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Bundesblatt

"74. Jahrgang.

Bern, den 19. April 1922.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr: 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Cte. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Militärsteuerrekurse Gilgen Fritz, Bahnarbeiter S.B.B, in Steffisburg ; Eidam Rudolf, Bahnarbeiter S.B.B.

in Allmendingen b. Thun ; Brönnimann Fritz, Bahnarbeiter S. B. B. in Thun ; Zimmermann Gottfried, Bahnarbeiter S.B.B, in Thun, und Wagner Gottfried, Lehrer in Thun.

(Vom 11. April 1922.)

Wir beehren uns, Ihnen die nachstehenden Eingaben mit unsern Ausführungen zur Beurteilung zu unterbreiten: 1. Rekurs Gilgen Fritz, vom 13. Februar 1922, gegen den Bundesratsentscheid vom 12. Dezember 1921 ; 2. Rekurs Eidam Rudolf, vom 14. Februar 1922, gegen den Bundesratsentscheid vom 19. Dezember 1921 ; 3; Rekurs Brönnimann Fritz, vom 27. Februar 1922, gegen den Bundesratsentscheid vom 4. Januar 1922; 4. Rekurs Zimmermann Gottfried, vom 1. März 1922, gegen den Bundesratsentscheid vom 29. Dezember 1921 ; 5. Rekurs Wagner Gottfried, vom 20. Februar 1922, gegen den Bundesratsentscheid vom 4. Januar 1922.

Die Rekurrenten wurden mit ihren Rekursen gegen die Veranlagung pro 1921 von der Militärdirektion des Kantons Bern abgewiesen. Die Abweisung wurde auf Beschwerde hin vom Bundesrat bestätigt. Sie erklären nunmehr die Weiterziehung des Rekurses an die Bundesversammlung.

Die Berufungsfrist von 60 Tagen seit Eröffnung des bundesrätlichen Entscheides gemäss Art. 192 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 ist in allen Fällen eingehalten. Auf die Eingaben ist somit materiell einzutreten.

Bundesblatt

74. Jahrg.

Bd. I.

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648 Die Rekurrenten stellen das Begehren : ,,Es sei zu erkennen, dass die Lohnabzüge zuhanden der obligatorischen Pensionskasse nicht Bestandteil des steuerbaren Einkommens bilden.tt Die Rekurrenten Gilgen, Eidam, Zimmermann und Bröunimann sind als Angestellte der schweizerischen Bundesbahnen Angehörige der dortigen Pensionskasse und haben sich die obligatorischen Gehaltsabzüge als Einzahlung in diese Kasse gefallen zu lassen. Der Rekurrent Gottfried Wagner ist Mitglied der öffentlich-rechtlich organisierten und ebenfalls obligatorischen bernischen Lehrerversicherungskasse.

Die Beschwerdeführer behaupten, dass die Gehaltsabzüge,, welche als Prämie für die Äufnung ihrer Versieb er ungskassen verwendet worden, nicht Gegenstand des Pflichtersatzes seien.

Zur Begründung machen sie geltend, dass das Bundesgesetz über den Militärpflichtersatz nur das reine Einkommen als Gegenstand der Abgabe bezeichne, worunter allein der tatsächlich ausbezahlteGehalt zu verstehen sei. Die Lohnabzüge für die Pensiooskasse kämen erst später und nur unter bestimmten Voraussetzungen als Pension zur Auszahlung, in welchem Zeitpunkte sie neuerdingsversteuert werden müssten. Die Einberechnung dieser Lohnabzüge in den steuerbaren Erwerb würde deshalb eine Doppelbesteuerung: bedeuten, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sei.

Demgegenüber ist zu erwidern, dass das Bundesgesetz vom 28. Juni 1878 allerdings nur das reine Einkommen, abzüglich desExistenzminimums von Fr. 600, als Ersatzbemessungsgrundlago bezeichnet, dass aber anderseits der Begriff des reinen Einkommens vom Gesetz eindeutig umschrieben wird. Art. 5 B lautet wie folgt: ^Unter dem reinen Einkommen ist verstanden : a. Der Erwerb, welcher mit der Ausübung einer Kunst, mit dem Betrieb eines Berufes, Geschäftes oder Gewerbes oder mit einem Amte oder einer Anstellung verbunden ist.

Die mit der Gewinnung des Erwerbes verbundenen Unkosten,, jedoch rnit Ausschluss der Haushaltungskosten, sowie fünf vom Hundert des in einem Gewerbe arbeitenden Kapitals werden in Abzug gebracht.

b. Der Ertrag von Leibrenten, Pensionen und ähnlichen Nutzungen.tt :

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Als ,,Reineinkommen" gilt also der Roherwerb unter Abzug ganz bestimmter Posten. In letztern sind die strittigen Einzahlungen nicht begriffen. Als Gewinnungskosten dürfen sie schon deshalb nicht betrachtet werden, weil unter diesen zweifellos nur die Aufwendungen zur Gewinnung eines Einkommens zu verstehen sind, während die Beiträge in die Pensionskasse erst nach Entstehung des Einkommens von diesem ausgeschieden werden.

Die Einzahlungen in die Pensionskasse werden, wenn auch vor Ausrichtung des Gehaltes abgezogen, doch auf Rechnung und zum Vorteil des Lohnbezügers verwendet. Sie sind begrifflich nicht von andern Einkommensposten zu unterscheiden, welche der Bezüger als Versicherungsprämie oder in anderer Weise kapitalisiert. Die Einrede der Doppelbesteuerung ist unstichhaltig, da die letztere die mehrfache Besteuerung des gleichen Objektes und für die gleiche Zeit zur Voraussetzung hat. In casu ist aber das Renteneinkommen, welches im Fall der Pensionierung ausbezahlt wird, vom gegenwärtigen Arbeitserwerb durchaus verschieden, ganz abgesehen davon, dass das erstere viel später oder mit Rücksicht auf die zeitliche Beschränktheit der Ersatzpflicht gar nicht zur Besteuerung gelangt.

Gestützt auf vorstehende Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, es seien die Rekurse der Gilgen Fritz, Bahnarbeiter S.B.B, in Steffisburg, Eidam Rudolf, Bahnarbeiter S.B.B, in Allmendingen b. Thun, Brönnimann Fritz, Bahnarbeiter S.B.B, in Thun, Zimmermann Gottfried, Bahnarbeiter S.B.B, in Thun, und Wagner Gottfried, Lehrer in Thun, als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 11. April 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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Volksabstimmung vom 11. Juni 1922.

über

I. das Volksbegehren betreffend Aufhebung des zweiten Absatzes von Art. 44 der Bundesverfassung und Ersetzung durch einen Art. 44 bis (Einbürgerungswesen) ; II. das Volksbegehren betreffend Abänderung von Art. 70 der Bundesverfassung (Ausweisung wegen Gefährdung der Landessicherheit) ; III das Volksbegehren betreffend Abänderung des Art. 77 der Bundesverfassung (Wählbarkeit der Bundesbeamten in den Nationalrat).

I. Volksbegehren betreffend Aufhebung des zweiten Absatzes von Art. 44 der Bundesverfassung und Ersetzung durch einen Art. 44 bis (Einbürgerungswesen).

Am 6. März 1920 hat das Initiativkomitee des Volksbegehrens dem Bundesrate folgendes mit 59,812 gültigen Unterschriften von Schweizerbürgern versehenes Volksbegehren eingereicht: ,,Der Absatz 2 des Art. 44 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 wird aufgehoben und durch nachstehende Bestimmungen ersetzt : Art. 44 bis Bin Ausländer erlangt das Schweizerbürgerrecht durch die Erwerbung eines Gemeinde- und Kantonsbürgerrechts. Er muss hierzu vorerst die Bewilligung des Bundesrates nachsuchen. Diese darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer im Laufe der fünfzehn Jahre, die seinem Gesuche vorausgegangen sind, während wenigstens zwölf Jahren, wovon zwei Jahre unmittelbar vor der Einreichung des Gesuches, seinen tatsächlichen Wohnsitz in der Schweiz gehabt hat. Diese Beschränkung gilt nicht für die Ehefrau, die von Rechts wegen das Bürgerrecht des Ehemannes erlangt, und für Kinder unter fünfzehn Jahren, wenn sie mit den Eltern eingebürgert werden.

651 Eingebürgerte Ausländer, die in der Zeit vom zurückgelegten fünften Altersjahre bis zur Erlangung der Mündigkeit nicht während wenigstens zwölf Jahren ihren tatsächlichen Wohnsitz in der Schweiz gehabt haben, besitzen die Fähigkeit, in die politischen Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden gewählt zu werden, nicht ; dagegen haben sie gleich den übrigen Schweizerbürgern das Recht, zu stimmen und zu wählen. Der Bundesrat prüft und entscheidet bei Erteilung der Einbürgerungsbewilligung darüber, ob der Neubürger nach dieser Bestimmung in die politischen Behörden wählbar ist.

Im übrigen werden die Bedingungen für die Erteilung des 'Schweizerbürgerrechts durch die Bundesgesetzgebung bestimmt. Diese soll die Einbürgerung der in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Ausländer erleichtern ; sie kann vorschreiben, dass solche Ausländer von Gesetzes wegen Schweizerbürger werden.

Die Bundesgesetzgebung bestimmt ferner auch die Bedingungen, unter denen ein Schweizer zum Zwecke der Einbürgerung im Auslande auf sein Bürgerrecht verzichten kann."

Das Begehren ist gemäss gesetzlicher Vorschrift an die Bundesversammlung weitergeleitet worden. Unterm 11./2l. Oktober 1921 hat die Bundesversammlung beschlossen, das Volksbegehren dem Volke und den Ständen mit dem Antrage auf Verwerfung zur Abstimmung vorzulegen.

Wer nun die vorgeschlagene, die jetzige Bundesverfassung abändernde neue Verfassungsbestimmung annehmen will, hat mit ,,Ja11, wer sie dagegen im Sinne des Antrages der Bundesversammlung verwerfen will, mit ,,Nein" zu stimmen.

n. Volksbegehren betreffend Abänderung von Art. 70 der Bundesverfassung (Ausweisung wegen Gefährdung der Landessioherheit).

Am 6. März 1920 hat das Initiativkomitee des Volksbegehrens dem Bundesrate folgendes mit 59,812 gültigen Unterschriften von Schweizerbürgern versehenes Volksbegehren eingereicht: Art. 70 der Bundesverfassung wird wie folgt abgeändert: ,,Der Bund hat das Recht und die Pflicht, Ausländer, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft oder die Wohlfahrt des Schweizervolkes gefährden, aus dem Gebiete der Schweiz auszuweisen.

652 Als solche Gefährdimg gilt insbesondere die Teilnahme an verfassungswidrigen Umtrieben oder an politischen Unternehmungen, welche die guten Beziehungen der Schweiz zu auswärtigen Staaten zu stören geeignet sind, sowie auch eine wirtschaftliche Betätigung, die gegen Treu und Glauben im Verkehr verstösst und die allgemeinen Interessen der schweizerischen Volkswirtschaft verletzt.

Die Handhabung dieser Bestimmungen liegt dem Bundesrat ob. Ausländer, deren Wegweisung in Frage kommt, sind ihm von den Polizeibehörden der. Kantone durch Vermittlung der Bundesanwaltschaft zu melden.u Das Begehren ist gemiiss gesetzlicher Vorschrift an die Bundesversammlung weitergeleitet worden. Unterm 11./2l. Oktober 1921 hat die Bundesversammlung beschlossen, das Volksbegehren dem Volke und den Ständen mit dem Antrage auf Verwerfung zur Abstimmung vorzulegen.

Wer nun die vorgeschlagene, die jetzige Bundesverfassung abändernde neue Verfassungsbestimmung annehmen will, hat mit ,,Ja", wer sie dagegen im Sinne des Antrages der Bundesversammlung verwerfen will, mit ,,Nein11 zu stimmen.

III. Volksbegehren betreffend Abänderung des Art. 77 der Bundesverfassung (Wählbarkeit der Bundesbeamten in den Nationalrat).

Am 28. Juli 1921 hat der Vorstand des Föderativverbandes eidgenössischer Beamter, Angestellter und Arbeiter dem Bundesrate folgendes mit 57,139 gültigen Unterschriften von Schweizerbürgern versehenes Volksbegehren eingereicht: ,,Der Art. 77 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 soll autgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt werden : Art. 77. Die Mitglieder des Ständerates und des Bundes. rates können nicht zugleich Mitglieder des Nationalrates sein.

Dasselbe gilt für die den Departementen des Bnndesrates direkt unterstellten Dienstchefs sowie für die Mitglieder der Generaldirektion und der Kreisdirektionen der Bundesbahnen.

Die Bedingungen, unter denen die übrigen Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung und der Bundesbahnen dem Nationalrat angehören können, werden durch die Bundesgesetzgebung geregelt. Der Bundesrat ist ermächtigt, bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen diese Bedingungen im Verordnungswege festzusetzen."·

653 Das Begehren ist gemäss gesetzlicher Vorschrift an die Bundesversammlung weitergeleitet worden. Unterm 31. März/7.

April 1922 hat die Bundesversammlung beschlossen, das Volksbegehren dem Volke und den Ständen zur Abstimmung vorzulegen.

Wer nun die vorgeschlagene, die jetzige Bundesverfassung -abändernde neue Verfassungsbestimmung annehmen will, hat mit -»Ja*, wer sie dagegen verwerfen will, mit ,,Nein" zu stimmen.

B e r n , den 19. April 1922.

Im Auftrage des Schweiz. Bundesrates: Die Bundeskanzlei.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Militärsteuerrekurse Gilgen Fritz, Bahnarbeiter S.B.B. in Steffisburg; Eidam Rudolf, Bahnarbeiter S.B.B. in Allmendingen b. Thun; Brönnimann Fritz, Bahnarbeiter S.B.B. in Thun; Zimmerman...

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