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Bundesblatt

74. Jahrgang.

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Bern, den 15. November 1922.

Band III.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche betreffend eine gemeinsame Hilfe zugunsten der Versicherten bei deutschen Lebensversicherungsgesellschaften.

(Vom 10. November 1922.).

Wir haben die Ehre, Ihnen das Abkommen vorzulegen, das zwischen den Regierungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Deutschen Reiches vereinbart wurde in der Absicht, die Frankenforderungen schweizerischer Gläubiger an acht deutsche, durch die Währungsverpflichtungen in eine finanzielle Notlage geratene Lebensversicherungsgesellschaften sicherzustellen. Zur Begründung der Vorlage verweisen wir auf nachstehende Ausführungen:

I.

Die Entwicklang der Frage der Kautionsstellung durch die ausländischen Versicherungsgesellschaften.

1. Das Bundesgesetz vom 25. Toni 1885 betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens.

Art. 34 der Bundesverfassung von 1874 bestimmt: «Der Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen und von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens unterliegt der Aufsicht und Gesetzgebung des Bundes.» Über die Form, in welcher der Verfassungsartikel verwirklicht werden soll, macht dieser selbst keine Andeutung. Zwei Systeme finden sich vor, nach denen der Staat die Interessen der Versicherten zu schützen sucht : Das PubliBundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

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522 zitätsprinzip und das System der Nonnativbestiniinungen. Nach) dem ersten wurden die Gesellschaften zu bestimmten Veröffentlichungen über den Geschäftsbetrieb und zu einer willkürlich bemessenen Kaution in einem festen Betrage verpflichtet. Beim zweiten System stellte der- Staat gewisse Erfordernisse auf, welche die Gesellschaften, zu erfüllen hatten, um das Versicherungsgeschäft betreiben zu dürfen..

Den staatlichen Organen kam dann die formelle Prüfung zu, ob von den Gesellschaften den gesetzlichen Vorschriften nachgelebt werdeDem schweizerischen Gesetzgeber schien keines dieser Systeme einen hinreichenden Schutz der Versicherten zu gewähren. Er stellte sich auf den Boden des Präventivsystems und führte damit ein neues,, bisher noch von keinem Staate befolgtes Prinzip in die Staatsaufsicht ein. Nach dem Bundesgesetz betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 (im folgenden «Aufsichtsgesetz») soll eine Versicherungsunternehmung vor ihrer Zulassung zum Geschäftsbetriebe in der Schweiz" in bezug auf ihre Solidität nach allen Richtungen eingehend geprüft werden. Nur wenn das Resultat dieser strengen 'Untersuchung in jeder Hinsicht befriedigt, soll der Gesellschaft die Konzession zum Geschäftsbetriebe erteilt werden. Indessen darf es bei der einmaligen Prüfung der Geschäftsgrundlagen nicht sein Bewenden haben, sondern die Gesellschaften sollen auch nach der Konzessionserteilung dauernd und sorgfältig überwacht werden. Sie haben anhand besonderer amtlicher Formulare der Aufsichtsbehörde über ihren gesamten, Geschäftsstand eingehend Bericht zu erstatten, und diese kann von der Gesellschaft alle für ihre Beurteilung erforderlich erscheinenden Auskünfte verlangen. Der schweizerische Gesetzgeber legte somit das Schwergewicht der Staatsaufsicht auf eine weitgehende und andauernde materielle Überprüfung des finanziellen Standes und des; Geschäftsbetriebes, die sich jedoch in ihren Forderungen den individuellen Verhältnissen der einzelnen Gesellschaften anpassen und ihnen die zum Gedeihen unerlässliche Bewegungsfreiheit lassen sollte..

Die Leistung von materiellen Sicherheiten durch Hinterlegung umfangreicher Kautionen schien dagegen dem Gesetzgeber bei dem von ihm angenommenen System der Staatsaufsicht entbehrlich, wie aua der Behandlung der
Kautionsfrage bei der Beratung des Gesetzes hervorgeht.

Im Entwurf des Bundesrates zum Aufsichtsgesetz vom 13. Januar 1885 wurde von einer von den Gesellschaften zu leistenden.

Kaution ganz abgesehen.

Die Kommission des Ständerates, die in der Behandlung des Aufsichtsgesetzes die Priorität hatte, beantragte, die Bewilligung zum Geschäftsbetriebe je nach dem einzelnen Falle an die Leistung einer

523 vom Bundesrate zu bestimmenden, nach den konkreten Verhält. nissen zu bemessenden Kaution zu knüpfen, und zwar sollte sie sowohl von in- als ausländischen Gesellschaften verlangt werden.

Im Ständerate scheint die Behandlung der Kautionsfrage keine "Wellen geworfen zu haben, dagegen bildete sie im Nationalrate Gegenstand eingehender Erörterungen. Aus dem Protokoll der Sitzung vom 9. Juni 1885 ergibt sich, dass der Bundesrat, sowie ein erheblicher Teil des Eates sich gegen jede Kautionsstellung aussprachen, während Nationalrat Forrer beantragte, zu sagen: «Ausländische Unternehmungen haben für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten zuhanden des Bundesrates eine von diesem zu bestimmende Kaution zu leisten». Dieser Antrag wurde jedoch mit 45 gegen 41 Stimmen verworfen. Damit war der Versuch gemacht worden, den ausländischen Gesellschaften grundsätzlich die Verpflichtung zu einer materiellen Sicherstellung ihrer Verbindlichkeiten aus schweizerischen Versicherungsverträgen aufzuerlegen, ohne dass allerdings von einer Bemessung derselben nach technischen Gesichtspunkten und von der Art ihrer Verwendung schon die Eede gewesen wäre. Doch soll sich nach einem Verhandlungsbericht der Neuen Zürcher Zeitung (1885, Nr. 182) der Antragsteller dahin ausgesprochen haben, dass die Kautionen hohe sein sollten. Von anderer Seite (Kurz) wurde der Antrag Forrer wieder aufgenommen und durch den Zusatz «Gegenüber den Versicherten» ergänzt (Scheuchzer), sodass der Antrag nunmehr lautete: «Dieselben haben für Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber den Versicherten zuhanden des Bundesrates eine von diesem zu bestimmende Kaution zu leisten». Der Nationalrat lehnte jedoch auch diesen Antrag ab und stimmte am 25. Juni 1885 der vom Ständerat beschlossenen Fassung zu, die als Art. 2, Ziff. 5, in das Aufsichtsgesetz aufgenommen wurde und folgenden Wortlaut hat: «Die Privatversicherungsunternehmungen haben zuhanden des Bundesrates eine von diesem festzusetzende Kaution zu leisten.» Aus dem Gesagten ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass der schweizerische Gesetzgeber den Grundsatz der materiellen Sicherstellung der schweizerischen Versicherungsansprüche bewusst verwarf und sich mit niedrig bemessenen Administrativ- oder Betriebskautiouen begnügen wollte. Auf diesem Standpunkte steht auch die Botschaft zu dem Entwurfe
eines Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 2. Februar 1904, indem pie (S. 1) schreibt: «Das Aufsichtsgesetz schafft von Bundes wegen t; in e u m f a s s e n d e staatliche Kontrolle über das finanzielle und technische Geschäftsgebaren der in unserem Lande arbeitenden p r i v a t e n Versicherungs-

524 anstalten.» (In der Botschaft gesperrt.) Von der Pflicht zur Hinterlegung des Deckungskapitals ist auch hier nicht die Bede. Dein Bunde war die Aufgabe zugewiesen, den Betrieb der Gesellschaften zu beaufsichtigen, und dieser war bei den hier in Betracht fallenden Gesellschaften stets ein guter. Durch die Einführung der Staatsaufsicht wollte der Bund den Gesellschaften nicht die Verantwortung für die Geschäftsführung abnehmen und sie damit zu halböffentlichen machen, sondern ihnen den Charakter privater, für ihren Geschäftsbetrieb selbst verantwortlicher Unternehmungen belassen. Die Aufsichtsbehörde hat denn auch in ihren Berichten und in Mitteilungen an Versicherte stets darauf hingewiesen, dass in der Staatsaufsicht keine Garantie für die Erfüllung der Versicherungsansprüche erblickt werden dürfe.

Von dieser Auffassung geht auch die «Verordnung über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften vom 12. Oktober 1886» aus, die bis zu dem am 16. August 1921 erfolgten Erlass der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften vom 4. Februar 1919 (im folgenden «Kautionsgesetz») in Kraft blieb. (Vollziehungsverordnung Art. 30.) Als Kaution für die Lebensversicherung wurde ein Betrag von Fr. 100,000 eingefordert. Da die Kautionen nicht als reale Sicherheit für die Erfüllung der Verbindlichkeiten de.r Gesellschaft gelten konnten, untersagte die KautionsVerordnung den Gesellschaften, in Kundgebungen, in denen zum Abschluss von Versicherungen eingeladen wird, auf dieselbe Bezug zu nehmen.

Die vom Aufsichtsgesetz getroffene Ordnung der Kautionsfrage hatte also nicht Bedeutung für die Beschaffung materieller Sicherheiten, wohl aber übte sie eine weitgehende Wirkung aus auf den Geist in welchem die schweizerische Staatsaufsicht gehaudhabt wurde. Da hinreichende Pfänder der Gesellschaften für den Liquidationsfall in der Schweiz nicht hinterlegt waren, so war sich die Aufsichtsbehörde bewusst, dass diese durch eine sorgfältige Kontrolle der konzessionierten Gesellschaften ersetzt werden mussten. Die vom schweizerischen Gesetzgeber gewählte Form der Staatsaufsicht entspricht auch dem internationalen Charakter grosser Versicherungsunternehmungen, die, um den Geschäftsbetrieb rationell und auch für die Versicherten möglichst gewinnbringend gestalten zu können, eine
Konzentration der Organisation und eine einheitliche Geschäftsführung wünschbar machen. Erst die als Folgeerscheinung des Krieges eintretende vollständige und andauernde Zerstörung der Wechselkurse vieler Länder zeigte, dass das vom schweizerischen Aufsichtsgesetz aufgestellte Prinzip der Präventivkontrolle diesem von niemandem vorausgesehenen katastrophalen Ereignisse nicht gewachsen war.

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2. Die Situation nach Erlass des deutschen und französischen Aufsichtsgesetzes.

Einen weitern Ausbau des schweizerischen Aufsichtssystems brachte das deutsche Beichsgesetz über die privaten Versicherungsuntemehmungen vom 12. Mai 1901, das die Staatsaufsicht für das ganze Beich einheitlich ordnet. Es behält das Präventivsystem und den Grundsatz der dauernden Überwachung der Gesellschaften boi, verbindet aber in der Lebensversicherung mit demselben das Prinzip der materiellen Sicherstellung der Versicherungsanspiüche. Die inländischen Versicherungsgesellschaften sind zur getrennten Verwaltung der gesamten Prämienreserve und die ausländischen Gesollschaften zur Hinterlegung der Prämienreserve der im Inlande abgeschlossenen Versicherungen bei einer von der deutschen Axifsichtsbehörde bezeichneten Hinterlegungsstelle verpflichtet. Die von den inländischen Gesellschaften im Inlande sicherzustellende Prämien reserve umfasst auch die Deckungskapitalien der von ihnen im Auslande abgeschlossenen Versicherungen, soweit diese nicht im Auslande bestellt werden müssen. An der in Deutschland sichergestellten Prämienreserve besitzen die Versicherungsnehmer ein gesetzliches Konkursvorrecht, das den in- und ausländischen Anspruchsberechtigten in gleicher Weise zugestanden ist. Die Anlegung der Prämienreserven darf ausschliesslich in den vom deutschen Aufsichtsgesetze bezeichneten mündelsiehern deutschen Werten erfolgen. Diese Vorschrift verhinderte die Gesellschaften, die Prämienreserven ihrer ausländischen Versicherungen in Werten des betreffenden Staates anzulegen, was bei dem Zerfall der deutschen Währung das Ungenügen der Hinterlagen verursachte und damit die Überschuldung der Gesellschaften herbeiführte. Die Vorschrift zeigt aber auch, dass der deutsche Gesetzgeber so wenig wie der schweizerische diese wirtschaftliche Erscheinung voraussah, hat doch das deutsche Gesetz gerade für diesen Fall die ungeeignetste Vorschrift aufgestellt.

Wenige Jahre später führte auch Frankreich auf dem Gebiete der Lebensversicherung eine Staatsaufsicht ein, die sich auf ähnlichen Grundsätzen aufbaute wie das deutsche Gesetz. (Loi du 17 mars 1905 relative à la Surveillance et au Contrôle des Sociétés d'assurances sur la vie et de toutes les entreprises dans les opérations desquelles intervient la durée de la vie humaine.)
Auch das französische Gesetz schreibt die Anlegung des Dekkungskapitals in Frankreich vor und räumt den Versicherungsnehmern an demselben ein Konkursvorrecht ein. Für die Anlage des Deekungskapitals sind jedoch nicht ausschliesslich französische Werte vorgesehen, vielmehr kann dasselbe bis zu einem Viertel in ausländischen Werten bestellt werden.

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Österreich folgte mit der Verordnung betreffend Neufassung des «Versicherungsregulativs» vom 7. März 1921 dem von Frankreich vorgezeichneten Wege.

Die übrigen europäischen Staaten, soweit sie sich überhaupt mit der staatlichen Eegelung des privaten Versicherungswesens befassen, begnügen sich bei den ausländischen Versicherungsgesellschaften im allgemeinen mit der Einforderung mehr oder weniger hoher fester Kautionen und etwa mit besonderen Vorschriften über die Eechnungslegung.

Die Bedeutung der Ordnung der Staatsaufsicht in Deutschland und Frankreich ist auch der schweizerischen Aufsichtsbehörde nicht entgangen. Es stellte sich die Frage, ob auch die Schweiz zu dem neuen System der Staatsaufsicht übergehen solle, und das Versicherungsamt beschäftigte sich eingehend mit ihr. Wenn auch die grossen Vorteile dieses Systems nicht zu verkennen waren, so standen doch seiner Einführung und der Forderung zur Hinterlegung der Deckungskapitalien nicht unerhebliche Bedenken entgegen.

Im Vordergrunde stand die Frage der Verantwortlichkeit des Staates für die Verwahrung der Kautionswerte. Wenn der Staat den Gesellschaften vorschrieb, in welchen Werten die Deckungskapitalien angelegt werden sollten und sie als Treuhänder in seine Verwahrung nahm, so war nicht ausgeschlossen, dass bei Verlusten auf diesen Anlagen gegen ihn ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht werden konnte. Es war keine Gewähr dafür gegeben, dass die Schweiz für alle Zeiten von wirtschaftlichen Erschütterungen verschont bliebe, welche die dem Bunde anvertrauten Vermögen entwerten oder vernichten konnten. Insbesondere bestand diese Gefahr für den Fall, dass die Schweiz je in einen Krieg verwickelt werden sollte. Ihre geographische Lage im Herzen Europas setzte sie vielleicht noch mehr als andere Länder der Möglichkeit aus, in einem europäischen Kriege Kriegsschauplatz zu werden. Eine zweite Überlegung war die, dass eine allgemeine Einführung der nationalisierten Deckung notwendig die Verneinung des internationalen Versicherungsgedankens im Gefolge haben müsste.

Ein in den besondern, schweizerischen Verhältnissen liegender Grund, der die Einführung des Systems der materiellen Sicherstellung in die schweizerische Staatsaufsicht erschwerte, war der Mangel einer einheitlichen Zivilgesetzgebung. Die Zersplitterung der schweizerischen
Hypothekargesetzgebung war der Anlegung der Frankenmittel der Gesellschaften in schweizerischen Grundpfändern sehr hinderlich. Sie machte diese Anlagen, die gerade von deutschen Gesellschaften bevorzugt werden, unübersichtlich und

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kostspielig. Die Basis für eine rationelle Anlagepolitik hinsichtlich der Hinterlegung der schweizerischen Deckungskapitalien der ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften wurde erst geschaffen durch das am 1. Januar 1912 erfolgte Inkrafttreten des schweizerischen Zivilgesetzbuches.

Das Hauptbedenken, das der Forderung auf Hinterlegung der Deckungskapitalien der schweizerischen Versicherungsbestände entgegenstand, gründete sich auf den Mangel entsprechender Bestimmungen ·des schweizerischen Aufsichtsgesetzes selbst. Es war fraglich, ob das Gesetz eine solcheMassnahme erlaubte. Es bestand keine Gewähr dafür, ·dass die Kaution in dem Falle, für den sie gestellt war, den Versicherten ·erhalten geblieben wäre. Das Schicksal der Kaution erschien gerade im Konkursfalle höchst unsicher, wenigstens gegenüber denjenigen Staaten, mit denen die Schweiz durch Staats vertrag die Anwendung des Grundsatzes der Einheit und der Attraktivkraft des Konkursos ver«inbart hat (Frankreich, Württemberg). Man fürchtete, dass die Kaution im Konkurse einer Gesellschaft in die ausländische Konkursmasse ausgeliefert werden müsste. Die bundesgerichtlichen Urteile, die anlässlich des Konkurses der Caisse Générale des Familles in Paris bezüglich der Herausgabe der bei den Eegierungen der Kantone Bern und Luzern hinterlegten Kautionen ergangen waren (Caisse Générale des Familles kontra Begierungsrat des Kantons Bern vom 16. Oktober 1903, BGE 29 I 500 ff., und Caisse Générale des Tfamilles kontra Konkursmasse Zipplitt und Genossen, BGE 80181 ff.), brachten keine endgültige Abklärung der Frage. Durch die EinfordeTung des Deckungskapitals setzte man sich der Gefahr aus, dieses dem im Auslande sichergestellten Prämienreservefonds zu entziehen, ·wo es in mündelsichern Werten angelegt und vor dem Zugriffe dritter Gläubiger geschützt war, um es den Zufälligkeiten einer völlig unsichern Eechtslage auszusetzen. Das glaubte die Aufsichtsbehörde nicht verantworten zu dürfen. Wäre beim Konkurse der Gesellschaft die Herausgabe der Kaution nicht in Frage gekommen, so würden doch die Vorschriften des SchB KG eine im gleichmässigen Interasse der Versicherten liegende nach versicherungstechnischen Grundsätzen erfolgende Verwertung der Kaution nicht erlaubt haben.

Auch bestand kein gesetzliches Konkursvorrecht der Versicherungsnehmer am
Deckungskapital, so dass dieses auch dem Zugriffe dritter Gläubiger ausgesetzt gewesen wäre. Die Abmachungen der Aufsichtsbehörde mit den Gesellschaften im Sinne einer Verpfändung der Kautionswerte an den Bundesrat und die schon erwähnte Bestimmung der Kautionsverordnung boten ebenfalls keine Garantie der Sicherstellung der schweizerischen Versicherten. Ein im Jahre 1907 -von einer schweizerischen Autorität auf dem Gebiete des Versiehe-

528 rungsrechtes über diese Fragen eingeholtes Gutachten war nicht beruhigend. Eine durchgreifende Ordnung dieser Bechtsverhältnisse·war nur auf dem Wege der Gesetzgebung möglich. Die Aufsichtsbehörde fasste auch die gesetzliche Neuordnung der Kautionsverhältnisse ins Auge. Bevor sie aber an diese umfassende Aufgabe herantrat, schien es ihr ratsam, zunächst die Vereinheitlichung des schweizerischen Zivilrechtes und die bundesgesetzliche Ordnung des privaten Versicherungsrechtes abzuwarten, die beide in manchem Punkte dieVoraussetzung für eine rationelle Gestaltung der Kautionsverhältnisse bildeten.

Um indessen den Boden für die künftige Eevision des Aufsichtsgesetzes vorzubereiten, wurden zunächst die beiden amerikanischen Lebensversicherungsgesellschaften, nämlich die «ISiew York» Lebensversicherungsgesellschaft und die «New-Yorker Germania» Lebensversicherungs-Gesellschaf t zur Hinterlegung des Deckungskapitals veranlasst. Es geschah dies im Wege der Verständigung anlässlich der Konzessionserneuerung im Jahre 1904. Die Hinterlegung des schweizerischen Deckungskapitals wurde auch als Bedingung an jede neueKonzessionserteilung geknüpft, eine Forderung, die von diesen Gesellschaften ohne finanzielle Transaktionen durch die Hinterlegung der Sparprämien der neuen Versicherungen erfüllt werden konnteSo hatten bis zum Jahre 1915 sechs ausländische Lebensversicherungsgesellschaften ihr schweizerisches Deckungskapital bei der Nationalbank hinterlegt.

In der öffentlichen Diskussion ist behauptet worden, dass diecleutschen Lebensversicherungsgesellschaften schon vor dem Kriegebeim Versicherungsamte vorstellig geworden seien, es möchte dieHinterlegung der Deckungskapitalien in Schweizerwerten von ihnen verlangt werden. Ein solcher Schritt ist indessen seitens der GesellSchaftsdirektionen nie erfolgt. Ob vielleicht ein Generalbevollmächtigter der Gesellschaften gelegentlich einen solchen Wunsch ausgesprochen oder die Bereitwilligkeit hierzu erklärt habe, ist heute nicht festzustellen. Eine solche Anregung hätte übrigens die Aufsichtsbehördenicht vor eine neue Frage gestellt, da sie sich, wie erwähnt, schon längst und eingehend mit ihr befasst und da auch das Versicherungsamt in seinen ersten Berichten sich mehrmals über sie ausgesprochen hatte ~ Dass auch die deutschen Gesellschaften an die Möglichkeit
einer weitgebenden Währungsentwertung nicht dachten, ergibt sich klar aus der folgenden, in der von drei Gesellschaften (Gothaer, Karlsruher, Leipziger) am 15. Januar 1922 an das Versicherungsamt gerichteten Eingabe enthaltenen Äusserung : «Niemand hat vor dem Kriege für möglich gehalten, dass die deutsche Währung bis zum siebzigsten Teil ihres Wertes vor dem Kriege sinken könne. Erst die furchtbare Erschütterung des Geldwesens der ganzen Welt hat uns alle gelehrt, dass,

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Verpflichtungen in einer bestimmten Währung sicher nur durch gute Werte der gleichen Währung gedeckt werden können.» Es ist gewiss, nicht ohne Interesse, dass die Eichtigkeit dieser Theorie trotz der gegenwärtigen bittern Erfahrungen auch heute noch von namhaften und vorsichtig denkenden Autoritäten in dieser Allgemeinheit nicht als zutreffend anerkannt wird.

3. Der Bundesbeschluss vom 5. Oktober 1915 über die Kautionen der konzessionierten ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften.

Der Ausbrueh des europäischen Krieges rückte die Kautionsfrage in ein neues Licht. Der vollständige Bruch mit den bisher anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen in bezug auf den internationalen Wirtschafts- und Zahlungsverkehr, die Aufhebung der Goldwährung in der Mehrzahl der am Kriege beteiligten Staaten, die Sequestration der im Inland liegenden Vermögen feindlicher Staatsangehöriger und die starke Heranziehung auch der Lebensversicherungsgesellschaften zur Tragung der finanziellen Kriegslasten erfüllte die Aufsichtsbehörde mit Sorgen um das Schicksal der schweizerischen Versicherungsbestände der ausländischen Lebensversieherungsunternehrnungen. Um die schweizerischen Versicherten nach Möglichkeit sicherzustellen, erliess der Bundesrat am 5. Oktober 1915 den «Bundesratsbeschluss über die Kautionen der ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften». Er hatte folgenden Wortlaut: «1. Jede ausländische Lebensversicherungsgesellschaft, die auf Grund des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 zum Geschäftsbetriebe in der Schweiz befugt ist, hat als Kaution zu hinterlegen: a. einen festen Betrag von einhunderttausend Franken und b. das von der Gesellschaft für ihren schweizerischen Versicherungsbestand zu reservierende Deckungskapital.

2. Ergibt sich für ein Geschäftsjahr eine Zunahme des für den schweizerischen Versicherungsbestand zu reservierenden Deckungskapitals, so ist der Mehrbetrag ausschliesslich in schweizerischen Werten zu hinterlegen. Diese Bestimmung findet erstmals auf das Geschäftsjahr 1915 Anwendung.

3. Das schweizerische Justiz- und Polizeideparternent setzt,, unter angemessener Berücksichtigung der Verhältnisse, die Fristen fest, innerhalb welcher jede Gesellschaft ihie bisherige Kaution im Sinne von Ziffer l zu ergänzen hat.

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4. Die künftige Gesetzgebung des Bundes über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften bleibt vorbehalten.

5. Dieser Beschluss tritt sofort in Kraft.» Von der Forderung der Hinterlegung des Deckungskapitals in Schweizerwerten wurde in dieser Verordnung abgesehen. Sie hätte ihre Durchführung erheblich verzögert, denn die Umwechslung der Anlagen wäre innerhalb kurzer Frist gar nicht möglich gewesen.

-Auch Deutschland und Frankreich räumten den · Gesellschaften für die Überführimg ihrer Prämienreservefonds in die gesetzlich vorgeschriebenen Anlagewerte in normalen Zeiten mehrjährige Fristen ein.

Die Erwerbung so umfangreicher Bestände an Schweizerwerten hätte zudem den deutschen und französischen Gesellschaften angesichts der .bereits gesunkenen Währung ihres Landes (Deutschland 109, Frankreich 91) grosse Vermögensverluste verursacht. Man glaubte sie 'damals noch nicht verantworten zu können, da man entsprechend ·der allgemein geltenden Auffassung in der Depression der Wechselkurse nur eine vorübergehende Erscheinung erblickte.

Die ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften fügten sich, wenn auch nicht überall willig, den an sie gestellten Anforderungen.

Bis zum 1. Oktober 1916 wurden von ihnen folgende Hinterlagen gemacht : auf 1. Oktober 1916 Nationalität der konzessionierten Kautions-Soll : Kautions-Haben nach dem Nennwerte Dsckungikapilal auslandischen Lebens+ Fr. 100,000 Schweizerische Ausländische Total der »ersictierungsgesellsctiaften Betriobitaulion Werte Werte Hinterlage Fr.

Fr.

Fr.

Fr.

Deutsche *103,600,000 7,699,000 117,632,706 125,331,706 Französische . . . . * 65,400,000 30,611,000 13,956,400 44,567,400 1,028,000 österreichische . . .

881,300 1,028,000 Englische * 10,000,000 2,272,500 4,979,125 7,251,625 Amerikanische . . . * 13,300,000 7,730,700 6,755,025 14,485,725 Total 193,181,300 49,341,200 143,323,256 192,664,456

* Durch Schätzung erolittelt.

Für die deutschen Gesellschaften ergibt sich für den Oktober 1916 folgende Aufstellung:

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Gesellschatten i Gothaer-Leben , Leipziger-Leben .

Durch Zinskurswert im Okt. 1916 Schweizerder bis dahin Kautionssoll hinterlegten werte nicht Ende 1915 Schweizer- gedecktes werte Kautionssoll Fr.

Fr.

Fr.

4 2 3 l

Hinterlegte ausländische Werte nach dem Zinskurs vom Oktober 1916 in Mk.

5

Karlsruher-Leben

16,027,925 1,042,925 14,985,000 16,679,600 20,016,659 1,211,500 18,805,159 19;756,000 22,585,886 22,153,000 1,004,950 21,148,050 ö. Kr.

Teutoni» .

Concordia Stuttgarter .

7,341,593 4,381,510 23,782,384

Germania

12,638,042

Verlust in Hark, dar durch di: tollständigi Deckung der Rguntn mit Schwiizirwirten intstandin »in bti eintm Wichselkun ton 100 Mh. = Fr. 9l c

4,479,016 5,620,862

6,321,152 950,000 M k.

398,695 6,942,898 7,631,000 2,075,232 1,297,976 39,000|| 4,342,510 4,868,937 3,649,500J|20,132,884 22,632,993 6,017,719 12,163,5611 469,290 12,168,752 ü. Kr. [ 3,637,239 5,011,876) M k.

Atlas

.

. .

1,529,306

81,975 1,447,331 1,621,500

Total 107,870,419 7,897,835 99,972,584

432,607 29,881,803

Die vorstehende Tabelle (Kolonne 4) zeigt, dass die Deckungskapitalien auch bei Umrechnung der Hinterlagen zum Kurswerte vollständig gedeckt waren, ausgenommen bei der «Leipziger», bei welcher der Fehlbetrag Fr. 827,199, und bei der «Karlsruher», bei welcher er Fr. 91,394 betrug. Bei Hinterlegung des Deckungskapitals in Schweizerwerten hätte sich für die Gesellschaften ein Verlust von rund 30 Millionen Mark ergeben, was, nach dem damaligen Werte beurteilt, eine gewiss erhebliche Summe ausmachte. Es ist deshalb nicht zutreffend, wenn heute von deutschen Gesellschaften behauptet ·wird, dass die schweizerische Aufsichtsbehörde die Hinterlegung der ganzen Kaution in Schweizerwerten ohne wesentliche Verluste für die Gesellschaften hätte herbeiführen können durch eine rasche Umwechslung der zum grossen Teil in Hypothekartiteln bestehenden Markanlagen. Schon am 18. September 1918 richteten übrigens die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften eine Kollektiveingabe an den Bundesrat, in der sie darauf hinwiesen, dass die weitere Befolgimg des Bundesratsbeschlusses vom 5. Oktober 1915, wonach der Zuwachs am Deckuagskapital in Schweizerwerten zu bestellen war, den Gesellschaften erhebliche Schwierigkeiten bereite. Die dem Bundesratsbeschluss zugrunde liegende Annahme, dass die sämtlichen

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Mittel zur Bedeckung des Zuwachses den Einnahmen des Schweizer geschältes an Prämien und Zinsen entnommen werden können, sei nicht mehr zutreffend, da die Zinsen aus den deutschen Werten in Mark eingenommen werden. Mehrere Gesellschaften seien daher gezwungen, zur Anschaffung schweizerischer Werte Bankkredite in Anspruch zu nehmen. Die Erwerbung von Schweizerwerten sei überdies während des Krieges mit grossen Kosten verbunden, die in letzter Linie wieder von den Versicherten zu tragen seien. Die Gesellschaften ersuchten daher den Bundesrat um die Erlaubnis, den Teil des Zuwachses, der dem Zinsertrag aus den hinterlegten deutschen Werten entsprach, in Mark zu hinterlegen, soweit ihr die Überschüsse an Frankeneinnahmen nicht die Hinterlegung in Schweizerwerten ermöglichten. Der Bundesrat lehnte das Gesuch ab, indem er unter anderem auch auf die bevorstehende Eegelung durch das im Entwurf vorliegende Kautionsgesetz hinwies. Er ermächtigte jedoch das Versicherungsamt, denjenigen Gesellschaften, welche die Unmöglichkeit, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, nachwiesen, unter Berücksichtigung aller Verhältnisse Entgegenkommen zu zeigen.

4. Das Bundesgesetz vom 4. Februar 1919 über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften.

Gleichzeitig mit dem Erlass des Bundesratsbeschlusses vom 5. Oktober 1915 ging die Aufsichtsbehörde an die gesetzliche Neugestaltung der Kautionsverhältnisse. Der vom Versicherungsamte aufgestellte Entwurf zu einem Gesetz über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften wurde von einer elfgliedrigen Kommission in mehreren Sessionen von Sachverständigen durchberaten, und am 9. Dezember 1916 konnte der Bundesrat den Gesetzesentwurf mit Botschaft den eidgenössischen Bäten vorlegen. Die Annahme des Gesetzes durch die Räte erfolgte im Anfang des Jahres 1919 (Ständerat 29. Januar, Nationalrat 4. Februar), und dieses konnte am 1. Juni 1919 in Kraft erklärt werden.

Das Kautionsgesetz befolgt hinsichtlieh der Sicherstellung des schweizerischen Versicherungsbestandes das vom deutschen und französischen Gesetz eingeführte System. Die ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften verpflichtet es zur Hinterlegung des Deckungskapitals und eines angemessenen Zuschusses bei der Schweizerischen Nationalbank. Ferner enthält es Vorschriften über die Verwendung der Kaution im Falle der Liquidation
oder des Konkurses einer Gesellschaft und schliesst den Zugriff dritter Gläubiger auf die Kaution aus. Damit waren die Grundlagen für eine zweckentsprechende Bestellung und Verwertung der Kaution geschaffen.

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Für die Kautionshinteiiagen hatte der Entwurf des Versicherungsamtes ausschliesslich die Anlage in Schweizerwerten vorgesehen.

Die Expertenkommission war indessen der Meinung, dass den Gesellschaften für ihre Anlagen ein grösserer Spielraum gelassen werden müsse, und das Gesetz folgte denn auch dem Vorbild des französischen Gesetzes und gestattet für einen Viertel der Hinterlagen die Anlegung in nichtschweizerischen Werten. -- Weder in der Expertenkommission noch in den eidgenössischen Bäten wurde jemals auf die Entwertung der ausländischen Wechselkurse als eine die Existenz der Gesellschaften bedrohende Gefahr hingewiesen. Im Gegenteil wurde in der Expertenkommission bei der Eintretensdebatte die Meinung geäussert, es sei angezeigt, den Verhältnissen in der Weise Kechnung zu tragen, dass für die Hinterlegung der Schweizerwerte eine möglichst lange Übergangszeit, etwa zehn Jahre, einzuräumen sei.

Der Vertreter des Bundesrates erklärte, es sei das Bestreben der Aufsichtsbehörde, alle berechtigten Interessen, sowohl die der schweizerischen und ausländischen Gesellschaften als auch die der Schwei.zerversicherten nach Möglichkeit zu wahren (Protokoll der Expertenkommission, S. 21 ff., 65). Auch in den Räten wurde bei der Beratung dos Gesetzes in den Jahren 1917 und 1918 betont, dass der Bundesrat bestrebt sein müsse, die Interessen der schweizerischen Versicherten zu wahren, dass aber auch den Gesellschaften bei der Umwandlung der ausländischen Werte in Schweizerwerte Entgegenkommen gezeigt werden müsse. (Sten. Bull. d. Ständerates 1917.

S. 189 ff.) Beide Bäte stimmten dem Vorschlage des Entwurfes zu, wonach der Bundesrat ermächtigt sein soll, für die Bestellung der Kaution angemessene Fristen zu bewilligen. Im Nationalrat wurde der Artikel ohne Diskussion angenommen. Die betreffende Bestimmung wurde als Art. 22, Abs. 2, in folgendem Wortlaut in das Gesetz aufgenommen: «Der Bundesrat ist ermächtigt, für eine von ihm festzusetzende Übergangszeit mehr als ein Vierteil ausländische Werte (Art. 4) als Kaution anzunehmen».

Nach Inkrafttreten des Kautionsgesetzes wurde durch Bundesïatsbeschluss vom 30. Dezember 1919 die vom Kautionsgesetz dem Bundesrate vorbehaltene Kompetenz zur Festsetzung der Übergangsfrist dem eidg. Justiz- und Polizeidepartement übertragen.

Dieses setzte am 2. Juni 1920 die
Hinterlegungsfrist und die an die Gewährung derselben geknüpften Bedingungen durch eine für alle deutschen Gesellschaften geltende Verfügung fest, wobei im wesont liehen in Anlehnung an den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 betreffend die Folgen der Währungsentwertung eine sukzessive Auffüllung der Valutadifferenz innert der Frist von zwanzig Jahren vorgesehen wurde ; die Gesellschaften hatten eine dreissigjährige Frist

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verlangt. Wenn bei Banken, die über grosse liquide Mittel verfügen müssen, eine zwanzigjährige Amortisationsdauer als zulässig betrachtet ·wurde, so glaubte die Aufsichtsbehörde, diese noch weit eher bei Lebensversicherungsgesellschaften verantworten zu dürfen, deren Verpflichtungen langfristig sind und sich über eine lange Eeihe von, Jahren gleichmässig verteilen. Die getroffene Massnahme schien um so mehr gerechtfertigt, als der Verlauf des deutschen Wechselkurses während der letzten Monate der Auffassung Becht zu geben schien, dass sich die ausländischen Valuten mit dem Übergang zur Friedenswirtschaft allmählich erholen werden. Der deutsche Wechselkurs, der im Februar 1920 den Tiefstand von 6 erreicht hatte, hob sich bis Anfang Juni, dem Zeitpunkte des Erlasses der Verfügung, auf 14. Eine rigorose Massnahme, wie 'die sofortige Einforderung der Deckungskapitalien, die damals übrigens nur zur Zertrümmerung der Gesellschaften und zu ungeheuren Verlusten für die Versicherten geführt hätte, glaubte die Aufsichtsbehörde angesichts des scheinbargünstigen Verlaufes des deutschen Wechselkurses nicht verantworten zu können. Für die übrigen ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften wurden die Fristen für die Hinterlegung des Deckungskapitals in Schweizerwerten nach den besondern Verhältnissen, individuell festgesetzt.

Die deutschen Lebensversicherungsgesellschaften kamen den ihnen durch die Verfügung vom 2. Juni 1920 auferlegten Pflichten nach und hinterlegten die Kaution und die Valutarücklagen für 1920 und 1921 in dem vorgeschriebenen Umfange. Vom August 1920 an begann jedoch der deutsche Wechselkurs rasch zu sinken, um gegen Ende 1921 einen nie gezeigten Tiefstand zu erreichen. Die Aufsichtsbehörde hielt sich für verpflichtet, die Öffentlichkeit und das Parlament über den ungenügenden Stand der Kautionen aufzuklären, und es geschah dies, indem sie den amtlichen Berichten des Versicherungsamtes und, ausnahmsweise, auch dem Geschäftsberichte des Bundesrates an die Bundesversammlung für 1919, 1920 und 1921 Tabellen über die Kautionen der ausländischen Lebensversicherungsgesellschaften beifügte. Mit grösster Besorgnis verfolgte die Aufsichtsbehörde den Zerfall der deutschen Währung. Im Laufe des Jahres 1921, als sie sich Einsicht in die währungsweise zerlegten Bilanzen über das Eechnungsjahr 1920
verschafft hatte, musste sie erkennen., dass den deutschen Gesellschaften die Erfüllung der Verpflichtungen, aus dem Juniabkommen des Vorjahres kaum mehr möglich sein werde. Das Versicherungsamt brachte ihnen daher vor Beginn des neuen Geschäftsjahres die Auffassung der schweizerischen Aufsichtsbehörden zur Kenntnis und forderte sie auf, binnen kurzer Frist,

535 Sanierungsmassnalimen zu treffen, da andernfalls der Konzessionscntzug und damit die Konkurseröffnung unvermeidlich sei.

5. Die Verhandlungen über eine gemeinsame Hilfsaktion der Schweiz und des Deutschen Reiches.

Auf die vom Versicherungsamte im Dezember 1921 gemäss Art. 9,, Abs. 2, VAG an die Gesellschaften gerichtete Aufforderung antworteten diese im Laufe des Januar 1922, dass sie die Hilfe des Deutschen Beiches nachgesucht hätten, und am 18. Januar teilte das deutsche Aufsichtsamt dem Versicherungsamte mit, die Beichsregierung habe in Aussicht genommen, bei den gesetzgebenden Körperschaften unverzüglich dahin zu wirken, dass das Beich die erforderlichen Massnahmen treffe, um einer Zahlungsunfähigkeit der durch die Valutaverpflichtungen bedrängten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften nach Massgabe eines mit ihnen zu vereinbarenden, Planes vorzubeugen, bei dem die Versicherer bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit heranzuziehen seien. Dies könne jedoch nur geschehen unter der Bedingung, dass die schweizerische Aufsichtsbehörde z. B. durch das Verbot des Bückkaufs- und der Beleihung von Policen und Freigabe von Mitteln aus der Kaution dem übermässigen Anschwellen der Zahlungsverbindlichkeiten der deutschen Lebensversicherungsgesellschaften entgegen wirke. Die schweizerische Aufsichtsbehörde antwortete, sie sei zu Verhandlungen bereit, erklärte aber, dass die erwähnten Massnahmen ebenfalls in den Bereich der Verhandlungen einbezogen werden müssten und dass ein Verbot des Bückkaufs und der Beleihung erlassen werden könne, wenn greifbare Zusicherungen der Beichshilfe bestehen. Der Beginn der Verhandlungen zog sich noch einige Zeit hinaus. Sie fanden statt in Bern vom 6. bis 10. März unter dem Vorsitze des Vorstehers des eidgenössischen Justiz-und Polizeidepartementes. Vor den Verhandlungen berief das Departement eine grössere Kommission von Fachmännern des Finanz-, Versicherungs- und Bechtswesens ein, um mit ihnen die möglichen Grundlagen eines Abkommens mit dem Deutschen Beiche zu besprechen. In einer Sitzung des Kartells schweizerischer Banken, die während den Verhandlungen stattfand und in der auch die Behörden vertreten waren, wurde sodann die Frage der Mitwirkung der schweizerischen Finanzwelt bei der Lösung des schwierigen Problems eingehend besprochen.

Die ursprünglichen Vorschläge der deutschen Regierung beruhten auf dem Gedanken einer darlehensweisen Beschaffung der Zahlungsmittel zur Erfüllung der Währungsverpflichtungen der

536

valutabelasteten Gesellschaften durch das Eeich für die Dauer von 20 Jahren, sofern nicht die Beträge ohne rechtliche Gefährdung des Betriebes von den Gesellschaften selbst und den Versicherten aufgebracht werden könnten. Die Darlehensgewährung sollte erfolgen durch Vermittlung einer zu gründenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem von den beteiligten Gesellschaften aufzubringenden Stammkapital von 75 Millionen Mark. Die Darlehen sollten mit 5 % verzinst und mit 1% % getilgt werden, jedenfalls aber sollten die Gesellschaften 1%% des jeweiligen Darlehensbestandes zu leisten haben. Als Finanzquelle zur Beibringung der Mittel zur Erfüllung dieser Verbindlichkeiten war in Aussicht genommen eine Abgabe der Gesellschaften von 2 °/oo der im Vorjahr neu erworbenen Versicherungssummen .

Die schweizerische Delegation konnte auf dieses Projekt nicht eintreten; weil es offenbar auf dem Gedanken der teilweisen Beschaffung der Zahlungsmittel durch die Notenpresse beruhte und auch sonst keine hinlänglich solide Grundlage für eine so umfangreiche und auf lange Dauer berechnete Finanzaktion zu bieten schien.

Überdies erklärte die deutsche Delegation, die von schweizerischer Seite verlangte Realkaution nicht aufbringen zu können. Von der von deutscher Seite gewünschten Beteiligung der Schweiz im gleichen Betrage wie das Eeich konnte ebenfalls nicht die Bede sein. Man trennte sich, um eine neue Basis der Verhandlungen zu suchen.

Im Anschluss an die Verhandlungen erliess der Bundesrat am 14. März 1922 das Verbot des Rückkaufs und der Beleihung der Policen nach Vereinbarung mit der deutschen Delegation, die sich verpflichtete, eine analoge Massnahme in Deutschland zu erwirken.

Das Verbot gründete sich auf Art. 9, Abs. 2, des Kautionsgesetzes und war notwendig, um eine rasche Erschöpfung der Zahlungsmittel der Gesellschaften und den Zerfall ihrer Versicherungsbestände zugunsten einer Kategorie von Versicherten auf Kosten der übrigen zu verhüten.

Den Versicherten wurde von den Gesellschaften eine Stundung der fälligen Prämien gegen Bezahlung von 5 % Zins gewährt. Diese Stundungserklärung, die übrigens die Gesellschaften freiwillig abgaben, wurde in der Folge vielfach als Ursache des Ausbleibens der Prämieneingänge und damit des raschen Versiegens der flüssigen Mittel zur Bezahlung der Frankenverpflichtungen
bezeichnet. Der Grund dieser Erscheinung dürfte ebensowohl in dem geschwundenen Vertrauen der Versicherten in die überschuldeten Gesellschaften liegen. Die Beschaffung der Frankenmittel zur Bezahlung der fälligen Versicherungssummen erforderte von den Gesellschaften .gewaltige Aufwendungen aus ihren Markbeständen. Sie konnten die

537

Beträge nur aufbringen durch Bankdarlehen oder durch Ankauf von Frankenmitteln aus den freien Reserven, was diese zum Teil fast gänzlich erschöpfte.

Infolge der Teilnahme der massgebenden Persönlichkeiten der deutschen Regierung an der Konferenz von Genua und durch die vielfachen Besprechungen, die auf deutscher Seite mit den parlamentarischen Körperschaften und mit den Gesellschaften zur Feststellung einer neuen Grundlage für das Abkommen geführt werden mussten, verzögerte sich die Wiederaufnahme der Verhandlungen bis in den Juni. Auch schweizerischerseits benutzte man die Zwischenzeit, um unter Beiziehung von Sachverständigen aus verschiedenen Wirtschaftsgebieten einen gangbaren Weg für eine Hilfsaktion zu finden. Namentlich wurden die Bedingungen einer Beteiligung der Banken, der Versicherungsindustrie und des Bundes geprüft. Von dritter Seite wurden der Aufsichtsbehörde verschiedene Vorschläge unterbreitet, die fast alle eine sehr weitgehende Vorschussleistung oder Kreditgewährung des Bundes an das Deutsche Reich und eine Leistung von umfangreichen Realgarantien durch das letztere zur Voraussetzung hatten, Realgarantien, wie sie nach den vorausgegangenen Verhandlungen von diesem nicht erwartet werden konnten. Andere Vorschläge hatten lediglich die Liquidation der Versicherungsbestände im Falle des Versagens der Reichshilfe im Auge und brachten im übrigen wertvolle technische Lösungen. In den neuen Verhandlungen, die vom 17. bis 28. Juni stattfanden, machte die deutsche Delegation neue, vom Märzprojekt völlig abweichende Vorschläge. Sie beruhten auf dem Gedanken der Vorschussleistung der Schweiz an das Deutsche Reich, und auf dieser Grundlage wurde denn auch ein gemeinsames Abkommen ausgearbeitet. Die Vereinbarung hatte im wesentlichen folgenden Inhalt: Der Bund soll die zur Erfüllung der schweizerischen Versicherungsverträge erforderlichen Mittel, soweit sie nicht unter Beobachtung der technischen Grundsätze aus dem Deckungskapital oder aus der Risikoprämie aufgebracht werden können, dem Reiche vorschiessen. Die Sparprämie soll entsprechend dein Geschäftsplan künftig wieder in das Kautionsdepot fliessen. Das Reich verzinst die Vorschüsse jährlich mit 8y2 % und tilgt den am Schlüsse des Jahres sich ergebenden Gesamtbetrag planmässig mit l % und den ersparten Zinsen. Die Mittel zur Aufbringung
dieser Leistungen werden vom Reiche beschafft durch die auf Grund eines Reichsgesetzes zu erhebende Abgabe von 9 %o des Neuzuganges aller im Reiche arbeitenden Lebensversicherungsunternehmungen, von der ein dem Verhältnis des durch Währungsverpflichtungen verursachten Fehlbetrages zum Gesamtfehlbetrag Bnndcsblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

37

538 der Gesellschaften entsprechender Anteil, ungefähr zwei Drittel (also 6 °/oo) an die Schweiz abzuführen sind. Hiervon soll die eino Hälfte in die Kaution gelegt und die andere Hälfte zur Verzinsungund Amortisation der Vorschüsse verwendet werden. Zur Sicherstellung der Vorschüsse des Bundes wurde eine Bürgschaft deutscher Grossbanken von 10 Millionen Franken und eine solche der Länder für die in ihrem Gebiet befindlichen Gesellschaften bis zu einen* gewissen Betrage verlangt. Die Vorschüsse des Bundes au das Eeich sollten 60 Millionen Franken nicht übersteigen. Eine völlige Einigung kam nicht zustande. Den Hauptdifferenzpunkt bildete das Beteiligungsverhältnis des Deutschen Reiches und der Schweiz an der Aufbringung der finanziellen Mittel. Während die deutsche Delegation eine Beteiligungsquote von 8 : 2 wollte, schlug die schweizerische Delegation eine solche von 3 : l und eine maximale Leistung der Schweiz von 25 Millionen Franken vor. Auch über die Garantien konnten von der deutschen Delegation keine Zusicherungen gegeben werden. So wurden die Verhandlungen unterbrochen, ohne dass sie zu einem endgültigen Abschluss gelangt wären, doch war in Aussicht, genommen, sie später wieder aufzunehmen.

Auf schweizerischer Seite befestigte sich nun aber die Überzeugung immer mehr, dass angesichts der fortschreitenden Entwertung der deutschen Valuta und der Verschlimmerung der allgemeinen Wirtschaftslage und der Finanzverhältnisse des Deutschen Keiches eine Hilfsaktion auf einer so umfassenden Kreditgewährung an dieses nur aufgebaut werden könne unter Beibringung weitreichender Garantien durch das Deutsche Reich. Auch eine zur Beratung beigezogene grosse Expertenkommission sprach sich durchaus in diesem Sinne aus. Als daher die deutsche Delegation beim Wiederbeginn der Verhandlungen erklärte, die von der Schweiz für die Durchführung des Juniabkommens geforderten Garantien nicht aufbringen zu können, so glaubte dio schweizerische Delegation dem Bunde das Risiko einer völlig ungenügend gesicherten Vorschussleistung bis zu 60 Millionen Franken neben den auf eigene Rechnung zu nehmenden gewaltigen Leistungen nicht zumuten zu dürfen. Es wurde daher von der schweizerischen Delegation ein neues Projekt ausgearbeitet, das auf dem Grundsatze der Parallelleistung von Bund und Reich aufgebaut ist. Li langen und
mühsamen Verhandlungen kam die der Botschaft angeschlossene Vereinbarung zustande. In bezug auf den Inhalt und die Auswirkungen des Abkommens verweisen wir auf die Darlegungen in Abschnitt IV.

539

IL

Die finanzielle Lage der in der Schweiz konzessionierten deutschen Lefoensversieherungsgesellschaften.

Vor dem Kriege galt die finanzielle Lage der in der Schweiz konzessionierten deutschen Lehensversicherungsgesellschaften allgemein als gesichert, obwohl die Anlagemöglichkeiten ihrer Vermögenswerte durch die Bestimmung des Art. 57 ff. des Eeichsgesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen, vom 12. Mai 1901 eingeschränkt waren. Die Gelder waren grösstenteils in Hypothekeil auf deutschem Grundbesitz festgelegt, weniger in Wertschriften.

Die Zinserträgnisse flössen so den Versicherungsnehmern aus den Händen der deutschen Hypothekarschuldner zu. Nach der Bechnungslegung von 1913 waren rund 78 % des Vermögens der konzessionierten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften Hypotheken und nur rund 10% Wertpapiere. Bald nach Kriegsausbruch beseitigte dio Aufhebung der Goldwährung (Eeichserlass vom 28. September 1914) die bisher durch die Goldverschiebung bewirkte automatische Begulierung der Wechselkurse. Der Markkurs fiel namentlich im Laufe des Jahres 1919 von 0.60 auf 0.11. Die Bilanz Ende 1919 der deutschen Gesellschaften entsprach zwar den in Deutschland geltenden, stets noch am Parikurse festhaltenden Gesetzesvorschriften, aber nicht den Tatsachen. Die schweizerische Aufsichtsbehörde verlangte nun zu ihrer Orientierung über die wahre Lage der Gesellschaften von diesen besondere, nach Währungen gegliederte Bilanzen per Ende 1920.

Diese von der schweizerischen Aufsicht zum ersten Male geforderte Zerlegung nach Geldwährungen allein war imstande, ein wahres Bild über die Lage der Gesellschaften zu liefern. Die deutschen hier in Betracht fallenden Gesellschaften hatten sowohl Verbindlichkeiten in Ländern mit sogenannter hochwertiger Valuta als in Ländern mit geringwertiger Valuta.

Das Schweizergeschäft der deutschen Gesellschaften, das sonst im Bahinen des deutschen Gesamtgeschäftes fast verschwindet, hat durch die zufolge des Wechselkurses enorm gestiegenen Frankenverbindlichkeiten das Übergewicht erhalten. Die ungedeckten Frankenverbindlichkeiten belaufen sich nämlich insgesamt auf Fr. 110,926,039 oder auf das 3,8fache des Franken Vermögens. Die Einzelheiten sind aus nachstehender Aufstellung ersichtlich.

540

Vermögen und Verbindlichkeiten in Schweizerfrank en Ende 1920.

Gesellschaften

Gothfier Leipziger .

Karlsruher Teutonia Concordia Stuttgarter Germania Atlas

. . . .

.

.

. . .

.

. . . .

Total

Vermögen (Aktiven)

Verbindlichkelten (Passiven)

Fr.

6 125 960 8,663,029 3 896 164 2,251,876 1,252,958 8,648,346 2 216 682 667,058 33,722,073

Fr.

17 738,794 31,213,041 26 072,107 10,844,568 6,078,444 32,370,776 17771 563 2 558,819 144,648,112

Also Mehrverbindlichkeiten in Franken Fr.

11,612834 22,550,012 1 22 175943 8 592 692 4,825,486 23,722,430 15 554 881 1 891 761 110,926,039

Die für die Germania in Stettin und den Atlas durch Dritte geleisteten Sicherheiten sind dabei nicht eingerechnet. Die Mehrverbindlichkeiten in Franken sind in den Bilanzen nur durch Markwerte zum Parikurse gedeckt.

Weniger schwor -fallen die Verpflichtungen in Luxemburg ins Gewicht. Ein unerfreuliches Bild zeigt wiederum das holländische Geschäft. Der Kürze wegen soll hier die Einzeldarstellung der Lago in den übrigen Währungsgebieten übergangen werden. Es möge folgende Übersicht genügen: Rechnet man die Mehrverbindlichkeiten (Passivenüberschüsse) in hochwertigen Valuten zum Wechselkurse am Bilanztage (81. Dezember 1920) um, so ergeben sich nachstehende Fehlbeträge, bei Berücksichtigung folgender Wechselkurse: l schw. Franken = 11.18 Mark l dänische Krone = 11.86 Mark l holländ. Gulden = 22.92 » l norweg.

» = 11.87 » l belgischer Fr. = 4.56 » l schwed. » = 14.58 »

541

Gesamtvermögen und -Verbindlichkeiten auf den 31. Dezember 1920 unter Berücksichtigung der Wechselkurse am 31. Dezember 1920.

Gesellschaften

Gesamtvermögen

i

Mk.

2

Gothaer . .

Leipziger . .

Karlsruher .

Teutonia ohne Nordstern .

Concordia . .

Stuttgarter . .

Germania . .

Atlas . . .

Gesamtverbindlichkeiten

Mehrverbindlichkeiten

Mk.

3--2 Mk.

3

4

.

.

.

639,906,985 620,893,130 446,913,251

780,558,648 851,623,319 671,386,255

140,651,663 230,730,189 224,473,004

.

.

.

.

.

227,088,369 267,767,998 761,204,217 555,936,131 64,863,597

326,368,987 323,891,945 1,007,879,395 845,697,455 87,916,812

99,280,618 56,123,947 246,675,178 289,761,324 23,053,215

Total

3,584,573,678

4,895,322,816

1,310,749,138

In Spalte 4 sind die Fehlbeträge angegeben, die sich als Differenz der Verbindlichkeiten und des Vermögens ergeben und die bei korrekter Bilanzierung hätten ausgewiesen werden müssen.

Diese Übersicht zeigt die Lage nach den Kursen vom Dezember 1920. Bekanntlich ist seither eine weitere tiefe Entwertung der Eeichsmark eingetreten. Wir verzichten darauf, eine Darstellung zu den heutigen Devisenkursen anzuschliessen, weil schon aus den gebotenen Zahlen mit genügender Deutlichkeit hervorgeht, dass die valutabelasteten Gesellschaften nicht in der Lage sind, sich aus eigener Kraft zu helfen.

III.

Die konkursmässige Liquidation der schweizerischen Tersicherungsbestände.

Sind die Interessen der Gesamtheit der schweizerischen Versicherten durch die finanzielle Lage der Gesellschaften gefährdet, so kann der Bundesrat gemäss der ihm durch Art. 9, Abs. l, des Kautionsgesetzes gegebenen Befugnis die in der Schweiz hinterlegte Kaution dazu verwenden, um den schweizerischen Versicherungs-

542

bestand der Gesellschaften mit Bechten und Pflichten auf eine andere Gesellschaft zu übertragen oder ihn nach Massgabe der Versicherungsverträge von Bundes wegen zu liquidieren. Da aber das schweizerische Gesetz, im Gegensatz zu den Aufsichtsgesetzen einiger anderer Staaten, den Bundesrat nicht ermächtigt, beim Ungenügen der vorhandenen Deckung die Versicherungssummen entsprechend herabzusetzen, so ist diese Massnahme nur durchführbar, wenn das Deckungskapital so weit bedeckt ist, dass den Versicherten aus derselben kein Verlust erwächst. Beicht die Kaution zu einer solchen Massnahme nicht aus, so ist die Kaution konkursmässig zu liquidieren (Art. 10 des Kautionsgesetzes). Dieser Fall läge vor, wenn die Hilfe der beiden Staaten zugunsten der schweizerischen Versicherten nicht zu erreichen wäre. Der Konkurs der Gesellschaften wäre unvermeidlich, und Art. 10 des Kautionsgesetzes rnüsste Anwendung finden.

Die konkursmässige Liquidation der von den deutschen Lebensversicherungsgesellschaften in der Schweiz hinterlegten Kautionen ergäbe für die schweizerischen Versicherten höchst unerfreuliche Besultate, wie aus der folgenden Darstellung hervorgeht.

Um den Konkursanteil der Versicherten aus dem Schweizergeschäft zu bestimmen, sei als Mass des Konkursanspruches das Bilanzdeckungskapital der Frankenversicheruugen auf Ende 1921 vorausgesetzt, und zwar berechnet nach den Grundlagen jeder einzelnen Gesellschaft. Als Aktiven werden die Frankenhinterlagen in Bechnung gestellt, wobei die Markwerte vernachlässigt werden. Für die Verrechnung der Policendarlehen stehen zwei Möglichkeiten offen. Einerseits die Auffassung, dass die Darlehen auf der Konkursdividende zu verrechnen seien und der überschiessende Darlehensbetrag von der Konkursmasse als Schuld zurückgefordert werde. In diesem Falle sind sie der Kaution zuzuzählen und erhöhen so die Konkursdividende. Mit Einschluss der Policendarlehen ergeben sich dann folgende Konkursquoten:

543

Gesellschaften

Hierauf ge- Sicherstellung Kaution und KonDeckungs- währte Dar- in Schweiz.

Policenkurskapital auf lehen und Vor- Währung, quote.

darlehen, 31. Dez. 192t schusszah- Kurswert auf 5 :2 lungen 31. Dez. 1921 3 + 4

i

3 Fr.

2 Fr.

Gothaer . .

Leipziger . .

Karlsruher .

Teutonia . .

Concordia . .

Stuttgarter Germania*) .

Atlas-) . .

Total

4 Fr.

5 Fr.

17,251,979 2,418,421 3,349,300 5,767,721 32,359,421 3,191,550 6,548,213 9,739,763 23,046,595 1,569,936 1,867,834 3,437,770 1,835,565 10,641,935 796,497 1,039,068 5,111,551 336,000 184.326 520,326 30,299,169 2,209,903 5,254,500 7,464,403 15,933,849 3,674.935 915,798 2,759,137 519,100 272,201 79^301 2,207,386 136,851,885 11,957,205 21,274,579 33,231,784

e >

33,4 30,i.

14,9

17,a 10,2

24,0 23,i 35,8 24,3

Anderseits können die Policendarlehen als Vorauszahlungen von Versicherungsleistungen angesehen werden, wobei sie zum vorneherein auf dem Deckungskapital zu verrechnen sind. Alsdann tritt nur der unbedeckte Restbetrag in die Konkursmasse ein. Nach dieser Verrechnungsweise ergeben sich noch folgende Konkursquoten: Deckungskapital abzüglich Policendarlehen

Gesellschaften

Fr

Gothaer Leipziger .

Karlsruher .

TeutODi'a Concordia .'

Stuttgarter5 Germania ') Atlas*) .

.

. . .

Total

14,833,558 29 167,871 21,476,659 9,845,438 4 775 55l 28 089,266 15,018,051 1,688,286 124,894,680

Sicherstellung in Schweiz.

Werten, Kurswert auf 31. Dez. 1922 Fr.

3,349,300 0,548,213 1,867,834 1 ,039,068 184,326 5,254,500 2,759,137 272,201 21,274,579

quote

%

22,TM 22,45

8,70 10,55 18,71 18,37 16,12 17,03

Die Rechnungsweise, die der zweiten Tabelle zugrunde liegt, dürfte wohl auch dem in Art. 218 SchBKG enthaltenen Verrechnungsprinzip entsprechen. Ist diese Auffassung zutreffend, so würde die Durchschnittsquote der konkursmässigen Liquidation der Kautionen nur 17 % des hinterlegungspflichtigen Deckungskapitals *) Angaben pro 1920.

544 betragen. Da sich der Botrag des Deckuugskapitals nach der Dauer der Prämienzahlung richtet und uni so höher ist, je länger die Prämi& bezahlt wurde, so würden dabei die altern Versicherungen auch dio grössern Verluste erleiden.

Nun ist der Satz von 17 % der auf Grund der vorhandenen Hinterlagen rechnungsmässig ermittelte Konkursanteil. Es ist aber zu befürchten, dass diese Quote bei der Verwertung der Kautionshiuterlagen durch Liquidationskosten und durch den Mindererlös aus der zwangsweisen Veräusserung der Kautionswerte noch weiter herabgedrückt würde. Es muss daher gesagt werden, dass die Versicherten bei der konkursmässigen Liquidation der Kaution äusserst ungünstig gestellt wären.

Nun sind allerdings die schweizerischen Versicherten nicht ausschliesslich auf den Liquidationsertrag der schweizerischen Kautionshinterlagen angewiesen, sondern sie können auch am Konkurse der Gesellschaften in Deutschland teilnehmen. In welchem Umfange ihnen dieses Eecht zusteht, ist bestritten. Zweifellos haben die schweizerischen Versicherten noch einen Anspruch auf den Verwcrtungserlös aus den in Deutschland liegenden freien Mitteln der Gesellschaften.

Dagegen besteht eine auch in den Verhandlungen über die Hilfsaktion zum Ausdruck gekommene Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob die schweizerischen Versicherten für den durch die Verwertung der schweizerischen Kaution nicht gedeckten Teil ihrer Forderungen auch auf die in Deutschland angelegten Prämienreserven greifen können, allerwenigstens in dem Umfange, als das Deckungskapital deutscher Gesellschaften nach dem Bundesratsbeschluss vom 5. Oktober 1915 nicht voll bedeckt wurde. Diese Frage würde gegebenenfalls der zuständige Richter zu entscheiden haben.

Angesichts der fortwährend schwankenden Verhältnisse ist es nicht möglich, die den schweizerischen Versicherten aus einem deutschen Konkurse der Gesellschaften zukommende Quote mit Sicherheit festzustellen. Nach den Schätzungen, die auf Grund der vorhandenen Unterlagen gemacht wurden, muss angenommen werden, dass sich der oben berechnete Konkursanteil der schweizerischen Versicherten von durchschnittlich 17 % bestenfalls nur um wenigeProzente erhöhen würde.

IV.

Das Abkommen.

In Abschnitt II der Botschaft wurde die Einwirkung, dio der Zerfall des deutschen Wechselkurses auf den Vermögensstand der deutschen, in der Schweiz arbeitenden Lebensversicherungsgesellschafteu aiisübte, dargestellt. Aus diesen Darlegungen ergab sich, dass

54&

diese Gesellschaften sich virtuell im Zustande des Konkurses befinden und dass sie sich aus eigener Kraft aus ihrer misslichen Lage nicht mehr befreien können. Die Gefahr des Zusammenbruchs ist eine unmittelbar drohende. Bin solches Ereignis wäre für die Versicherten dieser Gesellschaften und auch für die gesamte private Versicherung «in harter Schlag. Die Erkenntnis der Grosse der bedrohten Interessen hat daher den Gedanken gereift, mit Hilfe der Staaten, auf deren Gebiet die Gesellschaften ihren Geschäftsbetrieb ausgedehnt haben, diese Gefahr abzuwenden und die Versicherten vor schwerem Schaden zu bewahren. Da die Gesellschaften die umfangreichsten Währungsverpflichtungen in der Schweiz besitzen, so wurde zwischen ihr und dem Deutschen Eeich zuerst eine solche Hilfe vereinbart.

Die Motive des Abkommens sind sozialer Natur, wobei die schweizerische und die deutsche Auffassung zwar nicht vom gleichen Beweggrunde ausgehen, aber wegen der Interessenverkuppelung zum.

gleichen Schlüsse gelangen. Nicht den Gesellschaften als solchen soll vom schweizerischen Standpunkte aus die staatliche Hilfe gewährt werden, sondern den Versicherten, die im Begriffe sind, den grössten Teil ihrer bei den deutschen Gesellschaften angelegten Ersparnisse zu verlieren. Nur von diesem Gesichtspunkte aus ist es zu rechtfertigen, dass die Schweiz ihre öffentlichen Mittel in so weitem Umfange für diese Hilfsaktion aufwende. Der Hilfszweck kann nun nur erreicht werden durch eine Sanierung der Gesellschaften. Da es sich aber um deutsche Gesellschaften handelt, ist es in erster Linie Aufgabe des Deutschen Reiches, ihnen zu Hilfe zu kommen, um so mehr, als es sich für das Eeich, das während des Weltkrieges auch die Mittel der Gesellschaften seinen Kriegszwecken tributar machte,, zugleich um die Wahrung seines wirtschaftlichen Ansehens handelt, das durch den Zusammenbrach der bisher angesehensten und bestgeleiteten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften eine dauernde und tiefe Erschütterung erleiden würde. Die Schweiz kann sich an dieser Hilfe nur insoweit beteiligen, als es sich dabei um den Schutz der Interessen seiner eigenen Staatsangehörigen handelt. Aus dieser Überlegung ergibt sich für die schweizerische Auffassung ohne weiteres, dass das Übergewicht der Hilfeleistung beim Heimatstaate der Gesellschaften liegen muss. Auf
die auch zu Beginn der Verhandlungen erörterte Frage eines allfälligen Verschuldens oder des Überwiegens eines solchen bei dem einen oder andern Staate braucht wohl an dieser Stelle nicht eingetreten zu werden, um so weniger, als sie im Laufe der Verhandlungen, weil in diesem Zusammenhange fruchtlos, fallengelassen wurde; sie dürfte auch durch den historischen Teil der Botschaft beantwortet sein. Der oben erwähnte Gesichtspunkt des Interesses war für die Schweiz in den Verhandlungen wegleitend»

546

Von den 10 unter schweizerischer Staatsaufsicht stehenden deutschen Lebensversicherungsgesellschaften sind folgende 8 Gesellschaften durch ihre Währungsverpflichtungen in ihrer Existenz .·bedroht : Gothaer, Lebensversicherungsbank a. G. in Gotha; Leipziger, Lebensversicherungsgesellschaft a. G. in Leipzig; Karlsruher, Lebensversicherung a. G. in Karlsruhe; Teutonia, Leipziger Niederlassung, des Nordstern, Lebensversicherungsaktiengesellschaft in Leipzig; Concordia, Kölnische Lebensversicherungsgesellschaft in Köln; Stuttgarter, Lebensversicherungsbank a. G. in Stuttgart; Germania, Lebensversicherungsaktiengesellschaft in Stettin; Atlas, Lebensversicherungsgesellschaft in Ludwigshafen am Bhein.

Die andern zwei Gesellschaften, die «Friedrich Wilhelm», Lebensversicherungsaktiengesellschaft in Berlin, und die nicht mehr konzessionierte «Berlinische Lebensversicherungsgesellschaft», sind von Währungsschäden nicht ganz verschont geblieben, aber die Erfüllung ihrer schweizerischen Verpflichtungen erscheint vorläufig nicht in Frage gestellt, so dass zur Ausdehnung der schweizerischen Hilfe auf diese Gesellschaften zurzeit keine Veranlassung bestand. Ebenso fallen nicht unter das Abkommen eine Anzahl deutscher Gesellschaften, die vor dem Inkrafttreten des Aufsichtsgesetzes von 1885 das Versicherungsgeschäft in der Schweiz betrieben und bei denen noch alte Versicherungsverträge laufen, die übrigens für die betreffenden Gesellschaften kaum eine Gefahr bedeuten.

1. Zweck und Umfang des Abkommens (Art. 1 und 2).

Wie aus dem im Eingang zu diesem Abschnitt Gesagten hervorgeht, besteht der Zweck des Abkommens darin, die Durchführung der von den genannten 8 deutschen Lebensversicherungsgesellschaften in der Schweiz zu erfüllenden Versicherungsverträge nach Möglichkeit sicherzustellen. Das Abkommen mnfasst jedoch nur die auf Franken lautenden Versicherungen, wahrend die Versicherungen in fremder Währung von demselben ausgeschlossen werden. Es geschieht dies, um die Hilfsaktion möglichst zu vereinfachen und weil ohne Schaden für die Frankenversicherten das Deckungskapital für diese Versicherungen den in Mark bestellten Kautionshinterlagen entnommen werden kann. Es handelt sich im wesentlichen um Markversicherungen, während nur ganz wenige Verträge in anderer nichtschweizerischer Währung bestehen. Es sind hauptsächlich alte Markversicherungen, die vor dem im Jahre 1892 in den Konzessionsbe-

547

dingungen aufgestellten Verbot des Abschlusses von Versicherungen in fremder Währung eingegangen wurden. Das Deckungskapital dieser Versicherungen wird vom übrigen Deckungskapital des Schweizerbestandes ausgesondert, und die Versicherungen werden von den Gesellschaften wie bisher weitergeführt und abgewickelt (Art. l, Abs. 2).

Von der Währung abgesehen, bedarf das Abkommen noch der Abgrenzung auf das unmittelbare Geschäft, und zwar rückgreif end auf die Kapital- und EentenVersicherungen, die seit dem 1. Januar 1922 fällig geworden, aber bis zum Abschlüsse des Abkommens noch nicht erledigt worden sind. Die im Laufe des Jahres 1922 endgültig erledigten Verträge sollen vom Abkommen nicht weiter berührt werden.

Dagegen fallen die wenigen Verträge, die da und dort im Beginne des Jahres 1922 von den valutabelasteten Gesellschaften in der Schweiz noch abgeschlossen worden sind, in die Vereinbarung.

Um dem Verlangen der Aufsichtsbehörde, die Kautionsbestände '/u ergänzen und zu erhöhen, nachzukommen oder um fällige Frankenverpflichtungen zu erfüllen, griffen einzelne Gesellschaften zu Bankvorschüssen, die nun ebenfalls, soweit sie schweizerische Gläubiger betreffen, in das Abkommen eingeschlossen werden mussten, weil sonst durch die betreffenden Banken die Zwangsverwertung und damit das Scheitern der ganzen Hilfsaktion herbeigeführt werden könnte.

Die hierfür, sowie für die Versicherungsverträge überhaupt ini einzelnen erforderlichen Angaben von vorneherein in dem Staatsvertrage festzulegen, bestand kein zwingendes Bedürfnis. Die Aufstellung der Formulare wurde daher der Vereinbarung unter den Aufsichtsbehörden überlassen.

2. Die Abtrennung des schweizerischen Versicherungsbestandes.

Sicherheitsreserve und Überschussverteilung (Art. 3--6).

a. Besondere Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz.

Uni die Inhaber von schweizerischen Versicherungen vor der Gefahr weiterer Währungseinbussen zu sichern, ist eine bilanzmässigo Lostrennung der auf die schweizerischen Frankenversicherungen entfallenden Vermögensanteile vom deutschen Geschäft nicht zu umgehen.

Vor der Aussonderung des Vermögens sind die Anteile der schweizerischen Versicherten an den Gegenwerten der Gewinn- und der freien Eeserven bei jeder einzelnen Gesellschaft festzustellen. Angesichts des stets schwankenden Preisverhältnisses zwischen der Eeichs-

548

mark und dein Selrweizerfranken ist ein fester Massstab schwer zu bestimmen. Deshalb muss die verlangte Feststellung dem Einvernehmen der Aufsichtsbehörden beider Staaten überlassen bleiben.

Der grösste Teil dieser Eeserven ist übrigens durch die rasch fortschreitende Entwertung der Mark bereits aufgebraucht worden zur Deckung der Fälligkeiten in fremder Währung. Was noch vorhanden ist, soll in die Schweiz übergeführt und der Sicherheitsreserve (Art. 6) zugewiesen werden.

Die Abtrennung des Schweizerbestandes soll nach dem Abkommen mit Wirkung auf den 1. Januar 1922 vollzogen werden. Dio unter das Abkommen fallenden Schweizerverträge der einzelnen Gesellschaft sind, rechtlich betrachtet, immer noch Verträge der Gesellschaft. Das Deckungskapital und die Sicherheitsreserve bleiben Gesellschaftsverrnögen, obwohl sie nicht mehr in der Bilanz für das nichtschweizerische Geschäft der deutschen Gesellschaft figurieren.

Im übrigen jedoch ist die Trennung des Schweizerbestandes vom übrigen Geschäft der Gesellschaft vollständig durchgeführt. Das kommt zunächst darin zum Ausdruck, dass für die Schweizerbestände je eine besondere Gewinn- und Verlustrechnung mit Bilanz geführt wird, deren Ergebnis für diese Verträge allein massgebend ist. Bezüglich der Dividende sind einschränkende Bestimmungen vorbehalten.

Die zu Beginn des Jahres 1922 wirklich vorhandene Frankenkaution scheidet aus der allgemeinen Bilanz der Gesellschaft aus. Sie bildet nun den Grundstock des Sondervermögens zusammen mit der neu zu bildenden Sicherheitsreserve (Art. 6). Da diese Frankenwerte aber nur einen verhältnismässig kleinen Teil der Frankenverpflichtungen der Gesellschaft zu decken vermögen -- im Durchschnitt nur etwa 1/& --, so muss gleichzeitig mit der Aufstellung der Sonderrechnung die bisherige vertragliche Versicherungssumme herabgesetzt werden (Art. 7). Das Deckungskapital der erst künftig zu erwartenden Gutscheine (Art. 22, Abs. 2, lit. a) ist in der Sonderbilanz nicht enthalten.

Zu dem vorhandenen Deckungskapital der herabgesetzton Versicherungen treten in der Gewinn- und Verlustrechnung dann die jährlichen Prämien des Schweizergeschäfts und die Zinserträgnisse aus dem Sondervermögen. Als Ausgabeposten erscheinen aie fälligen, bezahlten oder zurückgestellten, herabgesetzten Versicherungsansprüche, allfällige Kückversicherungsprämien,
ferner die in Abs. 2 des Art. 5 begrenzten Abwicklungskosten.

Die Abwicklung der herabgesetzten Versicherungen sowie die Zins- und Kapitalzahlungen der aus ihren Versicherungen geraäss.

Art. 10--13 hervorgegangenen Gutscheine sind von den Gesell-

549

schatten selbst zu besorgen. Dabei ist die Verwaltung der abzuwickelnden Bestände so sparsam als möglich zu gestalten, jede Umorganisierung tunlichst zu vermeiden. Soweit es sich um Aufwendungen der deutschen Gesellschaftszentrale handelt, dürfen Kosten nicht verrechnet werden. Die (dn der Schweiz wirklich entstandenen Kosten» sind auf den Höchstbetrag von 2% % der Prämieneinnahmo und 2 °/oo der Versicherungssumme begrenzt. Über die dem Hilfsfonds zufliessenden Gelder soll eine gesonderte Eechnung nach Massgabe der Geschäftsordnung der Verwaltungskommission aufgestellt werden (Art. 17).

Mit der Errichtung einer gesonderten Bilanz für die Schweizerverträge wird der Vorschrift Bechnung getragen, dass die für schweizerische Versicherungen in Zukunft bezahlten Prämien und dio Zinseinnahmen in der Schweiz verbleiben und nur zugunsten der schweizerischen Versicherungen verwendet werden dürfen. Die Begrenzung der Haftung schweizerischer Gelder hat indessen auch die Folge, dass das übrige nicht ausgeschiedene Vermögen der Gesellschaft für schweizerische Frankenversicherungen nicht haftet (Art. 6, Abs. 5 und 6).

b. Die Sicherheitsreserve und die Überschussverteilung (Art. 6).

Ein wichtiger Bestandteil der Schweizerfranken-Bilanz ist die Sicherheitsreserve. Sie wird gebildet aus den nach Art. 3 übergeführten Anteilen der Gewinn- und der freien Eeserven sowie aus den nichtverteilten Überschüssen. Da es sich regelmässig um absterbende Versicherungsbestände handelt, fallen ihr vielfache Ausgleichsfunktionen zu. Sie hat für Übersterblichkeit, Kursverluste und allfällige Fehlbeträge der Jahresrechnung einzutreten.

Die schweizerische Abrechnung wird voraussichtlich nach einer gewissen Zeit zu Überschüssen führen. Da sie sich auf herabgesetzte, notleidende Versicherungen beziehen, so dürfen sie nicht vorweg verteilt werden. In erster Linie sind sie zur Sicherstellung der normalen Abwicklung zu verwenden, und zwai zur Äuffnung der Sicherheitsreserve, doch soll auch die Überführung in diese Eeservo an gewisse Grenzen gebunden soin, die durch ihre zweifache Maximierung nach der Eisikosumme (75 %) und dem Deckungskapital (10 ()/o) bemessen werden. Ist dann die Sicherheitsreserve genügend dotiert, so ist der Überschuss dem Hilfsfonds (Art. 17) zu überweisen.

Es mag auffallen, dass bei notleidenden Gesellschaften
noch von einer Gewinnverteilung die Eede sein kann und der Gedanke ist naheliegend, sie ganz zu verbieten. Indessen hat man von dieser .Massnahme absichtlich abgesehen, da sie die Konkurrenzfähigkeit

550 der Gesellschaften vernichten, und sie zur Liquidation zwingen würde.

Auch ist zu bedenken, dass für die Versicherungen mit Gewinnanteil ein Prämienzuschlag entrichtet wird und dass somit der Versicherte zwar nicht einen garantierten Gewinnanspruch besitzt, aber doch mit der Auszahlung eines Gewinnanteils rechnen durfte. Der Ausfall der Gewinnzuwoisung macht sich für den Versicherten in einer Prämienerhöhung geltend.

Um womöglich eine Gleichbehandlung aller Versicherten der Gesellschaft herbeizuführen, wurde bestimmt, dass im ganzen Geschäftsgebiet die gleichen Dividendensätze anzuwenden seien. Infolge des gewaltigen Anschwellens der Verwaltungskosten können in Deutschland keine oder kaum mehr nennenswerte Gewinne ausgerichtet werden, während die Liquidation der Schweizerbestände einen höhern Gewinn ergeben kann. Um zu vermeiden, dass die Schweizerversicherten auf einen Gewinnanteil verzichten müssen, weil an die deutschen Versicherten ein solcher nicht ausgerichtet werden kann, wurde bestimmt, dass an erstere jedenfalls 20 % des aus der Abwicklung sich ergebenden Überschusses als Gewinn ausgeschüttet werden dürfen.

3. Die Herabsetzung der Versicherungsleistungen (Art. 7--9).

Da die Kautionen zur vollen Belegung der Deckungskapitalien nicht ausreichen und auch den Gesellschaften keine Mittel zur Verfügung stehen, um diese aufzufüllen, so sollen mit dem Inkrafttreten des Abkommens die Versicherungsleistungen auf einen Betragherabgesetzt werden, der dem in der schweizerischen Kaution wirklich vorhandenen Deckungskapital der Versicherung entspricht. Zur Erklärung dieser Massnahme mögen die nachfolgenden allgemeinen Erläuterungen dienen.

Sollte über eine Gesellschaft der Konkurs erklärt werden, so hat jeder Versicherte eine Forderung in der Höhe des Deckungskapitals (Art. 37, Abs. 2, VVG). Ist das Deckungskapital voll belegt,.

so kann die Versicherung mit demselben und den künftigen Prämien in der ursprünglichen Höhe fortgesetzt werden. Das Kautionsgesetz, sieht daher für diesen Fall in Art. 9 die selbständige Liquidation durch den Bund oder die Übertragung des Versicherungsbestandes auf eine andere Gesellschaft vor. Diese Massnahme ist in bezug auf die Versicherungsbestände der deutschen Lebensversicherungsgesellschaften nicht möglich, es müsste daher nach Art. 10 dieses Gesetzes zur
konkursrnässigen Liquidation der Kautionen geschritten werden. Diese für die Versicherten ungünstigste Lösung soll nun durch das Abkommen vermieden werden. Es soll dies in dei

551 Weise geschehen, dass dem Versicherten die Möglichkeit gegeben wird, die Versicherung mit einer Summe fortzusetzen, die dem vorhandenen Deckungskapital als Einmalprämie und den ·weiterzuzahlenden künftigen Prämien entspricht. Diese Summe erhält er bei der Fälligkeit der Versicherung als Barbetrag ausbezahlt. Für den Teil der Versicherungssumme, der dem Fehlbetrag im Deckungskapital entspricht, erhält er mit dem Inkrafttreten des Abkommens den Anspruch auf einen Gutschein, der ihm bei der Fälligkeit der Versicherungssumme ausgehändigt wird (Art. 13). Diesen Grundsätzen entspricht die in Art. 7 getroffene Ordnung. Nach Abs. l desselben wird die Versicherung in zwei Teile gespalten. Auf den ersten Teil a wird das dafür vorhandene Deckungskapital angerechnet. Dazu kommt als Teil b der Barwert der vertraglich festgesetzten künftigen Prämien. Die mit diesen beiden Grossen gebildete Versicherung kann den Versicherten mit den vorhandenen Mitteln nach Massgabedes Kautionsgesetzes gewährleistet werden, da ihr Deckungskapital voll belegt und sein Gegenwert als Kaution bei der schweizerischen Nationalbank hinterlegt ist.

Für die Ermittlung des Teils a der Versicherung, d. h. der herabgesetzten Barleistung, ist das Deckungsverhältnis am 81. Dezember 1921 massgebend. Es berechnet sich aus dem Verhältnis des in Schweizerfranken vorhandenen zum rechnungsmässigen Deckungskapital (Art. 7, Abs. 3). Die folgende Tabelle gibt hierzu eine Übersicht.

Allerdings fehlen darin noch die Angaben zweier Gesellschaften.

Für diese ist vorläufig das Deckungskapital auf Ende 1920 noch beibehalten worden. Das für die Herabsetzung massgebende Deckungsverhältnis findet sich in Spalte 10.

Auf den 31. Dezember 1921

Zurückzustellendes Dsckungskapital

Gesellschaften

geschtlftBS für Vertrags lautend auf Schweizerfranken

Hinterlagepflicotiges Deckungskapital Hierauf gemila* nach Ibzug der Darlehen und DarlehED und Vorauszahlungen | Iraszalliingen auf Verträge für Verträge lautend auf lautend auf SchweizeFfraokm Scnweizerfranken

Wirkliche Deckung in schweizerischen Werten.

Bis zum 31. Dezember 1921 hinterlegte Sicherstellunsren in schweizerischer Währimg.

Wertschriften

2-3

i

2

Fr.

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Gothaer .

Leipziger .

Karlsruher Teutonia .

Concordia .

Stuttgarter.

Germania*) Atlas *) . .

.

.

.

.

.

.

.

Total Ausserdem Versicherungen In ausländischer Wahrung.

3

4

Fr.

' Fr.

17,251,979 2,418,421 14,833,558 32,359,421 3,191,550 29,167,871 23,046,595 1,569,936 21,476,659 10,641,935 796,497 9,845,438 5,111,551 336,000 4,775,551 30,299,169 2,209,903 28,089,266 15,933,849 915,798 15,018,051 2,207,386 519,100 1,688,286 136,851,885 11,957,205 124,894,680 Mk. 7,244,792 Mk. 128,416 Mk. 7,116,376 b. Fr. 6,504 b. Fr. 6,504 o. Kr. 196,845 !

|8. Kr. 196,845

i *) Angaben per Ende 1920.

Gesamtsicherstellung in Schweizerwährung

Nominalwerte

5 Fr.

1,855,000 2,045,000 2,092,000 1,159,000 220,500 200,000 822,000 365,250 8,758,750

durch Grundpfand sichergestellte Forderungen

Nominalwert

Kurswert Ende 1921

5+6

Nominal- Kurswert wert der Sicberttellungen in Schweiztrwitining in % des Deckungsiapitals für Vertrag: gut Schweizerfranktn

6

7

8

9

10

Fr.

Fr.

Fr.

7o

°,'o

24.24

22.08 22.«

1,740,500 4,716,000 -- -- -- 5,088,000 2,300,000

-- 13,844,500

i ') Inkl. Hinterlage von Fr. 865,000 im Februar 1922.

3,595,500 3,349,300 6,761,000 ') 6,548,213 2,092,000 1,867,834 1,159,000 1,039,068 220,500 184,326 5,288,000 5,254,500 3,122,000 2,759,137 365,250 272,201 22,603,250 21.274,579

23.18 9.74 11.77 4.62 18.8S

8.70 10.55

3.86

20.79

18.7) 18.37

21.03

16.13

18.10

17.03

552

Zurückzustellendes Deckungskapital, hinterlagepflichtiges Deckungskapital und wirkliche Deckung in schweizerischen Werten per 31. Dezember 1921.

553 Für die einzelne Versicherung hat diese Herabsetzung auf den Schiusa des Versicherungsjahres stattzufinden, der dein 31. Dezember 1921 am nächsten liegt. Als solcher fällt daher der Schluss des Versicherungsjahres in Betracht, der zwischen dem 1. Juli 1921 und dem 1. Juli 1922 liegt (Art. 7, Abs. 4). Durch diese Terminfestsetzung wird erreicht, dass das Herabsetzungsdatum nicht etwa auf einen spätem Zeitpunkt fällt, als eine noch nicht reglierte Versiehe rang fällig wurde, dass somit das Abkommen auf die fälligen aber noch nicht reglierten Versicherungen anwendbar ·wird. Seit dem 31. Dezember 1921 sind allerdings noch weitere Kautionswerte eingeliefert worden. Auch haben die hinterlegten Wertschriften (Nennwert rund Fr. 8,75 Millionen) einen "Wertzuwachs infolge des Steigens der Börsenkurse erfahren. Diese Mehrwerte gehören ebenfalls zum schweizerischen Frankendeckungskapital. Die nähere Berücksichtigung dieser kleinen Verbesserungen wird auf dem Wege des Goschäftsplanes zu suchen sein.

Beispiel der Herabsetzung der Versicherungsleistungen.

a. Kapitalversicherungen (Art. 7).

In welcher Weise sich die oben skizzierte Herabsetzung der Versicherungssumme auswirkt, möge anhand von Beispielen dargestellt werden. Wenn unter normalen Verhältnissen die Prämienzahlung auf eine Lebensversicherung eingestellt wird, so wandelt sich diese in eine prämienfreie mit herabgesetzter Versicherungssumme um. Der Betrag der letzteren bemisst sich nach dem auf die Versicherung angesammelten Deckungskapital, das als Einmalprämie für die reduzieite Versicherung verwendet wird. Die letztere richtet sich somit nach dem vorhandenen Deckungskapital. Dieser Zusammenhang zwischen Deckungskapital und prämienfreier Versicherung dient nun für die folgenden Beispiele als Wegleitung. Als solche greifen wir lauter gemischte Versicherungen heraus, die im Alter von 25 Jahren auf eine Dauer von 30 Jahren über eine Summe von Fr. 10,000 abgeschlossen wurden. Bei der betreffenden Gesellschaft seien auf den 81. Dezember 1921 20% des Soll-Deckungskapitals in Schweizerfranken vorhanden, so dass für jede einzelne Versicherung auch nur 20 % des rechnungsmässigen Deckungskapitals verfügbar sind. Als Eechnungsgrundlage möge die bekannte Sterbetafel M und W I mit einem Kinsfuss von 3% % Verwendung finden.

1. Fall. Auf die Versicherung seien bei der Herabsetzung ·5 Jahresprämien bezahlt. Unter normalen Verhältnissen ergäbe sich Bundesblatt.

74. Jahrg.

Bd. III.

38

554 aus dem rechnungsmässigen Deckungskapital von Fr. 971 eine prämienfreie Versicherung von , Fr. 2,009 Da aber nur 20 % des Deckungskapitals vorhanden sind, 80 % somit fehlen, so müssen hiervon auf Gutschein angewiesen werden 0,s X Fr. 2009 oder . . . . » 1,607 Aus dem vorhandenen Deckungskapital sind gewährleistet 0,2 X Fr. 2009 = Fr. 402 Durch die künftig zu zahlenden Prämien weitere » 7991 » 8,898 Total ursprüngliche Versicherungssumme Fr. 10,000 Nach der Herabsetzung lautet daher die Versicherung auf einen Gutscheinbetrag von Fr. 1,607 und auf einen gewährleisteten Betrag: bei Fortsetzung der Prämienzahlung » 8,893 bei Einstellung der Prämienzahlung » 402.

2. Fall. Auf die Versicherung seien bei der Herabsetzung 15 Prämien bezahlt.

Unter normalen Verhältnissen ergäbe sich aus dem rechnungsmässigen Deckungskapital von Fr. 8550 eine prämienfreie Versicherungssumme von Fr. 5.625 Da aber vom Deckungskapital 80 % fehlen, so muss der Gutscheinbetrag festgesetzt werden auf 0,s X Fr. 5625 = » 4,500' Aus dein vorhandenen Lteckungskapital ergibt sich eine gewährleistete Versicherungssumme von 0,2 X Fr. 5625 = Fr. 1125 aus den noch zu zahlenden Prämien von . . . » 4375 » 5,500.

Total ursprüngliche Versicherungssumme Fr. 10,000'Nach der Herabsetzung lautet daher die Versicherung auf einen Gutscheinbetrag von Fr. 4,500> und auf einen gewährleisteten Betrag : bei Fortsetzung der Prämienzahlung von » 5,500' bei Einstellung der Prämienzahlung, von » 1,125 8. Fall. Auf die Versicherung seien bei der Herabsetzung.

25 Prämien bezahlt.

555 Unter normalen Verhältnissen liesse sich aus dem rechnungsmässigen Deckungskapital von Fr. 7889 eine prämienfreie Versicherung bilden von Fr. 8,657 Gestützt auf die fehlenden 80 % im Deckungskapital ergibt sich daher ein Gutscheinbetrag von 0,s X Fr. 8657 » 6,926 Die gewährleistete Versicherungssumme stellt sich demnach aus dem vorhandenen Deckungskapital auf 0,2 X Fr. 8657 Fr. 1781 aus den noch zu zahlenden Prämien » 1343 » 3,074 Total ursprüngliche Versicherungssumme Fr. 10,000 Nach der Herabsetzung lautet daher die Versicherung auf einen Gutscheinbetrag von Fr. 6,926 und auf einen gewährleisteten Betrag: bei Fortsetzung der Prämienzahlung von » 8,074 bei Einstellung der Prämienzahlung von » 1,781 4. Fall. Im Zeitpunkte der Herabsetzung sei die Versicherung fällig. Ein Jahr vorher sei die letzte vertraglich geschuldete Prämie bezahlt worden, die Versicherungsdauer somit abgelaufen.

In diesem Falle hat das rechnungsmässige Deckungskapital den Betrag der Versicherungssumme erreicht.. Diese wird deshalb herabgesetzt auf den Betrag des vorhandenen Deckungskapitals, somit auf 20% der vertraglichen Summe. Demnach beläuft sich die Gutscheinsumme auf 0,8 X Fr. 10,000 Fr. 8,000 und die bar auszuzahlende Summe auf 0,2 X Fr. 10,000 » 2,000 Total ursprüngliche Versicherungssumme Fr. 10,000 Anmerkung. Bei Versicherungen, auf die vertraglich eine bestimmte Anzahl von Prämien zu zahlen ist, wie z. B. bei den gemischten Versicherungen, wird der Betrag der prämienfreien Versicherung vielfach nach der sogenannten Proportionsregel bestimmt. Danach ermässigt sich die Versicherungssumme bei der Einstellung der Prämienzahlung im Verhältnis der Zahl der entrichteten zu der Zahl der vertraglich bedungenen Prämien.

Sind z. B. auf eine Versicherung von Fr. 10,000 von den 30 nach Vertrag zu leistenden Prämien' nur 12 bezahlt worden, so wird die Versi cherungs12 summe auf -- x Fr. 10,000 = Fr. 4000 reduziert. Nach der NettorechoU

nung aber, die für die Bestimmung der herabgesetzten Versicherung nach dem Abkommen anzuwenden ist, erhält man etwas höhere Umwandlungswerte und infolgedessen auch höhere Gutscheinbeträge. So liefert die Proportionsregel im obigen Fall 2 einen Umwandlungswert von -- x Fr. 10,000 oO

= Fr. 5000 und einen Gutscheinbetrag von 0,s X Fr. 5000 = Fr. 4000,

556 während die genaue Rechnung nach dem obigen Fall 2 einen Umwandlungswert von Fr. 5625 und einen Gutscheinbetrag von Fr. 4500 liefert. Die Proportionalregel kann deshalb bloss für eine rohe Annäherung benutzt werden.

b. Rentenversicherungen (Art. 8).

Das hier angewendete System für die Verteilung des Fehlbetrages im Deckungskapital passt sich den Kapitalversicherungen recht gut an, weniger aber den EentenVersicherungen. Zum Glück ist die Zahl der letztern nicht sehr gross. Ihre Zahl belief sich Ende 1920 auf 78 Policen über Fr. 72,197 Eenten. Nach Art. 8 erfolgt nun auch Mer die Herabsetzung der Bente nach Massgabe des Deckungsverhältnisses. Besitzt eine Gesellschaft 20 %ige Deckung, so wird z. B.

eine Bente von Fr. 1000 auf 20 % hiervon, d. h. auf Fr. 200 herabgesetzt. Für den Barwert der Bestrente erhält der Bentenbezügei einen zu 3% %· verzinslichen Gutschein. Diese Herabsetzung wird bei altern Versicherten besonders empfindlich. Steht obiger Bentenbezüger z. B. im Alter von 65 Jahren, so hat die gesprochene Bente von Fr. 800 nach der französischen Bentnertafel zu 3%% einen Barwert von 8,876 X Fr. 800 = Fr. 7,100.

Der Gutschein wird auf diesen Betrag von Fr. 7100 lauten und der Zins hiervon Fr. 248.50 per Jahr betragen. Statt der Bente von Fr. 1000 erhält er somit fortan jährlich nur noch einen gewährleisteten Betrag von Fr. 200. -- und als Gutscheinzins » 248.50 Zusammen Fr. 448. 50 Die Aussicht, nach 25 oder 30 Jahren den Gutscheinbetrag ausbezahlt zu erhalten, bietet ihm bei seinen vorgerückten Jahren nur einen mangelhaften Ersatz und entspricht seiner Versicherungsabsicht nicht, indem diese beim Abschluss darauf gerichtet war, aus dem angelegten Kapital eine bis zu seinem Tode gleichbleibende Jahresleistung zu erhalten. Die Art, wie die Mittel für die Gutscheine zu beschaffen sind, liess aber eine andere Behandlung der Bentenversicherungen nicht zu.

c. Verrechnung der Policendarlehen (Art. 7, Abs. 5).

Nach analogen Gesichtspunkten iindet auch die Verrechnung bestehender Policendarlehen statt. Da dem versicherten Konkursgläubiger jedenfalls das Becht zusteht, ein Policendarlehen gegen seine Konkursforderung zu verrechnen, so wird ihm nun bei der Neuregelung seines Versicherungsanspruchs nach Art. 7, Abs. 5, des Abkommens das Policedarlehen auf dem rechnungsmässigen Deckungs-

557

kapital verrechnet. Dadurch wird seine Versicherungssumme um den Betrag herabgesetzt, dessen Banvert dem Policendarlehen samt allfälligen Zinsen entspricht. Umgekehrt wird er in der Weise begünstigt, dass er mehr als den ihm zukommenden Anteil an der vorhandenen Kaution als Policendarlehen erhalten haben kann und nun doch noch für den Unterschied zwischen rechnungsmässigem Deckungskapital und Policendarlehen auf einen gewährleisteten Barbetrag und eine Gutscheinsumme Anspruch hat.

4. Der Gutschein (Art. 10--16).

.In den Erläuterungen zu Art. 7 wurde erwähnt, dass die Versicherungen mit dem Inkrafttreten des Abkommens in zwei Teile getrennt werden sollen. Der Versicherungsnehmer erhält eine Versicherung, die dem vorhandenen Deckungskapital und den künftig zu leistenden Prämien entspricht und die durch das nunmehr voll bedeckte Deckungskapital sichergestellt wird. Für den Unterschied zwischen dieser und der ursprünglichen Versicherungssumme erhält der Versicherte den Anspruch auf einen Gutschein, der aber erst mit der Fälligkeit der Versicherung nach aussen in Erscheinung tritt.

Mit der Auszahlung der Versicherungssumme, die der Versicherte als Barleistung erhält, wird ihm nunmehr auch der Gutschein ausgehändigt.

Der Gutschein ist eine gewöhnliche Schuldurkunde wie die Police und wird auf den Namen derjenigen Person ausgestellt, die vom Anspruchsberechtigten aus der Versicherung, an den die Gesellschaft die Versicherungssumme mit befreiender Wirkung auszahlt, als Berechtigter aus dein Gutschein bezeichnet wird, also z. B. von mehreren Erben derjenige, der bei der Teilung auf diesen Gutschein verwiesen wird (Art. 16). Der Gutschein ist als Legitimationspapier nach Analogie der Sparhefte ausgestaltet. Zahlstelle ist der Generalbevollmächtigte der Gesellschaft, mit dem sich bisher der Geschäftsverkehr abgewickelt hat, doch kann die Verwaltungskommission noch andere schweizerische Zahlstellen bezeichnen (Art. 25, Abs. l und 2), was namentlich im Schlussstadium der Aktion praktisch wirken kann.

Der Gutschein wird durch die Verwaltungskommission (Art. 17, Abs. 5) ausgegeben und ist von der Gesellschaft, aus deren Verpflichtung er hervorgegangen ist, mitzuunterzeichnen (Art. 24). Die Mit Unterzeichnung durch die Gesellschaft bezweckt, diese auch weiterhin an der Abwicklung der Gutscheine zu interessieren
und sie wenigstens moralisch nicht völlig aus der Haft zu entlassen. Aus dem Gutschein sollen die getilgten Beträge ersichtlich sein (Art. 25, Abs. 3).

Es wurde auch erwogen, ob dem Gutschein Wertpapiercharakter ge-

558 geben werden solle, indem er z. B. auf den Inhaber gestellt und mit.

Zinseoupons versehen würde, doch schienen die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen hierfür nicht vorzuliegen. Dagegen kann, um eine Abfindung mehrerer Anspruchsberechtigter unter sich zu erleichtern, eine Ausstellung der Gutscheine in Teilbeträgen in Aussicht genommen werden.

Der Gutschein soll zu 8% % verzinst werden, ausgenommen bei den noch zu erwähnenden Gutscheinen für prämienfreie und rückgekaufte Versicherungen, die unverzinslich sein sollen (Art. 12 und 18).

Die Operation der Trennung der Versicherungsverträge in eine reduzierte Versicherung und in einen Gutscheinbetrag soll nicht allein Anwendung finden auf die erst nach dem Inkrafttreten des Abkommens fällig werdenden Kapital- und Eentenversicherungen, sondern sie soll auch rückwirkend alle Versicherungen umfassen, die nach dem 81. Dezember 1921 fällig geworden sind. Diese letztern werden als Abfindung den Barbetrag des auf ihre Versicherung entfallenden Deckungskapitals und für den Kestbetrag einen Gutschein erhalten/ Analog den fälligen Kapitalversicherungen werden die unter das Abkommen fallenden B a n k v e r p f l i c h t u n g e n behandelt (Art. 11).

Dabei werden die von den Gesellschaften den Banken geleisteten Eealsicherheiten der Barleistung auf Grund einer herabgesetzten Versicherung gleichgestellt, und zwar werden sie ihnen zum Werte vom 31. Dezember 1922 angerechnet.. Sollten sich bei der Berechnung dieser Sicherheiten zwischen der Bank und der Gesellschaft Meinungsverschiedenheiten ergeben, so soll die Verwaltungskommission des Hilfsfonds (Art. 17) über dieselben entscheiden. Eine allfällige Auslösung der Pfänder durch die Gesellschaft ist der Verständigung dieser ' mit der Bank vorbehalten.

Für den Teil der Bankforderung, der durch die der Bank gestellte Sicherheit nicht gedeckt ist, erhält diese einen Gutschein, der vom 81. Dezember 1922 an zu 3%% verzinslich ist. Diese Gleichbehandlung der Bankforderungen mit den Versicherungsansprüchen ist gerechtfertigt durch den Umstand, dass es sich um Bankschulden handelt, die von den Gesellschaften direkt oder indirekt im Interesse der schweizerischen Versicherten eingegangen wurden zur Beschaffung von Mitteln zur Zahlung fälliger Versicherungsleistungen oder zur Erhöhung der schweizerischen
Kaution.

Wird eine Versicherung fällig, die wegen Nichtzahlung der Prämie in eine prämienfreie umgewandelt war, so erhält der Versicherte für den dem Fehlbeträge des Deckungskapitals entsprechenden Teil der reduzierten Versicherung ebenfalls einen Gutschein, der

559 "/M $y2 % verzinslich ist. Eine Verzinsung wird jedoch nicht gewährt, wenn die Prämienzahlung nach dem 14. März 1922 eingestellt wurde.

Dieser Zeitpunkt entspricht dem Datum des Erlasses des bundesrätlichen Verbotes des Kückkaufs und der Beleihung \ron Policen. Die Bestimmung bezweckt, die Versicherten nach Möglichkeit zur Fortführung der Versicherung im vollen Betrage zu veranlassen, um der mit zahlreichen Umwandlungen verbundenen Gefahr der sog. Antiselektion, d. h. der Erhöhung der Sterbüchkeit durch Ausscheidung der guten Bisiken entgegenzuwirken, da diese zu weitern, technisch allerdings zum vornherein schwer zu berechnenden Verlusten führen müsste. Die auf diesen Gutscheinen ersparten Zinse werden der Abwicklung der Gutscheine zustatten kommen.

Beim Eückkauf der Versicherung erhält der Versicherte denjenigen Betrag in bar, der dem Eückkdufbetrage der nach Art. 7, Abs. l, lit. a und b, herabgesetzten Versicherungssumme entspricht.

Pur den dem Gutscheinanspruch entsprechenden Teil der ursprünglichen Versicherung wird ihm ein Gutschein ausgestellt, der ebenfalls unverzinslich ist. Für die Vorenthaltung des Zinses auch auf dem beim Bückkauf auszustellenden Gutschein sind die für den Fall der Umwandlung der Versicherung in eine prärnjenfreie erwähnten Gesichtspunkte ebenfalls massgebend.

Die Beleihung der Versicherung, der die Vorauszahlung gleichsteht, kann naturgemäss nur bis zum Betrage des ini Zeitpunkt der Beleihung vorhandenen Deckungskapitals der nach Art. 7, Abs. l, herabgesetzten" Versicherung gewährt werden.

Voraussetzung der Beleihung und des Rückkaufs der Versicherungen ist die Aufhebung des immer noch geltenden Rückkaufs- und Beleihungsverbotes. Dieses Verbot wird für eine noch nicht zu bestimmende Zeit, wenigstens aber bis zum Inkrafttreten des Abkommens, fortbestehen müssen. Nach Art. 9, Abs. 2, des Kautionsgesetzes ist der Bundesrat befugt, die Rückkaufs- und Beleihungssperre für die Dauer von 3 Jahren zu erlassen. Diese Vorschrift genügt indessen im vorliegenden Falle nicht, da die Voraussetzungen für diese Massnahmo in einem spätem Zeitpunkte wieder eintreten und die Durchführung der Hilfsaktion stören können. Das Abkommen berechtigt daher den Bundesrat, während der ganzen Dauer dor Hilfsaktion den Rückkauf und die Beleihung der unter das Abkommen fallenden Policen
auszuschliessen (Art. 18, Abs. 3). Für den Fall, dass Rückkäufe und Beleihungen in einem das normale Mass übersteigenden Umfange verlangt werden, ist dem Bundesrate der Erlass der Verfügung durch eine besondere Bestimmung noch ausdrücklich zur Pflicht gemacht.

560 Durch die Eeduktion der Versicherungen nach den im Deckungskapital vorhandenen Mitteln wird bewirkt, dass sich die schweizerischen Versicherungsbestände ohne Zuschüsse seitens der Gesellschaften oder der Staaten selber erhalten können. Die Deckungskapitalien sind nach der ßeduktion der Versicherungen voll bestellt und werden durch die eigenen Zinsen und die Einlage der Sparprämien nach den technischen Erfordernissen geäufnet. Die Beträge nur Zahlung der Fälligkeiten müssen daher dem als Kaution hinterlegten Deckungskapital entnommen werden. Die Gesellschaften sollen indessen auch zu diesem Zwecke über das Kautionsdepot nicht frei verfügen können, sondern die erforderlichen Beträge sollen ihnen erst auf ihren Antrag freigegeben werden (Art. 15).

Nach der Herabsetzung gewährte Vorauszahlungen und Darlehen auf Policen sind beim Fälligwerden der Versicherungsleistungen auf die Barzahlungen zu verrechnen (Art. 15).

5. Der Hilfsfonds (Art. 17--30).

a. Aufgaben und rechtliche Natur des Hilfsfonds (Art. 17, Abs. 1).

Da sich in den Gutscheinen derjenige Teil der ursprünglichen Versicherungen verkörpert, für welche die Gesellschaften nicht aus eigenen Mitteln aufkommen können, so müssen zur Erfüllung der Gutscheinansprüche die vertragschliessenden Staaten aufkommen.

Nun geht es aber nicht an, die Beiträge der Staaten einfach den hilfsbedürftigen Gesellschaften zu überweisen und sie im übrigen mit der Verwendung dieser Gelder und der Abwicklung der Gutscheine zu betrauen, sondern es niuss eine besondere Organisation geschaffen werden, der diese Aufgabe zu übertragen ist. Zu diesem Zwecke bilden die vertragschliessenden Teile den «Deutschschweizerischen Hilfsfonds für die Durchführung der von deutschen Lebensversicherungsgesellschaften in 'der Schweiz in Franken zu erfüllenden Versicherungsverträge» im nachstehenden kurz «Hilfsfonds» genannt. Er soll eine selbständige Zwischenorganisation zwischen den Staaten und den Versicherten bilden. Damit der Hilfsfonds seine Aufgabe erfüllen kann, wurde ihm im Abkommen ausdrücklich die Eigenschaft einer rechtlichen Persönlichkeit zuerkannt. Er erscheint somit als eine öffentlich-rechtliche Körperschaft im Sinne des Art. 52, Abs. 2, ZGB, deren Sitz sich in Bern befinden soll. Da sich ihre Entstehung unmittelbar auf das Abkommen gründet, so bedarf es zu ihrer Entstehung keiner besonderen Gründungsurkunde und auch nicht der Eintragung in das schweizerische Handelsregister. Als juristische Person kann der Hilfsfonds eigenes Vermögen besitzen, in eigenem

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Namen Bechte erwerben und klagen und verklagt werden. Die Ansprüche der Gutscheininhaber aus ihren Gutscheinen sind Forderungen gegen den Hilfsfonds und nicht etwa 'gegen die vertragschliessenden Staaten oder gegen die Gesellschaften.

b. Die Verwaltung des Hilfsfonds (Art. 17, Abs. 4--8).

Zur Verwaltung des Hilfsfonds soll eine Verwaltungskommission bestellt werden, in der die vertragschliessenden Staaten zu gleichen Teilen vertreten sein sollen, nämlich jeder derselben mit zwei Mitgliedern und zwei0 Stellvertretern. Dio Frage des Vorsitzes ist im Abkommen nicht geregelt, sie soll einer spätem Vereinbarung vorbehalten bleiben. Der Bundesrat, als .Regierung des Staates, in dessen Gebiet der Hilfsfonds seinen Sitz hat und dessen Recht er untersteht, führt die Aufsicht über ihn. Damit ist der Hilfsfonds nicht etwa als neues Amt in den eidgenössischen Verwaltungsorganismus, mit dessen Rekursrecht usw. eingestellt, wohl aber hat der Bundesrat darüber zu wachen, dass die Verwendung der von den beiden Staaten dem Hilfsfonds zur Verfügung gestellten Mittel dem Abkommen gemäss erfolge.

Die Aufgaben des Hilfsfonds und seine Verwaltung sollen in einer Geschäftsordnung festgesetzt werden, die von der Verwaltungskommission aufzustellen und von den beiden Regierungen zu genehmigen ist. Sie bestehen in der Hauptsache in der Anlage und in der bestimmungsgemässen Verwendung des Hilfsfondsvermögens (Art. 22, 23 und 27) und in der Ausgabe der Gutscheine (Art. 21). Die Verwaltungskommission stellt sodann in der Geschäftsordnung den grundlegenden Plan für die Rückzahlung der Gutscheine fest (Art. 26).

Die Gestaltung des Tilgungsplanes wurde in den Verhandlungen eingehend besprochen. Es bestand die Meinung, dass eine Form der Tilgung gefunden werden sollte, bei der die alten Versicherungen mit relativ hohen Gutscheinen rascher abgefunden werden. Es ergab sich aber als zweckmässig, die hierfür rnassgebenden Grundsätze und Detailbestimmungen der Geschäftsordnung vorzubehalten.

Die Organisation des Hilfsfonds soll möglichst einfach sein und der zur Durchführung seiner Aufgabe erforderliche Apparat auf das Notwendigste beschränkt werden. Doch wird zur Führung der laufenden Kontrolle und für die Ausgabe der Gutscheine, sowie zur Besorgung der mit den Vermögensanlagen verbundenen Arbeit- die Einstellung einer oder mehrerer Hilfskräfte nicht zu umgehen sein.

In diesem Falle sind die Angestellten von der Verwaltungskommission zu wählen.

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Die Kosten der Verwaltung des Hilfsfonds sollen weder von den Staaten noch von den Gesellschaften, sondern vom Hilfsfonds selber getragen werden.

c. Die Finanzierung des Hilfsfonds (Art. 18--21).

a. Das Betriebskapital (Art. 17, Abs. 2 und 3).

Der Hilfsfonds soll mit einem Betriebskapital von 800,000 Schweizerfranken ausgestattet werden, wovon 2/s vom Deutschen Reich und l/a von der Eidgenossenschaft aufzubringen sind. Hiervon wird die erste Hälfte beim Inkrafttreten des Abkommens, die andere am 1. Oktober 1922 fällig (Abs. 2). Diese Beträge gelten als Vorauszahlungen auf den Leistungen der beiden Staaten, die sie nach den Art. 20 und 2] über die Quoten von 4,2 % bzw. 2,i % der Summe der ausgegebenen Gutscheine hinaus zu leisten haben (Abs. 8).

Das Betriebskapital des Hilfsfonds wurde auf Fr. 300,000 festgesetzt, weil der Bedarf an fälligen Gutscheinzinsen voraussichtlich diesen Betrag erreichen wird, bis der erste Abgabeanteil des deutschen Beiches am 1. April 1924 in den Hilfsfonds fliesst.

b. Die finanziellen Leistungen des Deutschen Reiches (Art. 18--20).

Um die Mittel für die dem Deutschen Beiche obliegenden Verpflichtungen gegenüber dem Hilfsfonds aufzubringen, will dieses von allen auf seinem Gebiete arbeitenden Lebensversicherungsunternehmungen während der ganzen Dauer der Hilfsaktion eine Abgabe erheben, die insgesamt 9 °/oo des im letzten Jahre erzielten in- und ausländischen Neugeschäftes erbringen soll. Die Entscheidung über die Art der Erhebung ist dem Beiche als eine interne Angelegenheit desselben überlassen, doch ist nach den Mitteilungen der deutschen Delegation eine wesentlich stärkere Belastung der valutabelasteten Gesellschaften in Aussicht genommen. Bei den im Deutschen Beiche zum Geschäftsbetriebe zugelassenen ausländischen Gesellschaften soll die Abgabe nur von ihrem im deutschen Beiche erworbenen Neugeschäft erhoben werden.

Die Abgabe soll sich auf ein noch zu erlassendesBeichsgesetz gründen und vom 1. Januar "1923 an geleistet werden. Da aber das Abkommen in diesem Zeitpunkte nicht in Kraft getreten sein wird, so wird der Neuzugang nur zur Hälfte in Ansatz gebracht bis zum Ende des Kalenderquartals, in dem das Abkommen in Kraft tritt.

Die unter das Abkommen fallenden Lebensversicherungsverträge und die durch sie Versicherten dürfen mit Abgaben für die Hilfsaktion nicht belastet werden.

563 Sollte die Lebensversicherung in Deutschland verstaatlicht werden, so ist die Abgabe von der staatlichen Versicherungsanstalt zu leisten in der Höhe des während der letzten 5 Jahre erzielten durchschnittlichen Abgabebetrages.

Die Keichsabgabe muss auch für die Valutaverpflichtungen der deutschen Lebensversicherungsgesellschaften in andern Staaten mit gesunder Valuta aufkommen. Die Verteilung auf diese Staaten richtet sich nach dem anteiligen Fehlbeträge auf 31. Dezember 1921 (Art. 19, Abs. 1). Auf die Schweiz trifft es nach den Schätzungen der deutschen Experten rund zwei Drittel der ganzen Abgabe. Erreichen die Neuabschlüsse 50 Milliarden Mark per Jahr, so betrüge die 'Reichsabgabe 450 Millionen Mark, wovon demnach 800,000,000 Mark, oder zum heutigen Wechselkurse rund l Million Franken auf die Schweiz entfielen; wir sind uns aber wohl bewusst, dass diese Zahlen abhängig sind von dem mehr oder weniger grossen Vertrauen, das sich der Versicherungsgedanke für die Zukunft in Deutschland bewahren wird.

Als Datum der Fälligkeit wird der erste April des Folgejahres festgesetzt; die Abgabe ist daher erstmals am 1. April 1924 für das Jahr 1923 abzuliefern (Art. 19, Abs. 2).

Die Abgabe des Keicb.es hat sich nach der Summe der ausgegebenen Gutscheine zu richten, indem diese für den Bedarf an Zinsen und Tilgungsbeträgen massgebend sind. Art. 20 verpflichtet das Reich zur Leistung von 4,2 % aller in den letzten 25 Jahren ausgegebenen, mindestens aber 4,2 % der Hälfte aller überhaupt in Schweizerfranken ausgegebenen Gutscheine.

Diese Bestimmungen bedürfen einer kurzen Erläuterung. Mit dem Beitrag der Eidgenossenschaft von 2,i % des Gutscheinbetrages stehen zu Verzinsung und Amortisation zusammen 6,3 % per Jahr zur Verfügung, die eine Tilgung in 23% Jahren ermöglichen. Hätte das Eeich nun bloss 4,2 % des Betrages der noch umlaufenden Gutscheine zu leisten, so würde jeder derselben in 23% Jahren getilgt.

Die z. B. noch im Jahre 1950 auszugebenden Gutscheine werden aber nur noch wenig zahlreich sein und im Verhältnis zur fälligen Versicherungssumme auch prozentual niedrige Beträge erreichen.

Art. 20 bewirkt, dass die Eeichsleistung wenigstens in der Hälfte ihrer Höchstleistung bis zur Tilgung sämtlicher Gutscheine erhalten bleibt, wodurch eine unnötige Erstreckung der Stützungsaktion durch die Abwicklung
dieser kleinen Gutscheinsummon vermieden wird.

Sollte der gemäss Art. 19 auf die Schweiz entfallende Anteil an der Abgabe nicht den Mindestbetrag von 4,a % ergeben, so hat das

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Beich aus andern Mitteln für den Ausfall aufzukommen. (Art. 20, Satz 2). Das gilt auch für den Fall der Verstaatlichung der Lebensversicherung (Art. 18, Abs. 3).

c. Die finanziellen Leistungen des Bundes (Art. 21).

Der Beitrag der Eidgenossenschaft hat jeweilen halb soviel zu betragen wie der des Eeiches. Er ist nach Eingang des Keichsbeitrages innerhalb Monatsfrist zu leisten (Art. 21). Hierin liegt auch die Bedingung, dass die Eidgenossenschaft nur dann leistet, wenn das Eeich seinen finanziellen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Zudem sind die Leistungen der Eidgenossenschaft begrenzt, auf den Betrag von 88'/a Millionen Franken Barwert, zu 4 % gerechnet. Da sich diese Zahlungen auf Jahre verteilen, so wird ihre Summe den Betrag von 33% Millionen erheblich übersteigen.

d. Die Verwendung der Beiträge an den Hilfsfonds (Art. 22).

Die dem Hilfsfonds jährlich zufliessenden Beträge sollen in erster Linie verwendet werden zur Verzinsung der Gutscheine, soweit sie verzinslich sind. Die Ausrichtung der Zinsen an die Gutscheininhaber soll durch die Gesellschaften erfolgen, die hierfür in ihrer schweizerischen Versicherungsorganisation, soweit sie zur Abwicklung der Verträge noch erforderlich ist, die hierfür notwendigen Organe besitzen. Indem die Gesellschaften mit dieser Aufgabe betraut werden, wird dem Hilfsfonds ein Ausbau seiner Organisation durch Errichtung von eigenen Zahlstellen erspart, und die Gesellschaften werden wenigstens indirekt an -dem Schicksal der Gutscheine durch Eintragen ihres Namens interessiert.

Die Verwaltungskommission überweist jeweilen nach Eingang der Beiträge der Staaten den einzelnen Gesellschaften diejenigen Summen, die nötig sind, um die aus ihren Verpflichtungen hervorgegangenen Gutscheine zu verzinsen mit dem Auftrage, die Zinsen an die Gutscheininhaber auszuzahlen.

Die über die Verzinsung hinaus zur Verfügung stehenden Mittel werden an den Hilfsfonds abgeführt und verwendet : a. für eine Sicherstellung der erst künftig aus den noch laufenden Versicherungsverträgen zu erwartenden Gutscheine; b. für die Bückzahlung der umlaufenden Gutscheine.

Die Verteilung auf diese beiden Zweckbestimmungen hat im Verhältnis der anteiligen Gutscheinbeträge zu erfolgen, wobei die söge-

565

nannten latenten Gutscheine (lit. a) naturgemäss mit ihrem Barwert in Eechnung zu stellen sind. Periodisch werden nach Massgabo der inzwischen neu ausgestellten Gutscheine die anteiligen Beträge aus der Bücklage an den Rückzahlungsfonds übergeführt (Art. 22, Abs. 2, 3 und 4).

Im ganzen Verlaufe der Aktion müssen schätzungsweise insgesamt etwa für 120 bis 150 Millionen Franken Gutscheine ausgegeben werden. Im Anfang sind die noch nicht ausgestellten Gutscheine viel zahlreicher als die bereits ausgegebenen und obwohl sie bloss mit ihrem Barwert an den zur Tilgung bestimmten Mitteln teilnehmen, so wird in den ersten Jahren doch der grössere Teil davon in die Bücklage nach lit. a geleitet werden müssen. Dies hat zur Folge, dass die Amortisation der umlaufenden Gutscheine eine Verzögerung erfährt.

Der Plan für diese Tilgung ist in der Geschäftsordnung der Verwaltungskommission festzusetzen. Immerhin ist eine ratenweise Tilgung in Aussicht genommen, die aber frühestens 5 Jahre nach Ausgabe des Gutscheins beginnt (Art. 26, Abs. 1). Diese Regelung bringt es mit sich, dass die Amortisationsfrist für die ersten Gutscheine eine wesentlich längere sein wird als für die erst später auszugebenden.

Neu ausgestellte Gutscheine nehmen an der planmässigen Verzinsung und Tilgung teil. Die erstere erfolgt aus den jährlichen Überweisungen an die Gesellschaften. Für die letztere müssen die auf die neuen Gutscheine entfallenden Beträge aus der Bücklage a herausgenommen und den zur Tilgung der Gutscheine bestimmten Summen 6 hinzugefügt werden (Art. 22, Abs. 3).

e. Die Anlage des Vermögens des Hilfsfonds (Art. 23).

Die an den Hilfsfonds eingehenden Gelder sind bis zu ihrer Verwendung für die Zinszahlung oder bis zur Überweisung nach Art. 22, lit. a und b, Bei der Schweizerischen Nationalbank in verzinslicher Bechnung anzulegen. Die Bücklagen für die künftigen Gutscheine und die zur Tilgung der einlaufenden Gutscheine bestimmten Summen sind nach den Vorschriften des Kautionsgesetzes anzulegen und ebenfalls bei der Schweizerischen Nationalbank zu hinterlegen.

f. Die Stellung des Hilfsfonds im Konkurs der Gesellschaften (Art. 27).

Soll die Hilfsaktion auf solidem Boden stehen, so darf das weitere Schicksal der Gesellschaften auf sie keinen Eint'luss gewinnen.

Insbesondere gilt dies für den Fall des Konkurses einer Gesellschaft.

Es darf nicht zugegeben werden, dass dieser die Abwicklung der Gutscheine berühre, da andernfalls die Durchführung der Hilfs-

566 aktion von einem zufälligen., ihr an sich fremden Ereignis abhängig wäre. Es wird daher bestimmt, dass beim Konkurse einer Gesellschaft die Verpflichtungen beider Staaten weiter bestehen sollen. Die Bestimmung, dass in diesem Falle die Verwaltung und Anlage der eingehenden Beträge und ihre Verteilung unter die Versicherten und Gutscheininhaber der konkursiten Gesellschaft durch die Verwaltungskommission besorgt werden müssen, sagt eigentlich nichts Neues, indem ihr diese Pflicht ohnehin obliegt. Dagegen können die zur Verzinsung der Gutscheine notwendigen Beträge nicht mehr der Gesellschaft überwiesen werden (Art. 22), sondern die Auszahlung des Zinses muss durch die Verwaltungskommission selbst oder durch eine von ihr bezeichnete Stelle vorgenommen werden.

Entsprechend der völligen Trennung des Hilfsfonds von der Gesellschaft darf auch das im Hilfsfonds liegende, zur Ablösung ihrer Gutscheine bestimmte Vermögen nicht in den Konkurs der Gesellschaft einbezogen werden, vielmehr ist es weiterhin für die Gutscheininhaber gemäss den Bestimmungen des Abkommens zu verwenden.

Die von den Gesellschaften bestellten Sicherheiten bleiben weiterhin zugunsten der Gesellschaften bestehen.

g. Die Auflösung des Hilfsfonds infolge des Rücktritts vom Abkommen (Ait. 28).

Als notwendige Folge des Grundsatzes der Parallelleistung von Eidgenossenschaft und Eeich ergibt sich, dass jedem der vertragschliessenden Teile das Eecht zustehen muss, vom Vertrage zurückzutreten, wenn der andere Teil die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt, und zwar soll er von diesem Hechte Gebrauch machen können binnen drei Monaten nach der Fälligkeit des nichtbezahlten Betrages.

Wird der Rücktritt erklärt, so -wird der Hilfsfonds liquidiert, und die von der Gesellschaft bestellten Pfänder sind zu verwerten.

Die im Hilfsfonds vorhandenen Werte werden nun. auf die einzelnen Gesellschaften nach Verhältnis der Summen der Barwerte der noch zu erwartenden und der ungetilgten Gutscheine verteilt. Dabei wird die nach Art. 22, Abs. 2, lit. a, zur Sicherstellung der erst künftig zu erwartenden Gutscheine bestellte Bücklage entsprechend dem angegebenen Verhältnis der Kautionsdepots (Deckungskapitalien) der schweizerischen Versicherungsbestände der Gesellschaften überwiesen und als Einmaleinlage für eine Zusatzversicherung verwendet,
wodurch sich die Versicherungssummen der betreffenden Versicherungen entsprechend erhöhen. Die Gutscheininhaber erhalten den auf ihre Gutscheine entfallenden aliquoten Anteil.

567

Die Bestimmung, wonach die Hilfsaktion beim Versagen des einen Vertragsteiles eingestellt und der Hilfsfonds liquidiert wird, ist in der bisherigen öffentlichen Besprechung des Abkommens als der schwache Punkt desselben bezeichnet worden. In der Tat lässt sich nicht leugnen, dass die Möglichkeit einer Unterbrechung der Hilfsaktion das Vertrauen der Versicherten in diese zu beeinträchtigen vermag. Diese Ordnung musste indessen getroffen werden, da keiner der beiden Vertragsteile es auf sich nehmen konnte, beim Ausbleiben der Zahlungen des andern Teiles die Verzinsung und Tilgung der Gutscheine auf eigene Rechnung durchzuführen. Der von dritter Seite gemachte Vorschlag, diesen Nachteil des Abkommens durch eine Garantieübernahme des Bundes für die Erfüllung der Gutscheinforderungen zu beseitigen, würde dem Bunde gerade das Bisiko, das durch die vorliegende Bestimmung des Abkommens ausgeschaltet werden sollte, wieder aufbürden und ihn verpflichten, bei der Einstellung der deutschen Zahlungen für den ganzen Eestbetrag der Gutscheinforderungen aus eigenen Mitteln aufzukommen. Die Bedenken werden indessen dadurch erheblich gemildert, dass für die Beiträge des Eeiches in der durch ein Eeichsgesetz begründeten Abgabe vom Neuzugang aller Lebensversicherungsunternehmungen eine Finanzquelle zur Verfügung steht, die, solange überhaupt Versicherungen abgeschlossen werden, automatisch fliessen wird und deren Erträgnisse auf Grund des Staatsvertrages dem Hilfsfonds überwiesen werden müssen. Dazu treten die noch zu erwähnenden dem Hilfsfonds zu bestellenden Eealsicherheiten (Art. 32).

Das Abkommen fasst noch die Möglichkeit ins Auge, dass beim Ausbleiben der Beträge eines Vertragsteiles eine Gesellschaft in der Lage und bereit wäre, an seiner Stelle die Verpflichtungen gegenüber dem Hilfsfonds zu übernehmen. Der andere Staat soll dann befugt, aber nicht verpflichtet sein, die Leistungen an den Hilfsfonds zugunsten der Inhaber von Gutscheinen aus Verpflichtungen dieser Gesellschaft weiter zu entrichten (Abs. 8). Es hätte also z. B. der Bundesrat zu prüfen, ob eine solche Eumpfaktion zugunsten sich aufrechterhaltender Gesellschaften wirtschaftlich gerechtfertigt bleibe.

Der Hilfsfonds und die von den betreffenden Gesellschaften für ihn bestellten Sicherheiten würden dann in reduziertem Umfange weiterhin bestehen
bleiben.

6. Der Ausschluss des Rückgriffsrechts des Hilfsfonds auf die Gesellschaften (Art. 29).

Ausdrücklich wird bestimmt, dass für die Verzinsung und Bückzahlung der Gutscheine nur die dem Hilfsfonds zufliessenden Mittel haften. Ein Eückgriff auf die Gesellschaften für die Gutscheinan-

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spräche, die aus ihren Verpflichtungen hervorgegangen sind, kann vom Hilfsfonds oder den Gutscheininhabern auch im Falle des Konkurses einer Gesellschaft (Art. 27) und des Bücktrittes des einen Vertragsteiles (Art. 27)-nicht geltend gemacht werden. In beiden Fällen bleibt die Herabsetzung der Versicherungsloistungen bestehen.

Diese völlige Aufgabe der Nachhaftung der Gesellschaften für die Leistungen des Eeiches wurde vielfach nicht verstanden. Deutscherseits wäre die Nachhaftung zugestanden worden unter der Bedingung, dass im Konkurse einer Gesellschaft, der während der Dauer der Hilfsaktion einträte, die Hilfsaktion für diese Gesellschaft einzustellen wäre und dass die Gutscheininhaber mit dem Konkursanteil abgefunden würden. Die deutsche Delegation erklärte, das Deutsche Beich könne ausländische Gläubiger nicht am Konkurse einer inländischen Gesellschaft teilnehmen lassen und daneben noch ihre Forderungen durch Leistungen des Beiches erfüllen, während dio inländischen Gläubiger ausschliesslich auf den Konkurs angewiesen seien. Als Gegenleistung für den Hinfall der Nachhaftung der Gesellschaften wurden Bealsicherheiten im doppelten Betrage geboten.

Diese Nachhaftung wäre übrigens angesichts der Erschöpfung der freien Mittel der Gesellschaften und der Gründung neuer Gesellschaften, die die Abwicklung der alten Gesellschaften übernehmen, und auf welche die Nachhaftung nicht überginge, von sehr problematischem materiellem Wert; der innere Wert, welcher in der vorzüglichen Organisation der alten Gesellschaften steckt, ist eben für den Gläubiger, auch für den Versicherten, nicht durch Exekution realisierbar.

7. Die Rückerstattungen aus der Reichsabgabe (Art. 30).

Die finanziellen Verpflichtungen der Eidgenossenschaft sind, wie bereits erwähnt, in Art. 21 auf 33x/s Millionen Franken Barwert begrenzt. Diese sollen ihr allerdings, wenn auch ohne Zins, zurückerstattet werden. In Art. 80 verpflichtet sich das Beich, nach Tilgung der sämtlichen Gutscheine, die Abgabe an die Eidgenossenschaft weiter zu leisten, jedoch nur in der Höhe von 8 °/oo des Neugeschäftes der unter das Abkommen fallenden Gesellschaften oder ihrer Folgegesellschaften. Bisher hat das Geschäft der 8 valutabelasteten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften ungefähr die Hälfte des gesamten Lebensversicherungsgeschäftes im Deutschen
Beiche umfasst.

Nimmt man nun an, dass von der Beichsabgabe nach Art. 18 auf die Schweiz 6 °/oo des Neuzugangs entfallen, so würde diese sich im Zeitpunkte der Tilgung des letzten Gutscheines auf die Hälfte der Hälfte, somit auf einen Viertel ermässigen. Oben haben wir den Ertrag der

569 Eeichsabgabe zuhanden des deutsch-schweizerischen Hilfsfonds auf l Million Franken geschätzt in der Annahme, dass die Summe der Neuabschlüsse sich auf 50 Milliarden stellt. Die Eückerstattung betragt effektiv nach unserer immer noch optimistischen Schätzung ziemlich genau 10 % der Schuldsumme, also 8,3 Millionen. Bei besserem Ertrag der Keichsabgabe würde die Bückerstattung rascher erfolgen und der Zinsverlust sich entsprechend ermässigen und umgekehrt.

8. Der Rest des Hilfsfonds (Art. 26, Abs. 2).

Nach Art. 26, Abs. 2, fällt ein allfälliger Best des Hilfsfonds,-der nach vollständiger Tilgung der Gutscheine verbleibt, an die Eidgenossenschaft. Er wird aber auf den Leistungen nach Art. 30 angerechnet. Dabei kann es sich naturgemäss nur um den Bruchteil einer Jahresabgabe von Beich und Eidgenossenschaft handeln, die aber nach Art. 20 auf die Hälfte des Höchstbetrages zurückgegangen sein wird.

9. Der Abzug der Eidgenossenschaft auf den Gutscheinen (Art. 31).

Auf teilweisen Widerstand bei den Versicherten stösst die Bestimmung des Art. 81, wonach die Eidgenossenschaft von den Gutscheininhabern bei Auszahlung der letzten Gutscheinrate eine Abgabe in der Höhe von 15 % des ursprünglichen Gutscheinbetrages für sich beansprucht. Die finanzielle Wirkung dieser Abgabe darf aber nicht überschätzt werden. Zunächst gelangt sie nur dann zur Ablieferung, wenn der Gutschein im übrigen vollständig amortisiert ist, d. h. wenn die Hilfsaktion bis dorthin genau nach dem Abkommen gewirkt hat.

Zudem findet diese Bückerstattung am Ende der Amortisationsfrist statt. Nimmt man diese durchschnittlich zu 23% Jahren an, so beträgt deren Wert beim Beginn derselben nur 0,4 x 15 % = 6 %. Berücksichtigt man ferner, dass die Gutscheinbeträge voraussichtlich im Durchschnitt höchstens 40 % vom Gesamtbetrage der fälligen Versicherungssummen ausmachen, soweit wenigstens die Prämien weiter bezahlt werden, so beträgt die Abgabe 0,4 x 6 % = 2,4 % oder nicht viel mehr als einen halben Jahreszins der fälligen Versicherungssummen. Sie darf daher als bescheiden bezeichnet werden.

Für die Eidgenossenschaft kann der Ertrag der Abgabe hieraus ebenfalls bestimmt werden. Schätzt man den Betrag der ausgegebenen Gutscheine auf höchstens Fr. 150 Millionen, so ergeben die 15 % darauf Fr. 22,5 Millionen bei Ablauf der Amortisationsfrist oder
bei deren Beginn wie oben 0,4 X 22,5 Millionen = 9 Millionen Franken. Dies ist der Wert im Zeitpunkte der Gutscheinausgabe oder bei Fälligkeit Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

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derVersicherungssumme. Auf die Gegenwart zurück diskontiert, erhält man hierfür einen Barwert von 60 %, somit von 0,c X 9 Millionen = 5,4, Millionen Franken.

Unter Abzug dieser Bückerstattungen dürften zu Lasten der Eidgenossenschaft insgesamt noch Leistungen verbleiben in einem Barwerte von Fr. 25 Millionen, die ganz zu ihren eigenen Lasten fallen.

10. Die vom Deutschen Reiche zu leistenden Sicherheiten (Art. 32).

In den Verhandlungen wurde von schweizerischer Seite von Anfang an als Bedingung für die Beteiligung der Schweiz an der Hilfsaktion die Forderung gestellt, dass das Deutsche Reich für die Erfüllung der von ihm zu übernehmenden Verbindlichkeiten Sicherheit leiste, und das Hauptgewicht wurde dabei auf die Stellung von Bealgarantien gelegt. Die deutsche Delegation erklärte jedoch stets wieder, dass das Eeich nicht in der Lage sei, diese Garantien aufzubringen, und aus diesem Grunde rnusste auch, wie schon erwähnt, davon abgesehen werden, das Abkommen auf der Grundlage einer Kreditaktion aufzubauen.

Obwohl nun nach dem vorliegenden System der Hilfsaktion Vorschussleistungen der Eidgenossenschaft an das Deutsche Eeich nicht mehr in Frage kommen, so kann doch auf die Beibringung von Sicherheiten nicht ganz verzichtet werden, da die Schweiz ihre Staatsmittel nicht in so weitem Umfange zur Verfügung stellen kann, ohne eine gewisse Gewähr dafür zu haben, dass sie dieselben nicht für ein Unternehmen verwende, dessen Zweck infolge vorzeitigen Abbruchs desselben nicht oder nur unvollkommen erreicht wird. Auch dem Versicherten soll dadurch in einem gewissen Umfange für seinen Gutschein eine materielle Garantie geboten werden, die mit dem Fortschreiten der Aktion beständig Avächst.

Diese Sicherheiten sollen nun durch die Gesellschaften gestellt werden, und zwar in Form von Eealgarantien für die dem Eeich obliegenden Zahlungsverpflichtungen. Die Gesellschaften errichten auf ihren in Deutschland liegenden noch schuldenfreien Grundstücken, die hauptsächlich in ihren Geschäftshäusern bestehen, Sicherungshypotheken in der Höhe von 20 Millionen Schweizerfranken. Der Vorkriegswert dieser Grundstücke betrug nach einer sorgfältigen, im Jahre 1914 vorgenommenen Schätzung 24,315,000 Goldmark, in welcher Summe der Erstellungswert eines von der Gothaer Lebensversicherungsbank im ' Jahre 1920/21 errichteten Neubaues von 24 Millionen Mark sich befindet, der in das Verzeichnis der zu belastenden Liegenschaften mit 500,000 Schweizerfranken eingesetzt ist.

571 Es sollen Sicherungshypotheken im Gesamtbetrage von 80 Millionen Franken errichtet werden, wovon zwei Drittel für die schweizerischdeutsche Hilfsaktion und ein Drittel für die Hilfsaktionen mit andern Staaten Verwendung finden sollen. Die Sicherungshypotheken sind von jeder einzelnen Gesellschaft für diejenigen Leistungen des Beiches zu bestellen, die auf die aus ihren Versicherungen hervorgegangenen Gutscheine entfallen, und die Hypotheken sollen so lange bestehen bleiben, bis die Gutscheine vollständig getilgt sind. Dio Verwertung der Pfänder soll nur eintreten, wenn die Hilfsaktion vorzeitig abgebrochen wird. Mit den zugunsten anderer Staaten errichteten Hypotheken haben die zugunsten der Schweiz bestellten Hypotheken gleichen Rang.

Nun besitzen nicht alle Gesellschaften Grundstücke, deren Wert die Errichtung von Sicherungshypotheken in dem oben beschriebenen Umfang ermöglicht. Um auch für diese Gesellschaften eine genügende Garantie zu schaffen, wird bestimmt, dass der Grundbesitz der andern Gesellschaften, sofern sein Wert höher ist als die zu deckenden Beträge, bis zur Höhe des Bestwertes mit einer weitem Sicherungshypothek zugunsten des Hilfsfonds belastet werden sollen.

Der Gesamtbetrag der Hypotheken soll jedoch 20 Millionen Franken nicht übersteigen und die Haftung der Grundstücke mit diesem höhern Betrage nur für die Dauer von 20 Jahren bestehen. Damit wird dafür gesorgt, dass für jede Gesellschaft auf die genannte Dauer in einem gleichen, ihrem Anteil an den Gutscheinen entsprechenden Verhältnisse Sicherheiten vorhanden sind. Wenn die Hilfsaktion während 20 Jahren ungestört funktioniert hat, darf die kritische Zeit, als überwunden betrachtet werden. Die Belastung der Grundstücke mit Sicherungshypotheken darf 80 % des Schätzungswertes der Grundstücke nicht übersteigen.

Als weitere Sicherheiten sind erwähnt die 140 Millionen Markwerte, die einen Bestandteil der schweizerischen Kautionen der deutschen Lebensversicherungsgesellschaften bilden und die nun., nach Abzug von 20 Millionen als Prämienreserve für die Versicherungen in fremder Währung, in anderer Weise dem Zwecke der Hilfsaktion dienstbar gemacht werden. Die Entscheidung darüber, wie die Verwendung stattfinden soll, ist einer spätem Verständigung zwischen den Aufsichtsämtern vorbehalten, wo vielleicht die für eine praktische
Lösung massgebenden Verhältnisse besser überblickt werden können als im jetzigen anormalen Flusse der Valutabeweguug.

Als Lösungen sind denkbar die Einlcgung dieser Markwerto in die Sicherheitsreservo (Art. 6), wodurch sie für die Hilfsaktion unmittelbar fruchtbar gemacht würde, oder die Bestellung eines Pfandes mit diesen Werten zur Verstärkung der von den Gesellschaften zu

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leistenden Sicherheiten. Die Werte selbst sind von den Gesellschaften mindestens in ihrem ungefähren Nominalbeträge zu erhalten.

Da die Bestellung der Sicherheiten eine -wesentliche Bedingung für die Mitwirkung der Eidgenossenschaft an der Hilfsaktion ist, so darf ihre Errichtung nicht verzögert werden. Die Eidgenossenschaft behält sich daher das Recht vor, vom Abkommen zurückzutreten, wenn die Bestellung der Hypotheken nicht zwei Monate nach seiner Ratifikation erfolgt.

11. Die Beaufsichtigung der unter das Abkommen fallenden Gesellschaften (Art. 33).

Da die reduzierten Versicherungen (Art. 7) zwar rechnerisch und für den Konkursfall, nicht aber vermögensrechtlich von der Gesellschaft getrennt sind und von dieser abgewickelt werden, so unterstehen die Gesellschaften nach wie vor der schweizerischen Staatsaufsicht. Art. 9, Abs. 3, des Aufsichtsgesetzes, wonach die Kaution nach Ablauf sämtlicher Verträge der Gesellschaft herauszugeben ist, findet jedoch keine Anwendung, da Überschüsse, die sich bei der Liquidation ergeben, in die Sicherheitsreserven fliessen (Art. 6, Abs. 2) und, soweit sie nicht dem Hilfsfonds zu überweisen sind, unter die Versicherten verteilt werden müssen. Werden von den Gesellschaften unter Benützung der bestehenden Organisation neue Gesellschaften gegründet oder werden die alten Bestände neuen Gesellschaften angegliedert, so geht im Falle der Abwicklung oder des Konkurses der alten Gesellschaft die Verpflichtung zur verwaltungstechnischen Abwicklung des schweizerischen Versicherungs- und Gutscheinbestandes auf die neue Gesellschaft über. Dabei bleiben allerdings die Art. 9 und 10 des Kautionsgesetzes vorbehalten, die dem Bundesrat im Falle der Gefährdung der Gesamtinteressen der schweizerischen Versicherten die Befugnis geben, die schweizerischen Versicherungsbestände von der Gesellschaft loszutrennen und dieselben selbständig abzuwickeln oder sie an eine andere von ihm zu bestimmende Gesellschaft zu übertragen oder, falls die Kaution zu einer solchen Massnahme nicht hinreichen würde, sie konkursmässig zu liquidieren.

12. Die Steuerfreiheit (Art. 34).

Der Hilfsfonds, seine Errichtung und die von ihm ausgegebenen Gutscheine sollen von jeder eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Steuer und Abgabe befreit sein. Obwohl die dem Hilfsfonds angehörigen Vermögenswerte Eigentum einer eigenen Körperschaft

573 sind, so handelt es sich doch wirtschaftlich nicht um die Bildung neuen Vermögens und Einkommens, sondern um die Bereitstellung von Mitteln für die Bezahlung eines Vermögensausfalles.

Die in Deutschland zu errichtenden Sicherungshypotheken sollen dort ebenfalls nach Möglichkeit von den sehr beträchtlichen Steuern und Abgaben befreit werden und die Eintragungen tunlichst kostenfrei erfolgen. Sollte die Befreiung nicht in vollem Umfange zu erreichen sein, so gehen die Kosten nicht zu Lasten des Hilfsfonds, sondern der Gesellschaften.

13. Schiedsvertrag (Art. 35).

Sollten zwischen den vertragschliessenden Teilen Streitigkeiten über die Auslegung des Abkommens und über die von ihnen darin übernommenen Verpflichtungen entstehen, so sind sie nach dem deutsch-schweizerischen Schieds- und Vergleichsvertrag vom 7. April 1922 za erledigen.

Wir haben uns bemüht, in dem Abkommen die angesichts der allseitig misslichen finanziellen Verhältnisse ausserordentlich schwierige Lösung zu finden, womit die Interessen unserer Schweizer Sparer einerseits, die uns ebenfalls anvertrauten Interessen des Bundes andrerseits in möglichst gerechtem Verhältnis berücksichtigt werden. Erschwert wurde die Aufgabe namentlich dadurch, dass sie nicht eine rein interne war. Wir können deshalb auch die Erwartung und den Wunsch nicht unterdrücken, dass nicht durch eine Überspannung der an die Hilfsaktion zu stellenden Anforderungen diese selbst ernstlich in Frage gestellt werde.

Das Deutsche Eeichskabinett hat dem vorliegenden Abkommen grundsätzlich zugestimmt. Die deutsche Eegierung teilt jedoch mit, dass sie möglicherweise noch geringfügige Änderungen an dem vereinbarten Vertragsentwurf beantragen werde. Die Unterzeichnung des Abkommens wird daher erst nach der Verständigung der vertragschliessenden Teile über die noch zu erwartenden Änderungsvorschläge erfolgen können; wir werden uns die Beschleunigung angelegen sein lassen. Um indessen die Behandlung der Angelegenheit in der nächstfolgenden Session der Bundesversammlung xn ermöglichen, unterbreiten wir Ihnen gleichwohl das Abkommen, damit die vorberatenden parlamentarischen Kommissionen berichten können. Die endgültige Fassung des Abkommens wird Ihnen nach seiner Unterzeichnung mit dem Bericht über die allenfalls

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getroffenen Änderungen und dem Antrage betr. die Ratifikation des Vertrages zugestellt werden.

Wir benützen gerne diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 10. November 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haab.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

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# S T #

Abkommen zwischen

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche betreffend eine gemeinsame Hilfe zugunsten der Versicherten bei deutschen Lebensversicherungsgesellschaften.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft und das Deutsche Reich, mit Rücksieht auf die vorhandenen ungedeckten Franken Verpflichtungen deutscher, in der Schweiz arbeitender Lebensversicherungsgesellschaften, und vom Wunsche geleitet, den Versicherten dieser Gesellschaften nach Möglichkeit die Erfüllung ihrer Rechte sicherzustellen, sind übereingekommen, das nachstehende Abkommen zu treffen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt : der Schweizerische Bundesrat:

der Präsident des Deutschen Reiches:

Die Bevollmächtigten haben, nachdem sie einander ihre Vollmachten mitgeteilt und diese in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen sich geeinigt: Art. 1.

Die vertragschliessenden Teile vereinbaren eine gemeinsame!

Hilfe, um mit Bücksicht auf vorhandene ungedecktes Währungsverpflichtungen die Durchführung der von den in Anlage; A bezeichneten acht Lebensversicherungsgesellschaften in der Schweiz in Franken zu erfüllenden Versicherungsverträge nach Möglichkeit sicherzustellen.

576 Die nicht auf Schweizerfranken lautenden Versicherungsverträge des schweizerischen Bestandes fallen nicht unter dieses Abkommen, sondern werden von den Gesellschaften wie bisher weitergeführt und abgewickelt. Für sie wird das rechnungsmässige Deckungskapital in Markwerten aus dem bisherigen Gesamtkautionsdepot ausgeschieden und ein gesondertes Kautionsdepot in Mark bestellt.

Art. 2.

Die Hilfe erstreckt sich auf die im unmittelbaren Geschäft abgeschlossenen Kapital- und Eentenversicherungen der Gesellschaften, soweit solche in Zukunft fällig werden oder seit dem 1. Januar 1922 fällig geworden und im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bezahlt worden sind, sowie auf die bankmässigen Verpflichtungen in Franken, die gegenüber schweizerischen Gläubigern eingegangen worden sind, um den Bestand der Kaution für die bestehenden Versicherungen in der Schweiz zu erhöhen oder um fällig gewordene Versicherungsleistungen zu bezahlen.

Eine Aufstellung der Versicherungsverträge und der bankmässigen Verpflichtungen mit den für die Abwicklung notwendigen Angaben ist von jeder Gesellschaft gemäss Formularen, die zwischen den Aufsichtsbehörden vereinbart werden, diesen einzureichen.

Art. 3.

Der Anteil der schweizerischen Versicherten an den Gegenwerten der Gewinn- und freien Eeserven der Gesellschaften auf den 31. Dezember 1921 ist im Einvernehmen der Aufsichtsbehörden beider Staaten in die Schweiz überzuführen und der Sicherheitsreserve (Art. 6) zuzuweisen.

Art. 4.

Solange die für eine Gesellschaft im Verlaufe dieser Hilfsaktion gernäss Art. 10 bis 13 ausgegebenen Gutscheine nicht vollständig eingelöst sind, dürfen an die Aktionäre keine den gesetzlichen Zinsfuss übersteigende Dividenden ausgeschüttet und an die Versicherten nur die für den Wettbewerb unbedingt erforderlichen Gewinnanteile verteilt werden. Die schweizerische Aufsichtsbehörde soll vor der Festsetzung der Gewinnverteilung angehört werden.

Art. 5.

Für die unter dieses Abkommen fallenden Versicherungen wird von jeder einzelnen Gesellschaft mit Wirkung vom 1. Januar 1922 ab eine besondere Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanz geführt, die der Genehmigung der schweizerischen Aufsichtsbehörde unterliegen.

577 Die Gesellschaften besorgen die Abwicklung ihrer herabgesetzten schweizerischen Versicherungen (Art. 7), sowie die Zins- und Kapitalzahlungen der aus ihren Versicherungen gemäss Art. 10 bis 13 hervorgegangenen Gutscheine. Die Verwaltung ist so sparsam als möglich einzurichten. In den Jahresrechnungen dürfen für alle diese Leistungen nur die in der Schweiz wirklich entstandenen Kosten, höchstens aber 2% % der Prämieneinnahme und 2 °/oo der Versicherungssumme eingesetzt werden. Sollten die Gesellschaften nachweisbar mit diesen Kostensätzen nicht auskommen, so wird sie der Bundesrat auf begründete Vorlage hin erhöhen.

Der Gesamtbetrag der für schweizerische Versicherungen in Zukunft bezahlten Prämien sowie die Zinseinnahmen aus den für schweizerische Versicherungen bestellten Eeserven müssen in der Schweiz verbleiben und dürfen, vorbehaltlich Art. 28, Abs. 2, ausschliesslich zugunsten der schweizerischen Versicherungen ver wendet werden.

Art. 6.

Im ganzen Geschäftsgebiete einer Gesellschaft sind für die Gewinnverteilung an die Versicherten grundsätzlich die gleichen Dividendensätze anzuwenden; jedoch sollen für die schweizerischen Frankenversicherungen jedenfalls 20 % der aus der gesonderten Abrechnung sich ergebenden Überschüsse für die Gewinnausschüttung verwendet werden dürfen.

Die nicht zur Verteilung an die unter das Abkommen fallenden Versicherten kommenden Überschussbeträge der gesonderten Abrechnung fliessen in eine Sicherheitsreserve der einzelnen Gesellschaft. Diese darf weder 10 % des Deckungskapitals, noch 75 % der Eisikosumme (Unterschied zwischen Versicherungssumme und Deckungskapital) übersteigen.

Die Sicherheitsreserve ist als Zuschuss zur Kaution im Sinne des Art. 3, Absatz 2, des schweizerischen Bundesgesetzes über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften vom 4. Februar 1919 zu betrachten. Sie dient zur Deckung etwaiger Fehlbeträge in den Jahresergebnissen.

Soweit die Sicherheitsreserve den in Absatz 2 festgesetzten Höchstbetrag übersteigt, ist sie an den Hilfsfonds (Art. 17) überzuführen.

An das Franken-Kautionsdepot, die Sicherbeitsreserve und das übrige Vermögen der Gesellschaften in der Schweiz haben die nicht zum schweizerischen Frankenversicherungsbestande gehörenden Versicherten der Gesellschaften keinen Anspruch.

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Anderseits haben die Versicherten des schweizerischen Frankenversicherungsbestandes ausser auf die nach Art. 3 in die Schweiz überzuführenden Werte für ihre gemäss Art. 7 herabgesetzten Versicherungen keinen Anspruch auf das durch dieses Abkommen nicht ausgeschiedene Vermögen der Gesellschaft.

Art. 7.

Für Kapitalversicherungen werden die Versicherungsleistungen auf den Betrag herabgesetzt, der sich technisch ergibt aus der Anrechnung : a. des für jede einzelne Versicherung iii der schweizerischen Kaution vorhandenen Deckungskapitals; b. der künftig weiter zu zahlenden vertraglich festgesetzten Prämien.

Für den Best der vertraglichen Versicherungsleistung gewährt der Versicherungsvertrag dem Versicherten vorbehaltlich Art. 81 lediglich noch die Ansprüche, die sich aus dem gegenwärtigen Abkommen für einen Gutschein ergeben, der gemäss Art. 10 bis 13 ausgestellt wird.

Für die Bestimmung der herabgesetzten Versicherungsleistungen ist das am 31. Dezember 1921 bei der einzelnen Gesellschaft bestehende Deckungsverhältnis massgebend; dabei kommt einerseits das rechnungsmässige Deckungskapital, anderseits die vorhandene Dekkung in Schweizerfranken in Anrechnung.

Die Herabsetzung nach Absatz l wird mit Wertstellung auf den Schiusa des Versicherungsjahres, der zwischen dem 1. Juli 1921 und dem 1. Juli 1922 liegt, vorgenommen.

Vor der Berechnung der Herabsetzung werden Policendarlehen oder Vorauszahlungen auf das rechnungsmässige Deckungskapital verrechnet.

Die Gesellschaften werden sofort nach Inkrafttreten des Abkommens die Policen einfordern, die Versicherungen gemäss den Bestimmungen des Abkommens herabsetzen und die so festgesetzten Versicherungsleistungen auf der Police beurkunden. Für diese Änderungen der Police dürfen keine Gebühren erhoben werden.

Art. 8.

Bei Eentenversicherungen werden die Eenten entsprechend Art. 7 herabgesetzt.

Für die darüber hinausgehenden Eentenbeträge gewährt der Versicherungsvertrag dem Berechtigten lediglich noch die Ansprüche,

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welche sich aus einem Gutschein ergeben, der bei Eintritt der Bentenverpflichtung in Höhe des technischen Barwertes dieser Bestrente ausgestellt wird.

Art, 9.

Für die nach Massgabe dieses Abkommens herabgesetzten Versicherungen sind dieselben Grundsätze massgebend, welche die einzelne Gesellschaft für die Versicherungen anwendet, die eine Herabsetzung nicht erfahren haben; insbesondere dürfen die herabgesetzten Versicherungen für die Gewinnverteilung und für die Anwendung der Hegeln für Bückkauf und Umwandlung nicht als neue Versicherungen behandelt werden.

Art. 10.

Ist eine Kapitalversicherung oder eine Zahlung aus einer lien teil Versicherung nach dem 31. Dezember 1921 fällig geworden, aber noch nicht bezahlt worden oder wird sie in der Folge durch Ableben, durch Erleben oder durch Ablauf der Versicherungsdauer fällig, so erhält der Anspruchsberechtigte: a. die gemäss Art. 7, lit. a und b, festgesetzte VersicherungKleistung in bar, b. für den Betrag, der sich ergibt aus dem Unterschiede zwischen der ursprünglich geschuldeten Versicherungsleistung und der Barleistung einen zu 3% % verzinslichen Gutschein.

Art. 11.

Die unter das Abkommen fallenden bankmässigen Verpflichtungen werden wie fällige Kapitalversicherungeu behandelt. Die -Gläubiger erhalten für ihre auf den 81. Dezember 1922 berechneten Forderungen : a. statt einer Barzahlung den Gegenwert der ihnen bestellten Sicherheiten zum Werte vom 81. Dezember 1922, b. den Best in einem ab 31. Dezember 1922 zu 3% % verzinslichen Gutschein.

Ergeben sich über die Anrechnung der Sicherheiten Meinungsverschiedenheiten, so entscheidet die Verwaltungskommissiou des Hilfsfonds.

Art. 12.

Wird eine Versicherung fällig, die mangels Prämienzahlung in eine prämienfreie umgewandelt war, so wird gemäss Art. 10 verfahren; jedoch werden Gutscheine nicht verzinst, die für solche nach dem 14. März 1922 umgewandelte Versicherungen ausgestellt werden.

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Art. 13.

Verlangt ein Anspruchsberechtigter, nachdem die am 14. März 1922 erlassene oder eine später erneuerte Bückkaufs- und Beleihungssperre aufgehoben sein wird, den Bückkauf, so erhält er den Bückkaufswert : a. für denjenigen Betrag, der sich aus der nach Art. 7, Absatz Ì, lit. a und &, herabgesetzten Versicherungssumme ergibt, in bar; o. für den sich aus Art. 7, Abs. 2, ergebenden Anspruch in einem unverzinslichen Gutschein.

Verlangt der Anspruchsberechtigte die Beleihung, so hat er nur Anspruch auf den Betrag, der sich aus dem zur I^eit der Beleihung vorhandenen Deckungskapital ergibt. Der Beleihung steht die Vorauszahlung gleich.

Der Bundesrat ist während der Dauer der Hilfsaktion befugt, den Bückkauf und die Beleihung der unter dieses Abkommen fallenden Policen auszuschliessen ; insbesondere wird er dies tun, wenn Bückkäufe und Beleihungen in einem das normale Mass übersteigenden Umfange begehrt werden.

Art. 14.

Beträge, die durch den Eintritt des Versicherungsfalled, durch Bückkauf oder andere Fälle der Beendigung von Versicherungsverhältnissen in der Kaution für das Deckungskapital frei werden, sind der Gesellschaft auf ihren Antrag zur Bezahlung der fälligen Versicherungsleistungen frei zu geben.

Art. 15.

Nach der Herabsetzung (Artikel 7) gewährte Vorauszahlungen und Darlehen auf Policen sind bei Fälligwerden der Versicherungsleistungen auf die Barzahlung zu verrechnen.

Art. 16.

Der Gutschein ist auf den Namen der Person auszustellen, die von demjenigen bezeichnet wird, an den die Gesellschaft mit befreiender Wirkung den fälligen Barbetrag bezahlt hat.

Art. 17.

Die vertragschliessenden Teile bilden einen «Deutsch-Schweizerischen Hilfsfonds für die Durchführung der von deutschen Lebensversicherungsgesellschaften in der Schweiz in Franken zu erfüllenden Versicherungsverträge», im nachstehenden kurz «Hilfsfonds» ge-

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uannt. Er besitzt die rechtliche Persönlichkeit und hat seinen Sitz in Born.

Die vertragschliessenden Teile statten den Hilfsfonds mit einem Betriebskapital von dreihunderttausend Schweizerfranken aus. Davon leisten auf den Tag des Inkrafttretens dieses Vertrages die Schweizerische Eidgenossenschaft fünfzigtausend Franken, das Deutsche Reich hunderttausend Franken und auf I.Oktober 1923 die Schweizerische Eidgenossenschaft fünfzigtausend Franken, das Deutsche Reich hunderttausend Franken.

Diese Beträge werden den vertragschliessenden Teilen auf die ihnen obliegenden Leistungen angerechnet, soweit sie die in Art. 20 und 21 vorgesehenen Mindestsätze von 4,2 % beziehungsweise 2,i % der Summe der ausgegebenen Gutscheine übersteigen.

Aufsichtsbehörde über den Hilfsfonds ist der schweizerische Bundesrat.

Die Verwaltung des Hilfsfonds ist einer aus vier Mitgliedern bestehenden Verwaltungskommission übertragen, in welche die vertragschliessenden Teile je zwei Mitglieder und je zwei Stellvertreter entsenden.

Die Verwaltungskommission erlässt über die Festsetzung und Durchführung der Aufgaben des Hilfsfonds eine Geschäftsordnung, die der Genehmigung der beiden Regierungen unterliegt.

Die Verwaltungskommission wählt die etwa notwendig werdenden Angestellten.

Die Kosten der Verwaltung des Hilfsfonds gehen zu seinen Lasten.

Art. 18.

Das Deutsche Reich erhebt von den auf seinem Gebiete arbeitenden Lebensversicherungsunternehmungen spätestens vom 1. Januar 1923 an und während der ganzen Dauer der Hilfsaktion auf Grund eines zu erlassenden Reichsgesetzes eine Abgabe. Diese muss auf das Jahr berechnet mindestens 9 °/oo des im letzten Kalenderjahre erzielten in- und ausländischen Neugeschäftes erbringen. Die Art der zu erhebenden Abgabe zu bestimmen, bleibt dem Deutschen Reiche vorbehalten. Im Deutschen Reiche zum Geschäftsbetrieb zugelassene ausländische Gesellschaften kommen dabei nur mit ihrem im Deutschen Reiche erworbenen Neugeschäft in Betracht. Für die Zeit vorn 1. Januar 1923 bis zum Schlüsse des Kalendervierteljahres, in dem das Abkommen in Kraft tritt, wird der Neuzugang nur zur Hälfte in Ansatz gebracht.

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Die unter das Abkommen fallenden Lebensversicherungsverträge und die durch sie Versicherten dürfen mit Abgaben zu diesem Zwecke nicht belastet werden.

Im Falle einer Verstaatlichung der Lebensversicherung im Deutschen Eeiche wird die Abgabe von der staatlichen Versicherungsanstalt in der Höhe des während der letzten fünf Jahre erzielten durchschnittlichen Abgabebetrages übernommen. Sollte der Betrag dieser Abgabe zur Deckung der dem Reiche obliegenden Leistung nicht genügen, so wird sie das Reich aus seinen sonstigen Mitteln ergänzen.

Art 19.

Von den Erträgnissen der in Art. 18 erwähnten Abgabe führt das Deutsche Reich jährlich den Anteil an den Hilfsfonds ab, der dem am 81. Dezember 1921 ungedeckten Fehlbeträge im Deckungskapital der unter dieses Abkommen fallenden Lebensversicherungsverträge im Verhältnis zum gesamten, auf jenen Zeitpunkt bestehenden ungedeckten Fehlbetrage aller mit Valutaverpflichtungen belasteten deutschen Lebensversicherungsgesellschaften auf ihren Valutaversicherungen entspricht. Als Fehlbeträge gelten auch die ungedeckten bankmässigen Verpflichtungen der Gesellschaften.

Der Abgabeanteil ist jeweilen spätestens am 1. April, erstmals am 1. April 1924, dem Hilfsfonds zu überweisen.

Art. 20.

Die Jahresleistung des Deutschen Reiches an den Hilfsfonds muss anrl. April 1924 und den folgenden Verfalltagen mindestens 4,2 % aller gemäss Art. 10 bis 18 in den letzten 25 Jahren, mindestens aber 4,2 % der Hälfte aller überhaupt in Schweizerfranken ausgegebenen Gutscheine erreichen. Sollte der gemäss Art. 19 auf die Schweiz entfallende Anteil an der Abgabe nicht den vorstehenden Mindestbetrag von 4,2 % ergeben, so wird das Reich seine jährliche Leistung aus andern Mitteln auf diesen Betrag ergänzen.

Art. 21.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft leistet an den Hilfsfonds jährlich innerhalb Monatsfrist nach dem Eingange der vom Deutschen Reich für das Vorjahr geleisteten Überweisung einen Betrag in Höhe der Hälfte des Beitrages des Deutschen Reiches. Die Verpflichtung der Schweizerischen Eidgenossenschaft endet, sobald ihre Beiträge, auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieses Abkommens unter Berücksichtigung eines Zinsfusses von 4 vom Hundert ermittelt, insgesamt einen Barwert von 33'/s Millionen Schweizerfranken ergeben.

583 Art. 22.

Die Verwaltungskommission wird jeder Gesollschaft aus den jährlich dem Hilfsfonds zufliessenden Beträgen jewoilen denjenigen Betrag überweisen, der nötig ist, um die aus ihren Verpflichtungen hervorgegangenen Gutscheine, soweit eine Verzinsung vorgesehen ist, zu verzinsen.

Aus dem hiernach verbleibenden Guthaben wird durch die Vorwaltungskommission a. eine Eücklage zur Sicherstellung der erst künftig aus den noch läufenden Versicherungsverträgen zu erwartenden Gutscheine ausgeschieden und b. der Eest für die Rückzahlung von umlaufenden Gutscheinen bestimmt.

Die Vorteilung auf diese beiden Zweckbestimmungen erfolgt nach Verhältnis einerseits der Barwerte der Beträge, um welche die noch laufenden Versicherungen gernäss Art. 7 herabgesetzt sind (lit. a) und anderseits der Summe der noch umlaufenden Gutscheine (lit. ô).

Die zunächst der Eücklage einverleibten Beträge werden dieser wieder entnommen und den zur Rückzahlung zu verwendenden Summen beigefügt, sobald und soweit die bezüglichen Versicherungsverträge zur Abwicklung gelangen und für einen Teilbetrag derselben Gutscheine ausgestellt werden.

Art. 23.

Verfügbare Gelder des Hilfsfonds werden bei der Schweizerischen Nationalbank in verzinslicher Rechnung angelegt.

Die als Rücklage (Art. 22, lit. a) bestimmten und nach Ermessen der Verwaltungskommission auch die für die spätere Rückzahlung ausgeschiedenen Beträge (Art. 22, lit. &) sind von der Verwaltungskommission bis zu ihrer Verwendung anzulegen und bei der Schweizerischen Nationalbank zu hinterlegen, wie dies durch das schweizerische Bundesgesetz über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften vom 4. Februar 1919 vorgeschrieben ist, oder durch eine in der Folge an dessen Stelle tretende andere Gesetzgebung vorgeschrieben wird.

Art. 24.

Die Ausgabe der Gutscheine gernäss Art. 10 bis 13 erfolgt durch die Verwaltungskommission unter Mitzeichnung derjenigen Gesellschaft, aus deren Verpflichtung der Gutschein hervorgegangen ist.

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Die von den Gesellschaften der Verwaltungskommission zu liefernden Ausweise werden durch die Geschäftsordnung bestimmt.

Art. 25.

Verzinsung und Bückzahlung des Gutscheines erfolgen gegen Vorweisung desselben bei dem schweizerischen Generalbevollmächtigten der Gesellschaft, aus deren Verpflichtung der Gutschein hervorgegangen ist. Es bleibt den Gesellschaften freigestellt, mit Genehmigung der Verwaltungskommission noch andere schweizerische Zahlstellen zu bezeichnen.

Die Zahlstelle ist zur Prüfung der Legitimation des Vorweisers eines Gutscheines berechtigt, aber nicht verpflichtet.

Aus den Gutscheinen sollen die zur Bückzahlung gelangten Beträge ersichtlich sein.

Art. 26.

Die Verwaltungskommission des Hilfsfonds setzt den für die Tilgung der Gutscheine grundlegenden Plan in der Geschäftsordnung (Art. 17, Abs. 6) fest. Die ratenweise Tilgung der Gutscheine beginnt frühestens fünf Jahre nach deren Ausgabe.

Ein nach Tilgung sämtlicher Gutscheine etwa verbleibender Kest des Hilfsfonds wird an die Schweizerische Eidgenossenschaft abgeführt und auf die ihr nach Art. 80 zurückzuzahlenden Beträge angerechnet.

Art. '27.

Im Falle des Konkurses einer Gesellschaft bestehen die Verpflichtungen der vertragschliessenden Teile gemäss Art. 18 bis 21 weiter.

Die Verwaltung und Anlage der eingehenden Beträge und ihre Verteilung auf die unter dieses Abkommen fallenden Versicherten und Gutscheininhaber erfolgen, soweit es die in Konkurs geratene Gesellschaft betrifft, durch die Verwaltungskommission des Hilfsfonds oder durch eine von ihr bezeichnete Stelle.

Die im Hilfsfonds angesammelten und noch nicht an die Versicherten oder Gutscheininhaber ausgeschütteten Werte dürfen in keinem Falle in den Konkurs einer Gesellschaft einbezogen werden, sondern sind ausschliesslich zu gunsten der unter dieses Abkommen fallenden Versicherten bzw. Gutscheininhaber gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens durch die Verwaltungskommission zu verwenden. Die gemäss diesem Abkommen bestellten Sicherheiten (Art. 82) bleiben bestehen.

585

Art. 28.

Führt einer der vertragschliessenden Teile die von ihm nach Art. 18 bis 21 zu entrichtenden Beträge nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit ab, so ist der andere Teil berechtigt, von diesem Abkommen zurückzutreten.

Wird der Bücktritt erklärt, so wird der Hilfsfonds liquidiert, und die darin vorhandenen Werte nebst dem Erlös der zu realisierenden Sicherheiten auf die einzelnen Gesellschaften verteilt. Als Verteilungsmassstab gilt dabei das Verhältnis aus den Summen der Barwerte der bei den einzelnen Gesellschaften noch zu erwartenden und der noch unge tilgten Gutscheine. Die der Bücklage nach Art. 22, Abs. 2, lit. a, entsprechenden Beträge werden dem Kautionsdepot der betreffenden Gesellschaft beigefügt und als Einmaleinlage für eine Zusatzversicherung verwendet. Die auf die umlaufenden Gutscheine entfallenden Beträge werden an die Gutscheininhaber ausbezahlt.

Wenn die in Art. 18 bis 21 vorgesehenen Leistungen seitens des einen vertragschliessenden Teiles ausbleiben, dagegen eine Gesellschaft an Stelle dieses Staates die Zahlung von 4,a % bzw. 2,i % der Summe der aus ihren Verpflichtungen hervorgegangenen Gutscheine übernimmt, so ist der andere Staat befugt, die für ihn vorgesehenen Leistungen an den Hilfsfonds zugunsten der Versicherten bzw. Gutscheininhaber aus Verpflichtungen dieser Gesellschaft weiter zu leisten.

Art. 29.

Für die Verzinsung und Bückzahlung der Gutscheine haften nur die dem Hilfsfonds nach diesem Abkommen zufliessenden Mittel. Dies gilt auch für den Fall des Konkurses (Art. 27) und des Bücktrittes (Art. 28). In beiden Fällen bleibt die Herabsetzung der Versicherungsleistungen (Art. 7 und 8) bestehen.

Art. 80.

Nach vollständiger Tilgung der Gutscheine wird das Deutsche Beich der Schweizerischen Eidgenossenschaft alljährlich am 1. April von der in Art. 18 bezeichneten Abgabe nur noch denjenigen Betrag entrichten, der 3 %o des im vorangegangenen Kalenderjahre von den unter dieses Abkommen fallenden Gesellschaften oder ihren Folgegesellschaften (Art. 88, Abs. 2) erzielten Neugeschäftes entspricht. Die Zahlungen hören auf, sobald ihre Summe ohne Berücksichtigung von Zinsen den Betrag erreicht hat, auf welchen Bundesblatt.

74. Jahrg.

Bd. HI.

40

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sieh der gemäss Art. 21 zu berechnende Barwert der Beiträge der Schweizerischen Eidgenossenschaft beläuft.

Art. 31.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft wird, uni sich für die ihr erwachsenden Zinsausfäl'e teilweise schadlos zu halten, von den Gutscheininhabern bei Auszahlung der letzten Gutscheinrate eine Abgabe in Höhe von 15 % des ursprünglichen Gutscheinbetrages erheben.

Art. 32.

Zur Sicherheit für die Erfüllung der gemäss Art. 19 und 20 dem Deutschen Reiche obliegenden Verpflichtungen bestellen die Gesellschaften dem Hilfsfonds auf ihren im Deutschen Reiche liegenden Grundstücken (Anlage B) Sicherungshypotheken in der Höhe von insgesamt 20 Millionen Schweizerfranken. Diese Hypotheken werden auf die einzelnen Gesellschaften verteilt im Verhältnis des am 31. Dezember 1921 bei jeder von ihnen vorhandenen Fehlbetrages im schweizerischen Deckungskapital, zuzüglich des Betrages ihrer unter das Abkommen fallenden bankmässigen Verpflichtungen auf den Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens zum gesamten Fehlbetrage der unter das Abkommen fallenden Gesellschaften im schweizerischen Bestände. Die Sicherungshypotheken der einzelnen Gesellschaften werden gelöscht, sobald die aus ihren Verpflichtungen hervorgegangenen Gutscheine getilgt sind.

Hat eine Gesellschaft zufolge anderer Verpflichtungen auch zugunsten anderer Staaten Sicherungshypotheken zu bestellen, sohaben diese mit den zugunsten der Schweiz bestellten Hypotheken gleichen Rang.

Wird der Grundbesitz (Anlage B) einer der Gesellschaften durch die nach Absatz l und 2 zu bestellenden Sicherungshypotheken nicht voll belastet, so wird der Grundbesitz dieser Gesellschaft bis zur Höhe des Restwertes für die Dauer von 20 Jahren mit einer weiteren Sicherungshypothek zugunsten des Hilfsfonds für die in Absatz l bezeichneten Verpflichtungen des Reiches belastet, bis der Gesamtbetrag . der sich auf höchstens 80 % des Schätzungswertes der Grundstücke belaufenden Hypotheken auf insgesamt 20 Millionen Schweizerfranken angewachsen ist.

Die Verteilung der Sicherungshypotheken auf die einzelnen Gesellschaften gemäss Absatz l und 3 erfolgt durch die deutsche Aufsichtsbehörde.

Die zirka 140 Millionen Markwerte, welche über die Frankenwerte und die als Kaution für die Mark Versicherungen ausge-

587

schiedenen zirka 20 Millionen Mark hinaus im schweizerischen Kautionsdepot liegen, verbleiben für die Zwecke der von den vertragschliessenden Teilen vereinbarten gemeinsamen Hilfe in Ver: Währung der Schweizerischen Nationalbank. Die Werte selbst sind von den Gesellschaften mindestens in ihrem ungefähren Nominalbetrage zu erhalten.

Die nähere Ordnung dieser Sicherstellungen bleibt einer Verständigung zwischen den beiden Aufsichtsämtern vorbehalten.

Die Niehtbestellung der Sicherheiten durch "die Gesellschaften binnen zwei Monaten nach der Ratifikation des Abkommens gibt der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Recht, das Abkommen aufzuheben.

Art. 33.

Die unter dieses Abkommen fallenden Gesellschaften bleiben der schweizerischen Staatsaufsicht und den schweizerischen Gesetzen unterstellt.

Sollten sich unter wesentlicher Benützung der Innen- oder Aussenorganisation der unter das Abkommen fallenden Gesellschaften neue Gesellschaften gründen oder unter gleichen Voraussetzungen Versicherungsbestände der unter das Abkommen fallenden Gesellschaften andern Gesellschaften angegliedert werden, so geht im Falle der Abwicklung des Versicherungsbestandes sowohl wie im Konkurse der alten Gesellschaft die Verpflichtung zur verwaltungstechnischen Abwicklung des schweizerischen Versicherungs- und Gutscheinbestandes auf die neue Gesellschaft über.

Art. 3-1.

Der Hilfsfonds, seine Errichtung und die von ihm ausgegebenen Gutscheine sind von jeder eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Steuer und Abgabe befreit.

Die Sicherungshypotheken (Art. 32) sollen nach Möglichkeit von jeder Steuer und Abgabe befreit bleiben. Ihre Eintragung soll tunlichst kostenfrei erfolgen. Etwaige Steuern, Abgaben und Kosten gehen zu Lasten der Gesellschaften.

Art 35.

Streitigkeiten zwischen den vertragschliessendeu Teilen über die Auslegung des Abkommens und über die von ihnen darin übernommenen Verpflichtungen sind nach dem zwischen ihnen bestehenden Schieds- und Vergleichsvertrage vom 7. April 1922 zu erledigen.

588

Art. 86.

Dieses Abkommen unterliegt der beidseitigen Ratifikation; die Ratifikationsurkunden sind baldmöglichst in Bern auszutauschen.

Das Abkommen tritt in Kraft am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift in Bern, den 1922.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche betreffend eine gemeinsame Hilfe zugunsten der Versicherten bei deutschen Lebensversicherungsgesellschaften. ...

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1671

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15.11.1922

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521-588

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