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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Radiotelegraphenvertrag von London.

(Vom 2. Oktober 1922.)

Nachdem die Drahttelegraphie um die Mitte des vorigen Jahrhunderts dem öffentlichen Verkehr nutzbar gemacht worden war, wurden ihr auf internationalem Boden durch Staatsverträge vorerst zwischen einzelnen Staaten oder Staatengruppen die Wege gebahnt.

Innerhalb der einzelnen Staatenverbände machte sich schon bald das Verlangen nach übereinstimmenden Grundsätzen hinsichtlich des Verkehrs und der Tarife geltend. Der schweizerische Bundesrat wurde bereits im Jahre 1857 vom Deutsch-Österreichischen Telegraphenverein ersucht, einen für alle Staaten Europas gemeinsamen Telegraphen vertrag vorzubereiten. Der Zusammenschluss der meisten europäischen Länder mit Staatstelegraphen, worunter auch die Schweiz, erfolgte dann im Jahre 1865 durch den Abschluss des ersten Internationalen Telegraphenvertrages vom 17. Mai 18C5. Anlässlich der Eevision des Vertrages in St. Petersburg im Jahre 1875 wurde eine Keine von Bestimmungen über die Einzelheiten des internationalen Dienstes, welche früher im Vertrag enthalten waren, ausgeschieden und in ein Eeglement aufgenommen, so dass der Vertrag selbst, der jetzt noch gültig ist, nur noch die grundlegenden Bestimmungen enthält. Der Vertrag sieht vor, dass die im Reglement enthaltenen Verkehrs-, Betriebs- und Tarif Vorschriften periodisch durch Konferenzen von Sachverständigen revidiert werden können, um sie mit den Anforderungen des Verkehrs in Einklang zu bringen.

Einer Erweiterung dieser internationalen telegraphischen Satzungen rief die praktische Verwertung der elektrischen Zeichenübertragung auf drahtlosem Wege für den Nachrichtenverkehr. Die drahtlose Télégraphie war von Anbeginn an zu einem internationalen Verkehrsmittel bestimmt, da sie keiner metallischen Leitung bedarf und somit an keine Grenzen gebunden ist. Sie bildet das alleinige Verständigungsmittel auf grössere Entfernungen zwischen Schiffen auf See und zwischen Küsten und Schiffen, weshalb sie vorerst der Seeschiffahrt dienstbar gemacht wurde, was zur Folge hatte, dass sich die internationale Eegelung a,uf diesem Gebiete, wo alle Staaten gleiches Eecht besitzen, zuerst aufdrängte. Auf einer Vorkonferenz Bundesblatt. 74. Jahrg. Bd. III.

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294 in Berlin im Jahre 1903 wurden die Grundzüge zu einem internationalen Abkommen festgelegt. Die endgültige Ordnung erfolgte durch den im Jahre 1906 in Berlin abgeschlossenen Internationalen Eadiotelegraphenvertrag (Convention radiotélégraphique internationale), der von 27 Staaten unterzeichnet wurde. Im Jahre 1912 fand in London die zweite Internationale Eadiotelegraphenkonferenz statt, an der der Vertrag von 1906 einer Eevision unterzogen wurde. Der Londoner Vertrag steht heute noch in Kraft. Auf Ende 1921 gehörton ihm 47 Staaten an.

Der Badiotelegraphenvertrag ist dem Petersburger Vertrage von 1875 nachgebildet. Er zerfällt ebenfalls in zwei Teile, in den eigentlichen Vertrag, der die Grundbestimmungen enthält, und in das Dienstreglement, das die gleiche Geltung hat wie der Vertrag, und das die technische Seite des Verkehrs regelt. Im Gegensatz zum Petersburger Vertrag, der die Normen über den gesamten internationalen Drahttelegraphen- und Telephonverkehr enthält, ordnet der Eadiovertrag vorwiegend den öffentlichen Verkehr zwischen Küsten- und Schiff Stationen, während er über den Verkehr zwischen Landstationen und von Küstenstationen untereinander nur einige allgemeine Bestimmungen aufstellt (Art. 8, 9, 15, 21). Art. 3 des Eadiovertrages enthält den Grundsatz der Verkehrspflicht ohne Eücksicht auf das angewandte System. Die vertragschliessenden Staaten sind verpflichtet, die Küstenstationen mit dem allgemeinen Telegraphennetz zu verbinden oder Massnahmen zu treffen, die einen schnellen Austausch der Nachrichten zwischen den Küstenstationen und dem Telegraphennetz sicherstellen (Art. 5). Das Eeglement zum Badiovertrag enthält alle für die Handhabung des Betriebes, die Berechnung und Erhebung der Taxen, sowie für die Abrechnung notwendigen Bestimmungen. Die Vorschriften des Vertrages und des Eeglementes können von den vertragschliessenden Teilen im gemeinsamen Einverständnis jederzeit geändert werden ; zu dem Zwecke sind periodische Konferenzen von Bevollmächtigten vorgesehen (Art. 11).

Bei der Beratung hat jedes Land nur eine Stimme. Wenn eine Begierung für ihre Kolonien, Besitzungen oder Schutzgebiete dem Vertrage beitritt, so können die spätem Konferenzen bestimmen, dass die Gesamtheit oder ein Teil dieser als ein stimmberechtigtes Land anzusehen ist; doch darf die Zahl der Stimmen, über
die eine Eegierung im ganzen verfügt, sechs nicht übersteigen (Art. 12). Das Internationale Bureau der Telegraphenunion in Bern dient auch als Zentralamt für die Eadiotelegraphenunion (Art. 13). Den Eegierungen, die an dem Vertrage nicht teilgenommen haben, wird auf ihren Antrag der Beitritt gestattet. Dieser Beitritt wird auf diplomatischem Wege der Eegierung desjenigen vertragschliessenden

295 Landes, in dessen Bereich die letzte Konferenz abgehalten worden ist, und durch diese allen übrigen beteiligten Regierungen angezeigt.

Der Beitritt schliesst von Rechts wegen die Zustimmung zu dein ganzen Inhalte des Vertrages und die Teilnahme an allen darin festgesetzten Vorteilen in sich (Art. 16). Alle Hauptbestimmungen des Petersburger Vertrages über die Drahttelegraphie, die Art. l, 2, 3, 5, 6, 7, 8,11,12 und 17 (A. S. n. F. II, 295), finden auf den Radiovertrag Anwendung (Art. 17). Jedes Land kann jederzeit mit einjähriger Kündigungsfrist seinen Austritt aus der Union erklären (Art. 22).

Eine Regelung des radio telegraphischen Verkehrs zwischen Landstationen war auf der Berliner Konferenz (1906) nicht beabsichtigt; sie ist auch auf der Londoner Konferenz (1912) noch nicht erfolgt, sondern erst für die nächste Konferenz in Aussicht genommen worden. Einstweilen wird die Organisation des drahtlosen Verkehrs zwischen Landstationen allen Ländern freigegeben unter der Voraussetzung, dass gegenseitige Störungen der Stationen so viel als möglich vermieden werden müssen und dass die Verschiedenheit der Systeme nicht zum Anlass genommen werden darf, den Austausch von Radiotelegrammen zu verweigern. Ferner ist jeder Regierung hinsichtlich der Organisation und des Betriebes von Überlandstationen volle Freiheit vorbehalten (Art. 8, 15, 21).

Trotzdem, wie aus vorstehenden Darlegungen erhellt, die Bestimmungen des Radiotelegraphenvertrages in der Hauptsache auf den drahtlosen Verkehr zwischen Schiffen auf See und zwischen Küsten und Schiffen Bezug haben, halten wir doch dafür, dass nunmehr auch die Schweiz dem Abkommen beitreten sollte, nachdem sie mit der Eröffnung der drahtlosen Station der Marconi-RadioStation A.-G. in Münchenbuchsee Ansehluss an das internationale Radiotelegraphennetz gefunden hat. Der Umstand, dass der Bund die Station nicht selbst betreibt, ist dabei unerheblich. Da es sich um einen Staatenvertrag handelt, ist der Beitritt Sache des Staates, in dessen Bereich sich die drahtlose Station befindet. Durch entsprechende Konzessionsbestimmungen hat er dafür zu sorgen, dass von den Inhabern von Radiotelegraphenkonzessionen den Vorschriften des Vertrages nachgelebt wird. Für den Beitritt spricht überdies der enge Zusammenhang zwischen Drahttelegraphie und Radiotélégraphie, die dazu
bestimmt sind, einander zu ergänzen und zu befruchten. Während und nach dem Kriege hat zudem die drahtlose Überlandtelegraphie einen derartigen Aufschwung genommen, dass zurzeit nahezu sämtliche Kulturstaaten im Besitze dieses Verkehrsmittels sich befinden; neben dem Drahttelegraphennetz hat sich ein immer dichter werdendes drahtloses Überlandnetz gebildet. Nicht nur alle Küstenstaaten, die Radiostationen besitzen, sondern auch

296 Binnenstaaten, wie Österreich, die Tschechoslowakei, Ungarn, gehören dem Eadiovertrage an. Zur Notwendigkeit wird endlich der Beitritt auch mit Rücksicht darauf, dass an der nächsten internationalen Telegraphenkonferenz über die Verschmelzung der beiden Verträge -- des Welttelegraphenvertrages und des Kadiovertrages -- und die Aufstellung von allgemein gültigen Verkehrs- und tariftechnischen. Normen über die drahtlose Überlandtelegraphie verhandelt werden soll. Ohne den vorgängigen Beitritt zum Badiotelegraphenvertrag würde der Schweiz nur ein beschränktes Mitspracherecht zukommen, während die übrigen Staaten, die fast ohne Ausnahme beiden Unionen angehören, im Arorteil wären. Nachdem die Schweiz nunmehr au .das drahtlose Welttelegraphennetz angeschlossen ist, gebieten es die Interessen des Landes, dass sie in beiden Unionen Sitz und Stimme habe.

Die aus dem Beitritt erwachsenden finanziellen Verpflichtungen in Gestalt von jährlichen Beitragsleistungen an die Kosten des Tnternationalen Bureaus der Telegraphenunion in Bern sind unbedeutend.

Diese betrugen beispielsweise für das Jahr 1921 Fr. 1975 in der ersten und Fr. 237 in der untersten, sechsten Klasse. Es ist die Einreihung der Schweiz in die fünfte Klasse vorgesehen, für die die Beitragsquote im Vorjahre Fr. 395 erreichte. Im Jahresbeitrag ist die unentgeltliche Lieferung einer bestimmten Anzahl von jeder vom internationalen Bureau herausgegebenen Drucksache Inbegriffen.

Nach Art. 22 des Badiotelegraphenvortrages kann ein diesem Übereinkommen beigetretener Staat jederzeit mit einjähriger Kündigungsfrist seinen Austritt erklären. Die Schlussnahme über den Beitritt zum Vertrag liegt mithin in der ausschliesslichen -Kompetenz der Bundesversammlung, indem nur solche Staatsverträge, die für eine Dauer von mehr als fünfzehn Jahren abgeschlossen oder die schlechthin unbefristet sind, dem fakultativen Eeferendum unterliegen (Art. 89, Abs. 3, BV).

Indern wir Urnen den nachstehenden Beschlussentwurf zur Annahme empfehlen, benützen wir den Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 2. Oktober 1922.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Dr. Haal).

Der Bundeskanzler: Steiger.

297 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Radiotelegraphenvertrag.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 2. Oktober 1922, in Anwendung von Art. 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung beschliesst: Der Bundesrat wird ermächtigt, den Beitritt der Schweiz zum internationalen Radiotelegraphenvertrag von London vom 5. Juli 1912 zu erklären.

298 Übersetzung.

Internationaler Radiotelegraphenvertrag, abgeschlossen zwischen Deutschland und den deutschen Schutzgebieten, den Vereinigten Staaten von Amerika und den Besitzungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Kepublik Argentinien, Österreich, Ungarn, BosnienHerzegowina, Belgien, Belgisch-Kongo, Brasilien, Bulgarien, Chile, Dänemark, Ägypten, Spanien und den spanischen Kolonien, Frankreich und Algerien, Französisch-Westafrika, Französisch-Äquatorialafrika, Indochina, Madagaskar, Tunis, Grossbritannien und verschiedenen britischen Kolonien und Schutzgebieten, dem Südafrikanischen Bunde, dem Australischen Staatenbunde, Kanada, Britischindien, Neu-Seeland, Griechenland, Italien und den italienischen Kolonien, Japan und Chosen, Formosa, Japanisch-Sachalin und dem Pachtgebiete Kwantung, Marokko, Monaco, Norwegen, den Niederlanden, Niederländisch-Indien und der Kolonie Curaçao, Persien Portugal und den portugiesischen Kolonien, Eumänien, Eussland und den russischen Besitzungen und Schutzgebieten, der Eepublik San Marmo, Siam, Schweden, der Türkei und Uruguay.

Die unterzeichneten Bevollmächtigten der Regierungen der vorstehend aufgeführten Länder haben, nachdem sie zu einer Konferenz in London zusammengetreten sind, im gemeinsamen Einverständnis und unter Vorbehalt der Eatifikation folgenden Vertrag abgeschlossen :

Art. 1.

Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages auf alle Eadiotelegraphenstationen (Küsten- und Bordstationen) anzuwenden, die von den vertragschliessenden Teilen errichtet oder betrieben werden und dem öffentlichen Verkehr zwischen dem Lande und den Schiffen in See dienen.

299 Sie verpflichten sich ferner, die Befolgung dieser Bestimmungen den Privatunternehmern aufzuerlegen, die sie zur Errichtung oder zum Betriebe von Eadiotelegraphenstationen ermächtigen, seien dies Küstenstationen für den öffentlichen Verkehr zwischen dem Lande und den Schiffen in See oder Stationen an Bord von Schiffen, die ihre Flagge führen, gleichviel, ob die Bordstationen dem öffentlichen Verkehr dienen oder nicht.

Art. 2.

Küstenstation heisst jede Eadiotelegraphenstation, die auf festem Lande oder auf einem dauernd verankerten Schiffe errichtet ist und zum Austausch von Nachrichten mit den Schiffen in See benützt wird.

Jede Radiotelegraphenstation auf einem nicht dauernd verankerten Schiffe wird Bordstation genannt.

Art. 3.

Die Küstenstationen und die Bordstationen sind ohne Unterschied des von ihneiì benützten radiotelegraphischen Systems zum wechselseitigen Austausch der Radiotelegramme verpflichtet.

Jede Bordstation ist verpflichtet, mit jeder andern Bordstation ohne Unterschied des von ihnen benützten radiotelegraphischen Systems Radio télégramme auszutauschen.

Um jedoch die Fortschritte der Wissenschaft nicht zu hemmen, hindern die Bestimmungen des gegenwärtigen Artikels nicht die etwaige Anwendung eines radiotelegraphischen Systems, mittels dessen ein Verkehr mit andern Systemen nicht möglich ist, vorausgesetzt, dass dies in der besondern Natur des Systems begründet und nicht die Folge von Einrichtungen ist, die lediglich zur Verhinderung des Verkehrs mit andern Systemen getroffen sind.

Art. 4.

Die Bestimmungen des Artikels 3 stehen Beschränkungen des öffentlichen Verkehrs einer Station nicht entgegen, welche durch den Zweck des Nachrichtenaustausches oder durch andere von dem angewandten System unabhängige Umstände begründet sind.

Art. 5.

Jeder der hohen vertragschliessenden Teile verpflichtet sich, die Küstenstationen durch besondere Leitungen mit dem Telegraphennetze verbinden zu lassen oder zum mindesten solche andere Mass-

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nahmen zu treffen, die einen schleunigen Austausch der Telegramme zwischen den Küstenstationen und dem Telegraphennetze sicherstellen.

Art. 6.

Die hohen vertragschliessenden Teile werden einander die Namen der im Artikel l bezeichneten Küsten- und Bordstationen sowie alle im Reglement näher bezeichneten Angaben mitteilen, die geeignet sind, den radiotelegraphischen Nachrichtenaustausch zu erleichtern und zu beschleunigen.

Art. 7.

Jeder der hohen vertragschliessenden Teile behält sich das .Recht vor, anzuordnen oder zuzulassen, dass bei den im Artikel l bezeichneten Stationen unabhängig von den Einrichtungen, über die entsprechend Artikel 6 Angaben veröffentlicht werden, zum Zwecke einer besondern radiotelegraphischen Nachrichtenübermittlung andere Einrichtungen getroffen und betrieben werden, deren Einzelheiten nicht veröffentlicht zu werden brauchen.

Der Betrieb der Radiotelegraphenstation ist möglichst so einzurichten, dass er den Dienst anderer derartiger Stationen nicht stört.

Art. 9.

Die Badiotelegraphenstationen sind verpflichtet, Notanrufe woher sie auch kommen mögen, mit unbedingtem Vorrang aufzunehmen, zu beantworten und ihnen gebührend Folge zu geben.

Art. 10.

Die Taxe für ein Badiotelegramm umfasst je nach dem Talle : 1. a. die «Küstentaxe», die der Küstenstation zukommt, b. die «Bordtaxe», die der Bordstation zukommt; 2. die nach den gewöhnlichen Bestimmungen berechnete Taxe für die Beförderung auf den Telegraphenlinien; 3. die Durchgangstaxen der vermittelnden Küsten- oder Bordstationen und die Taxen für die vom Absender verlangten besondern Leistungen.

Die Höhe der Küstentaxe unterliegt der Genehmigung der Regierung, der die Küstenstation untersteht, die Höhe der Bordtaxe der Genehmigung der Regierung, der das Schiff untersteht.

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Art. 11.

Die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages werden durch ein Reglement ergänzt, welche die gleiche Gültigkeit hat und zu gleicher Zeit in Kraft tritt wie der Vertrag.

Die Vorschriften des gegenwärtigen Vertrages und des zugehörigen Reglements können von den hohen vertragschliessenden Teilen im gemeinsamen Einverständnis jederzeit geändert werden.

Von Zeit zu Zeit werden Konferenzen von Bevollmächtigten stattfinden, die befugt sind, den Vertrag xmd das Reglement abzuändern.

Jede Konferenz wird den Ort und die Zeit der nächsten Zusammenkunft selbst festsetzen.

Art. 12.

Diese Konferenzen werden aus Abgeordneten der Regierungen der vertragschliessenden Länder gebildet.

Bei den Beratungen hat jedes Land nur eine Stimme.

Wenn eine Regierung für ihre Kolonien, Besitzungen oder Schutzgebiete dem Vertrage beitritt, so können die spätem Konferenzen bestimmen, dass die Gesamtheit oder ein Teil dieser Kolonien, Besitzungen oder Schutzgebiete als ein Land im Sinne der Bestimmung des vorhergehenden Absatzes anzusehen ist. Doch darf die Zahl der Stimmen, über die eine Regierung einschliesslich der Stimmen ihrer Kolonien, Besitzungen oder Schutzgebiete verfügt, sechs nicht übersteigen.

Für die Anwendung des gegenwärtigen Artikels werden als je ein Land angesehen: Deutsch-Ostafrika ; Deutsch-Südwestafrika ; Kamerun ; Togo; die deutschen Südseeschutzgebiete; Alaska ; Hawai und die übrigen amerikanischen Besitzungen Polynesiens ; die Philippinen-Inseln; Porto Rico und die amerikanischen Besitzungen in den Antillen ; die Zone des Panamakanals; Belgisch-Kongo ; die spanische Kolonie am Golf von Guinea; Französisch-Westafrika ; Französisch-Äquatorialaf rika ;

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Indochina; Madagaskar ; Tunis ; der Südafrikanische Bund; der Australische Staatenbund; Kanada; Britisch-Indien ; Neu-Seeland ; Erythrea ; Italienisch-Somaliland ; Chosen, Formosa, Japanisch-Sachalin und das Pachtgebiet von Kwantung; Niederländisch-Indien ; die Kolonie Curaçao: Portugiesisch-Westafrika ; Portugiesisch-Ostafrika und die portugiesischen Besitzungen in Asien: Eussisches Zentralasien (Küstengebiet des Kaspischen Meeres); Buchara ; Chiwa ; Westsibirien (Küstengebiet des Eismeeres); Ostsibirien (Küstengebiet des Stillen Ozeans).

Art. 13.

Das Internationale Bureau der Welttelegraphenunion hat die auf die Radiotelegraphie bezüglichen Nachrichten jeder Art zu sammeln, zusammenzustellen und zu veröffentlichen, die Anträge auf Änderung des Vertrages und des Reglements in die Wege zu leiten, die angenommenen Änderungen bekanntzugeben und im allgemeinen sich mit allen Verwaltungsarbeiten zu befassen, mit denen es im Interesse der internationalen Eadiotelegraphie betraut werden wird.

Die Kosten dieser Einrichtung werden von sämtlichen vertragschliessenden Ländern getragen.

Art. 14.

Jeder der hohen vertragschliessenden Teile behält sich das Recht vor, die Bedingungen festzusetzen, unter denen er Radiotelegramme von oder nach einer Bord- oder Küstenstation zulässt, die den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages nicht unterliegt.

Wird ein Eadiotelegramm zugelassen, so kommen die gewöhnlichen Taxsätze zur Anwendung.

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Jedes von einer Bordstation herrührende Radiotelegramm, das von einer Küstenstation eines vertragschliessenden Landes empfangen oder von der Verwaltung eines vertragschliessenden Landes im Durchgang aufgenommen worden ist, ist weiterzubefordern.

Ebenso ist jedes für ein Schiff bestimmtes Badiotelegramm weiterzubefördern, wenn die Verwaltung eines vertragschliessenden Landes es zur Beförderung angenommen oder von einem dem Vertrage nicht beigetretenen Lande im Durchgang aufgenommen hat, vorbehaltlich des Eechts der Küstenstation, die Weiterbeförderung an eine Bordstation, die einem dem Vertrage nicht beigetretenen Lande untersteht, zu verweigern.

Art. 15.

Die Bestimmungen der Artikel 8 und 9 dieses Vertrages finden auch auf andere als die irn Artikel l bezeichneten Eadiotelegraphenanlagen Anwendung.

Art. 16.

Den Regierungen, welche an dem gegenwärtigen Vertrage nicht teilgenommen haben, wird auf ihren Antrag der Beitritt gestattet.

Dieser Beitritt wird auf diplomatischem Wege derjenigen der vertragschliessenden Regierungen, in deren Bereich die letzte Konferenzjabgehalten worden ist, und durch diese allen übrigen beteiligten Regierungen angezeigt.

Der Beitritt schliesst von Rechts wegen die Zustimmung zu dem ganzen Inhalte des gegenwärtigen Vertrages und die Teilnahme an allen darin festgesetzten Vorteilen in sich.

Der Beitritt zum Vertrage seitens der Regierung eines Landes, das Kolonien, Besitzungen oder' Schutzgebiete hat, schliesst nicht den Beitritt seiner Kolonien, Besitzungen oder Schutzgebiete in sich, es sei denn, dass eine entsprechende Erklärung dieser Regierung vorliegt. Die Kolonien, Besitzungen und Schutzgebiete eines Landes können nach Massgabe der Bestimmungen im gegenwärtigen Artikel und im Artikel 22 in ihrer Gesamtheit oder einzeln den Gegenstand eines besondern Beitritts oder einer besondern Kündigung bilden.

Art. 17.

Die Bestimmungen der Artikel l, 2, 3, 5, 6, 7, 8, 11, 12 und 17 des Internationalen Telegraphenvertrages von St. Petersburg vom 10./22. Juli 1875 finden auf die internationale Radiotélégraphie Anwendung.

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Art. 18.

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei oder mehreren vertragschliessenden Eegierungen über die Auslegung oder Ausführung des gegenwärtigen Vertrages oder des im Artikel 11 vorgesehenen Reglements kann die streitige Frage im gemeinsamen Einverständnis der Entscheidung eines Schiedsgerichtes unterworfen werden. In diesem Falle wählt jede der beteiligten Eegierungen eine andere bei der Angelegenheit nicht beteiligte "Regierung.

Das Schiedsgericht entscheidet nach absoluter Stimmenmehrheit.

Bei Stimmengleichheit wählen die Schiedsrichter zur Entscheidung der streitigen Frage eine andere bei der Angelegenheit gleichfalls unbeteiligte vertragschliessende Eegierung. Wird über die Wahl keine Einigung erzielt, so schlägt jeder Schiedsrichter eine unbeteiligte vertragschliessende Eegierung vor; zwischen den vorgeschlagenen Eegierungen wird gelost. Das Los wird von derjenigen Eegierung gezogen, auf deren Gebiet das in Artikel 13 vorgesehene Internationale Bureau tätig ist.

Art. 19.

Die hohen vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die Massnahmen zu ergreifen oder bei ihren gesetzgebenden Körperschaften vorzuschlagen, deren es bedarf, um die Ausführung des gegenwärtigen Vertrages sicherzustellen.

o Art. 20.

Die hohen vertragschliessenden Teile werden sich die auf den Gegenstand dieses Vertrages bezüglichen Gesetze mitteilen, die in ihren Ländern bereits erlassen sind oder in Zukunft erlassen werden.

Art. 21.

Die hohen vertragschliessenden Teile behalten ihre volle Freiheit bezüglich der im Artikel l nicht vorgesehenen Eadiotelegraphenanlagen, namentlich bezüglich der Anlagen der Flotte und des Heeres sowie der Stationen, die Verkehr zwischen festen Punkten vermitteln.

Alle diese Anlagen und Stationen sind lediglich den in den Artikeln 8 und 9 des gegenwärtigen Vertrages vorgesehenen Verpflichtungen unterworfen.

Wenn diese Anlagen und Stationen jedoch am öffentlichen Verkehr über See teilnehmen, werden sie sich bei der Ausübung dieses Dienstes, soweit die Art der Übermittlung und die Abrechnung in Frage kommen, nach den Vorschriften des Eeglernents richten.

305 Wenn anderseits .Küstenstationen neben dem öffentlichen Verkehr mit Schiffen in See Nachrichtenaustausch, zwischen festen Punkten vermitteln, so sind sie hinsichtlich des letztern Dienstes den Bestimmungen des Vertrages nicht unterworfen, unter dem Vorbehalte, class die Artikel 8 und 9 des Vertrages beachtet werden müssen.

Die festen Stationen, die Verkehr zwischen Land und Land vermitteln, dürfen indessen den Austausch von Eadiotelegrammen mit einer andern festen Station wegen des von letzterer benutzten Systems nicht verweigern ; jedoch behält jedes Land volle Freiheit hinsichtlich der Einrichtung des Dienstes für den Verkehr zwischen festen Punkten und der Festsetzung, welchen Verkehr die für diesen Dienst bestimmten Stationen zu vermitteln haben.

Art. 22.

Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem 1. Juli 1913 in Kraft und bleibt auf unbestimmte Zeit gültig, bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage ab, an dem er gekündigt worden ist.

Die Kündigung ist nur für die Regierung wirksam, die sie ausgesprochen hat. Für die übrigen vertragschliessenden Teile bleibt der Vertrag in Kraft.

Art. 23.

Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert, und die Piatifikationen sollen in möglichst kurzer Frist in London niedergelegt werden.

Falls einer oder mehrere der hohen vertragschliessenden Teile den Vertrag nicht ratifizieren, gilt dieser gleichwohl für die Teile, die ihn ratifiziert haben.

Urkundlich dessen haben die beteiligten Bevollmächtigten den Vertrag in einem Exemplar unterzeichnet, das in den Archiven der Britischen Hegierung verbleibt, und von welchem eine Abschrift jedem Teile zugestellt werden wird.

Geschehen zu London, den 5. Juli 1912.

(Unterschriften.)

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Schlussprotokoll zum

Internationalen Radiotelegraphenvertrag vom 5. Juli 1912.

Im Begriff, den von der Internationalen Konferenz für Radiotélégraphie in London vereinbarten Vertrag zu zeichnen, haben sich die unterzeichneten Bevollmächtigten über folgendes verständigt.

I.

Da die genaue Art des seitens Bosnien-Herzegowinas bekanntgegebenen Beitritts noch nicht feststeht, -wird anerkannt, dass BosnienHerzegowina eine Stimme zugeteilt erhält, wobei späterer Entscheidung vorbehalten bleibt, ob diese Stimme ihm gemäss dem zweiten Absätze des Artikels 12 des Vertrages zukommt oder ihm gemäss den Bestimmungen des dritten Absatzes dieses Artikels bewilligt wird.

II.

Es wird von nachstehender Erklärung Kenntnis genommen: Die Abordnung der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt, dass ihre Eegierung genötigt ist, sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die die Tarife betrifft, weil die Beförderung der Radiotelegramme ebenso wie die der Telegramme in den Vereinigten Staaten, sei es ganz, sei es teilweise durch Handels- oder Privatgesellschaften ausgeübt wird.

III.

Es wird gleichfalls von nachstehender Erklärung Kenntnis genommen : Die Regierung von Kanada behält sich das Recht vor, für jede ihrer Küstenstationen eine besondere Gesamtseetaxe für Radiotelegramme festzusetzen, die aus Nordamerika herrühren und an irgendein Schiff gerichtet sind, wobei die Küstentaxe drei Fünftel und die Bordtaxe zwei Fünftel der Gesamttaxe betragen wird.

Urkundlich dessen haben die beteiligten Bevollmächtigten das gegenwärtige Schlussprotokoll aufgenommen, das dieselbe Kraft und dieselbe Gültigkeit haben soll, als wenn seine Bestimmungen in den Text des Vertrages selbst, auf welchen es sich bezieht, aufgenommen worden wären, und sie haben dieses Schlussprotokoll in einem Exemplar unterzeichnet, welches in den Archiven der Britischen Regierung verbleibt, und von welchem eine Abschrift jedem Teile zugestellt werden wird.

Geschehen zu L o n d o n , den 5. Juli 1912.

(Unterschriften.)

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Radiotelegraphenvertrag von London. (Vom 2. Oktober 1922.)

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.10.1922

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