e wurden auf I.November 1921 um 50 Rappen und auf 1. Februar 1922 neuerdings um Fr. l das Kilogramm herabgesetzt. Das eidgenössische Milchamt liefert die eingeführte Tafelbutter seither franko Schweizerstation in ganzen Wagenladungen zu Fr. 4. 95 per Kilogramm. Der Grosshändler gibt die Butter zu Fr. 5.10 an den Kleinhändler ab, welcher sie für höchstens Fr. 5. 50 .bis Fr. 5. 70 per Kilogramm verkaufen soll. Vom Milchamt wurden in der Berichtsperiode folgende Mengen Butter abgegeben: September 723,112 kg, Oktober 382,754 kg, November 1,227,914 kg, Dezember 1,034,048 kg, Januar 113,690 kg, Februar 994,938 kg, März 718,248 kg.

Um der einheimischen Milchindustrie eine vermehrte Butterproduktion zu ermöglichen, werden die Butterpreise bis auf weiteres nicht herabgesetzt. Es ist zu erwarten, dass die eigeneLandesproduktion in Zukunft den grössten Teil des Inlandsbedarfes zu decken vermag. Das Ernährungsamt hat auch bisher nur die Buttermengen importiert, die nach Aufnahme der Inlandsproduktion zur Bedarfsdeckung notwendig waren.

Aus dem Gewinn des Buttergeschäftes entrichtet das Ernährungsamt noch Beiträge von l Rappen für l Liter Konsummilch an die Milchversorgung einzelner schwierig zu versorgender Grossstädte. Diese Beiträge kommen vom 1. Mai 1922 an in Wegfall. Vom 1. Mai bis 31. Dezember 1921 sind folgende Beiträge ausgerichtet worden : Basel Fr. 253,849. 25, Zürich Fr. 312,926. 80, Winterthur Fr. 64,471. 35, Schaffhausen Fr. 43,599, Chur Fr. 19,251. 75, total Fr. 694,098.15.

Brot- und Miichverbilligung.

Die Ausgaben des Bundes für die B r o t v e r b i l l i g u n g zugunsten von notleidenden Personen (Notstandsbrot) von Beginn der Aktion bis zum Schluss, 30. Juni 1921, betragen Fr. 13,419,343. 67.

100

Zur V e r b i l l i g u n g von K o n s u m m i l c h für Bedürftige (Notstandsmilch) wurden ausgegeben : Monat

Zahl der Bezüger

Bund

Kosten für Kantone und Gemeinden

Fr.

Fr.

Juni 50,961 51,216.49 -41,129.94 Juli 40,906 43,561.12 35,757.90 August 36,637 40,042. 28 33,440. 84 September . . . .

37,437 38,570.96 31,931.65 Oktober 36,672 38,702.10 32,124.77 November . . . .

36,468 37,500.69 31,019.37 Dezember . . . .

37,009 38,161.85 31,454. 7 6 Seit August 1921 findet diese Notstandsmassnahme nur noch in den folgenden fünf Kantonen Anwendung: Solothurn, Baselstadt, St. Gallen, Wallis und Neuenburg. Der auf 1. Februar eingetretene Milchpreisabschlag rechtfertigte auch eine Herabsetzung der Bundesbeiträge für Notstandsmilch. Durch den Bundesr a t s b e s c h l u s s vom 20. J a n u a r 1922 betreffend die Gewährung von Beiträgen zur Verbilligung von Konsummilch wurde der Höchstbeitrag des Bundes für den Liter Konsummilch von 6 auf 3 Rappen herabgesetzt. Die Massnahme wurde gleichzeitig bis 30. April 1922 befristet und wird alsdann dahinfallen. Die eingetretenen und auf 1. Mai 1922 noch bevorstehenden Milchpreisabschläge ermöglichen die Verminderung und die Einstellung dieser Notstandsaktion, ohne dass hernach von den betreffenden Personen ein höherer- Milchpreis bezahlt werden muss.

B e r n , den 21, April 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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XVIII. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914, 3. April 1919 und 19. Oktober 1921 getroffenen Massnahmen. (Vom 21. April 1922.)

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1922

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26.04.1922

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675-700

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