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Bundesblatt

74. Jahrgang.

Bern, den 11. Januar 1922.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Abänderung des Völkerbundsvertrages.

(Vom 4. Januar 1922.)

I. Vorbereitung der Revision des Völkerbundsvertrages.

Der vom Volk und den Ständen am 16. Mai 1920 angenommene Bundesbeschluss betreffend Beitritt der Schweiz zum Völkerbund bestimmt unter Ziffer I: «Pur die Ratifikation der Abänderungen des Vertrages sowie für die Genehmigung von mit dem Völkerbund zusammenhängenden Übereinkünften jeder Art kommen die von der Bundesverfassung für den Erlass von Bundesgesetzen aufgestellten Bestimmungen zur Anwendung.» Die Zweite Völkerbundsversammlung ist in die Revision des Völkerbundsvertrages eingetreten und hat in ihren Plenarsitzungen vom 3., 4. und 5. Oktober 1921 eine Eeihe von Zusätzen zum Vertrage und Abänderungen desselben angenommen. Im Sinne der ihr erteilten Instruktionen hat die schweizerische Delegation diesen sämtlichen Beschlüssen zugestimmt, und der schweizerische Bevollmächtigte hat die Beschlussprotokolle demgemäss unterzeichnet.

Der Bundesrat beantragt der Bundesversammlung, die durch Unterzeichnung seitens der Schweiz vorläufig erteilte Zustimmung zu den revidierten Bestimmungen zu bestätigen und den Bundesrat zur Batifikation zu ermächtigen.

Nach Art. 26 des Völkerbundsvertrages tritt eine Veränderung dieses Vertrages in Kraft, wenn sie von der Mehrheit der Mitglieder, worunter sämtliche im Bat vertretenen Staaten sich befinden, ratifiziert worden ist. Die nicht ratifizierenden Mitglieder sind in diesem Falle an den revidierten Vertrag gebunden, sofern sie nicht aus dem Bunde ausscheiden. Der Völkerbundsvertrag ist die erste internatioBundesblatt 74. Jahrg. Bd. I.

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14 naie Übereinkunft, die durch eine Mehrheit der Kontrahenten statt auf dem Wege eines neuen Vertragsschlusses weitergebildet werden, kann.

Das durch die Beschlüsse vom 8., 4. und 5. Oktober 1921 eingeleitete Eevisionsverfahren nimmt seinen Weg und bringt Bechts-Wirkungen auch für die Schweiz hervor, gleichgültig, ob die Schweiz, ratifiziert oder nicht ratifiziert. Es wäre möglich, zunächst abzuwarten, ob die für das Inkrafttreten aller oder einzelner der Bevisionsbeschlüsse erforderliche Mehrheit zustande kommt und, sofern diesgeschehen sein wird, zu prüfen, ob man der Revision stillschweigend zustimmen oder aber, wenn eine der angenommenen Abänderungen des Völkerbundsvertrages unannehmbar für die Schweiz wäre, sich über die Frage des Bücktrittes zu entscheiden. Ein solches Verhalten, kann in der gegenwärtigen Lage nicht in Betracht kommen. Die Sämtlichen von der Versammlung beschlossenen Abänderungen am Völkerbundsvertrage sind vom Standpunkte der Schweiz aus als Verbesserungen zu betrachten, und sie hat deshalb durch Batifizierung der Beschlüsse dafür zu wirken, dass diese die nötige Zahl von Batifikationen erhalten und damit in Kraft treten. Es ist nicht zu fürchten, dass durch das Zustandekommen dieser Bevisionen, die keine grundsätzlichen Neuerungen bringen, ein Mitglied zum Bücktritt veranlasst werde.

Aber selbst dann, wenn eine Bevision unerwünscht oder gleichgültig erscheinen würde, wäre es wünschbar, dass sich die eidgenössischen Bäte schon frühzeitig über eine solche Vorlage aussprechen können und dass mit ihrer Behandlung in der Bundesversammlungnicht zugewartet würde, bis man vor die Wahl gestellt wäre, stillschweigend die Neuerung anzuerkennen oder aber aus dem Bundeauszuscheiden.

In der Botschaft vom 4. August 1919 über den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund ist darauf hingewiesen worden, dass verschiedene der von der Schweiz anlässlich der Friedenskonferenz ausgesprochenen Wünsche über die .Gestaltung des Völkerbundes keineoder nur eine unzureichende Verwirklichung gefunden haben und dass der Völkerbundsvertrag revisionsbedürftig sei. Wenn die schweizerische Delegation an der Ersten Völkerbundsversammlung 1920 nicht für eine unverzügliche Bevision eingetreten ist, so war dies aus folgendem Grunde geschehen : Der Bundesrat hatte gefunden, dass dasbereits überladene Programm der Ersten Versammlung nicht noch mit der schwierigen Beratung über Abänderung des Völkerbunds:

15 Vertrages belastet werden dürfte, wenn die Versammlung in angemessener Frist zu praktischen Ergebnissen gelangen sollte, und dass ferner die dringlichsten und wichtigsten Eevisionsvorschläge (Peripdizität der Versammlung und Ernennung des Eates) sich ohne förmliche Bevision durchführen Hessen. Die Eichtigkeit dieser Auffassung hat sich denn auch in der Folgezeit erwiesen. Überdies muss jede Bevisionsbewegung, wenn sie ihr Ziel verfehlt, Enttäuschungen rufen und sie öffnet, wenn sie gelingt, das Tor für den Austritt.

Auch für die Zweite Versammlung reichte die Schweiz keine Abänderungsvorschläge ein, namentlich weil die von ihr an der Friedenskonferenz aufgestellten Postulate in Anträgen anderer Staaten im wesentlichen aufgenommen worden waren. Überdies ist der Bundesrat der Auffassung, dass, wenn der gute Wille allgemein vorhanden ist, der Vertrag auch in seiner heutigen Gestalt eine dem schweizerischen Standpunkt entsprechende Wirksamkeit des Völkerbundes nicht hindert und dass, sofern die Voraussetzungen für ein Zusammenarbeiten der Völker im Geiste unserer Völkerbundspolitik fehlen, eine Bevision entweder unmöglich oder eine blosse Form ohne Inhalt ist.

Nachdem nun aber eine Beihe von Staaten eine grosse Zahl von Bevisionsvorschlägen eingebracht hatten und damit das Bevisionsverfahren mit allen seinen Konsequenzen, namentlich auch der Möglichkeit, dass für einzelne Staaten die Vertragsabänderung den Anlass zum Ausscheiden aus dem Völkerbunde bieten könnte, eingeleitet war, bestand für die Schweiz kein Grund mehr, nicht mit Entschiedenheit für alle ihr zweckmässig erscheinenden Beformen einzutreten. Derngemäss lauteten auch die Instruktionen der Delegation zur Zweiten Versammlung, und dieselbe hatte wiederholt Gelegenheit, in der Diskussion der mit der Eevisionsfrage befassten I. Kommission sowie in den Plenarversammlungen zugunsten des Zustandekommens von Bevisionsbeschlüssen zu wirken.

Gemäss einem Beschlüsse der Ersten Völkerbundsversammlurig hatte der Bat eine Kommission eingesetzt. Diese prüfte alle schon in jener Versammlung vorgelegten und alle bis l. März 1921 eingereichten neuen Eevisionsvorschläge*). Ihren Bericht erstattete sie dem Bat zuhanden der Zweiten Versammlung. Diese sogenannte Bevisions*) Mit der Revision des Art. 16 (Sanktionen) befasste sich die sog.

Blockadekommission
und mit derjenigen des Art. 18 (Fertigung der StaatsYerträge) eine andere Spezialkommission. Beide Kommissionen waren yom Bat auf Verlangen der ersten Versammlung gebildet worden (vgl. unten S. 27 und 42). Auch für die Aufstellung einer neuen Verteilungsskala der Ausgaben bestand eine Spezialkommission.

16 kommission, in der die Schweiz keine Vertretung hatte, ist in ihrem Bericht auf die meisten dieser Vorschläge materiell eingetreten ; eine grössere Zahl hat sie zur Annahme, mit kleinern oder grössern Abänderungen, empfohlen ; in bezug auf andere sprach sie sich dahin aus, dass der in den Eevisionsanträgen enthaltene Gedanke in der Geschäftsordnung der Versammlung oder durch blosse Eesolutionen dieser verwirklicht werden sollte; andere Vorschläge lehnte sie ab.

Im allgemeinen kann gesagt werden, dass die Eevisionskommission in ihren Anträgen, die der Hat sich zu eigen machte, alle radikalen Vorschläge in der Hauptsache abgelehnt oder sich zu diesen überhaupt nicht materiell geäussert hat (argentinischer Antrag betr. Universalität des Völkerbundes, portugiesischer und skandinavischer Antrag betr. obligatorische Gerichtsbarkeit, skandinavische Anträge betr.

obligatorisches Vergleichsverfahren vorgängig der Mediation durch den Völkerbundsrat, columbianischer Antrag betr. Einschränkung des Binstimmigkeitsprinzips). Die von der Kommission der Versammlung empfohlenen Anträge waren zum Teil geeignet, nützliche Verbesserungen zu bringen (Erneuerung des Eates, Kostenverteilung, Eegelung der wirtschaftlichen Sanktionen) ; zum Teil aber Stellten sie nur Änderungen vorwiegend redaktioneller Natur dar.

Dieses in den Augen optimistischer Freunde der Völkerbundsentwicklung bescheidene Eesultat konnte den, der mit der Stellung der einzelnen Mächte zum Völkerbund näher vertraut ist, nicht überraschen und erscheint in Anbetracht der zu überwindenden Schwierigkeiten durchaus nicht belanglos. Die Ursachen, die bei der Ausarbeitung des Völkerbundsvertrages auf der Friedenskonferenz die Durchsetzung der von der Schweiz und andern neutralen und zum Teil auch von alliierten Staaten vorgebrachten Begehren unmöglich machten, sind auch heute zum Teil vorhanden. Gewisse radikale Neuerungen, wie z.B. die allgemeine obligatorische Gerichtsbarkeit, stossen bei einzelnen Mächten, ohne deren Zustimmung der Völkerbundsvertrag nicht abgeändert werden kann, heute noch wie 1919 auf Widerstand.

Das Verhältnis zwischen Grossmächten und andern Staaten im Völkerbund ist auf der Friedenskonferenz verhältnismässig günstig für letztere geordnet worden. Die Washingtoner Konferenz zeigt, dass ausserhalb des Völkerbundes die tatsächliche
Vorzugsstellung der Grossmächte, ähnlich wie in der Vorkriegszeit, eine noch ausgesprochenere ist. Mag auch der Völkerbundsvertrag infolge der Easchheit, mit der er ausgearbeitet wurde, ungewollte Unklarheiten und Lücken auf·weisen, So ist er doch im grossen ganzen der ziemlich genaiie Ausdrück eines Ausgleichs zwischen den Tendenzen der Grossmächte und derjenigen der übrigen Staaten, und es ist nicht zu erwarten, dass so leicht

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tiefgreifende Änderungen zu erreichen sind. Solche sind nur von dem Reifen eines höhern, die zwischenstaatliche Solidarität erfassenden poh'tischen Denkens der Völker zu gewärtigen.

Die Zweite Völkerbundsversammlung überwies die sämtlichen auf die Eevision des Völkerbundsvertrages bezüglichen Anträge an ihre I.Kommission (questions constitutionnelles); nur die Art. 6 (Ausgabenverteilung) und Art. 16 (wirtschaftliche Sanktionen) betreffenden Revisionsvorschläge wurden materiell in den für diese Gegenstände zuständigen Kommissionen III und IV behandelt und gingen lediglich zur formellen Erledigung an die I. Kommission.

Die I. Kommission hatte die ihr vom Rat auf Grund des Gutachtens der Revisionskommission unterbreiteten Vorschläge einer genauen Prüfung, zunächst in sechs Ausschüssen, unterzogen. EineReihe von Anträgen, die eine Änderung des Völkerbundsvertrages bezweckten, würden von ihr entweder abgelehnt oder doch dahin modifiziert, dass an Stelle der förmlichen Revision eine blosse interpretierende Resolution der Versammlung treten oder dass die Behandlung des Gegenstandes auf einen spätem Zeitpunkt verschoben werden sollte.

Die Plenarversammlung hat sich die Anträge der I. Kommission im wesentlichen zu eigen gemacht. Im folgenden Abschnitte werden diejenigen Revisionspunkte behandelt, in bezug auf die eine Änderung des Völkerbundsvertrages vorgeschlagen wird und die allein für einen Bundesbeschluss in Betracht kommen. Im Abschnitt III werden diejenigen Punkte erörtert, in denen die Versammlung zur Ablehnung oder Verschiebung gelangte oder sich mit einer blossen Resolution begnügte. Ihre Darstellung in dieser Botschaft rechtfertigt sich, weil nur so ein Überblick über die ganze Revisionsbewegung gewonnen werden kann.

II. Die von der Zweiten Versammlung beschlossenen Abänderungen des Tölkerbundsvertrages.

Die Revision des Völkerbundsvertrages durch die zweite Versammlung gab Anlass zu einer schwierigen Erörterung über die Voraussetzungen, u n t e r denen eine Revision ü b e r h a u p t zustande kommen kann. Art. 26 des Völkerbundsvertrages lautet: «Die Abänderungen des gegenwärtigen Völkerbundsvertrages treten in Kraft, sobald sie von den Mitgliedern des Völkerbundes, deren Vertreter den Rat bilden, und von der Mehrheit derjenigen, aus deren Vertretern die Versammlung besteht, ratifiziert sind.

Jedem Mitglied des Völkerbundes steht es frei, die Abänderungen, die am Bundesvertrag angebracht werden, nicht anzunehmen. In diesem Fall hört es jedoch auf, Mitglied des Völkerbundes zu sein.»

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Da in Art. 26 nur vom Inkrafttreten einer Abänderung des Vertrages durch Batifikation seitens einer qualifizierten Mehrheit der Mitglieder die Eede ist, konnten Zweifel darüber entstehen, wie die zu ratifizierenden Abänderungen überhaupt zustande kommen, ob durch die Völkerbundsversammlung oder durch direkte Verhandlungen unter den Mitgliedern und, im erstem Falle, ob für das Zustandekommen eines Versammlungsbeschlusses Einstimmigkeit erforderlich sei oder nicht. Die bundesrätliche Botschaft vom 4. August 1919 hat, in Anlehnung an eine von Präsident Wilson am 28. April 1919 gemachte öffentliche Erklärung, den Standpunkt vertreten, dass die Revision durch die Völkerbundsversammlung einzuleiten sei und dass dort für das Zustandekommen eines Revisionsbeschlusses keine höher qualifizierte Mehrheit erforderlich sei, als für die zum Inkrafttreten des Beschlusses nötigen Ratifikationen vorgeschrieben ist. Auf denselben Standpunkt stellten sich auch die andern Regierungen, die sich in Botschaften an ihre Parlamente über diese Frage aussprachen, so die englische und norwegische, ferner ausnahmslos die wissenschaftlichen Autoren.

Wie schon aus dem Kreise der schweizerischen Völkerbundsgegner, so wurde von einzelnen Delegierten der zweiten Völkerbundsversammlung die Auffassung geltend gemacht, dass die in Art. 5 des Völkerbundsvertrages aufgestellte, präsumptiv gültige Regel der Einstimmigkeit auch auf die Revisionsbeschlüsse der Versammlung Anwendung finde. Diese äusserst formalistische, dem Sinn des Art. 26 völlig widersprechende Interpretation wurde in der I. Kommission der Zweiten Versammlung, namentlich auch vom ersten schweizerischen Delegierten, entschieden bekämpft. Würde sie durchgedrungen sein, so wäre die Revision des Völkerbundsvertrages ausserordentlich schwierig, ja, soweit wichtige Änderungen in Betracht gekommen wären, tatsächlich unmöglich geworden.

In einem gewissen Zeitpunkte schienen die Verhandlungen über die Revision wegen der Meinungsverschiedenheit über das einzuschlagende Verfahren auf einen toten Punkt zu gelangen. Es wäre nicht unbedenklich gewesen, die strittige Vorfrage durch Majorität entscheiden zu wollen, da die überstimmten Staaten die Gültigkeit der Revision angefochten hätten. Der Bundesrat konstatiert mit Genugtuung, dass die schweizerische Delegation wesentlich dazu
beitragen konnte, dass sich die Kommission und nachher die Versammlung auf eine Lösung einigten. Diese Lösung wurde sowohl ad hoc für das schwebende Revisionsverfahren angenommen als auch den Mitgliedern als künftige Abänderung des Art. 26 zur Ratifikation empfohlen. Dem-

19 -nach werden nur diejenigen Eevisionsbeschlüsse einer Versammlung -den Mitgliedern zur Batifikation vorgelegt, die mit einer Dreiviertelmehrheit zustande gekommen sind. Dabei müssen in dieser Mehr'he.it die im Eate vertretenen Staaten eingeschlossen sein. Mit Eück· sieht darauf, dass ein Teil der Mitglieder des Eates wechselt, wird ausdrücklich bestimmt, dass für die Eatifikation die'Staaten in Betracht .·kommen, die im Zeitpunkte der Abstimmung in der Versammlung im Eate gesessen haben.

Diese Lösung ist annehmbar. Einerseits ist das gefährliche Ein.stimmigkdtserfordernis abgelehnt, anderseits rechtfertigt sich die .Bedingun; einer stark qualifizierten Mehrheit durch die Überlegung, dass es uizweckmässig wäre, in allen Staaten den Parlamenten Bevi, sionsantrige vorzulegen, wenn nicht eine starke Wahrscheinlichkeit .bestünde, dass die für das Inkrafttreten erforderliche Zahl von Batilikationei sich erreichen lässt.

In de revidierten Form würde der erste Absatz von Art. 26 folvgenden Vortlaut erhalten: «De A b ä n d e r u n g e n des gegenwärtigen Bundesvertrfges, deren Wortlaut von der Versammlung mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen worden ist, in der dß Stimmen aller in der Sitzung vertretenen Mitgliedcn des Eates Inbegriffen sein müssen, treten in K r a f t s o b a l d sie von den Mitgliedern des Völkerbundes, · derenVertreter zur Zeit der Abstimmung den Eat bildeten und von der M e h r h e i t d e r j e n i g e n , aus deren Vertstern die Versammlung besteht, r a t i f i z i e r t sind.» Der Li't. 26 wurde aber, da er in bezug auf die Fristen des Eevi·;äionsverfhrens wesentliche Lücken aufweist, noch durch zwei andere Zusätze erdeutlicht.

Dersrste Beschluss betrifft einen zwischen dem ersten und zweiten .bsatze des jetzigen Art. 26 einzuschiebenden neuen Absatz folgiden Wortlautes: «Aenn in den zweiundzwanzig Monaten nach dem Beschisse der Versammlung die Zahl der e r f o r d e r liehei E a t i f i k a t i o n e n nicht zustande k o m m t , bleibt der A ä n d e r u n g s b e s c h l u s s ohne Wirkung.» Es isklar, dass das Eevisionsverfahren nicht unbegrenzt dauern kann. Egeht nicht an, dass nach mehreren Jahren ein Beschluss durch naiträgliche Eatifikationen einiger Staaten in Kraft tritt, in ·einem Zepunkt, in dem die Verhältnisse vielleicht wesentlich ver.ândert sii gegenüber denjenigen, unter welchen die übrigen Staaten

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ratifiziert haben. Die Frist von 22 Monaten ist gewählt worden, wei£ dann die zirka zwei Monate später zusammentretende ordentliche^ Völkerbundsversammlung von dem Hinfalle des von der vorletzten Versammlung gefassten Beschlusses Kenntnis nehmen und unter Umständen den Beschluss in veränderter Form nochmab den Mitgliedern vorlegen kann.

Der andere Abänderungsantrag " betrifft eine Ergänzung des-: jetzigen Absatzes 2 von Art. 26, an dessen Stelle in Zifamft folgende Absätze treten sollen: «Der Generalsekretär gibt den Mitglieder! K e n n t nis vom I n k r a f t t r e t e n einer A b ä n d e r u n g .

Jedem Mitglied des V ö l k e r b u n d e s , das ir. diesem.

Zeitpunkt die Abänderung nicht r a t i f i z i e r t hft, steht es frei, innerhalb eines Jahres dem Generalsekretär seine Weigerung, diese a n z u n e h m e n , bekanntgeben..

In diesem Falle hört es a u f , Mitglied des Völke:bundes.

zu sein.» Neu gegenüber dem jetzigen Wortlaute des Art. 26 ist di Bestimmung, dass der Generalsekretär den Mitgliedern das !ustandekommen der erforderlichen Zahl von Ratifikationen miteilt und dass von diesem Zeitpunkte an eine einjährige Frist läuft, anerhalb · welcher diejenigen Mitglieder, die nicht ratifiziert haben und diedie Abänderung nicht als für sich verbindlich anerkenne) wollen,.

ihren Rücktritt erklären können. Stillschweigen bedeutet iinahme, ohne dass eine Ratifikation vollzogen werden müsste.

Durch diese Zusätze ist eine Lücke ausgefüllt, auf die ehon die bundesrätliche Botschaft vom 4. August 1919 hingewiesen lat. Die Festsetzung der Fristen von 22Monaten bzw. einem Jahr ist icht nur notwendig, um das Revisionsverfahren zeitlich zu begrenzensondern sie ist auch durch die besondern verfassungsrechtlichen Vo;chriften der Schweiz geboten. Da die Entscheidung über die Ratifikata einer Abänderung der Bundesversammlung (mit fakultativem Ref'endum) zusteht, diejenige über Ausscheiden aus dem Völkerbunddagegen Volk und Ständen, ist es notwendig, dass die beiden Entsendungen getrennt getroffen werden können und dass hinreichend Zeitsur Ver- fügung steht für die Behandlung in den Räten wie für einallfällige Volksabstimmung.

Die sämtlichen Beschlüsse der Versammlung, die Abänsrungen des Völkerbundsvertrages betreffen und deshalb der Ratifiltion bedürfen, werden in Form von Protokollen aufgesetzt, die va Präsidenten der Versammlung und vom Generalsekretär unteeichnet

2î sind und für die Unterschrift durch die Bevollmächtigten der Mitglieder offen stehen. Es ist dies das gleiche Verfahren, das schon von der Ersten Versammlung für das Statut des internationalen Gerichtshofes angewandt wurde. Da der Pakt des Völkerbundes ein Staatsvertrag ist, werden auch dessen Abänderungen in Vertragsform vollzogen, wobei immerhin die Peststellung des Vertragsinhaltes durch die Beratungen und Beschlüsse der Versammlung erfolgt. Es ist ein Verfahren, in dem Grundsätze des reinen Vertragsrechtes sich mit solchen des Genossenschaftsrechtes vermischen.

Die Wahl der n i c h t s t ä n d i g e n Mitglieder des Eates bildet den Gegenstand eines weitern Abänderungsbeschlusses. An der Ersten Versammlung hatten die skandinavischen Staaten beantragt, Art. 4 des Völkerbundsvertrages dahin abzuändern, dass die nichtständigen Mitglieder des Bates durch Partialerneuerung bei vierjähriger Mandatdauer ersetzt werden sollten. Die Versammlung wollte diese Bestimmung als Geschäftsordnungsvorschrift ausserhalb des Vertrages ordnen. Im letzten Augenblick erhob sich aber gegen dieses Vorgehen Widerstand, indem behauptet wurde, dass die Versammlung wohl frei sei in der Wahl dieser Mitglieder und des Zeitpunktes der Wahl, dass aber diese im Pakt anerkannte Freiheit nicht gemindert werden könne und dass eine Versammlung nicht befugt sei, spätere Versammlungen zu binden. Deshalb wurde 1920 und' wiederum 1921 der Eat nur auf l Jahr neubestellt.

Dies kann aber keine bleibende Regelung der Angelegenheit sein..

Wenn das Ausscheiden der nichtständigen Mitglieder nicht durch eine feste Kegel zum voraus bestimmt wird und die Frage der Wiederwählbarkeit nicht in einer festen Ordnung ihre Erledigung findet, sowird die Wahl oder Nichtwiederwahl eines Staates sehr leicht zu einer Prestigefrage für diesen, und die nichtständigen Sitze werden tatsächlich zu bleibenden. Dies müsste zu einem für die Mehrheit der Mitglieder unerträglichen Zustande führen, da sie fast jede Aussicht auf Eintritt in den Eat verlieren würden. Anderseits würde eine Vermehrung des Eates zum Zwecke, verschiedener Begehren zu entsprechen, die Wirksamkeit dieses Kollegiums und besonders den Einfluss der Nichtgrossmächte m ihm wesentlich vermindern. Es handelt sich hier um Lebensfragen in der Völkerbundsorganisation vom Standpunkte der kleinern Staaten aus.

Die Eegelung dieser Wahlen im Völkerbundsvertrage selber hätte den Nachteil, dass eine erneute Abänderung, die durch die Erfahrung

'22 ·wünschbar werden könnte, nur auf dein schwierigen und zeitraubenden Wege der Vertragsabänderung sich verwirklichen liesse. Es war deshalb vorgeschlagen worden, den Art. 4 dahin abzuändern, dass der Versammlung ausdrücklich das Eecht zuerkannt werde, mit einfachem Zweidrittelmehr die Wahlbedingnisse für die Wahlen der nichtständigen Mitglieder festzusetzen. Damit entfallen alle juristischen Bedenken, die bis jetzt auf Grund des heutigen Textes gegen diese weitaus zweckmässigste Ordnung der Angelegenheit vorgebracht wurden.

In Art. 4 soll demgemäss zwischen dem 2. und 8. Absatz ein neuer .Absatz eingefügt werden, lautend: «Die Versammlung beschliesst mit Zweidrittelmehrheit die V o r s c h r i f t e n b e t r e f f e n d die Wahl der ' nichtständigen Mitglieder des Rates und insbesondere ' d i e j e n i g e n über die Dauer ihrer Mandate und die Be' dingungen der Wiederwählbarkeit.» Ist diese Abänderung angenommen, so wird die Versammlung ·ein Wahlreglement ausarbeiten müssen. Für dieses hat die schweizerische Delegation sowohl auf der Ersten wie auf der Zweiten Ver.sammlung verschiedene Vorschläge gemacht. Das Zustandekommen ·einer Zweidrittelmehrheit wird indessen nicht sehr leicht sein, da die überseeischen Staaten einerseits die für Europa nachteilige These einer :ständigen und bis zu einem gewissen Grade proportionalen Vertretung der Kontinente aufstellen und anderseits mit Eecht darauf bedacht ,sind, allen Staaten nach und nach den Eintritt in den Bat zu sichern.

Diese doppelte Forderung lässt sich aber nur schwer mit einer wirksamen Vertretung der Nichtgrossmächte vereinigen.

Immerhin hat die Zweite Versammlung sich nicht damit begnügt, künftigen Versammlungen die Kompetenz zur Ordnung dieser Wahlen zu geben, sondern hat, als sie am 5. Oktober 1921 die 1920 auf l Jahr gewählten Mitglieder (Belgien, Brasilien, China, Spanien) auf ein "weiteres Jahr bestätigte, eine Resolution folgenden Inhalts gefasst : a. dass in Zukunft die Wahlen nach einem Rotationssystem und iür bestimmte Perioden erfolgen sollen; b. dass bei den nächstjährigen Wahlen auf die ungleiche Dauer ·der bisherigen Zugehörigkeit der verschiedenen Mitglieder zum Rate .Rücksicht genommen werde; c. dass die Versammlung die Rechtsfrage, ob sie zur Regelung der Wahlbedingnisse durch einfachen Besehhiss befugt sei oder nicht, nicht entscheiden wolle, dass sie aber die Abänderung des Völkerbunds·vertrases -- in der oben erörterten Weise -- für wünschbar erachte.

23 Die materiell wichtigste Änderung betrifft die Verteilung 1 der "Kosten des Völkerbundes. Der Völkerbundsvertrag bestimmt in Artikel 6, in Anlehnung an verschiedene andere internationale Übereinkünfte, dass der für den Weltpostverein geltende Verteiler -auch für den Völkerbund massgebend sein soll.

Diese von der Friedenskonferenz angenommene Kostenverteilung kann nur eine provisorische sein, einmal, weil der Völkerbund für eine ·so wichtige Angelegenheit nicht vom Weltpostverein abhängig sein darf, und sodann namentlich, weil die dort angenommene Verteilung ·auf den Völkerbund gar nicht passt, da die Mitglieder der beiden Organisationen nicht die gleichen und die Mitgliedschaft nach ganz -andern Gesichtspunkten bestimmt wird. Überdies sind die Kosten «des Völkerbundes ein Vielfaches derjenigen jedes andern internationalen Verbandes und daher auch die entsprechenden Beitragslasten ·der Mitglieder, so dass eine viel genauere Einschätzung der Mitglieder :nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit geboten ist, als bei den ·sieben Stufen der jetzigen Skala des Weltpostvereins möglich ist.

Dies ist um so notwendiger, als sehr viele Mitglieder eine gegenüber ·der Geldeinheit des Völkerbundes -- dem sog. Goldfranken -- stark 3interwertige Währung besitzen.

Über die dringende Notwendigkeit einer Änderung war man einig ; ·dagegen bestanden begreiflicherweise viele Meinungsverschiedenheiten darüber, wie eine gerechte neue Verteilung gestaltet sein sollte ; denn die statistischen Grundlagen sind vielfach unsicher und unvergleichbar, und es können die verschiedensten Gesichtspunkte für die Klassierung der Staaten in Betracht kommen.

Es ist erfreulich, dass mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Mehrheit nicht nur der Grundsatz, dass die Versammlung den Verteiler festzusetzen habe, angenommen wurde, sondern auch ein neuer Verteiler. Dieser bringt für die Schweiz wie für die meisten Staaten eine wesentliche Entlastung. Der bisherige Verteilungsschlüssel kam namentlich den ganz grossen Staaten zugute (so zahlen im Weltpostverein die Grossmächte, immerhin ohne die Kolonien, 25 Einheiten ·und die Schweiz deren 15). Nach der neuen Skala trifft es auf die Schweiz nur noch 10 Einheiten, während es z. B. auf Frankreich mit TColonien und auf Grossbritannien ohne die Dominions und Indien '90 trifft. Die Grossmächte
sind bereit, die ihnen billigerweise zufallende Mehrbelastung zu tragen ; daher gestaltet sich die neue Ordnung nicht nur für die Schweiz, sondern für fast alle übrigen Mitglieder wesentlich günstiger. Für die Schweiz bedeutet diese Änderung ·des Vertrages, wenn sie angenommen wird, eine Verminderung des Beitrages um ca. 64 %, was auf der für 1922 zu leistenden Summe von ·Goldfranken 606,801 eine Ermässigung von Fr. 385.209 ausmacht.

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Der von der Versammlung am 5. Oktober 1921 angenommene abgeänderte Text des letzten Absatzes von Art. 6 soll lauten : «Die Kosten des Völkerbundes werden von den Mitgliedern des Völkerbundes in dem von der Versammlung festgesetzten Verhältnisse getragen.» Dem Art. 6 wird ein weiterer Absatz folgenden Wortlautes hinzugefügt: «Die Verteilung der Kosten des Völkerbundes, wie sie im Anhang 3 erscheint, wird vom 1. Januar 1922 an angewendet werden, bis eine neue, von der Versammlung angenommene Verteilung in K r a f t tritt.» Es ist in Aussicht genommen, dass der nächsten Versammlung · ein revidiertes Verteilungsschema vorgelegt werde, da das jetzt vorgeschlagene nicht lange genug vor der Beratung den Mitgliedern mitgeteilt werden konnte. In die Geschäftsordnung der Versammlung ist ein Zusatz zu Art. 4 aufgenommen worden, wonach Anträge betreffend die Kostenverteilung mindestens vier Monate vor Eröffnung: der Session -der Versammlung den Mitgliedern mitgeteilt werden müssen.

Die neue Verteilungsskala, die, wenn angenommen, rückwirkend auf Anfang 1922 in Kraft tritt und als 8. Anhang dem Völkerbundsvertrag angefügt wird, lautet: Verteilung der Ausgaben des Völkerbundes.

Staaten Staaten

Zu zahlende Einheiten

Albanien 2 Argentinien 35 Australien 15 Belgien 15 Bolivien 5 Brasilien 35 Britisches Reich . . . . 90 Bulgarien 10 Canada 35 Chile . 15 China 65 Columbien 10 Costa Bica 2 Cuba 10

S t a a t e » Z uEinheiten zahlende:: Staaten

Dänemark Estland . . .

Pinnland Frankreich Griechenland Guatemala Haiti Honduras Indien Italien Japan Lettland Liberia Litauen

10 5 5 90 10 2 5 '. 2 65 65 65 55 5>

25 Zu zahlende Einheiten

Staaten Xiuxemburg ^Neuseeland .

Nicaragua .

Niederlande Norwegen .

"Österreich .

Panama Paraeuav .

Peru Persien Polen .Portugal

2

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10 2 15 10 2 2 2 10 10 15 10

e»..i.

Staalen



zahlende Ei nheiten

EnmÄniAn

Salvador Schweden Schweiz Serbisch - Kroatisch - Slovenischer Staat Siam . . .

. . . .

Spanien Südafrika Tschechoslowakei . . . .

Urusuav Venezuela

35 2 15 10 35 10 35 15 35 10 5

Durch die Errichtung des Ständigen I n t e r n a t i o n a l e n Gerichtshofes ist es wünschbar geworden, in den Artikel 12, 13 und 15 ·des Völkerbundsvertrages einige Änderungen anzubringen, die indessen mehr redaktioneller Natur sind. In den genannten Artikeln ist vom «schiedsrichterlichen» Verfahren, speziell im Gegensatze zum politischen Vermittlungsverfahren des Eates und der Versammlung, die .Eede. Allgemeiner Ansicht nach ist unter dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht nur ein Verfahren im Sinne der Haager Konventionen verstanden, sondern jedes Verfahren, durch das sich die streitenden Parteien dem Spruche einer nach Eecht oder Billigkeit urteilenden Instanz zum vornherein unterwerfen. Wenn sie sich dem Internationalen Gerichtshof unterwerfen, so ist dieser für sie auch ein Schiedsgericht in diesem Sinne. Da man aber oft mit dem Begriff des Schiedsverfahrens den Gedanken an eine Entscheidung weniger nach Eechtsgrundsätzen als nach blosser Billigkeit verbindet und der Internationale Gerichtshof seinem Wesen nach eine nach positivem Eechte urteilende Instanz sein soll, so hielt man es für wünschenswert, in den erwähnten Artikeln diese beiden Arten von Gerichtsbarkeit als gleichwertig hinzustellen. Es ist deshalb nicht mehr nur vom Schiedsverfahren die Eede, sondern ausdrücklich auch vom Gerichtsverfahren. Statt von einem Schiedsspruch wird allgemein von einer Entscheidung gesprochen. Diese redaktionellen Änderungen bedingen aus rein sprachlichen Gründen einige weitere Wortänderungen.

Die Artikel 12, 13 und 15 sollen künftig wie folgt lauten (die neuen bzw. abgeänderten Stellen sind gesperrt gedruckt) :

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Art.. 12.

«Alle Mitglieder des Völkerbundes kommen darin überein, dassc, wenn sich zwischen ihnen eine Streitfrage erheben sollte, die zu einem Bruch führen könnte, sie diese, sei es dem schiedsgerichtlichen Verfahren oder dem Gerichtsverfahren, sei es der Prüfung durcht den Bat des Völkerbundes unterbreiten werden. Sie kommen ferner überein, in keinem Falle vor Ablauf einer Frist von drei Monaten nach, der Entscheidung des Schiedsgerichts oder des Gerichts oder nach dem Bericht des Eates zum Kriege zu schreiten.

In allen von diesem Artikel getroffenen Fällen soll die Entscheidung i n e i n e m a n g e m e s s e n e n Z e i t r ä u m e gefällt und der Bericht des Eates innerhalb sechs Monaten nach Vorlegung-, des Streitfalles erstattet werden.» Art. 18.

«Die Mitglieder des Völkerbundes sind darin einig, dass, wenn sich zwischen ihnen eine Streitfrage erheben sollte, die nach ihrer Ansicht sich zu einer schiedsrichterlichen oder gerichtlichen Losungeignet, und wenn der Konflikt auf diplomatischem Wege nicht in befriedigender Weise gelöst werden kann, die Frage in ihrer Gesamtheit einer schiedsgerichtlichen oder gerichtlichen Entscheidung zu unterwerfen ist.

Als Streitfälle, die im allgemeinen einer schiedsrichterlichenoder gerichtlichen Lösung fähig sind, werden unter andern diejenigen erklärt, welche sich auf die Auslegung eines Vertrages sowieauf jede Frage des internationalen Eechts, ferner auf Tatsachen, die,, wenn bewiesen, den Bruch einer internationalen Verpflichtung bedeuten würden, sowie endlich auf das Mass oder die Art der für einesolche Rechtsverletzung geschuldeten Wiedergutmachung beziehen.

Der Streitfall wird dem Ständigen Internationalen Gerichtshof oder jeder Gerichtsbarkeit oder jedem Gerichte, d e s s e n Z u s t ä n d i g k e i t von den Parteien bestimmt oder in deren .früheren Verträgen vorgesehen, w i r d , unterbreitet*).

Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten sich, die ergangenen.

Entscheidungen nach Treu und Glauben auszuführen und gegen kein Mitglied des Völkerbundes, das einer Entscheidung nach, *) Anmerkung. Der französische und englische Text dieses abgeänderten Absatzes von Art. 13 weichen erheblich voneinander ab, zwar kaum dem Sinne nach, aber in der Form. Die deutsche Übersetzung lehnt sich, an den französischen Text an.

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kommt, kriegerische Massnahmen zu ergreifen. Im Falle der Nicht*ausführung der Entscheidung schlägt der Rat die Massnahmen vorv die deren Vollzug sichern sollen.» Art. 15. ( A b s a t z 1).

«Entsteht zwischen den Mitgliedern des Völkerbundes eine Streitigkeit, die zu einem Bruch führen könnte, so kommen, wenn dieser Koriflikt nicht nach der Massgabe des Art. 13 der Schiedsgerichtsbarkeit oder einem Gerichtsverfahren u n t e r w o r f e n wird, die Mitglieder des Völkerbundes überein, die Angelegenheit vor den Bat zu.

bringen. Zu diesem Zwecke genügt es, dass eine der Parteien von dem Streitfall dem Generalsekretär Kenntnis gibt. Dieser trifft alle Anordnungen für die Vornahme einer erschöpfenden Untersuchung und Prüfung.»

Die ausserordentlich wichtige Frage der Sanktionen des Völk e r b u n d e s gegen b u n d e s b r ü c h i g e Staaten hat bereits die Erste Versammlung beschäftigt ; diese hatte eine Eeihe von Grundsätzen angenommen, die vorläufig für die Interpretation des Art. 16 des Völkerbundsvertrages gelten sollten, und sie hat den Rat beauftragt, eine achtgliedrige Kommission einzusetzen, die zuhanden des Rates und der Versammlung den ganzen Komplex von Fragen untersuchen sollte, die sich auf die Durchführung der wirtschaftlichen.

Sanktionen beziehen.

Diese Kommission, allgemein internationale Blockadekommission genannt, in der ausser den vier ständig im Rate vertretenen Grossmächten Cuba, Norwegen, die Schweiz und Spanien einen Sitz haben, hatte der Zweiten Versammlung einen Bericht erstattet, in dem Vorschläge über die Anwendung des Art. 16 gemacht und Abänderungen dieses Artikels angeregt wurden. Die Kommission ging noch etwas weiter in der bereits von der Ersten Versammlung eingeschlagenen Richtung, d. h. sie war bestrebt, dem Art. 16 eine Auslegung zu geben, die, ohne die Wirksamkeit der Sanktionen abzuschwächen, nach Möglichkeit die für alle Staaten aus der Anwendung dieses Artikels erwachsenden Gefahren vermindert und die dem Umstände Rechnung trägt, dass die Weltblockade den leider noch nicht verwirklichten Weltvölkerbund voraussetzt. Insbesondere hat die Kommission sich auch in der Beziehung der schweizerischen Auffassung genähert, dass die Anwendung der wirtschaftlichen Zwangsmittel keinen Kriegszustand an sich bedeuten solle und dass dei Völkerbund, wenn irgend.

28 möglich, mit nichtkriegerischen Massnahmen seine Autorität solle .-geltend machen.

Die zweite Völkerbundsversammlung hat sich in der Hauptsache auf den von der Blockadekornmission eingenommenen Standpunkt gestellt. Sie hat einerseits vier Abänderungsvorschläge zu Art. 16 angenommen, anderseits auf Grund eines Berichts der III. Kommission (für die Abrüstung und die wirtschaftliche Waffe) einer Reihe von Resolutionen zugestimmt, die vorläufig dem Eate und den Mitgliedern -als Richtschnur (directives) dienen sollen. Im gleichen Sinne wurden die beantragten Abänderungen des Art. 16 vorläufig eingeführt. Die Abänderungsanträge wurden gemacht, weil die Versammlung glaubte, dass die in ihnen ausgesprochenen Grundsätze nicht oder doch nur .gezwungen sich mit dem bestehenden Wortlaut des Art. 16 .vereinbaren lassen.

Hier soll zunächst nur von den vier Abänderungsanträgen die Rede sein, da nur über sie die Bundesversammlung unmittelbar JBeschluss zu fassen hat.

Der erste Absatz von Art. 16 sieht eine Wirtschafts- und Verkehrssperre vor, und zwar richtet sich diese nach dem Wortlaute des Artikels nicht nur gegen den bundesbrüchigen Staat als solchen, sondern auch gegen dessen Angehörige. Gegen diese Art Blockade, die im letzten Kriege zu den Massenausweisungen und Masseninternierungen geführt hat, nahm der Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. August 1919 energisch Stellung, weil sie eine unnötige Härte be'deutet und weil sie in der Schweiz wegen unserer zahlreichen fremden Bevölkerung schlechterdings undurchführbar wäre. In der Londoner Deklaration vom 18. Februar 1920 betreffend die schweizerische Neutralität im Verhältnis zum Völkerbund ist denn auch nur von wirtschaftlichen und finanziellen Massnahmen gegen den bundesbrüchigen Staat die Rede, nicht aber von solchen gegen dessen Angehörige. Die wirtschaftliche Sperre wirkt nach schweizerischer Auffassung nur von Staat zu Staat, d. h. von Gebiet zu Gebiet, nicht aber innerhalb ·eines Staatsgebietes zwischen Personen verschiedener Nationalität.

Sowohl die Erste Völkerbundsversammlung als die Blockade kommission haben sich einstimmig auf diesen Boden gestellt, und in den von der Zweiten Versammlung am 4. Oktober 1921 angenommenen Resolutionen betreffend die wirtschaftliche Waffe lautet Punkt 18: «Für den Abbruch der Beziehungen zwischen den Personen,
die -zum fehlbaren Staate gehören, und denjenigen, die zu andern Mitgliedern des Völkerbundes gehören, ist das Unterscheidungsmerkmal der Aufenthalt und nicht die Staatsangehörigkeit.»

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Um diesen Grundsatz im Art. 16 in unanfechtbarer Weise zum Ausdruck zu bringen, soll nach dem Beschluss vom 4. Oktober 1921 der zweite Satz des ersten Alinea von Art. 16*) künftig folgende Fassung erhalten (Veränderungen sind gesperrt): « Diese verpflichten sich, unverzüglich alle Handels- und Finanzbeziehungen mit ihm abzubrechen, jeden Verkehr zwischen den auf ihrem Gebiete sich a u f h a l t e n d e n Personen und denjenigen, die sich auf dem Gebiete des bundesbrüchigen Staates a u f h a l t e n , zu untersagen und alle finanziellen, kommerziellen und persönlichen Verbindungen zwischen den auf de'm Gebiete dieses Staates sich a u f h a l t e n d e n Personen und d e n j e n i g e n , die sich auf dem Gebiete j e n e s a n d e r n Staates aufhalten, mag er Mitglied des Völkerbundes sein, oder nicht, zu verhindern.» *) Der vollständige Wortlaut des Art. 16 in der gegenwärtigen Passung lautet: Art. 16. Sofern ein Glied des Völkerbundes in Missachtung der Verpflichtungen aus Art. 12, 13 oder 15 zum Kriege schreitet, soll es ohne weiteres so angesehen werden, als hätte es eine Kriegshandlung gegen alle andern Mitglieder des Bundes begangen. Diese verpflichten sich, unverzüglich alle Handels- und Finanzbeziehungen mit ihm abzubrechen, jeden Verkehr ihrer Angehörigen mit demjenigen des bundesbrüchigen Staates zu untersagen und alle finanziellen, kommerziellen und persönlichen Verbindungen zwischen den Angehörigen dieses Staates und denjenigen jedes andern Staates, mag er Mitglied des Völkerbundes sein oder nicht, zu verhindern.

In diesem Falle ist der Bat verpflichtet, den verschiedenen beteiligten Regierungen die Stellung militärischer, maritimer oder aviatischer Streitkräfte anzuempfehlen, mit denen die Mitglieder des Völkerbundes für ihren Teil zu der bewaffneten Macht beizutragen haben, die dazu bestimmt ist, die Achtung der Bundesverpflichtungen zu erzwingen.

Die Mitglieder des Völkerbundes kommen ausserdem überein, sich gegenseitig in der Anwendung der wirtschaftlichen und finanziellen Massnahmen zu unterstützen, die auf Grund dieses Artikels getroffen werden müssen, um die Verluste und Nachteile, die aus diesen Massnahmen erwachsen können, auf ein Mindestmass zu beschränken. Sie werden sich desgleichen gegenseitig unterstützen, um gegen jede besondere Massregel, die von dem bundesbrüchigen
Staate gegen einen von ihnen gerichtet werden, Widerstand zu leisten. Sie tun. die erforderlichen Schritte, um den Streitkräften jedes Mitgliedes des Völkerbundes, das an einer gemeinsamen Aktion zum Schutze der Bundespfliohten teilnimmt, den Durchzug durch ihr Gebiet zu erleichtern.

Jedes Mitglied des Völkerbundes, das sich der Verletzung einer aus dem Bundesvertrage sich ergebenden Verpflichtung schuldig gemacht hat, kann aus dem Völkerbund ausgeschlossen werden. Die Ausschliessung erfolgt durch Abstimmung aller andern im Rate vertretenen Mitglieder dis Völkerbundes.

Bandesblatt. 74. Jahrg. Bd. I.

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Da sich weder in der ersten Versammlung noch in der Blockadekommission noch in der dritten Kommission der Zweiten Versammlung Widerspruch gegen das Aufenthaltsprinzip geltend gemacht hatte, bildete es eine Überraschung, als in der Plenarsitzung vom 26. September der französische Vertreter beantragte, dass das Aufenthalts- und das Nationalitätsprinzip miteinander zu kombinieren, seien, wie es während des Weltkrieges von den Alliierten gehalten wurde.

Demnach würde die Sperre sich nicht nur gegen- die ganze Bevölkerung des bundesbrüchigen Staates, sondern gegen dessen Staatsangehörige, gleichviel wo sie sich befinden, richten. Die französische Delegation hat zwar auf die Abstimmung über diesen Antrag verzichtet und bei der Abstimmung über die Vorlage der Kommission sich der Stimme enthalten, um das Zustandekommen des Beschlussesnicht zu verhindern; es ist aber sehr wohl möglich, dass das Inkrafttreten des Beschlusses am Ausbleiben der französischen Batifikation scheitern wird.

Wenn infolgedessen auch damit gerechnet werden muss, dass die neue Passung nicht in Kraft trete, so kann die Schweiz doch mit gutem Grunde annehmen, dass der von ihr vertretene Standpunkt (Aufenthaltsprinzip, nicht Staatsangehörigkeitsprinzip) als die gültige Auslegung des Art. 16 zu betrachten ist. Die erste und die zweite Versammlung haben sich einstimmig, d. h. ohne dass bei der Abstimmung Widerspruch erhoben worden wäre, für diese Auslegung ausgesprochen und die Besolution vom 4. Oktober 1921 bleibt bestehen, bis die im gleichen Sinne lautende neue Fassung des Art. 16, Abs. l, angenommen ist. Im weitern kann sich die Schweiz noch besonders auf die Londoner Deklaration berufen. In keinem Falle kann sie von ihrem Standpunkt abgehen.

Der zweite, den Art. 16 betreffende Abänderungsantrag bezweckt Einfügung eines neuen zweiten Absatzes folgenden Inhalts: «Es steht dem Bäte zu, eine Meinung darüber zu äussern, ob ein Bruch des V ö l k e r b u n d e s vorliegt oder nicht. Bei der Beschlussfassurig des Bates über diese Frage werden die Stimmen der Mitglieder, die beschuldigt sind, zum Kriege geschritten zu sein, sowie derjenigen, gegen die der Krieg u n t e r n o m m e n worden ist, nicht mitgezählt.» Es geht aus dem Wortlaute des Art. 16 hervor, dass die Durchführung der wirtschaftlichen Sanktionen eine Angelegenheit der einzelnen Mitglieder, die Erfüllung eine individuelle Vertragspflicht sei.

nicht eine vom Bäte anzuordnende und zu leitende Gesamtaktion.

31 Die Souveränität der Völkerbundsstaaten in dieser Beziehung hat die Versammlung in der Eesolution Nr. 4 betreffend die wirtschaftliche Waffe (vom 4. Oktober 1921) mit Schärfe betont; die Eesolution lautet: «Es kommt den verschiedenen Mitgliedern des Völkerbundes zu, zu bestimmen, ob ein Bruch des Völkerbundsvertrages vorliegt oder ob Gefahr eines solchen Bruches bestehe. Die Verpflichtungen, die den Mitgliedern auf Grund von Art. 16 obliegen, ergeben sich unmittelbar aus dem Völkerbundsvertrag, und ihre Erfüllung ist eine Sache der Vertragstreue.» So sehr diese Konstatierung im Interesse der Selbständigkeit zu begrüssen ist, so ist anderseits nicht zu verkennen, dass eine gewisse Zusammenfassung und Einheitlichkeit bei Durchführung der Sanktionen notwendig ist, sollen diese die gewollte Wirkung haben und nicht vielmehr zu einer Quelle von Gefahren und Schäden für einen Teil der Mitglieder werden. Würde die Durchführung der Sanktionen und damit das Eecht, ohne weiteres gegen den bundesbrüchigen · Staat selbst Krieg zu führen, den einzelnen Staaten ganz überlassen, so könnte der Artikel die ganzen Friedenssicherungsvorschriften illusorisch machen. Es ist klar, schon aus rein politischen Gründen, dass nur der Eat die Einheit der Aktion sichern kann. Er muss über die Tatsache eines Bruches des Völkerbundes auf alle Fälle sich aussprechen, da er es ist, der nach dem jetzigen Absatz 2 von Art. 16 allfällige militärische und Flottenunternehmungen in Vorschlag bringt. Die Bestimmung, dass der Eat, der einstimmig sein muss, über die Tatsache des Bruches sich zu äussern hat, bietet überdies eine Gewähr dafür, dass nicht einzelne Mächte versuchen können, unter Berufung auf Art. 16 die wirtschaftliche Solidarität von andern Völkerbundsmitgliedern im Kriegsfall in Anspruch zu nehmen.

Die Bestimmung, dass die Stimmen der Mitglieder, die des Bruches des Völkerbundes beschuldigt sind oder die als Opfer des rechtsbrecherischen Angriffs betrachtet werden, bei der Entscheidung des Eates nicht mitzählen, ist fast selbstverständlich ; sie stimmt überein mit dem in Art. 15 für die Vermittlung des Eates und der Versammlung aufgestellten Grundsatz, dass die Stimmen der Parteien nicht zählen. Dass nicht nur der Angreifer, sondern auch der Angegriffene nicht stimmen kann, rechtfertigt sich auch noch durch die Erwägung,
dass es oft gerade streitig sein wird, wer zuerst rechtswidrig zum Kriege geschritten ist, also den Völkerbund gebrochen hat.

Diese ausdrückliche Eegelung des Stimmrechtes ist zweckmässig, weil sonst aus einer formalistischen Auslegung der Art. 4 und 5 des Völkerbundsvertrages der Schluss gezogen werden könnte, dass der

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als Eechtsbrecher zu betrachtende Staat sei es, gegebenenfalls als ordentliches Mitglied des Eates, sei es in seiner Eigenschaft als unmittelbar Beteiligter stets Anspruch auf Sitz und Stimme im Eat habe und dort des Einstimmigkeitserfordernisses wegen durch sein Veto den Eat lahmlegen könnte. Eine solche Auslegung wäre zwar widersinnig, aber es ist doch wünschbar, dass der Eechtsbrecher keinerlei Handhaben im Völkerbundsvertrage finde.

Die Versammlung hat dem Eate in einem weitern Zusatz zum Art. 16 noch eine andere, mit der eben erörterten eng zusammenhängende Befugnis gegeben. Wenn die einzelnen Staaten die Sanktionen zu verschiedener Zeit in Anwendung bringen würden, so setzten sich diejenigen, die in Übereinstimmung mit Art. 16 «unverzüglich» die erforderlichen Massnahmen ergriffen, unverhältnismässig grössern Nachteilen aus als die später eingreifenden und die zersplitterte Aktion würde voraussichtlich keine oder nur eine verspätete Wirkung haben.

Aus diesem Grunde ist der Eat befugt, den Zeitpunkt zu bezeichnen, in dem seines Erachtens die Bestimmungen des Artikels 16 in Anwendung gebracht werden sollten. Der Eat richtet an die Mitglieder des Völkerbundes nur einen Bat (recommandation) ; er erteilt ihnen keine Befehle. Die Idee des Überstaates wurde auch in diesem Znsammenhang entschieden zurückgewiesen. · Der neue, dritte Absatz des Art. 16 würde lauten: «Der Eat soll allen Mitgliedern des Völkerbundes den Zeitpunkt bekanntgeben, den er für die A n w e n d u n g deiin gegenwärtigem Artikel vorgesehenen wirtschaftlichen Massnahmen empfiehlt.» Man hat es namentlich deshalb für nötig erachtet, die Bezeichnung eines solchen Zeitpunktes im Artikel 16 selber ausdrücklich zu erwähnen, weil im Absatz l gesagt ist, dass im Falle eines Bruches des Völkerbundes jedes Mitglied «unverzüglich» zur Anwendung der Sanktionen schreite.

Die wichtigste Änderung des Art. 16, die von der Versammlung angenommen wurde betrifft einen neuen 4. Absatz folgenden Wortlautes : «Wenn indessen der Eat erachtet, dass die Aufschiebung irgendeiner dieser Massnahmen für gewisse Mitglieder und für eine bestimmte Dauer gestatten würde, das durch die vorerwähnten Massnahmen v e r f o l g t e Ziel besser zu erreichen, oder dass sie nötig wäre, um die diesen Mitgliedern aus solchen Massnahmen erwachsenden Verluste und Nachteile auf das Mindestmass zu beschränken, so hat er das Eecht, diese A u f s c h i e b u n g zu verfügen.»

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An der ersten Völkerbundsversammlung hatten die drei skandinavischen Staaten einen Antrag gestellt, in Art. 16 eine Bestimmung aufzunehmen, wonach der Rat bei Anwendung des Artikels für einzelne Staaten Ausnahmen gewähren könne mit Rücksicht auf deren Sicherheit und wirtschaftlichen Existenzbedingungen. Diesen Antrag hat sich auch die Blockadekommission angeeignet, indem sie dem darin enthaltenen Gedanken eine allgemeinere Fassung gab. In den Beratungen der III. Kommission der zweiten Versammlung erhielt die Idee die obenerwähnte Formulierung. Materiell ist sie von den frühern Vorschlägen nicht wesentlich verschieden. An Stelle der sofortigen und bedingungslosen Durchführung der Wirtschaftssperre, wie sie aus dem jetzigen Artikel 16 abgeleitet werden könnte, tritt ein System, in dem den verschiedenen wirtschaftlichen, geographischen und strategischen Lagen Rechnung getragen werden kann. Von schweizerischer Seite ist namentlich auch darauf hingewiesen worden, dass das in Art. 16, jetzige Absätze 2 und 3, vorgesehene System gegenseitiger Hilfe im Vergleiche zu den im ersten Absatz so bestimmt formulierten Pflichten sehr vag erscheine und dass es ein Gebot sowohl der Billigkeit als der politischen Klugheit sei, durch Rücksichtnahme auf die besondere Lage einzelner Staaten die Völkerbundspflichten und die vom Völkerbünde geleistete oder tatsächlich zu erwartende Hilfe in ein richtiges Verhältnis zu setzen.

Die Anwendung dieser Bestimmung wird nicht leicht sein. GrundSätzlich müssen die Mitglieder auf dem Fusse der Gleichberechtigung behandelt werden, da sonst Verstimmungen unter ihnen eintreten und die Solidarität in die Brüche gehen könnte. Wichtig aber ist es, dass die starre Regel des Art. 16 in Ausnahmefällen durchbrochen werden kann.

III. Eevisionspunkte, in denen keine Änderung des Yölkerbnndsvertrages beschlossen worden ist.

Ausser den im Vorhergehenden erläuterten Abänderungsvorgchlägen zum Völkerbundsvertrage hat die zweite Versammlung noch zu einer ganzen Reihe anderer Revisionspunkte Stellung genommen, und zwar teils so, dass sie durch blosse, der Ratifikation nicht bedürftige Resolutionen eine Interpretation des V ö l k e r b u n d s v e r trages gab, teils so, dass gewisse Anträge abgelehnt oder ihre Behandlung auf die nächste Versammlung verschoben wurde.

Die wichtigsten i n t e r p r e t a t i v e n Resolutionen der zweiten Versammlung betreffen die w i r t s c h a f t l i c h e n Sanktionen*).

*) Der vollständige Text dieser am 4. Oktober 1921 gefassten Resolutionen lautet: l. Solange die Abänderungen nicht in der vom Völkerbundsvertrage gewollten Form in Kraft gesetzt worden sind, bilden die Resolutionen

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Einige von ihnen haben sich gleichzeitig zu konkreten Abänderungen oder Ergänzungen des Art. 16 verdichtet und sind bereits erörtert worden. Die Auslegungen, die dem Art. 16 gegeben -worden sind, decken sich im wesentlichen mit dem Standpunkte, den der und Abänderungsvorschläge von Art. 16 Richtlinien, welche die Versammlung vorläufig dem Rate und den Mitgliedern des Völkerbundes, in Hinsicht auf die Anwendung von Art. Iß empfiehlt.

2. Die in Art. 16 erwähnten wirtschaftlichen Massnahmen sind, unter Vorbehalt der speziellen Bestimmungen von Art. 17, nur in dem in Art. 16 speziell ins Auge gefassten Falle anwendbar.

3. Die einseitige Handlung des fehlbaren Staates kann nicht einen Kriegszustand bewirken ; er gibt nur den andern Mitgliedern des Völkerbundes die Möglichkeit, zu kriegerischen Handlungen zu schreiten oder sich als im Kriegszustande mit dem Vertragsbrüchigen Staate befindlich zu erklären; aber es entspricht dem Geiste des Völkerbundsvertrages, dass der Völkerbund zum mindesten im Anfange versuche, den Krieg zu verhindern und den Frieden durch einen wirtschaftlichen Druck herzustellen.

4. Es kommt den verschiedenen Mitgliedern des Völkerbundes zu, zu bestimmen, ob ein Bruch des Völkerbundsvertrages vorliegt oder ob Gefahr eines solchen Bruches bestehe. Die Verpflichtungen, die den Mitgliedern auf Grund von Art. 16 obliegen, ergeben sich unmittelbar aus dem Völkerbundsvertrag, und ihre Erfüllung ist eine Sache der Vertragstreue.

5. Jeder in Art. 16 vorgesehene Bruch des Völkerbundes wird auf Verlangen eines Völkerbundsmitgliedes als dringliche Angelegenheit dem Rate überwiesen. In Fällen, wo ein Bruch des Völkerbundes erfolgt ist oder droht, wird der Generalsekretär alle Mitglieder des Rates in dringlicher Weise davon benachrichtigen. Sobald der Rat von dem Verlangen eines Staates Kenntnis hat oder die Nachricht des Generalsekretariates empfangen hat, tritt er innert kürzester Frist zusammen. Er wird die im Streite befindlichen Staaten und alle diejenigen Staaten, die Nachbarn des rechtsbrechenden Staates sind oder die, normalerweise, enge wirtschaftliche Beziehungen mit demselben unterhalten oder deren Mitarbeit in Hinsicht auf die Anwendung von Art. 16 besonders nützlich wäre, zur Teilnahme einladen.

6. Wenn der Rat der Ansicht ist, dass ein Staat schuldig sei, ein Bruch des
Völkerbundes begangen zu haben, so wird das Protokoll der Sitzung, in welcher diese Ansicht ausgesprochen worden ist, allen Mitgliedern des Völkerbundes in dringlicher Weise zusammen mit der Aufzählung der Motive und mit der Aufforderung, sich entsprechend zu verhalten, zugestellt. Diesem Beschlüsse wird die weiteste Veröffentlichung gegeben.

7. Der Rat kann sich, wenn er es als nützlich betrachtet, für die Ausführung der in Art. 16 vorgesehenen Massnahmen die Mithilfe eines technischen Komitees sichern, welches, sobald das beschlossene Vorgehen zur Ausführung gelangt, ständig tagen und, wenn es wünschenswert ist, Vertreter der speziell interessierten Staaten umfassen wird.

8. Der Rat wird den Zeitpunkt vorschlagen, an welchem die Ausübung des in Art. 16 vorgesehenen wirtschaftlichen Druckes beginnen

35 .Bundesrat in seiner Botschaft vom 4. August 1919 und in den später in den eidgenössischen Bäten abgegebenen Erklärungen eingenommen hat.

soll und wird diesen Zeitpunkt allen Mitgliedern des Völkerbundes mitteilen.

9. Alle Staaten sollen in Hinsicht auf die Anwendung dieser Massnahmen gleichgestellt sein mit folgenden Ausnahmen: a. Es kann nötig sein, die Ausführung spezieller Massnahmen durch gewisse Staaten zu empfehlen.

b. Wenn es als wünschenswert bezeichnet wird, für gewisse Staaten die effektive Anwendung der in Art. 16 vorgesehenen wirtschaftlichen Sanktionen ganz oder teilweise zu verschieben, so kann diese Verschiebung nur soweit gestattet werden, als sie für den Erfolg des gemeinsam aufgestellten Aktionsplanes wünschbar sein kann oder geeignet ist.

die Verluste und Unzukömmlichkeiten, die sich aus der Anwendung der Sanktionen für gewisse Völkerbundsmitglieder ergeben können, auf ein Minimum herabzusetzen.

10. Es ist nicht angezeigt, im voraus und in den Einzelheiten alle Massnahmen wirtschaftlicher, kommerzieller oder finanzieller Natur zu bezeichnen, die in jedem Falle der Anwendung des wirtschaftlichen Druckes zur Ausführung kommen sollen.

Im gegebenen Falle ist es Sache des Bates, den Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Aktionsplan zu empfehlen.

11. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen kann sich vorerst .auf die Bückberufung der Missionschefs beschränken.

12. Die konsularischen Beziehungen können eventuell beibehalten -werden.

13. Für den Abbruch der Beziehungen zwischen den Angehörigen des schuldigen Staates und den andern Völkerbundsstaaten ist deren Wohnsitz und nicht deren Nationalität massgebend.

14. Sofern die Anwendung der wirtschaftlichen Sanktionen länger dauern sollte, so können immer schärfere Massnahmen getroffen werden.

Die Unterbindung der Nahrungszufuhr für die Zivilbevölkerung des schuldigen Staates soll als äusserstes Mittel in Betracht gezogen werden und nur dann zur Anwendung kommen, wenn die andern zur Verfügung stehenden Mittel sich klar als unzureichend erwiesen haben.

15. Die Korrespondenz und alle andern Verkehrsmittel werden einer besondern Begelung zu unterwerfen sein.

16. Die humanitären Beziehungen werden aufrechterhalten.

17. Es werden Anstrengungen gemacht werden müssen, um mit den Staaten, die nicht Mitglieder des Völkerbundes sind,
Abkommen zu vereinbaren, die deren Mitarbeit zu den getroffenen Massnahmen sichern.

18. Bei besondern Umständen und zur Unterstützung der wirtschaftlichen Massnahmen kann es ratsam erscheinen: a. die effektive Blockade der Küste des bundesbrücbigen Staates zu veranlassen, b. einzelne Mitglieder des Völkerbundes mit der Durchführung des Blockadeverfahrens zu betrauen.

19. Der Völkerbundsrat soll alle Mitglieder des Völkerbundes daran ·erinnern, dass die Begierungen der verschiedenen Staaten die nötigenvorbereitenden Massnahmen, besonders gesetzgeberischer Natur, zu treffen haben, die ihnen gestatten, ohne Zeitverlust die notwendigen Massnahmen «les wirtschaftlichen Druckes anzuordnen.

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In erster Linie hat die Versammlung (Besolntion 2) festgestellt, dass das in Art. 16 und 17 vorgesehene System von Sanktionen nur in den dort speziell bezeichneten Fällen Anwendung findet. Sofern, im Bahmen des nach Völkerbundsrecht Zulässigen in andern Fällen -wirtschaftliche Zwangsmittel angewendet werden sollen, so kann es sich nur um eine freiwillige Aktion seitens der mitwirkenden Staaten, nie um Erfüllung einer Mitgliedschaftspflicht handeln.

Von besonderer Wichtigkeit ist Besolution 3, die erklärt, dass der Bruch des Völkerbundes durch einen rechtswidrig eröffneten Krieg wohl einen Kriegsakt seitens des fehlbaren Staates bedeutet und die andern Mitglieder ohne weiteres zur kriegerischen Abwehr berechtigt, nicht aber den Kriegszustand begründet und die Mitglieder des Völkerbundes verpflichtet, dem betreffenden Staate den Krieg zu erklären.

Während bei Abfassung des Völkerbundsvertrages die durch den Weltkrieg geschaffene Lage für die Gestaltung des Art. 16 jedenfalls von grosser Bedeutung war, hat sich jetzt die Auffassung durchgesetzt, dass der Völkerbund einen rechtswidrigen Krieg nicht zu einem allgemeinen Kriege ausarten lassen soll, sondern den Krieg, wenn möglich, durch nichtkriegerische Mittel, d. h. durch blossen wirtschaftlichen Druck, im Anfange zu ersticken oder doch abzukürzen bestrebt sein soll. Bei einer derartigen Anwendung des Art. 16 wird die Stellung der Schweiz als eines dauernd neutralen Staates eine weniger isolierte sein, und die Gefahren, welche ihre Neutralität bedrohen könnten, werden somit auch kleiner.

Aus der in Besolution 8 angenommenen These, dass kein Kriegszustand im Falle des Art. 16 eintritt, sofern nicht tatsächlich Krieg geführt wird oder Krieg erklärt worden ist, ergeben sich eine Beihe von Folgerungen von erheblicher Tragweite, Folgerungen, welche die Schweiz aus dem Gesichtspunkt ihrer Neutralität bereits gezogen hatte.

Erstens müssen die diplomatischen Beziehungen nicht von vornherein abgebrochen werden; es ist zunächst nur die Abberufung der Missionschefs vorgesehen (Besolution 11). Gleicherweise können die konsularischen Vertretungen eventuell in Tätigkeit belassen werden (Besolution 12).

Zweitens ergibt sich aus der These, nach welcher die Anwendung des Art. 16 im wesentlichen eine wirtschaftliche Massregel ist, die Folge, dass die Beziehungen,
die keine wirtschaftliche Förderung des fehlbaren Staates bedeuten, grundsätzlich zulässig sind. So ist die Aufrechterhaltung der humanitären Beziehungen -- was die Schweiz immer gefordert hat -- ausdrücklich anerkannt (Besolution 16). Der

37 persönliche Verkehr (Résolution 15) durch Korrespondenz ist zwar besondern -- durch den Zweck der Wirtschaftssperre gebotenen -- Beschränkungen unterworfen, nicht aber -- wie der Wortlaut von Art. 16 allenfalls vermuten Hesse -- gänzlich unterdrückt. Von Bedeutung ist auch Eesolution 14, welche die Unterbindung der Lebensinittelzufuhr nach dem fehlbaren Staate nur als ein äusserstes Druckmittel gelten lässt.

Eine wichtige Feststellung enthält auch Eesolution 5, die besagt,, dass in Fällen, in welchen ein Bruch des Völkerbundes erfolgt ist oder droht, der Eat ausser seinen ordentlichen Mitgliedern auch diejenigen Mitgliederstaaten zur Teilnahme einlädt, die als Nachbarn des auszusperrenden Staates oder als mit diesem wirtschaftlich eng verbundene Länder oder, weil ihre besondere Mitwirkung wichtig ist,, an dem betreffenden Falle speziell interessiert sind. Es kann dieszwar aus Art. 4, Abs. 5, abgeleitet werden; doch ist es politisch von hohem Werte, dass diese Auslegung des Art. 4 irn Hinblick auf Art. 16 ausdrücklich festgelegt ist, und die schweizerische Delegation hat diesen Punkt in der Plenarsitzung vom 26. September 1921 noch besonders hervorgehoben. Wenn die am unmittelbarsten beteiligten Staaten im kritischen Momente Sitz und Stimme im Eate haben, ist anzunehmen, dass nicht über den Kopf derjenigen hinweg entschieden wird, die von dem Eückschlage der Sanktionen am meisten betroffen sein werden.

Die übrigen Eesolutionen geben Hinweise, wie der Eat und daa Generalsekretariat zu verfahren haben ; als Interpretationen des Art. 16> kommen sie kaum in Betracht.

Eine Eesolution, die einer Auslegung des Vertrages nahekommt,, betrifft Art. 21 (mit dem Völkerbunde vereinbarte Verträge). Dietschechoslowakische Eepublik hatte der Eevisionskommission einen Vorschlag eingereicht, dahingehend, dass innerhalb des Völkerbundes engere G r u p p e n von Staaten mit besondern gemeinsamen Interessen gebildet und dass dahinzielende Abkommen vom Völkerbund nicht nur gebilligt, sondern unter seiner Ägide verhandelt werden könnten. China hatte verlangt, dass die in Art. 21 als zulässig erklärten regionalen Verständigungen entweder ausgeschlossen oder nur dann als mit dem Völkerbunde vereinbar erklärt ·würden, wenn sie nicht die Eechte dritter Staaten beeinträchtigen.

38 Die Kommission und die Versammlung konnten einer Eevision des Art. 21, der gerade im Hinblick auf Amerika (Monroe-Doktrin) besonders wichtig ist, nicht zustimmen. Die Versammlung hiess den Kommissionsbericht gut, dessen Schlussfolgerungen lauten: «Die I. Kommission hat die verschiedenen auf den Artikel bezüglichen Vorschläge geprüft. Sie hat den Wert der diesen zugrunde liegenden Ideen anerkannt. Indessen glaubt sie, dass der Zeitpunkt ·für die Eevision des Artikels noch nicht da ist. Diese Auffassung ·wird befestigt durch die Tatsache, dass der gegenwärtige Text die Verwirklichung dieser Ideen nicht ausschliesst.

Die Kommission beantragt deshalb der Versammlung, es sei Art. 21 in seiner gegenwärtigen Gestalt zu .belassen, und lenkt die Aufmerksamkeit der Versammlung auf den Umstand, dass Abkommen ·unter Mitgliedern des Völkerbundes mit der Bestimmung, die im Völkerbundsvertrage für die Erhaltung des Friedens und die Förderung internationaler Zusammenarbeit enthaltenen Pflichten näher zu bestimmen und zu vervollständigen, als geeignet gelten können, den "Völkerbund in seiner praktischen Wirksamkeit zu fördern.

Solche Abkommen dürfen demnach auch unter den Auspizien des Völkerbundes, z. B. auf besondern Konferenzen, mit seiner Hilfe verhandelt werden.»

Eine Eeihe von Eevisionsanträgen sind verschoben worden.

Aus diesem Grunde hat die Versammlung den Eat ermächtigt, die Kommission, die für die Beratung der in der zweiten Versammlung behandelten Eevisionsanträge berufen worden war, auch für die nächste Versammlung in gleicher Weise weiter bestehen zu lassen.

Eine Verschiebung ist beschlossen worden bei zwei Anträgen, die. sich auf Art. l beziehen ( A u f n a h m e von Staaten). An der ersten Versammlung hatte Argentinien beantragt, dass alle anerkannten Staaten dem Völkerbund angehören sollen, sofern sie nicht ·diese Zugehörigkeit ablehnen. Da die erste Versammlung auf diesen wie auf alle übrigen Eevisionsanträge nicht eintrat, zog sich die argentinische Delegation von ihr zurück. Die I. Kommission der zweiten Versammlung wollte zuerst den argentinischen Antrag einfach ablehnen; die Erörterung des Gegenstandes wurde dann aber auf Veranlassung der schweizerischen Delegation wieder aufgenommen.

Der Grundgedanke des Antrages, die Universalität des Völkerbundes,

39 entspricht einem schweizerischen Postulat und musste deshalb von der Schweiz unterstützt werden. Der Form nach ist allerdings der Antrag nicht annehmbar, da der Völkerbund die Staaten weder zwingen kann, sich als Mitglieder behandeln zu lassen, noch die Mitgliedschaft abzulehnen, und es ist höchst fraglich, ob die Situation der wichtigsten ausserhalb des Völkerbundes stehenden Staaten durch ·die unveränderte Annahme des argentinischen Antrages hätte irgendwie abgeklärt werden können.

Die Versammlung hat am 4. Oktober 1921 sich den Schlussfolgerungen des Berichtes der I. Kommission angeschlossen, die lauten : «Die Kommission erklärt mit Bedauern, dass trotz der Möglichkeit, durch Textänderungen mehreren Nachteilen des argentinischen Antrages abzuhelfen, es ihres Erachtens angezeigt ist, jede Entscheidung über diesen Antrag zu verschieben, gewärtigend, dass der in ihm enthaltene Grundsatz angenommen werden könne, und in Anbetracht der bedauerlichen Abwesenheit des Delegation der Argentinischen Bepublik.» Die zweite Besolution der Versammlung betrifft das V e r h ä l t nis der ganz kleinen Staaten zum Völkerbund. Auf der ersten Versammlung war die Schweiz, die es übernommen hat, die Interessen Liechtensteins wahrzunehmen, dafür eingetreten, dass die Frage geprüft werde, wie denjenigen Staatswesen, die wegen der Beschränktheit ihres Gebietes in den Völkerbund nicht aufgenommen werden, doch die Vorteile der Mitgliedschaft gesichert werden könnten.

Die Bevisionskommission, der auch die Schweiz Vorschläge unterbreitete, entwickelte in ihrem Bericht an den Bat und die Versammlung verschiedene Möglichkeiten einer Beteiligung dieser kleinen Staatswesen am Völkerbunde bzw. deren Vertretung in diesem durch einzelne ordentliche Mitglieder. Die Kommission und die Versammlung haben sich schliesslich überzeugt, dass die hier in Betracht kommenden Verhältnisse so singulärer Art sind, dass eine generelle Begelung sich kaum empfehle und dass jedenfalls weitere Erfahrungen abzuwarten sind.

Die Versammlung erklärte lediglich ihre Zustimmung zum Kommissionalberichte, der zu folgendem Schlüsse kommt: «In bezug auf diejenigen souveränen Staaten, die wegen ihres beschränkten Gebietes keinen Ausspruch auf die Stellung ordentlicher Mitglieder des Völkerbundes erheben können, obgleich sie wünschen mögen, in sehr vielen Beziehungen aus den Institutionen des Bundes Vorteile zu ziehen,

40 in Anbetracht der Schwierigkeit, zum voraus die Aufnahmebedingungen für diese Staaten festzulegen, deren verschiedene Verhältnisse verschiedene Bedingungen nötig machen können, in Würdigung der Möglichkeit, die interessierten Staaten unverzüglich in weitem Umfange mit der Tätigkeit der Versammlung in Verbindung zu bringen, ohne ihnen die Mitgliedschaft einzuräumen, erachtet es die Kommission für besser, die Ergebnisse dieser Mitarbeit abzuwarten, ehe sie eine Ansicht über die Aufnahmebedingungen äussert.

Die Kommission schlägt daher der Versammlung vor, von dieser Schlussfolgerung Kenntnis zu nehmen.»

Canada hatte an der ersten Versammlung beantragt, den viel umstrittenen Art. 10 zu streichen, in dem die Mitglieder des Völkerbundes gegenseitig die Unversehrtheit i h r e r Gebiete und i h r e politische Unabhängigkeit anerkennen und gegen äussere Angriffe gewährleisten. Dieser Artikel war es namentlich gewesen, der dazu geführt hat, dass Präsident Wilson die Eatifikation des Völkerbundsvertrages und damit auch des Friedensvertrages im amerikanischen Senate nicht erreichen konnte. Auch in der Schweiz wurde von Anhängern und Gegnern des Beitrittes diese Bestimmung angefochten.

Die Revisionskommission gelangte in ihren Anträgen zu dem Schlüsse, dass der Art. 10 nicht gestrichen werden dürfe, sondern dass durch eine authentische Interpretation die Bedenken, denen er wegen seines unklaren Verhältnisses zu andern Artikeln ruft, beseitigt werden sollten. In der Tat wäre es nicht unbedenklich, die für einen Völkerbund allerdings selbstverständliche gegenseitige Anerkennung des Besitzstandes wegfallen zu lassen. Das Misstranen gegen Art. 10 richtet sich nicht so sehr gegen diese Anerkennung als vielmehr gegen die Garantie und die sich aus dieser ergebenden Konsequenzen. In ihrem Entwurf einer Interpretationserklärung stellte sich die Revisionskommission auf den Standpunkt, den der Bundesrat in der Botschaft vom 4. August 1919 in dieser Frage eingenommen hat. Die Garantie reicht deshalb nicht weiter, als die in den übrigen Bestimmungen des Völkerbundsvertrages festgelegte Solidarität der Mitglieder. Die gegenseitige Hilfe -- im Rahmen des Art. 16 -- wird nicht für jeden Fall von Gebietsveränderungen zugesichert, sondern nur dann, wenn ein Krieg im Widerspruche zu den Bestimmungen.

41 der Art. 12 bis 17 geführt wird. Dabei bleibt die besondere, durch die Neutralität bedingte Stellung der Schweiz immer gewahrt. Die Schweiz hätte die von der Eevisionskommission vorgeschlagene Auslegung sehr wohl annehmen können.

In den Beratungen der L Kommission wurden aber noch so verschiedene Eechtsstandpunkte vertreten, dass man sich über die Bedeutung einer allfälligen Streichung des Art. 10 nicht klar gewesen wäre, so dass die Kommission der Versammlung folgende Eesolution vorschlug, die dann auch am 4. Oktober 1921 angenommen wurde : «Die Versammlung, nach Einsicht des von der canadischen Delegation gestellten Antrages auf einfache Streichung des Art. 10 des Völkerbundsvertrages ; in Anbetracht der grossen Verschiedenheit der Meinungen über die Tragweite dieses Artikels und seines Verhältnisses zu andern Artikeln des Völkerbunds Vertrages, namentlich den Art. 12 bis 17; in Würdigung der Bedeutung der für und gegen Streichung des Art. 10 vorgebrachten rechtlichen und politischen Gründe: verschiebt auf die nächste Session die Portsetzung der Prüfung des vorerwähnten Antrages und die Entscheidung darüber und emp fiehlt, dass hierüber vorgängig jedes andern Revisionspunktes Be schluss gefasst werde.»

Schon an der Ersten Versammlung hatten Norwegen und Schweden im wesentlichen übereinstimmende Anträge gestellt, dahingehend, dass für je zwei Mitglieder des Völkerbundes paritätische ständige Schieds- und Vergleichskommissionen gebildet werden sollten, die vorgängig der Vermittlung des Eates eine Verständigung der Parteien anstreben sollten. Diese Organisation wäre in den Art. 12 und 15 des Völkerbundsvertrages und in einem Anhange zu letzterem festgelegt worden. Der Gedanke, der diesen Vorschlägen zugrunde lag, berührt sich nahe mit den in gleicher Eichtung von der Schweiz an der Friedenskonferenz gemachten Anregungen und mit den in dem Belichte des Bundesrates vom 11. Dezember 1919 über die Schiedsverträge entwickelten Grundsätzen.

Die Eevisionskommission fand, dass die Bestellung und Weiterführung so zahlreicher Vergleichskommissionen schwierig wäre, dass die Organisation des Völkerbundes dadurch kompliziert würde und dass der richtige, den Anträgen zugrunde liegende Gedanke im Bah-

42

men des bestehenden Art. 15 sich verwirklichen lasse, also eine Abänderung nicht erfordere.

In Übereinstimmung mit der I. Kommission beschloss die Versammlung am 4. Oktober 1921 : «Die Versammlung, nach Kenntnisnahme der von den Eegierungen Norwegens und Schwedens eingereichten Abänderungsanträgen zu Art. 12 und 15 des Völkerbundsvertrages, dahingehend, dass für die Mitglieder die Pflicht begründet werde, ständige Schieds- und Vergleichskommissionen, und zwar für jeden Staat, einzusetzen zum Zwecke der Untersuchung der Streitigkeiten zwischen einem Mitglied und jedem der übrigen, beschliesst : 1. die durch die norwegische und schwedische Eegierung eingebrachten Abänderungsanträge zu Art. 12 und 15 nicht anzunehmen ; 2. das Vergleichsverfahren im Geiste des Völkerbundsvertrages gutzuheissen ; 3. den Bat zu ersuchen, eine Kommission zu bestellen mit dem Auftrage, das in den von der norwegischen und schwedischen Eegierung gestellten Anträgen dargelegte Vergleichsverfahren zu prüfen im Hinblick auf die Ausarbeitung eines Eeglements über diesen Gegenstand. Diese Kommission würde ihren Bericht zeitig genug dem Eate erstatten, damit dieser seine Anträge der nächsten Versammlung vorlegen kann.»

Die wichtigste auf die nächste Versammlung verschobene Angelegenheit betrifft Art. 18 des Völkerbundsvertrages (Fertigung von Staatsverträgen).

Gemäss einem Beschlüsse der eisten Versammlung hatte der Eat eine Kommission zur Prüfung des Art. 18 eingesetzt, da dieser Artikel in verschiedener Weise ausgelegt wird und die Mitglieder leider in ungleichem Masse bereit sind, ihre Verträge beim Generalsekretariate zu fertigen.

Diese Kommission erstattete dem Eat und der Versammlung einen Bericht, dessen Schlussfolgerungen starken Widerspruch hervorrufen raussten. Die Kommission beauftragte, die Sanktion des Artikels, d.h. die Unverbindlichkeit nicht registrierter Verträge, fallen zu lassen. Damit wäre eine wesentliche Bestimmung des Völkerbundes dahingefallen, und zwar eine solche, die nach Auffassung der öffent-

43 liehen Meinung, und mit Eecht, einen grossen und radikalen Fortschritt bedeutet und die wirksam ist, weil die Sanktion, die Ünverbindlichkeit geheimer Verträge, automatisch eintritt.

Die I. Kommission der Zweiten Versammlung, in welcher die schweizerische Delegation mit Entschiedenheit für Beibehaltung des jetzigen Art. 18 eintrat, stellte sich im wesentlichen auf den gleichen Standpunkt. Sie suchte dem Art. 18 eine neue, genauere Fassung zu geben. Die Sanktion der Unverbindlichkeit wurde beibehalten; doch sollte die Fertigung, wenn sie binnen drei Monaten nach endgültigem Zustandekommen des Vertrages erfolgt, auf den Zeitpunkt des Zustandekommens rückwirkend die Verbindlichkeit begründen. Von der Fertigung sollten befreit sein rein technische oder administrative Übereinkünfte, welche die internationalen politischen · Verhältnisse nicht berühren, sowie Übereinkünfte rein technischen Charakters zur nähern Bestimmung oder zur Ausführung bereits registrierter Verträge. Die Versammlung sollte mit Einstimmigkeit ein Eeglement über Anwendung des Art. 18 erlassen können.

Diese letztere Kompetenz, in ihrer Allgemeinheit, würde nicht unbedenklich sein, ebenso die Ausnahmen von der Fertigungspflicht..

Anderseits führt eine zu strenge Auslegung des Art. 18 dazu, dass er sehr unvollständig befolgt wird und damit schliesslich seine moralische Autorität einbüsst.

In Anbetracht der Wichtigkeit der Angelegenheit, über die eine im wesentlichen einheitliche Meinung sich in der Versammlung noch nicht gebildet hatte, fasste diese am 5. Oktober 1921 folgenden Beschluss: «Die Versammlung nimmt Kenntnis von dem im Berichte der I. Kommission enthaltenen Antrag betreffend Abänderung des Art. 18 und beschliesst, die weitere Behandlung dieses Revisionspunktes bis zur Dritten Versammlung zu verschieben.»

Abgelehnt, ohne dass die Wiederaufnahme in einem spätem Zeitpunkte ins Auge gefasst worden wäre, sind nur wenige Revisionsanträge.

Der Antrag der skandinavischen Staaten an die Erste Versammlung, wonach die Versammlung jährlich zu gegebener Zeit, sowie auf Verlangen einer bestimmten Zahl von Mitgliedern zusammentritt, wurde mit Zustimmung der Antragsteller fallen gelassen. Materiell hat er durch die an der ersten Versammlung beratene und beschlossene Geschäftsordnung volle Erledigung gefunden, und es wäre nicht

44 zweckmässig, den Völkerbundsvertrag mit Einzelheiten zu belasten, deren allfällige Abänderung durch das Bevisionsverfahren als unverMltnismässig umständlich erscheinen müsste. Seit Zustandekommen der Geschäftsordnung ist es ausgeschlossen, dass die Versammlung für ihr Zusammentreten vom Rate abhängig wäre.

Zwei auf Art. 5 (Einstimmigkeit und Mehrheit) bezügliche Anträge wurden von den Antragstellern ebenfalls zurückgezogen.

Ein Antrag von Columbien wollte für Beschlüsse, die sich im Rahmen ·des Völkerbundsvertrages halten, eine Zweidrittelmehrheit als genügend erklären, -- wobei die Feststellung der Kompetenzgrenze zu .grossen Meinungsverschiedenheiten hätte Anlass geben können, -- und ein niederländischer Antrag bezweckte, den Grundsatz der blossen Mehrheit für die Geschäftsordnungsbeschlüsse ausdrücklich festzulegen. Diese Regelung erschien der I. Kommission bereits genügend durch die Praxis der Ersten Versammlung anerkannt zu sein.

Ein letzter Antrag, der abgelehnt wurde, ging aus von den ·drei nordischen Staaten und betraf Art. 13 (vgl. oben, S. 26). Im 2. Absatz dieses Artikels sind die Arten von Streitigkeiten aufgezählt, die «unter anderen» Grundsatze zwingender Gerichtsbarkeit im Völkerbund Eingang zu verschaffen.

Die Versammlung fasste am 4. Oktober 1921 folgende Resolution: «Die Versammlung genehmigt den Bericht der I. Kommission über den von der dänischen, norwegischen und schwedischen Regierung zu Art. 13 des Völkerbundsvertrages gestellten Anträge; sie beschliesst, es Seien diese Anträge nicht anzunehmen.»

45 IV. Staatsrechtliche Behandlung der Abändernngsbeschlüsse.

Die von der Versammlung angenommenen Abänderungen des "Völkerbundsvertrages und Zusätze zu diesen bilden 14 verschiedene Resolutionen, die einzeln unterzeichnet und ratifiziert werden können.

Immerhin gehören die mehrfachen oder parallelen Änderungen und Zusätze von Art. 6, bzw. Art. 12,13 und 15, bzw. Art. 16, bzw. 26, so eng zusammen, dass durch das Inkrafttreten der einen bei gleichzeitigem Hinfall der andern Widersprüche und Unebenheiten entstünden, die sehr bedauerlich wären. Insbesondere ginge es nicht an, dass die Abänderung des Art. 6 (Kostenverteilung) insoweit angenommen würde, dass statt des bisherigen Verteilers des Weltpostvereins ein neuer, von der Versammlung aufzustellender massgebend sein soll, während nicht gleichzeitig die neue Skala angenommen würde. In ·diesem Falle entstünde eine Lücke in der Ordnung des Völkerbundes,
Wie bereits bemerkt, erachtet der Bundesrat die Abänderungsanträge nicht nur als annehmbar, sondern sie stellen beträchtliche, wenn auch nicht grundlegende Verbesserungen des Völkerbundes dar.

Der Bundesrat schlägt deshalb aus im Vorstehenden dargelegten Gründen und Erwägungen der, Bundesversammlung vor, diese Abänderungen in globo anzunehmen. Sie bilden demgemäss den Gegenstand eines einheitlichen Bundesbesehlusses, welcher Umstand die eidgenössischen Bäte keineswegs hindert, zu den einzelnen Abänderungen in verschiedener Weise Stellung zu nehmen.

Sofern anzunehmen wäre, dass im Volke gegen einzelne der Abänderungen Opposition bestände und gegen andere nicht, so würde es sich rechtfertigen, die Bevisionspunkte in Gruppen auszuscheiden und diese in besondere Bundesbeschlüsse zu kleiden, damit gegebenenfalls das Referendum nicht gegen die Gesamtheit der Abänderungen sich richten würde. In diesem Falle würden sich die 14 Bevisionspunkte ohne weiteres in 5 Gruppen scheiden gemäss ihrer Zugehörigkeit zu den Artikeln 4, 6,12--15, 16 und 26. Da aber keine Bedenken gegen irgendeine der Revisionen vorliegen, würde es sich nicht rechtfertigen, getrennte Bundesbeschlüsse zu fassen.

Sollte die eine oder andere der Abänderungen mangels der erforderlichen Zahl von Ratifikationen nicht zustande kommen, so würde ·es in dem betreffenden Punkte beim alten bleiben, und die schweizerischen Behörden hätten sich mit der Angelegenheit nicht weiter zu befassen.

Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. I.

4

46

Für den Fall, dass gegen den vorliegenden Bundesbeschluss das Eeferendum ergriffen und der Beschluss in der Volksabstimmung abgelehnt würde, unterbliebe die Eatifikation. Keinesfalls könnte der Bundesrat aus der allfälligen Ablehnung dieses Beschlusses in der Volksabstimmung den Schluss ziehen, dass die Schweiz vom Bücktrittsrecht Gebrauch machen sollte, wenn die von ihr nicht ratifizierten Abänderungen doch in Kraft treten würden. Die Entscheidung, ob in diesem Falle der Eücktritt erklärt werden solle, müsste in einem besondern Verfahren gemäss Art. 121 der Bundesverfassung getroffen werden.

Gestützt auf die vorstehenden Darlegungen b e a n t r a g e n wir Genehmigung des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses.

B e r n , den 4. Januar 1922.

Namens des Schweiz. Bundesrates,.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Dr. Haab.

Der Bundeskanzler: Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung der von der Zweiten Versammlung des Völkerbundes beschlossenen Abänderungen der Artikel 4, 6, 12, 13, 15, 16 und 26 des Völkerbundsvertrages.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 4. Januar 1922, besohliesst: I. Die am 3., 4. und 5. Oktober 1921 von der Zweiten Völkerbundsversammlung in Genf beschlossenen Abänderungen zu den Artikeln 4, 6, 12, 13, 15, 16 und 26 des Völkerbundsvertrages (siehe Beilage) werden genehmigt.

II. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Beilage.

Abänderungen der Artikel 4, 6, 12, 13, 15, 16 und 26 des Völkerbundsvertrages.

(Genehmigt von der Zweiten Versammlung des Völkerbundes.)

Art. 4 (neuer zweiter Absatz): ,,Die Versammlung beschliesst mit Zweidrittelmehrheit die Vorschriften betreffend die Wahl der nichtständigen Mitglieder des Rates und insbesondere diejenigen über die Dauer ihrer Manr date und die Bedingungen der Wiederwählbarkeit.a Art. 6 (neue Fassung des bisherigen letzten Absatzes): ,,Die Kosten des Völkerbundes werden von den Mitgliedern des Völkerbundes in dem von der Versammlung festgesetzten Verhältnisse getragen."

Art. 6 (neuer Sehlusssatz) : ,,Die Verteilung der Kosten des Völkerbundes, wie sie im Anhang 3 erscheint, wird vom 1. Januar 1922 an angewendet werden, bis eine neue, von der Versammlung angenommene Vorteilung in Kraft tritt."

Anhang 3 zum Völkerbundsvertrag:

Verteilung der Ausgaben des Völkerbundes.

Staaten

Albanien Argentinien Australien Belgien Bolivien Brasilien Britisches Reich Bulgarien Canada Chile China Colunibien Costa Rica

zu zahlende Einheiten

2 35 15 15 5 35 . . . 90 10 35 15 65 10 2

zu zahlende Einheiten

Staaten

Cuba Dänemark Estland Finnland Frankreich Griechenland Guatemala Haiti Honduras Indien Italien Japan Lettland

.

.

.

10 10 5 5 90 . 10 2 5 2 65 65 65 5

49 zu zu zahlende Staaten zahlende Einheiten Einheiten Liberia 5 Portugal 10 Litauen . . . . . .

5 Rumänien 35 Luxemburg 2 Salvador 2 Neuseeland . . . . . 1 0 Schweden 15 Nicaragua 2 Schweiz 10 Niederlande 15 Serbisch-Kroatisch-SloNorwegen 10 venischer Staat . . . 3 5 Österreich 2 Siam 10 Panama 2 Spanien 35 Paraguay 2 Südafrika 15 Peru 1 0 Tschechoslowakei . . . 3 5 Persien 10 Uruguay 10 Polen 15 Venezuela 5 Art. 12. (Die neuen, bezw. abgeänderten Stellen sind gesperrt gedruckt.)

,,Alle Mitglieder des Völkerbundes kommen darin überein, dass, wenn sich zwischen ihnen eine Streitfrage erheben sollte, die zu einem Bruch führen könnte, sie diose, sei es dem schiedsgerichtlichen Verfahren o d e r dem G e r i c h t s v e r f a h r e n , sei es der Prüfung durch den Rat des Völkerbundes, unterbreiten werden. Sie kommen ferner überein, in keinem Falle vor Ablauf einer Frist von drei Monaten nach der E n t s c h e i d u n g des Schiedsgerichts o d e r des G e r i c h t e s oder nach dem Bericht des Rates zum Kriege zu schreiten.

In allen von diesem Artikel getroffenen Fällen soll die E n t s c h e i d u n g in einem a n g e m e s s e n e n Zeitraum g e f ä l l t oder mit dem Bericht des Rates innerhalb sechs Monaten nach Verlegung des Streitfalles erstattet werden."

Art. 13. (Die neuen, bezw. abgeänderten Stellen sind gesperrt gedruckt.)

,,Die Mitglieder des Völkerbundes sind darin einig, dass, wenn sich zwischen ihnen eine Streitfrage erheben sollte, die nach ihrer Ansicht sich zu einer schiedsrichterlichen o d e r g e r i c h t l i c h e n Lösung eignet, und, wenn der Konflikt auf diplomatischem Wege nicht in befriedigender Weise gelöst werden kann, die Frage in ihrer Gesamtheit einer s c h i e d s g e r i c h t lichen oder gerichtlichen Entscheidung zu unterw e r f e n ist.

Als Streitfälle, die im allgemeinen einer schiedsrichterlichen o d e r g e r i c h t l i c h e n Lösung fähig sind, werden unter andern

Staaten

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diejenigen erklärt, welche sich auf die Auslegung eines Vertrages sowie auf jede Frage des internationalen Rechts, ferner auf Tatsachen, die, wenn bewiesen, den Bruch einer internationalen Verpflichtung bedeuten würden, sowie endlich auf das Mass oder die Art der für eine solche Rechtsverletzung geschuldeten Wiedergutmachung beziehen.

Der Streitfall wird dem Ständigen Internationalen Gerichtshof oder jeder Gerichtsbarkeit oder j e d e m G e r i c h t e , d e s s e n Z u s t ä n d i g k e i t v o n d e n Part e i e n b e s t i m m t oder i n d e r e n f r ü h e r n V e r t r ä g e n vorgesehen wird, unterbreitet.

. Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten sich, die ergangeneu E n t s c h e i d u n g e n nach Treu und Glauben auszuführen und gegen kein Mitglied des Völkerbundes, das einer E n t s c h e i d u n g nachkommt, kriegerische Massnahmen zu ergreifen. Im Falle der Nichtausführung der Entscheidung schlägt der Rat die Massnahmen vor, die d e r e n Vollzug sichern sollen."

Art. 15 (erster Absatz; die neuen, bezw. abgeänderten Stellen sind gesperrt gedruckt).

,,Entsteht zwischen den Mitgliedern des Völkerbundes eine Streitigkeit, die zu einem Bruch führen könnte, so kommen, wenn dieser Konflikt nicht nach Massgabe des Art. 13 der .Schiedsgerichtsbarkeit o d e r e i n e m G e r i c h t s v e r f a h r e n u n t e r w o r f e n wird, die Mitglieder des Völkerbundes überein, die Angelegenheit vor den Rat zu bringen. Zu diesem Zwecke genügt es, dass eine der Parteien von dem Streitfall dem Generalsekretär Kenntnis gibt. Dieser trifft alle Anordnungen für die Vornahme einer erschöpfenden Untersuchung und Prüfung."

Art. 16 (zweiter Satz des ersten Absatzes; Veränderungen gegenüber dem bisherigen Text sind gesperrt).

,,. . . . Diese verpflichten sich, unverzüglich alle Handels- und Finanzbeziehungen mit ihm abzubrechen, jeden Verkehr zwischen d e n a u f i h r e m G e b i e t e sich a u f h a l t e n d e n P e r s o n e n u n d d e n j e n i g e n , d i e sich a u f d e m G e b i e t e d e s b u n d e s b r ü c b i g e n S t a a t e s a u f h a l t e n , zu untersagen und alle finanziellen, kommerziellen und persönlichen Verbindungen zwischen den auf dem O e b i e t e dieser Staaten sich a u f h a l t e n d e n P e r s o n e n u n d d e n j e n i g e n , d i e sich'auf dem G e b i e t j e d
e s a n d e r n Staates a u f h a l t e n , mager Mitglied des Völkerbundes sein oder nicht, zu verhindern."

Art. 16 (neuer zweiter Absatz).

,,Es steht dem Rate zu, eine Meinung darüber zu äussern, ob ein Bruch des Völkerbundes vorliegt oder nicht. Bei der

51 Beschlussfassung des Rates über diese Frage werden die Stimmen der Mitglieder, die beschuldigt sind, zum Kriege geschritten zu sein, sowie diejenigen, gegen die der Krieg unternommen worden ist, nicht mitgezählt."

Art. 16 (neuer dritter Absatz).

,,Der Rat soll allen Mitgliedern des Völkerbundes den Zeitpunkt bekanntgeben, den er für die Anwendung der in gegenwärtigem Artikel vorgesehenen wirtschaftlichen Massnahmen empfiehlt."

Art. 16 (neuer vierter Absatz).

,,Wenn indessen der Rat erachtet, dass die Aufschiebung irgendeiner dieser Massnahmen für gewisse Mitglieder und für eine bestimmte Dauer gestatten würde, das durch die vorerwähnten Massnahmen verfolgte Ziel besser zu erreichen, oder dass sie nötig wäre, um die diesen Mitgliedern aus solchen Massnahmen erwachsenden Verluste und Nachteile auf das Mindestmass zu beschränken, so hat er das Recht, diese Aufschiebung zu verfügen.11 Art. 26 (neue Fassung des bisherigen ersten Absatzes).

,,Die Abänderungen des gegenwärtigen Bundesvertrages, deren Wortlaut von der Versammlung mit einer Dreiviertelmehrheit beschlossen worden ist, in der die Stimmen aller in der Sitzung vertretenen Mitglieder des Rates inbegriffen sein müssen, treten iu Kraft, sobald sie von den Mitgliedern des Völkerbundes, deren Vertreter zur Zeit der Abstimmung den Rat bildeten, und von der Mehrheit derjenigen, aus deren Vertretern die Versammlung besteht, ratifiziert sind."

Art. 26 (neuer zweiter Absatz).

,,Wenn in den zweiundzwanzig Monaten nach dem Beschluss der Versammlung die Zahl der erforderlichen Ratifikationen nicht zustande kommt, bleibt der Abänderungsbeschluss ohne Wirkung.a Art. 26 (neuer dritter Absatz und neue Fassung des bisherigen zweiten Absatzes).

,,Der Generalsekretär gibt den Mitgliedern Kenntnis vom Inkrafttreten einer Abänderung.

Jedem Mitglied des Völkerbundes, das in diesem Zeitpunkt die Abänderung nicht ratifiziert hat, steht es frei, innerhalb eines Jahres dem Generalsekretär seine Weigerung, diese anzunehmen, bekanntzugeben. In diesem Falle hört es auf, Mitglied des Völkerbundes zu sein."

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Abänderung des Völkerbundsvertrages. (Vom 4. Januar 1922.)

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