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Bundesblatt

83 Jahrgang.

Bern, den 11. Februar 1931.

Band I.

Erseheint wöchentlich. Preis KO Franken im Jahr 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an .

Stämpfli A de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die elfte Völkerbundsversammlung (Vom 30. Januar 1931.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen unsern Bericht über die elfte VölkerbundsverSammlung vorzulegen

I. Einleitung.

Die Eröffnung der elften Völkerbundsversammlung stand bei weitem nicht unter so günstigen Aussichten wie die der vorhergehenden. Im Jahre 1929 hatte man in einer Stimmung des Vertrauens und der Initiative gearbeitet; 1930 traf man sich etwas enttäuscht, kleingläubig, wo nicht entmutigt, wieder. Die letzte Versammlung hatte nicht gehalten, was sie versprochen hatte. Auf die Versammlung der Aussaat, wie man sie getauft hatte, war die erhoffte Ernte ausgeblieben. Der Völkerbund hatte Niederlagen erlitten auf Gebieten, wo man ihn genügend vorbereitet wähnte, um auf einen Erfolg rechnen zu können. Ein Misserfölg in Paris, wo sich die Konferenz über die Behandlung der Ausländer lange hingezogen hatte; ein Misserfolg im Haag, wo die erste Konferenz zur Kodifizierung des Völkerrechts ihre Absichten nur zu einem geringen Teil zu verwirklichen vermochte; blosser Teilerfolg in London, wo die Seekonferenz, von der die Beendigung der Vorarbeiten zur Herabsetzung der Rüstungen zu Lande abhängt, nicht alle Ergebnisse zeitigte, die von ihr erhofft worden waren; blosser Teilerfolg in Genf, wo die Konferenz zum Abschluss eines Zollwaffenstillstandes nur zu einer gewissen Stabilisierung der Zollsätze geführt hatte ; weiter ein blosser Teilerfolg in Genf, wo das internationale Abkommen vom 8. November 1927 zur Abschaffung der Ein- und Ausfuhrverbote und -beschränkungen mangels genügender Ratifikationen unter den hauptsächlich interessierten Staaten nicht in Kraft gesetzt werden konnte.

Diese Reihe von Misserfolgen hat die auf die Konsolidierung des Friedens gerichtete Bewegung sichtlich gehemmt. Den Völkerhund aber, man braucht Bundesblau.

83. Jahrg.

Bd. I.

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94 es kaum'zu bemerken, trifft die Verantwortung dafür nicht. Er ist und wird immer MOBS sein, was die Mitglieder sind, aus denen er sich zusammensetzt. Es ist a.ber unbestreitbar, denn die Feststellung ist nahezu überall gemacht worden, dass sich die Staaten in letzter Zeit einer nationalistischen Welle ausgesetzt sahen, die der Entfaltung internationaler Zusammenarbeit wenig günstig war.

..Diese Erscheinung mahnt zum Aufsehen, .wenn sie auch möglicherweise nur zeitweilig ist. Die Grundsätze, auf denen der Völkerbund beruht, gelangen nicht in vollem Ausmass zur Anwendung. Es ist eine Einbusse vorhanden; diese Einbusse kann allerdings letzten Endes bloss vorübergehender Natur sein. Es wäre verfrüht, glauben wir, sich der Schwarzseherei und der Entmutigung hingeben zu wollen. Denn man darf nicht vergessen, dass der nationalistische Vorstoss, dessen Zeugen wir sind, eine der Folgen der erschütterten "Weltwirtschaft ist, die durch die Überproduktion, durch einen ruinösen Sturz der Eohstoffpreise als Nachwirkung des Konsumrüokgangs aus dem Gleichgewicht gehoben wurde. Politische Ausgeglichenheit ist bei gestörter Wirtschaftslage nicht wohl denkbar.

Mt dieser Feststellung darf man sich aber nicht begnügen, sie bedarf vor allem der Abhilfe, namentlich wenn, dank dem Völkerbund, diese Abhilfe vielleicht handgreiflich nahe ist. Die Versammlung vom letzten September gab sich vollauf Eechenschaft über den Ernst der Lage, sie war sich aber auch nicht minder ihrer eigenen Aufgabe bewusst.

: Die französische Eegierung hatte eben durch Vermittlung ihres Aussenministers, Herrn Briand, ihre Denkschrift über die Schaffung einer europäischen Union an die Eegierungen der europäischen Staaten gerichtet. Die sèchsundzwanzig befragten Eegierungen hatten dem Quai d'Orsay ihre Antwort zukommen lassen *).. Diese Antworten lauteten, was den Grundsatz anbelangt, zustimmend. Alle erkannten den Nutzen einer aufrichtigen und ernsthaften Untersuchung über die Möglichkeiten, «ein ständiges System vertraglich festgelegter Solidarität für die vernünftige Gestaltung Europas zu.schaffen»; alle betonten aber auch, dass es unerlässlich sein werde, die in Aussicht genommene Organisation gegebenenfalls in den Eahmen des Völkerbundes einzuordnen. Die Antworten der Eegierungen waren eine erfreuliche Kundgebung europäischer Solidarität;
sie bildeten aber, wie sehr richtig bemerkt worden ist, gleichzeitig --und das war nicht ihr geringstes Verdienst -- ein wahres Plebiszit zugunsten des Völkerbundes. Es trat klar zutage, dass die französische Initiative, in der manche die Gefahr einer Konkurrenz und. Eivalität für den Völkerbund zu sehen geglaubt hatten, sich, in welcher Form auch immer, nur unter der Voraussetzung einer engen Verknüpfung mit dem Genfer Werk in die Tat umsetzen lassen werde.

Gemäss dem Vorschlage der französischen Eegierung sollte, worauf wir weiter unten noch zurückkommen werden, der Eröffnung der Versammlung 1 ) Es ist uns nicht möglich, die Antworten dieser 26 Eegierungen zu veröffentlichen. Wir beschränken uns darauf, die schweizerische Antwort abzudrucken; sie ist in der Beilage, S. 235, zu finden.

95 eine Zusammenkunft der europäischen Staaten unmittelbar vorangehen: denn man wollte die Ergebnisse dieser Konferenz unverzüglich vor die Versammlung bringen. Diese sollte sich demnach mit dem Problem zu befassen haben. Seine Kühnheit und Neuartigkeit, -wie auch die möglichen Auswirkungen auf die künftige Tätigkeit des Völkerbundes bewirkten, dass im September der übrige Teil der Tagesordnung in den Hintergrund trat. Die europäische Frage gab sogar der ganzen elften Versammlung ihr Gepräge. Darin allein schon kommt die ganze politische und geschichtliche Tragweite dieser Versammlung zum Ausdruck, Bevor wir unsere Darlegungen über die Tätigkeit der Versammlung selbst beginnen, scheint es uns angezeigt, den Beschlüssen, die an der Zusammenkunft der europäischen Staaten gefasst wurden, wie auch der Folge, die ihnen die Versammlung gab, einige Worte zu widmen. Doch schicken wir die Instruktionen der schweizerischen Delegation voraus, da ein Punkt dieser Instruktionen (Nummer .13) sich auf den Plan einer europäischen Union bezieht. Auf diese Weise wird gleichzeitig dem zeitlichen Ablauf Rechnung getragen.

II, Instruktionen der schweizerischen Delegation.

Der Bundesrat hatte, nach einlässlicher Prüfung aller auf die Tagesordnung der Versammlung gesetzten Fragen durch das Politische Departement und nach einem Meinungsaustausch zwischen der Delegation für Auswärtiges und der schweizerischen Delegation, seinen nach Genf entsandten Delegierten 1) die nachfolgenden Instruktionen mitgegeben : *) In seiner Sitzung vom 16. Juni 1930 hatte der Bundesrat die schweizerische Delegation f olgendermassen bestellt : Delegierte: Herr Bundesrat Giuseppe Motta, Herr Ständerat Gottfried Keller, Herr Nationalrat Hermann Schüpbach; stellvertretende Delegierte: '· Herr Prof. William Rappard, Direktor des Hochschulinstituts für höhere internationale Studien; Herr Nationalrat Boger Dollfus; Herr "Walter Stucki, Direktor der Handelsabteilung*); technischer Beirat und Sekretär: Herr Camille Gorgé, Sektionschef erster Klasse beim Politischen Departement; Hilfssekretär: Herr John Barschall, juristischer Beamter des Politischen Departementes**).

*) Herr Stucki konnte sich aus Gesundheitsrücksichten nicht zur Delegation nach Genf begeben; deshalb wurde der Delegation Herr Eugène Péquignot, Sekretär des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, als Sachverständiger für Wirtschaftsfragen zugeteilt.

**) Herr Philippe Zutter, dem Politischen Departement zugeteilter Beamter, hat Herrn Barschall ersetzt, der damals Krankheitsurlaub hatte.

96 · 1. Allgemeine Haltung der Delegation. Die schweizerische Delegation wird sich, wie buher, die leitenden Grundsätze unserer allgemeinen Politik im Völkerbünde zur Richtschnur nehmen.

· Sollte die Delegation über gewisse grundsätzliche Fragen keine Instruktionen besitzen, so hat sie an den Bundesrat zu gelangen.

2. Erhöhung der Zahl der Vizepräsidenten der Versammlung, Da das Bureau der Versammlung schon aus vierzehn Mitgliedern besteht, sieht der Bundesrat die Notwendigkeit nicht wohl ein, die Zahl der Vizepräsidenten der Versammlung von sechs auf acht zu erhöhen.

3. Fortschreitende Kodifizierung des Völkerrechts. Die Delegation wird alle Massnahmen zum Zwecke einer besseren Vorbereitung künftiger Konferenzen zur Kodifizierung des Völkerrechts befürworten. Die in dieser Beziehung von der ersten Haager Kodifikationskonferenz angenommenen Wünsche nehmen ein Verfahren in Aussicht, das Erfolg verspricht. Die schweizerische Delegation wird deshalb für die Gutheissung dieser Wünsche durch die Versammlung eintreten.

4. Anpassung desVölkerbundsvertragess an den am 27. August 1928 in.Paris abgeschlossenen Vertrag über den Verzicht auf den Krieg. Die Delegation wird d i e Anträge d e s Komitees z u m Studium d e r Abänderungen d e s hinzielt, dem Bat im Falle der Nichtausführung eines Schiedsspruchs oder Gerichtsurteils die Befugnis einzuräumen, mit Stimmenmehrheit die friedlichen Massnahmen zu empfehlen, die erforderlich sind, um dem Schiedsspruch oder Gerichtsurteil Nachachtung zu verschaffen. Sie wird gegebenenfalls auch die Abänderung befürworten, die möglicherweise vorgeschlagen wird, um den Eat in den Stand zu setzen, in jedem beliebigen Stadium des Untersuchungs- und Prüfungsverfahrens mit Stimmenmehrheit vom Ständigen Internationalen Gerichtshof ein Gutachten über die rechtliche Seite der Streitfrage einzuholen.

, Der Bundesrat behält sich vor, der Delegation später auch über die Frage der Sanktionen seine Beschlüsse bekanntzugeben.

5. Reform der Strafvollzugsverwaltung. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit der Einsetzung einer besondern Kommission zum Studium der Reform der Strafvollzugsverwaltung nicht ein. Die Tätigkeit einer solchen Kommission würde bloss Doppelspurigkeiten mit derjenigen der internationalen Kommission für Strafrechtsund:Gefängniswesen schaffen, deren Werk sich
befriedigend entwickelt.

6. Ratifizierung der unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen Abkommen. Die Delegation wird der Prüfung der Mittel und Wege, um die Ratifizierung der genannten Abkommen zu fördern, alle Aufmerksamkeit schenken ; sie hätte im besondern allfällige Resolutionsentwürfe zu unterstützen, in denen die Regierungen aufgefordert würden, von der Unterzeichnung internationaler Übereinkünfte abzusehen, wenn sie nicht glauben, diese Übereinkünfte in der Folge ratifizieren zu können.

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7. Rüstungsbeschränkung. Da die vorbereitende Abrüstungskommission seit der letzten Versammlung nicht getagt hat, kann der Bundesrat lediglich seine frühern Instruktionen zur Abrüstungsfrage bestätigen.

8. Abkommensentwurf über die Finanzhilfe an bedrohte oder angegriffene Staaten. Der Bundesrat glaubt an dem in seinem Bericht an die Bundesversammlung über die Tätigkeit der letzten Völkerbundsversammlung dargelegten Standpunkt festhalten zu sollen. Er bestätigt in diesem Punkte seine frühem Instruktionen.

9. Entwurf z u - einem Abkommen über die V e r s t ä r k u n g -der Kriegsverhütungsmittel. Da das in Aussicht genommene Abkommen die bestehenden Sicherheitsgarantien zu erhöhen vermöchte, wird die Delegation die Bemühungen, zu einem befriedigenden Abkommen zu gelangen, .unterstützen; sie wird sich dabei an die vom Politischen und vorn Militärdepartement unternommenen Studien halten.

97: 10. Erleichterungen für die zur Aufrechterhaltung der Verbindungen des Völkerbundes in Krisenzeiten dienenden Luftfahrzeuge.

In dem Bestreben, dem Völkerbunde die Verbindungen in Krisenzeiten nach bestem Vermögen au erleichtern, stimmt der Bundesrat dem Grundsatze zu, wonach zwischen den Regierungen und dem Generalsekretär des Völkerbundes besondere Abkommen über den Luftverkehr zu schliessen wären. Er ist der Auffassung, dass eine befriedigende Ordnung getroffen werden könnte, ohne dass die Forderungen der nationalen Sicherheit irgendwie darunter leiden müssten. Der vom Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit angenommene Resolutionsentwurf gibt in dieser Beziehung zu Vorbehalten Anlass, die die Delegation gestützt auf die Berichte des Politischen, des Militär- und dea Eisenbahndepartements geltend machen wird.

11. Sklaverei. Die Delegation wird sich jedem Antrag anschliessen, der darauf hinzielt, möglichst alle Staaten zur Ratifizierung des Sklavereiabkommens vom 25. September 1926 zu veranlassen, dem die Schweiz übrigens gemäss dem von der letzten Versammlung kundgegebenen Wunsche binnen kurzem beitreten wird.

12. Minderheiten. Der Bundesrat erneuert seine letztjährigen Instruktionen für den Fall, dass diese Frage in der Versammlung erneut zur Sprache kommen sollte.

13. Plan einer europäischen Union. Falls die Versammlung gemäss dem in gewissen Ländern geäusserten Wunsche diesen Plan prüft, wird sich die Delegation an die allgemeinen Richtlinien der Antwort halten, die der Bundesrat am 4. August der französischen Regierung hat zugehen lassen.

14. Geistige Zusammenarbeit. Da die Vorschläge der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit über die Neuordnung ihrer Organisation sowie des Instituts für geistige Zusammenarbeit in Paris-dem Bundesrate noch nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, wird die Delegation erforderlichenfalls während der Versammlung Instruktionen einverlangen.

15. Internationale Volkskunstausstellung. Falls sich ihr die Gelegenheit dazu bietet, wird die Delegation mitteilen, dass die schweizerischen Behörden dieser Ausstellung fortgesetzt volle Aufmerksamkeit schenken ; sie wird gegebenenfalls Auf-.

schluss erteilen über die Massnahmen, die bereits getroffen worden sind, um die Durchführung der Ausstellung im Jahre 1934 sicherzustellen.
16. Rechnungsablegung und Voranschlag. Unter Vorbehalt der von den Völkerbundseinrichtung verlangten Abschlüsse und Begründungen wird die Delegation ermächtigt, den. geprüften Abrechnungen für das elfte und dem Voranschlag für das dreizehnte Rechnungsjahr zuzustimmen. Sie wird gleichwohl für jede Ersparnis eintreten, die ohne Beeinträchtigung der Tätigkeit des Völkerbundes erzielt werden könnte.

· ' . - . ' 17.Nichtwiederwählbarkeit der Mitglieder der Kontrollkommission Auf Grund des ausdrücklichen Antrags, den der Bundesrat der Versammlung gestellt hat, wird die Delegation gegebenenfalls nachdrücklich auf die Vorteile hinweisen, die eine Änderung der Finanzordnung brächte, der zufolge die Mitglieder der Kontrollkommission erst drei Jahre nach Ablauf ihres Amtes wiederwählbar wären.

18. Reorganisation des Völkerbundssekretariats, des internationalen Arbeitsamtes und des Ständigen Internationalen Gerichtshofs.

In der Aussprache über diese verwickelte und heikle Frage wird sich die Delegation als Richtschnur nehmen, den Weg neuer Ausgaben nur zu beschreiten, wenn diese wirklich gerechtfertigt sind ; es wäre deshalb angezeigt, dass sie sich der Schaffung von Ämtern widersetzte, deren Nützlichkeit nicht erwiesen ist. Andererseits wird sie aber alle Massnahmen befürworten, die möglichst Gewähr bieten für eine billige Vertretung aller Mitgliedstaaten in den drei Verwaltungskörpern des Völkerbundes.

19. Massnahmen zur> Verbesserung der. Arbeitsbedingungen der Versammlung. Der Bundesrat stellt es der Delegation anheim, zu den Massnahmen Stellung zu nehmen, die man zum genannten Zwecke in Erwägung ziehen wird..

98 20. Errichtung des Völkerbundsgebäudes. Wie in frühern Jahren wird die Delegation jede Vorkehrung billigen, die bezweckt, die Ausführung der Arbeiten zu fördern und zu beschleunigen.

31. Technische Organisationen dès Völkerbundes. Die Delegation -wird sich für die Fragen, die in den Aufgabenkreis dieser Organisationen fallen, wie in frühem Jahren an die Gutachten der zuständigen Departemente des Bundesrates halten.

22. Beschränkung der Herstellung von Betäubungsmitteln. Falls es gewisse Delegationen für angebracht erachten sollten, diese Frage vor der Eröffnung der geplanten Konferenz zwischen Hersteller- und Nichtherstellerstaaten in der Versammlung erneut zur Sprache zu bringen, so kann die Delegation ihre früheren Erklärungen über die Zustimmung der schweizerischen Regierung zum Grundsatze der Beschränkung wiederholen.

28. Wahlen, Die Delegation wird vom Bundesrat Instruktionen einholen, bevor die Versammlung zur Wahl von drei nichtständigen Mitgliedern des Rates, zur Ersetzung des Herrn Hughes, Richter am S tändigen Internationalen Gerichtshof, für den Best der am 31. Dezember 1930 ablaufenden Amtsdauer sowie zur Gesamterneuerung des Gerichtshofes sehreitet.

III. Konferenz der europäischen Staaten zur Prüfung der französischen Denkschrift aber die Gründung einer europäischen Union.

Sobald die Antworten auf ihre Denkschrift vorlagen, verfasste die französische Begierung, wie sie darum ersucht worden war, einen Bericht über das Ergebnis ihrer Erhebungen betreffend die Gründung einer europäischen Union.

Nach ihrer Auffassung handelte es sich «um einen ausschliesslich analytischen Bericht>> worin sie sich streng darauf zu beschränken gedachte, «zu den verschiedenen Punkten der französischen Denkschrift die Meinung jeder der befragten Regierungen sachlich herauszuschälen, ohne ihrerseits den Ausdruck irgendeiner persönlichen Ansicht einzuflechten». Es kann nicht unsere Sache sein, hier auf eine wenn auch noch so gedrängte Würdigung dieses wichtigen Schriftstückes einzutreten, in dem die französische Eegierung «die positiven und aufbauenden Elemente » hervorhebt, «die sich aus der Vergleichung der zum Ausdrucke gekommenen Auffassungen ergeben», wobei sie jeweilen die Ansicht dieser oder jener Regierung über die betreffende Seite der Frage ins Licht rückt. Will man aber lediglich die Hauptzüge entwickeln, so sind namentlich folgende Punkte zu berücksichtigen : a. Alle Regierungen erkennen die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit unter den europäischen Nationen an; b. sie bekunden übereinstimmend ihren Willen, «nichts zu tun, was das Ansehen des Völkerbundes schwächen könnte », sondern im Gegenteil die neue Organisation der Organisation des Völkerbundes einzugliedern, wobei die erstere nur eine Ergänzung und Verbesserung der Organisation des Völkerbundes sein soll 1) ; *) Der Bericht der französischen Begierung hebt in dieser Beziehung die Ansicht des Bundesrates hervor, der in seiner Antwort auf die Denkschrift erklärte, dass es von «grundlegender Bedeutung» sei, zum vornherein alles zu vermeiden, was geeignet wäre, Kompetenzkonflikte oder Rivalitäten zwischen dem geplanten regionalen Verband und dem Völkerbund hervorzurufen. «Eine europäische Union würde aufhören, erstrebenswert zu sein,» steht in unserer Antwort, «wenn sie dazu führen sollte, die Wirkungs- und Entwicklungsmöglichkeiten des Völkerbundes zu beschränken».

99 c. die europäische Organisation dürfte nicht im Widerspruch stehen zu irgendwelcher ethnischen Gruppierung «auf andern Kontinenten oder, in Europa selber, ausserhalb des Völkerbundes»; d. die Schaffung eines Bundesverhältnisses zwischen den Staaten Europa» «dürfte keines der Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten einer solchen rein tatsächlichen Vereinigung irgendwie berühren», noch «das Eigenleben der Völker, der kleinen wie der grossen», beeinträchtigen 2); e. sofortige Zustimmung schiene ein allgemeiner Pakt zu finden, der den Grundsatz einer «Union morale européenne »enthielte «und aus dem für die Unterzeichner einzig die Pflicht erwüchse, zur Prüfung von Fragen, die ihrer Ansicht nach alle angehen, an regelmässig wiederkehrenden oder ausserordentlichen Zusammenkünften teilzunehmen»; /. was die zur Ausführung ihrer Aufgaben erforderlichen Einrichtungen anbelangt, so sollte die europäische Union nicht nach dem Vorbilde des Völkerbundes aufgebaut werden 2); nach der am häufigsten vertretenen Auffassung wäre «einzig eine alle Staaten umfassende Konferenz » vorzusehen, «die über ein Komitee, Bureau oder Sekretariat verfügen würde, das in der Lage wäre, zwischen den Zusammenkünften die Prüfung und Bereinigung der Organisation fortzusetzen»; g. die geplante Union sollte nicht auf dem Grundsatze der Unterordnung der wirtschaftlichen unter die politischen Interessen beruhen; das politische und das wirtschaftliche Problem bedingen einander eher gegenseitig, als dass «wischen ihnen das Verhältnis der Über- und Unterordnung bestünde. Aber tatsächlich könnten durch die Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit die unmittelbarsten Fortschritte erreicht werden.

Auf Vorschlag der französischen Regierung versammelten sich die Delegierten der europäischen Regierungen am 8. September im Völkerbundssekretariat, um vom zusammenfassenden Berichte des Quai d'Orsay Kenntnis zu nehmen und das weitere Vorgehen zu bestimmen. Der Bundesrat war durch Herrn Motta vertreten. Dem Vorsteher des Politischen Departementes wie auch der schweizerischen Delegation an der Versammlung war die Instruktion erteilt worden, sich an die allgemeinen Richtlinien der schweizerischen Antwort auf die französische Denkschrift zu halten. Die von Herrn Briand geleitete Konferenz hielt nur eine einzige, nicht öffentliche Sitzung ab. Nachdem
der Vorsitzende 1 ) «Eine solche Auffassung», steht ausdrücklich im französischen Bericht, «scheint geeignet zu sein, der schweizerischen Regierung, die die Aufmerksamkeit auf die der Eidgenossenschaft durch internationale Verträge gewährleistete Neutralitätsordnung hinlenkt, volle Beruhigung zu verschaffen».

2 ) Wie die französische Regierung in ihrem Bericht in Erinnerung ruft, halten zahlreiche Regierungen dafür, «dass das Sekretariat vom Völkerbundssekretariat übernommen oder von ihm im Einvernehmen mit einem europäischen Komitee organisiert werden könnte».

100 d'en Bericht der französischen Regierung verlesen hatte, beriet die Konferenz, welche weitere Folge dieser allgemeinen Umfrage bei den europäischen Staaten zu geben sei. Es herrschte Einstimmigkeit darüber, dass es nützlich, ja notwendig sein werde, das gesamte Projekt vor die Völkerbundsversammlung zu bringen.

Aber in welcher Weise sollte das geschehen? Darüber gab es zwei Meinungen.

Nach der einen, die namentlich vom britischen Aussenminister, Herrn Henderson, vertreten wurde, sollte die Angelegenheit ohne weiteres der Versammlung überwiesen werden. Diese Überweisung hätte einzig zur Voraussetzung gehabt, dass man allgemein die Erörterung des Planes einer europäischen Union im Schosse der Versammlung als zweckmässig erachtet hätte; dagegen wäre die grundsätzliche Frage einer europäischen Union offen geblieben. Herr Briand, der die andere Tendenz vertrat, gab sich dagegen mit einer blossen Über-: Weisung nicht zufrieden und verlangte, dass die Konferenz die Angelegenheit in empfehlendem Sinne an die Versammlung weiterleite. Nach einer Erörterung, an der sich mehrere Delegierte beteiligten und die im besondern Herrn Motta veranlasste, sich dafür auszusprechen, dass einfach das in der Versammlung übliche Verfahren (Aufnahme des Gegenstandes in die Tagesordnung und Überweisung an eine Kommission zur Prüfung und zum Bericht) zur Anwendung gelange, einigte man sich schliesslich auf den Text einer von Herrn Briand vorgeschlagenen Eesolution. Diese Eesolution, der sich auch Herr Henderson anschliessen konnte, weil sie zwischen einer blossen Überweisung an die Versammlung und einer endgültigen, grundsätzlichen Gutheissung die Mitte hielt, lautete folgendermassen : ..' «Die Vertreter der europäischen Staaten, Mitglieder des Völkerbundes, die am 8; September 1930 gemäss dem Genfer Beschlüss vom 9. September 1929 in Genf zusammengetreten sind, haben vom Ergebnis der Umfrage über die Gründung einer europäischen Union Kenntnis genommen; ! sie sind überzeugt, dass eine enge Zusammenarbeit der europäischen Regierungen auf allen Gebieten der internationalen Tätigkeit für die Aufrecbterhaltung des Weltfriedens von entscheidender Bedeutung ist; sie sind ferner einmütig darauf bedacht, die Durchführung dieser Zu- '..

sammenarbeit in voller Übereinstimmung mit dem Völkerbund und in Nachachtung aller im
Völkerbundsvertrag festgelegten Grundsätze in Betracht zu ziehen..

Daher beschliessen sie, die Frage auf die Tagesordnung der Versammlung zu setzen.» ; Herr Briand war beauftragt worden, die Eesolution in der Versammlung vorzubringen. Er kam dieser Aufgabe mit der Eede nach, die er am 11. September in der dritten Vollsitzung der Versammlung hielt. Er erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass sein Vorschlag nichts enthalte, was irgendwie gegen den Völker- '· bund gerichtet sein könnte oder nicht sogar in engster Beziehung zu ihm stünde.

«Keine Friedensaktion,» erklärte er, «gehe sie von einem einzelnen Lande aus oder von einer regionalen Ländergruppe, von einem Erdteil oder der ganzen

101 Zivilisation, -wird inskünftig Erfolg haben, wenn sie sieh nicht im Schosse des Völkerbundes abwickelt, wenn sie nicht von ihm zur eigenen Sache gemacht wird und wenn sie nicht über seine moralische und materielle Machtfülle verfügt».

Ohne sich über die Schwierigkeiten, die noch zu überwinden sind, einer Täuschung hinzugeben, beleuchtete er die Notwendigkeit für Europa, «diesen Kontinent, der schon von so manchem Kriege erschüttert worden ist und der eben erst die Schrecknisse eines Weltkrieges über sich hat ergehen lassen müssen», sieh zusammenzuschliessen, um sich den Frieden nun endgültig zu sichern.

Er zeigte, wie sehr dem Völkerbund die Aufgabe erleichtert würde, «wenn auf dem gef ährdetsten Teil der Erde die Völker durch die Schaffung eines einigenden Bandes die Möglichkeit hätten, miteinander in Fühlung zu bleiben, die Ereignisse schon im Werden gemeinsam zu beobachten, sie gemeinsam zu deuten und rechtzeitig zur notwendigen Einigung zu gelangen». Er erklärte sodann «im Namen der siebenundzwanzig europäischen Nationen, dass sie nach langem Suchen erkannt hätten, welch ausschlaggebende Bedeutung für den Frieden einer engen Zusammenarbeit unter ihnen auf allen Gebieten der internationalen Betätigung zukommt». Aber nach seiner Überzeugung sei dieses Vorhaben ohne die moralische Unterstützung des Völkerbundes undurchführbar. «Wir möchten euch, zum Bewusstsein bringen,» rief er am Schluss aus, «dass uns in unserem ganzen Unternehmen ein Band mit euch verknüpft, vergleichbar jenem zwischen Mutter und Kind, und bevor wir uns einen Schritt weiter wagen, möchten wir, dass der Völkerbund uns zuriefe, wie er es schon bei ähnlicher Gelegenheit getan hat: «Auf! ihr seid auf dem rechten Weg, es geht dem Frieden entgegen!» In der allgemeinen Aussprache über das Werk des Völkerbundes während der letzten zwölf Monate beglückwünschten zahlreiche Redner Herrn Briand zu seiner Initiative und versicherten ihn des bestimmten Willens ihrer Regierungen, das Heilmittel, dessen Europa bedarf, in der skizzierten Formel zu suchen.Gewisse Delegierte erneuerten die Wünsche oder Vorbehalte, die ihr Land bereits vorgebracht hatte. Doch alle stimmten dem Versuche bei, in Europa wieder etwas Ordnung zu schaffen. Sogar die Delegierten aussereuropäischer Mächte versicherten Herrn Briand «ihrer Sympathie für seinen
grossangelegten Plan». Keiner erhob Einwendungen gegen die Schaffung dieser neuen Form regionaler Verständigung. Mehrere von ihnen betonten dagegen, dass ein befriedetes und besser geordnetes Europa der ganzen Welt zum Vorteil gereichen werde. Namentlich der Delegierte von Kuba, Herr Ferrara, wandte sich dieser Seite der Frage zu. «Das Wohlergehen Europas geht zunächst die Europäer selbst an,» erklärte er, «aber es geht, und zwar fast im selben Mass, .auch die Völker aller übrigen Erdteile ah, namentlich aber die Länder, die Rohstoffe .und Bodenerzeugnisse liefern... Jede Krise in Europa, jedes Nachlassen des europäischen Marktes hat nachhaltige Störungen in der ganzen Welt zur Folge...

Obwohl Europa nur ein Zwölftel der Erdoberfläche einnimmt und ein Viertel der gesamten Erdbevölkerung ausmacht, so hat es doch heute, nach einem Kriege mit beispiellosen Verlusten an Menschenleben und Kapitalien, immer noch 52%, d. h: mehr als die Hälfte des gesamten Welthandels inné...»

102 Der Führer der schweizerischen Delegation, Herr Motta, unterzog in der Bede, die er in der Sitzung vom-IS. Septemberhielt, den Plan einer europäischen Union ebenfalls einer Prüfung. Man könne in guten Treuen verschiedener Ansicht sein über die Form, die man dem Vorhaben geben wolle, erklärte er, niemand werde es aber wagen, die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit unter den Staaten Europas in Abrede zu stellen. Nachdem er dem Verdienste Briands Anerkennung gezollt hatte, legte er dar, dass nach seiner Meinung «der Gedanke der europäischen Union eher eine politische Losung, eine Geistesrichtung» sei «als eine in allen Teilen ausgebaute, selbständige Einrichtung». «Man kann von einem Bundesverhältnisse sprechen,» fuhr er fort, «wenn man sich darüber einig ist, dass dieses Verhältnis vorwiegend moralischer Natur die Souveränität der Staaten unangetastet läset; aber ein Irrtum wäre es, schon das Wort ,,Bundesstaat" oder ,,Bundesgenossenschaft" anzuwenden». Was die Tätigkeit anbelangt, die der neuen Organisation zuzuweisen sein wird, erkannte der Vorsteher des Politischen Departements ohne weiteres an, dass sie für gewisse kontinentale Probleme (Zollpolitik, Zusammenarbeit der Banken, Vereinheitlichung der Münzen, Masse und Gewichte, Transportwesen usw.) von Nutzen sein könnte, doch machte er darauf aufmerksam, dass fast alle diese Probleme gleichwohl nach gewissen Seiten hin Weltprobleme sind. «Wenn dem so ist,» folgerte er, «muss man dann nicht vernünftigerweise auch annehmen, dass die europäische Union nicht nur in den Bahmen des Völkerbundes einzuordnen sei, sondern dass sie sich auch seiner Organe zu bedienen habe?» Dualismen und Doppelspurigkeiten müssen vermieden werden; sie könnten der Sache des Völkerbundes nur abträglich sein. « Selbstverständlich sind die Absichten gut,» fuhr Herr Motta fort, «aber die Tatsachen folgen einer Logik, die man die Macht der Dinge nennt, und diese kümmert sieh zuweilen recht wenig um gegenteilige Absichten». Unser erster Delegierter, der auf die Erklärung des Herrn Briand zurückkam, in der dieser den Völkerbund um seine moralische Unterstützung angerufen hatte, appellierte sodann an die tätige Mitarbeit der aussereuropäisohen Staaten. «Helft uns,» sagte er ihnen, «aus Europa einen Kontinent zu machen, der geeinigter dasteht und sich seiner Mission besser
bewusst wird! Helft uns, unsere materiellen Verhältnisse zu verbessern, unsern Lebensstand zu heben, aber helft uns auch, jenen unermesslichen Schatz zu wahren und zu mehren, der in unseren Bässen, unseren Sprachen, unseren Dichtungen, unseren Universitäten und unseren Kathedralen liegt!» Herr Motta schloss mit der Bemerkung, dass, weit entfernt, einen grossen Gedanken herabmindern oder schwächen zu wollen, ihm im Gegenteil daran liege, «dazu beizutragen, ihn zu retten und ihm seinen Platz im Mittelpunkte des Völkerbundes anzuweisen».

Nachdem der Plan einer europäischen Union grundsätzlich von allen Delegierten, die das Wort ergriffen, namentlich auch von den Vertretern der Grossmächte, gebilligt worden war, hatte das Briand-Projekt die gefährlichste Klippe umfahren. Die Befürchtungen, die es unter den überzeugtesten Anhängern des Völkerbundes hervorgerufen hatte, waren zerstreut; wenigstens dem

103 Anschein nach. Die politische Stimmung, die .seit der Veröffentlichung der französischen Denkschrift etwas erhitzt gewesen war, beruhigte sich wieder.

Die grundsätzliche Frage war nun entschieden; blieb noch die des Verfahrens. Was wird die Versammlung tun? In welcher Weise wird sie sich zum Entwurf äussern? Wird sie, wie Herr Motta in der europäischen Konferenz und in seiner Bede vor der Versammlung angeregt hatte, die gesamte Frage der mit den politischen Angelegenheiten betrauten sechsten Kommission zuweisen? Wird sie eine besondere Kommission bestellen, damit sich diese sofort ans Werk setze und der Versammlung Bericht erstatte, oder wird sie schliesslich das Problem einer allgemeinen, alle Staaten Europas umfassenden Kommission übertragen, der es überlassen bleibt, in der Zwischenzeit bis zur nächstjährigen Versammlung zusammenzutreten ? Die Bückweisung der Frage an die sechste Kommission wäre die natürlichste Lösung gewesen und hätte auch der Geschäftsordnung am besten entsprochen. Sie trug aber nicht den Sieg davon. Nach ausgiebigen Besprechungen in den Wandelgängen der Versammlung beschlossen eine Anzahl von Delegationen, von einer sofortigen Erörterung d e r Frage i n d e r Versammlung Abstand z u nehmen u n d a n die Aufforderung zu richten, «sich als Völkerbundskommission zu konstituieren und unter der Mitwirkung des Sekretariats» die begonnenen Studien fortzusetzen sowie gegebenenfalls die nichteuropäischen Mitglieder des Völkerbundes und die europäischen Regierungen, die dem Völkerbund nicht angehören, zur Mitarbeit heranzuziehen. Die Kommission sollte der nächsten Versammlung Bericht erstatten. Ein von der französischen Delegation vorbereiteter Entwurf z u einer Resolution i n diesem Sinne erhielt d i e Unterschriften v o n zeichnenden Delegationen forderten den Präsidenten auf, die Versammlung über die Annahme deResolutionsentwurfsfs «ohne weitere Förmlichkeiten, nach Massgabe des Artikels 14, Absatz 2, der Geschäftsordnung1)x) beschliessen zu lassen. DeResolutionsentwurfrf, der in der Beilage 2) zu finden ist, wurde am 16. September zur Abstimmung vorgelegt und von der Versammlung ohne Diskussion genehmigt. Der Präsident erklärte bei diesem Anlass, dass er sicher sei, « der Auffassung der gesamten Versammlung Ausdruck zu geben », wenn er «fordere, dass die Sitzungen der soeben
gebildeten Kommission den Mitgliedstaaten des Völkerbundes, die ihr nicht angehören, zugänglich blieben, damit sie ihre Bemerkungen vorbringen können, so oft sie es für angezeigt erachten».

Die auf diese Weise gebildete Kommission hielt am 23. September im Sekretariat eine erste Sitzung ab. Auf den Vorschlag des Herrn Henderson 1

) Diese Bestimmung lautet folgendermassen: «Die Versammlung beschliesst über die auf der Tagesordnung verzeichneten Verhandlungsgegenstände in Vollsitzung erst nach Einbringung und Verteilung eines Kommissionsberichts, es sei denn, sie fasse mit Zweidrittelmehrheit einen andern Beschlüsse.

a ) S. 232.

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104 wurde Herr Briand «für alle Beratungen der Kommission, bis der nächsten Versammlung Bericht erstattet wird», als Vorsitzender bezeichnet. Bei der Übernahme des Vorsitzes beantragte Herr Briand, dass sofort ein Sekretär bezeichnet und sodann die endgültige Bestellung des Bureaus auf später verschoben .werde. Auf seinen Vorschlag hin wurde Sir Eric Drummond zum Sekretär ernannt. Was die Zusammensetzung der Kommission anbelangt, so wurde vereinbart, dass sich jeder Staat durch ein ordentliches Mitglied und, falls er es für nötig erachte, durch ein Ersatzmitglied vertreten lasse.. Ausserdem wurde beschlossen, dass sich die Kommission im Januar in Genf ver-, sammeln werde, um über die Gegenstände zu beraten, die bis dahin auf Be-, gehren " der Regierungen auf die Tagesordnung gesetzt Würden. Endlich kam man überein, die Kommission als «Studienkommission für die europäische Union» zu bezeichnen.

IV. Die Eröffnung der Versammlung und die allgemeine Aussprache.

Die Versammlung wurde am 10. September unter dem Vorsitz des Herrn Zumeta, venezolanischen Delegierten und derzeitigen Ratspräsidenten, eröffnet. Zweiundfünfzig Staaten waren vertreten. Der Völkerbund war, ab-, gesehen von Argentinien und Honduras, vollzählig anwesend. Nach der Eröffnungsrede und der Prüfung der Vollmachten der Delegierten bezeichnete die Versammlung Herrn Titulesco, rumänischen Delegierten, mit sechsundvierzig von einundfünfzig abgegebenen Stimmen als ihren Vorsitzenden.

Nachdem die Tagesordnung genehmigt, das Bureau · *) bestellt und die Tagesordnungskommission 2) ernannt worden war, konnte die-Versammlung bereits in der dritten Sitzung zur allgemeinen Aussprache über die Tätigkeit des.

*) Das Bureau wurde folgendermassen bestellt : Vizepräsidenten der Versammlung: die Herren Henderson (Grossbritannien), Matsudaira (Japan), Briand (Frankreich), Curtius (Deutschland), Quinones de Leon (Spanien) und Costa du Reis (Bolivien) ; Kommissionspräsidenten: I. Kommission (rechtliche Fragen) : Herr Scialoja (Italien); II. Kommission (technische Organisationen) : Herr Colijn (Niederlande) ; '.

III. Kommission (Sicherheit und Abrüstung) : : Herr Politis (Griechenland) ; IV. Kommission (finanzielle Fragen): Graf Carton de Wiart (Belgien); . . - V. Kommission (soziale und humanitäre Fragen); Gräfin Apponyi (Ungarn); VI. Kommission (politische Fragen) : Sir Eobert Laird Borden (Kanada).

. . (Herr Nationalrat Dollfus wurde später zum Vizepräsidenten der V. Kommission ernannt.).

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2 )Kommission von .sieben .Mitgliedern, deren Vorsitzender, (in diesem Jahr Prinz Varnvaidya) im allgemeinen dem Bureau der Versammlung ebenfalls angehört.; Auch Herr Ständerat Keller wurde in diese Kommission berufen.

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105 Völkerbundes im verflossenen Jahre übergehen. Die Aussprache begann am 11. September und konnte dank der Tatkraft und dem Geschick des Vorsitzenden fünf Tage später beendigt werden. Trotzdem vierzig Redner sich hatten eintragen lassen, wurde doch jeder Zeitverlust vermieden.

Die allgemeine Aussprache erstreckte sich, wie üblich, auf alle Tätigkeitsgebiete des Völkerbundes. In der diesjährigen Versammlung .waren es drei Probleme, denen vom Rednerpult aus ganz besondere Beachtung zuteil wurde: das eine, das wir schon kennen, nämlich der Plan einer europäischen Union, die beiden andern, deren Auftreten niemand überraschen wird, die Wirtschaftskrise und die Abrüstung. Wir haben schon erwähnt, welche Aufnahme und wie grosses Interesse dem Projekt Briands von der Bühne der Versammlung aus entgegengebracht wurden. Zahlreiche Delegierte, so namentlich Herr Motta, wählten es zum Hauptgegenstand ihrer Bede. Andere widmeten ihm weniger Zeit, um ihre Aufmerksamkeit vorzugsweise andern Tagesfragen, vor allem, wie gesagt, den gegenwärtigen wirtschaftlichen Störungen und der Abrustungsfrage zu widmen.

Mehrere Bedner wiesen auf die ernsten Gefahren der Wirtschaftslage hin und auf die Notwendigkeit, ihnen mit allen Mitteln zu begegnen. Die Wirtschaftskonferenz von 1927 hat nicht dio erwarteten Ergebnisse gezeitigt.

Die Grundsätze sind zwar verkündet worden, aber an ihrer Anwendung hat es gefehlt. So sind denn, wie Herr Graham, Vorsitzender des britischen Board of T rade erklärte, «seit 1927 sehr geringe Fortschritte erzielt worden». Ebenso hat die Konferenz zum Abschluss eines Zollwaffenstillstandes in zahlreichen Kreisen enttäuscht. Mehrere Staaten haben ihre Zollabgaben seit der Unterzeichnung des Handelsabkommens vom 24. März 1980 noch erhöht. Es blieb zu hoffen, -- zahlreiche Delegierte legten hierauf allen Nachdruck --, dass in der Konferenz, die die Fortsetzung derjenigen vom März bilden sollte, auf dem Gebiete der sogenannten «gemeinsamen Wirtschaftsaktion» ernstliche Fortschritte erzielt würden. Nicht in der Schutzzollpolitik und im wirtschaftlichen Nationalismus wird man nach der Ansicht der britischen Begierung die Lösung des Problems finden. Wie auch Herr Hymans erklärte, «muss man sich nun entschliessen können, denn die Krise nimmt an Schärfe immer zu... Es gilt zu wählen zwischen einer Politik
der Isolierung und des wirtschaftlichen Nationalismus oder der Annahme eines umfassenden Programms europäischer Zusammenarbeit...». Auch die nachhaltige Krise, die in der Landwirtschaft herrscht, verlangt dringend gemeinschaftliche Vorkehrungen. Für Herrn de Michelis, den italienischen Delegierten, «ist es beunruhigend, feststellen zu müssen, dass alle Bemühungen und Opfer, die die Staaten aufgewendet haben, um den bäuerlichen Lebensstand zu heben, die Landbevölkerung bei der Scholle zu halten, die Produktionsverfahren zeitgemässer zu gestalten und zu vervollkommnen, in Frage gestellt zu werden drohen durch die schwere Störung des Gleichgewichts zwischen der Produktion und dem Verbrauch der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die das auffallendste Merkmal unserer heutigen Wirtschaft ist».

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Indessen gab man der Hoffnung Ausdruck, dass die damals bevorstehende neue Genfer Konferenz zu einer gemeinsamen Wirtschaftsaktion Mittel und Wege finden werde, um den überschüssigen Erzeugnissen der Landwirtschaft Absatz und Verteilung zu sichern, :den Absatz der Industrieerzeugnisse zu erleichtern, die Märkte zu erweitern und den internationalen Warenaustausch zu verbessern. Diesen Wunsch bekundeten alle Delegierten, die sich zu den Ansichten ihrer Kegierung über diese beunruhigende Frage des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der Welt äusserten. «Man muss schon hoffen, dass die verschiedenen Länder früher oder später einmal Beweise ihres Verständigungswillens geben werden, der vorhanden sein muss, damit die Zusammenarbeit ihre Früchte tragen kann», erklärte Baron Eamel, der erste Delegierte Sehwe^ dens.

.

; Die andere Präge, die dieses Jahr im Vordergrund stand, ist die der Sicherheit und namentlich der Abrüstung. Die meisten Delegierten befassten sich mit diesen beiden ernsten Problemen. Die internationalen Beziehungen lassen noch viel zu wünschen übrig. «Aus verschiedenen Gründen ist die politische Atmosphäre drückender geworden und hat sich sogar erhitzt,» meinte Herr Hymans, «und in gewissen Augenblicken erinnert sie an die Unsicherheit von ehemals. In gewissen Kreisen herrscht Beängstigung. 'Kriegsgerüchte wurden umgeboten, und allein schon die Tatsache, dass von Krieg und Kriegsmöglichkeiten die Eede sein kann und man auch davon spricht, bildet eine Gefahr». Man müsse sich bemühen, fügte der belgische Minister bei, «gegen diese verderblichen Strömungen anzukämpfen». Aus dieser Versammlung müsse thè öffentliche Meinung den Eindruck gewinnen, «dass die verantwortlichen Männer nicht nur den Willen haben, nicht Krieg zu führen, sondern auch glauben, dass der Krieg eine Unmöglichkeit sei, dass er ... ein Wahnwitz sei, eine Ungeheuerlichkeit, die den allgemeinen Zusammenbruch, den allgemeinen Umsturz und die Zerstörung unserer gesamten Zivilisation zur Folge haben würde». Diese Lage kann sich jedoch nach Herrn Beelaerts van Blokland, Aussenminister der Niederlande, «nicht verbessern, so lange sich der Geist der Völker nicht entschiedener international einstellt». «Der Völkerbundspakt», erklärte der erste niederländische Delegierte, «enthält einen Artikel ..; gestützt auf den die Versammlung von
Zeit zu Zeit die Mitglieder des Völkerbundes auffordern kann, eine Nachprüfung der unanwendbar gewordenen Verträge sowie der internationalen Verhältnisse vorzunehmen, deren Fortdauer den Frieden der Welt gefährden könnte». «Man darf sich fragen,» fügte er bei, «ob wir gegenwärtig nicht eher eines Artikels bedürften, der folgendermassen zu lauten hätte : Die Versammlung kann von Zeit zu Zeit die Mitglieder dés Völkerbundes auffordern, eine Nachprüfung von unanwendbar gewordenem Nationalismus, sowie von wirtschaftlichen Auffassungen vorzunehmen, deren Fortdauer den Frieden der Welt gefährden könnte.» Herr Motta trat auf diese selben Gedankengänge ein, wenn er sagte, «dass sich der Geist des Nationalismus mit einer Schärfe, ja mit einer Virulenz entwickelt habe, die viele unter uns für verschwunden hielten». Indessen gebe er die Hoffnung nicht .auf,

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eine andere Ordnung der Dinge aufkommen zu sehen, frage sich jedoch, ob die zur Anwendung gelangenden Methoden «alle erspriesslich seien, ob die Tätigkeit nicht an Tiefe, wenn auch auf Kosten der Breite, gewinnen sollte, ob man nicht besser ohne alle Hast arbeiten, die Abkommen klar abfassen, die bedingten und mit Vorbehalten belasteten Unterschriften, die eine die andere nach sich ziehen; um dann die Reihen der nicht ratifizierten Abkommen aufzufüllen, ausschliessen sollte».

Zahlreiche Delegierte gaben zu, dass der Stand der internationalen Sicherheit noch prekär sei. Mit neuer Kraft aber machten sie geltend, dass, wenn auch eine vermehrte Sicherheit geeignet wäre, den überhandnehmenden Nationalismus, der die unmittelbarste Ursache der Rüstungen sei, aus dem Felde zu schlagen, doch die Herabsetzung der Rüstungen ihrerseits die allgemeine Befriedung um einen gewaltigen Schritt näher brächte. Die geistige Entwaffnung sei gewiss gut, aber wie solle man dazu gelangen, wenn infolge des Anwachsens der Eüstungen ein ständiger Kriegsdruck auf der "Welt laste ?

Die Herabsetzung der Eüstungen sei übrigens eine im Artikel 8 des Völkerbundspaktes ausdrücklich vorgesehene Pflicht. Um eine solche Pflicht feilsche man nicht; es gelte, sie zu erfüllen. Es sind heute nicht mehr die sogenannten entwaffneten Staaten wie Deutschland und Ungarn, die solches von der Rednerbühne aus verkünden. Es sind jetzt Grossmächte, die im Weltkrieg Sieger blieben. So Italien und vor allem Grossbritannien. Herr Henderson widmete den grössten Teil seiner Ausführungen diesem schwerwiegenden Problem, das ihm am Herzen liegt. «Die Sicherheit ist unmöglich,» erklärte er, «wenn das Wettrüsten so wie bisher andauert». Die Abrüstung muss seiner Ansicht nach aufhören, «eine blosse Formel zu sein; sie muss nun Wirklichkeit werden».

«Die Verfasser des ölkerbundspaktes», führte er weiter aus, «haben sich nie dem Glauben hingegeben, dass die internationale Zusammenarbeit zu einem Ziele führen könnte, wenn den nationalen Rüstungen keine Beschränkung auferlegt wird... » Indem er auf die im Völkerbundspakt enthaltene ausdrückliche Pflicht zur Rüstungsbeschränkung hinwies, fügte er bei, dass «man dieses Wort noch nicht eingelöst hat, wiewohl es vor nun schon elf Jahren gegeben wurde... ; und doch .., ist es nicht weniger heilig als jede andere
Verpflichtung in den Friedensverträgen». <
Auch Herr Scialoja, der erste italienische Delegierte, erkennt den Mangel genügender Sicherheit nicht als stichhaltigen Grund an, um sich.den Ver-^ pflichtungen aus dem Völkerbundspakt zu entziehen. Der Grund dafür, dass man bisher zu keinem Ergebnis gelangte, ist seiner Meinung nach in einer missbräuchlichen Auslegung des Artikels 8 zu suchen. Die Sicherheit, meinte

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er, ist allerdings «eia Umstand, dem man Eechnung tragen muss bei der Bemessung der Abrüstung», aber «sie ist nicht eine Voraussetzung der Abrüstung».

«Der Versailler Vertrag», schloss der italienische Delegierte, «behandelt ...

die Abrüstung als Pflicht aller Unterzeichner». Die-Meinung, die am Bednerpult am häufigsten zum Ausdruck kam, war die, dass jedenfalls der Augenblick des Handelns gekommen sei, und dass man, wolle man nicht der öffentlichen Meinung neue Enttäuschungen bereiten und eine der wesentlichsten Bestimmungen der Völkerbundssatzung ausser Wirksamkeit setzen, die allgemeine Abrüstungskonferenz einberufen müsse, sobald die letzte Hand an das Werk des vorbereitenden Abrüstungsausschusses gelegt sei, was, wie man hoffe, bald der Fall sein werde.

Auch andere Fragen wurden in der allgemeinen Aussprache berührt.

Sie hier alle aufzuzählen, wäre unmöglich. Man verwies namentlich auf die erfreulichen Fortschritte, die seit letztem Jahr auf dem Gebiete der internationalen Sohiedsgerichtsbarkeit verwirklicht worden sind. Herr Henderson erinnerte daran, dass nur noch siebzehn Mitglieder des Völkerbundes dag fakultative Protokoll zum Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofes nicht unterzeichnet haben. Er erklärte, dass seine Regierung übrigens den Beitritt zur fakultativen Bestimmung bloss «als erste Etappe» betrachte und dass sie sich zum Grundsatze der unbedingten Schiedsgerichtsbarkeit für alle Arten von Streitigkeiten bekenne. Dass dieser Erklärung ganz besondere Bedeutung zukommt, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden; sie wird früher oder später von entscheidendem Einfluss auf die Politik anderer Staaten sein, die gegenwärtig der allgemeinen und unbedingten Schiedsgerichtsbarkeit noch zurückhaltender gegenüberstehen.

Der erste niederländische Delegierte kam auf die Frage der Minderheiten zurück, indem er die Meinung vertrat, dass «die Beruhigung der Minderheiten sehr viel dazu beitragen würde, die Völkerrechtsgemeinschaft zu stärken».

Er erinnerte an die vereinzelten Verbesserungen im Verfahren zur Prüfung der Beschwerden von Minderheiten, die der Bat in der Madrider Tagung beschlossen hatte, behielt sich aber das Urteil über die praktischen Ergebnisse dieser Änderungen vorläufig noch vor. Herr Curtius, Beichsminister des Auswärtigen, legte seinerseits dar, dass die seit
einem Jahr auf diesem Gebiet erworbene Erfahrung «vielleicht noch nicht erlaubt, die Frage endgültig zu beantworten, ob die in Madrid beschlossenen Verbesserungen genügen, um die Garantie des Völkerbundes zum Schutz der Minderheiten wirksam sicherzustellen». Er fügte indessen bei, dass die Versammlung sich nicht darauf beschränken sollte, «die weitere Entwicklung der Dinge abzuwarten», sondern, dass «sie sich jetzt schon und fortgesetzt mit dem zur Anwendung gelangenden Verfahren befassen» müsse. Er betonte, dass «es sich in dieser ganzen Minderheitenfrage nicht um die Wahrung der besondern Interessen gewisser Staaten handle, sondern um eine für die Friedensgewähr wichtige Bedingung, die alle Mitglieder des Völkerbundes gleichermassen angeht»; er beantragte,

109 die Frage der Minderheiten auf die Tagesordnung der sechsten Kommission zu setzen, und die Versammlung stimmte ihm darin zu.

Es wäre noch mancherlei Bemerkenswertes über diese allgemeine Erörterung der Politik und des Werkes des Völkerbundes beizufügen. Damit würden wir aber die uns gezogenen Schranken überschreiten, soll der Bericht doch bloss eine -- noch dazu unvollständige -- Übersicht über die Tätigkeit der Versammlung sein.

Nach der allgemeinen Aussprache konnten die Kommissionen ihre Arbeit aufnehmen ; sie wussten nun besser Bescheid über die Schwierigkeiten, die ihrer warteten, waren sich aber auch ihrer Aufgabe und der Verantwortung, die auf ihnen ruhte, besser bewusst.

Inzwischen schritt die Versammlung zur Wahl der drei uouen nichtständigen Mitglieder des Eates, die an die Stelle von Kanada, Kuba und Finnland treten sollten, deren dreijähriges Mandat ablief. Verschiedene Bewerber hatten sich gemeldet. China hätte seinen Sitz im Bat gerne wieder eingenommen; da es aber erst 1928 ausgeschieden war und vor Ablauf einer dreijährigen Frist zurückzukehren wünschte, musste es gemäss der Ordnung, die 1926 für die Batswablen getroffen worden war, zunächst ein schriftliches Gesuch einreichen.

Die Wiederwahl konnte nach den Grundsätzen von 1926 von der Versammlung nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. China stellte demgemäss das ausdrückliche Gesuch um Wiederwahl, erhielt aber nicht das erforderliche qualifizierte Mehr1). Hierauf schritt die Versammlung zur Wahl der drei neuen nichtständigen Mitglieder des Eates. Gewählt wurden Guatemala. Norwegen und der Freistaat Irland2).

Herr Evans Hughes war als Eichter des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zurückgetreten. Zum Nachfolger für den Eest der Amtsdauer, die für alle Mitglieder des Gerichtshofs am 81. Dezember 1980 ablief, ernannten Versammlung und Eat Herrn Frank Kellogg.

In der folgenden Sitzung befasste sich die Versammlung mit der Gesamterneueruug des Ständigen Internationalen Gerichtshofes. Nach einem von der 1 ) Es erhielt 27 von 48 gültig abgegebenen Stimmen (erforderliches Mehr: 32 Stimmen).

2 ) Guatemala, Norwegen und Irland erhielten je 41, 38 und 36 von 52 abgegebenen Stimmen. Aul Portugal entfielen 30 Stimmen. Der Eat weist infolgedessen gegenwärtig folgende Zusammensetzung auf: Ständige Mitglieder Nichtständige
Mitglieder Deutschland Spanien Frankreich Persien Grossbritannien Venezuela Italien _ Japan *TM f Polen Jugoslawien Guatemala Norwegen Irland Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

10

1.10 Versammlung in einer früheren Sitzung gefassten Beschlüsse 1) waren fünfzehn ordentliche und vier Ersatzrichter zu wählen. Das schweizerische Mitglied des Gerichtshofes, Herr Max Huber, hatte eine Wiederwahl abgelehnt. Vierzehn Eicbter erreichten schon im ersten Wahlgang sowohl in der Versammlung als im Eat die absolute Mehrheit, Es blieb somit noch einer zu wählen. Bis ein Anwärter im Eat und in der Versammlung gleichzeitig die absolute Mehrheit erreichte, wurden elf Wahlgänge nötig. Die übereinstimmende Wahl von Eat und Versammlung fiel schliesslich auf Herrn Urrutia, kolumbianischen Gesandten i n Bern. D e r Gerichtshof wird n u n a u s folgenden fünfzehn Sir Cecil Hurst (Grossbritannien), Altamira (Spanien), van Eysinga (Niederlande), Guerrero (Salvador),Rolin-Jaequemynss (Belgien),Kelloggg (Vereinigte Staaten)Rostworowskyky (Polen), Schücking (Deutschland), Wang Chung-Hui (China), de Bustamante (Kuba), Negulesc(Rumänien)n) und Urrutia (Kolumbien).

Sodann wurden vom Eat und von der Versammlung als Ersatzrichter bezeichnet: Brich (Finnland), Novakovitch (Jugoslawien), Redlich (Österreich) und da Matta (Portugal).

Im Namen der vierzehn südamerikanischen Delegationen brachte Herr Urrutia einen Resolutionsentwurf zur Ehrung des Andenkens des Befreiers Simon Bolivar ein. dessen Jahrhundertfeier am 17. Dezember 1930 ganz Lateinamerika festlich zu begehen sich anschickte. Die Resolution wurde von der Versammlung ohne weiteres angenommen. Mehrere Delegierte meldeten sich bei diesem Anlass zum Wort. Herr Motta legte Wert darauf, sich dieser Sympathiekundgebung anzuschliessen, indem er Bolivar «als die grosse Gestalt, in der sich der politische Genius von Lateinamerika verkörpert hat, ... als Geistesgefährten George Washingtons» begrüsste. Indem er auf den hohen Wert der Mitarbeit Südamerikas in der Völkerbundsversammlung hinwies, ergriff der Leiter unserer Delegation die Gelegenheit, um zum Ausdruck zu bringen, mit welcher Freude es von jedermann begrüsst würde, wenn Argentinien, Brasilien und Costa Eica ihren Platz in Genf wieder einnähmen. Er sprach zudem die Hoffnung aus, dass sich der Völkerbund eines Tages die Mitarbeit Mexikos und sogar des gesamten amerikanischen Kontinents, vorn Norden bis zum Süden, siehern werde.

Das Bureau der Versammlung nahm Kenntnis von der Tätigkeit des besondern,
aus fünf Mitgliedern bestehenden Komitees, das letztes Jahr bestellt worden war, um zu prüfen, ob es möglich sei, die Arbeitsbedingungen der Versammlung zu verbessern 2). Dieses Komitee, das erstmals im Mai und sodann bei Eröffnung der Versammlung zusammengetreten war, hatte der Versammlung zwei Berichte vorgelegt, deren wichtigstes Ergebnis wir folgendermassen zusammenfassen können: 1

) Vgl. darüber den Abschnitt über die Tätigkeit der ersten Kommission S. 112» ) Man wird sich erinnern, dass dieses Komitee aus den Herren Benes, Breitscheid, Viscount Cecil Motta und Villegas bestand (vgl. unsern letzten Bericht, Bundesbl.

1929, Bd. III, S. 859).

, , , , :, 2

Ili , 1. Die Versammlung wird zweckmässigerweise nicht mehr im Beformationssaal, sondern im Bâtiment électoral tagen1) ; 2. die Versammlung soll künftighin auf den zweiten Montag im September einberufen werden ; 8. die Zahl der der Versammlung zur Verfügung stehenden Weibel und Ausläufer soll erhöht werden ; diese Leute sind mit einer zweckdienlichen Uniform zu versehen; 4. um Zeit zu gewinnen, ist die Eröffnungsrede des Batspräsidenten abzuschaffen oder abzukürzen; die Berichterstatter sollen ersucht werden, auf die Verlesung ihrer gedruckt vorliegenden und verteilten Berichte zu verzichten; es sind Versuche anzustellen mit telephonischer Übersetzung2) ; 5. der Präsident der Versammlung soll in Ansehung seiner Eignung und nicht mit Eücksicht auf seine Staatsangehörigkeit gewählt werden; zur Vereinfachung des Wahlverfahrens wäre ein kleines, höchstens fünfgliedriges Komitee, das aus ehemaligen Präsidenten der Versammlungen bestünde, mit der Auslese von Anwärtern zu betrauen.

Das Bureau erkannte die vom besondern Komitee geleistete Arbeit an, glaubte aber doch nicht, sich alle seine Vorschläge zu eigen machen zu können.

Es war damit einverstanden, dass die Versammlung am zweiten Montag im September eröffnet werde, schlug aber vor, dass die Eröffnung auf den ersten Montag verlegt werde, falls der zweite Montag später als auf den 10. September fiele. Andererseits bekämpfte das Bureau die Anregung, die Eröffnungsrede des Eatspräsidenten abzuschaffen; es widersetzte sich gleichfalls jeder Änderung im gegenwärtigen Verfahren zur Wahl des Versammlungspräsidenten; indessen wurde auch von ihm betont, dass der Präsident vor allem auf Grund seiner «persönlichen Eignung» gewählt werden müsse. Im übrigen stimmte das Bureau, abgesehen von geringfügigen Einzelheiten, die übergangen werden können, den Ansichten des besondern Komitees zu. Das Bureau erachtete die Tätigkeit des Komitees für so erspriesslich, dass es die Versammlung bat, dieses beizubehalten.

.Die Versammlung genehmigte alle Anträge des Bureaus, darunter namentlich auch den neuen Grundsatz über den Zeitpunkt der Einberufung künftiger Versammlungen3).

1

) Man hatte diesen Entschluss nicht zu bereuen.

) Eine gewisse Anzahl von Tischen waren in der Versammlung mit Vorrichtungen für Simultanübersetzungen versehen worden. Jeder Delegierte erhielt Gelegenheit, die Anlage, die auf Kosten des Herrn Edmond A. Filene* von Boston, eingerichtet worden war, zu erproben. Die Vorrichtung bewährte sich verhältnismässig gut. Die Versammlung dankte Herrn Filene für seine Freigebigkeit. Die Versuche sollen nächstes Jahr auf breiterer Grundlage wiederholt werden.

3 ) Vgl. den Wortlaut der Resolution in der Beilage, S. 232.

z

112

V. Die Tätigkeit der Kommissionen 1).

A. Rechtliche Fragen.

Die erste Kommission hatte zur Hauptsache folgende Prägen zu behandeln : 1. Organisation des Ständigen Internationalen Gerichtshofs; 2. Anpassung des Völkerbundsvertrags an den Pariser Pakt ; 3. Batifizierung und Unterzeichnung der unter den Auspizien des Völkerhundes geschlossenen internationalen Abkommen ; 4. Fortschreitende Kodifizierung des Völkerrechts: 5. Zuständigkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zur Nachprüfung von Schiedssprüchen; 6. Erhöhung der Zahl der Vizepräsidenten der Versammlung.

1. Organisation des Ständigen Internationalen Gerichtshofs. Bekanntlich hatte die vorhergehende Versammlung am 14, September 1929 ein Protokoll betreffend die Revision des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs angenommen und den Staaten zur Unterschrift vorgelegt 2). Nach der Ziffer 4 des Protokolls sollte dieses, unter der Voraussetzung, dass alle am Protokolle vom 16. Dezember 1920 beteiligten Staaten es bis zu diesem Datum ratifizierten oder dass diejenigen, deren Ratifikationsurkunde noch nicht hinterlegt worden wäre, «gegen das Inkrafttreten des abgeänderten Statuts» keine Einwendungen erhöben, am 1. September 1930 in Kraft treten. Diese Bedingung war leider am 1. September noch nicht erfüllt, nicht einmal am 30. September, gegen Ende der Versammlung, wiewohl vierunddreissigStaaten 3)) das Protokoll ratifiziert und fünf weitere *) erklärt hatten, dass sie gegen das Inkrafttreten der Abänderungen nichts einzuwenden hätten. Denn sechzehn Staaten hatten nicht ratifiziert oder hatten erklärt, dazu nicht imstande z s e i n 5).). Man hätte 1 ) Die Schweiz war in den sechs Kommissionen der Versammlung folgendermassen vertreten : I. Kommission : Herr Schüpbach (Stellvertreter : Herr Motta) II.

» » Keller ( » » Péquignot) III.

» » Gorgé ( » » Dollfus) IV.

» » Rappard ( » » Gorgé) V.

» » Dollfus ( » » Sehüpbach) VI.

» » Motta ( » » Rappard) a ) Dieses Protokoll ist den eidgenössischen Bäten mit Botschaft vom 27. Dezember 1929 zur Genehmigung unterbreitet worden; der Bundesrat hat es am 27, Juni 1930 ratifiziert.

3 ) Albanien, Australien, Belgien, China, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Griechenland, Grossbritannien, Haiti, Indien, Freistaat Irland, Japan, Jugoslawien, Kanada, Lettland, Liberia, Luxemburg,
Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Persien, Polen, Portugal, Rumänien, Salvador, Schweden, Schweiz, Siam, Spanien, Südafrikanische Union, Ungarn.

') Vereinigte Staaten von Amerika, Italien, Litauen, Panama, Peru.

5 ) Abessinien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Rèpublik, Prankreich, Guatemala, Kolumbien, Kuba, Nikaragua, Paraguay, Tschechoslowakei, Uruguay, Venezuela.

113

trotzdem noch hoffen dürfen, bis zum Schlüsse der Versammlung von den Staaten, die nicht ratifiziert hatten, eine .Erklärung zu erhalten, wonach sie keine Einwendungen gegen das Inkrafttreten des Protokolls vom 14. September 1929 erhöben, wenn nicht drei Länder, die Dominikanische Republik, Guatemala und namentlich Kuba, sich gegen die Abänderungen erklärt hätten; so aber musste man sich schliesslich damit abfinden, dass das neue Protokoll nicht in Kraft trat.

Ißt unter diesen Umständen das Eevisionsprotokoll von 1929 inskünftig als nichtbestehend zu betrachten? Die allgemeinen Wahlen für den Ständigen Internationalen Gerichtshof mussten jedenfalls unter der Herrschaft des geltenden Protokolls vor sich gehen. Sollte man dagegen nicht annehmen, dass das revidierte Statut ohne weiteres anwendbar sei, sobald alle beteiligten Staaten es ratifiziert haben werden? Die Frage war strittig. Nach einer Erörterung, die drei Sitzungen beanspruchte und an der sich zahlreiche Delegierte beteiligten, kam die Kommission aber doch zu dem Schlüsse, dass kein Grund vorliege, das Protokoll als dahingefallen zu betrachten, wiewohl es bis zum 1. September die nötigen Eatifikationen nicht auf sich vereinigt hatte. Vernünftigerweise muse man annehmen, dass das Protokoll in Kraft treten werde, sobald die erforderlichen Eatifikationen erreicht sind. Die Koimnissionbekanntesich zu dieser Auffassung, und da zu hoffen ist, dass die letztjährigen Bemühungen zur Verbesserung der bestehenden Ordnung nicht vergeblich bleiben, gab sie dem Wunsche Ausdruck, dass die Staaten, die das Protokoll vom 14. September 1929 noch nicht ratifiziert haben, ihre Eatifikationsurkunden baldigst hinterlegen möchten.

Andererseits war die Kommission im Einvernehmen mit dem Eat, der diesbezüglich ein Juristenkomitee befragt hatte, der Auffassung, dasa man sich vorderhand bemühen müsse, wenn möglich durch andere Mittel den Hauptnachteilen der gegenwärtigen Eegelung (zu häufige Beiziehung von Ersatzrichtern, die nicht den nämlichen Unvereinbarkeitsbestimmungen unterstehen wie die ordentlichen Bichter, fehlende Permanenz der Gerichtstätigkeit, zu unbeständige Grundlagen für die Besoldungen der Eichter) beizukommen.

Um eine grössere Stetigkeit in der Zusammensetzung des Gerichtshofes zu erzielen, hatte bekanntlich der Bevisionsentwurf des Statuts von
Ersatzrichtern abgesehen und die Zahl der ordentlichen Eichter von elf auf fünfzehn erhöht, gleichzeitig aber das Quorum für die Plenarsitzungen des Gerichtshofes auf elf belassen. Die Kommission glaubte, dass man zum gleichen Ergebnisse gelange, wenn man dio vier Ersatzrichter beibehalte, auf Grund von Artikel S des Statuts die Zahl der ordentlichen Eichter aber von elf auf fünfzehn erhöhe.

Denn der Gerichtshof musste nicht notwendigerweise mit fünfzehn Eichtern auf der Eichterbank tagen, da er auch nach dem gegenwärtigen Recht auf Grund der ihm zur Eegelung der Urlaube zustehenden Verordnungsbefugnis stets einige Eichter von der Gerichtssitzung befreien kann, so dass die Eichterbank nie mehr als elf Eichter zählen würde, um im einzelnen Falle Eecht zu sprechen.

Die Kommission schlug demgemass vor, inskünftig fünfzehn statt elf Eichter zu ernennen. Gleichzeitig beantragte sie, der Gerichtshof solle prüfen, ob er nicht

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im Verordnungswege die nötigen Vorschriften erlassen könne, um die ständige Anwesenheit von elf Eichtern auf der Bichterbank sicherzustellen und «durch die Verbindung des Beginns der jährlichen Tagung mit der Einteilung des Jahresurlaubs der Bichter» die Permanenz der Tagungen herbeizuführen.

Die Permanenz der Gerichtstätigkeit musste nach Ansicht der Kommission notwendigerweise auch zu einer Änderung der Gehaltsansätze der Eichter führen. Deshalb beantragte die Kommission, mit Wirkung vom 1. Januar 1931 an den Mitgliedern des Gerichtshofes folgende Gehälter und Zulagen zuzuerkennen : holländische Präsident: Gulden Jahresbesoldung 85,000 Sonderzulage 25,000 Vizepräsident: Jahresbesoldung 85,000 Taggeld von 50 Gulden für jeden Amtstag als Eichter, bis zum Betrage von 10,000 Taggeld von 50 Gulden für jeden Amtstag als Präsident, bis zum Betrage von 10,000 Ordentliche Eichter: Jahresbesoldung 85,000 Taggeld von 50 Gulden für jeden Amtstag, bis zum Betragevon 10,000 Ersatzrichter und nationale Eichter: Taggeld von 150 Gulden für jeden Amtstag, bis zum Betrage von 30,000 Die Taggelder berechnen sich vom Tage der Abreise bis zum Tage der Bückkehr des Berechtigten.

Die Zulagen, Taggelder und Besoldungen sind gänzlich steuerfrei.

Schliesslich beantragte die Kominission auch noch, das Eeglement von 1924 über die Ausrichtung von Pensionen an die ordentlichen Eichter und an den Gerichtsschreiber in einigen Punkten abzuändern. Das neue Eeglement stimmt sachlich überein mit dem von der Versammlung im Jahre 1929 aufgestellten, das gleichzeitig mit dem revidierten Statut hätte in Kraft treten sollen. Der einzige Unterschied, den es gegenüber dem Entwurfe von 1929 aufweist, ist darauf zurückzuführen, dass die Ersatzricbter in der gegenwärtigen Ordnung beibehalten werden, weshalb eine Fassung angezeigt war, die diese Ersatzrichter von der Pensionierung ausschloss.

· Die fünf von der Kommission vorgeschlagenen Eesolutionen wurden von der Versammlung ohne Diskussion genehmigt x).

*) Vgl. den Wortlaut der Resolutionen in der Beilage, S. 180.

115 2. Anpassung des Völkerbundsvertrages an den Pariser Pakt. Dieses Noblem, an das die zehnte Völkerbundsversammlung im vergangenen Jahre herangetreten war, hatte damals nicht einer sofortigen Lösung zugeführt werden können; in unserem letzten Bericht haben wir kurz auf die ihm innewohnenden Schwierigkeiten hingewiesen. Um diese mit leichterer Mühe überwinden zu können, hatte die Versammlung den Bat aufgefordert, zur Prüfung der Frage ein Komitee von elf Mitgliedern zu bestellen, wobei sie für wünschenswert erklärt hatte, «dass der Vertrag den Völker bundsmitgh'edern dag Eecht nicht mehr zugestände, in den Fällen zum Kriege zu schreiten, wo auf dieses Eecht auf Grund der Bestimmungen des Pariser Paktes verzichtet worden ist».

Dieses Komitee, das in Genf tagte, nahm Kenntnis von den Bemerkungen, die eine Eeihe von Eegierungen angebracht hatten, und untersuchte, welche Abänderungen im Völkerbundsvertrage zu treffen wären, um diesen dem Pariser Pakt anzupassen. Es hielt sich dabei nicht an den letztjährigen britischen Abänderungsentwurf, der zur Hauptsache darin bestand, den Krieg auszumerzen, wo ihn der Völkerbundsvertrag noch vorsah, sondern empfahl durchwegs neue Lösungen. Es erreichte zwar keine Einstimmigkeit in der Frage des Vorgehens, aber iin Bericht an den Eat war die Mehrheit bemüht, durch die Begründung ihrer Schlussfolgerungen die Zweifel und Bedenken der Minderheit aus dem Felde zu schlagen.

Der Bericht beantragte, die Einleitung zum Völkerbundsvertrage, die Artikel 12, Absatz l, Artikel 18, Absatz 4, und Artikel 15, Absatz 6 und 7, zu ändern sowie im Artikel 15 einen Absatz !Vla einzufügen; dagegen verwarf es alle Änderungen, die zu andern Artikeln, namentlich zu Artikel 10 und 16 vorgeschlagen worden waren.

In Anbetracht der besondern Bedeutung dieser Frage geben wir hier den Wortlaut der vom Komitee beantragten Abänderungen wieder.

Abänderungen des Völkerbundsvertrages.

Gegenwärtiger Wortlaut.

Abänderungsvorschläge des Elferkomitees.

Einleitung.

In der Erwägung, dass es zur Förderung der gemeinsamen Arbeit unter den Völkern und zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit unter ihnen geboten ist, gewisse Verpflichtungen einzugehen, nicht zum Kriege zu schreiten...

Einleitung.

In der Erwägung, dass es zur Förderung der gemeinsamen Arbeit unter den Völkern und zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit unter ihnen geboten ist, die Verpflichtung einzugehen, nicht zum Kriege zu schreiten...

Artikel 12, Absatz l, Alle Mitglieder des Völkerbundes kommen darin überein, dass, wenn

Artikel 12, Absatz 1.

Alle Mitglieder des Völkerbundes kommen darin überein, dass, wenn

116 sich zwischen ihnen eine Streitfrage erbeben sollte, die zu einem Bruche führen könnte, sie diese sei es dem schiedsgerichtlichen Verfahren oder dem Gerichtsverfahren, sei es der Prüfung durch den Bat des Völkerbundes unterbreiten werden. Sie kommen ferner überein, in keinem Falle vor Ablauf einer Frist von drei Monaten nach der Entscheidung des Schiedsgerichts oder des Gerichts oder nach dem Bericht des Eates zum Kriege zu schreiten.

sich zwischen ihnen eine Streitfrage erheben sollte, die zu einem Bruche führen könnte, sie zu deren Beilegung nur friedliche Mittel anwenden werden.

Dauert die Unstimmigkeit an, so ist der Streitfall entweder dem schiedsgerichtlichen Verfahren oder dem Gerichtsverfahren oder aber der Prüfung durch den Eat zu unterbreiten.

Die Mitglieder des Völkerbundes kommen überein, zur Lösung der Streitfrage in keinem Falle zum Kriege «u schreiten.

Artikel 13, Absatz 4.

Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten sich, die ergangenen Entscheidungen nach Treu und Glauben auszuführen und gegen kein Mitglied des Völkerbundes, das einer Entscheidung nachkommt, kriegerische Massnahmen zu ergreifen. Im Falle der Nichtausführung der Entscheidung schlägt der Eat die Massnahmen vor, die deren Vollzug sichern sollen.

Artikel 13, Absatz 4.

Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten sich, die ergangenen Entscheidungen nach Treu und Glauben auszuführen und gegen kein Mitglied des Völkerbundes, das einer Entscheidung nachkommt, vorzugehen.

Im Falle der Nichtausführung der Entscheidung schlägt der Eat die Massnahmen irgendwelcher Art vor, die deren Vollziehung sichern sollen, wobei die Stimmen der Vertreter dei' Parteien nicht gezählt werden.

Artikel 15, Absatz 6.

Wenn der Bericht des Eates einstimmig angenommen wurde -- wobei die Stimmen der Vertreter der Parteien nicht gezählt werden --, verpflichten sich die Mitglieder des Völkerbundes, gegenüber keiner Partei, welche sich den im Bericht niedergelegten Anträgen fügt, kriegerische Massnahmen zur Anwendung zu bringen.

Artikel 15, Absatz 6.

Wenn der Bericht des Eates einstimmig angenommen wurde -- wobei die Stimmen der Vertreter der Parteien nicht gezählt werden --, kommen die Mitglieder des Völkerbundes überein, sich den im Berichte niedergelegten Anträgen zu fügen. Im Falle der Nichtausfübrung der Empfehlung schlägt der Eat die Massnahmen vor.

die geeignet sind, den Vollzug der Empfehlung zu sichern.

Artikel 15, Absatz 7.

In dem Falle, dass es dem Eate nicht gelingt, seinen Bericht bei allen denjenigen seiner Mitglieder, die nicht

ArtiM 15, Absatz 7.

Gelingt es dem Eato nicht, seinen Bericht bei allen denjenigen seiner Mitglieder, die nicht Partei sind, zur

117 Partei sind, zur Annahme zu bringen, behalten sich die Mitglieder des Völkerbundes das Recht vor, zur Behauptung des Rechts und zur Wahrung der Gerechtigkeit die ihnen geeignet scheinenden Schritte zu tun.

Annahme zu bringen, so prüft "er, welches Vorgehen dem Falle angemessen ist, und empfiehlt es den Parteien.

Artikel 15, Absatz 7öi* (neu).

In jedem beliebigen Zeitpunkt des Prüfungsverfahrens kann der Eat entweder auf Begehren einer der Parteien oder von sich aus über die auf den Streit bezüglichen Rechtsfragen vom Ständigen Internationalen Gerichtshof ein Gutachten einverlangen. Dieses Gutachten kann einverlangt werden, ohne dass es dazu eines einstimmigen Beschlusses des Rats bedürfte.

Artikel 16.

L Sofern ein Glied des Völkerbundes in Missachtung der Verpflichtungen aus Artikel 12, 18 und 15 zum Kriege schreitet, soll es ohne weiteres so angesehen werden, als hätte es eine Kriegshandlung gegen alle andern Mitglieder des Bundes begangen...

Artikel 16.

(Kein Abänderungsvorschlag.)

Der Bericht und die Schlussfolgerungen des Juristenkomitees gaben im Schosse der ersten Kommission zu einer wichtigen Erörterung Anlass, in der nicht weniger als vierundzwanzig Delegationen Stellung bezogen. Dass es angezeigt wäre, den Völkerbundsvertrag mit dem Pariser Pakt in Einklang /u bringen, wurde von den Mitgliedern der Kommission neuerdings nahezu einhellig bestätigt. Einzig Japan hegte noch Zweifel in Anbetracht der grossen Schwierigkeiten, die sich seiner Ansicht nach der Übertragung der Grundsätze aus einer Friedensordnung ohne Sanktionen in eine solche mit Sanktionen entgegenstellen werden. Nach der Ablehnung dieaes Einwandes wandte sich die Erörterung der Frage zu, wie vorzugehen und namentlich in welchem Umfange die geplante Reform durchzuführen sei. Man war allgemein der Ansicht, dass es mit einer blossen Eintragung der Grundsätze des Pariser Paktes in den Völkerbundsvertrag nicht getan wäre. Es wurde auch anerkannt, dass man sich nicht -- vorgeblich um die beiden Pakte miteinander in Übereinstimmung zu

118 bringen -- darauf beschränken könne, im Wortlaut der Völkerbundssatzung einfach jede Möglichkeit, Krieg zu führen, auszumerzen.

Der Krieg erscheint im Völkerbundsvertrag zuweilen als ein Mittel, einen Streitfall zu regeln; er ist, wie bemerkt worden ist, ein schlechtes Mittel, aber doch immerhin ein Mittel, ein Druckmittel, das gegen einen unnachgiebigen Staat zur Anwendung gelangen kann. Man denke z. B. an den Fall, dass ein Staat sich entschlösse, gemäss Artikel 13 des Völkerbundsvertrages zum Kriege zu schreiten, um von einem bösgläubigen Staat die Ausführung eines Schiedsspruches zu erlangen. Ein solcher Krieg ist nach dem Pariser Pakt inskünftig verboten ; man war aber der Auffassung, dassesnichtangängigwäre, dieses Verbot in die Genfer Satzung aufzunehmen, ohne dem Staat, zu dessen Gunsten in geregeltem Verfahren ein Schiedsspruch ergangen ist, andere Waffen oder Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um seinen Gegner zu besserer Einsicht ?u bringen. Es genügt nicht, dass man den Krieg abschafft; es müssen auch die Mittel vorgesehen werden, um dem guten Eecht zum Siege zu verhelfen. In diesem Geiste hatte das Juristenkomitee seine Abänderungen zum Völkerbundsvertrage ausgearbeitet.

Die Kommission schloss sich im grossen und ganzen dieser Anschauung an.

Sie betonte dabei, dass es notwendig sei, innerhalb der Schranken des vom Grundsatz obligatorischer Gerichtsbarkeit erreichten Entwicklungsgrades die friedlichen Verfahren auszubauen, die der Beilegung von Streitigkeiten dienen sollen, welche nach der gegenwärtigen Ordnung im Völkerbundsvertrage kriegerische Massnahmen noch als zulässig erscheinen lassen. Eine gewisse Schwierigkeit bot die Wahl der Mittel zur friedlichen Beilegung, die Gestaltung dieser Mittel und der Umfang, in dem sie zur Anwendung gelangen könnten, sowie die Frage, welche Befugnisse dem Bat in diesem Zusammenhang einzuräumen wären. So erhoben einzelne Delegationen Einspruch gegen den Vorschlag des Juristenkomitees, in gewisser Beziehung den einstimmigen Bericht des Rates (Art. 15, Abs. 6) einem Scbiedsr oder Eichterspruch gleichzusetzen. Sie machten geltend, dass der Bat in seinen Handlungen und Beschlüssen nicht mehr über die für ein ausgesprochen politisches Organ erforderliche Freiheit verfügen würde, wenn seinen Empfehlungen der Wert und die Tragweite eines
Schiedsurteils verliehen würde. Es sei ihrer Meinung nach mit schwerwiegenden Nachteilen, ja sogar mit gewissen Gefahren verbunden, wenn er als Schiedsrichter auftrete und nicht mehr als Vermittler. Andere Delegierte, namentlich der polnische Vertreter1), wandten sich gegen die Anregung, am Verfahren zur Einholung von Gutachten irgendetwas zu ändern und, wie vom Juristenkomitee beantragt worden war, den Bat gegebenenfalls zu ermächtigen, in jedem beliebigen Stadium des Prüfungsverfahrens mit einfacher Stimmenmehrheit über die auf den Streit bezüglichen Bechtsfragen vom Ständigen Internationalen Gerichtshof ein Gutachten einzuverlangen. Der rumänische Delegierte. Herr 1 ) Herr Zalesld, erster polnischer Delegierter, brachte diese Einwände sogar in der Versammlung vor.

119 Mironesco, machte seinerseits geltend, dass die Frage in politischer Beziehung noch nicht genügend abgeklärt sei. Er fragte sich 2. B., welches das Schicksal der Vorbehalte wäre, die die Unterzeichner des Kellogg-Paktes an diesen geknüpft haben. Werden diese Vorbehalte auch nach den Abänderungen, die man am Völkerbundsvertrag anzubringen gedenkt, aufrechterhalten bleiben?

Das waren übrigens nicht die einzigen Fragen, die sich der Kommission aufdrängten. Es gab deren noch andere, ebenso schwierige und heikle. In einem Punkte zeigte sich sogar bald genug, dass die Stellungen bezogen waren und dass es dieser Versammlung nicht mehr gelingen werde, einen Text, der allgemeine Zustimmung fände, Z.UT Abstimmung zu bringen. Wir meinen die Frage der Sanktionen; sie war am stärksten umstritten. Gewisse Delegationen waren der Auffassung, dass es nicht angängig wäre, die Grundsätze des Pariser Paktes, dem Sanktionen fremd sind, in den Völkerbundsvertrag zu übertragen und sie mit Sanktionen zu versehen. Bloss dem in den Artikeln 12, 18 und 15 der gegenwärtigen Völkerbundssatzung enthaltenen Kriegsverbote sollten ihrer Meinung nach obligatorische Sanktionen zukommen. Man überschreite die Grenzen einer eigentlichen Anpassung, -- und ihrer Auffassung nach hätte das Juristenkomitee das getan --, wenn man die Verletzung von Normen, die nach der Ansicht der Begründer des Vertrages über den Verzicht auf den Krieg kerne bestimmten Sanktionen oder doch bloss Sanktionen moralischer Natur nach sich ziehen sollte, dem Artikel 16 des Völkerbundsvertrages unterstelle. Mit der Erweiterung des Anwendungsgebietes der Sanktionen vermehre man auch die den Mitgliedern des Völkerbundes obliegenden Pflichten.

Man begnüge sich also nicht mehr damit, die beiden Pakte miteinander in Einklang zu bringen und bloss die mit dem einen Pakt übernommenen Pf höhten den Pflichten aus dem andern beizufügen, ohne dass daraus rechtlich den Staaten vermehrte Verbindlichkeiten erwüchsen; man verlange von den Staaten, dass sie neue Verantwortungen übernähmen, um den Völkerbundsvertrag zu einem vollständigeren und wirksameren Mittel der Verhütung oder Unterdrückung unreohtmässiger Kriege zu machen.

Dieser Einwand war schon im Schosse des Juristenkomitees selber erhoben worden. Das Komitee hatte darauf erwidert, dass es unter allen Umständen
verboten sei, zum Kriege zu schreiten, und dass dieses allgemeingültige Verbot eine genau umschriebene Pflicht bilde, für deren Erfüllung gesorgt werden müsse.

Die meisten Delegationen, namentlich die belgische, die britische und die französische, vertraten nachdrücklich den Standpunkt des Juristenkomitees.

Es gelang ihnen jedoch nicht, die norwegische und die schwedische Delegation zu überzeugen, die beide einer Ausdehnung der Sanktionen abgeneigt waren.

Der schwedische Delegierte, Herr Unden, und der Delegierte Norwegens, Herr Eaestad, erklärten, aus zwei Gründen Gegner einer Vermehrung der Sanktionen zu sein: Einmal weil auf dem Gebiete des Friedens Sanktionen und Abrüstung nur zwei Seiten der nämlichen Ordnung seien und es daher nicht angehe, die Sanktionen zu vormehren, solange man nicht einen Abrüstungsgrad erreicht habe, der die Kriegsgefahren verringere und dementsprechend

120 auch die Wahrscheinlichkeit, zu Sanktionen schreiten zu müssen; sodann aber auch, weil man sich mit der Verpflichtung zu Sanktionen auch für den Fall, dass es dem Bat nicht gelingen sollte, einen einstimmigen Beschluss (Art. 15, Abs. 7) zu fassen, ernstlichen Schwierigkeiten aussetze, sobald diese Sanktionen angewendet werden müssten.

Nach einem längern Meinungsaustausch, in dem sich mehrere Redner vergeblich bemühten, die Einwendungen der beiden skandinavischen Länder zu entkräften, setzte die Kommission, die in einer Frage von dieser Bedeutung ihre Arbeit nicht mit einem Misserfolg abschliessen wollte, einen Unterausschuss ein, damit er die Lage erneut prüfe und womöglich die Auffassung der Minderheit mit derjenigen der Mehrheit in Einklang bringe. Der Versuch verlief insofern ergebnislos, als zwischen Anhängern und Gegnern vermehrter Sanktionen eine Grundlage zur Verständigung nicht gefunden werden konnte. Dagegen führten die Untersuchungen des Unterausschusses, die nicht weniger als sieben Sitzungen beanspruchten, zu neuen Entwürfen für die Abänderung der Artikel 12, 13 und 15 des Völkerbundsvertrages; sie trugen den von verschiedenen Delegationen zu den Schlussfolgerungen des Juristenkomitees vorgebrachten Bemerkungen Eechnung. Die Vorschläge des Juristenkomitees wurden nachgeprüft und verbessert ; sie erf uhren sogar ziemlich wichtige Umgestaltungen. Man beschloss, diese neuen Abänderungen, deren Wortlaut hier folgt, den Regierungen zu übermitteln «und sie aufzufordern, ihre Bemerkungen vor dein 1. Juni 1981 einzureichen, sowie gegebenenfalls mitzuteilen, welche Abänderungen des Vertrages ihnen zur Erreichung des angestrebten Zieles besonders geeignet scheinen».

Abänderung des Völkerbundsvertrages.

Vom Unterausschuss aufgestauter Text Einleitung.

In der Erwägung, dass es zur Förderung der gemeinsamen Arbeit unter den Völkern und zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit unter ihnen geboten ist, die Verpflichtung einzugehen, nicht zum Kriege zu schreiten...

Artikel 12, Absatz l und 2.

1. Alle Mitglieder des Völkerbundes kommen darin überein, dass. wenn sieh zwischen ihnen eine Streitfrage erheben sollte, die zu einem Bruche führen könnte, sie zu deren Lösung in. keinem Falle zum Kriege schreiten werden und dass sie zu dem genannten Zwecke nur friedliche Mittel anwenden
werden. Sollte der Streitfall nicht geregelt werden können, so wird er entweder dem schiedsgerichtlichen Verfahren oder dem Gerichtsverfahren oder aber der Prüfung durch den Rat unterbreitet.

2. Die Entscheidung des Schiedsgerichts oder des Gerichtshofes muss binnen angemessener Frist ergehen; desgleichen muss der Bericht des Rates binnen angemessener Frist fertiggestellt werden.

121 Artikel 13, Absatz 4.

Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten eich, die Entscheidungen, die in Streitfällen ergehen, an denen sie beteiligt sind, nach Treu und Glauben auszuführen. Sie verpflichten sich ausserdem, den Widerstand eines Staates, der sich einer Entscheidung nicht fügt, nicht zu unterstützen.

Im Falle der Nichtausführung der Entscheidung schlägt der Eat alle wie immer gearteten Massnahmen vor, die deren Vollziehung sichern sollen, wobei die Stimmen der Vertreter der Parteien in der Abstimmung nicht gezählt werden.

Artikel 15, Absatz 6.

Wird der Bericht des Eates einstimmig angenommen -- wobei die Stimmen der Parteien nicht gezählt werden --, so empfiehlt der Eat den Parteien, sich den im Berichte niedergelegten Anträgen zu fügen. Die Mitglieder des Völkerbundes verpflichten sich, den Widerstand der Parteien, die sich den Anträgen nicht fügen wollen, nicht /u unterstützen.

Artikel 15, Absatz 7.

Gelingt es dem Eat nicht, seinen Bericht bei allen denjenigen seiner Mitglieder, die nicht Partei sind, zur Annahme zu bringen, so prüft er, welches Vorgehen den Umständen angemessen ist, und empfiehlt es den Parteien.

Artikel 15, Absatz 7bla.

(Fällt weg.)

Artikel 16, Absatz l, erster Satz.

l. Sofern ein Mitglied in Missachtung der Verpflichtungen aus Artikel 12 zum Kriege schreitet, soll es ohne weiteres so angesehen werden, als hätte es eine Kriegshandlung gegen alle andern Mitglieder des Bundes begangen.

Die Versammlung nahm Kenntnis vom Berichte der ersten Kommission, deren Schlussfolgerungen sie guthiess, und verschob die Frage anf das nächste Jahr1).

Die schweizerische Delegation beteiligte sich nicht unmittelbar an den Verhandlungen. Der Bundesrat hatte sich vorbehalten, die Frage noch zu prüfen und Instruktionen zu erteilen; auf Grund der Meinungsverschiedenheiten, die in der Kommission zutage traten, gab sich die Delegation jedoch bald darüber Rechenschaft, dass in der Frage der Angleichung der beiden Pakte die Lösung noch nicht in der elften Versammlung zustande kommen werde.

3. Eatiflzierung nnd Unterzeichnung dei unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen internationalen Abkommen. Bekanntlich hatte die letztjährige Versammlung den Eat gebeten, eine Kommission zu be*) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 189.

122

:

stellen, die «miter Mitwirkung der Dienstabteilungen des Sekretariats die Ursachen für die in dieser Hinsicht gegenwärtig noch feststellbaren Verzögerungen» studieren und Mittel und Wege prüfen sollte, um für die unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen Abkommen «die Zahl der Unterschriften, Batifikationen oder Beitritte zu erhöhen». Diese Kommission war vom Bat in der Januar-Session bestellt -worden1); sie tagte vom 28. April bis 2. Mai in Genf und arbeitete nach auf merksanier Prüfung der Frage einen Bericht aus, der ausser allgemeinen Erwägungen beachtenswerte Bemerkungen und Feststellungen über die Ursachen der verspäteten Ratifikationen, über Vorschläge zur beschleunigten Hinterlegung der Batifikationsurkunden sowie über die Vermehrung der Unterschriften und Beitritte enthielt.

Die Kommission stellte zunächst fest, dass bei näherer Untersuchung der Stand der Batifikationen der unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen Abkommen durchaus nicht entmutigend sei. Sechsundzwanzig von neununddreissig Abkommen, Vereinbarungen und Protokollen sind in Kraft; bis zum April lagen 552 Batifikationen vor und waren 553 Unterschriften gegeben worden. Das will allerdings nicht heissen, dass die Lage befriedigend sei. Eine Besserung ist notwendig.

Als Ursachen der verspäteten Batifizierung bezeichnete die Kommission u. a. die Kompliziertheit der von den Begierungen befolgten Methoden, den Zeitmangel der Parlamente, die Notwendigkeit des Erlasses neuer Landesgesetze für die Annahme gewisser Abkommen, die erst nach der Unterzeichnung auftauchenden Hindernisse und den zwischen gewissen Abkommen bestehenden Zusammenhang. Die Kommission verschloss sich den Schwierigkeiten nicht, die der Beseitigung dieser Ursachen der Verzögerung entgegenstehen, und erinnerte auch an die Massnahmön, die bereits getroff en worden sind, um den geschilderten Unzukömmlichkeiten zu begegnen (jährliche Veröffentlichung des Standes der Batifikationen und Beitritte, halbjährlicher Bericht des Generalsekretärs an den Bat, Schritte des Bates bei den Begierungon, Annahme von vertraglichen Bestimmungen zur Beschleunigung der Batifikationen usw.). Sie wies ferner auf eine Anzahl weiterer Mittel hin, die man sich zunutze machen könnte; so u. a.

a. alljährliche Erkundigung bei den Begierungen über die Ursachen der Verzögerung
ihrer Batifikationen; . b. gründlichere Vorbereitung des Stoffes, der den Gegenstand internationaler Abkommen bilden soll; ç. entweder Anwendung des gemäss Artikel 405, Absatz 5, des Versailler Vertrages für die Empfehlungen und Abkommen der internationalen ArbeitsJ ) Obwohl die Versammlung eine Kommission von sieben Mitgliedern vorgesehen hatte, ernannte der Bat deren acht, «um allen Bestrebungen, die zur Lösung dieses die Mitg]ieder des Völkerbundes in so hohem Masse berührenden Problems beitragen können, in dieser Kommission eine Vertretung zu gewähren». Zu diesen acht Mitgliedern zählte auch ein Schweizer, Herr Nationalrat Schüpbach. Die Kommission wurde von Herrn E. Scavenius (Dänemark) geleitet ; Berichterstatter war der Senator A. François {Belgien).

123 Organisation befolgten Verfahrens auf die allgemeinen Abkommen (Pflicht der Staaten, binnen zwölf oder höchstens achtzehn Monaten die Empfehlung oder den Abkommensentwurf der zuständigen Behörde vorzulegen), oder aber, falls die Staaten dies vorziehen sollten, Verpflichtung, innerhalb einer gewissen Frist dem Generalsekretär des Völkerbundes ihre Absichten bezüglich der nichtratifiziorten Abkommen bekanntzugeben; d. Festsetzung einer nicht zu langen Frist im Abkommen, bis zu deren Ablauf die Eegierungen das Abkommen unterzeichnen können.

Was die Mittel anbelangt, um die Zahl der Unterschriften und Beitritte zu vermehren, so müssen, «damit greifbare Ergebnisse erzielt werden können», nach der Ansicht der Kommission «auch hier die Ursachen festgestellt werden, die einer Beteiligung aller Länder an allen Abkommen entgegenwirken». Aber die Kommission hielt dafür, dass darüber hinaus kaum mehr geschehen könne, als «jede Gelegenheit zu ergreifen, um die Aufmerksamkeit der Begierungen auf die Abkommen hinzulenken, die sie noch nicht angenommen haben, sowie die Vorteile und den Nutzen eines erweiterten Geltungsbereichs nachzuweisen».

Der Bericht der Sachverständigen wurde von der ersten Kommission beifällig aufgenommen. Die meisten Delegierten betonten, dass die Hauptursache für das Ausbleiben der Ratifikationen in der ungenügenden Vorbereitung der internationalen Konferenzen zu suchen sei. Der schweizerische Delegierte, .Herr Schüpbach, wies daraufhin, dass es auch eine Folge «des oft in den Zusammenkünften und Konferenzen des Völkerbundes zutage tretenden ungesunden Bestrebens» sei, «um jeden Preis zu irgendeinem Ergebnisse zu gelangen». Er sieht einen Fehler darin, zuviel unternehmen zu wollen oder Dinge zu unternehmen, die der Zeit zu sehr vorgreifen und sich darum noch nicht verwirklichen lassen. Anderseits legte er Nachdruck darauf, dass den Begierungen schon im Stadium der Konferenzvorbereitungen die Frage zu gründlicher Prüfung vorgelegt werde, ob sich der Gegenstand des künftigen Abkommens tatsächlich zu einer Vereinbarung eigne. Verschiedene Delegierte pflichteten der Auffassung unseres Vertreters vollauf bei.

Die allgemeine Aussprache wurde übrigens durch den Umstand sehr erleichtert, dass zwei Delegationen, die britische und die dänische, einen Kesolutionsentwurf eingereicht hatten,
der zahlreiche Anregungen des Expertenberichts übernahm und das künftige Verfahren zur Durchführung allgemeiner Konferenzen bis ins einzelne regelte. Dieser Besolutionsentwurf, der nach der Äusserung des britischen Delegierten, Herrn Baker, «eigentlich eine Kodifikation des auf alle Konferenzen anwendbaren Verfahrens darstellt», fand in der ersten Kommission sehr gute Aufnahme. Herr Schüpbach sprach in seiner Eigenschaft; als Mitglied des Expertenkomitees den beiden Delegationen Anerkennung und Dank aus «für die glückliche Art, wie sie die Erwägungen und Schlussfolgerungen der Experten der Verwirklichung entgegengeführt haben». Nach der Einzelberatung und Bückweisung an einen Unterausschuss zur letzten Bereinigung wurde der Eesolutionsentwurf von der Kommission und daraufhin auch von der

124 Versammlung einstimmig angenommen. Da der Wortlaut der Résolution in der Beilage1) abgedruckt wird, sehen wir davon ab, näher darauf einzutreten.

Auf Antrag des belgischen Delegierten, Herrn Eolin, beschloss die Kommission und dann auch die Versammlung, das Sekretariat zu ersuchen, die Tabellen über den Stand der Unterzeichnungen, Ratifikationen und Beitritte für die unter den Auspizien des Völkerbundes zustande gekommenen Vereinbarungen und Abkommen dreimal im Jahre zu veröffentlichen. Diese Zusammenstellungen sind für die Juristen der gesamten Welt ein hervorragendes Arbeitsmittel. Herr Eolin schlug ferner vor, dass das Sekretariat nach einer Umfrage bei den Regierungen und andern beteiligten Stellen «die Möglichkeit der Herstellung ähnlicher Tafeln für alle geltenden allgemeinen Abkommen» prüfe2).

4. Fortschreitende Kodifizierung des Völkerrechtes. Die Kommission widmete dieser Frage keine lange Besprechung. Dazu fehlte es ihr an 2eit.

Indessen tauschte man einige Eindrücke über die erste Konferenz zur Kodifizierung des Völkerrechtes aus, die im letzten Frühjahr im Haag getagt hatte. Sie sollte die Fragen der Staatsangehörigkeit, der Küstengewässer und der Verantwortlichkeit der Staaten für Schäden, die Ausländer oder deren Vermögen auf ihrem Gebiet erlitten haben, behandeln3). Man liess zwar da und dort einige Enttäuschung über den sehr bedingten Erfolg durchblicken, der im Haag bei diesem ersten Kodifikatiousversuch erzielt worden war; allerdings herrschte allgemein das Gefühl, dass diese Erfolglosigkeit nicht bloss der nicht über jede Kritik erhabenen Auswahl der Gegenstände für die Tagesordnung der Konferenz, sondern ebensosehr und sogar vorwiegend der ungenügenden Methode zuzuschreiben sei, die bei der Vorbereitung befolgt worden war. Der Haager Konferenz war übrigens dieser Umstand nicht entgangen; denn einer der Wünsche, die sie in ihre Schlussakte aufnahm, zieht auch das Verfahren in Betracht, das bei der Durchführung künftiger Kodifikationskonferenzen zu beobachten sein wird (Bericht des Juristenkomitees, welche Fragen sich zur Kodifizierung eignen ·-- Zustellung dieses Berichts an die Regierungen -- Festsetzung eines «Verzeichnisses der Gegenstände, an deren Studium herangetreten werden soll» durch den Bat nach der Befragung der Regierungen -- Ausarbeitung des Vorentwurfs zu
einem Abkommen «für jede der in Erwägung gezogenen Fragen» -- Übermittlung des Vorentwurfs an die Regierungen zur Prüfung -- Mitteilung ihrer Bemerkungen an alle Regierungen -- Aufnahme der Gegenstände, «denen die überwiegende Mehrheit der zur Teilnahme an der Konferenz aufgeforderten Mächte ausdrücklich zugestimmt hat, in das Arbeitsprogramm der Konferenz»).

Gewisse Delegationen, worunter auch die schweizerische, waren bereit, dem von der Haager Konferenz für die Vorbereitung der künftigen Kodifikationskonferenzen befürworteten Verfahren zuzustimmen. Wie sich der Bundesrat selbst hatte überzeugen können, bot dieses Verfahren dank dem Erfordernis *) Seite 184.

Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 188.

) Der Geschäftsbericht des Bundesrates wird im Abschnitte «Politisches Departement» über die Ergebnisse dieser Konferenz einige Angaben machen.

a ) 3

125 zweimaliger Befragung der Eegierungen alle Gewähr gegen gefährliche Improvisationen. Aber andere Delegierte waren der Auffassung, dass es kaum angezeigt wäre, noch in der Hast der letzten Versaminlungstage eine so wichtige Frage zur Erörterung zu stellen. Es rnuss anerkannt werden, dass dieser Einwand der Berechtigung nicht entbehrte; denn abgesehen von der Frage des Verfahrens für die künftigen Zusammenkünfte im Haag, waren in der Kommission auch noch verschiedene Resolutionsentwürfe zur Kodifikationsfrage eingereicht worden, die man ebenfalls hätte behandeln müssen. Es war insbesondere das Begehren gestellt worden, die Versammlung solle sich zum Begriffe der «Kodifikation» äussern und damit die Meinungsverschiedenheiten beseitigen, die bei den Eegierungen und in der Lehrmeinung über den eigentlichen Zweck der Kodifikation herrschen. Würden dio künftigen Abkommen neues Hecht schaffen oder bloss festsetzen, was bestehendes Recht ist ? Sollte die Kodifikation «reehtsbegründende» oder bloss « recht sbekundende» Wirkung haben ? Zwar hatte die schwedische Delegation an der ersten Haager Kodifikationskonferenz und mit ihr die Konferenz selbst festgestellt; dass «die so schwierige und heikle Aufgabe, zu bestimmen, ob ein Grundsatz vom Völkerrecht schon anerkannt sei, nicht den Regierungen zukommt, sondern der internationalen Rechtsprechung und vor allem dem Ständigen Internationalen Gerichtshof»; aber nach Ansicht Anderer war die Erage nicht erschöpft. Die irische Delegation schlug vor, der Rat solle eine Kommission einsetzen und sie damit betrauen, bis zur nächsten Versammlung die mit dem Kodifikationswerk und namentlich die mit den Empfehlungen der Haager Konferenz über das Verfahren .zusammenhängenden Fragen zu untersuchen; aber es wurde nicht ohne guten Grund dagegen eingewendet, dass es diesem Sonderausschusse schwer sein dürfte, seine Aufgabe richtig zu erfüllen, ohne dass in der Versammlung eine Aussprache vorausgegangen wäre, in der die Regierungen Gelegenheit erhalten hätten, ihrer Ansicht Ausdruck zu geben. Da diese Aussprache, Zeitmangels wegen, nicht stattfinden korinte, beantragte die italienische Delegation schliesslich, die Frage auf nächstes Jahr zu verschieben. Alle Delegationen waren damit einverstanden, und man gelangte ohne grosse Mühe zu einem Resolutionsentwurf, der die Zustimmung
der Kommission und der Versammlung fand. Die angenommene Resolution bestätigt von neuem, dass der Völkerbund die Entwicklung des Völkerrechts mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu fördern hat; sie erklärt, «dass die von der (Haager) Konferenz geäusserten Wünsche höchst wertvolle Anregungen enthalten, .die bei der Untersuchung der Frage, wie das begonnene Werk am besten fortzusetzen wäre, Berücksichtigung verdienen» ; aie verfügt die Verschiebung der Frage auf die nächste Tagung der -Versammlung und «bittet inzwischen den Rat, er möge die Mitglieder des Völkerbundes und die Nichtmitgliedstaaten auffordern, ihm, falls sie es wünschen, ihre Bemerkungen zu den oben erwähnten Anregungen mitzuteilen, damit diese 'Bemerkungen von der Versammlung in Betracht gezogen werden können1)».

*) Vgl. den Wortlaut der Besolution in der Beilage, S. 180.

Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

11

126 5. Zuständigkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofes zur Nachprüfung von Schiedssprüchen. In unserem letztjährigen Bericht haben wir mitgeteilt, dass die Versammlung den Bat ersucht hatte, «prüfen zu lassen, wie die Staaten am besten vorgingen, die willens wären, dem Ständigen. Int ernationalen Gerichtshof in allgemeiner Weise in ihren gegenseitigen Beziehungen die Befugnisse einer Rekursinstanz gegenüber den internationalen Schiedsgerichten hinsichtlich aller Streitigkeiten wegen Unzuständigkeit oder Überschreitung der Befugnisse einzuräumen». Im Januar hatte daher der Rat die Vertreter Deutschlands, Pinnlands, Frankreichs, Italiens und Polens eingeladen, «ihre Rechtsberater aufzufordern, sich als kleines Komitee zu konstituieren und eine vorläufige Prüfung vorzunehmen».

Dieses Komitee tagte daraufhin im Mai und legte dem Hat einen Bericht vor, der in der Folge den Mitgliedern des Völkerbundes mitgeteilt wurde1). Da der Hat diesen Bericht erst am 8. September, also achtundvierzig Stunden vor der Eröffnung der Versammlung genehmigt hatte, hätten sich die verschiedenen Delegationen nicht wohl endgültig zu den Schlussfolgerungen der Sachverständigen äussern können. Übrigens lag keine Gefahr im Verzüge. Jiie erste Kommission erklärte sich daher auf Antrag ihres Vorsitzenden damit einverstanden, die Frage auf die nächste Versammlung zu verschieben2).

6. Erhöhung der Zahl der Vizepräsidenten der Versammlung. Diese Frage, die letztes Jahr vertagt worden war 3), beschäftigte die Kommission gerade so lange, als nötig war, um sie endgültig zu begraben. Der belgische Vertreter erklärte zum vornherein, dass sein Land, das den Antrag auf Erhöhung mitunterzeicb.net hatte, nun der Ansicht sei, «die Erfahrung dieser und der vorhergehenden Versammlung habe gezeigt, dass eine Notwendigkeit, dem Antrag Folge zu geben, nicht bestehe». Die britische Delegation vertrat den nämlichen Standpunkt, und die Delegierten der übrigen Länder, die den Antrag initunterzeichnet hatten, glaubten nicht darauf beharren zu sollen. So wurde er endgültig abgelehnt.

x ) Dieser Bericht, auf den hier nicht näher einzutreten ist, sieht drei Lösungen vor, und zwar in der Form 1. eines «Entwurfs zu einer Empfehlung, die die Aufnahme von Bestimmungen gemass einem vom Komitee mitgeteilten Muster in die Schiedsverträge, Schiedsklauseln
und Schiedsordnungen befürwortet» ; 2. eines «Entwurfs zu einer Resolution, mit der die Staaten und die Mitglieder des Völkerbundes aufgefordert werden, ein der Resolution beigefügtes Protokoll zu unterzeichnen» ; 3. eines «Entwurfs zu einer Resolution, die es dem Staate, der die Gültigkeit eines Schiedsspruchs bestreitet, zur Pflicht macht, sich zum Abschluss einer Schiedsordnung anzuer bieten, welche gemäss gewissen (im Bericht) näher dargelegten Grundsätzen festzusetzen ist und zum Zwecke hat, diesen Streitfall dem Ständigen Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung zu unterbreiten«.

2 ) Vgl. den Wortlaut der Resolution in der Beilage, S. 183.

3 ) Vgl. den letzten Bericht, Bundesbl. 1929, Bd. III, S. 871 und 872.

127

B. Technische Fragen.

Die technischen Fragen fallen in die Zuständigkeit der zweiten Kommission. Sie beziehen sich ani die Tätigkeit der Wirtschafts- und Finanzorganisation, der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr, der Hygieneorganisation und der Organisation für geistige Zusammenarbeit. Die folgenden Zeilen geben hierüber eine kurze Übersicht.

1. Wirtscharts- und Finanzorganisation.

a. W i r t s c h a f t l i c h e Fragen. Die Versammlung hat im Zeichen der in der ganzen Welt herrschenden Krise getagt. In den Debatten über die wirtschaftlichen Fragen hat sich eine gewisse Entmutigung gezeigt und ist eine gewisse Skepsis zutage getreten. Man muss zugeben, dass das Jahr 1930 in der Verwirklichung der von der grossen Wirtschaftskonferenz 1927 aufgestellten Grundsätze keine wesentlichen Fortschritte gebracht hat.

Die Völkerbundsversammlung hat manch ungenügendes Ergebnis zu verzeichnen.

Die Konferenz, die zur Ausarbeitung einer Übereinkunft über die Behandlung der Ausländer zusammengetreten war, verlief resultatlos. Die nach langwierigen Anstrengungen schliesslich ausgearbeitete internationale Übereinkunft zur Abschaffung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen konnte nicht unter allen Ländern, die sie unterzeichnet hatten, in Kraft gesetzt werden.

Auch die Eesolution, welche die zehnte Völkerbundsversammlung gefasst hatte und gestützt auf die als Einleitung späterer Verhandlungen zur Verminderung der Handelshemmnisse ein gemeinsames Vorgehen der Staaten zur Schaffung eines Zollwaffenstillstandes organisiert werden sollte, hat nicht zu dem erhofften Ergebnis geführt. Die am 24. März 1930 in Genf unterzeichnete internationale Handelsübereinkunft hat, obschon sie einen Schritt vorwärts im Sinne der Stabilität des Handelsaustausches bedeutet, keinen wirklichen Zollwaffenstillstand geschaffen. Übrigens ist diese Übereinkunft noch nicht in Kraft getreten.

Wenn die bis anbin verwirklichten Fortschritte sehr bescheiden sind und die Anwendung der an der Konferenz im Jahre 1927 verkündeten Grundsätze auf Hindernisse stösst, so liegt das weniger am schlechten Willen der Eegierungen, als vielmehr am Zwang der Tatsachen. Die mit ihren eigenen innern Schwierigkeiten kämpfenden Staaten glauben sich zu Massnahmen genötigt, welche oft nur ein scheinbares Heilmittel darstellen. Die Versammlung
hat aber wiederum die enge Verbundenheit der modernen Volkswirtschaften betont und besonders auf die Tatsache hingewiesen, dass «eine gemeinsame Aktion» mehr als je nötig und dringend sei. Herr Ständerat Keller, unser Vertreter in der zweiten Kommission, erklärte, dass die Schweiz entschlossen sei, auch in Zukunft die Bestrebungen für eine Verbesserung der Wirtschaftsverhältnisse und für die Erleichterung der internationalen Handelsbeziehungen, zu unterstützen.

128 Die Aussprache über die wirtschaftlichen Fragen im Schosse der zweiten Kommission und in den Plenarsitzungen wurde durch die Annahme einer Eesolutiou abgeschlossen, worin die Versammlung an alle interessierten Staaten die dringende Aufforderung richtet, dafür zu sorgen, dass die am 24. März 1980 in Genf unterzeichnete Handelsübereinkunft in Kraft gesetzt werde. Wir erinnern daran, dass nach dem Wortlaut dieser Übereinkunft die durch Tarifhandelsverträge gebundenen Staaten sich verpflichtet haben, diese Verträge vor dem 1. April 1981 nicht zu kündigen. Was die Staaten anbetrifft, die ihre Tarife auf handelsvertraglichem Wege nicht zu binden pflegen, so haben sich diese verpflichtet, ihre bestehenden Schutzzölle nicht zu vermehren und keine neuen derartigen Schutzzölle einzuführen. Ganz besondere Bedeutung hat die Völkerbundsversanunlung dem Protokoll vom 24. März 1930 betreffend das Programm für die spätem Verhandlungen beigelegt. Sie hat das Wirtschaftskomitee ersucht, auf Grund der Antworten, die von den an der Wirtschaftskonferenz vom Februar-März 1930 vertretenen Staaten eingereicht werden, bestimmte Vorschläge aufzustellen.

Der Bundesrat hat in seiner Antwort besonders betont, dass es nötig sei, durch den Abschluss zwei- oder mehrseitiger internationaler Abmachungen weitern Zollerhöhungen energisch entgegenzutreten und möglichst rasch eine Aktion «um Abbau der Zoll- und andern Handelsschranken einzuleiten. Der Bundesrat ist der Meinung, dass denjenigen europäischen Staaten, die heute noch eine mehr oder weniger liberale Zollpolitik befolgen, und die ihre Zollansätze nicht vertraglich festzulegen pflegen, durch die andern Staaten Garantien für ihren Export gegeben werden könnten und sollten, selbstverständlich unter Übernahme entsprechender Verpflichtungen durch die erstgenannte Staatengruppe. Der Bundesrat wäre bereit, allein oder in Verbindung mit andern Ländern, die Tarifhandelsverträge abzuschliessen pflegen, mit jener erwähnten Staatengruppe in Verhandlungen einzutreten.

Verschiedene Auffassungen ergaben sich über, die Methoden, die es anzuwenden gilt, um die im Protokoll vom 24. März 1980 vorgesehenen Verhandlungen in die Wege zu leiten. Die einen haben die Meinung vertreten, es sollte eine Herabsetzung der Zölle durch eine möglichst zahlreiche Staaten umfassende Übereinkunft erstrebt
werden, die sich nur auf einzelne Warengruppen bezieht, wie beispielsweise die Maschinen und die Textilien. Andere hielten dafür, dass es besser wäre, regionale Abkommen abzuschliessen, die einen ersten Schritt darstellen würden.

Die acht Staaten (Bulgarien, Estland, Jugoslawien, Lettland, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei und Ungarn), welche an der Agrarkonferenz von Warschau teilnahmen, verlangten, dass die Wirtschafts- und FinanzOrganisation des Völkerbundes die folgenden Fragen prüfe; 1. Wie könnte angesichts der grossen Schwierigkeiten, die die Überproduktion, namentlich an Getreide, in den Agrarländern verursacht und hauptsächlich angesichts der dadurch bewirkten katastrophalen Preissenkung den

129 landwirtschaftlichen Produzenten in sofort ·wirksamer Weise ein angemessenes Entgelt gesichert werden ? Wäre es möglich, diese Lösung in einer Zusammenarbeit der Agrarstaaten Europas mit den überseeischen Agrarstaaten zu finden ?

2. Hält man angesichts der schädlichen Folgen der direkten und indirekten Ausfuhrprämien für landwirtschaftliche Produkte, die verschiedene Staaten gewähren, nicht den Zeitpunkt für gekommen, um dieses Problem zwecks Abschlusses einer internationalen Übereinkunft über die Aufhebung dieser Prämien zu prüfen ?

3. Wäre es angesichts der .Schwierigkeiten, welchen der Viehhandel infolge von administrativen und veterinärpolizeihchen Massnahmen begegnet, nicht zweckmässig, Massnahmen zu ergreifen, um die Arbeiten des Spezialkomitees von Veterinärexperten, das dem Wirtschaftsausschuss des Völkerbundes beigegeben ist, zu beschleunigen ?

4. Hält man es mit. Bücksicht darauf, dass sich acht an der Agrarkonferenz in Warschau beteiligte Staaten dahin ausgesprochen haben, es sollten für Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte europäischen Ursprungs durch die europäischen Einfuhrländer Vorzugszölle eingeräumt werden, nicht für zweckmässig, diese Lösung zu prüfen, um den Boden für die anfangs nächsten Jahres in Genf zusammentretende Konferenz für eine gemeinsame Wirtschaftsaktion vorzubereiten ?

Diese verschiedenen Fragen, hauptsächlich das schwierige und heikle Problem der verlangten Vorzugszölle für das Getreide aus den osteuropäischen Agrarländern gaben Anlass zu einer längern Aussprache. Die überseeischen Agrarstaaten erhoben Einspruch gegen die Forderungen, die von don europäischen Staaten aufgestellt wurden, welche an der Warschauer Konferenz teilnahmen. Diese letztern entgegneten jedoch, dass die geforderten Vorzugszölle die Ausfuhr der überseeischen Agrarländer nicht beeinträchtigen könnten, da diese die Hauptlieferanten Europas bleiben würden, dessen Produktion ungenügend sei. Die in Frage stehenden Vorzugszölle würden also eine Einschränkung der Meistbegünstigungsklausel darstellen. Diese Einschränkung wäre jedoch bedingt, vorübergehend und auf das Getreide beschränkt.

Die zweite Kommission und die Völkerbundsversammlung nahmen Kenntnis von den Vorschlägen der Staaten, die an der Konferenz von Warschau teilgenommen hatten, und stellten fest, ohne sich materiell
über die Debatte aussprechen zu wollen, dass das Problem in das allgemeine Programm der europäischen Wirtschaftsorganisation und in den Eahmen des Programms der spätem Verhandlungen falle.

Die Frage der Meistbegünstigungsklausel, die ebenfalls in das Programm der spätem Verhandlungen aufgenommen worden war, führte KU einer längeren Erörterung. Die Anwendung dieser Klausel, die von gewissen Staaten in einschränkendem Sinne ausgelegt wird, hat im Wirtschaftsleben ein Gefühl der Unsicherheit hervorgerufen und in bezug auf den Wert internationaler Abkommen, welche auf dieser Klausel beruhen, Misstrauen erweckt. In dieser Beziehung

130 sei nur daran erinnert, dass gewisse Handelsverträge für ein Warenkontingent die Einfuhr entweder zollfrei oder zu ermässigten Zöllen zulassen, dagegen die Zollansätze des gewöhnlichen Tarifs zur Anwendung bringen, wenn die betreffenden Waren dieses Kontingent überschreiten. Der Zusammenhang zwischen diesem Kontingentsystem und dem System der Meistbegünstigungsklausel wirft zahlreiche Streitfragen auf. Die Schweiz hat einen von Dänemark, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Estland, Lettland und Finnland vorgelegten Eesolutioosentwurf mitunterzeichnet, der den Völkerbundsrat ersucht, angesichts der verschiedenen Auslegungs- und Anwendungsmöglichkeit der Meistbegünstigungsklausel zu prüfen, wie die schon seit langem vom Völkerbund in Angriff genommenen Arbeiten zu einer internationalen Eegelung des Meistbegünstigungsproblems beschleunigt werden könnten. Die Versammlung hat den Eat ersucht, das Wirtschaftskomitee zu veranlassen, seine bereits eingeleiteten Arbeiten in dieser Frage unter Hinzuziehung von Sachverständigen der besonders interessierten Länder und unter Berücksichtigung der in den Debatten der zweiten Kommission zum Ausdruck gelangten Auffassungen fortzusetzen. Die Versammlung hat ferner den Eat ersucht, die Frage auf die Tagesordnung einer Wirtschaftskonferenz der. Eegierungen zu setzen, sobald die Vorarbeiten dos Wirtschaftskomitees es erlauben.

Auch die Frage des Dumping in allen seinen Äusserungen wurde gestreift.

Die Versammlung stellte die schweren wirtschaftlichen Folgen des Dumping fest, namentlich wenn dieses sogar durch Massnahmen des Staates begünstigt wird. Sie drückt denn auch den Wunsch aus, es möchte innert kürzester Frist und im Eahmen der im Protokoll vom 24. März 1930 vorgesehenen spätem Verhandlungen die Frage einer gemeinsamen Aktion nicht bloss hinsichtlich des indirekten Protektionismus, sondern auch hinsichtlich des Dumping weiter studiert worden.

Die zweite Kommission hat einen Bericht des Expertenkomitees angehört, das beauftragt war, einen Entwurf für eine einheitliche Zollnomenklatur aufzustellen. Aus diesem Bericht geht hervor, dass das Komitee, das seit mehr als drei Jahren arbeitet, seine Aufgabe beinahe beendet hat. Ende September 1930 blieb noch ein Fünftel der Zollpositionen zu klassieren. Die Aufstellung einer einheitlichen Zollnomenklatur wird
dazu angetan sein, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern zu erleichtern, da die nationalen Nomenklaturen durch die Vermehrung der Unterscheidungen und Unterteilungen innerhalb der einzelnen Zollpositionen äusserst verworren geworden waren.

Eine einfache, leicht verständliche und leicht anwendbare Nomenklatur wird wertvolle Dienste leisten.

In einem. Besolutionsentwurf hatte die französische Delegation verlangt, dass die Völkerbundsversammlung die Einsetzung eines ständigen Vermittlungsund Schiedsorgans empfehle, dem unbeschadet der Kompetenz des Ständigen Internationalen Gerichtshofes alle Streitigkeiten übertragen werden könnten, die zwischen den Staaten über die Auslegung und die Anwendung der zweioder mehrseitigen Handelsverträge entstehen. Die schweizerische Delegation

131 glaubte sich einem derartigen imperativen Text nicht anschliessen zu können.

Das Wirtschaftskomitee untersucht bereits die ganze Frage der Errichtung eines ständigen Vermittlungs- und Schiedsorgans ; es hat schon mehrere Berichterstatter bezeichnet. Auch die schweizerische Delegation war der Auffassung, dass es kaum im Interesse der Bache liege, die Frage zu präjudizieren, und sie hat daher vorgeschlagen; die französische Resolution entsprechend abzuändern.

Die Völkerbundsversammlung hat den Wunsch ausgedrückt, dass sich die Wirtschafts- und Finanzorganisation die Teilnahme der Begierungsvertreter am Werk des Völkerbundes sichere und dass zu diesem Zwecke die Frage der ·womöglich jährlichen Einberufung einer Konferenz von Kegierungsvertretern studiert werde.

Ein Unterkomitee von Veterinärexperten, das unter der Leitung des Wirtschaftsausschusses arbeitet, studiert seit längerer Zeit die internationale Bekämpfung der Tierkrankheiten, die Organisation des Veterinärdienstes und die technische Zusammenarbeit auf internationalem Gebiete. Die Völkerbundsversammlung hat den Wunsch ausgedrückt, es möchten unverzüglich die grossenRichtlinien eines oder mehrerer internationaler Abkommen dieser Art festgelegt werden.

Die internationale Konferenz zur Vereinheitlichung der sogenannten «kontinentalen» Wechselrechtsgesetzgebungen hat zum Abschluss von drei Übereinkünften geführt. Die Völkerbundsversämmlung hat den Wunsch ausgedrückt, es möchten entsprechende Abkommen auch für den Check abgeschlossen werden.

Es scheint, dass der Völkerbund bis anhin den wirtschaftlichen Fragen, die die Landwirtschaft berühren, nicht die gewünschte Aufmerksamkeit zugewandt hat. Die Völkerbundsversämmlung hat die Ergebnisse der durch das Wirtschaftskomitee einberufenen Zusammenkunft der landwirtschaftlichen Experten zur Kenntnis genommen und den Wunsch geäussert, dass diese notwendige Zusammenarbeit fortgesetzt werde.

Die herrschende Weltwirtschaftskrise hat die Völkerbundsversammlung auf Vorschlag der zweiten Kommission veranlasst, die Wirtschafts- und Finanzorganisation des Völkerbundes zu beauftragen, eine Untersuchung über den Verlauf, die Wandlungen und die charakteristischen Merkmale der gegenwärtigen Depression vorzunehmen, die Unterlagen, die in den verschiedenen Ländern hierüber schon bestehen, zu sammeln und zu
vereinigen und nötigenfalls zu ergänzen. Die Völkerbundsversammlung hat ausserdem die Wirtschafts- und Finanzorganisation beauftragt, die Ursachen der Krisen zu studieren, die immer nach einer Periode des Gedeihens sich einstellen. In dieser Studie soll dem Programm und den Untersuchungen, welche die im Januar 1980 in Genf vereinigten landwirtschaftlichen Experten empfohlen haben, sowie den Ergebnissen der Enquete des Internationalen Arbeitsamtes über die Arbeitslosigkeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Die Völkerbundsversammlung hat ausserdem mit Befriedigung festgestellt, dass die internationale Übereinkunft über Wirtschaftsstatistik in Kraft tritt, da sie von einer genügenden Anzahl Staaten ratifiziert worden ist.

132 &. Finanzfragen. Die Finanzfragen geboren zum Tätigkeitsbereich des Finanzkoinitees und der ihm unterstellten Kommissionen und Ausschüsse. Im.

vergangenen Jahr hat das Komitee mehrere Gegenstände behandelt, die an sich eine eingehende Darlegung verdienen würden; wir beschränken uns auf einige Worte, um wenigstens ungefähr anzudeuten, in welcher Bichtung sich die Arbeiten auf finanziellem Gebiete bewegen In Griechenland ist die Ansiedlung der Flüchtlinge sozusagen beendigt, wenigstens was die internationale Seite der Aufgabe anbelangt. Das Finanzkomitee war der Ansicht, dass das autonome Flüchtlingsamt seine Tätigkeit am 81, Dezember 1930 einstellen könne. Der Völkerbund kann sich zurückziehen.

Damit gebt ein äusserst schwieriges, aber auch sehr dankbares Werk des Wiederaufbaus seiner Vollendung entgegen; hat doch der Völkerbund mehr als einer Million Flüchtlinge eine neue Heimstätte geschaffen und gleichzeitig dergriechischen Volkswirtschaft ein kraftvolles Element zu neuem Wohlstand zuge führt. Zweitausend Dörfer sind gebaut worden, iîwei unter den Auspizien des Völkerbundes aufgenommene vVnleihen im Gesamtbetrage von dreizehn Millionen Pfund Sterling wurden in den Dienst des Werkes gestellt.

Was den finanziellen Wiederaufbau Griechenlands anbelangt, so ist das Finanzkomitee mit dem Ergebnis zufrieden. Die meisten Beformen im Staats-: haushält, die im Protokoll mit der griechischen Eegierung im Jahre 1927 vorgesehen waren, sind bereits verwirklicht. Eben läuft die dreijährige Frist ab,, während der die griechische Eegierung alle drei Monate dem Eat einen Bericht über die Lage des Staatshaushalts einzureichen hatte, und das Finanzkornitee hat festgestellt, dass «der Voranschlag Griechenlands im Laufe eines jeden dieser letzten Jahre einen Überschuss aufwies».

In Bulgarien schreitet das Flüchtlingswerk rüstig fort; man nimmt an, dass es Mitte 1931 beendet sein werde. Der vom Knanzkomitee aufgestelltePlan für den finanziellen Wiederaufbau des Landes zeitigt gute Ergebnisse.

Die Lage der National bank hat sich wesentlich gefestigt. Zur Konsolidierungdes finanziellen Wiederaufbaus hat der Eat auf Ersuchen der bulgarischen Eegierung das Finanzkomitee aufgefordert, die Organisation des Genossenschaftswesens in Bulgarien und der Einrichtungen, von denen es unterhalten wird, auf ihre Verbesserung
hin zu untersuchen.

In Estland ist der Finanzbeirat, der im Protokoll von 1926 betreffend die Währungs- und Notenbankreform dieses Landes vorgesehen und vom Völkerbund bezeichnet worden war, nach Ablauf seines Mandats zurückgetreten. Auch hier hat das Werk des Wiederaufbaus zu einem ausgesprochenen Erfolg geführt.

Von der besonderen Delegation des Finanzkomitees, die die Ursachen für die Schwankungen in der Kaufkraft des Goldes zu untersuchen hatte, ist ein erster vorläufiger Bericht eingereicht worden, der die Frage behandelt, «ob das Goldangebot in den nächsten Jahren genügen dürfte, um die voraussichtliche Goldnachfrage zu Währungszwecken zu befriedigen». Die Goldverteilung, die Wirkung der Preisschwankungen auf den Volkswohlstand und die Methoden zur Schätzung der Schwankungen sind einer späteren Prüfung vorbehalten

13» worden. Nach der Verarbeitung eines umfangreichen statistischen Materials ist die Delegation des Finanzkomitees zum Schlüsse gekommen, «dass die ungenügende Versorgung mit neuem Golde zu Währungszwecken in nicht allzuferner Zukunft eine Preissenkung herbeiführen könnte». Ihrer Ansicht nach wird e» möglich soin, den ernsten Gefahren, die ein Goldmangel mit sich bringen müsste, zum mindesten für eine gewisse Zeit zu begegnen; sie behält sich jedoch vor, die Lage und die Abwehrmittel noch des nähern zu prüfen.

Auch von der Tätigkeit seines Steuerausschusges1) war das Finanzkomitee befriedigt. Dieser Ausschuss ist vor etwas mehr als einem Jahr ins Leben gerufen worden, um die Steuerfragen im allgemeinen, vor allem aber die Doppelbesteuerung, zu behandeln. Er bereitet gegenwärtig den Text eines internationalen Abkommens über die Doppelbesteuerung vor ; ferner ist er bemüht, für die Besteuerung der von Gewerbe- oder Handelsunternehmungen mit Betrieben in mehreren Ländern erzielten Gewinne einheitliche Grundsätze aufzustellen.

Endlich hat er den Entwurf zu einem Abkommen über die Besteuerung ausländischer Kraftfahrzeuge ausgearbeitet.

Gemäss dem von der Vorkonferenz für eine gemeinsame Wirtschaftsaktion ausgesprochenen Wunsche, hat das Finänzkomitee die Fragen der Landwirtschaftskredite geprüft. Übrigens wird es sich nun hauptsächlich Untersuchungen dieser Art widmen können, nachdem seine Tätigkeit im Dienste der FinanzSanierungen nahezu beendigt ist. Das Finanzkomitee hat in dieser Hinsicht einen Arbeitsplan entworfen und dem Eate in seinen Grundzügen vorgelegt; dieser Plan umfasst drei Gruppen von Fragen: allgemeine Finanzfragen, Gutachten und Beihilfe für bestimmte Staaten sowie «Streitigkeiten, Schlichtung und schiedsrichterliche Erledigung». Es rechnet namentlich damit, dass zahlreiche Finanzfragen allgemeiner Natur seine Aufmerksamkeit erfordern werden. Ausser der Doppelbesteuerung, der Falschmünzerei und dem Goldproblem, mit denen os sich schon abgegeben hat und die es noch beschäftigen werden, zählt es bereits gewisse andere Fragen, wie die der Konjunkturzyklen, der Kapitalbewegung von Land zu Land usw., zu seinen neuen Aufgaben.

Die zweite Kommission der Versammlung, der Herr Vennersten (Schweden) einen Gesamtbericht über die Tätigkeit des Finanzkomitees vorgelegt hatte, wusste den Wert
der Leistungen auf diesem Gebiete zu schätzen. Auf Antrag der Kommission nahm die Versammlung eine Eesolution an, die dem Werke des Finanzkomitees Anerkennung zollt, den Plan für die künftigen Arbeiten des> Komitees gutheisst und die Aufmerksamkeit der Regierungen auf den vorläufigen Bericht über die Kaufkraft des Goldes hinlenkt2).

2. Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr.

Diese Organisation hat, wie gewohnt, eine rege Tätigkeit entfaltet, auf die wir im einzelnen nicht eintreten können. Wir müssen uns damit begnügen.

x ) 2

Herr Ëlau, Direktor der eidgenössischen Steuerverwaltung, gehört, ihm an.

) Vgl. den Wortlaut der Resolution in der Beilage, S. 195.

134 einige Hauptpunkte aus der Gesamtheit der technischen Arbeiten herauszuheben. Es sei vorausgeschickt, dass seit der letzten Versammlung die Zusammenkünfte und Konferenzen dieser Organisation einander in erfreulichem Ehythmus gefolgt waren: europäische Konferenz über das Zeitungstransportwesen ^ (25. bis 29. November 1929), beratender Fachausschuss (10, bis 15. März 1980), Komitee zur Vereinheitlichung der Transportstatistiken, Sonderausschuss zur Eegelung der Schwierigkeiten, die wegen der Frage der Zuständigkeit der europäischen Donaukoinmission für das maritime Stromgebiet aufgetaucht sind, ständiges Komitee für Strassenverkehr (23. bis 31, Mai), ständiges Komitee für Rechtsfragen (10. bis 14. Juni) und Komitee für die Zusammenarbeit zwischen zivilen Luftfahrtunternehmungen (8. bis 12. Juli), Was den Strassenverkehr anbelangt, so arbeitete das besondere Komitee, zusammen mit dem Steuerkomitee, die oben bereits erwähnte internationale Vereinbarung aus, die für fremde, nur zu kurzem Aufenthalt im Lande -weilende Fahrzeuge die Verkehrsabgaben beseitigen würde. Der endgültige Text des Abkommens soll einer europäischen Konferenz über den Strassenverkehr, die dieses Frühjahr in Genf tagen wird, zur Prüfung vorgelegt werden.

Diese selbe Konferenz -wird auch einen Abkommensentwurf über die Vereinheitlichung der Strassenzeichen sowie einen solchen über die internationale Ordnung der Automobiltransporte zu Handelszwecken zu erörtern haben.

Das ständige Komitee für Rechtsfragen hatte sich mit der Kodifizierung des internationalen Rechts der Verkehrswege und des Durchgangsverkehrs zu befassen. Die Untersuchungen werden fortgesetzt.

Auf dem Gebiete der Binnenschiffahrt ist auf den 17. November eine Konferenz zur Vereinheitlichung des Binnenschiffahrtsrechts nach Genf einberufen worden. Dieser Konferenz war zur Aufgabe gesetzt, gewisse Abkommensentwürfe auszuarbeiten, namentlich über die Staatsangehörigkeit der Binnenschiffe, die Ordnung der Immatrikulation, die Vorzugsrechte, die Schiffsverschreibungen und die Folgen der Zusammenstösse 2).

Für das Seerecht hat der Völkerbundsrat auf Grund einer Einladung der portugiesischen Regierung die Konferenz zur Vereinheitlichung der Seezeichen und der Küstenbeleuchtung nach Lissabon einberufen.

Der beratende Fachausschuss hatte mehrere Fragen des
Eisenbahntransportwesens zu regeln (Eingaben gewisser im Gebiet mehrerer Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie gelegener Eisenbahn.gesellschaften, Ausarbeitimg von Entwürfen zu einer Empfehlung und einem Zusatzprotokoll zum Abkommen über die internationale Ordnung der Eisenbahnen, Entwürfe über Massnahmen zu gegenseitiger Hilfeleistung unter Staaten, um die möglichst rasche Wiederaufnahme des internationalen Verkehrs «bei ernsten, die Verkehrsverbindungen beeinträchtigenden Ereignissen !) Geschäftsbericht für 1929, S. 45.

) Die Schweiz hatte sieh an der Konferenz vertreten lassen.

3

135 allgemeiner Art zu erleichtern» 1). : Sein Komitee zur Vereinheitlichung der Transportstatietiken hat sich besonders mit der Statistik der Bahnbeförderung von Waren sowie mit der Verbesserung der administrativen und technischen Statistiken der Eisenbahnen befasst. Im kommenden Jahre werden wahrscheinlich dem beratenden Fachausschüsse bestimmte Vorschläge gemacht ·werden können. Der Fachausschuss hat ausserdem verschiedene Fragen über ·die Konkurrenz zwischen Wasserstrassen und Eisenbahnen behandelt. Hierüber ist von einem besondern Unterausschuss ein Bericht vorgelegt worden; er wird allfälligen weiteren Untersuchungen des Fachausschusses auf diesem Gebiete ale Grundlage dienen.

Der Fachausschuss hat sich auch mit den für die Tätigkeit des Völkerbundes in Krisenzeiten bedeutsamen Verkehrsverbindungen befasst. Es ist beschlossen worden, ein technisches Komitee für Rundfunk zu bilden, das beauftragt ist, die Bedingungen für die Errichtung der Anlage des Völkerbundes bei der Station in Prangins zu studieren. Ferner hat man die Schaffung eines beratenden Ausschusses für den Betrieb der Bundfunkstation vorgesehen; er soll zuhanden des Generalsekretärs die Massnahmen begutachten, die im Einvernehmen mit der Eadio-Schweiz für den Betrieb der Station in Prangins ;zu treffen sind. Der beratende Fachausschuss hatte sich überdies mit den Erleichterungen für Luftfahrzeuge zu befassen, die in Krisenzeiten für den Völkerbund Transporte ausführen a).

Was die Zusammenarbeit zwischen zivilen Luftfahrtunternehmungen anbelangt, so war das oben erwähnte besondere Komitee3) in seiner ersten Session damit "beschäftigt, ein «genaues Studienprogramm zu entwerfen, um in den künftigen Tagungen zu möglichst zahlreichen praktischen Ergebnissen gelangen zu können. (Studien über die Herstellung der Verbindung unter den verschiedenen mit der Luftschiffahrt sich abgebenden Organisationen, Zulassung ausländischer Unternehmungen, die regelmässige internationale Lufttransporte ausführen, praktische Verbesserung der Betriebsverhältnisse der Fluglinien usw.)».

Die weite Kommission nahm mit Befriedigung von der geleisteten Arbeit Kenntnis. Auf ihren Antrag stimmte die Versammlung einer Besolution zu, wonach sie darauf vertraut, «dass die Mitglieder des Völkerbundes bestrebt sein werden, zur Förderung dieses Werkes beizutragen
und den internationalen Konferenzen, die zwischen der gegenwärtigen und der nächsten Tagung der Versammlung unter den Auspizien der Organisation für den Durchgangsverkehr stattfinden sollen, einen vollen Erfolg zu sichern» 4).

1 ) Diese Frage sowie diejenige der Kalenderreform stehen bereits jetzt auf der Tagesordnung der 1981 stattfindenden vierten allgemeinen Konferenz über die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr, 2 ) Davon wird weiter unten, im Abschnitt über die «Sicherheit und Abrüstung».

S. 146, noch die Rede sein.

3 ) Herr Oberst Isler, Direktor des eidgenössischen Luftamtes, ist in dieses Komitee berufen worden.

4 ) Vgl. die Besolution in der Beilage. S. 190.

136 3. Hygieneorganisation.

Das dieser Organisation zugewiesene Wirkungsfeld ist sehr gross. Wer sieb darüber Rechenschaft geben will, braucht nur den der Versammlung vorgelegten «Jahresbericht der Hygieneorganisation für 1929» flüchtig zu durchgehen. Es wäre im Bahmen der vorliegenden Darstellung nicht wohl möglich,, über die allgemeine Tätigkeit der Organisation und über die Sonderaufgabe ihrer acht Ausschüsse (Ausschuss zur Bekämpfung der Malaria, ständiger: Ausschuss zur Standardisierung der Sera und Heilmittel, Ausschuss zur Krebsbekämpfung, Ausschuss für die Desinfizierung der Schiffe, gemischte Kohlenkommission, Ausschuss zur Erforschung der Lepra, Opiumausschuss und ünterausschuss für soziale Medizin) auch nur eine blosse Übersicht zu geben.

Wir beschränken uns daher auf einige kurze Hinweise auf die besondern Aufgaben, die die Organisation ausserhalb ihrer ständigen Obliegenheiten (epidemiologischer Nachrichtendienst, Statistik des öffentlichen Gesundheitswesens,: pBtasiatiscb.es Bureau in Singapore, Verbindung unter den nationalen Gesundheitsämtern usw.), die ja bekannt sind, durchgeführt hat.

Das letztjährige Wirken der Organisation zeichnet sich besonders durch die unmittelbare Beihilfe an gewisse Länder aus, die einen Gesundheitsdienst zu schaffen oder ihren bereits bestehenden Dienst zu vervollkommnen oder umzugestalten wünschten (Griechenland, China, Bolivien und Bulgarien).

In Griechenland sind wichtige Massnahmen getroffen worden, um den 1929 vom Hygienekomitee mit der Zustimmung der griechischen Eegierung ausgearbeiteten Plan zur Organisation des Sanitätsdienstes des Landes ins Werk zu setzen. Es handelte sich darum, eine zentrale Sanitätsverwaltung mit den nötigen administrativen und technischen Dienstzweigen, eine Schule für das Gesundheitswesen und eine gewisse Anzahl sekundärer Zentren zu schaffen, sowie einen Stab von Sanitätsärzten zur Zuteilung an diese Nebenzentren auszubilden. In Ausführung dieses Planes hat die griechische B.egierung einen Unterstaatssekretär für das Gesundheitswesen ernannt, und das Parlament hat die für die Schaffung neuer technischer Dienstzweige und der Schule für das Gesundheitswesen erforderlichen gesetzgeberischen Anordnungen getroffen. Das Beorganisationswerk ist somit auf guten Wegen.

In China hat das Hygienekomitee auf Verlangen der
Begierung dieses Landes die hygienischen Verhältnisse im Quarantänedienst der Häfen untersuchen lassen. Der Direktor der Hygieneabteilung des Völkerbundssekretariats,.

Dr. Bajchmann, sowie einer seiner Mitarbeiter haben sich zu. diesem Zwecke nach China begeben. Die Erhebung, die sich anfangs auf die beiden genannten Gegenstände beschränkte, ist später auf Ersuchen der Begierung von Nanking auf die Organisation und die Tätigkeit der sanitären und medizinischen Einrichtungen von ganz China ausgedehnt worden. Die chinesische Begierung unterbreitete später Vorschläge für die Mitwirkung, die sie von der Hygieneorganisation erwartete. Sie sah folgenden Arbeitsplan vor: Änderung in der Zuteilung und Beorganisation der Quarantäneverwaltung, Schaffung einer

137 Zentralstelle für angewandte Hygiene, Gründung eines ersten Landeskrankenspitals und eines Provinzialspitals für Tsche-Kiang, Neuordnung des medizinischen Unterrichts und Bekämpfung der Cholera und der Pocken in der Gegend von Shanghai. Dieses umfassende Programm für die Zusammenarbeit mit China wurde vom Eat auf Grund eines Antrags des Hygienekomitees genehmigt, das sich seinerseits auf einen Bericht des Herrn Dr. Eajchmann stützte. Es sind bereits Massnahmen getroffen worden, um die Ausführung des Planes möglichst sicherzustellen. Diesem Plane kommt nicht nur für China, sondern für die ganze Welt grosse Bedeutung zu; handelt es sich doch darum, im internationalen Gesundheitswesen und namentlich in der Vorbeugung gegen die groBsen Seuchen neue Fortschritte zu erzielen.

Auch Bolivien hat zum Zwecke der Reorganisation seines Sanitätswesens um die Mitarbeit des Hygienekomitees nachgesucht. Der Eat ist diesem Gesuche nachgekommen, und die Hygiencorganisation hat jïwei Experten nach Bolivien entsandt, die an der Durchführung des von der Eegierung in La Paz ausgearbeiteten Programms mitwirken sollen.

Ein weiteres Begehren um Mitarbeit wurde von der bulgarischen Eegierung gestellt, die den Kampf gegen die in gewissen Teilen dos Landes endemisch auftretende Syphilis planmässig aufzunehmen wünscht. Auch diesem Gesuch entsprach der Eat. Ein Experte hat sich in Begleitung eines Mitgliedes der Hygieneabteilung an Ort und Stelle begeben, und es sind unter Mitwirkung des Völkerbundskommissariates für die Ansiedlung der bulgarischen Flüchtlinge bereits vorläufige Massnahmen ergriffen worden.

Ausserdem sind in gewissen südamerikanischen Ländern Erhebungen über die Kindersterblichkeit eingeleitet worden. Experten haben zu diesem Zwecke Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay bereist. In manchen Teilen von Südamerika ist eines der wichtigsten Probleme des Gesundheitswesens das der Lepra; die Hygioneorganisation entsandte einen Spezialisten an die internationale Forschungsstelle für Lepra, welche unter den Auspizien des Völkerbundes in Brasilien geschaffen werden soll. Auf Einladung der Eegierung von Uruguay und mit der Zustimmung des Eats hat das Hygienekomitee dem für den Monat September 1980 vorgesehenen südamerikanischen Kongress für Serologie in Montevideo, der die Methoden der Serumdiagnose der Syphilis
einer neuen Prüfung unterzog, einen Sachverständigen zur Verfügung gestellt.

Die zweite Kommission der Versammlung nahm von der Tätigkeit der Hygieneorganisation wiederum mit Befriedigung Kenntnis. Fräulein Lawrence, britische Delegierte und Berichterstatterin für diese Fragen, widmete der Organisation einen sehr anerkennenden Bericht. Der australische Delegierte Coleman erklärte, dass, «wenn die Ergebnisse auf politischem Gebiet in manch «inem zuweilen den Glauben an den Völkerbund ins Wanken bringen könnten, dieser Glaube angesichts der Erfolge auf dem Gebiete der Hygiene neu gestärkt werde... ». Für die künftige Tätigkeit der Hygieneorganisatipn wurden nach verschiedenen Seiten hin bemerkenswerte Anregungen vorgebracht.

Japan verlangte, dass die Studien über die Lepra «fortgesetzt und ausgedehnt»

138 würden; ferner wünschte es, dass das Bureau in Singapore seine Tätigkeit derart entwickle, «dass es mehr und mehr als Hauptagentur der Hygieneorganisation des Völkerbundes für den fernen Osten dienen» könne. Der Delegierte Australiens, der das gleiche Begehren stellte, wies ausserdem auf den Nutzen hin, den die Kommission zur Bekämpfung der Malaria aus der Erforschung der Mückenfauna in Melanesien ziehen würde. Die Delegierten Indiens und Persiens traten für «angemessene Untersuchungen» über die Pest und die Cholera ein. Der Delegierte Venezuelas befürwortete die planmässigfr Verwertung der Heilpflanzen «durch methodische Untersuchung ihrer Wirkung, ihres Vorkommens und ihrer Verwendung in der ganzen Welt».

Die Versammlung unterstrich in der Besohltion, die sie auf Antrag der Kommission annahm, die Bedeutung und den Wert der Arbeiten auf dem Gebiete der Hygiene; sie stellte «mit Befriedigung fest, dass die Tätigkeit der Hygieneorganisation fortgesetzt überall in der Welt an Boden gewinnt»1).

Die ungarische Eegierung hatte verlangt, dass die Frage der Gegenseitigkeit in der V e r p f l e g u n g kranker Ausländer auf die Tagesordnung der Versammlung gesetzt werde. Sie beantragte der Versammlung die sofortige Ausarbeitung eines Kollektivvertrages. Die Kommission glaubte aber, auf einem Gebiete, das bisher durch1.zweiseitige Verträge geregelt war, nicht s» schnell vorgehen zu sollen. Mit Zustimmung des ungarischen Delegierten beschloss sie, den Vorschlag dem Hygienekomit.ee zur Prüfung und zum Bericht zu überweisen.

4. Organisation für geistige Zusammenarbeit.

Letztes Jahr stand die geistige Zusammenarbeit mitten in der Krise.

Bekanntlich hatte die Versammlung die Bildung «eines engeren Untersuchungs: komitees von höchstens fünf Mitgliedern der internationalen Kommission» gutgeheissen; dieses Komitee sollte «das Programm, das Werk und die Organisation der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit sowie der von ihr abhängigen Einrichtungen überprüfen und alsdann seine; Meinung darüber abgeben, welche Verbesserungen anzubringen wären, um ihrer Tätigkeit grössern praktischen Erfolg zu sichern»2). Das Komitee, dem auch unser Landsmann, Herr Professor de Eeynold, angehörte, tagte vom 14. April bis 2. Mai. Nachdem es die Frage gründlich untersucht hatte, bemühte es sich, in grossen
Umrissen das Arbeitsfeld der internationalen Zusammenarbeit abzugrenzen. Es entwarf einstimmig folgendes Programm; 1. Förderung des Gedankenaustauschs and der persönlichen Beziehungen zwischen den Intellektuellen aller Länder; 2, Ermutigung und Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen mit intellektuellen Zielen; *) Vgl. die Beaolution in der Beilage, S. 189.

) Vgl. den Bericht über die zehnte Völkerbundsversammlung, - Bundesbl. 1929, Bd. III, S. 882 bis 885.

2

139 3. Begünstigung der Verbreitung von Erzeugnissen des Geistes; 4. gemeinschaftliche Prüfung einiger grosser Fragen von internationaler Bedeutung; 5. Mitarbeit zum internationalen Schutze der Eechte an Werken des Geistes; 6. Verbreitung der Grundsätze des Völkerbundes durch den Unterricht..

Nach der Ausarbeitung des Arboitsprogramms wandte sich das Komitee den Arbeitsmethoden zu. Es hielt dafür, dass die internationale Kommission für geistige Zusammenarbeit «mit jeder Organisation, die sich ausserhalb des Völkerbundes mit der geistigen Zusammenarbeit befasst, in Verbindung treten» solle. Seiner Ansicht nach müsste man sich also mit den massgebenden Organisationen über die Durchführung der Aufgaben, die in ihren Wirkungskreis fallen, verständigen; andererseits sei es angebracht, «sich an kleine Gruppen von Fachleuten zu wenden, so oft es sich um einen homogenen Fragenkomplex» handle. Das Komitee trat somit entschieden für eine Arbeitsteilung ein.

Es glaubt, dass die Kommission um ihrer selbst willen den Grundsatz befolgen sollte, «nie selber zu tun, was andere besser können». Daraus der Schluss, dass, wenn einmal das Arbeitsprogramm festgelegt sei, «weder vom Institut in Paris noch von einem Organ der Kommission irgendeine neue Frage aufgegriffen werden solle ohne vorgängiges Verfahren, das Gewähr bietet für eine gründliche Prüfung».

Um «Organisation und Arbeit einander anzupassen», wie sich das Komitee ausdrückt, beantragt es ausserdem, den technischen und administrativen Apparat der geistigen Zusammenarbeit zu vereinfachen. Was die internationale Kommission anbelangt, so schlägt es dreierlei vor: Den hauptsächlichsten geistigen Disziplinen soll die Vertretung in der Kommission gewährleistet sein; zwischen der Vertretung der exakten und der Naturwissenschaften einerseits und derjenigen der Geisteswissenschaften andererseits ist ein gewisses Gleichgewicht zu wahren; der Kommission sollen weder korrespondierende Mitglieder noch Beobachter angehören. Andererseits verlangt das Komitee, dass die Unterausschüsse aufgelöst werden, wobei man nötigenfalls immer noch gewisse Mitglieder der Kommission selbst als Experten zur Mitarbeit beiziehen könnte. Schliesslich stellt es fest, dass die Kommission für geistigeZusammenarbeit, die nur einmal im Jahr zusammentritt, «die Entwicklung der geistigen
Zusammenarbeit nicht genügend verfolgen und beeinflussen, noch auch die Durchführung ihrer Beschlüsse selber veranlassen kann». Es schlägt deshalb die Bildung eines Exekutivkomitees von acht Mitgliedern (die fünf Mitglieder des Direktionskomitees des Instituts und drei weitere Persönlichkeiten) vor; dieses Exekutivkomitee soll viermal im Jahr zusammentreten und hat «für das Werk der geistigen Zusammenarbeit in der Zeit zwischen den Tagungen der Kommission zum Eechten zu sehen». Diese Eeform steht nach der Auffassung des Komitees im Mittelpunkt aller Neuerungen, die es vorschlägt.

140 Das Studienkomitee weist auf die Bedeutung der nationalen Kommissionen Ma. Seiner Ansicht nach liegt ihre Aufgabe darin, «zwischen der internationalen .Kommission einerseits und dem geistigen Leben in den einzelnen Ländern andererseits als Bindeglied zu dienen». Es verlangt darum beständigere und planmässigere Beziehungen au diesen Kommissionen. Dagegen schlägt es vor, von einer Vertretung der Eegierungen beim Institut in Paris abzusehen, in der Meinung, dass sich die Kommission für geistige Zusammenarbeit für ihren Verkehr mit den Begierungen des Völkerbundssekretariats und, in zweiter Linie, der Vermittlung der nationalen Kommissionen zu bedienen habe 1).

Für das Institut für geistige Zusammenarbeit in Paris empfiehlt das Komitee einen starken Personalabbau, verminderte Zentralisierung, die Aufhebung der Unterabteilungen und die Preisgabe gewisser Zeitschriften, die das Institut veröffentlicht. Dagegen legt es Wert darauf, dass das Personal des Instituts demjenigen in Genf rechtlich gleichgestellt werde. Ausserdern scheint ihm eine enge Fühlung zwischen dem Völkerbundssekretariat und dem Institut notwendig 211 sein.

Der Bericht des Studienkomitees wurde der Kommission für geistige -Zusammenarbeit vorgelegt; diese befasste sich in der Juli-Tagung eingehend damit. Die Kommission erwies sich im allgemeinen durchgreifenden Neuerungen weniger zugänglich als ihr Komitee. Nichtsdestoweniger stimmte sie in zahlreichen wichtigen Punkten den ihr vorgelegten Anregungen zu. Namentlich billigte sie die Schlussfolgerungen des Berichts über die künftige Zusammensetzung der Kommission für geistige Zusammenarbeit; sie war auch mit, der Aufhebung der Unterausschüsse einverstanden, jedoch unter Beibehaltung des Unterausschusses für Kunst und Literatur und mit dem Vorbehalte, dass «die übrigen Unterausschüsse auf die zu schaffenden Expertenkomitees verteilt werden». Sie genehmigte die Einsetzung eines Exekutivkomitees2), war aber gleichwohl darauf bedacht, «dem Institut in Paris die verhältnismässige Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit rückhaltlos zu belassen, die ihm sein Statut und die bei der Schaffung zwischen dem Völkerbund und der französischen Eegierung getroffenen Abreden gewährleisten». Die Kommission verwarf die Abschaffung der Eegierungsdelegierten, stellte aber den Grundsat/ auf, dass diese
Delegierten inskünftig mit dem Institut nur noch rein persönliche Beziehungen unterhalten sollten.

Was die Eeorganisation des Instituts anbelangt, so stimmte die Kommission der gänzlichen Aufhebung der Unterabteilungen ebenfalls nicht zu, verlangte aber vom Exekutivkomitee und vom Direktionskomitee, dass sie «unter Vermeidung eines starren Systems in der innern Organisation des Instituts» l ) Dieser Standpunkt ist ohne Zweifel anfechtbar, denn es kann z. B. nicht wohl Aufgabe der schweizerischen Kommission für geistige Zusammenarbeit sein, dem Bundesrat als Verbindungsstelle in seinen Beziehungen zum Völkerbund zu dienen.

a ) Als Mitglieder dieses Komitees wurden ernannt : Prau Curie, die Herren Casares, Destrée, de Reynold, Rocco, Sir Frank Heath, Krüss und Roland-Marcel; die drei letzten gehören der Kommission nicht an.

141 zu einer «ümordnung der Verwaltung» sehritten. Zur Aufhebung gewisser Veröffentlichungen zog sie vor, nicht selber Stellung zu beziehen, und beschloss, diese Frage dem Exekutivkomitee und dem Direktionskomitee anheimzugeben.

Die Eeorganisation der geistigen Zusammenarbeit gab in der Versammlung zu bedeutsamen Erörterungen nicht Anlass, wiewohl man solche vielleicht hätte erwarten können. Die Delegierten stimmten in der zweiten Kommission den Schlussfolgerungen der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit einhellig zu.

Auf Antrag der Kommission und auf Grund eines Berichts des Herrn Fierlinger, Berichterstatters der Kommission, nahm die Versammlung, nachdem verschiedene Delegierte dem Vertrauen Ausdruck gegeben hatten, das ihre Eegierungen in das begonnene Werk setzen, eine Eesolution an, worin sie die Arbeiten im Hinblick auf die Eeorganisation der geistigen Zusammenarbeit anerkennt.

Die Tätigkeit des internationalen Instituts für das Lehrfilmwesen in Eom veranlasste keine Diskussion. Die Versammlung begnügte sich infolgedessen damit, vom Berichte Kenntnis zu nehmen, den der Verwaltungsrat des Instituts eingereicht hatte. Ferner forderte sie die Eegierungen auf, den vom Institut ausgearbeiteten Entwurf zu einem internationalen Abkommen für die Beseitigung der die Verbreitung des Lehrfilms hemmenden Zollschranken ·wohlwollend zu prüfen 1).

C. Sicherheit und Abrüstung.

Die dritte Kommission, welche die auf die Sicherheit und Abrüstung bezüglichen technischen Fragen behandelt, hatte folgende Traktanden auf ihre Tagesordnung gesetzt: 1. Abkommen über die Finanzhilfe im Falle des Krieges oder der Kriegsdrohung; 2. Abkommen zur Verstärkung der Kriegsverhütungsmittel; 8. Erleichterungen für die zur Aufrechterhaltung der Verbindungen des Völkerbundes in Krisenzeiten dienenden Luftfahrzeuge; 4. Erleichterungen für die zur Aufrechterhaltung der Verbindungen ·des Völkerbundes in Krisenzeiten dienenden Automobiltransporte; 5. Herabsetzung der Eüstungen; 6. private und staatliche Herstellung von "Waffen, Munition und Kriegsmaterial ; 7. Überwachung des internationalen Handels mit Waffen, Munition und ^Kriegsmaterial.

T

) Vgl, die Resolution in der Beilage, S. 196.

B*ndesblatt. 83. Jahrg. Bd. 1.

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J42 1. Abkommen über die Finanzhilfe im Falle des Krieges oder der Kriegsdrohung. -- Dieses Abkommen war als Entwurf in der zehnten VölkerbundsverL Sammlung eingehend behandelt worden1). Die Aussprache hatte jedoch zu keinem endgültigen Ergebnisse geführt, weil verschiedene Fragen noch eine neue Prüfung: erheischten. Das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit war gebeten worden, das Studium dieser Eragen zusammen mit dem Finanzkomitee wiederaufzunehmen und einer besondern Konferenz oder auch der elften Versammlung einen vollständigen Abkommensentwurf vorzulegenEs gelangte über die meisten in der Schwebe gebliebenen Eragen Verhältnis.massig leicht zu einer Einigung, so dass der bereinigte Entwurf zu einem internationalen Abkommen über die Finanzhilfe den Eegierungen noch yor der Versammlung vorgelegt werden konnte. Es wurde beschlossen, zur endgültigen.

Ausarbeitung des Entwurfs keine besondere Konferenz einzuberufen, sondern diese Aufgabe der Versammlung selber zuzuweisen.

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Die Verhandlungen im Schosse der dritten Kommission drehten sich hauptsächlich um die Anwendungsfälle der Finanzhilfe. Bekanntlich war von verschiedener Seite der Wunsch geäussert worden, dass einem Staate nicht, erst im Falle eines Angriffskrieges, sondern sogar schon bei blosser Kriegsdrohung Hilfe gewährt werde. Die Anhänger einer auf den Kriegsfall beschränkten Finanzhilfe glaubten, um der Verständigung willen ihren Widerstand nicht länger aufrechterhalten zu sollen und traten schliesslich der Ansicht jener bei, die dafür hielten, dass es für die Sicherheit nur von Vorteil sein könner wenn der Bat die Befugnis erhalte, den ganzen Apparat der Finanzhilfe schon, in Bewegung zu setzen, bevor die Feindseligkeiten ausgebrochen seien. Doch glaubte man für den Fall des Krieges wie für den der blossen Kriegsdrohung: die Gewährung der Finanzhilfe von gewissen Bedingungen abhängig machen zu müssen, damit die Hilfe keinem Staate zugute komme, der zwar bedroht oder angegriffen worden ist, aber nachher durch seine Haltung die Lage unnütz verschärft und die Bückkehr zum Frieden oder zu normalen Verhältnissen erschwert hat. Deshalb wurde vorgesehen, dass das Land, dem die Finanzhilfe zugute kommen solle, sich verpflichten müsse, die Streitigkeit der richterlichen oder schiedsrichterlichen Erledigung oder irgendeinem andern
vom Bat fürangemessen- erachteten friedlichen Verfahren zu unterwerfen. Unter dieser Voraussetzung hat der Staat, der das Opfer eines Angriffs wird, auf sein Begehren hin Anspruch auf die Finanzhilfe, sofern der Bat dieses Begehren nicht einstimmig ablehnt. Was den durch einen Angriff bedrohten Staat anbelangt, so steht ihm kein eigentlicher Anspruch auf die Finanzhilfe zu.

Der. Bat kann ihm die Hilfe jedoch unter der zweifachen Bedingung gewähren, dass sich der Gegner den getroffenen Massnahmen nicht fügt und der Friede nicht anders gewahrt werden kann. Solange es nicht zu Feindseligkeiten gekommen ist, wird also zur Finanzhilfe nur im äussersten Falle Zuflucht genommen, und erst, wenn alle andern Möglichkeiten, den voraussichtlichen Angreifer !) Vgl, unsern Bericht über jene Versammlung, Bimdesbl. 1929, Bd. IH, &. 890-

143 zur Vernunft zu bringen, erschöpft sind. Eine derart eingeschränkte Formel beruhigte auch die Kreise hinlänglich, die der Ansicht waren, dass die Zubilligung der Finanzhilfe in einem Augenblicke, wo noch kein Kriegszustand besteht, eher wie ein Funken im Pulverfass wirken müsste. «Doch könnte sie der Bat», wurde bemerkt, «selbstverständlich auch dann gewähren, wenn sie den Krieg anscheinend gar nicht mehr zu verhindern vermöchte, weil die Gegenpartei unter allen Umständen dazu entschlössen schiene». Andererseits wurde vorgesehen, dass das Protokoll, wodurch im einzelnen Falle die Bedingungen der Anleihe zu regeln sind, «Bestimmungen zu enthalten habe, die es dem Bat ermöglichen, jederzeit die Auszahlung des noch nicht überwiesenen Teils der Anleihe an die anleihenehmende Begierung einzustellen, falls die Haltung dieser Partei nach der Gewährung der Finanzhilfe eine solche Massnahme erheischt». Demnach sind alle Vorsichtsmassregeln getröffen worden, um zu verhindern, dass die Einrichtung der Finanzhilfe in gewissen Fällen die Absichten von angeblich friedlichen Staaten fördere, denen es durch Winkelzüg© oder diplomatisches Geschick gelungen sein sollte, den guten Glauben des Bats zu täuschen.

Es dürfte überflüssig sein, noch auf andere in der Kommission erörterte Punkte zurückzukommen; sie sind eher von nebensächlicher Bedeutung, Seinen wesentlichen Beetimmungen nach entsprach der vom Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit vorgelegte Abkommensentwurf dem in der vorhergehenden Versammlung bereits erörterten. Höchstens ist darauf hinzuweisen, dass das Abkommen über die Finanzhilfe, wiewohl es sofort zur Zeichnung aufgelegt wurde, erst mit dem Abkommen über die Herabsetzung der Büstungen in Kraft tritt. Gewisse Delegationen hatten allerdings sofortiges Inkrafttreten befürwortet; sie beharrten aber nicht bei ihrer Ansicht, um nicht Länder vom Abkommen fernzuhalten, welche die daraus entspringenden Verpflichtungen nur unter der Bedingung glauben übernehmen zu können, dass «diese neuen Lasten durch die Vorteile einer allgemeinen Herabsetzung der Büstungen auf gewogen werden».

Der Abkommensentwurf wurde ohne Gegenstimme angenommen T ).

Einige Delegationen beteiligten sieh jedoch an der Abstimmung nicht und behielten sich die endgültige Entscheidung ihrer Begierung vor. So auch unser
Vertreter in der Kommission, Herr Gorgé. Er erklärte indessen, dass der Bundesrat, weit entfernt davon, dem Entwurf feindlich gesinnt zu sein, es im Gegenteil mit Genugtuung begrüssen wurde, wenn die Übereinkunft zustande käme, da sie nach allgemeiner Ansicht geeignet wäre, die Sicherheitsgarantien zu vermehren und damit auch die Kriegsgefahren zu vermindern. Er wies darauf hin, dass die besondere Stellung unseres Landes im Völkerbund und das Bestreben, gemäss der Londoner Erklärung den Grundsatz der Neutralität, seit Jahrhunderten die Grundlage unserer Aussenpolitik, ungeschmälert zu behaupten, uns in dieser Angelegenheit Zurückhaltung auferlege.

*) Vgl. die Resolution und den Wortlaut des Abkommens in der Beilage, S. 198.

144 Das Abkommen wurde in einer Vollsitzung der Versammlung feierlich zur Unterzeichnung aufgelegt. Es erhielt achtundzwanzig Unterschriften, was als Erfolg gehucht werden darf.

Wie unser Vertreter in der Kommission übrigens erklärt hatte, ist der Bundesrat einer neuen Prüfung des Abkommens im Hinblick auf die allfâllige Beteiligung der Schweiz nicht zum vornherein abgeneigt, doch zweifelt der Bundesrat daran, dass diese ihn veranlassen könnte, einen andern als den in seinem letzten Berichte kurz dargelegten Standpunkt einzunehmen. Denn er sieht nicht wohl ein, wie er unsere Neutralitätspflichten in Einklang bringen könnte mit der Übertragung der Befugnis an den Bat, von sich aus über die Gewährung der Finanzhilfe zu entscheiden. Wäre die Schweiz am Abkommen einmal beteiligt, so könnte ihr aus einem Beschluss des Eats die Pflicht erwachsen, an der Finanzhilfe gegen einen Staat mitzuwirken, auch wenn sie sich in guten Treuen weigern würde, ihm gegenüber die im Artikel 16 des Völkerbundsvertrages vorgesehenen wirtschaftlichen Sanktionen zur Anwendung zu bringen. Da wir aber vernünftigerweise nicht wohl unsere «wirtschaftliche» Neutralität gegenüber einem Staate wahren könnten, gegen den wir auf Grund einer internationalen Übereinkunft gewissermassen «finanziell» Krieg führen müssten, könnten wir durch die Macht der Dinge unseres Hechtes verlustig gehen, nach bestem Gewissen, aber in aller Selbständigkeit zu prüfen, ob die Bedingungen zur Anwendung der Sanktionen nach Artikel 16 tatsächlich erfüllt seien oder nicht. Diese Überprüfungsbefugnis, die jede im Eate vertretene Macht behält, ist aber in unsern Augen wesentlich. Wollten wir darauf verzichten, so könnte sich unsere Neutralität, wie sie durch die Londoner Erklärung anerkannt wurde, als gefährdet erweisen. Unter diesen Umständen wird man keinem Land einen Vorwurf daraus machen, wenn es nicht ohne ganz triftige Gründe ein solches Wagnis auf sich nimmt.

2. Abkommen zur Verstärkung der Kriegsverhütungsmittel. -- Die letzte Versammlung hatte auf Antrag der britischen Delegation verlangt, dass das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit untersuche, ob ein allgemeines Abkommen entworfen werden könne, das sich zur Hauptsache an den von der neunten Versammlung ausgearbeiteten Mustervertrag halten würde.

Diesem Auftrage gemäss hatte sich
das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit bemüht, einen solchen Entwurf auszuarbeiten. Aber nach langen Erörterungen hatte es feststellen müssen, dass es zu keiner Passung gelangen konnte, die alle Stimmen auf sich vereinigt hätte. Die Ansichten des Komitees gingen über wesentliche Punkte auseinander. Zweck des Abkommens hätte sein sollen, den Empfehlungen, die der Eat auf Grund von Artikel 11 des Völkerbundsvertrages zu erlassen hat und die gegenwärtig, wenn nicht moralisch.

So doch rechtlich durchaus unverbindlich sind, zwingenden Charakter zu verleihen. Gewisse Delegationen waren aber der Ansicht, dass die Verpflichtungen,, die es in dieser Beziehung zu übernehmen gilt, so bestimmt als möglich sein sollten. «Es müsste sich», sagten sie, «um einfache und klare Massnahmen handeln, die leicht zu überwachen wären, wobei über die Polgen ihrer Miss-

145 achtung keine Unklarheit bestehen dürfte». Die französische Delegation schlug geradezu vor, zwischen Artikel 11 und Artikel 16 des Völkerbunds^ Vertrages eine Brücke zu schlagen, so dass der Staat, der sich den vom Bat auf Grund von Artikel 11 erlassenen Empfehlungen nicht fügen würde, Sanktionen nach Artikel 16 zu gewärtigen hätte. Andere Delegationen vertraten dagegen die Auffassung, dass «durch eine Aufzählung der Massnahmen, zu denen der Eat berechtigt wäre, die allgemeinen Befugnisse, die er aus Artikel 11 dea Völkerbundsvertrages ableiten kann, eingeengt würden». Denn, folgerten sie, «sollte sich der Eat veranlasst sehen, im Abkommen nicht ausdrücklich erwähnte Massnahmen zu befürworten, so könnten sich die Parteien auf die von ihnen übernommenen bestimmten Verpflichtungen berufen und sich weigern, die empfohlenen Massnahmen auszuführen, wodurch die moralische Verpflichtung, die ihnen Artikel 11 in dieser Beziehung auferlegt, eine Schwächung erführe». Gleichzeitig sprachen sich diese Delegationen wider eine so bestimmte Ausdehnung des Anwendungsgebietes von Artikel 16 aus.

Die beiden Strömungen erwiesen sich als unvereinbar, so dass das Komitee genötigt war, einen Abkommensentwurf mit einer Reihe von Varianten vorzubereiten.

Gleich wie die andern Regierungen hatte auch der Bundesrat Gelegenheit erhalten, sich vor dem Zusammentritt des Komitees für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit zum Abkommensentwurf zu äussern. In .seinem Brief vom 10. März an den Generalsekretär des Völkerbundes erinnerte er daran, dass.

er seiner Delegation an der neunten Versammlung Weisung erteilt hatte, zu den Vorschlägen des Komitees für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit betreffend die Annahme eines Mustervertrages, der gemäss den Anträgen der deutschen Regierung der Verstärkung der Kriegsverhütungsmittel dienen sollte, eine wohlwollende Haltung einzunehmen. Er glaubte hinsichtlich des Nutzens der Beteiligung eines Staates wie die Schweiz an einem derartigen Abkommen Zweifel äussern zu sollen, erklärte aber, dass er nicht verfehlen werde, die Präge des Beitritts zu prüfen, sobald das Abkommen zustande gekommen sei. Zum Inhalte des Abkommens sJbst gab er bekannt, dass, was ihn betreffe, nichts entgegenstehe, im künftigen Kollektivabkommen im wesentlichen dem von der neunten Völkerbundsversammlung
angenommenen Mustervertrage zu folgen. Er fügte bei, es sei jedenfalls angezeigt, die Befugnisse des Eats auf dem Gebiete der friedlichen Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten nicht übermässig auszudehnen. «Einem Organ in der Stellung des Eats», führte der Bundesrat aus, «sollte die Befugnis, den Streitparteien die Ausführung seiner Empfehlungen, wenn auch als vorläufige Massnahme, verbindlich aufzuerlegen, nur ganz ausnahmsweise übertragen werden», weil sich «bei den Mitteln zu friedlicher Regelung, die heute zur Verfügung stehen, eine solche Einmischung wohl nur dann rechtfertigt, wenn sie kriegerischen Verwicklungen vorbeugen soll». Dagegen erkannte der Bundesrat an, dass der Rat die Befugnis erhalten sollte, im Falle des Ausbruchs von Feindseligkeiten vorläufige Entscheidungen zu treffen, denen sofortige Verbindlichkeit für die

146 Kriegsparteien zukäme, «denn dann handelt es sich nicht mehr darum, die Beilegung einer Streitigkeit zu erleichtern, sondern um die Vermeidung von Blutvergiessen ».

Da das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit sich über einen einheitlichen Text nicht einigen konnte, so musste die Versammlung nach einer Verständigungsformel suchen, um sowohl die Anschauung der Anhänger von Sanktionen als auch diejenige der Parteigänger des gegenwärtig im Völker bundsvertrage festgesetzten Systeme miteinander in Einklang zu bringen.

Die dritte Kommission überzeugte sich aber bald, dass eine endgültige Einigung zurzeit noch unerreichbar sei. Doch führte der Meinungsaustausch in einem Unterausschuss zu der Peststellung, dass bereits über eine Reihe von Punkten Übereinstimmung herrschte. So über die grundsätzliche Präge des Abschlusses eines mehrseitigen Abkommens, ferner über die Einräumung der Befugnis an den Eat, den Parteien «Sicherungsmassregeln nicht militärischen Charakters» zu empfehlen, ausserdem über die Zweckmässigkeit von «Abreden zur vollen Ausnützung des Artikels 11 des Völkerbundsvertrages im Dienste der Kriegsverhütung, indem den Empfehlungen des Bats, die eine unmittelbare Fühlungnahme zwischen den gegnerischen Streitkräften verhindern sollen, für alle Vertragsparteien Verbindlichkeit verliehen wird», endlich über die Notwendigkeit, die Ausführung der vom Eate verfügten Massnahmen überwachen zu lassen. In der Frage der Sanktionen glaubte man eine Annäherung zwischen den beiden entgegengesetzten Gruppen insofern feststellen zu können, als die eine anerkannte, dass das Abkommen sich nur auf die Ver' hütung und nicht auf die Unterdrückung von Kriegen beziehe, während die andere einsah, dass das Abkommen gleichwohl die Anwendung von Artikel 16 erleichtern würde.

Wie Herr Lange, der norwegische Delegierte, in seinem Bericht an die Versammlung betonte, «würde die genaue Fassung der oben berührten Grundsätze ein weiteres gründliches Studium erfordern, denn es bleiben noch zahlreiche schwierige Fragen technischer Art zu lösen». Die Versammlung beschloss denn auch auf Antrag ihrer Kommission, dass die Angelegenheit weiter zu prüfen sei und forderte den Eat auf, zu diesem Zwecke ein besonderes Komitee zu bestellen, dessen Bericht der nächsten Versammlung vorzulegen sein wird 1).

3. Erleichterungen
für die zur Aufrechterhaltung der Verbindungen des Völkerbundes in Krisenzeiten dienenden Luftfahrzeuge. -- Die Gewährung von Erleichterungen für Luftfahrzeuge, die in Krisenzeiten für Eechnung des Völkerbundes verkehren, war seinerzeit einer späteren Prüfung vorbehalten worden 2 ). Der Eat war gebeten worden, «prüfen zu lassen,-- gegebenenfalls durch das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit --, welche Massnahmen notwendig wären, um den Luftfahrzeugen, die Transporte im Interesse der Tätigkeit des Völkerbundes ausführen, in Krisenzeiten die !) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 197.

*) Vgl. den Bericht über die zehnte Versammlung, Bundesbl. 1929, Bd. lu, S. 895 bis 897.

147 sur Durchführung ihrer Aufgabe erforderliche Freiheit des Lüftverkehrs und ·des1 Überfliegens zu gewährleisten». Der Völkerbündsrat gelangte in der Tat an das Komitee für Schiedsgeriohtsbarkeit und Sicherheit; zuvor hatte er indessen den beratenden Fachausschuss für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr mit einer Überprüfung der Verhältnisse betraut. Dieser Ausschuss hatte einige Bedenken, der Ansicht der internationalen Kommission für die Luftschiffahrt zu folgen und die Frage durch eine Abänderung des Luftverkebrsabkommens von 1919 zu lösen. Der Völkerbund konnte sich seiner Meinung nach nicht wohl mit einer Ordnung zufrieden geben, nach der nur die an das Luftverkehrsabkommen von 1919 gebundenen Staaten Verpflichtungen übernommen hätten. Überdies wäre die Anwendung der betreffenden Erleichterungen bis zum Inkrafttreten der Abänderungen verzögert worden. Die Kommission glaubte daher, «dass man rascher zum Ziele kommen «nd das Ergebnis befriedigender sein würde, wenn -die Versammlung eine Resolution fasste über die allgemeinen Grundsätze, welche die Mitglieder des Volkerbundes unter Berücksichtigung der ihnen obliegenden Pflichten anzuwenden hätten, wobei die Resolution auch bestimmen müsste, welche Luftiahrzeuge der Aufrechterhaltung der für den Völkerbund bedeutsamen Luftverbindungen dienen; ferner sollte sie die Grundsätze festlegen, die sofortige Verhandlungen zwischen dem Generalsekretär und den Regierungen ermöglichen würden». Um dem Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit die Aufgabe zu erleichtern, entwarf sie die Resolution, die der Versammlung vorgelegt werden sollte. Das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit stimmte der Ansicht des beratenden Fachausschusses zu und genehmigte die Grundsätze der ihr vorgelegten Resolution mit einigen Änderungen.

Der Bundesrat hatte dem Resolutionsentwurfe des Komitees für Scbiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Verbindungen des Völkerbundssitzes mit der Aussenwelt gehen in gewissem Sinne kein Land unmittelbarer an als die Schweiz. Denn allzu weitgehende Zugeständnisse in dieser Bichtung könnten unsere Sicherheit gefährden und unsere Neutralität beeinträchtigen.

Die der Versammlung vorgeschlagene Resolution fusste zwar auf dem Grundsatze, dass die Gewährung von Erleichterungen
an die für Rechnung ·des Völkerbundes verkehrenden Luftfahrzeuge letzten Endes den Erfordernissen der nationalen Sicherheit unterzuordnen sei; sie enthielt gleichwohl .gewisse Bestimmungen, die verschiedene Auslegungen zuliessen. Da nicht die Rede davon sein könnte, dass wir uns in Krisenzeiten der. Herrschaft über "unsern Luftraum begäben, hatte die schweizerische Delegation Weisung erhalten, nach Möglichkeit dafür Sorge zu tragen, dass alle Unklarheiten, die im Resolutionsentwurf noch zu bestehen schienen, beseitigt würden.

Die Bemühungen unseres Vertreters in der Kommission, Herrn Gorgé, hatten vollen Erfolg. Auf sein Begehren bestätigte die Kommission, dass keine ·einzige Bestimmung der Resolution das in dieser anerkannte grundlegende Prinzip von Ziffer 9 irgendwie zu beeinträchtigen vermöchte. So betont denn

148 auch der Bericht, den die Kommission der Versammlung vorlegte und der einen, integrierenden Beatandteil der Résolution bildet, dass die Eegierungen «bezüglich ihrer Eücksichten auf die nationale Sicherheit alle Garantion» erhalten.

Ferner wurde gemäss einem schweizerischerseits geäuBserten Wunsch im Berichte klar zum Ausdruck gebracht, dass die Gewährung «grösstmoglicher Erleichterungen, sei es für die Kontrolle, sei es für die vorgeschriebenen Luftwege»,, für keinen Staat den Verzicht auf das Eecht in sich schliesse, jederzeit die Landung des Luftfahrzeugs zu Kontrollzwecken zu verlangen. Überdies wies unser Vertreter in der Kommission darauf bin, dass die Luftfahrzeuge, auf welche die Resolution Anwendung finden soll, genauer bestimmt werden müssten. Er hatte Gelegenheit, sowohl in der Kommission selbst als auch im Eedaktionsausschuss, dem er angehörte, unsere Auffassung darzulegen und.

zur neuen Fassung von Ziffer 4 der Resolution beizutragen.

Zu den im letzten Satze von Ziffer 6 erwähnten «Luftfahrzeugen., die ausschliesslich im Dienste des Völkerbundes stehen und in keinem Staat immatrikuliert sind», bemerkte Herr Gorgé, dass die Frage der Immatrikulation schwierige Rechtsfragen aufwerfe, dass der beratende Fachaüsschuss für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr sie noch nicht eingehend geprüft habe und dass es daher besser wäre, nicht zum voraus zu entscheiden, ob der Völkerbund eines Tages über Luftfahrzeuge, «die in keinem Staat immatrikuliert sind», verfügen werde oder verfügen könne. Die Kommission war mit uns völlig einig darin, dass die Resolution diese Frage keineswegs präjudiziere. Sie erklärte sich damit einverstanden, dass dies in ihrem Bericht an die Versammlung ausdrücklich gesagt werde, übrigens darf die Resolution nach ihrer Schlussziffer «nicht so ausgelegt werden, dass damit nach irgendeiner Richtung hin der Frage vorgegriffen werden solle, ob es für den Völkerbund zweekrnässig sei, über eigene Luftfahrzeuge zu verfügen,». DieResolution wurde auf unsere Bemühungen hin auch noch in anderer Hinsicht verbessert; für alles Nähere verweisen wir auf den Wortlaut der beiliegenden.

Resolution1).

Nach Ziffer 10 der Resolution wird der Generalsekretär unverzüglich mit jeder einzelnen Regierung Verhandlungen anknüpfen, um festzusetzen, welcheMassnahmen im Hinblick auf einen
etwaigen Flugverkehr von vorübergehend, oder dauernd im Dienste des Völkerbundes stehenden Luftfahrzeugen zu.

treffen wären. Es wird sich gemäss Ziffer 2 der Resolution namentlich darum handeln, «die ordentlichen Vorschriften und die normalerweise einzuschlagenden Luftwege sowie d is Verfahren für die sofortige Benachrichtigung des Generalsekretärs über allfällige Abweichungen von diesen Regeln oder Luftwegen», im voraus zu bestimmen.

4. Erleichterungen für die zur Aufrechterhaltung der Verbindungen des Völkerbundes in Krisenzeiten dienenden Automobiltransporte. --· In letzter Stunde wurde der Versammlung ein vom beratenden Fachaüsschuss für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr an den Rat erstatteter *) S. 220.

149 Bericht zugestellt, in dein auseinandergesetzt wurde, dass, nachdem Massnahmen getroffen worden seien, um dem. Völkerbund in Krisenzeiten den telegraphischen und radiotelegraphischen Verkehr sowie die Luftverbindungen zu erleichtern, es nur folgerichtig wäre, wenn alle diese Vorkehrungen noch durch gewisse Erleichterungen für Automobiltransporte ergänzt würden. Im Einverständnis m i t seinem ständigen Komitee f ü r Strassenverkehr, d e m schuss eine Eeihe vonMassnahmen,, die wie folgt zusammengefasst werden können : 1. Automobile, die für den Völkerbund in Krisenzeiten Transporte ausführen, sollen ein besonderes Erkennungszeichen tragen; 2. der Wagenführer und die beförderten Personen sind mit offiziellen Ausweisen zu versehen, aus denen ihre Eigenschaft und ihr Auftrag sowie ihre Bestimmung und der in Aussicht genommene Beiseweg ersichtlich sind; 3. der Generalsekretär des Völkerbundes wird der Regierung des zu durchfahrenden Landes Ort und Zeit des Grenzübergangs sowie den Bestimmungsort telegraphisch bekanntgeben; 4. die Regierungen «werden gebeten werden», diesen Automobilen alle angängigen Verkehrserleichterungen zu gewähren, wobei die Behörde des durchfahrenen Landes die Entscheidung über den Eeiseweg trifft.

Die Kommission nahm die Anträge günstig auf; Einwendungen wurden nicht erhoben. Unser Vertreter in der Kommission wies lediglich darauf hin., dass wir dieser Eesolution unter dem ganz allgemeinen Vorbehalte zustimmten, dass die Einräumung der Erleichterung für die Automobiltransporte selbstverständlich unsere Neutralität, wie sie in der Londoner Erklärung vom 13. Februar 1920 umschrieben ist, in keiner Weise beeinträchtigen dürfe.

Mit dieser Erklärung sollte für die Schweiz durchaus nicht ein neues Recht beansprucht werden; sie war nur die Bestätigung eines offenkundigen Rechtszustandes; dennoch schien sie der französischen Delegation gefährlich. Wir hielten es indessen nicht für erforderlich, bei Anlass einer so nebensächlichen Präge wie die der Automobiltransporte über die schweizerische Neutralität im Völkerbund erneut eine Diskussion zu eröffnen. Unsere Lage ist in dieser Beziehung klar. Um nicht eine im Grunde überflüssige Erörterung in die Länge zu ziehen, begnügte sich deshalb unser Vertreter in der Kommission damit, dass seine Erklärung zu Protokoll genommen wurde. Die
Anträge des beratenden Fachausschusses wurden daraufhin an das Redaktonskomitee ' gewiesen, das sie mit nachträglicher Zustimmung der Versammlung in eine Eesolution fasste, die im Aufbau ungefähr derjenigen über die Flugzeuge entspricht. Der Wortlaut dieser Eesolution ist aus der Beilage ersichtlich 1).

5. Herabsetzung der Rüstungen. -- Das Problem der Abrüstung lag bis jetzt immer noch in den Händen des vorbereitenden Abrüstungsaus!) S. 222.

ISO Schusses. Dieser verfügte über alle erforderlichen Grundlagen; er hatte sie sich zum Teil durch seine frühere Arbeit selber verschafft, oder sie sind ihm durch die Erörterungen und Resolutionen mehrerer Völkerbundsversammlungen an die Hand gegeben worden. Die Versammlung hatte unter diesen Umständen zu einer neuen grundsätzlichen Erörterung der Frage keinen Anlass. Sie bekundete einzig die Hoffnung, dass die Arbeiten und Studien, die sich seit Jahren ohne entscheidendes Ergebnis hinziehen, bald beendigt sein möchten. Wie erwähnt, wurde in der Vollversammlung, bei Anlass der allgemeinen Aussprache, diese Forderung mehrfach erhoben.

Zahlreich waren auch die Delegationen, die in der dritten Kommission dem Wunsche Ausdruck gaben, dass der Abrüstungsausschuss in der NovemberTagung seine Tätigkeit zum Abschlüsse bringe, damit der Bat die allgemeine Konferenz zur Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen in möglichst kurzer Frist einberufen könne.

Es tauchte die Frage auf, ob es angezeigt sei, für die Einberufung der allgemeinen Abrüstungskonferenz einen bestimmten Zeitpunkt festzusetzen.

Gewisse Delegationen, namentlich die deutsche, verlangten, dass die Konferenz unter allen Umständen im Laufe des Jahres 1931 zusammentrete. Die Kommission glaubte aber mehrheitlich, eine solche Bindung nicht eingehen zu können. Einige Delegationen machten --· wie uns scheint mit Recht ·-- geltend, dass es kaum angehe, die Konferenz einzuberufen, bevor die Vorbereitungsarbeiten beendigt seien. Es hiesse den Völkerbund einer schweren Gefahr aussetzen, wollte man eine Konferenz von dieser Tragweite abhalten, ohne sich gegen das Risiko eines Misslingens nach Möglichkeit vorzusehen. Ist e$ von allergrösster Bedeutung, dass der Konferenz Erfolg beschieden sei, so wäre angesichts des hohen Zieles, das es zu erreichen gilt, allzu grosse Ängstlichkeit bezüglich der Fristen unangebracht. Hier ist auch der Grund, warum die Kommission und mit ihr die Versammlung beschloss, den Zeitpunkt der Konferenzeröffnung in das Ermessen des Rats zu stellen. Der Bat hat die moralische Pflicht, die Konferenz sobald als möglich einzuberufen; er ist sich seiner Verantwortung zu gut bewusst, um die Konferenz, auf die die öffentliche Meinung seit Jahren wartet, nicht ohne Not zu vertagen1). Um jedoch denjenigen eine gewisse Genugtuung zu
verschaffen, die glauben, um jeden Preis gewissen Gefahren eines Aufschubs zuvorkommen zu sollen, äusserte die Kommission auf Antrag der norwegischen Delegation in ihrem Bericht «den Wunsch, dass die allgemebe Konferenz noch im Laufe des Jahres 1931 einberufen werde».

6. Private und staatliche Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial.

Unser letzter Bericht gab darüber Aufschluss, unter welchen Umständen die Versammlung den Rat gebeten hatte, in Erwägung zu ziehen, ob nicht, sobald der vorbereitende Abrüstungsausschuss seine Arbeiten über die Veröffentlichungspflicht hinsichtlich des Kriegsmaterials abgeschlossen habe, zu veranlassen wäre, dass «der Sonderausschuss zu einer neuen Tagung ein') Seit der Niederschrift dieser Zeilen bat der Bat beschlossen, die Konferenz auf Februar 1932 einzuberufen.

151 berufen werde, damit er den Vorentwurf zu einem Abkommen vollenden» könne1). Da der vorbereitende Abrüstungsausschuss die betreffenden Arbeiten noch nicht beendigt hatte, war der Eat nicht in der Lage gewesen, den SonderauBBchuss neuerdings einzuberufen. Auf Verwenden der französischen Delegation, die auf die Gefahren hinwies, welche die private Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial birgt, solange sie nicht geordnet ist, beschloss die Kommission einstimmig, es sei dem Bäte zu empfehlen, den Sonderausschuss «unmittelbar nach dem Abschluss der Arbeiten des vorbereitenden Abrüstungsausschusses)' einzuberufen.

7. Überwachung des internationalen Handels mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial.-- Wie der Kommissionsbericht bemerkt, «ist das im jähre 1925 unterz eichnete Abkommen zur Überwachung des internationalen Handels mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial noch nicht in Kraft getreten, da die hierfür notwendige Zahl von vierzehn Batifikationen nicht erreicht wurde» 2 ). Im vergangenen Frühjahr hatte die britische Eegierung, die das Abkommen gern in Wirksamkeit sähe, die Absicht bekundet, dem Bäte die Einberufung einer Konferenz der Signatarstaaten zu beantragen, «damit sie prüfe, durch welches Mittel das Abkommen in möglichst kurzer Frist in Kraft gesetzt werden könnte».

Der Bat hatte sich tatsächlich in der Maisession mit dem britischen Antrage zu befassen, glaubte aber dem Vorschlag auf Einberufung der betreffenden Konferenz nicht beistimmen zu können. Er war der Ansicht, dass diese Frage aufs engste mit derjenigen der privaten Herstellung von Waffen und Munition zusammenhänge und dass es unter diesen Umständen angezeigt sei, mit einem Beschlüsse zuzuwarten, bis das Ergebnis der nächsten Tagung des vorbereitenden Abrüstungsausschusses vorliege. Die dritte Kommission der Versammlung sprach sich ihrerseits vorbehaltlos für die Verschiebung aus.

D. Finanzielle und verwaltungstechnische Fragen.

Herr Ceresa, Bechnungskommissär des Völkerbundes, hebt in seinem Rechenschaftsbericht über das Finanzjahr 1929 hervor, «dass die finanzielle Lage des Völkerbundes fortwährend sehr gut ist». Aus den der Versammlung übermittelten Dokumenten und aas dem Entwurf zum Voranschlage für 1981 geht in der Tat hervor, dass am 31. Dezember 1929 die Aktiven der Gesellschaft die Passiven um einen Betrag
von ungefähr 29 Millionen überstiegen.

Das Vermögen des Bundes hat sich somit in einem Jahre um mehr als drei Millionen vermehrt. Der Baufonds für den Palast im Arianapark erreichte annähernd 14 Millionen, den Fonds zur Schaffung einer Bibliothek (Schenkung Boekefellers) nicht Inbegriffen.

Bundesbl. 1929, Ed. III, S. 901.

Bis zum 30. September hatten mit oder ohne Vorbehalt ratifiziert: Ägypten, ·T China, Dänemark (das seine Ratifikation von derjenigen Schwedens und der Schweia abhängig gemacht hat), Frankreich, Grossbritannien, Liberia, Niederlande, Polen, Schweden, Spanien und Venezuela.

152 Die Präge der rückständigen Beiträge gibt immerhin Anlass zu etwelchei* Beunruhigung. Die nicht eingegangenen Guthaben beliefen sich am 81. Dezember 1929 auf mehr als 13 Millionen, d. h. beinahe 3 Millionen mehr als 1928. Allerdings schuldet ein Land für sich allein schon mehr als 8 Millionen.

Der verfügbare Überschuss dea Jahres 1929 betrug ungefähr anderthalb Millionen. Gemäss den Anträgen der Kontrollkommission sind 500,000 Franken zur Küekssahlung der Vorschüsse verwendet worden, die das Internationale Arbeitsamt im Jahre 1929 erhalten hatte; 200,000 Franken dienten zur Ablösung einer Hypothek auf der vom Völkerbund als Amtswohnung des General^ Sekretärs erworbenen Besitzung «La Pelouse»; ungefähr 800,000 Franken waren gemäss dem Finanzreglement den Staaten zurückzuerstatten. Ein Betrag von 700,000 Franken sollte ausserdem aus dem Baufonds den Staaten zurückbezahlt werden, die zu dessen Äufnung beigetragen haben.

Der der Versammlung unterbreitete Voranschlagsentwuri: für das Jahr 1931 belief sich im ganzen auf 29,966,486 Franken l ) (im Jahre 1980: 28,210,248 Franken). Diese Erhobung war nach der Ansicht der Kontrollkommission «im Interesse einer vorsichtigen Budgetpolitik notwendig, um der zunehmenden Tätigkeit des Bundes gerecht zu werden».

])ie im Budget vorgesehenen Beträge verteilten sich wie folgt auf das Sekretariat und seine technischen Organisationen, sowie auf das Internationale Arbeitsamt, den Ständigen Internationalen Gerichtshof und die «Liegenschaften in Genf»: Sekretariat . Fr. 16,505,473 (Fr. 15,965,256 für 1930) Internationales Arbeitsamt . . . » 8,573,047 ( » 8,552,011 » 1930) Ständiger Internationaler Gerichtshof » 2,717,094 ( » 2,267,981 » 1930) Liegenschaften » 2,170,822 ( » 1,425,000 » 1930) Zu den Zahlen für das Sekretariat und die besonderen Organisationen ist zu bemerken, dass der Voranschlag der Wirtsehafts- und Finanzorganisation, deren Tätigkeit ständig zunimmt, von Fr. 1,852,777 (Voranschlag für 1930) auf Fr. 1,481,456 ansteigt. Die Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr sieht eine Ausgabe von beinahe einer halben Million vor, was gegenüber dem Voranschlage für 1980 eineZunahme von rund 90,000 Franken bedeutet. Die Hygieneorganisation, deren Ausgaben man früher auf eine Million stabilisieren wollte, erklärt erneut, dass sie sich angesichts
der ihr obliegenden wichtigen Aufgaben nicht mit, dem Prokrustesbett abfinden könne, zu dem die Versammlung sie verurteilt zu haben schien; sie sucht dementsprechend um einen Kredit von Fr. 1,319,976 nach, der zusammen mit dem aus dem Rockefeller-Fonds stammenden Beitrag von ungefähr Fr. 750,000 es ihr er1 ) La diesem Betrag war jedoch auch eine erste Anzahlung von Fr, 795,822 für die radiotelegraphische Station enthalten, die eine Ausgabe auf Kapitalrechnung darstellt.

153 möglichen wird, sich ihrer verschiedenen Aufgaben zu entledigen. Die mutmasslichen Ausgaben der Mandatsektion und der Sektion für Abrüstung verbleiben dagegen annähernd auf gleicher Höhe (ungefähr Fr. 800,000 für jede).

Einzig die Sektion für geistige Zusammenarbeit befindet sich, was den Voranschlag anbetrifft, auf absteigender Linie (ungefähr Fr. 250,000) ; diese Ersparnis findet ihre Erklärung in der Tatsache, dass der grösste Teil des Werkes der geistigen Zusammenarbeit im internationalen Institut für geistige Zusammenarbeit in Paris vereinigt ist.

Der Voranschlag des Internationalen Arbeitsamtes legt dieses Jahr Zeugnis vom Bestreben ab, Ersparnisse zu erzielen. Er verlangt von den beitragspflichtigen Staaten eine Mehrbelastung von Fr. 21,086 (Fr. 9,039,110 für 1981). Der Voranschlag des Ständigen Internationalen Gerichtshofes ist in zwei Varianten aufgestellt worden, weil man bei der Ausarbeitung noch nicht wusste, ob das revidierte Statut, das Mehrausgaben von ungefähr 100,000 Gulden zur Folge hätte, in Kraft treten werde oder nicht (Voranschlag A: Fr. 2,481,715, Voranschlag B: Fr. 2,717,094).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Entwurf des allgemeinen Voranschlags für 1931 beinahe dasselbe» Bild bietet, wie derjenige für letztes Jahr; immerhin sind die Ausgaben noch gestiegen und reichen nun fast an die 80 Millionen heran. Dieser Betrag braucht angesichts der vielseitigen und bedeutenden Aufgaben, die dem Völkerbund auf allen wichtigern Gebieten menschlicher Tätigkeit obliegen, an sich nicht übersetzt zu sein. Der Voranschlag erreicht aber doch ein Ausmass, das alle Anstrengungen rechtfertigt, Ersparnisse zu erzielen, ohne den Völkerbund irgendwie in der Erfüllung seiner hohen Mission zu behindern. In diesem Sinne hat sich auch die schweizerische Delegation den erhaltenen Instruktionen gemäss tatkräftig an den Verhandlungen der vierten Kommission der Versammlung beteiligt; diese Kommission setzt bekanntlich jeweilen das Budget für das folgende Jahr endgültig fest und befindet ganz allgemein über alle Fragen, die Ausgaben nach sich ziehen oder die Finanzpolitik des Völkerbundes berühren.

Nach Genehmigung der Abrechnungen für das Jahr 1929, des Berichts des Generalsekretärs über die Finanzlage am 31. August 1930 und des Berichts über die neuen Arbeiten, die für den Völkerbund
erhöhte finanzielle Lasten mit sich bringen, ging die vierte Kommission zur allgemeinen Besprechung des Voranschlagsentwurt's über. Die Verhandlung war wie gewohnt ziemlich lebhaft. Mehrere Delegierte führten die Notwendigkeit vor Augen, dem An^ wachsen der Ausgaben entgegenzutreten.

Unser Delegierter in der vierten Kommission, Herr Professor Kappard, machte aus unsern Besorgnissen in dieser Beziehung kein Hehl. Er drang auf eine strenge Überwachung des Voranschlages sowie der Amtstätigkeit der ausführenden Organe. Die wahren Freunde des Völkerbundes, erklärte er, sind nicht diejenigen, die leichten Herzens neuen Ausgaben zustimmen; es sind vielmehr «diejenigen, die alles tun, was an ihnen liegt, um ihn vor dem Vorwurfe der Verschwendung zu bewahren». Verschiedene Delegierte, insbesondere

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der deutsche, der niederländische, der schwedische und der österreichische, unterstützten diesen Ruf nach Sparsamkeit.

Der Delegierte von Liberia machte darauf aufmerksam, dass die Einberufung allgemeiner Konferenzen ausserhalb des Sitzes des Völkerbundes, erhöhte Ausgaben verursache; er verlangte, dass man beschliesse, ein für allemal mit diesem Wandersystem aufzuräumen. Sein Begehren wurde vom Generalsekretär und von etlichen Delegierten, vor allem dem deutschen und dem österreichischen, unterstützt.

Der Voranschlag des Internationalen Arbeitsamtes wurde ohne Erörterung" genehmigt. Herr Albert Thomas kündigte an, dass der Verwaltungsrat der internationalen Arbeitsorganisation beabsichtige, nächstes Jahr um einen Kredit zur Vergrösserung des Gebäudes des Internationalen Arbeitsamtes,, die nach der Ansicht des Verwaltungsrats nötig geworden ist, einzukommen.

Der Voranschlag des Ständigen Internationalen Gerichtshofes wurde vor) der Kommission ebenfalls diskussionslos angenommen.

Nach Zustimmung zu verschiedenen Nachtragskrediten unterbreitetedie Kommission der Versammlung den endgültigen Voranschlagsentwurf für 1981. Er beläuft sich auf Fr. 81,637,501 l). Die Versammlung genehmigteihn .ohne Erörterung, nachdem einige Delegationen bereits in der vierten Kommission den Bedenken gegenüber der erheblichen Erhöhung Ausdruck verliehen hatten, die er im Vergleiche zum vorhergehenden aufweist.

Die Kommission hatte ausserdem verschiedene weitere auf ihrer Tagesordnung stehende Fragen zu prüfen. Es handelte sich namentlich um den schweizerischen Antrag betreffend die Nichtwiederwählbarkeit der Mitglieder der Kontrollkommission, um die Teilerneuerung dieser Kommission, um die Reorganisation des Sekretariats, des Internationalen Arbeitsamtes und des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, um die Frage der rückständigen Beiträge und um die Errichtung neuer Gebäude für den Völkerbund.

1. Nichtwiederwählbarkeit der Mitglieder der Kontrollkommission. -- Voriges Jahr hatten wir berichtet, dass die schweizerische Delegation durch.

Vermittlung des Herrn Eappard der vierten Kommission vorgeschlagen, hatte, das System für die Wahlen in die Kontrollkommission nach dem Grundsatze dès tatsächlichen Wechsels auszugestalten. Es sollte damit vermieden, werden, dass ständig die gleichen Staaten in der Kontrollkommission
vertreten seien 2). Mehrere Delegationen hatten dazu bemerkt, dass ihnen zwar der Vorschlag der schweizerischen Regierung beachtenswert scheine, dass sie aber *) Der Voranschlag setzt sich wie folgt zusammen: 1. Sekretariat und besondere Organisationen Fr. 17,091,586 2. Internationale Arbeitsorganisation. . . .

» 8,661,652 3. Ständiger Internationaler Gerichtshof . . » 2,712,668 4. Liegenschaften in Genf (vgl. unten) . . . » 2,170,822 5. Buhegehälter (vgl. unten) » 1,000,773 Fr. 31,637,501 B ) Vgl. ungerti Bericht über die zehnte Versammlung, Bundesbl. 1929, Bd. III,.

S. 906 und 907.

15& mangels Instruktionen nicht wohl sofort dazu Stellung nehmen könnten; Es war deshalb in der Kommission der Wunsch geäussert worden, dass man die Prüfung dieser Frage auf das folgende Jahr verschiebe und die schweizerische Regierung einladender Versammlung einen bestimmten Antrag zu stellen.

Diesem Wunsche nachkommend, bat der Bundesrat mit Brief vom 8. Juli 1930 den Generalsekretär, die Frage auf die Tagesordnung der Versammlung zu setzen. Zur Begründung seines Antrages legte er dem Sekretariat eineDenkschrift vor, in der er kurz Ziel und Tragweite seines Vorschlags auseinandersetzte. Wie der Bundesrat geltend machte, könnte nach dem gegenwärtigen, im Artikel l des Finanzreglements festgelegten System «die Kommission, diebei der Ausarbeitung des Voranschlags für die Völkerbundseinrichtungen -- eines .Voranschlags von mehr als Fr. 28,000,000 für 1980 -- eine wichtige Eolle zu spielen berufen ist, während einer unbestimmten Anzahl von Jahren' unveränderlich die gleiche Zusammensetzung aufweisen». Diese Ordnung ist nach unserer Meinung «nicht in allen Teilen vereinbar mit dem Grundsatz^ der Gleichheit, der in der Versammlung so viel als möglich zur Geltung kommen sollte». Vielmehr wäre es unseres Erachtens «logischer und angemessener,, alle Mitgliedstaaten des Völkerbundes der Eeihe nach zu berufen, in der Person ihrer Vertreter ein für die Finanzen des Völkerbundes so wichtiges Amt auszuüben; übrigens würde dies auch einer vernünftigen Auffassung über da& Wesen der verwaltungstechnischen Kontrolle besser entsprechen». Wir gaben darum der Überzeugung Ausdruck, «dass es für den Völkerbund und für den Geist, in dem er wirken soll, von Vorteil wäre, wenn der Artikel l, Absatz 8, des Finanzreglements abgeändert würde» 1 ). Nach unserer Meinung handeltees sich nicht notwendigerweise darum, «in diesem Artikel den Grundsatz der Wiederwählbarkeit schlechtweg durch denjenigen der Nichtwiederwählbarkeit zu ersetzen». Wir erklärten im Gegenteil, dass, «wenn es auch aus grundsätzlichen Erwägungen wünschenswert ist, die Kontrollkommission zu erneuern, es doch durchaus angezeigt wäre, der Versammlung die Möglichkeit zu lassen, nach Ablauf einer gewissen Frist von neuem eine besonders sachkundige Persönlichkeit zu berufen, die bereits Mitglied der Kommission gewesen ist».

Mehrere Delegationen unterstützten
den schweizerischen Antrag, so insbesondere die italienische und die ungarische. Spanien allein erwies sieb als überzeugter Anhänger der bisherigen Eegelung, aber die Kommission sprach sich mehrheitlich zugunsten einer Änderung des Finanzreglements aus.

Der Vertreter der Niederlande erklärte, er schliesse sich unserem Vorschlag: unter der Bedingung an, dass die Amtsdauer -der Kommissionsmitglieder von drei auf fünf Jahre verlängert werde. Herr Eappard war damit einverstanden, doch drang der Antrag nicht durch. Die Mehrheit der Kommission war für eine Verlängerung der Amtsdauer nicht zu haben. Sie war jedoch der Ansicht, J ) Dieser Absatz sieht vor, dass die Amtsdauer der Mitglieder der Kontrollkommission «drei Jahre beträgt und mit drei Rechnungsjahren zusammenfällt»; er bestimmt jedoch zugleich, dass die austretenden Mitglieder wiederwählbar sind.

156 dass die Kontrollorgane, um ihrer Aufgabe gewachsen zu sein, über eine ziemlich lange Erfahrung verfügen müssen und dass es infolgedessen angezeigt sei, ihnen die Möglichkeit zu lassen, wenigstens einmal in Wiederwahl zu kommen, so dass sie ununterbrochen während sechs Jahren im Amte bleiben können.

Gemäss einem von Herrn ßappard sofort angenommenen Antrag des österreichischen Delegierten, Herrn Hoffinger, empfahl die Kommission schliesslich einstimmig, dem Artikel l, Absatz 3, des Finanzreglements («Die austretenden Mitglieder sind wiederwählbar») folgende neue Fassung zu geben: «Nach Ablauf ihrer Amtsdauer können die austretenden Mitglieder nur für eine einzige weitere Amtsdauer von drei Jahren wiedergewählt werden.

Dieser Grundsatz steht jedoch einer spätem Neuwahl der nämlichen Mitglieder nicht entgegen, wenn seit dem Ablauf ihrer letzten Amtsdauer wenigstens drei Jahre verflossen sind.» 'Die Versammlung genehmigte diesen Antrag *).

2. Teilerneuerung der Kontrollkommission. -- In Übereinstimmung mit Artikel l des Eeglements betreffend die Finanzverwaltung des Völkerbundes sollte, um einen jährlichen Wechsel in der Wahl der Mitglieder der Kontrollkommission zu ermöglichen, die Amtsdauer von zwei Mitgliedern Ende 1930, diejenige von zwei weitem Ende 1981 und diejenige des fünften Ende 1932 ablaufen. Die Eeihenfolge für den Ablauf der Mandate hatte das Los zu bestimmen. Da aber ein Mitglied der Kommission, Herr Osusky, im Vorjahr nach der Versammlung eine Wiederwahl abgelehnt hatte, bestand die Kommission tatsächlich nur noch aus vier Mitgliedern. Die vierte Kommission war der Meinung, dass es unter diesen Umständen am einfachsten sei, dieses Jahr bloss ein Mitglied austreten zu lassen 2).

Es handelte sich nun darum, das i'reigewordene Mandat neu zu besetzen und ein fünftes Kommissionsmitglied zu bezeichnen. Gemäss einer Besolution vom Vorjahre waren diese beiden Wahlen von der Versammlung auf Vorschlag des Bureaus vorzunehmen. Der norwegische Delegierte, Herr Hambro, beanstandete dieses Verfahren; er verlangte, dass die Aufgabe, der Versammlung Vorschläge für die Wahl der Mitglieder der Kontrollkommission zu unterbreiten, nicht dem Bureau übertragen werde, sondern der vierten Kommission selber, da diese eher befähigt sei, die Mitglieder eines Organs von der Art der Kontrollkommission zu
bezeichnen. Der norwegische Vorschlag wurde von der Kommission und von der Versammlung gutgeheissen. Die Herren Osusky und Eéveillaud wurden daraufhin von der Versammlung zu Mitgliedern der Kontrollkommission für die am 31. Dezember 1988 zu Ende gehende Amtsdauer ernannt 3 ).

J

) Vgl. die Resolution der Versammlung in der Beilage, S. 226.

'3*) Das Los fiel auf Herrn Keveülaud, Frankreich.

) Als Ersatz für Prinz Varnvaidya und Herrn Botella, die ihre Demission eingereicht hatten, wurden für die am 31. Dezember 1932 ablaufende Amtsdauer die Herren von Modzelewaki (Polen) und von Ottlik (Ungarn) zu stellvertretenden Mitgliedern gewählt.

157 3. Organisation des Sekretariats, des Internationalen Arbeitsamtes und des Ständigen Internationalen Gerichtshofes. -- Die Kommission von dreizehn Mitgliedern, die von der letzten Versammlung mit der Prüfung der Massnahmen beauftragt worden war, welche am ehesten geeignet wären, «auch für die Zukunft Gewähr für grösstmögliche Leistungsfähigkeit der Verwaltung des Sekretariates, des Internationalen Arbeitsamtes und der Gerichtsschreiberei des Ständigen Internationalen Gerichtshofes» zu bieten1), hielt zwei Bitzungen ab, die eine im Januar/Februar, die andere im Juni, Sie stattete über den ganzen Fragenkomplex einen eingehenden Bericht ab, der im Schosse der vierten Kommission zu gründlicher Erörterung Anlass gab. Wie der Bericht selber bemerkte, war es nicht möglich gewesen, für alle seine Ergebnisse Einstimmigkeit ssu erzielen.

Dem Mehrheitsberichte folgten daher die Bemerkungen der Minderheit, die aus den Herren Graf Bernstorff (Deutschland), Oallavresi (Italien), ParraPorez (Venezuela) und Urrutia (Kolumbien) bestand. Die beiden bereits an der letzten Versammlung zutage getretenen Eichtungen waren einander bei eingehender Prüfung nicht nur nicht nähergekommen, sondern hatten vielmehr mit grosser Bestimmtheit Stellung bezogen. Allerdings wurden nicht alle von der Mehrheit im Bericht niedergelegten Meinungen von der Minderheit bekämpft. Im Grunde genommen hatte nur über zwei, allerdings wichtige Fragen keine Einigung erzielt werden können, nämlich über die Fristlosigkeit des Anßtellungsverhältnisses der Sektionschefs und Sektionsmitglieder und über die Oberleitung des Sekretariats.

Der Mehrheitsbericht bezieht sich auf drei Gruppen von Fragen: auf die Bechtsstellung des Personals im allgemeinen, auf die Oberleitung des Sekretariats und auf die Buhegehälter, a. Bechtsstellung des Personals im allgemeinen. Die sogenannte Dreizehnerkommission verlangt, dass noch mehr Nachdruck auf den Grundsatz verlegt werde, wonach die internationalen Beamten nicht ein nationales, sondern ein internationales Amt ausüben und folglich «von irgendeiner Begierung oder von irgendeiner andern Amtsstelle als dem Sekretariate des Völkerbundes Weisungen weder zu erbitten noch entgegenzunehmen haben». Es wird ausserdem vorgesehen, dass «sich kein Mitglied des Sekretariats, solange es im Dienste ist, in seinem Lande um
eine Beamtung politischer Natur bewerben» dürfe.

Die Kommission ist ferner der Meinung, dass die unbefristete Anstellung, so gut wie für eine nationale auch für eine internationale Verwaltung eine Garantie bedeute, der sie nicht entraten könne; demnach sei es angezeigt, allen Beamten, mit Ausnahme der Oberleitung des Sekretariats, den Vorteil unbefristeter Anstellungsverträge zu bieten, wobei es dem Generalsekretär unbenommen bleibe, alle sieben Jahre diejenigen Beamten zu entfernen, «deren Unfähigkeit klar zutage getreten ist und deren Leistungen nicht 1

) Resolutionen der Versammlung in der Beilage, S. 225.

Bundeablatt. 83, Jahrg. Bd. I.

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158 genügen». «Wenn man die kurzfristigen Verträge verallgemeinern wollte,» stellt sie fest, «so raüsste mau ständig auf Beamte der nationalen Verwaltungen zurückgreifen, die sich dann leicht während ihres kurzen Aufenthaltes im Sekretariat als Vertreter ihrer Eegierung betrachten könnten, da sie gewohnt wären, von dieser ihre Instruktionen entgegenzunehmen und auch die Zukunft dieser Beamten von ihrer Eegierung abhängen würde». Die Minderheit tritt dagegen, was die Sektionschefs und die Mitglieder der Sektionen anbelangt,, für die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes ein (siebenjährige Anstellungsverträge mit der Möglichkeit der jeweiligen Erneuerung von sieben zu sieben.

Jahren). Sie ist der Meinung, dass das höhere Personal vor der Gefahr der Verknöcherung bewahrt werden müsse. Bei unbefristetem Anstellungsverhältnis wäre nach ihrer Ansicht zu besorgen, dass auf Lebenszeit angestelltcBeamte «den Geist des Ansporns und der Initiative» verlieren könnten, dessen sie in einer jungen Einrichtung wie der Völkerbund bedürfen.

b. Oberleitung des Sekretariats. Die Mehrheit stellt den Grundsatz auf, dass die höheren Posten allen Nationalitäten zugänglich bleiben sollen.

Um die Anwendung dieses Prinzips zu erleichtern, beantragt sie, fünf neue Posten von Untergeneralsekretären zu schaffen. «Diese massige Vermehrung»,, meint sie, «würde den berechtigten Ansprüchen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes weitgehend Genüge tun». Sie hätte nach ihr den Vorteil, «den Teil der Organisation des Sekretariats, der während der letzten zehn Jahre mit Erfolg und reibungslos seine Arbeit verrichtet hat, keiner wesentlichen Änderung zu unterwerfen».

Die Minderheit schlägt im Gegenteil eine ziemlich tiefgreifende Eeform in der Oberleitung des Sekretariats vor. Von der Ansicht ausgehend, dass das Sekretariat eine wichtige politische Eolle spiele, die nicht einer einzigen Person überlassen werden dürfe, würde sie die Schaffimg einer «kollektiven Leitung durch eine begrenzte Anzahl von Beamten» vorziehen; aber in Ermangelung dieses Systems, das gegenwärtig vielleicht nicht durchführbar wäre, tritt sie nachdrücklich für eine Ordnung ein, bei der «der Generalsekretär, wiewohl allein verantwortlich, in der Ausübung seiner Obliegenheiten von einem Komitee von Untergeneralsekretären unterstatzt wird, das sich über alle
Fragen politischer und grundsätzlicher Natur auf dem laufenden zu halten und dem Generalsekretär über alle einigermassen wichtigen Angelegenheiten seine Mei-, nung bekanntzugeben hat». Dieses Komitee würde aus fünf Untergeneralsekretären bestehen, von denen jeder mehrere Sektionen unmittelbar zu überwachen hätte; der Posten eines Adjunkten des Generalsekretärs könnte aufgehoben werden. Vier von den fünf Untergeneralsekretären wären Angehörigeder Mächte mit ständigem Eatssitze; der fünfte würde im Gegenteil einer nicht ständig im Bäte vertretenen Macht angehören, was nach der Meinung der Antragsteller den Staaten zur Genugtuung gereichen würde, die nicht als «Staaten mit allgemeinen Interessen» gelten. Die Direktorposten könnten ebenfalls diesen letztern Staaten vorbehalten bleiben, und dieser Vorteil würde noch dadurch an Bedeutung gewinnen, dass «der an der Behandlung einer

159 bestimmten Frage beteiligte Direktor stets eingeladen würde, an der Sitzung des beratenden Komitees teilzunehmen».

Die Mehrheit beanstandete diese Lösung, da sie nach ihrer Auffassung darauf hinauslaufen würde, «die höhern Posten allen Beamten des Sekretariats, mit Ausnahme derjenigen, die zu den begünstigten Staaten gehören, endgültig zu verschliessen» und folglich «die bevorzugte Stellung der ständigen Vertreter im Eate ungeschmälert aufrechtzuerhalten», «Diese Ordnung der Dinge», fügt, sie bei, «hätte zur Folge, dis Lage der Direktoren zu verschlechtern, die Unterscheidung zwischen den Kategorien von Staaten noch fühlbarer werden zu lassen und, weit entfernt davon, die Klagen gewisser Staaten /um Verstummen zu bringen, sie nur noch zu verschärfen.» Die italienische Eegierung, die für den Plan eines beratenden Komitees eintrat, hatte zuhanden der Regierungen eine Denkschrift veröffentlicht, in der sie die Gründe darlegte, die man zugunsten der vorgeschlagenen Eeform anführen kann. Sie hob unter anderem hervor, dass «vom politischen Gesichtspunkt aus der internationale Charakter der Oberleitung nicht hinreichend gewährleistet scheine, solange nur die Angehörigen von zwei Staaten berufen seien, sich in die Oberleitung des Sekretariats zu teilen». Sie bemerkte ferner, «dass das System der unbefristeten Anstellungsverträge für das Personal der ersten Abteilung» dazu führen würde, «eine vom Geiste der Eoutine und von der Angst vor der Verantwortlichkeit beschwerte Bürokratie zu schaffen». Sie wies ausserdem mit Nachdruck auf die ungleiche Verteilung der Posten im Sekretariate hin, indem sie geltend machte, dass «nur 38 von 54 Mitgliedstaaten Angehörige in der ersten Kategorie der Beamten des Sekretariates» hätten, während «16 Mitgliedstaaten überhaupt nicht vertreten» seien.

c. Euhegehälter. Die Dreizehnerkommission verficht die Notwendigkeit, Euhegehälter vorzusehen. «Es erscheint in der Tat», sagt sie, «für die Auslese bei der Anstellung und für die Erhaltung eines hohen Eignungsdurchschnitts von ausserordentlicher Wichtigkeit, dass die Beamten des Sekretariats einer gesicherten Zukunft entgegensehen können und umgekehrt selber Gewähr für Ständigkeit bieten.» Das vorgesehene System hängt, wie sie beifügt, «eng zusammen mit der Permanenz des AnsteUungsverhältnisses, die sie zur Grundlage der
Eekrutierung gemacht hat». Die Kommission tritt unter anderm für folgende Grundsätze ein : Die Pensionsordnung ist anwendbar auf alle Beamten, die auf unbestimmte Zeit oder für wenigstens sieben Jahre gewählt worden sind oder auf solche, die sieben ununterbrochene Dienstjahre aufweisen. Das Eücktrittsalter ist auf sechzig Jahre festzusetzen. Das Maximum der Pension (50 % der mittleren Besoldung des Beamten im Verlaufe der letzten drei Dienstjahre) steht denjenigen Beamten zu, die ausser dem sechzigsten Altersjahre auch das fünfundzwanzigste Dienstjahr überschritten haben. Bis zu zehn Dienstjahren ist der Beamte nur «Spareinleger»; vom zehnten Dienstjahr an hat der Berechtigte die Wahl zwischen «einer Kapitalentsehädigung, einer Verhältnismassigen Pension oder gegebenenfalls einer aufgeschobenen Eente». Der

160 invalide Beamte «hat Anspruch auf die Pension, die er bezogen hätte, wenn er bis zu seinem sechzigsten Altersjahre im Dienste des Völkerbundes gebheben wäre, berechnet nach der Besoldung, die er bezog, als seine Invalidität festgestellt wurde», Pensionen werden auch dem überlobenden Ehegatten und den Kindern, für die der Verstorbene sorgte, ausgerichtet. Die Mittel für die Pensionskasse werden durch Beiträge des Beamten (6%% der Besoldung für das Personal der ersten Abteilung und 5 % der Besoldung für das Personal der zweiten und der dritten Abteilung) und des Völkerbundes (7,76 % und 10,86 % des Gesamtbetrages der Besoldungen für die Übergangsperiode) aufgebracht.

Die Kommission hebt hervor, dass sich «die jährliche Belastung über die im Budget für die Fürsorgekasse vorgesehene Summe hinaus auf weniger als eine Million Schweizerfranken (ungefähr Fr. 843,000) belaufen würde». Die Pensionsordnung würde auf den 1. Januar 1981 in Kraft treten.

Die Schlussfolgerungen der Droizehnerkommission und die Stellungnahme der Minderheit führten, wie gesagt, zu einer einlässlichen allgemeinen Erörterung, in der nicht weniger als 26 Delegierte das Wort ergriffen. Was die Reorganisation des Sekretariats anbelangt, so gab die Mehrheit der Delegationen im allgemeinen den Anträgen der Dreizehnerkommission den Vorzug. Einige Delegationen bekämpften zwar die Schaffung eines beratenden Komitees, für die sich namentlich die italienische .Regierung einsetzte, machten aber auch Einwendungen gegen den Vorschlag, die Zahl der Untergeneralsekretäre zu erhöhen. China und Norwegen verlangten sogar die vollständige Abschaffung dieser Stellen. Herr Rappard machte darauf aufmerksam, dass bei einer Erhöhung der Zahl von Untergeneralsekretären aus Gründen der Nationalität und zum Schaden von durchaus befähigten Direktoren Ungerechtigkeiten unvermeidlich wären. Er wies mit allem Nachdruck auf die Notwendigkeit hin, die tatsächliche Vorherrschaft der Grossmächte in der Besetzung der obern Stellen allmählich auszuschalten. Den sogenannten Staaten «mit allgemeinen Interessen», bemerkte er, ständen nicht weniger als fünfzig Staaten gegenüber, deren Bevölkerung zahlreicher sei als die ihrige, da sie ja schon die Bevölkerung Chinas und Indiens einschliesse. Es sei ungerecht, das Übergewicht zugunsten der einen von beiden Staatengruppen
zu verewigen.

Die Permanenz des Anstellungsverhältnisses für das hohe Personal, mit Ausnahme des leitenden, vereinigte ebenfalls die Mehrheit der Stimmen auf sich. Gewisse Delegationen, wie z. B. die schwedische, hegten indessen noch Zweifel über die Zweckmässigkeit der von der Mehrzahl verfochtenen Reform.

Die schweizerische Delegation sprach sich für Dauerverträge aus. Denn Dauer bedeutet Unabhängigkeit, und diese Unabhängigkeit des internationalen Beamten gegenüber seiner eigenen Regierung ist, wie Herr Rappard bemerkte, für den Völkerbund unerlässlich. Unser Vertreter verschloss sich übrigens der Erkenntnis nicht, dass die Aufrechterhaltung einer gewissen Fühlung mit den Regierungen für das Sekretariat von Nutzen wäre; deshalb befürwortete er, auch zeitweilige Beamte zu berufen, die eine gewisse Verbindung mit ihrem Lande aufrechterhalten würden. Durch die Heranziehung zeitweiliger Mit-

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arbeiter könnte der von der Minderheit befürchteten Gefahr der Abkapselung begegnet werden.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Minderheit betreffend die Schaffung eines beratenden Komitees unter Namensaufruf mit 80 gegen 5 Stimmen verworfen. Bezüglich der Untergeneralsekretäre war die Kommission der Ansicht, die ÜVage sei noch nicht hinreichend abgeklärt, und sie beschloss auf Antrag Japans Eückweisung an eine Sonderkommission, die bis zur nächsten Versammlung die Beibehaltung oder Abschaffung der Untergeneralsekretärstellen, die Vermehrung oder die Verminderung ihrer Mahl sowie die möglichen Folgen zu prüfen hat.

Über die allgemeinen Pflichten des Personals gelangte die Kommission ziemlich leicht zu einer Verständigung. Auf Vorschlag der niederländischen und norwegischen Delegation wurde unter anderm beschlossen, von den Beamten des Völkerbundes inskünftig ein schrif tliches « Gelübde der Unparteilichkeit und Verschwiegenheit» zu verlangen. Herr Rappard wies auf die grundlegende Bedeutung dieser Frage hin. «Der Völkerbund», sagte er mit andern, «wird in hohem Masse sein, was sein Sekretariat ist». Die höchste Eigenschaft, die von einem internationalen Beamten verlangt werden muss, ist die Unparteilichkeit.

Der Vorschlag, in Zukunft für die Sektionschefs und die Mitglieder der Sektionen Anstellungen von unbefristeter Dauer vorzusehen, drang mit 30 gegen 8 Stimmen, bei 4 Enthaltungen, durch. Dem Generalsekretär wurde durch Handaufheben die Befugnis eingeräumt, zeitweilige Beamte anzustellen.

Die Kommission sprach sich sodann für eine Einteilung des Sekretariats in vierzehn Sektionen aus. Betreffend die Anstellung des Personals, die Besoldungen und Beförderung, den Urlaub usw. wurden verschiedene Anträge der Dreizehnerkommission angenommen. Andere wurden verworfen oder zurückgelegt; es war dies auf die kritischen Einwendungen zurückzuführen, mit denen verschiedene Delegierte, insbesondere der schwedische und der schweizerische, dem Bestreben entgegentraten, die bereits verhältnismässig hohen Besoldungen noch hinaufzusetzen, und zwar in einem Zeitpunkte, wo in der ganzen Welt eine scharfe Wirtschaftskrise herrscht und wo zugunsten des Personals eine Pensionsordnung geschaffen wird, die seine Zukunft sicherstellt. Die Rolle der schwedischen und der schweizerischen Delegation, um nur von diesen
beiden zu sprechen, war allerdings undankbar; aber sie ist sicher von Nutzen gewesen, wenn sie auch an Ergebnissen nicht so fruchtbar war, wie man hätte wünschen mögen.

Die Kommission nahm die grundsätzliche Zubilligung von Pensionen an das Personal der Völkerbundseinrichtungen günstig, beinahe mit Einstimmigkeit auf. Auch das in seinen Grundzügen von der Dreizehnerkommission vorgesehene System fand zur Hauptsache allgemein Anerkennung. Ein Statutenentwurf, der von der gleichen Kommission am 15. September angenommen worden war, wurde der vierten Kommission zur Beratung unterbreitet. Diese

162 besprach ihn in mehreren Sitzungen, nachdem sie ihn zuerst an eine Unterkommission zurückgewiesen hatte, der auch Herr Eappard angehörte. Zu Beginn der Besprechung erklärte unser Vertreter, der Bundesrat sei der geplanten Pensionsordnung durchaus günstig gesinnt; das Projekt werfe aber eine ganze Anzahl schwieriger Fragen auf, und andererseits sei der erwähnte Statutenentwurf erst nach der Eröffnung der Versammlung verteilt worden, so dass die Regierungen nicht die Möglichkeit gehabt hätten, ihn im einzelnen zu prüfen. Herr Eappard verlangte daher im Namen der schweizerischen Delegation, dass die neue Ordnung erst am 1. Januar 1982, aber mit Bückwirkungauf den l. Januar 1981 in Kraft trete. Dieser Vorschlag, der von neun Delegationen unterstützt wurde, hätte sowohl das Prüfungsrecht der Regierungen als auch die Interessen des Personals gewahrt. Wie unser Delegierter bemerkte, wollte sem Antrag durchaus nicht etwa die Buhegehälter grundsätzlich wieder in Frage stellen, sondern bloss in der öffentlichen Meinung nicht «das Gefühl aufkommen lassen, man habe den Entscheid überstürzt». Das «ausserordentlich beschleunigte» Verfahren, das wir mit andern beanstandeten, fand nichtsdestoweniger vor den Augen der Kommission Gnade. Man wendete ein, das Personal warte seit zehn Jahren auf die Schaffung einer Pensionsordnung, und es sei nicht angezeigt, seine Geduld erneut auf die Probe zu stellen. Es wurde dementsprechend beschlossen, die Pensionsordnung vom 1. Januar 1931 an anzuwenden. Nachdem sie ihre Bedenken vorgebracht hatte, fügte sich die schweizerische Delegation der Mehrheit, und unser Delegierter nahm an der Bereinigung des Statutenentwurfs für die Pensionen tätigen Anteil. Insonderheit brach er wiederholt eine Lanze zugunsten des in Genf selbst rekrutierten Personals, dessen Interessen durch den in Beratung stehenden Entwurf nicht genügend gewahrt worden waren, und hatte die Genugtuung, die ganze Kommission für seine: Ansicht zu gewinnen.

Die Statuten für die Pensionen bestimmen im Artikel 8, dass die Anwendung ihrer Vorschriften und die Verwaltung der Pensionskasse einem Verwaltungsrat obliegen, der aus drei von der Versammlung gewählten Mitgliedern, einem Vertreter des Generalsekretärs des Völkerbundes, einem Vertreter des Direktors des Internationalen Arbeitsamtes und zwei von den Beamten in
geheimer Abstimmung gewählten Mitgliedern besteht. Herr Bappard wurde von der Versammlung zum Mitglied dieses Verwaltungsrates gewählt.

4.''Rückständige Beiträge. -- Ein Tjnterausschuss wurde beauftragt, die Frage der seit dem; 31. Dezember Ì929 ausstehenden Beiträge zu prüfen.

Sie legte der Kommission einen vertraulichen Bericht vor. Ihr Präsident, Graf Moltke, erwähnte, dass tatsächlich nur drei Staaten nennenswert im Büekstand seien. Wie er feststellte, «beläuft sich der Prozentsatz der bezahlten Beiträge nach dem Stande 'vom 30. September 1980 auf 93,35%», Die nichtbezahlten Beiträge machen gleichwohl mehrere Millionen aus. Die Kommission war deshalb der Ansicht, man müsse sich in Zukunft ernstlich mit der Lösung dieses Problems befassen. China, der grösste Schuldner des Völkerbundes, erbot

163 ·sich an, seine Bückstände binnen zwanzig Jahren zu tilgen. Dieser Vorschlag ·wurde von der Versammlung angenommen r).

5, Völkerbundsgebäulichkeiten. -- Die zehnte Versammlung hatte den Schlussbericht des fünfköpfigen Sonderkomitees betreffend die neuen Gebäulichkeiten 2) genehmigt, aber sie hatte sich noch die Zustimmung des Eates zu drei Punkten vorbehalten: zum innorn Ausbau der Bibliothek, zur Akustik des Versammlungssaales und zu den Plänen und einlässlichen Kostenvoranschlägen für die Gesamtheit der drei Gebäude.

Diese drei Punkte waren seitdem aufmerksam geprüft worden. Am 30. Juni 1930 hatten die Architekten bereinigte Pläne und einen ausführlichen Kostenvoranschlag aufgestellt. Die Akustik des Versammlungssaales war durch Fachleute aus London genau untersucht worden; die Pläne der Bibliothek natten keine Änderung erfahren. Das Sonderkomitee genehmigte das Ergebnis dieser Studien; nach Anhörung des Baukomitees empfahl es Zustimmung zu den Plänen und Voranschlägen der Architekten. Der Kostenvoranschlag beläuft sich auf die Gesamtsumme von Fr. 23,633,150 für den Versammlungssaal und das Sekretariatsgebäude sowie auf Fr. 4,250,000 für die Bibliothek. In dieser Schätzung sind die Kosten für die Arbeiten im innern Teil des Arianaparks nicht Inbegriffen. Wie das Sonderkomitee in seinem Bericht an die Versammlung hervorhebt, sehen die Voranschläge ausserdera «eine sehr einfache Bauart und Verzierung« vor, denn wenn der verfügbare Kredit auch beträchtlich ist, so würde er nach der Meinung der Architekten doch «auf alle Fälle für Gebäude mit -wirklich monumentalem Charakter)) nicht genügen. «Weder für Kunstgegenstände, noch für Luxusverkleidung» sind Mittel vorgesehen worden.

Zur Zeit, als die Versammlung tagte, hatten die Bauarbeiten bereits begonnen. Die Trockenlegung des Bodens war beendigt. Die Arbeiten für den Eohbau waren ausgeschrieben worden; die Bewerbungen wurden auf den 20. Oktober erwartet. Man rechnete damit, dass die Vergebung der Arbeiten im Betrage von ungefähr 10 Millionen im November stattfinden würde 3 ).

Für die Gebäulichkeiten ist von der Stiftung «Woodrow Wilson» ein Geschenk von 25,000 Dollars angeboten worden.

Auf Antrag der vierten Kommission setzte die Versammlung den Kredit für den Bau des Versammlungssaales und des Sekretariatsgebäudes auf Fr, 23,633,150 fest. Da
das Sonderkomitee von fünf Mitgliedern seine Aufgabe erfüllt hat, beauftragte die Versammlung die Kontrollkommission, inskünftig alle finanziellen Fragen zu prüfen, die in Verbindung mit der Errichtung der Gebäulichkeiten auftauchen *).

' 1

) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 227.

2 ) 3

Vgl den letzten Bericht, Bundesbl. 1929, Bd. III, S. 911 und 912.

) Das ist auch geschehen. Sechzig Prozent der Arbeiten wurden an schweizerische Pinnen vergeben.

4 ) Vgl. die Resolutionen in der Beilage, S. 224.

164

E. Soziale und humanitäre Fragen.

Diese Fragen bilden das unveränderliche Dreigestirn: Kinderschutz, Frauen- und Kinderhandel, Betäubungsmittelhandel. Die übrigen Fragen,, die der Kommission etwa noch zufallen mögen, treten ihnen gegenüber in den Hintergrund. Die Kommission hatte sich dieses Jahr ausser mit ihren eigentlichen Aufgaben, wenn man jene dreiFragen so nennen darf, nur mit der Verbesserung des Strafvollzugs zu befassen.

1. Kinderschutz. -- Die Kommission stellte in dieser Beziehung zunächst einen Bericht zur Erörterung, der ihr von ihrem Eeferenten, Herrn Pernot (Frankreich), vorgelegt worden war. Dieser Bericht gab in grossen Zügen über die Tätigkeit des Komitees für den Kinderschutz seit letztem Jahr Eechenschaft.

Das Komitee hat auf seinen Vorentwurf zu einem Abkommen betreffend!

die Heimschaffung von Kindern und Jugendlichen noch nicht von allen Begierungen Antwort erhalten. Zum Vorentwurf für ein Abkommen über die Unterstützung ausländischer Minderjähriger haben mehrere Begierungen, worunter auch die schweizerische, die Ansicht vertreten, dass die Frage erneut zu prüfen sei, da sie praktisch von derjenigen der Unterstützung von Ausländern im allgemeinen kaum getrennt werden könne. Wie wir selbst in unserer Antwort nach Genf bemerkt hatten x), würden Abmachungen über die Unterstützung Minderjähriger nur eine Seite des allgemeinen Problems regeln, und es bliebe die Notwendigkeit bestehen, besondere Abmachungen über die Erwachsenenfürsorge zu treffen. Wir fügten ferner bei, dass es vielleicht zweckmässiger gewesen wäre, den Entwurf auf die verlassenen Minderjährigen zu beschränken und ibn nicht auch auf die bei den Eltern befindlichen Minderjährigen auszudehnen. Auch der britische Vertreter im Rat war der Auffassung, dass das Komitee sich darauf beschränken könne, «dio Schwierigkeiten zu untersuchen, die bezüglich des Unterhalts und des Schutzes ausländischer Kinder aufgetaucht sind, damit der Bat zu entscheiden» vermöge, «ob der Augenblick gekommen sei, die Begierungen über die Zweckmässigkeit einer internationalen Konferenz zu befragen, an der das gesamte Problem der Unterstützung von Ausländern zur Behandlung käme».

Das Komitee hat sich ferner mit der Anerkennung und Vollstreckung der Alimentationsurteile im Auslande befasst. Da sich die Untersuchung nicht nur auf Urteile
zugunsten Minderjähriger, sondern auch auf solche zugunsten des einen Ehegatten, namentlich für den Fall, dass ihm das Kind anvertraut worden ist, erstrecken müsste, sind die Begierungen angefragt worden, ob sie wünschten, dass das Komitee mit diesem Problem betraut werde, das die Grenzen des eigentlichen Kinderschutzes überschreitet. Die Antwort sollte bis zum 1. November erteilt werden.

*) Brief vom 25. Juni 1930.

lea Der Bericht berührte überdies noch eine Eeihe anderer Prägen, denen das Komitee seine besondere Aufmerksamkeit schenkt, wie Bechtsstellung der unehelichen Kinder, Abschaffung der Zollschranken für die Lehrfilme, sittliche Gefährdung der Jugend, blinde Kinder. Diese Fragen sind erst im Stadium der vorbereitenden Studien und Erhebungen, Es lag also kein Anlass vor, näher auf sie einzutreten.

Nach der Verlesung des Berichts Pernot wurde des traurigen Schicksal» der verlassenen Jugend und der Notwendigkeit gedacht, ihr Los durch internationale Abmachungen zu verbessern. Man ermunterte den Faehausschuss, sein "Werk fortzusetzen. Dem Vorschlage des Berichterstatters folgend, erklärte die Kommission, die Frage der Ausländerfürsorge sei zuvor, wie Grossbritannien im Bäte verlangt hatte, im Zusammenhang zu prüfen; damit solle aber noch nicht gesagt sein, dass das Kinderschutzkomitee «auf die Fortsetzung seiner Untersuchung verzichten müsse, auf die es, durch die Versammlung ermutigt, schon so viel Mühe verwendet» habe. Wenn die Unterstützung ausländischer Minderjähriger «auch nur eine der vielen Seiten des umfassenden Problems der Ausländerfürsorge im allgemeinen» sei, führt der Bericht weiter aus, so weise dieses Problem nichtsdestoweniger «eine besondere Seite auf, für deren Behandlung das Kinderschutzkomitee als besonders befähigt» erscheine. Nach der Kommission hätte das Komitee eine doppelte Aufgabe: es sollte einerseits den Vorentwurf zu einem Abkommen über die Minderjährigen bereinigen und andererseits dem Eate von den Schwierigkeiten Kenntnis geben, denen es dabei begegnet, «damit man ihnen bei einer allfälligen Behandlung der gesamten Fragen der Ausländerfürsorge durch eine internationale Konferenz Eechnung tragen kann». Die Kommission schloss die Erörterungen mit der Annahme einer Besolution, derzufolge die Versammlung den Bericht des Kinderschutzkomitees über das Ergebnis seiner letzten Tagung zur Kenntnis nimmt und genehmigt 1 ).

'2. Frauen- und Kinderhandel. -- Wie gewohnt, diente der Bericht des Komitees zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels über seine letzte Tagung der Kommission als Verhandlungsgrundlage. Diese bezeugte für den Kampf gegen die Prostitution und den Frauenhandel lebhaftes Interesse. Auf Vorschlag des Herrn Chodzko (Polen) regte sie an, inskünftig auf den Frauenhandel
das gleiche Verfahren zur Anwendung zu bringen wie auf den Schleichhandel mit Betäubungsmitteln. Auf diese Weise soll dem Völkerbundssekretariat ermöglicht werden, sich sofort bei der Zentralstelle des in Frage kommenden Landes zuverlässigen und vollständigen Aufschluss zu verschaffen, so oft ein Fall von Frauenhandel aus der Presse oder auf andere Weise zu seiner Kenntnis gelangt. Einige Delegierte unterstrichen die Bedeutung der Studien und Erhebungen, die das Komitee gegenwärtig unternimmt, um den Kampf gegen das Zuhälterwesen wirksamer zu gestalten. Andere stellten mit Befriedigung fest, dase in der Abschaffung !) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 229.

166 der öffentlichen Häuser neue Fortschritte zu verzeichnen seien. Die Öffentlichen Häuser wurden kürzlich in den grosaen chinesischen Städten, in zwölf Städten Frankreichs, die darin dem Beispiele Strassburgs folgten, und in ganz Eumänien geschlossen. Die Kommission nahm gerne davon Kenntnis, dass den Begierungen demnächst eine Studie des Sekretariats über die Gesetze und Verordnungen zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Gesundheit gegen die Gefahren der Prostitution in den Ländern, wo die öffentlichen Häuser abgeschafft sind, zugestellt werden soll. In dieser Studie tritt nach der Ansicht der Kommission klar zutage, dass einerseits die gehegten Befürchtungen über die Zunahmen der Geschlechtskrankheiten oder über gewisse Gefahren für die öffentliche Ordnung im Falle der Schliessung der öffentlichen Häuser grundlos waren und dass andererseits die Schliessung dem internationalen Frauenhandel einen Eiegel vorgeschoben hat.

Die Kommission gab ferner der Hoffnung Ausdruck, dass die Erhebungen über den Frauenhandel im Orient, die durch ein hochherziges Geschenk des amerikanischen Bureaus für Sozialhygiene im Betrage von 125,000 Dollar .

ermöglicht wurden, Erfolg haben möchten. Alle Vertreter der Länder, die besucht werden sollen (China, Japan, Indien, Persien und Siam) haben sich aus freien Stücken verpflichtet, den die Erhebung durchführenden Personen "weitgehende Erleichterungen zu gewähren.

Auf Antrag der Kommission nahm die "Versammlung mit Befriedigung von den auf diesem Gebiet erzielten Fortschritten und vom Berichte des Komitees zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels Kenntnis 1).

3. Handel mit Betäubungsmitteln. -- Wie erinnerlich, hatte sich die letztjährige Versammlung für die Beschränkung der Betäubungsmittelherstellung durch internationale Vereinbarung entschieden. Der beratende Opiumaussehuss war von ihr aufgefordert; worden, die Pläne zur Durchführung dieser Beschränkung zu entwerfen. Diese Pläne sollten sodann einer Konferenz der Herstellungs- und hauptsächlichsten Verbrauchsländer vorgelegt werden. Der in -Ausführung dieses Auftrages vom beratenden Ausschuss ausgearbeitete Plan zur Herstellungsbeschränkung lässt sich in folgende drei Grundsätze zusammenfassen: 1. Festsetzung der gesamten Betäubungsmittelmenge, die alljährlich herzustellen ist; 2. Verteilung dieser Menge
auf die Verbraucherstaaten nach ihrem Bedarf an Betäubungsmitteln zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken; 8. Verteilung der'Herstellungsmengen auf die Fabrikationsstaaten mach dem System der Kontingentierung.

Nach diesem Plane soll jedes Land seinen Bedarf an Betäubungsmitteln zn medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken alljährlich bekanntgeben.

.Beim Ausbleiben dieser Angaben bestimmt ein Organ dos Völkerbundes den *) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 229.

167 Bedarf für das säumige Land. Die Verteilung der Welterzeugung auf die verschiedenen Produktionsländer wird durch Vereinbarung dieser Länder oder der Betäubungsmittelindustrien selber mit Zustimmung ihrer Eegierungen geregelt. Die Kontingente sollen auf Grund der «zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken von den Fabrikationsländern gegenwärtig normalerweise hergestellten Mengen» bestimmt werden. Die Eegierungen der Fabrikaiionsländer «verpflichten sich, für die Einhaltung der ihnen zugewiesenen Kontingente zu sorgen und die Produktion auf die Kontingentmengen zu beschränken». Die Verteilung der auf diese Weise hergestellten Betäubungsmittel auf die Verbrauchsländer wird vom oben erwähnten Zentralamt überwacht. Nach dem Berichte des beratenden Ausschusses «kann jedes Land völlig frei bestimrmon, bei welchem Land oder bei welcher Firma es seine Bestellungen aufgeben will. Kein Land ist verpflichtet, im voraus anzugeben, wo es seinen Bedarf an Betäubungsmitteln oder medizinischen Präparaten, die Betäubungsmittel enthalten, zu beziehen gedenkt». Doch muss sich die Eegierung des Landes, bei dem eine Betäubungsmittelbestellnng einläuft, «vergewissern, dass das bestellende Land Anspruch auf die bestellte Menge hat». Das in Aussicht genommene Zentralamt ist «von allen einlaufenden Bestellungen und über alle Lieferungen zu verständigen. Auf Verlangen hat es zuhanden der Begierung des Landes, bei dem eine Bestellung gemacht wird, eine Bescheinigung auszustellen, aus der ersichtlich ist, ob bei der Ausführung der Bestellung die vom bestellenden Land angemeldete Bedarfsmenge überschritten würde oder nicht».

Der Bat beschloss, den Plan des beratenden Ausschusses den Eegierungen zu übermitteln und sie aufzufordern, etwaige Bemerkungen binnen drei Monaten bekanntzugeben. Er setzte den Zeitpunkt der Konferenz zur Beschränkung der Betäubungsmittelherstellung vorläufig auf den 1. Dezember 1930 fest und behielt sich vor, ihn zu verschieben, falls die Vorbereitungen im September noch zu wenig weit vorgerückt seien. Ferner genehmigte er den Vorschlag der britischen Eegierung, im Juli eine Vorkonferenz der Herstellerfitaaten nach London einzuberufen. Es war in Aussicht genommen, dass der beratende Opiumausschuss in der zweiten Hälfte August ebenfalls zusammentreten würde, um das gesammelte Material zu prüfen,
von den Ergebnissen der Londoner Konferenz Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls für die Konferenz, die im Dezember in Genf tagen sollte, einen Abkommensentwurf vor.zubereiten. Zu dieser Konferenz waren auf Grund der Eesolution der Versammlung vom 24.. September 1929 folgende fünfundzwanzig Länder eingeladen -worden : Ägypten, Belgien, China, Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Persicn, Peru, Polen, Schweiz, Spanien, Türkei, "Ungarn, Uruguay, Vereinigte Staaten von Amerika.

Verschiedener Umstände halber sah sich die britische Eegierung ausserstande, die Vorkonferenz der Fabrikationsländer im Juli zusammentreten :zu lassen. Sie berief sie endgültig auf den 27. Oktober nach London

168 ein 1). Infolge der Vertagung der Konferenz der Fabrikationsländer musatenatürlich auch die ursprünglich auf den Monat August 2) vorgesehene Zusammenkunft des beratenden Ausschusses verlegt -werden, was* wiederum den Eat verarilasste, die Eröffnung der Konferenz der Fabrikationsländer und der hauptsächlichsten Verbrauchsländer auf den 27. Mai zu verschieben.

Die Versammlung trat auf das Beschränkungsproblem als solches nicht mehr ein. Sie erörterte auch die vom beratenden Ausschuss befürwortete Lösung: nicht, sondern kam bloss noch auf die Organisation der im Mai stattfindenden.

Konferenz zurück. Der Delegierte von Venezuela beantragte, der Konferenz ganz allgemeinen Charakter zu verleihen und alle Staaten einzuladen; er betonte, dass es sich um eine Präge handle, die durchaus alle Länder berühre.

Der italienische Vertreter verlangte, dass die Konferenz in der vorgesehenen Zusammensetzung im Mai tage, dass sie aber das Abkommen nur im Vorentwurf ausarbeite; dieser Vorentwurf solle sodann einer Weltkonferenz zur Prüfung: vorgelegt werden. Unser eigener Vertreter, Herr ÜSTationalrat Dollfus, machtedarauf aufmerksam, dass es kaum angehe, auf schon get'asste Beschlüsse zurückzukommen. Nach längerem Meinungsaustausch wurde schliesslich der Antrag Venezuelas von der Kommission angenommen. Die Versammlung stimmte ihm ihrerseits zu und nahm eine Resolution an, -wonach «alle Mitglieder des Völkerbundes und alle Xichtmitgliedstaaten eingeladen werden sollen, sich an der Konferenz zur Beschränkung der Herstellung schädlicher Drogen vertreten zu lassen, die im Mai 1931 in Genf stattfinden wird.» Die Kommission hatte im übrigen keine Veranlassung, in andern, zum Tätigkeitsfeld des beratenden Opiumausschusses gehörenden Fragen irgendwelche Beschlüsse von Bedeutung zu fassen. Sie konnte feststellen, dass die Ratifikationen des Genfer Abkommens zugenommen hatten (38 Ratifikationen im ganzen). Herr Dollfus hob dieserhalb hervor, dass es von Vorteil wäre,, wenn die übrigen Ratifikationen, namentlich die der südamerikanischen Staaten,.

beschleunigt werden könnten. Da das künftige Abkommen über die Beschränkung der Fabrikation das Genfer Abkommen von 1925 nur ergänze und dieses nach wie vor die Grundlage der gesamten Betäubungsmittelbekämpfung bleibe,, sei zu wünschen, dass es von möglichst vielen Staaten
angenommen werde.

1 ). Die Vorkonferenz trat tatsächlich an diesem Tage in London zusammen..

Folgende zehn Länder waren vertreten: Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien (als Beobachter), Japan, Niederlande, Schweiz, Türkei, Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Vereinigte Staaten von Amerika. Der Bundesrat hatte Herrn Dr. Carrière, Direktor des eidgenössischen Gesundheitsamtes, und Herrn Camille Gorgé, ersten Sektionschef beim Politischen Departement, als Delegierte bezeichnet. Die Konferenz billigte den Plan des beratenden Ausschusses. Sie vervollständigte und bereinigte ihn in einem Berichte, der dem beratenden Opiumausschusse vorgelegt werden sollte. In der Frage der Morphiuinkontingentierung gelang es ihr jedoch nicht, eine Einigung zu erzielen. Es werden hierzu noch Verhandlungen zwischen den Herstellungsländern oder zwischen den Fabrikanten selber nötig sein..

a ) Der Ausschuss hat keine ausserordentliche Session mehr abgehalten. Er hat die Prüfung des Besohränkungsproblems in seiner ordentlichen Januarsession wiederaufgenommen.

169 Die Kommission hat ferner mit Befriedigung von den Massnakmen Kenntnis genommen, die von mehreren Begierungen ergriffen worden sind, um den immer noch in beängstigendem Umfang betriebenen Schleichhandel mit Betäubungsmitteln zu unterdrücken. Der schweizerische Delegierte legte dar, "was auch wir in dieser Hinsicht getan hatten. Er erwähnte insbesondere das vom Nationalrat angenommene Postulat, mit dem der Bundesrat eingeladen "wird, alle Massnahmen zu unterstützen, die auf eine Beschränkung der Betäubungsmittelherstellung und damit auch auf eine Verringerung der Möglichkeiten zum Schleichhandel hinzielen.

Auf Antrag des chinesischen Delegierten nahm die «wegen .des gewaltigen Schleichhandels mit schädlichen Drogen in den verschiedenen Weltteilen sehr besorgte» Kommission, nach Erörterungen in einem Unterausschuss und im Schosse der Kommission, eine Eesolution an, worin die Staaten, die noch nicht alle zur Bekämpfung des Schleichhandels empfohlenen Massnahmen getroffen haben, aufgefordert werden, «für die letzten drei Jahre eine gründliche Enquete» über die in den Schleichhandel übergegangenen Betäubungsmittel zu veranstalten. Sie sollen dem Generalsekretär, wenn möglich binnen drei Monaten, «vollständige Auskunft» über die Art und Menge der beschlagnahmten Drogen, die Adresse der Empfänger, das Vorgehen der Schleichhändler usw.

verschaffen x).

Die fünfte Kommission erhielt Aufschluss über die Tätigkeit der Untersuchungskommission betreffend die Kontrolle des Eauchopiums im fernen Osten2). Diese Kommission ist im Mai nach Genf zurückgekehrt, hatte aber ihren Bericht noch nicht beendigt. Die Versammlung war also nicht in der Lage, erneut auf diese Frage einzutreten. Die Erörterung musste auf nächstes Jahr verschoben werden.

4. Verbesserung der Strafvollzagsverwaltang. -- Es handelt sich hier um eine neue Frage. Der Bat hatte sie auf Grund einer von mehreren bedeutenden Organisationen unterstützten Petition der «Howard League for penai reform» in London auf die Tagesordnung der Versammlung setzen lassen.

Die erwähnte Petition forderte den Völkerbund auf, «Massnahmen zur Verbesserung der Strafvollzugsverwaltung zu treffen und ein internationales Abkommen über die Behandlung der Gefangenen zu entwerfen».

Der Bat war jedoch der Auffassung, dass die Vorarbeiten zu wenig weit gediehen seien,
und beauftragte daher den Generalsekretär, die verschiedenen Seiten der Frage zusammen mit der Londoner Liga und der internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefangniswesen in Bern, die eben erst « Grundsätze für die Behandlung der Gefangenen» ausgearbeitet hatte, zu prüfen.

Der Generalsekretär sollte daraufhin der Versammlung über das Ergebnis seiner Erhebungen Bericht erstatten. Ferner war beschlossen worden, dass auch das internationale Arbeitsamt, das Wirtschafts- und das Kinderschutzkomitee ihre 1 ) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 227.

*) Bericht über die neunte Versammlung, Bundeebl. 1928, Bd. II, S. 1226.

170 Ansicht über die Zweckmässigkeit und Möglichkeit eines internationalen Vorgehens auf diesem Gebiet äussern sollten.

Als die Versammlung eröffnet wurde, verfügte .der Generalsekretär noch nicht über die Auskünfte, deren er zu einem einigermassen vollständigen Berichte bedurft hätte. Während von der «Howard League for penai reform» ein einlässlicher Bericht samt Vorschlägen zur Lösung des Problems der Straf vollzugsreforin eingereicht worden war, hatte ihm die Berner Kommission mitgeteilt,, dass sie in ihrer letzten Tagung in Prag zur Prüfling der Zusammenarbeit mit.

dem Völkerbund ein besonderes Komitee gebildet habe, dessen Bericht aber erst im Verlaufe des Herbstes in Genf eintreffen werde.

Die fünfte Kommission, der ein vorläufiger Bericht des Generalsekretärs vorgelegt wurde, widmete dieser Frage eine volle Sitzung. Die britische Delegation, die Bedeutung des Gegenstandes unterstreichend, nahm eine bereits im Berichte der «Howard League for penai reforrn» enthaltene Anregung wieder auf und. legte der Kommission einen Besolutionsentwurf zur Genehmigung vor.

Gemäss diesem Entwurf sollte die Versammlung den Bat ersuchen, die Kegierungen auf die von der Berner Kommission ausgearbeiteten «Grundsätze für die Behandlung der Gefangenen» aufmerksam zu machen und sie gleichzeitig zur Bekanntgabe ihrer Bemerkungen «vom Standpunkte der Strafvollzugsverwaltung ihres Landes aus» aufzufordern; ferner sollte der Eat «eine Kommission ernennen, die sieh mit Vertretern der internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen beraten und untersuchen würde, wie der Völkerbund am besten mit der internationalen Kommission zusammenarbeiten, könnte, um die bestehenden Verhältnisse in den Gefängnissen nach modernen Grundsätzen /u verbessern». Die Kommission hatte nichts dagegen einzuwenden, dass die Frage den Regierungen zu gründlicher Prüfung vorgelegt werde. Dagegen waren verschiedene Delegationen der Meinung, dass es in diesem Stadium der Vorstudien verfrüht sei, ein besonderes Komitee für die Fühlungnahme mit der internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen zu schaffen. Hiermit wäre sogar eine gewisse Gefahr verbunden gewesen, über die man sich ohne weiteres Bechenschaft gibt, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sehr die sogenannten «ad hoc gebildeten Ausschüsse» der Versuchung
ausgesetzt sind, Beschlüsse zu fassen in dem blossen Bestreben, ihre Existenz zu siehern oder zu rechtfertigen. Man wollte sich aber nicht zum voraus binden. Denn es gilt noch nicht als ausgemacht, dass eine Betätigung des Völkerbundes auf diesem Gebiete vonnöten sei. Möglicherweise würde diese seine Tätigkeit nur eine Doppelspurigkeit mit derjenigen der offenbar völlig befriedigend arbeitenden internationalen Kommission zur Folge haben. Die Frage muss ohne Überstürzung und mit aller Sachlichkeit geprüft werden/ Es sollte unter diesen Umständen genügen, wenn dem Generalsekretär anheimgestellt würde, «sich mit Vertretern der internationalen Kommission für gtrafrechts- und Gefängniswesen in Verbindung zu setzen und zu prüfen, wie der Völkerbund mit dieser Kommission auf dem Gebiete der Verbesserung der Strafvollzugsverwaltung am besten zusammenarbeiten könnte». Wie .der

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deutsche Delegierte, Herr Völckers, bemerkte, käme die Schaffung einer besondern Kommission einer «zwecklosen Komplikation» gleich, da «in der Berner Kommission bereits eine durchaus sachkundige Organisation zur Verfügung steht, die sich seit langem mit dieser Frage befasst, die -- wie oben erwähnt -- eine Mustergefängnisordnung ausgearbeitet und selber schon einen Unterausschuss zur Prüfung der Angelegenheit gebildet hat.» Nach einem letzten Meinungsaustausch im Schosse eines Subkomitees wurde beschlossen, auf die Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses zu verzichten. Der Generalsekretär wird selber die Frage mit der internationalen Kommission behandeln und der Versammlung nächstes Jahr einen neuen Bericht vorlegen 1).

F. Politische Fragen.

Zu diesen Fragen, die von der sechsten Kommission behandelt werden, gehörten in den vorhergehenden Versammlungen gewöhnlich die Sklaverei, die Mandate und das Flüchtlingswesen. Infolge des Gesuchs der deutschen Delegation, dass der Minderheitenschutz auf die Tagesordnung der Versammlung gesetzt werde, kam zu diesen dreien an der elften Versammlung eine vierte Frage.

1. Sklaverei. -- Es ist bekannt, dass das Problem der Sklaverei und des Sklavenhandels noch nicht gänzlich aus der Welt geschafft ist. Trotz den Fortschritten, die zweifellos erzielt worden sind, bleibt noch viel zu tun, sollen doch immer noch drei bis vier Millionen Sklaven auf ihre Befreiung warten. Das ist namentlich auch die Auffassung der britischen Eegierung. Letztes Jahr hatte sie zur wirksameren Bekämpfung dieses sozialen Anachronismus die Wiedereinsetzung der Sklavereikommission befürwortet. Der Antrag war um ein Jahr verschoben worden. Im vergangenen September hat sie ihn erneuert und gleichzeitig an die sechste Kommission eine Denkschrift gerichtet, in der eingangs gesagt wird, «dass die Sklaverei, d. h. die Ausübung von Eigentumsrechten an menschlichen Wesen leider unbestreitbar in vielen Gegenden fortbesteht«.

Die Londoner Regierung vertritt die Auffassung, dass die gänzliche Abschaffung der Sklaverei und des Sklavenhandels «auf ganz wesentlich geringere Schwierigkeiten stossen würde, wenn unter dem Schutze des Völkerbundes eine bleibende Organisation bestände, die in der Lage wäre, sich aus sicherer Quelle Auskunft über den gegenwärtigen Stand der Sklaverei zu .verschaffen». Sie
schlug demgemäss die Bildung einer ständigen Sklavereikommission vor, «deren Mitglieder Sachverständige und nicht Begierungsvertreter sein sollen und auch nicht ein Amt bekleiden dürfen, vermöge dessen sie zu ihrer Regierung in einem Verhältnis unmittelbarer Abhängigkeit stehen». Ferner befürwortete sie, in Genf ein internationales Amt zu schaffen, das als Nachrichtenstelle über die Sklaverei dienen würde und von Zeit zu Zeit für die Kommission Berichte aus*) Vgl. die in diesem Sinn angenommene Resolution in der Beilage, S. 229.

172 zuarbeiten hätte, die vertraulich blieben, bis die Kommission beschliessen sollte, sie den beteiligten Eegierungen mitzuteilen oder auf andere Weise zu veröffentlichen. Nach der britischen Denkschrift sollte die Kommission namentlich auch die Befugnis erhalten, «von den Vertretern der Eegierungen, gleichgültig, ob diese am Sklavereiabkommen beteiligt seien oder nicht, diejenigen Aufschlüsse oder Nachrichten zu erbitten, die die Kommission zu erhalten ^wünscht»; ferner könnte sie «mit Zustimmung der beteiligten Begierung an Ort und Stelle Erhebungen durchführen».

Der britische Antrag stiess im Schosse der Kommission auf lebhaften Widerstand, namentlich von Seiten des französischen Delegierten, der den Augenblick noch nicht für gekommen hielt, um die bestehende Ordnung zu ändern, und daher für eine neue Vertagung eintrat. Andere Delegierte waren der Ansicht, dass die Tätigkeit dieser Kommission die Souveränität der Staaten beeinträchtigen würde ; wieder andere machten geltend, die britische Begierung zeige sich zu pessimistisch, die Lage sei nicht so ungünstig, wie sie glaube ; das .Sekretariat habe von achtundvierzig Ländern Mitteilungen über den gegenwärtigen Stand der Sklaverei erhalten; die Zahl der am Sklavereiabkommen vom 25. September 1926 beteiligten Staaten sei in einem einzigen Jahre von neunundzwanzig auf vierunddreissig gestiegen *) und mehrere Staaten hätten versprochen, in kürzester. Frist das Abkommen zu ratifizieren oder ihm beizutreten. In der Kommission schien eine Verständigung nicht erreichbar, und der britische Antrag wurde einem Unterausschuss überwiesen. Hier wurde er mit Mehrheitsbeschluss abgelehnt, trotz dem Entgegenkommen des britischen Delegierten, der sukzessive vorschlug, nur die alte zeitweilige Sklavereikommission wiedereinzusetzen oder sogar bloss einen beratenden Expertenausschuss zu bilden, der lediglich dem Bat Bericht zu erstatten hätte. Der abessinische Delegierte widersetzte sich jedem neuen Verfahren und beharrte auf der Forderung, dass man nicht über das Abkommen von 1926 hinausgehe. Andere Delegierte schlugen Zwischenlösungen vor. Der Unterausschuss sprach sich schliesslich für einen portugiesischen Antrag aus, wonach «noch bis nächstes Jahr zugewartet werden solle», «bevor man sich über die Ergebnisse des geltenden Verfahrens ein Urteil bildet, die
Untersuchung über eine etwaige Änderung dieses Verfahrens aufgeschoben wird und an die Mitglieder des Völkerbundes sowie an die ihm nicht angehörenden Staaten die Aufforderung ergeht, die Auskünfte, die sie bereits erteilt haben, durch Mitteilungen zu ergänzen, auf Grund deren die Versammlung nicht nur in die auf dem Gebiete dieser Staaten bestehenden Verhältnisse, sondern auch in den gegenwärtigen Stand der Sklaverei überhaupt Einblick erhält». In der Kommission kritisierte der britische Delegierte diesen Antrag; der französische und der portugiesische Delegierte -überzeugten aber die Mehrheit der Kommission, dass es unzweckmässig wäre, *) Nun sind es deren sechsunddreissig, nachdem auch die Schweiz und Polen beigetreten sind. Für die Schweiz ist das Abkommen seit dem I.November 1930 verbindlich.

173 das Verfahren, das erst letztes Jahr angeordnet worden sei und darum noch nicht voll zur Wirkung habe kommen können, jetzt schon zu ändern. Es ist somit zu gewärtigen, dass die ganze Frage nächstes Jahr auf Verlangen der britischen Eegierung wieder aufgegriffen werde, sofern bis dahin in der Abschaffung der Sklaverei nicht merkliche Fortschritte erzielt werden.

Die Versammlung nahm den ihr vorgeschlagenen VerschiebungsbeschlusB an l) ; zuvor gab aber Viscount Cecil im Namen der britischen Regierung sein Bedauern über diese Entscheidung kund, die nach seinen eigenen Worten «Tausende und aber Tausende von Menschen schwer enttäuschen wird, denen die Ausmerzung dieses Schandflecks am Ehrenschild der Menschheit am Herzen liegt».

2. Mandate. Als die elfte Versammlung auf Antrag Norwegens die Mandatfrage auf die Tagesordnung der sechsten Kommission setzte, befolgte sie damit nur eine Übung, die auf dem besten Wege ist, zur festen Überlieferung .zu werden. Die früheren Versammlungen haben alle den Nutzen einer jährlich wiederkehrenden Aussprache über die Grundsätze und die Ergebnisse dieses Werkes anerkannt, das in der Gesamttätigkeit des Völkerbundes eine wichtige Stellung einnimmt.

Die allgemeine Aussprache über die Mandatfrage beanspruchte in der elften Versammlung verhältnismässig nur kurze Zeit. Aber sie bot allen Mandatarmächten Gelegenheit, die Grundsätze in Erinnerung zu rufen, an die sie sich in der Verwaltung der Mandatgebiete halten. Mehrere Delegierte unterstrichen die Bedeutung der Verpflichtungen, welche die Mandatarmächte übernommen haben. «Die Vormundschaft über die Eingeborenen», bemerkte z. B. der britische Delegierte, «soll für alle Mächte eine geheiligte Aufgabe bedeuten».

Vielfaches Lob erntete die ständige Mandatkommission, deren Unparteilichkeit und Sachkenntnis gern anerkannt wurden.

Die Kommission gab ferner ihre Genugtuung kund «über die Verbesserung der Lage in Palästina» und insbesondere «über die Anstrengungen der Mandatarmacht, die Gemüter zu beruhigen, sowie über die Massnahmen, die ergriffen worden sind, um eine Wiederkehr der tragischen Ereignisse zu vermeiden, welche die Versammlung letztes Jahr zu beklagen hatte». Sie nahm Kenntnis «von dem wiederholten Versprechen der britischen Regierung, der Mandatkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bevor die
Beschlüsse in Kraft gesetzt werden, welche die Regierung über den geplanten engeren Zusammenschluss des Mandatgebietes Tanganyika mit den angrenzenden Kolonien Kenia und Uganda fassen wird».

Auf Antrag der Kommission und nach einer kurzen Darlegung des Berichterstatters, Herrn Valvanne (Finnland) sprach die Versammlung in ihrer Resolution den Mandatärmächten aufs neue ihr Vertrauen aus. Sie bezeugte ihre Genugtuung über die Wiederherstellung der Ruhe in Palästina und gab
) Vgl. die Kesolution in der Beilage, S. 230.

Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

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gemeinsamen Bemühungen der Mandatarmächte, des Eats und der ständigen Mandatkommission auch fernerhin alle Gewahr für die Verwirklichung des im Artikel 22 des Völkerbundsvertrages verkündeten Kulturideals bieten werde» x).

3. Flüchtlingswesen.-- Obwohl in einem Gutachten der Kontrollkommission die Übertragung des Flüchtlingswerkes an eine autonome Organisation befürwortet worden war, hatte die zehnte Völkerbundsversammlung beschlossen, «den Zentraldienst des Oberkommissars versuchsweise für die Dauer eines Jahres der Verwaltung des Generalsekretärs des Völkerbundes zuunterstellen».Der Generalsekretär sollte der elften Versammlung über die in diesem Jahre gesammelte Erfahrung Bericht erstatten und gleichzeitig Antrag stellen, wie das Flüchtlingswerk bis zur Liquidation fortzusetzen sei.

Der Generalsekretär unterbreitete dem Bat seinen Bericht im August.

Er kam darin zu dem Schlüsse, dass das Sekretariat ohne zu grosse Schwierigkeiten in der Lage wäre, den politischen und rechtlichen Schutz der Flüchtlinge (namentlich was die Durchführung der Begierungsvereinbarungen anbelangt) zu übernehmen, dass es sich dagegen nicht wohl mit den Unterstützungsmassnahmen befassen könne (Unterbringung der Flüchtlinge und Arbeitslosenhilfe), da ihm diese «mit der Finanzverwaltung des Sekretariats und ihren Kontrollmögliehkeiten unvereinbar zu sein schienen».

Die zur Beratung des Oberkommissariats für das Flüchthngswesen eingesetzte Begierungskommission sprach sich in einer kurzen Tagung, die sie im September in Genf abhielt, für eine Aufteilung der Befugnisse aus. Sie schlug infolgedessen vor, das Sekretariat solle die auf den Bechtsschiitz der Flüchtlinge bezüglichen Fragen behandeln, eine gemäss Artikel 24 der Satzung dem Völkerbund unterstellte internationale Organisation mit Sitz in Genf dagegen die humanitären Aufgaben des Werkes übernehmen.

Die sechste Kommission, der die Berichte des Generalsekretärs und der Begierungskommission vorgelegt wurden, nahm deren Schlüssfolgerungen an, nachdem in einem kurzen Meinungsaustausch mehrere Delegierte die Vorteile einer Übertragung der rechtlichen und der humanitären Aufgaben des Flüchtlingswerkes an zwei verschiedene Organisationen hervorgehoben hatten. Herr Motta erklärte bei dieser Gelegenheit, dass er sich dem Antrage der Kommission anschliessen könne, da dieser
Antrag in der Tat unter den gegenwärtigen Umständen die beste Lösung zu sein scheine. Doch machte er die Kommission auf die besondere Natur dieses vom Völkerbund von Grund auf neugeschaffenen autonomen Amtes aufmerksam. Er äusserte die Ansicht, dass das Amt, wenn es, wie geplant, mit einem Verwaltungsrate versehen werde, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit eines Tages auch die rechtlichen Aufgaben des Flüchtlingswerkes an sich ziehen werde. Der Vorsteher des Politischen Departements bemerkte dazu, dass diese Verschmelzung an und für sich allerdings kein Übel *) Vgl. die Resolution in der Beilage, S. 230.

175 wäre, falls sie ermögliche, «die Einheit zu verwirklichen, die Kräfte nicht zu verzetteln und nicht unnötig eine Zwiespältigkeit zu schaffen».

Die Kommission setzte einen Unterausschuss ein und hiess ihn die Gründung und die künftige Tätigkeit des Amtes des nähern untersuchen. Dieser Unterausschuss stellte in seinem Berichte fest, dass die Schaffung des internationalen Amtes dem Völkerbunde keine neuen Ausgaben verursachen werde.

Er beantragte, unsern Landsmann, Herrn Max Huber, mit der Ausarbeitung der Statuten zu betrauen. «Niemand würde sich zum Experten und später zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates des internationalen Amtes in jeder Beziehung besser eignen», führte der Bericht aus, «als Herr Max Huber, Präsident des internationalen Komitees vom Boten Kreuz, Mitglied und ehemaliger Präsident des Ständigen Internationalen Gerichtshofes». Nach Ansicht des Unterausschusses wird auch die besondere Natur des Amtes kaum zu Schwierigkeiten Anlass geben. Dem Bericht ist hierüber folgendes zu entnehmen : «Mit dem Völkerbund, der es geschaffen hat, wird das internationale Amt durch die Subvention und durch die Pflicht zur Eechnungsablegung sowie zur Vorlegung eines jährlichen Geschäftsberichtes verknüpft sein. Dennoch wird das Amt die Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit bewahren, deren es zur Erfüllung seines so vielgestaltigen Hilfswerkes unbedingt bedarf. Von einem Verwaltungsrate geleitet, in dem die Eegierungen, das Volkerbundssekretariat, das Internationale Arbeitsamt und die private Flüchtlingshilfe vertreten sind, wird es alle Kräfte auf ein gemeinsames Ziel vereinigen. Seinem Wesen nach wird es ein Organ des Ausgleichs zwischen den nationalen Hilf swerken zugunsten der Flüchtlinge darstellen; seine Hauptaufgabe wird darin bestehen, die nationalen Hilfswerke zusammenzufassen und ihnen die gegenseitigen Beziehungen zu erleichtern.» Kommission und Versammlung billigten die Auffassung des Unterausschusses. Eine letzte Ehrung wurde Fridtjof Nansen, «dem unvergesslichen Begründer und Förderer des Flüchtlingswerkes», zuteil. Die Berufung von Herrn Max Huber zur Leitung des Flüchtlingswerkes wurde von der Versammlung aufs wärmste begrüsst. Der Berichterstatter, Herr Franoois-Poncet, und Herr Politis, griechischer Delegierter, gaben von der Bednertribüne aus ihrer Genugtuung darüber Ausdruck,
dass das Werk auf die Mitarbeit unseres hervorragenden Landsmannes zählen dürfe. Herr Motta dankte den Rednern für das Herrn Huber gespendete wohlverdiente Lob: «Die Schweiz ist stolz darauf, dass Nansens Werk von einem Schweizer fortgesetzt wird» x).

4. Minderheiten. -- Das Minderheitenproblem kam auf Verlangen der deutschen Delegation in der sechsten Kommission zur Behandlung. Es war Gegenstand einer bedeutsamen Erörterung, an der sich mehrere Aussentninister in Person beteiligten. Doch erbrachte sie keinen neuen Beitrag zur Lösung der Frage ; das war allerdings auch nicht ihr Zweck. Sie sollte vor allem zu einem offenen Meinungsaustausch über die bestehenden Schwierigkeiten führen und den Stand *) Vgl. die Kesolution der Versammlung in der Beilage, S. 231.

176 der Frage zeigen. Es darf gesagt werden, dass sie dieses Ziel durchaus erreichte.

Die am Schutz der Minderheiten am unmittelbarsten interessierten Staaten, vorab auch die Staaten, denen die in den sogenannten Minderheitenvefträgen festgesetzten Pflichten obliegen, hatten während drei Sitzungen alle Gelegenheit, ihre Anliegen und Sorgen, ihre Behauptungen und Ansichten vorzubringen.

Die einen wandten sich der Frage zu, wie die Massnahmen des Eates, die dem Völkerbund die Aufsicht über die loyale Durchführung der Minderheitenverträge erlauben sollen, später noch verbessert werden könnten. Andere bemühten sich im Gegenteil um den Nachweis, dass Portschritte erzielt worden seien und dass es gefährlich wäre, das Minoritätenverfahren zu sehr auszubauen.

Neben diesen beiden gegensätzlichen Auffassungen fand auch die Politik einer vernünftigen Mittellösung berufene Befürworter; diese verhehlten sich zwar das gegenwärtig bestehende Missbehagen nicht, gaben sich aber gleichwohl der Hoffnung hin, dass es dank dem Willen zu gegenseitigem Entgegenkommen und Verständnis verschwinden werde. Jedermann war sich im übrigen darin einig, dass der Minderheitenschutz zu den wichtigsten politischen Problemen Europas gehöre und dass ihm der Völkerbund -- mit der nötigen Zurückhaltung und Vorsicht --- wachsamste Sorgfalt widmen müsse.

In der Erörterung erwähnte Herr Motta, dass die öffentliche Meinung in der Schweiz das Minderheitenproblem mit lebhaftem Anteil verfolge. Anknüpfend an die Erklärung mehrerer Delegierter, insbesondere des deutschen und des ungarischen, stellte er gerne fest, dass im Verfahren zur Untersuchung der Beschwerden aus Kreisen der Minderheiten merkliche Fortschritte erzielt worden seien. «Niemand wird allerdings bestreiten können, dass nicht noch weitere Verbesserungen möglich wären, aber jeder von uns hat doch das Gefühl,» erklärte er, «dass man noch zuwarten und vorerst sehen müsse, wie sich das neue Verfahren auswirkt, das in Madrid beschlossen wurde». Der Chef der schweizerischen Delegation bemerkte ferner, dass seiner Ansicht nach die so umstrittene Frage, ob der Eat das sogenannte Minoritätenverfahren ohne Zustimmung der durch die Minderheitenverträge gebundenen Staaten ändern könne, praktisch nicht von Belang sei; der Eat könne Massnahmen zur Verbesserung des Verfahrens nur einstimmig
beschliessen, und es werde stets in seinem Schosse ein unmittelbar interessierter Staat vertreten sein, der gegebenenfalls den Eeformgelüsten sein Veto entgegenhalten könne. Auf die Erklärung des Herrn Benea Bezug nehmend, wonach die Staaten sich unter allen Umständen in innenpolitischer Hinsicht gegenüber den Minderheiten hochherzig zeigen sollen, unterstrich Herr Motta die Bedeutung dieses Grundsatzes, .der, wie er sagte, «für alle Staaten der Welt gilt, seien sie durch Minderheitenverträge, gebunden oder nicht». Er gab zu, dass es nicht immer leicht sei, «die Mehrheiten und die Minderheiten zu harmonischer Zusammenarbeit zu verbinden», zeigte aber am Beispiel unseres eigenen Landes, dass die Aufgabe nicht unlösbar' ist. Zum Schlüsse betonte er, dass die Minderheitenfrage eines jener Probleme seij «von denen der Weltfriede abhängt, weil, solange die Minderheiten nicht das Gefühl haben, dass man sie nach Gerechtigkeit, und Billigkeit

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behandelt, stets Unruhen im Innern und Störungen der Beziehungen nach aussen zutage treten werden».

Die Erörterung der Minderheitenfrage im Schosse der sechsten Kommission hatte, wie gesagt, kernen andern Zweck als den einer Aussprache über diesen wichtigen Teil der Völkerbundstätigkeit. Wie unser Vertreter in seinem Exposé bemerkte, lag dieser Erörterung kein Eesolutionsentwurf, nicht einmal ein bestimmter Antrag zugrunde. Der Berichterstatter hatte daher keine leichte Aufgabe. Die sechste Kommission übertrug sie Herrn Motta; er sollte in seinem Berichte nach den Worten des Herrn Briand «den Kern der Diskussion herausschälen». Herr Motta bezeichnete als das Wesentliche an der Erörterung die Einmütigkeit, mit, der die Delegationen die Achtung vor der Religion, der Sprache und der Kultur als geheiligte Pflicht betrachten. Nach allgemein geausserter Ansicht solle der Rat «das gegenwärtige Verfahren auch fernerhin derart anwenden, dass alle Möglichkeiten, die es birgt, ausgeschöpft werden».

Herr Motta hütete sich, als Berichterstatter zu der Präge Stellung zu beziehen, ob das System des Minderheitenschutzes auf alle Länder ausgedehnt werden solle, gleichgültig, ob sie Minderheiten ver träge geschlossen haben oder nicht.

«Es ist jedoch möglich,» erklärte er, «in dieser Beziehung eine Peststellung zu machen, die, wie es scheint, einmütig anerkannt wird: Die Tatsache, dass die Minderheitenverträge bestehen und dass der Völkerbund ihre Durchführung überwachen soll und auch überwacht, trägt zur Heranbildung eines neuen Geistes bei. Dieser Geist erreicht, selbst wenn rechtlich jede Verpflichtung fehlt, durch seine moralische Wirkung alle Staaten, die vertraglich gebundenen wie die andern.» Schliesslich bezeichnete er «die Forderung nach Zusammenarbeit von Mehrheiten und Minderheiten als den grossen Leitgedanken», der die gesamte Diskussion beherrschte. «Die Mehrheiten», sagte er, «sollen gerecht und grossmütig sein, die Minderheiten sich loyal verhalten; die Regierungen müssen unablässig besorgt sein, das Verständnis, das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen Mehrheit und Minderheit zu fördern».

Herrn Mottas Bericht wurde von der Kommission genehmigt, nachdem einige Delegierte ihre schon in der vorgängigen Aussprache erhobenen Vorbehalte wiederholt hatten. Der französische Delegierte, Herr Briand,
wandte sich bei diesem Anlass namentlich gegen den Plan, der in gewissen Kreisen gefasst worden ist, eines Tages vor dem Völkerbund das gesamte Problem der Minderheiten aufzurollen.

Als Herr Motta der Versammlung seinen Bericht erstattete, rief er nochmals kurz die Hauptzüge der Aussprache in der Kommission in Erinnerung. Er legte dar, wie sich das Problem in der Schweiz stelle und wie es bei uns bisher gelöst worden sei, um schliesslich der Hoffnung Raum zu geben, «dass der Gedanke einer vertrauensvollen und aufrichtigen .Zusammenarbeit zwischen Mehrheiten und Minderheiten die Politik eines jeden Landes immer nachhaltiger bestimmen möge». Hierauf genehmigte die Versammlung den Kommissionsbericht,

178

YI. Sclilussfolgerungen.

Welche Folgerungen sind nun aus der Tätigkeit dieser elften Versammlung zu ziehen?

Es ist selbstverständlich unmöglich, ein Urteil abzugeben, das jedermann befriedigt. Dazu sind die Standpunkte zu verschieden. Ausgesprochene Weltverbesserer, die zusehen müssen, \vie die Welt sich nicht an ihre Ansichten kehrt, werden den Bealpolitikern stets Verrat vorwerfen. Andererseits wollen die Gegner neuer Methoden der internationalen Zusammenarbeit unbestreitbare Erfolge nicht sehen und suchen planmässig überall eine Bestätigung ihrer Vorurteile. Zwischen beiden Lagern ist die grosse Schar derer, die allein uns massgebend sein können. Es sind diejenigen, die vernünftig und in guten Treuen die menschlichen Kräfte abwägen, und die, wiewohl sie aufrichtig hoffen, dass die Kriegsgreuel nicht wiederkehren, es doch nicht für nötig halten, den Schiffbruch des Völkerbundes zu verkünden, so oft ein Hindernis ihn aufhält oder eine Schwierigkeit ihm hemmend entgegentritt. Die Meinung des Durchschnitts.

Gewiss! Aber tatsächlich fällt sie allein in Betracht. Es ist die Meinung derjenigen, die noch an die Möglichkeit menschlicher Vervollkommnung glauben und nicht wähnen, dass nun, weil eine internationale Organisation sich zum Ziele gesetzt hat, zwischen den Nationen die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden zu schaffen, Wollen und Vollbringen sich heute auf morgen folgen müssten.

Der Völkerbund, das darf man nicht aus den Augen verlieren, kann unmöglich gleichbedeutend sein mit einer ununterbrochenen Eeihe von Erfolgen; er ist vor allem und im wesentlichen ein ununterbrochenes Bestreben, Durch fortgesetzte, beharrliche und zielbewusste Anstrengung allein wird er sich nach und nach einem Ideale nähern, das zwar im Geiste leicht vorstellbar, der Wirklichkeit aber noch fern ist. Die Aufgabe des Völkerbundes ist schwer und gross. Man verlangt von ihm, dass er vollbringe, was die sich selbst überlassenen Staaten wohl nie hätten verwirklichen können. Er muss an ihre Stelle treten, um durch Überredung und Geduld eine stete Ordnung in einer Welt zu schaffen, die bis dahin das Gleichgewicht nie zu finden wusste. Aber das Antlitz der Welt lässt sich nicht in ein paar Jahren ändern, und um eingewurzelte Gewohnheiten, Jahrhunderte alte Anschauungen umzuwerten, einen neuen Geist zu schaffen, bedarf es
mehr als einiger Jahrfünfte. Es handelt sich um ein Werk von langer Dauer, das nur dann wahrhaft fruchtbar sein wird, wenn man ihm Zeit lässt, sich zu entwickeln und zu festigen.

Diese kurzen Bemerkungen zeigen zur Genüge, dass es müssig wäre, über eine Versammlung, die nur ein sehr kurzer Ausschnitt aus einem langen Werdegang ist, unbedingt ein abschliessendes Urteil abgeben zu wollen. Vielleicht ginge das noch an, wenn die letzte Versammlung -- denn von ihr allein ist ja hier die Bede -- wirklich ergebnislos verlaufen wäre. Doch diesen Vorwurf würde sie nicht verdienen. Sie sticht weniger hervor als andere; sie war aber sicherlich nicht weniger nützlich als jene. Vergessen wir nicht, dass sie unter

179 schwierigen Verhältnissen gearbeitet hat ; sie hatte in dieser Zeit des politischen und wirtschaftlichen Missbehagens Gegenströmungen zu überwinden. Gleichwohl hat sie in zahlreichen Fragen jenen Geist der internationalen Solidarität gefestigt, der die Seele des Völkerbundes ist.

Die Versammlung hat, wie wir sehen, den Umriss zu einer neuen Form europäischer Gemeinschaftsarbeit im Rahmen des Völkerbundes! gezogen. Mit der endgültigen Festsetzung eines Kollektivabkommens über die Finanzhilfe hat sie auf dem Wege zur Sicherheit einen weitem Schritt zurückgelegt. Wenn sie sich bemühte, durch den Grundsatz des unbedingten Verbots von Angriffskriegen die Lücken im Völkerbundspakt auszufüllen, so bereitete sie letzten Endes kommenden Versammlungen den Weg, der zur endgültigen Organisation des Friedens führen wird. Sie könnte gewiss noch manches andere geltend machen; doch wollte man sie allem schon nach diesen drei Ergebnissen beurteilen, so könnte man ihr einen Fortschritt nicht wohl absprechen. Liegt aber ein Fortschritt vor, so hat die Versammlung ihre Bestimmung erfüllt. Verlangen wir nicht mehr von ihr.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 30. Januar 1931.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

HäberUn, Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

180

Resolutionen und Empfehlungen der Versammlung *).

A. Resolutionen und Empfehlungen znr Berichterstattung der ersten Kommission.

1. Fortschreitende Kodifizierung des Völkerrechts.

Die Versammlung nimmt Kenntnis vom Ergebnis der Konferenz, die auf Grund einer von der Versammlung in ihrer Resolution vom 22. September 1924 betreffend die fortschreitende Kodifizierung des Völkerrechts ergriffenen Initiative im März und April 1930 im Haag tagte; bestätigt neuerdings, dass der Völkerbund der Entwicklung des Völkerrechts, insbesondere durch die Kodifizierung, grosse Beachtung schenkt, und betrachtet es als eine der-wichtigsten Aufgaben des Völkerbundes, diese Entwicklung durch alle ihm zu Gebote stehenden Mittel zu fördern ; ist der Ansicht, dass die von der Konferenz geäuaaerten Wünsche höchst wertvolle Anregungen enthalten, die bei der Untersuchung der Frage, wie das begonnene Werk am besten fortzusetzen wäre, Berücksichtigung verdienen; : beschliesst, die Präge auf ihre nächste Tagung zu verschieben; bittet inzwischen den Bat, er möge die Mitglieder des Völkerbundes und die ihm nicht angehörenden Staaten auffordern, ihm, falls sie es wünschen, ihre Bemerkungen zu den oben erwähnten Anregungen mitzuteilen, damit diese Bemerkungen von der Versammlung in Betfacht gezogen werden können.

(Resolution vom 3, Oktober 1930.)

2. Organisation des Ständigen Internationalen Gerichtshofes8).

Erste Resolution.

Die Versammlung gibt dem Wunsche Ausdruck, dass die Staaten, die das Protokoll vom 14. September 1929 betreffend die Bevision des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes noch nicht ratifiziert haben, sobald als möglich zu dessen Batifizierung schreiten mögen.

*) Übersetzung aus dem Französischen. Die Resolutionen und Empfehlungen der Versammlung werden hier in der Reihenfolge wiedergegeben, in der sie vom Völkerbund veröffentlicht worden sind.

ä ) .Die vierte Kommission hat in ihrer Sitzung vom 23. September 1930 den Voranschlagsentwurf für den Ständigen Internationalen Gerichtshof für 19S1 (Druckschrift A, 58. 1980. X.) gutgebeissen und damit auch die finanziellen Auswirkungen genehmigt, die sich aus der Annahme der von der ersten Kommission beantragten Resolutionen durch die Versammlung ergeben.

181 Zweite Resolution.

In Anbetracht des vom Eat gemäss Artikel 3 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs am 12. September 1930 gestellten Antrags besohliesst die Versammlung: Die Anzahl der im Artikel 3 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vorgesehenen ordentlichen Richter wird von elf auf fünfzehn erhöht.

Dritte Resolution.

Die Versammlung bittet den Standigen Internationalen Gerichtshof, die Anregungen zu berücksichtigen, die im zweiten Teile, Absatz l und 2, des dem Völkerbundsrat unterbreiteten und von ihm am 12. September 1930 gutgeheissenen Berichts des Juristenkomitees (Druckschrift A 45.1930. V.) enthalten sind; sie gibt der Hoffnung Ausdruck, dass der Gerichtshof die Möglichkeit prüfen werde, bis zum Inkrafttreten des Protokolls vom 14. September 1929 betreffend die Eevision des Gerichtshofstatuts die Frage der Gerichtstagungen und diejenige der Anwesenheit der Eichter auf Grund von Artikel 30 des dem Protokoll vom 16. Dezember 1920 angefügten Statuts zu regeln.

Vierte Resolution.

In Anbetracht des vom Eat gemäss Artikel 32 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs am 12. September 1980 gestellten Antrags beschliesst die Versammlung: Die Besoldungen, Zulagen und Taggelder der Mitglieder des Gerichtshofes werden vom 1. Januar 1931 an, bis die Eesolution der Versammlung vom 14. September 1929 betreffend die Besoldungen, Zulagen und Taggelder der Mitglieder des Gerichtshofs anwendbar ist, wie folgt festgesetzt : Holländische Gülden

Präsident:

Jahresbesoldung Sonderzulage

.

35,000 25,000

Vizepräsident:

Jahresbesoldung Taggeld von 50 Gulden für jeden Amtstag als Eiohter bis zum Betrage von Taggeld von 50 Gulden für jeden Amtstag als Präsident, bis zum Betrage von. . . . . . .

35,000

Ordentliche Riûhter:

Jahresbesoldung .

Taggeld von 50 Gulden für jeden Amtstag, bis zum Betrage von . . . . . .

Ersatzrichter und nationale Richter: Taggeld von 150 Gulden für jeden Amtstag, bis zum Betrage von

10,000 10,000 35,000 10,000

30,000

182 Die Taggelder für die Amtstage berechnen sich vom Tage der Abreise bis zum Tage der Bückkehr des Berechtigten.

Die Zulagen, Taggelder und Besoldungen sind gänzlich steuerfrei.

Fünfte Resolution.

In Anbetracht des vom Bat gemäss Artikel 82 des Statute des Ständigen Internationalen Gerichtshofs am 12. September 1930 gestellten Antrags beschliesst die Versammlung: Den am 1. Januar 1931 irn Dienste stehenden oder später eintretenden Mitgliedern des Gerichtshofs werden Pensionen zu den nachfolgenden Bedingungen gewährt: Artikel 1.

.Die ordentlichen Bichter und der Gerichtsschreiber haben, wenn sie aus irgendeinem Grunde aus dem Amte scheiden, Anspruch auf Pensionierung.

Dieser Anspruch wird ihnen jedoch entzogen, wenn sie aus andern als Gesundheitsgründen ihres Amtes enthoben werden.

Bei freiwilligem Bücktritt besteht kein Anspruch auf Pensionierung vor Ablauf von fünf Amtsjahren für die Richter und vor Ablauf von sieben Amtsjahren für den Gerichtsschreiber. Doch steht es dem Gerichtshof frei, durch besondern Beschluss, der im gefährdeten Gesundheitszustand und in den ungenügenden Mitteln des Betreffenden begründet sein muss, diesem einen Anspruch auf die Pension zuzuerkennen, die ihm zugestanden hätte, wenn er während der oben festgesetzten Mindestdauer im Amte gewesen wäre.

Die Pension wird erst von dem Zeitpunkte an ausgerichtet, wo der Berechtigte das Alter von 65 Jahren erreicht hat. In gewissen Ausnahmefällen kann sie jedoch durch Beschlues des Gerichtshofes dem Berechtigten vor Erreichung dieses Alters in vollem Umfang oder teilweise entrichtet werden.

Artikel 2.

' Der höchste Betrag der Eücktrittspension, der nach dem vorliegenden Beglement entrichtet werden kann, beläuft sich auf jährlich 15,000 holländische Gulden für die Bichter und auf jährlich 10,000 holländische Gulden für den Gerichtsschreiber.

Artikel 8.

Unter Vorbehalt der Bestimmungen des Artikels 2 erwerben die Siebter für jeden Zeitraum von zwölf Monaten im Dienste des Gerichtshofes einen Anspruch auf Entrichtung einer Jahrespension im Betrag eines Dreissigstels ihrer Besoldung für diesen Zeitraum, der berechnet wird :

183

für den Präsidenten nach seiner Jahresbesoldung und nach seiner besondern Entschädigung; für den Vizepräsidenten und die übrigen ordentlichen Bichter nach ihrer Jahresbesoldung und nach ihrer Zulage für die Amtstage.

Der Gerichtsschreiber erwirbt für jeden Zeitraum von zwölf Monaten im Dienste des Gerichtshofs einen Anspruch auf Entrichtung einer Jahrespension von einem Vierzigste! seiner Bezüge für diesen Zeitraum, Wird jemand, dem ein Pensionsanspiuch zusteht, erneut gewählt, so wird die Pension während der Dauer seiner neuen Beamtung nicht entrichtet; nach Ablauf dieser Zeit wird jedoch der Betrag seiner Pension unter den oben vorgesehenen Bedingungen auf Grund der gesamten Dauer bestimmt, während der der Betreffende sein Amt versehen hat.

Artikel-4.

Unter Vorbehalt der Bestimmungen des Artikels 8 sind die Bücktrittspensionen zu Lebzeiten des Berechtigten zahlbar, und zwar jeweilen am Ende jedes Monats.

Artikel 5.

Die Bücktrittspensionen fallen unter die Kosten des Gerichtshofes im Sinne des Artikels 38 seines Statuts.

Artikel 6.

Die Völkerbundsversammlung kann auf Vorschlag des Eates das gegenwärtige Eeglement abändern.

Jede derart eingeführte Abänderung ist jedoch auf Personen, die vor Annahme dieser Abänderung gewählt worden sind, ohne ihre Zustimmung nicht anwendbar.

(Resolutionen vom 25. September 1930.)

3. Antrag der finnländischen Regierung, dem Ständigen Internationalen Gerichtshof die Zuständigkeit einer Rekursinstanz hinsichtlich der von den verschiedenen Staaten eingesetzten Schiedsgerichte zu verleihen.

Die Versammlung beschliesst, die Prüfung des Berichts (Druckschrift C. 888 M. 188. 1930. V.) des vom Eat ernannten Komitees zum Studium des Antrags der finnländischen Eegierung, dem Ständigen Internationalen Gerichtshof die Zuständigkeit einer Eekursmstanz hinsichtlich der von den verschiedenen Staaten eingesetzten Schiedsgerichte zu verleihen, bis zu ihrer ordentlichen Session vom Jahre 1931 zu vertagen.

(Resolution vom 3. Oktober 1930.)

Ì84 4. Ratifizierung der unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen internationalen Abkommen.

Erste Resolution.

Die Versammlung hat mit grösster Aufmerksamkeit den Bericht (Druckschrift A. 10.1930. V.)

der Kommission geprüft, die gemäss einer Eesolution der Versammlung vom 24. September 1929 mit der Prüfung der Frage der Eatifizierung und Unterzeichnung der unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen Abkommen betraut worden war ; ist überzeugt, dass die Lösung des Problems der Eatifikationen zu einem großsen Teil von der guten Vorbereitung der zur Ausarbeitung der Abkommen einberufenen Konferenzen abhängt; zieht in Erwägung, dass es ausserordentlich wichtig ist, alle Vorkehrungen zu treffen, die die Zustimmung möglichst zahlreicher Länder zu den unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenen Abkommen und die Hinterlegung der Eatifikationsurkunden für diese Abkommen binnen möglichst kurzer Frist gewährleisten; spricht der Kommission ihre volle Anerkennung für deren Arbeit aus, genehmigt ihren Bericht und empfiehlt die im Kommissionsbericht enthaltenen Vorschläge nach Massgabe der nachfolgenden Eesolutionen zur Nachachtung:

I.

Jedes Jahr wird der Generalsekretär an die Mitglieder des Völkerbundes und die Nichtmitgliedstaaten, die irgendein unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossenes allgemeines Abkommen unterzeichnet, aber nicht binnen einem Jahre seit Abschluss des Unterzeicbnungsprotokolls ratifiziert haben, die Bitte richten, ihm ihre Absichten bezüglich der Eatifizierung dieses Abkommens bekanntzugeben. Diese Erkundigungen des Generalsekretärs sollen alljährlich so frühzeitig an die Eegierungen gerichtet werden, dass die Antworten der Eegierungen vor der Versammlung eintreffen können; die Angaben über diese Erkundigungen und über die erhaltenen Antworten sind der Versammlung zur Prüfung zu unterbreiten,

II.

Zu den Zeitpunkten und Zeitabständen, die dem Generalsekretär den Umständen nach angemessen scheinen, wird er für jedes allgemeine unter den Auspizien des Völkerbundes geschlossene Abkommen an die Eegierung eines jeden Mitgliedes des Völkerbundes, das ein solches Abkommen fünf Jahre nach dessen Auflegung zur Unterzeichnung weder unterzeichnet hat noch ihm beigetreten ist, die Bitte* richten, ihre Auffassung über dieses Abkommen --namentlich ob sie irgendwelche Möglichkeit sieht, dem Abkommen

185 beizutreten, oder ob ihr der Inhalt des Abkommens zu Einwendungen Anlass gibt, die sie an dessen Annahme verhindern --· bekanntzugeben. Die Angaben über diese Erkundigungen des Generalsekretärs und über die erhaltenen Antworten sind der Versammlung mitzuteilen.

m.

Für jedes bestehende allgemeine Abkommen, das unter den Auspizien des Völkerbundes zustandegekommen ist, wird der Völkerbundsrat nach Befragung der zuständigen Organe oder Kommissionen des Völkerbundes und unter Würdigung der Aufschlüsse, über die er auf Grund der in den Resolutionen I und II empfohlenen Erkundigungen und anderer von ihm als zweckmässig erachteter Erhebungen verfügt, die Frage prüfen, ob es wünschenswert und angezeigt sei, eine neue Konferenz einzuberufen, die zu bestimmen hätte, ob das Abkommen abzuändern oder ob irgendeine andere Massnahme zu ergreifen wäre, um die Annahme des Abkommens durch eine grössere Zahl von Ländern zu erleichtern.

IV.

Für alle allgemeinen Abkommen, die unter den Auspizien des Völkerbundes ausgearbeitet werden sollen, ist grundsätzlich das nachfolgende Vorbereitungsverfahren einzuschlagen, ausgenommen wenn in früheren Abkommen oder Vereinbarungen ein besonderes Verfahren festgesetzt ist oder wenn wegen der Beschaffenheit der zur Behandlung stehenden Fragen oder wegen besonderer Umstände die Versammlung oder der Bat der Ansicht sind, dass ein anderes Vorgehen zweekmässiger sei: 1. Empfiehlt ein Organ des Völkerbundes den Abschluss eines allgemeinen Abkommens über irgendeine Frage, so hat es einen Bericht über den Zweck und die Vorteile des Abschlusses dieses Abkommens auszuarbeiten. Dieser Bericht ist dem Völkerbundsrat vorzulegen.

2. Billigt der Bat den Vorschlag grundsätzlich, so ist für das Abkommen ein Vorentwurf auszuarbeiten und mit dem erläuternden Berichte den Regierungen mitzuteilen; diese werden aufgefordert, dem Generalsekretär bekanntzugeben, ob sie glauben, dass der Entwurf in Betracht zu ziehen sei und was sie sowohl von den hauptsächlichsten Absichten und den zu ihrer Erreichung vorgeschlagenen Mitteln als auch von dem Vorentwurf selbst halten. In gewissen Fällen mag es wünschenswert sein, einen besondern Fragebogen beizufügen.

8. Der Vorentwurf zum Abkommen und die Bemerkungen der Regierungen dazu (sowie gegebenenfalls die Antworten auf den Fragebogen) sind der Versammlung zu überweisen, die entscheidet, ob dem Bäte die Einberufung der geplanten Konferenz zu empfehlen sei.

4. Empfiehlt die Versammlung die Einberufung einer Konferenz, so sorgt der Rat für die Ausarbeitung eines Abkommensentwurfs auf Grund der von den Regierungen eingegangenen Antworten; dieser Ab-

186 kommenseritwurf ist sodann (mit den Antworten der andern Regierungen) jeder einzelnen Regierung mit der Aulforderung zuzustellen, sich zu den Bestimmungen des Entwurfs zu äussern und mitzuteilen, zu welchen Bemerkungen ihr die oben erwähnten Antworten der übrigen Regierungen Anlass geben.

5. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser zweiten Umfrage beschliesst der Bat gegebenenfalls, die Konferenz einzuberufen, und bestimmt den Zeitpunkt ihres Zusammentritts.

6. Bei der Anberaumung einer Konferenz wird der Rat nach Möglichkeit darauf achten, dass einerseits nicht gleichzeitig zwei Konferenzen des Völkerbundes tagen, und dass andererseits zwischen zwei Konferenzen ein angemessener Abstand liegt.

7. Das in den vorstehenden Ziffern angegebene Verfahren wird auch für die Entwürfe zu Abkommen möglichst einzuhalten sein, deren Absohluss in einer Entschliessung der Versammlung oder auf Grund eines Vorschlags einer Regierung als zweckmässig erkannt wird.

Die oben dargelegten Grundsätze sind den technischen Organisationen des Völkerbundes sowie den Regierungen mitzuteilen, damit in der nächsten Versammlung erwogen werden kann, ob es auf Grund der allenfalls vorgebrachten Anregungen angezeigt sei, Änderungen daran anzubringen.

.

.

·

V-

In Übereinstimmung mit den Empfehlungen im dritten Teil, Abschnitt 2, Buchstabe d, e und /, des Berichts (Druckschrift A. 10.1980.V.) der Kommission, die auf Grund der Resolution der Versammlung vom 24. September 1929 bestellt wurde, sind in den künftigen, unter den Auspizien des Völkerbundes tagenden Konferenzen, in deren Verlauf allgemeine Abkommen zur Unterzeichnung gelangen, Zeichnungsprotokolle anzulegen, die sich nach Möglichkeit an einen der beiden der vorliegenden Resolution beigefügten Entwürfe halten.

BEILAGE L Zeichnungsprotokoll.

Bei der Unterzeichnung des Abkommens vom heutigen Tage betreffend erklären die unterzeichneten, gehörig befugten Bevollmächtigten im Namen .ihrer Regierungen über folgendes übereingekommen zu sein: L Die Regierung jedes Mitgliedes des Völkerbundes oder jedes NichtrnitgliedeB, in dessen Namen das vorliegende Abkommen unterzeichnet worden ist, verpflichtet sich, bis spätestens zum entweder das Abkommen ihrem Parlamente zur Genehmigung vorzulegen oder aber dem Generalsekretär des Völkerbundes ihre Absichten bezüglich des Abkommens bekanntzugeben.

187

II. Falls das Abkommen bis zum nicht für Mitglieder des Völkerbundes oder Nichtmitglieder in Kraft getreten ist, -wird der Generalsekretär des Völkerbundes dem Völkerbundsrat über die Lage berichten; dieser kann entweder eine neue Konferenz aller Mitglieder des Völkerbundes und Nichtmitglieder, in deren Namen das Abkommen bis dahin unterzeichnet oder der Beitritt vollzogen worden ist, zur Prüfung der Lage einberufen oder aber die Massnahmen ergreifen, die er für nötig erachtet. Die Eegierung jedes Staates, der unterzeichnet hat oder beigetreten ist, verpflichtet sich, sich an einer in dieser Weise einberufenen Konferenz vertreten zu lassen. Ebenso kann die Eegierung eines jeden Mitgliedes des Völkerbundes und eines jeden Nichtmitgliedes, die das Abkommen nicht unterzeichnet hat und ihm auch nicht beigetreten ist, eingeladen werden, in dieser Weise sich an jeder vom Völkerbundsrat einberufenen Konferenz vertreten zu lassen.

Anmerkung. -- Das in der vorliegenden Beilage vorgesehene Verfahren eignet sich für die meisten allgemeinen Abkommen. Wird von ihm Gebrauch gemacht, so sind die Schlussbestimmungen des Abkommens in üblicher Form zu verfassen ; sie haben für das Inkrafttreten des Abkommens kein ausdrückliches oder endgültiges Datum anzugeben, müssen aber das Inkrafttreten nach dem Eintreffen einer verhältnismässig geringen Zahl von Batifikationen oder Beitritten ermöglichen.

BEILAGE H.

Sohlussbestimmungen des Abkommens.

Artikel X.

Das vorliegende Abkommen tritt am in Kraft, sofern bis dahin 1 für ) Batifikationen oder Beitritte im Namen von Mitgliedern des Völkerbundes oder von Nichtmitgliedern beim Generalsekretär des Völkerbundes die Urkunden hinterlegt worden oder die Anzeigen eingetroffen sind.

ZeichnungsprotokoU.

Bei der Unterzeichnung des Abkommens vom heutigen Tage betreffend erklären die unterzeichneten, gehörig befugten Bevollmächtigten im Namen ihrer Regierungen über folgendes übereingekommen zu sein: ä Falls das Abkommen bis zum ) nicht gemäss den Bestimmungen des Artikels X in Kraft getreten ist, wird der Generalsekretär des Völkerbundes dem Völkerbundsrat über die Lage berichten; dieser kann entweder eine neue Konferenz aller Mitglieder des Völkerbundes ') Die hier angegebene Zahl musa ziemlich hoch sein.

) Gleiches Datum wie das im Artikel X angegebene. >

2

188 und Nichtmitglieder, in deren Namen das Abkommen bis dahin unterzeichnet oder die Eatifikation *) vollzogen worden ist, zur Prüfung der Lage einberufen oder aber die Massnahmen ergreifen, die er für nötig erachtet. Die Regierung jedes Staates, der unterzeichnet hat oder beigetreten ist, verpflichtet sich, sich an einer auf diese Weise einberufenen Konferenz vertreten zu lassen.

Anmerkung. -- Das in der Beilage II vorgesehene Verfahren eignet sich für gewisse Gattungen von Abkommen, deren praktischer Nutzen von ihrem sofortigen Inkrafttreten in einer bedeutenden Zahl von Staaten abhängt.

VI.

Der Eat wird untersuchen, inwieweit es in Anbetracht des Verfassungsrechtes und der Praxis der verschiedenen Staaten möglich ist, für die allgemeinen Abkommen über bestimmte Prägen ein Verfahren einzuschlagen, das in der Unterzeichnung nicht ratifikationspflichtiger Eegierungsvereinbarungen besteht ; dieses Verfahren soll für untergeordnete und technische Prägen wenn immer möglich befolgt werden.

VII.

Die inskünftig unter den Auspizien des Völkerbundes ausgearbeiteten und unter dem Vorbehalte der Eatifikation geschlossenen allgemeinen Abkommen sollen nach der Beendigung der Konferenz nicht länger als sechs Monate zur Zeichnung aufliegen, sofern nicht besondere Gründe für eine Verlängerung dieser Prist sprechen, Zweite Resolution.

Die Versammlung ist von der Nützlichkeit der vom Völkerbundssekretariat gemäss der Resolution der Versammlung vom 24. September 1929 hergestellten Tabellen, Diagramme und graphischen Darstellungen überzeugt und spricht den Wunsch aus: 1. dass diese Tafeln dreimal jährlich, gleichzeitig mit den auf Verlangen des Eates angefertigten Listen, veröffentlicht werden; 2. dass der Generalsekretär nach einer Umfrage bei den Regierungen und bei den Ämtern der internationalen Unionen und Kommissionen die Möglichkeit der Herstellung ähnlicher Tafeln für alle geltenden allgemeinen Abkommen prüfe.

(Resolutionen und Empfehlungen vom 3. OUdber 1930.)

') Soll heisseo ,,der Beitritt".

189 5. Abänderung des Völkerbundsvertrages zum Zwecke der Anpassung an den Pariser Pakt Die Versammlung ist überzeugt von der Notwendigkeit, das allgemeine Kriegsverbot und den Grundsatz, dass die Beilegung der zwischenstaatlichen Streitigkeiten stets nur auf friedlichem Wege erstrebt werden darf, in den Völkerbundsvertrag aufzunehmen; erkennt den grossen Wert des vom Elferkomitee verfassten Berichts (Druckschrift A. 8.1980. V.) an; zieht in Erwägung, dass sich die erste Kommission veranlagst gesehen hat, gewisse Abänderungen des vorgeschlagenen Wortlautes ins Auge zu fassen und dass im Laufe der Beratungen gewisse politische Seiten der Erage hervorgetreten sind, die eine gründlichere Prüfung wünschenswert machen; bittet daher den Generalsekretär, den Eegierungen der Völkerbundsmitglieder den Bericht des Elferkomitees (Druckschrift A. 8.1980. V.) und denjenigen der ersten Kommission (Druckschrift A. 85.1980, V.) vorzulegen und sie aufzufordern, ihre Bemerkungen vor dem 1. Juni 1931 einzureichen, sowie gegebenenfalls mitzuteilen, welche Abänderungen des Vertrages ihnen y,ur Erreichung des angestrebten Zieles besonders geeignet scheinen.

(Resolution vom 4. Oktober 1930.)

6. Vorschlag, die Zahl der Vizepräsidenten der Versammlung zu erhöhen.

Abänderungsantrag zum Artikel 7, Absatz 1, der Geschäftsordnung der Versammlung.

Die Versammlung bescbliesst, auf diesen Antrag nicht einzutreten.

(Resolution vom 3. Oktober 1930.)

B. Resolutionen und Empfehlungen zur Berichterstattung der zweiten Kommission.

1. Tätigkeit der Hygieneorganisation.

Die Versammlung erkennt an, wie wichtig das Werk der Ilygieneorganisation für den gesamten Völkerbund und wie nützlich es für die Lösung der mit der Entwicklung aller Länder zusammenhängenden Probleme ist, spricht die Hoffnung aus, dass diese Organisation den Mitgliedstaaten ihre Erfahrung je länger, je mehr zur Verfügung stellen könne; stellt mit Befriedigung fest, dass die Tätigkeit der Hygieneorganisation .fortgesetzt überall in der Welt an Boden gewinnt und dass sie im vergangenen Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

15

190 Jahre namentlich in gewissen Ländern zur Geltung gekommen ist, die den Völkerbund um seine technische Beratung für den Ausbau ihres Gesundheitsdienstes nachgesucht haben; billigt die Tätigkeit dieser Organisation seit der letzten Session der Versammlung und versichert die Mitglieder des Hygienekomitees sowie die Sanitätsverwaltungen und die Spezialexperten, die alle in so hohem Masse zum Erfolge dieser Tätigkeit beigetragen haben, ihrer vollen Dankbarkeit.

(Resolution vom 29. September 1930.)

2. Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr.

Die Versammlung nimmt Kenntnis von der Tätigkeit der Organisation für die Verkehrswege und den Durchgangsverkehr in der Zeit zwischen der zehnten und der elften Tagung der Versammlung und vom Arbeitsplan, den die Organisation für den Durchgangsverkehr für das auf die elfte Tagung der Versammlung folgende Jahr angenommen hat; vertraut darauf, dass die Mitglieder des Völkerbundes bestrebt sein werden, zur Förderung dieses Werkes beizutragen und den internationalen Konferenzen, die zwischen der gegenwärtigen und der nächsten Tagung der Versammlung unter den Auspizien der Organisation für den Durchgangsverkehr stattfinden sollen, einen vollen Erfolg zu sichern.

(Resolution vom 29. September 1930.)

3. Wirtschaftliche Tätigkeit des Völkerbundes.

Die Versammlung nimmt Bezug auf ihre Eesolution vom September 1929; sie ist sich des Ernstes der gegenwärtig in der ganzen Welt herrschenden Wirtschaftskrise bewusst ; ist daher der Ansicht, dass die letztes Jahr ins Auge gefasste gemeinsame Aktion notwendiger und dringender sei als je und dass sie infolgedessen unverzüglich ins Werk gesetzt und energisch durchgeführt werden müsse; hebt die Bedeutung folgender Punkte besonders hervor: 1. Die Versammlung stellt fest, dass die in der oben erwähnten Eesolution vorgesehene erste Etappe von der Vorkonferenz für eine gemeinsame wirtschaftliche Aktion, die vom 17. Februar bis zum 24. März 1980 tagte, bereits erreicht worden ist; sie richtet an alle in Betracht kommenden Staaten die dringende Aufforderung, dafür Sorge zu tragen, dass die von dieser Konferenz ausgearbeitete Handelsübereinkunft unter den Signatarstaaten in Kraft gesetzt werde und dass ihr möglichst zahlreiche andere Staaten beitreten.

191 2. Die Versammlung hat das Protokoll über dag Programm der spätem Verhandlungen und den Berieht des Wirtscbaftskomitees an den Bat über das Ergebnis seiner zweiunddreissigsten Session (Druckschrift C: 853..M. 146. Ì980.

II.) zur Kenntnis genommen; sie gibt der Hoffnung Ausdruck, dass es dem Wirtschaftskomitee auf Grund der Antworten der an der Konferenz vertretenen Staaten gelingen möge, in seiner nächsten Tagung konkrete Vorschläge auszuarbeiten, damit der. Bat die progressive Durchführung des Programms für die Verhandlungen unverzüglich an die Hand nehmen kann.

· 8. Die Versammlung nimmt die Vorschläge der Staaten, die an der Warschauer Landwirtschaftskonferenz teilgenommen haben, zur Kenntnis, und ohne zu der strittigen Präge der Vorzugsbehandlung Stellung zu nehncen, stellt sie fest, dass diese Vorschläge in das allgemeine Programm der europäischen Wirtschaftsorganisation fallen und zu den Gegenständen der im Protokoll für die späteren Verhandlungen vorgesehenen Zusammenkünfte und Verhandlungen gehören.

4. Die Versammlung erinnert daran, dass die in das Programm der spätem Verhandlungen aufgenommene Frage der Meistbegünstigungsklausel vom Wirtschaftskomitee bereits einer einlässlichen Prüfung unterzogen worden ist, deren Ergebnis den Begierungen mitgeteilt wurde ; sie bittet den Rat, das Wirtschaftskomitee zu beauftragen, unter Mitwirkung von Sachverständigen der hauptsächlich interessierten Staaten seine Untersuchungen über diese Frage unter Berücksichtigung der in den Beratungen der zweiten Kommission geäusserten Ansichten fortzusetzen/ Die Versammlung ersucht den Bat ferner, die Frage auf die Tagesordnung einer Wirtschaftskonferenz der Begierungen zu setzen, sobald die Vorarbeiten des Wirtschaftskomitees so weit vorgerückt sind.

5. Die Versammlung stellt insbesondere fest, dags die verschiedenen Arten des «Dumping» ernste wirtschaftliche Bückwirkungen haben können, wenn sie von einer staatlichen Interventionspolitik unterstützt werden; sie spricht den Wunsch aus, dass im Bahmen der im Protokoll vom 24. März 1980 vorgesehenen spätem Verhandlungen die Frage einer gemeinsamen Aktion nicht nur hinsichtlich der verschiedenen Formen des indirekten Protektionismus, sondern auch bezüglich des «Dumping» in allen seinen Äusserungen baldigst einer weitern Prüfung unterzogen werde.

6. Die
Versammlung spricht dem Unterausschuss der Sachverständigen für die Vereinheitlichung der Zollnomenklatur ihre Anerkennung über die bereits geleistete Arbeit aus; sie verleiht dem Wunsche Ausdruck, dass das Wirtschaftskomitee dem Bäte die erforderlichen Unterlagen verschaffe, damit das Verfahren, das vorgeschlagen worden ist, um den verschiedenen Staaten die Annahme der vereinheitlichten Nomenklatur zu erleichtern und um die einmal erreichte Einheitlichkeit aufrechtzuerhalten, binnen kürzester Frist angewendet werden kann.

192 7. Von der Auffassung ausgehend, dass die Streitigkeiten, die auf die verschiedene Auslegung der Handelsübereinkünfte zurückzuführen sind oder auf den Erlass von Gesetzen und Verordnungen, -welche den internationalen Warenaustausch beeinträchtigen, für die wirtschaftliche Zusammenarbeit ein Hindernis bilden, verleiht die Versammlung dem bereits im Programm für die späteren Verhandlungen enthaltenen Wunsche erneut Ausdruck, dass das Wirtschaftskomitee auf Grund einer aufmerksamen Prüfung der Bechtslage, wie sie sich gegenwärtig aus den Verträgen ergibt, die Schaffung eines ständigen Vermittlungs- und Schiedsorgans erwäge, dem unbeschadet der Befugnisse und der Zuständigkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofs alle Streitfälle unterbreitet werden könnten, die zwischen den Staaten wegen der Auslegung und Durchführung der zwei- oder mehrseitigen Handelsübereinkünfte entstehen.

8. Die Versammlung erinnert daran, dass sich ein wirklicher Portschritt auf dem Wege zur wirtschaftlichen Solidarität nicht auf den Waren- und Kapitalverkehr beschränken könnte, sondern sich notwendigerweise auch auf die Tätigkeit der Einzelpersonen erstrecken muss, dadurch dass für sie möglichst liberale Grundsätze zur Anwendung gelangen ; sie bedauert sehr, dass die Kompliziertheit des Gegenstandes die Pariser Konferenz vom November 1929 verhindert hat, auf dem Gebiete des Fremdenrechts zu einem Abkommen zu gelangen, das gegenüber der heutigen Lage einen Fortschritt bedeutet hätte; sie spricht den Wunsch aus, dass nichts unterlassen werde, was "der im Pariser Protokoll vom Dezember 1929 vorgesehenen zweiten Tagung der Konferenz einen Erfolg sichern und zum Abschluss eines möglichst fortschrittlichen Abkommens beitragen kann.

9. Die Versammlung stellt fest, dass das Abkommen zur Abschaffung der Ein- und Ausfuhrverbote am 1. Juli 1930 eine ansehnliche Zahl von Ratifikationen erhalten hatte, und bedauert, dass Hindernisse besonderer Art das Inkrafttreten dieses Abkommens unter allen Signatarländern verhindert haben; sie spricht den Wunsch aus, dass die in Betracht kommenden Staaten bei ihrem Entschlüsse beharren werden, durch die Beseitigung der Verbote eines der Haupthindernisse für den freien Warenverkehr aus dem Wege zu schaffen.

10. In der Erwägung, dass die tatsächliche Beteiligung von Begierungsvertretern an
den wirtschaftlichen Arbeiten des Völkerbundes für den Abschluss und die Inkraftsetzung von internationalen Abkommen, die den Empfehlungen des Völkerbundes entsprechen, die wirksamste Gewähr bietet, spricht die Versammlung den Wunsch aus, dass sich die Wirtschafts- und Finanzorganisation der effektiven Beteiligung der Begierungsvertreter an den wirtschaftlichen Arbeiten des Völkerbundes versichere; au diesem Zwecke soll erwogen werden, ob man nicht je nach Zeit und Umständen, aber jedenfalls womöglich einmal jährlich, eine Konferenz der Eegierungsvertreter einberufen könnte.

193 11. In der Erwägung, dass die mit Resolution der Versammlung vom 17. September 1980 eingesetzte Kommission die Möglichkeiten einer engen Zusammenarbeit der europäischen Regierungen auf allen Gebieten der internationalen -- einschliesslich der wirtschaftlichen -- Tätigkeit untersuchen soll, und dass infolgedessen die Gegenstände, welche die Kommission zu prüfen hat, bis zu einein gewissen Grade die nämlichen sind wie die in das Protokoll über das Programm für die späteren Verhandlungen vom 24. März 1980 aufgenommenen, insbesondere was die Meistbegünstigungsklausel und die Handelspolitik betrifft, empfiehlt die Versammlung, dass zwischen den Arbeiten der genannten Kommission und denjenigen, die sich aus dem erwähnten Protokoll ergeben, der Zusammenhang gewahrt werde, da beider Gegenstände in der Hauptsache die nämlichen Staaten angehen.

12. Die Versammlung hat davon Kenntnis genommen, dass der Unterausschuss der Veterinärexperten, der unter der Leitung des Wirtschaftskomitees arbeitet, bereits zur Aufstellung gewisser beachtenswerter Grundsätze für die internationale Bekämpfung der Viehkrankheiten, für die interne Organisation des Veterinärwesens und für die technische Zusammenarbeit auf internationaler Grundlage gelangt ist.

Sie stellt fest, dass die Anwendung dieser Grundsätze das gegenseitige Vertrauen zwischen den Ein- und Ausfuhrländern stärken und dadurch die Einräumung grösserer Erleichterungen für den internationalen Handel mit Vieh und tierischen Erzeugnissen begünstigen würde, und spricht daher den Wunsch aus, dass das Wirtschaftskomitee die Fortsetzung dieser Arbeiten beschleunige, damit nach der auf Oktober 1980 vorgesehenen Tagung der Experten die Grundlagen zur internationalen Regelung der Frage durch ein oder mehrere Abkommen geschaffen werden können.

18. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung vom Ergebnis der Konferenz zur Vereinheitlichung des Wechselrechtes Kenntnis und-spricht den Wunsch aus, dass es gelingen werde, dieses Ergebnis in der zweiten Session der Konferenz durch ähnliche Abkommen über das Checkrecht zu ergänzen.

14. Die Versammlung nimmt Kenntnis von den Fortschritten, welche die Wirtschafts- und Finanzorganisation in den Untersuchungen über die internationalen Industrieabkommen erzielt hat und verleiht dem Wunsche Ausdruck, dass diese Untersuchungen tatkräftig
fortgesetzt werden, damit gestützt auf sie ein allgemeiner Bericht über alle Seiten dieser Frage ausgearbeitet werden kann.

15. Die Versammlung hat Kenntnis genommen vom Ergebnis der vom Wirtschaftskomitee einberufenen Tagung der landwirtschaftlichen Experten; sie gibt dem Wunsche Ausdruck, dass die nun hergestellte notwendige Zusammenarbeit bei der Prüfung aller die Landwirtschaft betreffenden wirtschaftlichen Fragen fortgesetzt werde.

194 16. Unter dem Eindruck des Ernstes der gegenwärtigen Lage, der allgemeinen Zunahme der Arbeitslosigkeit, der Verschärfung der Wirtschaftskrise, der Häufigkeit -wirtschaftlicher Depressionen und des bisherigen Unvermögens, gemeinsame Abwebrinittel gegen die dadurch verursachten Schäden ausfindig zu machen, besohliesst die Versammlung, dass die Wirtschafts- und Finanzorganisation des Völkerbundes, die bereits die Ursachen der Schwankungen in der Kaufkraft des Goldes und ihre [Rückwirkungen auf das Wirtschaftsleben der Völker erforscht, beauftragt werden soll, auch den Verlauf und die Phasen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zu studieren und dabei die für diese Krise charakteristischen Umstände und Tatsachen hervorzuheben. Zu diesem Zwecke soll sie sich das von den nationalen Stellen der verschiedenen Länder gesammelte Material dienstbar machen, es zentralisieren und allfällige Lücken ergänzen.

Zur Durchführung dieser Aufgabe soll sich die Wirtschafts- und Finanzorganisation mit den nationalen Organisationen, den beratenden Kommissionen, Studienkomitees oder Forschungsinstituten, die sich mit der Frage befassen, in Verbindung setzen, wobei sie namentlich den Anleitungen des beratenden Wirtschaftskomitees zu folgen hat; sie soll ferner mit Unterstützung der genannten Stellen untersuchen, wie bereits unternommene Arbeiten über das Problem der zyklischen Wiederkehr der Krisen zusammengefasst werden könnten.

Die Versammlung ist ferner davon überzeugt, dass die Wiederherstellung des Wohlstandes in den Ländern mit vorwiegend landwirtschaftlicher Wirtschaftsstruktur und in den Ländern der Bohstofferzeugung nicht blosser Selbstzweck ist, sondern dass sie auch zur Wiederherstellung des Wohlstandes in den andern Ländern beitragen wird; die Versammlung wünscht daher, dass in den Erhebungen über die Weltwirtschaftskrise, auf die sich die vorliegende Empfehlung bezieht, dem Programm und den Untersuchungen, die von den landwirtschaftlichen Experten an ihrer Genfer Tagung im Januar 1980 empfohlen wurden, sowie den Arbeiten der internationalen Organisationen,-die auf diesem Gebiete besonders sachkundig sind, erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werde.

Sie verleiht ferner dem Wünsche Ausdruck, dass man bei diesen Untersuchungen die Erhebung des Internationalen Arbeitsamtes über die Arbeitslosigkeit sowie die
einschlägigen Arbeiten der übrigen in dieser Frage bewanderten internationalen Organisationen berücksichtige, damit die Wirtschafts- und Finanzorganisation zu gegebener Zeit in der Lage ist, gestützt auf erschöpfende Unterlagen und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, finanziellen, hevölkerungs- und arbeitspolitisohen Gesichtspunkte -- einschliesslich des Bohstoffproblems --· die Zweckmässigkeit einer internationalen Aktion in Erwägung zu ziehen.

17. Die Versammlung empfiehlt der Wirtschaftsorganisation ganz allgemein, in Fragen, welche die Zuständigkeit anderer öffentlicher Körperschaften berühren, deren Leistungen zu berücksichtigen und sich ihrer Mitwirkung zu versichern, insbesondere was die Arbeitsfragen (Internationales Arbeitsamt) und

195 die Landwirtschaftsfragen (Internationales Landwirtschaftliches Institut) betrifft. Die Versammlung erblickt in dieser ständigen Zusammenarbeit einen wesentlichen Faktor für die Rationalisierung der internationalen Tätigkeit.

18. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, dass die internationale Übereinkunft über Wirtschaftsstatistik bisher von zehn Staaten ratifiziert worden ist und dass sie somit vor Ende dieses Jahres in Kraft treten wird. Sie stellt ferner fest, dass gewisse Länder einige Bestimmungen der Übereinkunft bereits anwenden, 19. Die Versammlung nimmt Kenntnis von der Empfehlung des Rates, in der daran erinnert wird, dass die Arbeiten über die «Bévue annuelle des développements économiques», deren Herausgabe von der letzten Versammlung empfohlen worden war, nicht vor dem Inkrafttreten des Abkommens über Statistik in Angriff zu nehmen seien: Sie beschliesst zur Verwirklichung dieser notwendigen Bedingung: a. dass die obenerwähnte «Revue annuelle» als Völkerbundsdruckschrift veröffentlicht wird; 6. dass die Vorarbeiten 1931 beginnen sollen.

(Resolutionen und Empfehlungen vom 2. Oktober 1930.)

4. Tätigkeit des Völkerbundes auf finanziellem Gebiet.

Die Versammlung 1. beglückwünscht das Finanzkomitee zu seiner bemerkenswerten Leistung; 2. macht alle Regierungen auf den vorläufigen Bericht (Druckschrift A. 29.1980. II.) über die Frage der Kaufkraft des Goldes aufmerksam, den das Finanzkomitee dem Rat vorgelegt hat; 8. stimmt den Grundsätzen zu, die das Finanzkomitee in bezug auf seine Tätigkeit und seine Aufgaben in der Erklärung niedergelegt hat, welche in dem vom Hat an die Versammlung zur Prüfung überwiesenen Bericht über die neununddreissigste Tagung (Druckschrift A. 41.1930. II.) enthalten ist; ·i. beglückwünscht das Steuerkomitee zu der von ihm unternommenen Arbeit.

(Resolution vom 29. September 1930.)

5. Tätigkeit der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit Die Versammlung nimmt mit Befriedigung Kenntnis von den Berichten der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit und des Verwaltungsrates des internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit (Druckschriften A. 21.1930.

XII. und A. 27.1930. XII.).

196 Sie begrüsst die Vorschläge, welche die Kommission gemäss den Anregungen des Studienkomitees eingebracht hat, um ihr Programm genauer zu bestimmen und das unternommene Werk sowie die Arbeitsweise der Organe, denen es anvertraut ist, zu verbessern.

Sie hofft, dass nach der Durchführung der in Aussicht genommenen Eeorganisation die Beachtung und Sympathie, die dem Unternehmen des Völkerbundes auf dem Gebiete der geistigen Zusammenarbeit bereits zuteil wird, noch zunehme und dass sich demzufolge auch die Fühlung und die Beziehungen unter den für wissenschaftliche Studien und Nachforschungen massgebenden Organisationen und Personen entwickeln werden. Sie spricht den Wunsch aus, dass die Eegierungen dem internationalen Institut für geistige Zusammenarbeit Hilfe und Beistand gewähren werden.

Sie nimmt von den im Jugendunterricht über die Ziele des Völkerbundes verwirklichten Fortschritten Kenntnis und bittet die Eegierungen, dass sie das Sekretariat und seine Nachrichtenstelle für das Schulwesen über die Massnahmen auf dein laufenden halten, die in den verschiedenen Ländern zur Durchführung der Empfehlungen des Sachverständigen-Unterausschusses getroffen werden, Sie stellt mit Befriedigung fest, dass die Kommission für geistige Zusammenarbeit von ihrer Nachrichtenstelle für das Schulwesen auch eine vermehrte Betätigung erwartet, soweit sich diese auf die Fühlung mit den Vereinigungen bezieht, die sich mit dem Völkerbundsunterrricht befassen, welche Aufgabe die Kommission dem internationalen Institut in Paris übertragen hat.

Sie bittet die Eegierungen, die an den Abkommen über den internationalen Schriftenaustausch beteiligt sind, ihren nationalen Verbindungsstellen die Mittel zu verschaffen, deren sie bedürfen, um die Bestimmungen dieser Abkommen auszuführen.

Die Versammlung hat vom Bericht des Verwaltungsrates des internationalen Instituts für das Lehrfilmwesen Kenntnis genommen und freut sich über die erzielten Fortschritte, sowie über die Art und Weise, wie das Institut die Beschlüsse des Verwaltungsrats ausgeführt hat. Sie stellt mit Befriedigung fest, wie gut sich die «Internationale Lehrfilmrundschau» entwickelt und fordert die Eegierungen auf, dem vom Institut ausgearbeiteten Entwurf zu einem Abkommen über die Beseitigung der die Verbreitung des Lehrfilms hemmenden Zollschranken wohlwollende Aufmerksamkeit zu schenken. Die Versammlung bittet die Eegierungen ferner, dem Institut Hilfe und Beistand zu gewähren.

(Resolutionen vom, 3. Oktober 1930,)

19T

C. Resolutionen zur Berichterstattung der dritten Kommission.

1. Tätigkeit des Vorbereitungsausschusses für die Abrüstungskonferenz.

Die Versammlung hat mit Befriedigung Kenntnis genommen von den an der Londoner Konferenz erzielten Ergebnissen, die ihr vom Präsidenten dieser Konferenz am 21. April 1980 brieflich mitgeteilt worden sind; stellt fest, dass diese Ergebnisse geeignet find, an der nächsten Tagung des Vorbereitungsausschusses eine allgemeine Verständigung über die auf die Herabsetzung und Beschränkung der Seerüstungen anwendbaren Methoden zu erleichtern; hofft, dass es möglich sei, durch Verhandlungen, die im Geiste des Entgegenkommens und des gegenseitigen Vertrauens und im Willen zur Verwirklichung brauchbarer Lösungen geführt werden, das Werk der Seekonferenz zu ergänzen und zu erleichtern; gibt infolgedessen ihrer Gewissheit Ausdruck, dass der Vorbereitungsausschuss in seiner Tagung vom nächsten November den Vorentwurf für das Abkommen beendigen könne und es so dem Eat ermöglichen werde, in kürzester Frist eine Konferenz zur Herabsetzung und Beschränkung der Eüstungen einzuberufen, und beschliesst, dass die Protokolle und der Bericht der Versammlung über die Abrüstung dem Vorbereitungsausschusse zuzustellen seien.

(Resolution vom 30, September 1930.)

2. Allgemeines Abkommen zur Verstärkung der Kriegsverhiitungsmittel.

Die Versammlung, hat Kenntnis genommen vom Vorentwurf für ein allgemeines Abkommen zur Verstärkung der Kriegsverhütungsmittel, der vom Komitee für Schiedsgerichtsbar keit und Sicherheit in seiner im April und Mai 1930 in Genf abgehaltenen vierten Tagung ausgearbeitet worden ist; stellt fest, dass nach den bisherigen Untersuchungen die Umwandlung des «Mustervertrages» in ein allgemeines Abkommen zahlreiche heikle Fragen zur Erörterung stellt; erkennt indessen an, dass die verschiedenen Auffassungen über den Wortlaut eines solchen allgemeinen Abkommens einander schon beträchtlich näher gerückt sind; beschliesst, dass die Frage weiter zu verfolgen sei und bittet demgemäss den Bat, ein besonderes Komitee hiermit zu beauftragen; dieses sollte ihm so frühzeitig Bericht erstatten, dass der Bericht noch der zwölften ordentlichen Tagung der Versammlung vorgelegt werden kann.

(Resolution vom 30 September 1930.)

198

3. Abkommen liber finanzielle Hilfeleistung.

Die Versammlung, die den Bericht, der ihr im Namen ihrer dritten Kommission vorgelegt ·worden ist (Druckschrift A. 70. 1930. IX.), zur Kenntnis nimmt und dem Finanzkomitee sowie dem Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit für ihre bemerkenswerten Dienste bei der Ausarbeitung des Abkommens über finanzielle Hilfeleistung dankt, I. billigt den von der dritten Konunisaion festgesetzten Wortlaut des genannten Abkommens; beschliesst, das Abkommen sofort zur Unterzeichnung durch die Mitglieder des Völkerbundes aufzulegen; gibt der lebhaften Hoffnung Kaum, dass dieses Abkommen von allen Mitgliedern des Völkerbundes unterzeichnet und ratifiziert werde; beauftragt den Generalsekretär, dafür zu sorgen, dass dieses Abkommen allen Mitgliedern des Völkerbundes, die es bis zum Schlüsse der gegenwärtigen Tagung der Versammlung nicht unterzeichnet haben, offiziell zur Kenntnis gebracht werde, damit sie es bis zum 31. Dezember 1981 unterzeichnen oder ihm nach diesem Zeitpunkte beitreten können: II. hält es für wünschenswert, dass der Plan zu finanzieller Hilfeleistung gegebenenfalls unverzüglich zur Anwendung gelangen könne, bittet infolgedessen den Eat, das Finanzkomitee zur Vorbereitung von Entwürfen für die verschiedenen im Abkommen vorgesehenen und für die Durchführung erforderlichen Urkunden wie Protokolle, Anleiheverträge UBW., aufzufordern.

(Resolutionen vom 29. September 1930.)

ANHANG.

Abkommen Ober finanzielle Hilfeleistung1).

Präambel, (Staatsoberhäupter.)

Haben in der Erkenntnis, wie wichtig es für den Schutz oder gegebenenfalls für die Wiederherstellung des Friedens zwischen Nationen ist, ein System finanzieller Hilfeleistung in Gestalt von Anleihegarantien zu schaffen, die im Fall einer internationalen Streitigkeit, die zu einem Bruche führen könnte, oder im Kriegsfalle gewährt werden würden, ') Diese Übersetzung beruht auf einem ersten Entwurf der Deutschen Regierung, der uns bereitwilligs zur Verfügung gestellt wurde.

199 In der Erwägung, dass das beste Mittel zur Organisierung dieser Hilfeleißtung der Abschluss eines internationalen Abkommens ist, zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt: (folgen die Namen der Bevollmächtigten) , ·die nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten aber folgende Bestimmungen übereingekommen sind: Fälle, in denen die finanzielle Hilfeleistung gewährt wird.

Artikel 1.

. 1. Wenn trotz der Bemühungen, die der Völkerbundsrat für die Erhaltung ·oder Wiederherstellung der friedlichen Beziehungen machen konnte, ein Staat unter Verletzung seiner internationalen Verpflichtungen zum Kriege gegen eine Hohe Vertragschliessende Partei schreitet, so erhält diese auf ihren Antrag die in diesem Abkommen vorgesehene finanzielle Hilfeleistung, sofern ·der Eat nicht anders beschliesst.

2. Die Hohe Vertragschliessende Partei, der die finanzielle Hilfeleistung gewährt wird, verpflichtet sich, soweit es sie angeht, die Streitigkeit einer gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Regelung oder jedem anderen friedlichen Verfahren zu unterwerfen, das der Eat für angemessen hält.

Artikel 2.

1. Wenn der Eat in Ausübung der ihm auf Grund des Völkerbunds-srertrags obliegenden Pflichten und im Eahmen der Eechte, die er, aus dem Völkerbundsvertrag oder aus allgemeinen oder besonderen, auf den Fall anwendbaren Abkommen herleitet, in einer internationalen Streitigkeit, die zu einem Bruche führen könnte, Massnahmen getroffen hat, die geeignet sind, den Frieden zu wahren, einschliesslich der Vermittlung oder jeder anderen Befriedungsmassnahme, und wenn eine der Parteien sich weigert oder es unterlägst, sich diesen Massnahmen zu fügen, so kann der Eat der an diesem Abkommen beteiligten Gegenpartei auf ihren Antrag die finanzielle Hilfeleistung gewähren, wenn seines Erachtens der Friede auf andere Weise nicht geschützt werden kann.

2. Die Hohe Vertragschliessende Partei, der die finanzielle Hilfeleistung gewahrt wird, verpflichtet sich, soweit es sie angeht, die Streitigkeit einer gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Eegelung oder jedem anderen friedlichen Verfahren zu unterwerfen, das der Eat für angemessen hält, und sich den vorläufigen Massnahmen zu fügen, die der Eat zur Wahrung des Friedens etwa empfehlen sollte.

Artikel 3.

, Die finanzielle Hilfeleistung der Hohen Vertragschliessenden Parteien «rfolgt hi der Form von ordentlichen Garantien oder Sondergarantien, die sich.

200 wie nachstehend vorgesehen, auf den Dienst der gemâss diesem Abkommen aufgenommenen Anleihen (der Ausdruck umfasst auch kurzfristige Kredite) erstrecken.

Artikel 4.

Für die Zwecke dieses Abkommens umfasst der Anleihedienst die Summen, die gemäss den Bedingungen der Anleiheverträge alljährlich für Zinsen und Tilgung zu zahlen sind.

Artikel 5.

Keine auf Grund dieses Abkommens aufgenommene Anleihe darf auf länger als dreissig Jahre abgeschlossen werden. Damit die Eegierungen, die an der ordentlichen Garantie und an der Sondergarantie beteiligt sind, von den aus der Anleihe herrührenden Verpflichtungen leichter entbunden werden können, sobald die Verhältnisse es gestatten, soll jede Eegierung, die auf Grund dieses Abkommens eine Anleihe aufnimmt, sich wenn möglich das Becht vorzeitiger Bückzahlung vorbehalten.

Ordentliche Garantien,

·

Artikel 6.

Jede der Hohen Vertragschliessenden Parteien vereinbart und erkennt an, dass die Eegierungen, in deren Namen sie diesem Abkommen beitritt.

jede zu ihrem Teile, als ordentliche Garanten in dem Masse und in der Weise, wie es in den nachstehenden Artikeln bestimmt ist, den regelmässigen jährlichen Dienst der aufgenommenen Anleihen garantieren. Gemäss diesem Abkommen treten die vorerwähnten ordentlichen Garantien für jede Anleihe mit dem Zeitpunkt in Kraft, an dem die Anleihe genehmigt worden ist, ohne irgendeine weitere Mitwirkung oder Zustimmung der garantierenden Eegierung.

Artikel 7.

1. a. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 19 über die Zahlung von Zinsen im Falle des Verzuges ist die jährliche Verbindlichkeit, die irgendeiner Eegierung für alle gemäss diesem Abkommen aufgenommenen Anleihen in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant obliegen kann, auf einen Höchstbetrag beschränkt. Dieser Höchstbetrag soll im Verhältnis zu 100 Millionen Goldfranken denselben Anteil darstellen, den der Beitrag, den diese Eegierung nach dem am 1. Januar 1930 geltenden Verteilungsschlüssel zu den Kosten des Völkerbundes zu leisten hat, im Verhältnis zur Gesamtheit der Beiträge darstellt, die von allen Völkerbundsmitgliedern geschuldet werden.

b. Für eine Eegierung, die nach dem im vorstehenden Absatz erwähnten Verteilungsschlüssel nicht gehalten war einen Beitrag zu den Kosten des Völkerbundes zu zahlen, findet der Verteilungsschlüssel Anwendung, der

201 im Zeitpunkte gilt, wo die Verpflichtungen dieses Abkommens für die betreffende Begierung bindend werden.

2. Der Bat teilt den verschiedenen Begierungen sobald wie möglich die Höchstziffer der jährlichen "Verpflichtungen mit, die ihnen gemäss den Bestimmungen der Ziffer l obliegen.

Sondergarantien.

Artikel 8.

Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 11 kann eine Hohe Vertragschliessende Partei im Namen der Begierung irgendeines ihrer Territorien die Verpflichtungen eines Sondergaranten übernehmen. Dadurch wird diese Begierung zu einem Sondergaranten, und die Garantie, die sie für die auf Grund dieses Abkommens aufzunehmenden Anleihen gewährt, ist ohne irgendeine weitere Mitwirkung oder Zustimmung der erwähnten Begierung eine Sondergarantie im Sinne dieses Abkommens.

Artikel 9.

Die Sondergarantien sollen die Sicherheit verstärken, die hinter einer gemäss diesem Abkommen aufgenommenen Anleihe steht, indem sie dafür Gewähr leisten, dass der Anleihedienst nicht nur von allen garantierenden Begierungen in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten vollständig garantiert -wird, sondern auch noch von einer beschränkten Anzahl von Begierungen die als Sondergaranten in den Grenzen ihrer Sondergarantien das Bisiko eines Verzuges in der Zahlung der Beträge übernehmen, die irgendeine der anderen Begierungen in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant schuldet. Infolgedessen umfasst der Betrag, der durch eine Sondergarantie gedeckt wird, den Betrag der Verbindlichkeit der Begierung als eines ordentlichen Garanten plus einem Zusatzbetrage, der sich, wie nachstehend angegeben, derart bestimmt, dass die Gesamtsumme der Zusatzbeträge, die die an der Sondergarantie beteiligten Begierungen so garantieren, gleich dem Gesamtbetrage ist, der von den Begierungen garantiert wird, die nur ordentliche Garanten sind. Gerät die anleihenehmende Begierung mit einer Zahlung im Anleihedienst in Verzug, so ist der durch eine Sondergarantie gedeckte Gesamtbetrag vollständig zu zahlen, aber der Betrag, den eine als Sondergarant auftretende Begierung über das hinaus gezahlt hat, wozu sie als ordentlicher Garant verpflichtet war, ist nach Sicherstellung des Anleihedienstes .aus dem Überschuss der von den garantierenden Begierungen gezahlten Beträge zurückzuerstatten.

Artikel 10.

1. Vorbehaltlich der Bestimmungen in
Artikel 19 über die Zahlung von Zinsen im Falle des Verzugs ist die jährliche Verbindlichkeit, die irgendeiner Begierung für alle gemäss diesem Abkommen aufgenommenen Anleihen in

202 ihrer Eigenschaft als Sondergarant obliegen kann, auf einen Höchstbetrag beschränkt, der die Verbindlichkeit der Eegierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant "und den durch ihre Sondergarantie gedeckten Zusatzbetrag umfasst. Dieser Höchstbetrag wird in der Weise bestimmt, dass der Gesamtbetrag der Höchstverbindlichkeiten aller Eegierungen in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten auf die Eegierungen umgelegt wird, die an der Sondergarantie teilnehmen, und zwar im Verhältnis ihrer Höchstverbindlichkeiten in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten.

2. Die so ermittelten Höchstbeträge für die Verbindlichkeiten der Eegierungen, die an der Sondergarantie teilnehmen, werden ihnen sobald wie möglich durch den Völkerbundsrat mitgeteilt. Falls in der Anzahl der Eegierungen, die ordentliche Garanten sind, oder derer, die Sondergaranten sind, irgendeine Änderung eintritt, so werden die Höchstbeträge sobald wie möglich nach dieser Änderung durch den Eat berichtigt.

Artikel 11.

1. An der Sondergarantie auf Grund dieses Abkommens können sich beteiligen: a. Die Eegierungen der Staaten, die ständige Mitglieder des Völkerbundsrats sind; 6. die Eegierungen anderer Völkerbundsmitglieder, die von den selbst an der Sondergarantie beteiligten Eegierungen einstimmig dazu aufgefordert werden, an der Sondergarantie teilzunehmen. Diese Aufforderung kann entweder vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens ergehen.

2. Die Annahme der Verpflichtungen, die einem Sondergaranten obliegen, kann bei der Unterzeichnung oder der Eatifikation des Abkommens oder bei dem Beitritt dazu oder auch später kundgetan werden, und zwar durch eine schriftliche Erklärung, die beim Generalsekretär des Völkerbundes hinterlegt wird ; dieser benachrichtigt alle übrigen Völkerbundsmitglieder von dieser Annahme.

Artikel 12.

Der Generalsekretär des Völkerbundes stellt den in Artikel 18 vorgesehenen Treuhändern eine beglaubigte Abschrift jeder an eine Eegierung gerichteten Mitteilung über die Höchstverbindlichkeit zu, die dieser Eegierung in Ausführung von Artikel 7 oder Artikel 10 obliegt.

Treuhänder.

Artikel 13.

l. Beim Inkrafttreten dieses Abkommens ernennt der Völkerbundsrat fünf Personen, die das Amt von Treuhändern für die gemäss diesem Abkommen aufgenommenen Anleihen zu versehen haben. Diese Treuhänder sind Staats-

203 angehörige der Schweizerischen Eidgenossenschaft und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz. .

· 2. a. Die Treuhänder werden jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt. Ihr Auftrag kann bei seinem Ablauf für die gleiche oder eine geringere Dauer erneuert werden. Ein Treuhänder kann mittels einer Kündigung, die drei Monate vorher schriftlich an den Völkerbundsrat zu richten ist, jederzeit zurücktreten.

b. Der Völkerbundsrat kann einen Treuhänder jederzeit abberufen.

c. Falls aus irgendeinem Grunde die Stelle eines Treuhänders frei werden sollte, so ernennt der Völkerbundsrat unverzüglich einen anderen Treuhänder.

Der jeweilige Eatspräsident kann, wenn er es für erforderlich hält, eine Persönlichkeit bestellen, die das Amt solange versieht, bis der Eat die Stelle besetzt.

3. a. Die Treuhänder wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertretenden Vorsitzenden. Sie geben sich eine Geschäftsordnung gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens. Mit Ausnahme des in Artikel 16, Ziffer l, vorgesehenen Falles werden die Sitzungen vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom Stellvertretenden Vorsitzenden einberufen.

b. Drei Treuhänder genügen zur Beschlussfähigkeit, Alle Beschlüsse können mit Stimmenmehrheit gefasst werden. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Treuhänders, der den Vorsitz führt, den Ausschlag.

o. Der Generalsekretär des Völkerbundes ist berechtigt, allen Sitzungen der Treuhänder beizuwohnen oder sich dabei vertreten zu lassen.

d. Die Kosten, die durch die Treuhänder in der Ausübung ihres Amtes in bezug auf eine Anleihe entstehen, sowie die Honorare für die Ausübung dieses Amtes, die vom Völkerbundsrat festgesetzt werden können, gehen zu Lasten der anleihenehmenden Eegierung.

e. Der Völkerbundsrat kann den Treuhändern, die unter d erwähnten Beträge vorschiessen. Diese Vorschüsse werden dem Völkerbunde von der anleihenehmenden Eegierung zurückerstattet.

/. Keinen Treuhänder darf bei der Ausübung seines Treuhänderamts irgendeine persönliche Haftung treffen, es sei denn, dass .er bewusst und vorsätzlich seine Pflichten verletzte.

g. Die Treuhänder erstatten dem Völkerbundsrat alljährlich Bericht über die Ausführung ihres Auftrages als Treuhänder für jede gemäss diesem Abkommen aufgenommene Anleihe; sie sind berechtigt, den Eat jederzeit
auf alle Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe entgegenstellen.

Genehmigung der Anleihen, Artikel 14.

I.Wenn der Völkerbundsrat anerkannthat, dass eine Hohe Vertragschliessende Partei auf Grund von Artikel l oder 2 die in diesem Abkommen vorgesehene finanzielle Hilfeleistung erhalten soll, so ermächtigt er die Eegierung der be-

204

treffenden Hohen Vertragschliessenden Partei eine Anleihe aufzulegen, welche die in diesem Abkommen vorgesehenen ordentlichen Garantien und Sondeigarantien geniesst. Der Bat kann die ordentliche Garantie oder die Sondergarantie irgendeiner Regierung ausschliessen, wenn er es im Interesse des Erfolges der Anleihe nicht für wünschenswert hält, dass diese ordentliche Garantie oder diese Sondergarantie auf die betreffende Anleihe angewendet wird.

2. a. Der Bat setzt den Höchstbetrag fest, den der Anleihedienst jährlich erreichen darf. Der so vom Eat festgesetzte Betrag wird in Goldfranken ausgedrückt, wie sie in Artikel 26 definiert sind. Bei der Bestimmung des Betrages, den der Anleihedienst in den Währungen darstellen darf, in denen die Anleihe tatsächlich abgeschlossen werden soll, wird der Wert dieser Währungen in jedem Falle so angesehen, als sei er im Augenblick der Unterzeichnung der Anleiheverträge gleich dem Wert ihres gesetzlichen Gewichts in reinem Gold.

b. Der für den Anleihedienst im Lauf irgendeines Jahres festgesetzte Jahresbetrag soll den Betrag nicht überschreiten, der von den Sonder- und den ordentlichen Garantien gedeckt werden kann, ohne dass irgendeiner Begierung eine Haftung auf erlegt wird, die über den in diesem Abkommen festgesetzten Höchstbetrag hinausgeht.

c. Der Jahresbefrrag, für den jede Begierung als ordentlicher Garant haftet, wird in der Weise bestimmt, dass die für den Anleihedienst erforderlichen Beträge auf alle garantierenden Begierungen umgelegt werden, und zwar im Verhältnis des in Artikel 7 erwähnten eventuellen Höchstbetrages ihrer jährlichen Verbindlichkeiten als ordentliche Garanten auf Grund dieses Abkommens.

.Der durch jede Sondergarantie sichergestellte Gesamtbetrag wird in der Weise bestimmt, dass die für den Anleihedienst erforderlichen Beträge auf die an der Sondergarantie beteiligten Begierungen umgelegt werden, und zwar im Ver'hältnis des in Artikel 10 erwähnten eventuellen Höchstbetrages ihrer jährlichen Verbindlichkeiten als Sondergaranten. Um jedoch die Anwendung der Sondergarantien zu vereinfachen, kann der Bat mit Zustimmung der an der Sondergarantie beteiligten Begierungen, um deren Verbindlichkeiten es sich handelt, die für diese Begierungen festgesetzten Prozentsätze um einen geringen Bruchteil ändern, und zwar in dem Masse, wie solche
Abänderungen erforderlich sind, um diese Prozentsätze in bequeme ganze Zahlen umzurechnen.

3. Für die Zwecke der vorstehenden Bestimmungen werden die Zinsverbindlichkeiten nicht berücksichtigt, die sich kraft Artikel 19 daraus ergeben können, dass eine Begierung mit der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten, sei es in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant, sei es in ihrer Eigenschaft als Sondergarant, in Verzug kommt.

Aufkgung der genehmigten Anleihen.

Artikel 15.

1. Der Bat verlangt, dass die Bedingungen und die Bestimmungen in bezug auf die Auflegung einer gemäss diesem Abkommen abgeschlossenen Anleihe.

205 d. h. unter anderem die Art der Auflegung, die Sicherheiten (wenn solche vorhanden sind), auf die sich die Anleihe stützt, der Ausgabekurs, der Zinssatz, die Tilgung (einschliesslich aller Beatimmungen über vorzeitige Zurückzahlung), die Kosten der Auflegung, Begebung und Lieferung sowie die Währung oder die Währungen, in denen die Anleihe aufgelegt wird, ihm (dem Eat) oder einer oder mehreren Personen, die er dazu bestellt hat, zur Genehmigung vorgelegt werden. Wie in Artikel 14, Ziffer 2 a, vorgesehen, wird der Wert der Währungen, in denen die Anleihe aufgelegt wird und in denen der Anleihedienst zu leisten ist, bei der Bestimmung des Höchstbetrages, auf den sich der Anleihedienst belaufen kann, in jedem Falle so angesehen, als sei er im Augenblick der Unterzeichnung der Anleiheverträge gleich dem Wert ihres gesetzlichen Gewichts in reinem Gold, Die Vereinbarung des Eats mit der betreffenden anleihenehmenden Eegierung wird in einem Protokoll niedergelegt, das diese Regierung ordnungsmässig annimmt.

2. Der Eat kann Bedingungen für die Verwendung des Ertrages der Anleihe und für die Kontrolle dieser Verwendung festsetzen. Diese Bedingungen werden in das in Ziffer l erwähnte Protokoll aufgenommen.

3. Im Falle einer Anleihe, die in Anwendung von Artikel 2 dieses Abkommens aufgelegt wird, soll das vorstehend in Ziffer l vorgesehene Protokoll Bestimmungen enthalten, auf Grund deren der Hat die Zahlung eines noch nicht ausgezahlten Teiles des Ertrages der Anleihe an die anleihenehmende Begiorung jederzeit aussetzen kann, wenn die Haltung, die diese Begieruug nach Gewährung der finanziellen Hilfeleistung einnimmt, nach Ansicht des Bats eine solche Massnahme nötig macht, 4. Die Anleihe geniesst nur dann die ordentlichen Garantien und die Sondergarantien, die sich aus dein Abkommen ergeben, wenn von einer oder mehreren vom Eat ernannten Personen schriftlich bescheinigt worden ist, dass die darauf bezüglichen Verträge den Beschlüssen des Eats, dem vorstehend in Ziffer l vorgesehenen Protokoll und den Bestimmungen dieses Abkommens gemäss sind. Sind mehrere solche Personen ernannt worden, so fassen sie ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit, Ein unterzeichnetes Doppel der erwähnten Bescheinigung wird dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Mitteilung an die Treuhänder zugestellt, ebenso von der anleihenehmenden
Eegierung beglaubigte Exemplare jedes Vertrages, und zwar in ausreichender Anaahl, so dass der Generalsekretär jedem Treuhänder eine übermitteln kann.

5. Folgende Bestimmungen sind in allen Fällen obligatorisch: a. Die gemäss diesem Abkommen ernannten Treuhänder, die die in dem Abkommen vorgesehene Tätigkeit ausüben, sind Treuhänder der Anleihe für alle die Zwecke, zu denen Treuhänder ernannt werden; insbesondere bewirken sie alle Zahlungen der für den Zinsendienst oder die Tilgung der Anleihe geschuldeten Beträge, und zwar mit Hilfe der Fonds, die von der anleihenehmenden Eegierung oder, wenn diese ihrer Verpflichtung nicht nachkommt, Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

16

206 von denjenigen Ecgierungen bereitgestellt werden, die die Anleihe als Sondergaranten oder als ordentliche Garanten garantieren.

b. Ausser irn Falle kurzfristiger Kredite, deren Verfallzeit nicht mehr als zwei Jahre beträgt, wird bei den Treuhändern eine Rücklage gebildet, und zwar in der Weise, dass die Emissionshäuser ihnen unmittelbar eine Summe überweisen, die von dem Ertrag der Anleihe vorweggenommen wird und ausreicht, um den Dienst der ausgegebenen Anleihe für ein halbes Jahr zu decken. Jeder Betrag, den die Treuhänder dieser Eücklage entnehmen, wird ihnen von der anleihenehmenden Eegierung unverzüglich zurückerstattet.

c. Die anleihenehmende Eegierung versieht die Treuhänder mit den Fonds, die erforderlich sind, um den Anleihedienst in Kriegs- wie in Friedenszeiten zu decken. Die Überweisung an die Treuhänder geschieht spätestens dreissig Tage vor der Fälligkeit jeder Zahlung.

Hinterlegung der Garantiescheine in bezug auf die einzelnen Anleihen.

Artikel 16.

1. Sobald wie möglich nachdem ein Vertrag über die Auflegung einer ganzen genehmigten Anleihe oder eines Teils davon gemäss Artikel 15, Ziffer 4, bescheinigt worden ist, prüfen die vom Generalsekretär des Völkerbundes einberufenen Treuhänder den Vertrag und die darauf bezüglichen Beschlüsse des Eats. Sie stellen fest und teilen den die Anleihe garantierenden Eegierungen mit : a. den Gesamtbetrag jeder Zahlung, die in bezug auf die betreffende Emission jedes Jahr erforderlich ist; &. den Höchstbetrag, für den jede Eegierung, mag sie ordentlicher Garant oder Sondergarant sein, in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant bezüglich jeder dieser Zahlungen möglicherweise aufkommen muss; c. den Höchstbetrag, für den jede Eegierung, die an der Sondergarantie beteiligt ist, in ihrer Eigenschaft als Sondergarant bezüglich jeder dieser Zahlungen möglicher weise aufkommen muss.

Die Beträge, die unter Buchstabe b und c erwähnt sind, werden in der in Artikel 14, Ziffer 2 c, vorgesehenen Weise bestimmt.

2. Innerhalb von vier Monaten nach: Eingang der oben erwähnten Mitteilung hinterlegt jede Eegierung, je nachdem, ob sie nur an der ordentlichen Garantie oder auch an der Sondergarantie beteiligt ist, an die Order der Treuhänder in der Bank oder bei irgendeiner anderen vom Bäte beim Inkrafttreten des Abkommens oder später bezeichneten Stelle
entweder einen «Ordentlichen Garantieschein» («Bon de garantie ordinaire») in der in Anlage I vorgesehenen Form oder einen «Sondergarantieschein» («Bon de garantie spéciale») in der in Anlage H vorgesehenen Form, der für jede Zahlung, für die die Eegierung jedes Jahr möglicherweise aufkommen muss, einen besonderen Coupon enthält. Die Coupons sind in der Währung ausgedrückt und zahlbar, in der die

207 Zahlung den Titelinhabern geschuldet -wird. Wenn die Auflegung in motoaïs einer Währung erfolgt, so sind für den Zinsendienst in jeder Währung besondere Garantiescheine zu hinterlegen.

3. Die Coupons der Garantiescheine sind an eine Adresse zu zahlen, die von der Regierung bestimmt wird und die den Treuhändern hinreichend sicher erscheint.

4. Unterbleibt die oben vorgesehene Hinterlegung der Garantiescheine, so berührt das in keiner Weise die Verpflichtungen der Regierungen, sei es in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten, sei es in der Eigenschaft als Sondergaranten, und hindert nicht die Auflegung der Anleihe auf Grund der ordentlichen Garantien und der Sondergarantien, die kraft vorliegenden Abkommens damit verknüpft sind.

Mechanismus der ordentl'iclien Garantien und der Sondergarantien im Fatte eines Zahlungsverzuges der anleihenehmenden Begierung.

Artikel 17.

1. a. Für den Dienst der auf Grund dieses Abkommens abgeschlossenen Anleihen muss stets an erster Stelle die anleihenehmende Eegierung einstehen.

Die in dem Abkommen vorgesehenen Garantien wirken sich nur aus, wenn und insoweit den Treuhändern von der anleibenehmenden Eegierung die erforderlichen Fonds nicht zur Verfügung gestellt werden oder die Treuhänder nicht in der Lage sein sollten, den Anleihedienst mittels der gemäss Art. 15, Ziffer 51, gebildeten Eücklagen zu versehen.

6. In einem derartigen Falle wenden sich die Treuhänder an alle garantierenden Regierungen gleichzeitig, mögen sie ordentliche Garanten oder Sondergaranten sein. "Die Treuhänder verwenden die so erlangten Beträge zur Sicherstellung des Anleihedienstes und erstatten sodann aus dem Uberschuss den an der Sondergarantie beteiligten Eegierungen proportional die Beträge zurück, die diese Eegierungen über die Verbindlichkeiten hinaus gezahlt haben, die sie in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten übernommen hatten. Es wird anerkannt, dass einer garantierenden Eegierung, die die Befolgung der an sie ergangenen Aufforderung hinauszögert, dadurch die Verpflichtung erwächst, den an der Sondergarantie beteiligten Eegierungen, wie in Artikel 19 und 21 vorgesehen, den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die Verzögerung der Rückzahlung der Beträge entsteht, die sie über die Summen hinaus gezahlt haben, für die sie als ordentliche Garanten aufzukommen hatten.
· c. Alle Summen, die die Treuhänder von den garantierenden Eegierungen erhalten haben, mit Ausnahme der Summen, die geinäss Buchstabe b zurückerstattet worden sind, und der Summen, die ihnen gemäss Artikel 19 als Zinsen gezahlt worden sind, bilden eine zinspflichtige Schuld der anleihenehmenden Regierung.

d. Die aus diesem Abkommen entstehenden Verbindlichkeiten zwischen Regierungen werden durch Vermittlung der Treuhänder geregelt.

208

2. Die in Ziffer l aufgestellten Grundsätze werden geraäss den Bestimmungen der nachstehenden Artikel 18 bis 22 angewendet.

Artikel 18.

li Wenn die anleihenehmende Eegierung mit der Auszahlung der Fonds für den Jahresdienst der genehmigten Anleihe in Verzug geraten sollte, greifen die Treuhänder die in Ausführung von Artikel 15, Ziffer 5 fe, gebildete Eücklage an, bis sie erschöpft ist. Sie melden das Ausbleiben der Zahlung unverzüglich den Regierungen, die an der ordentlichen Garantie oder an der Sondergarantie für die betreffende Anleihe beteiligt sind. Ebenso melden sie alle Zahlungen, die in den Eücklagefonds fliessen.

2. Wenn die Treuhänder dreissig Tage vor dem Zeitpunkt, zu dem eine auf Eechnung der Zinsen oder der Tilgung geschuldete Zahlung fällig wird, von der anleihenehmenden Eegierung nicht ausreichende Fonds zur Deckung der Zahlung erhalten haben und solche auch in der Eücklage nicht besitzen, so benachrichtigen sie jede garantierende Eegierung von der Höhe des Fehlbetrages sowie davon, für welchen Betrag die betreffende Eegierung aufzukommen hat, wenn der Fehlbetrag nicht gedeckt wird. Sind die Treuhänder zwanzig Tage vor dem Fälligkeitstermin noch nicht in der Lage, die Zahlung in voller Höhe zu leisten, so legen sie die Coupons der ordentlichen Garantiescheine und der Sondergarantiescheine, durch die die betreffende Leistung gedeckt ist, zur Zahlung vor. Erreicht der Fehlbetrag nicht die Gesamthöhe der Summe, um die es sich handelt, so ermässigen die Treuhänder proportional die Beträge, deren Zahlung sie von den garantierenden Eegierungen für die Coupons verlangen, und die Coupons werden entsprechend indossiert. Wenn eine garantierende Eegierung ihren Garantieschein noch nicht, wie in Artikel 16 bestimmt, hinterlegt hat, so wenden sich.die Treuhänder trotzdem an sie, und sie ist gehalten, die Zahlung zu leisten, für die sie aufzukommen hat.

3. Die Beträge, die die Treuhänder von den Eegierungen fordern, die ordentliche Garanten oder Sondergaranten sind, werden von diesen Eegierungen unverzüglich an die Treuhänder ausgezahlt. Die Zahlungen finden selbst dann statt, wenn die Regierungen sich mit der anleihenehmenden Eegierung oder mit einem Lande bzw. mit Ländern, in denen ein Teil der Anleihe aufgelegt worden ist, im Kriege befinden, und auch dann, wenn die Inhaber eines Titels
oder aller Titel der Anleiheserie, in deren Dienst ein Verzug eingetreten ist, Staatsangehörige eines Landes oder von Ländern sind, mit denen die vorerwähnten Eegierungen Krieg führen, oder wenn diese Inhaber in solchen Ländern ihren Wohnsitz haben.

4. Die Treuhänder sichern den Anleihedienst mittels der von den Begierungen erhaltenen Beträge und verwenden den Überschuss sowie die Summen, die Später auf Anforderung gezahlt werden, dazu, den an der Sondergarantie beteiligten Eegierungen proportional die Summen zurückzuerstatten, die sie über den Betrag hinaus gezahlt haben, für den sie in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten aufzukommen hatten.

209

Artikel 19.

Wenn eine Regierung, die an der ordentlichen Garantie oder an der Sondergarantie beteiligt ist, die von den Treuhändern geforderte Summe nicht mindestens zehn Tage vor der Fälligkeit der Zins- oder Tilgungszahlung in voller Höhe auszahlt, so belasten die Treuhänder die betreffende Regierung mit den Zinseszinsen für den rückständigen Betrag zu dem in Artikel 21 festgesetzten Zinssatze, und die Regierung muss ihnen diese Zinseszinsen auszahlen. Dieser Betrag gilt als die Verzinsung, die denjenigen an der Sondergarantie beteiligten Regierungen, die ihre Verbindlichkeiten zum festgesetzten Zeitpunkt erfüllt haben, geschuldet wird, und zwar in Anbetracht der Tatsache, dass infolge des Verzuges die Zahlung der Beträge hinausgeschoben wurde, die an diese Regierungen zurückzuerstatten waren ; die eingegangenen Summen werden an die erwähnten, an der Sondergarantie beteiligten Regierungen im Verhältnis der Beträge ausgezahlt, die sie über die Summen hinaus gezahlt haben, für welche sie in ihrer Eigenschaft als ordentliche Garanten aufzukommen hatten.

Artikel 20.

1. Jeder Betrag, mit dem die anleihenehmende Regierung für eine garantierte Zahlung bezüglich der Anleihe in Verzug kommt, bildet eine Schuld dieser Regierung gegenüber den Treuhändern; diese Schuld trägt Zinseszinsen zu dem in Artikel 21 erwähnten Zinssatz von dem Zeitpunkt ab, wo die betreffende Regierung den Treuhändern die für den Anleihedienst erforderlichen Ponds hätte zahlen sollen.

2. Die Summen, die die Treuhänder von der anleihenehmenden Regierung erhalten, nachdem diese mit der Bereitstellung des garantierten Anleihedienstes in Verzug geraten ist, müssen, wenn nötig, an erster Stelle dazu verwendet werden, die etwaigen Rückstände in dein garantierten Anleihedienst zu decken, ohne Rücksicht auf die in diesem Abkommen vorgesehenen ordentlichen Garantien und Sondergarantien, und an zweiter Stelle zur Neubildung der in Artikel 15, Ziffer 5 />, vorgesehenen Rücklage. Vorbehaltlich dieser Bestimmung dient jeder Betrag, der von dem laufenden Anleihedienst nicht in Anspruch genommen wird, dazu, den an der Sondergarantie und an der ordentlichen Garantie beteiligten Regierungen mit entsprechender Verzinsung die Beträge zurückzuerstatten, die sie hergegeben haben, um die ausgebliebenen Zahlungen im Anleihedienst zu decken, und die
ihnen noch nicht zurückerstattet worden sind. Jede Eegierung hat Anspruch auf Rückerstattung der Summe, die sie in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant gezahlt hat, zuzüglich der Zinseszinsen zu dem in Artikel 21 erwähnten Zinssatz von dem Zeitpunkt an, wo sie die Zahlung an die Treuhänder geleistet hat. Jede an der Sondergarantie beteiligte Regierung hat ausserdem Anspruch auf die Summe, die sie über den Betrag hinaus gezahlt hat, für den sie als ordentlicher Garant aufzukommen hatte, sowie auf ihren Anteil an allen Zinsen, mit denen andere Regierungen gemäss Artikel 19 belastet werden können. An erster Stelle werden den an der Sonder-

210 garantie beteiligten Eegierungen die Summen zurückerstattet, die sie über die Beträge hinaus gezahlt haben, für die sie als ordentliche Garanten aufzukommen hatten, und zwar werden Summen, die für weiter zurückliegende ausgebliebene Zahlungen geschuldet werden, in voller Höhe zurückerstattet, bevor für später ausgebliebene Zahlungen irgendeine Mahlung geleistet wird. Vorbehaltlich der vorerwähnten Bestimmungen erfolgen die Bückerstattungen im Verhältnis der den verschiedenen Eegierungen geschuldeten Beträge.

8. Eine Bückerstattimg gemäss Ziffer 2 zugunsten der an der Sondergarantie beteiligten Begierungen hebt im entsprechenden Verhältnis die Forderungen dieser Begierungen gegenüber den übrigen an der ordentlichen Garantie oder an der Sondergarantie beteiligten Begierungen auf. Die Treuhänder bestimmen den Betrag der erloschenen oder ermässigten Schulden und benachrichtigen die beteiligten Begierungen.

Artikel 21.

Die in Artikel 19 und 20 vorgesehenen Zinseszinsen werden halbjahrsweise berechnet, und zwar zu einem Satze, der um l Prozent höher ist als der Zinssatz, der für die garantierte Anleihe oder, wenn die Anleihe in mehreren Serien autgelegt wurde, für die Serie gezahlt wird, in deren Zinsendienst der Zahlungsverzug vorgekommen ist.

Artikel 22.

Alle Fragen in bezug auf die Ausführung von Artikel 16 bis und mit 21 ·werden von den Treuhändern geregelt. Jedoch kann jede beteiligte Begierung beim Völkerbundsrat Berufung einlegen; dieser entscheidet endgültig. Die Berufung an den Bat hat auf die Ausführung der Entscheidung der Treuhänder keine aufschiebende Wirkung.

Garantien von Staaten, die nicht Mitglieder das Völkerbünden sind, Artikel 23.

Der Völkerbundsrat kann mit Zustimmung der Begierungen, die als Sondergaranten an einer Anleihe interessiert sind, das Angebot eines dem Völkerbunde nicht angehörenden Staates annehmen, sich an der Garantie des Jahresdienstes einer bestimmten Anleihe zu beteiligen, die der Bat in Anwendung dieses Abkommens zu genehmigen beschliesst. Die Annahme dieses Angebotes hat für die Begierungen, sei es in der Eigenschaft als ordentliche Garanten, sei es in der als Sondergaranten, nicht die Verpflichtung zur Folge, grössere Zahlungen zu leisten als die, für die sie hätten aufkommen müssen, wenn der Nichtmitgliedsstaat sich nicht zu der Beteiligung an der Garantie bereit, er klärt hätte.

Allgemeine Bestimmungen.

;

Artikel 24.

Die Treuhänder setzen, wenn sie vom Völkerbundsrat dahingehende Weisungen erhalten, alle Zahlungen aus, die entweder an die .Begierung bzw.

211 die Einwohner eines Gebiets auf das die in Artikel 16 des Völkerbundsvertrages vorgesehenen finanziellen Sanktionen anwendbar geworden sind, oder zugunsten dieser Regierung oder dieser Einwohner zu leisten sind ; die von den Treuhändern zurückgehaltenen Beträge sowie die etwa aufgelaufenen Zinsen sind auszuzahlen, sobald der Bat die Aufrechterhaltung der Sanktionen nicht mehr für gerechtfertigt hält.

Artikel 25!

Die an der ordentlichen Garantie oder an der Sondergarantie beteiligten Regierungen verpflichten sich, die Auflegung der gemäss diesem Abkommen genehmigten Anleihen so sehr wie irgend möglich zu fördern, sowohl dadurch, dass sie diesen Anleihen ihren Geldmarkt öffnen, wie auch dadurch, dass sie sich jeder Massnahme enthalten, die die "Wirksamkeit der finanziellen Hilfeleistung gefährden kann, welche Gegenstand dieses Abkommens ist.

Artikel 26.

Für die Zwecke dieses Abkommens stellt der Goldfranken einen Geldwert dar, der gleich Orassi Gramm oder 4,g78i8 Grains Gold bei einem Feingehalt von s/io ist.

Artikel 27.

Alle Streitigkeiten in bezug auf die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens werden durch Entscheidung des Völkerbundsrates geregelt.

Artikel 28.

1. Die Beschlüsse des Bats auf Grund von Artikel l und 2 oder solche Beschlüsse, die auf die im Artikel 15, Ziffer 3, vorgesehene Aussetzung der Anleihe lauten, werden von den in der Sitzung vertretenen Mitgliedern einstimmig gefasst; die Stimmen der Vertreter der streitenden Parteien werden bei der Berechnung dieser Einstimmigkeit nicht gezählt.

2. Alle anderen Beschlüsse des Bats auf Grund dieses Abkommens werden mit einfacher Stimmenmehrheit der in der Sitzung vertretenen Mitglieder gefasst ; bei der Berechnung werden die Stimmen der Vertreter der streitenden Parteien nicht gezählt.

S. Ein Völkefbundsmitglied, das nicht Mitglied des Bats ist, hat wegen der blossen Tatsache, dass es ordentlicher Garant oder Sondergarant im Sinne dieses Abkommens ist, noch keinen Anspruch darauf, im Eate mitzutagen, wenn dieser Eragen erörtert, die sich aus diesem Abkommen ergeben.

Artikel 29.

Die Bestimmungen dieses Abkommens dürfen nicht so ausgelegt werden als beeinträchtigten sie die Eechte und Pflichten, die sich für die Hohen Vertragschliessenden Parteien aus den Bestimmungen von Artikel 16 des Völkerbundavertrages ergeben.

212 SMwsbe&timmungen.

Artikel 30.

1. Dieses Abkommen, dessen, französischer und englischer Wortlaut in gleicher Weise massgebend sind, trägt das Datum des heutigen Tages.

Es kann bis zum 81. Dezember 1981 im Namen jedes "Völkerbundsmitgliedes unterzeichnet werden.

2. Dieses Abkommen soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zu übermitteln; dieser teilt ihren Eingang allen Völkerbundsmitgliedern mit.

Artikel 31.

Vom 1. Januar 1982 ab kann im Namen jedes Völkerbundsmitgliedes der Beitritt zu diesem Abkommen erklärt werden. Die Beitrittsurkunden sind dem Generalsekretär des Völkerbundes zu übermitteln; dieser teilt ihren Eingang allen Völkerbundsmitgliedern mit.

Artikel 32.

· '.

' Dieses Abkommen tritt nur unter der Bedingung in Kraft, dass auf Grund der vollzogenen Eatifikationen oder Beitritte ein Betrag von mindestens 50 Millionen Goldfranken für den jährlichen Anleihedienst durch ordentliche Garantien und auch durch die Sondergarantien von mindestens drei Eegierungen gedeckt ist.

Artikel 83.

1. Dieses Abkommen tritt neunzig Tage nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der in Artikel 82 gestellten Bedingungen in Kraft, vorbehaltlich der Bestimmungen von Artikel 35.

2. Der Generalsekretär nimmt die Berechnungen vor, die für die Anwendung von Artikel 32 erforderlich sind, und bringt das Inkrafttreten des Abkommens allen Völkerbundsmitgliedern zur Kenntnis.

3. Für jedes Völkerbundsmitglied, in dessen Namen später eine Batifikations- oder Beitrittsurkunde hinterlegt wird, wird das Abkommen an dem Tage rechtskräftig, wo die Batifikations- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Völkerbundes hinterlegt wird.

4. Der Gesamthöchstbetrag, der gemäss Artikel 7 am Tage des Inkrafttretens des Abkommens durch ordentliche Garantien gedeckt ist, und jede spätere Erhöhung dieses Betrages, die sich aus einer neuen Batifikation oder einem neuen Beitritt ergibt, wird durch den Generalsekretär allen Völkerbundsmitgliedern zur Kenntnis gebracht.

Artikel 34.

Vorbehaltlich der in Artikel 35 vereinbarten Bedingungen gelten folgende Bestimmungen :

218

1. Dieses Abkommen wird für einen Zeitraum geschlossen, der bis zum Ende dea Jahres 1945 geht.

2. Es bleibt jeweils für einen weiteren Zeitraum von fünf Jahren zwischen den Hohen Vertragschliessenden Parteien in Kraft, die es nicht mindestens zwei Jahre vor Ablauf des laufenden Zeitraums gekündigt haben.

S. Die Kündigung geschieht durch eine schriftliche Anzeige, die beim Generalsekretär des Völkerbundes zu hinterlegen ist ; dieser bringt ihren Eingang zur Kenntnis aller Völkerbundsmitglieder. Die Kündigung braucht sich nur auf eine Garantie der Eegierung eines Einzelgebiets einer Hohen Vertragschliessenden Partei zu erstrecken.

4. Soweit das Abkommen anwendbar ist auf die Genehmigung neuer Anleihen am Schlüsse des ersten Zeitraums, für den es abgeschlossen worden ist, oder irgendeines spätem Zeitraums, während dessen es in Geltung bleibt, tritt es ungeachtet der Bestimmungen in Ziffer 2 ausser Kraft, falls zu dem betreffenden Zeitpunkt infolge Kündigung oder infolge der Wirkungen der nachstehenden Ziffer 7 die jährliche Summe, die die ordentlichen Garantien ausmachen, auf weniger als 50 Millionen Goldfranken herabgesunken ist oder die Anzahl der an der Sondergarantie beteiligten Begierungen weniger als drei betragt.

5. a. Die Verpflichtungen jeder Eegierung in bezug auf Anleihen, die auf Grund dieses Abkommens bereits genehmigt sind, werden durch die Kündigung des Abkommens oder durch die Tatsache nicht berührt, dass es unter den vorstehend in Ziffer 4 oder in Artikel 35 vorgesehenen Bedingungen ausser Kraft tritt.

b. Der Völkerbundsrat und die Treuhänder üben in bezug auf die bereits genehmigton Anleihen alle ihnen durch dieses Abkommen übertragenen Obliegenheiten so lange weiter aus, bis diese Anleihen vollständig zurückgezahlt sind.

6. Falls die für das Inkrafttreten dieses Abkommens erforderlichen Batifikations- oder Beitrittsurkunden nicht vor Ende des Jahres 1985 hinterlegt sind, wird der Völkerbundsrat eine Konferenz einberufen, die die Lage prüfen soll.

7. Die Tatsache, dass ein Staat aufhört Mitglied des Völkerbundes zu sein, hat zur Folge, dass mit dem Zeitpunkt, wo der Bücktritt oder Ausschluss wirksam wird, alle Hechte und alle Verpflichtungen der betreffenden Eegierung aus diesem Abkommen aufhören, mit Ausnahme der Verpflichtungen, die ihr bereits obliegen infolge der schon
früher erfolgten Genehmigung einer Anleihe auf Grund dieses Abkommens.

Artikel 35.

1. Das Inkrafttreten dieses Abkommens und sein Inkraftbleiben inbezug auf die Genehmigung neuer Anleihen sind hinsichtlich jeder Hohen Vertragschliessenden Partei davon abhängig, dass ein in Anwendung von Artikel B

214 d«S Völkerbundsvertrages angenommener Plan für Rüstungsbeschränkung hinsichtlich dieser Partei in Kraft tritt bzw. in Kraft bleibt, 2. Falls eine Hohe Vertragschliessende Partei nach Ablauf eines Jahres nach dem Inkrafttreten des vorstehend erwähnten Planes die Verpflichtungen nicht erfüllen sollte, die sich für sie aus dem Plane ergeben, so kann ihr ungeachtet der Bestimmungen der Artikel l, 2 und 14 die in diesem Abkommen vorgesehene finanzielle Hilfeleistung nicht zuteil werden.

Artikel 36.

Dieses Abkommen ist am Tage seines Inkrafttretens vom Generalsekretär des Völkerbundes, einzutragen.

2u Urkund dessen haben die oben erwähnten Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet.

Geschehen zu Genf, am zweiten Oktober neunzehnhundertunddreissig in einer einzigen Ausfertigung, die im Arohiv des Völkerbundssekretariats aufbewahrt und in beglaubigter Abschrift allen Völkerbundsmitgliedern zugestellt wird.

A N L A G E I.

Form der ordentlichen Garantiescheine (bons de garantie ordinaire).

Anleihe der "Regierung, garantiert gemäss dem in am abgeschlossenen Abkommen über finanzielle Hilfeleistung.

Emission von (nähere Angaben über die Emission) Ordentlicher Garantieschein der

Regierung.

In Anbetracht dessen, dass vorbehaltlich der Bestimmungen des obengenannten Abkommens über finanzielle Hilfeleistung, die (Name der garantierenden Begierung) Begierung ein ordentlicher Garant der gemäss dem genannten Abkommen genehmigten und abgeschlossenen Anleihen ist; in Anbetracht dessen, dass die im obigen Abkommen vorgesehenen Treuhänder der genannten Begierung bescheinigt haben, dass die (Name der anleihenehmenden Begierung) Begierung einen den Vorschriften des genannten Abkommens entsprechend ordnungsgemäss genehmigten und beglaubigten Vertrag abgeschlossen hat über die. Emission von (nähere Angaben über die Emission) die einen Teil einer (die ganze) Anleihe bildet, die auf Grund des obigen Ab-

215 kommens vom Völkerbundsrat genehmigt ist und die ordentliche Garantie (der ".

(Name der garantierenden Regierung) Begierung. geniesst ; in Anbetracht dessen schliesslich, dass die oben genannten Treuhänder der (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung bescheinigt haben, dass: a. der Gesamtbetrag einer jeden Zahlung, die auf Grund der im obenerwähnten Vertrag vorgesehenen Emission zu leisten ist, und 1). der Höchstbetrag, für den die (Name der garantierenden Regierung) Begierung hinsichtlich einer jeden dieser Zahlungen in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant möglicherweise aufkommen muss, gleich den in der nachstehend abgedruckten Tabelle, Teil I und II, Spalte A und B, angegebenen Beträgen sind; erkennt infolgedessen die (Name der garantierenden Eegierung) Begierung an, dass sie jede der genannten Zahlungen garantiert hat, und zwar bis zum Betrage ihrer Verbindlichkeiten als ordentlicher Garant, wie sie in der besagten Tabelle aufgeführt sind; auf Vorzeigung eines der diesem Garantieschein anhängenden Coupons durch die obengenannten Treuhänder oder in deren Namen in (Ort der Vorzeigung) , gemäss den Bestimmungen des Abkommens, wird sie an den Inhaber oder entsprechend den Anordnungen der Treuhänder unverzüglich in (Angabe der "Währung, auf die die Anleihe lautet) --jedoch nicht über den dafür zu zahlenden Höchstbetrag hinaus -- den Betrag auszahlen, der laut Bescheinigung der Treuhänder auf den Coupon geschuldet wird, um einen Fehlbetrag in den Fonds zu decken, die zur Sicherung der Zahlung vorgesehen sind, auf die sich der Coupon bezieht.

Tabelle der Zins- und Tilgungszahlungen und der entsprechenden

Höchstverbindlichkeiten auf Grund der ordentlichen Garantie der Regierung.

Fälligkeitstermin der Zinsen

Fälligkeitstermin der Tilgungsrate (Datum)

Teil I. -- Zinszahlungen.

A B Gesamtbetrag der Höchstverbindlichkeit der Zahlung Regierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant Teil II. -- Zahlung der Tilgungsraten.

A B Gesamtbetrag der Höchstverbindlichkeit der ....

Zahlung Regierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant (Unterschrift).

216 Form des dem ordentlichen Garantieschein (bon de garantie ordinaire) anhängenden Zinscoupons.

Anleihe der Regierung, garantiert auf Grund des in am . ; abgeschlossenen Abkommens über finanzielle Hilfeleistung.

Emission von (nähere Angaben über die Emission) Coupon über den Betrag, den die Eegierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant hinsichtlich der am (Fälligkeitstermin der Zinszahlung) fälligen Zinsen zu zahlen hat.

Auf Vorzeigen dieses Coupons innerhalb von zwanzig Tagen vor dem (Fälligkeitstermin der Zinsen) in (Ort der Vorzeigung) durch die im obengenannten Abkommen vorgesehenen Treuhänder oder in deren Namen, wird die ...'

(Name der garantierenden Eegierung) Eegierung an den Inhaber oder entsprechend den Anordnungen der 'Treuhänder in (Angabe der Währung, in der die Anleihe aufgelegt ist) den Betrag von nicht mehr als (Höchstbetrag der Verbindlichkeit der Eegierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant) auszahlen, der, wie nachstehend bescheinigt wird, auf diesen Coupon fällig geworden ist.

(Unterschrift) Bescheinigung der Treuhänder.

Wir bescheinigen hiermit, dass der Betrag von auf diesen Coupon fällig geworden ist, um einen Fehlbetrag von in den Fonds üu decken, die zur Sicherung der Zinszahlung vorgesehen sind, auf die sich dieser Coupon bezieht, (Datum) (Unterschrift)

Form des dem ordentlichen Garantieschein (bon de garantie ordinaire) anhängenden Tilgungscoupons.

Anleihe der

am

Eegierung, garantiert auf Grund des in abgeschlossenen Abkommens über finanzielle liilfeleistunu Emission von (nähere Angaben über die Emission)

Coupon über den Betrag, den die Begierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant hinsichtlich der am (Fälligkeitstermin der Tilgungsrate) fälligen Tilgungsrate zu zahlen hat.

Auf Vorzeigen dieses Coupons innerhalb von zwanzig Tagen vor dem (Fälligkeitstermin der Tilgungsrate) in (Ort der Vorzeigung) durch die im obengenannten Abkommen

217 vorgesehenen Treuhänder oder in deren Namen, wird die (Name der garantierenden Regierung) Eegierung an den Inhaber oder entsprechend den Anordnungen der Treuhänder in (Angabe der Währung, in der die Anleihe aufgelegt ist) den Betrag von nicht mehr ala (Höchstbetrag der Verbindlichkeit der Eegierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant) auszahlen, der, wie nachstehend bescheinigt wird, auf diesen Coupon fällig geworden ist.

(Unterschrift) Bescheinigung der Treuhänder.

Wir bescheinigen hiermit, dass der Betrag von auf diesen Coupon fällig geworden ist, um einen Fehlbetrag von in den Fonds zu decken, die zur Sicherung der Tilgungsrate vorgesehen sind, auf die sich dieser Coupon bezieht.

(Datum) (Unterschrift) A N L A G E II.

Form der Sondergarantiescheine (bons de garantie spéciale).

Anleihe der um

Eegierung, garantiert gemäss dem in abgeschlossenen Abkommen über finanzielle Hilfeleistung.

Emission vom (nähere Angaben über die Emission)

Sondergarantieschein dar

Regierung.

in Anbetracht dessen, dass, vorbehalt'ich der Bestimmungen des oben genannten Abkommens über finanzielle Hilfeleistung, die (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung ein Sondergarant der gemäss dem genannten Abkommen genehmigten und abgeschlossenen Anleihen ist ; in Anbetracht dessen, dass die im obigen Abkommen vorgesehenen Treuhänder der genannten Eegierung bescheinigt haben, dass die (Name der anleihenehmenden Eegierung) Eegierung einen den Vorschriften des genannten Abkommens entsprechend ordnungsgemäss genehmigten und beglaubigten Vertrag abgeschlossen hat über die Emission von (nähere Angaben über die Emission) , die einen Teil einer (die ganze) Anleihe bildet, die auf Grund des obigen Abkommens vom Völkerbundsrat genehmigt ist und die Sondergarantie der (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung geni esst ; in Anbetracht dessen schliesslich, dass die obengenannten Treuhänder der (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung bescheinigt haben, dass: a. der Gesamtbetrag einer jeden Zahlung, die auf Grurid der im obenerwähnten Vertrag vorgesehenen Emission zu leisten ist, und b. der Höchstbetrag, für den die (Name der garantierenden

218 Regierung) Regierung hinsichtlich einer jeden dieser Zahlungen in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant möglicherweise aufkommen muse, und c. der Höchstbetrag, für den die genannte Eegierung hinsichtlich einer jeden dieser Zahlungen in ihrer Eigenschaft als Sondergarant möglicherweise aufkommen muss, gleich den in der nachstehend abgedruckten Tabelle, Teil I und II, Spalte A, B und C, angegebenen Betragen sind ; erkennt infolgedessen die (Name der garantierenden Eegierung) Begierung an, dass sie jede der genannten Zahlungen garantiert hat, und zwar bis zum Betrage ihrer Verbindlichkeiten als Sondergarant, -wie sie in der besagten Tabelle aufgeführt sind; auf Vorzeigung eines der diesem Garantieschein anhängenden Coupons durch die oben genannten Treuhänder oder in deren Namen in (Ort der Vorzeigung) gemäss den Bestimmungen des Abkommens, -wird sie an den Inhaber oder entsprechend den Anordnungen der Treuhänder unverzüglich in (Angabe der Währung, auf die die Anleihe lautet) --jedoch nicht über den dafür zu zahlenden Höchstbetrag hinaus -- den Betrag auszahlen, der laut Bescheinigung der Treuhänder auf den Coupon geschuldet wird, um einen Fehlbetrag in den Fonds zu decken, die zur Sicherung der Zahlung vorgesehen sind, auf die sich der Coupon bezieht.

Tabelle der Zins- und Tilgungszahlungen und der entsprechenden Höchstverbindlichkeiten auf Grund der Sondergarantie der Regierung.

Fälligkeitstermin der Zinsen

Fälligkeitstermin der Tilgungsrate

(Datum}

A Gesamtbetrag der Zahlung

Teil I. -- Zinszahlungen.

B Höchstverbindlichkeit der Regierung in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant

C Höchstverbindlichkeit der Regierung in ihrer Eigenschaft als Sondergarant (d. h. Verbindlichkeit als ordentlicher Garant plus dem gleichzeitig garantierten Zusatzbetrag)

Teil II. -- Zahlung der Tilgungsraten.

A B C GesamtHöchstverbindlichkeit der Höchstverbindlichkeit der betrag Regierung Regierung der Zahlung in ihrer Eigenschaft als in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant Sondergarant (d. h. Verbindlichkeit als ordentlicher Garant plus dem gleichzeitig garantierten Zusatzbetrag) (Unterschrift)

219

Form des dem Sondergarantieschein (bon de garantie spéciale) anhängenden Zinscoupons.

Anleihe der

am

Regierung, garantiert auf Grund des in abgeschlossenen Abkommens über finanzielle Hilfeleistung.

Emission von (nähere Angaben über dio Emission)

Coupon über den Betrag, den die Eegierung in ihrer Eigenschaft als Sondergarant hinsichtlich der am (Fälligkeitstermin der Zinszahlung) fälligen Zinsen zu zahlen hat.

Auf Vorzeigen dieses Coupons innerhalb von zwanzig Tagen vor dem (Fälligkeitstermin der Zinsen) in (Ort der Vorzeigung) durch die im obengenannten Abkommen vorgesehenen Treuhänder oder in deren Namen, wird die (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung an den Inhaber oder entsprechend den Anordnungen der Treuhänder in (Angabe der Währung, in der die Anleihe aufgelegt ist) den Betrag von nicht mehr als (Höchstbetrag der Verbindlichkeit der Eegierung in ihrer Eigenschaft als Sondergarant) auszahlen, der, wie nachstehend bescheinigt ·wird, auf diesen Coupon fällig geworden ist.

(Unterschrift) Bescheinigung der Treuhänder.

Wir bescheinigen hiermit, dass der Betrag von -- wovon die (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung für den Betrag von in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant aufzukommen hat, und deren Eest, nämlich , den gleichzeitig garantierten Zusatzbetrag darstellt -- auf diesen Coupon fällig geworden ist, um einen Fehlbetrag von in den Fonds zu decken, die zur Sicherung der Zinszahlung vorgesehen sind, auf die sich dieser Coupon bezieht.

(Datum) (Unterschrift)

Form des dem Sonderbar an tieschein (bon de garantie spéciale) anhängenden Tilgungscoupons.

Anleihe der

Regierung, garantiert auf Grund des in abgeschlossenen Abkommens über finanzielle Hilfeleistung.

Emission von (nähere Angaben über die Emission) Coupon über den Betrag, den die Eegierung in ihrer Eigenschaft als Sondergarant hinsichtlich der am ............ (Fälligkeitstermin der Tilgungsrate) fälligen Tilgungsrate zu zahlen hat.

am

220 Auf Vorzeigen dieses Coupons innerhalb von zwanzig Tagen vor dem (Fälligkeitstermin der Tilgungsrate) in (Ort der Vorzeigung) durch die im obengenannten Abkommen vorgesehenen Treuhänder oder in deren Namen, wird die (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung an den Inhaber oder entsprechend den Anordnungen der Treuhänder in (Angabo der Währung, in der die Anleihe aufgelegt ist) den Betrag von nicht mehr als (Höchstbetrag der Verbindlichkeit der Eegierung in ihrer Eigenschaft als Sondergarant) auszahlen, der, wie nachstehend bescheinigt wird, auf diesen Coupon fällig geworden ist.

(Unterschrift) Bescheinigung der Treuhänder.

Wir bescheinigen hiermit, dass der Betrag von -- wovon die (Name der garantierenden Eegierung) Eegierung für den Betrag von in ihrer Eigenschaft als ordentlicher Garant aufzukommen hat und deren Eest, nämlich den gleichzeitig garantierten Zusatzbetrag darstellt, -- auf diesen Coupon fällig geworden ist, um einen Fehlbetrag von in den Fonds zu decken, die zur Sicherung der Tilgungsrate vorgesehen sind, auf die sich dieser Coupon bezieht.

(Datum) (Unterschrift)

4. Für die Tätigkeit des Völkerbundes in Krisenzeiten bedeutsame Verkehrsverbindungen.

A.'Ordnung für Luftfahrzeuge.

Die Versammlung erinnert daran, dass die Mitglieder des Völkerbundes verpflichtet sind, die Tätigkeit des Völkerbundes mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu erleichtern; ist der Ansicht, dass die Benutzung der Luftverkehrsmittel in Krisenzeiten notwendig sein kann, damit sich die Wirksamkeit des Völkerbundes im Dienste des Friedens möglichst rasch abwickle, und nimmt deshalb folgende Eesolution an: 1. Es ist notwendig, dass die Völkerbundsmitglieder in Erfüllung der oben erwähnten Pflicht den Luftfahrzeugen, die den für die Tätigkeit des Völkerbundes bedeutsamen Luftverkehr sichern, alle zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Erleichterungen des Luftverkehrs und des Überfliegens gewähren ; diesen Luftfahrzeugen sollen einerseits alle Eechte zustehen, die in den günstigsten Vertragsbestimmungen für staatliche Luftfahrzeuge ausser Militär-, Zoll- oder Polizeifahrzeugen vorgesehen sind, und

221 andererseits' sollen sie zu keiner-Zeit den ausserordentlichen und vorüber.gehenden Beschränkungen unterworfen sein, die dem Luftverkehr etwa auferlegt werden könnten.

· 2. Die Bedingungen, unter denen die im vorhergehenden Absätze vorgesehenen Erleichterungen von den verschiedenen Staaten zugebilligt werden, sind von jeder der beteiligten Eegierungen nach Verständigung mit dem Generalsekretär des Völkerbundes im voraus festzusetzen. Insbesondere sollen die ordentlichen Vorschriften und die normalerweise einzuhaltenden Luftwege sowie das Verfahren für die sofortige Benachrichtigung des Generalsekretärs über allfällige Abweichungen von diesen Eegeln oder Luftwegen im voraus bestimmt werden.

8. Die Luftfahrzeuge, die den für die Tätigkeit des Völkerbundes bedeutsamen" Luftverbindungen dienen, werden sowohl für die Kontrolle als auch für die vorgeschriebenen Luftwege möglichst weitgehende Erleichterungen gemessen.

4. Als Luftfahrzeuge, die im Sinne der vorliegenden Eesolution der Auf recht erhalt ung der für die Tätigkeit des Völkerbundes bedeutsamen Luftverbindungen dienen, haben.solche Luftfahrzeuge zu gelten, die dauernd oder zeitweise, sei es zur Beförderung der Agenten des Völkerbundes oder von Personen, die von ihm mit einer besondern Mission betraut sind, sei es zum Transport seines Kuriers oder zur Beförderung der offiziellen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Delegationen im Eat, in den Versammlungen und in den Konferenzen des Völkerbundes oder ·endlich zum Transport des Kuriers dieser Vertreter oder Delegationen bestimmt sind.

5. Der Generalsekretär hat über die im vorhergehenden Artikel erwähnten Luftfahrzeuge ein Verzeichnis zu führen; er wird dieses Ver.zeichnis sowie allfällige Änderungen allen Mitgliedern des Völkerbundes mitteilen.

In dringenden Fällen wären diese Mitteilungen telegraphisch an die beteiligten Staaten zu richten.

6. Alle Einzelheiten über die Eintragungsbedingungen, über die Bekanntgabe von Eintragungen und Löschungen, über die Kennzeichen der Luftfahrzeuge, aus denen ihre Verwendung im Dienste des Völkerbundes ersichtlich sein muss, über die Befähigungsausweise und Fahrbewilligungen für die Bemannung und die übrigen durch internationale Abkommen regelmässig vorgeschriebenen Papiere werden vom Völkerbundsrat nach Befragung der zuständigen Einrichtungen
festgesetzt werden; dabei hat es die Meinung, dass die Lufttüchtigkeitsausweise, die Befähigungsausweise und Fahrbewilligungen für die Bemannung und die übrigen regelmässig vorgeschriebenen Papiere von jedem Staate nach Massgabe seiner Gesetzgebung ausgestellt oder anerkannt werden. Ein Gleiches gilt in den Fällen, in denen es der Eat für notwendig erachtet, für alle "Bundcsblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

17

222 Bestimmungen betreffend die ausschliesslich im Dienste des Völkerbundesstehenden Luftfabrzeuge, die in keinem Staat immatrikuliert sind.

7. So oft Luftfahrzeuge, die der Aufrechterhaltung der für die Tätigkeit des Völkerbundes bedeutsamen Luftverbindungen dienen, in den Fall kommen, einen Staat zu überfliegen, hat der Generalsekretär des Völkerbundes diesem Staate rechtzeitig und in zweckdienlicher Weise die Kennzeichen der genannten Luftfahrzeuge, den vorgesehenen' Luftweg und die Zusammensetzung der Bemannung anzuzeigen; ferner wird, er, so oft es möglich ist, die Identität der an Bord befindliehen Personen im voraus bekanntgeben; die Bemannung und die beförderten Personen müssen mit Ausweisen über ihre Eigenschaft und ihre Mission versehen sein.

8. In Notfällen haben die überflogenen Staaten der Bemannung' der oben erwähnten Luftfahrzeuge und den an Bord befindlichen Personen Beistand zu leisten, um womöglich die Fortsetzung der Luftreise und auf jeden Fall die Erfüllung der Mission auf dem raschesten Wege zu sichern.

9. Jeder Staat behält das Becht, sich dem Überfliegen seines Gebiets oder eines Teils desselben durch Luftfahrzeuge, die in einem andern.

. Staate immatrikuliert oder mit Ausländern bemannt sind, zu widersetzen, wenn er ein solches Verbot des Uberfliegens aus Gründen der nationalen.

Sicherheit für geboten hält. In diesem Falle müssen vorn betreffenden.

Staate alle Massnahmen getroffen werden, um die möglichst rasche Weiterbeförderung der Passagiere nach einem Flugplatz oder nach einer Grenzstelle sowie die Fortsetzung der Luftreise nach Massgabe der Bedingungen, sicherzustellen, die in den unten vorgesehenen Besprechungen festzusetzen sind.

10. Der Generalsekretär des Völkerbundes wird zur Durchführung obiger Bestimmungen sofort die erforderlichen Besprechungen mit den Begierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes aufnehmen; er wird der nächsten Versammlung über die zur Ausführung der vorliegenden ,Besolution getroffenen Massnahmen Bericht erstatten.

11. Die vorliegende Resolution darf nicht so ausgelegt werden,, dass damit nach irgendeiner Bichtung der Frage vorgegriffen werden solle,, ob es für den Völkerbund zweckmässig sei, über eigene Luftfahrzeuge zu.

verfügen.

B. Ordnung- für die Automobiltransporte.

Die Versammlung erinnert daran, dass die Mitglieder des
Völkerbundes verpflichtet sindr die Tätigkeit des Völkerbundes mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu erleichtern und nimmt deshalb folgende Besolution an:

223 1. Es ist notwendig, dass die Völkerbundsmitglieder in Erfüllung der oben erwähnten Pflicht dem Verkehr der Automobile, die Transporte ausführen, welche für die Tätigkeit des Völkerbundes in Krisenzeiten bedeutsam sind, alle Erleichterungen gewähren, indem sie, soweit dies möglich ist, diesen Automobilen einen offiziellen Vertreter dos Landes zur Verfügung stellen, der die Eeise zu erleichtern vermag, wobei die Behörde des durchfahrenen Landes die endgültige Entscheidung über den Beiseweg trifft.

2. Als Automobile, die Transporte ausführen, welche für die Tätigkeil, des Völkerbundes bedeutsam sind, haben solche Automobile zu gelten, die, sei es zur Beförderung der Agenten des Völkerbundes oder von Personen, die von ihm mit einer besondern Mission betraut sind, sei es zum Transport seines Kuriers oder zur Beförderung der offiziellen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Delegationen im Eat, in den Versammlungen und in den Konferenzen des Völkerbundes, oder endlich zum Transport des Kuriers dieser Vertreter oder Delegationen bestimmt sind.

8. Die oben bezeichneten Automobile werden ein besonderes Erkennungszeichen tragen, nämlich entweder ein Schild mit der Aufschrift «SDN»oder einen Wimpel. Der Wagenführer und die beförderten Personen müssen -mit amtlichen, vom Generalsekretär des Völkerbundes oder in seinem Namen oder vom Minister des Auswärtigen des Landes, das die Mission entsendet, oder in seinem Namen unterzeichneten Ausweisen versehen sein, die über ihre Eigenschaft und ihre Mission Auskunft gehen.

Der Wagenführer wird ausserdem mit einem Ausweise versehen sein, der von der Behörde des Abfahrtslandes ausgestellt ist und der die Be: atimmung des Fahrzeuges sowie den vorgesehenen Eeiseweg angibt.

4. Der Generalsekretär des Völkerbundes wird der Regierung des zu durchfahrenden Landes den Ort des Grenzübergangs sowie den Bestimmungsort telegraphisch mitteilen. Er wird sich bemühen, die Zeit des Grenssübergangs sowie die Namen des Wagenführers und der beförderten Personen bekanntzugeben.

5. Wenn dem Automobil infolge eines Unfalls oder andern Verkehrsvorkommnisses die Weiterfahrt erschwert ist oder wenn die Automobilreise in einem Lande als Fortsetzung einer mit einem andern Beförderungsmittel begonnenen Eeise ihren Anfang nimmt, so haben sich die Eegierungen zu bemühen, den Missionen ein
geeignetes Fahrzeug und das erforderliche Fahrpersonal zur Verfügung zu stellen, wobei dieses Fahrzeug vorn Zeitpunkte seiner Verwendung für diese Mission an als Fahrzeug zu gelten hat, das einen im Interesse des Völkerbundes liegenden Transport ausführt.

6. Die oben erwähnten Fahrzeuge müssen mit den vorschriftsgemässen Verkehrsausweisen versehen sein. Die Eegierimgen werden indessen gebeten werden, ihnen auch beim Fehlen von Zollausweisen freie Durchfahrt zu gestatten.

;

224 7. Der Generalsekretär des Völkerbundes wird zur Durchführung obiger Bestimmungen sofort die erforderlichen Besprechungen mit den Eegierungen der Mitgliedstaaten des Völkerbundes aufnehmen; er wird der nächsten Versammlung über die zur Durchführung der vorliegenden Resolution getroffenen Massnahmen Bericht erstatten.

(Resolutionen vom 30. September 1930.)

5. Abänderungsantrag zum Artikel 18 des Völkerbundsvertrages.

Die Versammlung beschliesst, auf diesen Antrag nicht einzutreten, (Resolution vom 30. September 1930.)

D. Resolutionen zur Berichterstattung der rierten Kommission.

1. Finanzielle Fragen.

1. Auf Grund des Artikels 38 des Eeglements über die Finanzverwaltung des Völkerbundes erteilt die Versammlung den geprüften Abrechnungen des Völkerbundes für das am 81. Dezember 1929 abgelaufene elfte Eechnungsjahr die endgültige Genehmigung.

2. Auf Grund des Artikels 17 des Eeglements über die Finanzverwaltung des Völkerbundes genehmigt die Versammlung den allgemeinen Voranschlag desVölkerbundes --· des Sekretariats und der Sonderorganisationen des Bundes, der internationalen Arbeitsorganisation und des Ständigen Internationalen Gerichtshofs --· für das Eechnungsjahr 1931, im Gesamtbetrage von 81,687,501 Goldfranken mit Einschluss der Zusatzkredite, und beschliesst die Veröffentlichung der erwähnten Voranschläge im Journal Officiel.

8. Die Versammlung genehmigt die Schlussfolgerungen der verschiedenen ihr zur Prüfung unterbreiteten Berichte der Kontrollkommission, vorbehaltlich des von der zweiten Kommission gestellten Kreditbegehrens für die Erhebung über die Ursachen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise.

4. Die Versammlung genehmigt den Bericht des Sonderausschusses von fünf Mitgliedern (A. 55.

1930) über die Errichtung der neuen Gebäude und setzt den Kredit für den Bau des Versammlungssaales und des Sekretariatsgebäudes auf 23,633,150 Franken fest; beauftragt die Kontrollkommission, in Zukunft alle im Zusammenhange mit, den neuen Gebäulichkeiten auftauchenden finanziellen Fragen 2iu prüfen.

5. Die Versammlung ernennt zu ordentlichen Mitgliedern der Kontrollkommission für die am 31. Dezember 1933 ablaufende Amtsdauer: die Herren

225 Stefan Osusky und Jean Réveillaud; zu Ersatzmitgliedern für die am 81. Dezember 1932 ablaufende Amtsdauer : die Herren Jean de Modzelewski und Georges de Ottlik.

6. Die Versammlung genehmigt die Schlussfolgerungen des Berichtes der vierten Kommission (Druckschrift A. 84. 1930. X. 1) (Resolutionen vom 3, Oktober 1930.)

2. Organisation des Sekretariats, des Internationalen Arbeitsamtes und der Gerichtsschreiberei des Ständigen Internationalen Gerichtshofs.

Die Versammlung hat Kenntnis genommen vom Bericht (Druckschrift A. 16. 1980) des als Dreizehnerkommission bezeichneten Studienausschusses, der von der letztjährigen Versammlung eingesetzt worden war, um zu prüfen, welche Massnahmen auch für die Zukunft Gewähr für grössmögliche Leistungsfähigkeit der Verwaltung des Sekretariats, des Internationalen Arbeitsamtes und der Gerichtsschreiberei des Ständigen Internationalen Gerichtshofs bieten; hat die Sonderberichte geprüft, die von einigen Mitgliedern dieser Kommission eingebracht wurden und die dem Kommissionsbericht angefügt sind; hat den Bericht, der der Dreizehnerkommission vom Generalsekretär vorgelegt wurde, sowie die Bemerkungen des Generalsekretärs, des Direktors des Internationalen Arbeitsamtes und des Gerichtsschreibens des Ständigen Internationalen Gerichtshofs über die finanziellen Polgen der im Berichte der Kommission enthaltenen Vorschläge geprüft und 1. billigt mit den von der vierten Kommission vorgeschlagenen Abänderungen die allgemeinen Pflichten des Personals, wie sie von der Dreizehnerkommission im ersten Kapitel des zweiten Teils ihres Berichtes vorgesehen sind ; 2, billigt mit den von der vierten Kommission vorgeschlagenen Abänderungen die Grundsätze über die Dauer der Anstellung des Personals, wie sie von der Dreizehnerkommission im zweiten Kapitel des zweiten Teils ihres Berichtes vorgeschlagen sind; 8. beauftragt den Generalsekretär, die sich aus dem vorliegenden Bericht ergebenden und von der vierten Kommission gebilligten Abänderungen im Personalstatut einzuführen; 4. fordert den Generalsekretär auf, das Statut gemäss den Vorschlägen der vierten Kommission abzuändern, und bittet ihn, das neue Statut der nächsten Versammlung mitzuteilen; *) Der Bericht der vierten Kommission enthielt noch folgende Resolution: ,,Die Versammlung, die an die Resolutionen 3 und 4 der zehnten Versammlung erinnert, fordert die internationale Flüchtlingsorganisation auf, für den fortschreitenden Abbau der Flüchtlingsorganisation, der spätestens bis zum 31. Dezember 1939 durchzuführen wäre, einen Plan auszuarbeiten und im Jahre 1931 der zwölften Versammlung vorzulegen."

226 5. nimmt die Erklärungen des Direktors des Internationalen Arbeitsamtes und des Gerichtsschreibers des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zur Kenntnis, -wonach diese innerhalb der nämlichen Frist die von deï vierten Kommission angenommenen Grundsätze ihren Verwaltungen anpassen werden ; 6. billigt das Eeglement über die Schaffung einer Pensionskasse für das Personal (Druckschrift A. 25 (1). 1980. X.) und beauftragt den Generalsekretär, alles Erforderliehe vorzukehren, damit das Eeglement vom 1. Januar 1931 an angewendet werden kann 1) ; 7. bittet das Büro der Versammlung, einen Ausschuss von Mitgliedern 3) einzusetzen, mit der Aufgabe, die Beibehaltung oder Aufhebung, die Vermehrung oder Verminderung der Stelion von Untergeneralsekretären sowie die sich daraus ergebenden Folgen zu prüfen. An diesen Ausschuss sollen ferner alle verwandten Fragen gewiesen werden, die die Kommission im Verlaufe ihrer Arbeiten glaubte verschieben zu müssen. Der Ausschuss wird gebeten werden, spätestens auf den 1. Mai 1981 einen Bericht auszuarbeiten, damit dessen Schlussfolgerungen von den Regierungen der Mitglied Staaten des Völkerbundes rechtzeitig geprüft und damit sie der nächsten Versammlung vorgelegt werden können ; 8. genehmigt den vorliegenden Bericht (Druckschrift A. 86. 1930. X) und nimmt dessen Schlussfolgerungen an.

(Resolution vom 3. Oktober 1930.)

3. Abänderung des Artikels 1, Absatz 3, des Finanzreglements und Teilerneuerung der Kontrollkommission.

Die Versammlung 1. genehmigt den Bericht der vierten Kommission (Druckschrift A. 62.

1980. X.) über die Abänderung des Artikels l, Absatz 3, des Finanzreglements; *) Der Artikel 3 des Reglements über die Schaffung einer Pensionskasse für das Personal, das -von der Versammlung am 3. Oktober 1930 angenommen worden ist, bestimmt, dass die Versammlung drei Mitglieder und drei Ersatzmitglieder in den Verwaltungsrat zu wählen hat.

Am 4. Oktober 1930 hat die Versammlung folgende Mitglieder gewählt; Mitglieder: Herr Hoel.

Ersatzmitglieder: Frau Kluyver.

,, Radulesco.

Herr Sean Lester.

,, Rappard.

,, de Modzelewski.

a ) Die am 3. Oktober 1930 vom Bureau der Versammlung gemäss der obigen Resolution gebildete Kommission besteht aus folgenden Mitgliedern: Graf Carton de Wiart (Vorsitzender).

Herr Gallayresi.

,, Bernstorff. .

,, Hambro.

Herr Botella Frau Kluyver.

, Cahen-Salvador-.

Herr Mushakoji.

Viscount Cecil of Chelwood, ,, Osuaky.

Sir Atul Chaterjee.

· ,, Sokal, Herr Costa du Reis.

:227

S; genehmigt den Bericht der Kontrollkommission (Druckschrift A, 53.

,1980. X>) über die Teilerneuerung der Kommission und bittet die vierte Kommission, der Versammlung auf Grund eines in geheimer Abstimmung gefassten Beschlusses zwei Personen, die bis zum 31. Dezember 1938 ale ordentliche Mitglieder der Kommission zu amten hätten, sowie zwei weitere Personen als Er·satzmitglieder der Kommission bis zum 81. Dezember 1932 namhaft zu machen1).

(Resolution vom 30. September 1930.)

4. Rückständige Mitgliederbeiträge.

Die Versammlung nimmt von den Massnahmen Kenntnis, die der Generalsekretär zur Einbringung der rückständigen Beiträge getroffen hat ; ermächtigt den Generalsekretär, der Tilgung der rückständigen Beiträge Chinas durch zwanzig gleiche Jahresraten zuzustimmen; fordert den Generalsekretär auf, dem Kate vor der nächsten Versammlung einen einlässlichen Bericht über die Lage hinsichtlich der rückständigen Beiträge vorzulegen.

(Resolution vom 3. Oktober 1930.)

E. Resolutionen zur Berichterstattung der fünften Kommission.

1. Handel mit Opium und andern schädlichen Drogen.

I. Die Versammlung ist wegen des gewaltigen Schleichhandels mit schädlichen Drogen, der in den verschiedenen Weltteilen getrieben wird, sehr besorgt; erinnert an die vom beratenden Ausschusse wiederholt befürworteten Massnahmen zur Durchführung einer Erhebung über die Fälle unerlaubten Handels, zur Bekanntgabe der Ergebnisse dieser Erhebung, zur gegenseitigen Unterstützung der Erliebungsbehörden der verschiedenen Länder und zur Einsendung umfassendster Auskünfte an den Völkerbund; erinnert ferner daran, dass diese Massnahmen. vom Bat und von der Versammlung einstimmig angenommen worden sind; ist betroffen, dass diese Massnahmen von den Begierungen nicht in allen Fällen vollständig durchgeführt werden; beauftragt den Generalsekretär, die Begierungen der Mitglieder des Völkerbundes und der ihm nicht angehörenden Staaten zu nachfolgenden Massnahmen -aufzufordern, damit der Völkerbund und die betreffenden Begierungen im gemeinsamen Einvernehmen einen wirksamen Plan zur Unterdrückung des Schleichhandels aufstellen können: i1).Die Namen Bind auf Seite 156 zu finden.

228 a. Die Regierungen der Staaten, in denen die Empfehlungen des.

Völkerbundes noch nicht vollständige Nachachtung gefunden haben,.

sollten die in ihrem Lande bestehenden Vorschriften ändern und alle !

Vorkehrungen treffen, die eine -wirksame Durchführung der empfohlenen.

Massnahmen gewährleisten.

b. Sind diese Massnahmen noch nicht durchgeführt worden, so sollteeine sieh auf die drei letzten Jahre erstreckende gründliche Erhebung veranstaltet werden, und es wären dem Generalsekretär womöglich binnen, drei Monaten über folgende Eragen vollständige Auskunft zu erteilen: .1. Art und Menge der Drogen, die Gegenstand des Schleichhandels sind; 2. Ursprung der Drogen, Marken und Aufschrift usw. ; 8. Zeitpunkt und Ort des Übergangs der Drogen in den Schleichhandel; 4. Ort, von wo aus die Drogen versandt oder umgeleitet worden, sind, und Namen der Absender oder Mittelspersonen; 5. Bestimmungsort oder Adresse der Empfänger; 6. von den Schleichhändlern angewandte Methoden, die eingeschlagenen Eeisewege sowie gegebenenfalls die Namen der benutzten.

Schiffe; 7. Beschlagnahmen auf dem Gebiete der betreffenden Regierungen,, die von Bedeutung sind entweder wegen der Menge der beschlagnahmten Drogen oder weil sie Aufschluss geben über die Auswirkungen des Systems der Verwaltungskontrolle; 8. für jeden einzelnen Fall von Beschlagnahme: die Regierungsmassnahmen gegenüber den in den Schleichhandel verwickelten Personen und namentlich gegenüber den Personen, die Bewilligungen, oder Lizenzen besitzen, ferner die Strafen und die Verfügung über die beschlagnahmten Drogen; 9. allfällige andere Auskünfte, die zur Unterdrückung des Schleichhandels dienlich sein könnten.

Ausserdem beauftragt die Versammlung den beratenden Ausschuss, zum Zwecke der Berichterstattimg an den Rat die Erage zu prüfen, ob die Regierungen gebeten werden sollten, entweder in ihren Jahresberichten oder durch die Beantwortung eines besondern Fragebogens womöglich die ungefähre Zahl der in ihrem Lande den einzelnen Rauschgiften verfallenenPersonen, die ungefähren Mengen der verbrauchten Drogen und die zur Anwendung gelangenden Heilverfahren anzugeben.

II. Die Versammlung beschliesst, dass alle Mitglieder des Völkerbundes und alle Nichtmitgliedstaaten eingeladen werden sollen, sieh an der Konferenz:, zur Beschränkung der Herstellung schädlicher Drogen vertreten zu lassen,,, die im Mai 1981 in Genf stattfinden wird.

(Resolutionen vom 1. Oktober 1930.)

229 2. Frauen- und Kinderhandel.

Die Versammlung nimmt zur Kenntnis, dass im Laufe dieser letzten Jahre mehrere Länder den Wünschen des Komitees für den Frauen- und Kinderhandel nachgekommen sind und die Öffentlichen Häuser vollständig abgeschafft oder neue Vorkehrungen zu deren Abschaffung getroffen haben.

Sie ist der Auffassung, dass die vom Sekretariat ausgearbeitete und den Regierungen der Mitglieder des Völkerbundes und den Nichtmitgliedstaaten zugestellte Übersicht über die Gesetze und Verordnungen zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Gesundheit in den Ländern, wo die öffentlichen Häuser abgeschafft worden sind (Druckschrift G. T. F. E. 466 1), für die zuständigen Behörden dieser Länder eine wertvolle Hilfe bedeuten werde.

Sie begrüsst die Erhebung über den Frauen- und Kinderhandel, die im Osten durchgeführt werden soll, und dankt dem amerikanischen Bureau für Sozialhygiene für die hochherzige Zuwendimg von 125,000 Dollars zu diesem Zwecke.

Sie nimmt den Bericht des Komitees für Frauen- und Kinderhandel (Druckschrift C. 216. M. 104.1980) zur Kenntnis, gibt ihrer grossen Befriedigung über das im vergangenen Jahre Erreichte Ausdruck und hofft, dass dieses Werk nach den nämlichen Grundsätzen fortgesetzt werde.

(Resolution vom 30. September 1930.)

3. Kinderschutz.

Die Versammlung nimmt den Bericht des Komitees für den Kinderschutz über das Ergebnis seiner sechsten Tagung (Druckschrift C. 228. M. 110.1930 IV.) zur Kenntnis und gibt dem Wunsche Ausdruck, dass das Komitee seine Tätigkeit nach den in diesem Berichte niedergelegten Grundsätzen fortsetze.

(Resolution vom 29. September 1930.)

4. Strafvollzugsverwaltung.

Die Versammlung hat Kenntnis genommen vom Berichte des Generalsekretärs über die Verbesserung der Strafvollzugsverwaltung (Druckschrift A. 26.1930 IV.) und von den «Grundsätzen für die Behandlung der Gefangenen» (Druckschrift A. V./2.1980), die von der internationalen Kommission für Strafrechts- und Gefängniswesen ausgearbeitet worden sind; bittet den Eat, diese Grundsätze den Eegierungen der Mitglieder des Völkerbundes und der ihm nicht angehörenden Staaten zur Prüfung mitzuteilen und die Eegierungen aufzufordern, in nützlicher Frist einen Bericht über diese Grundsätze vom Standpunkte der Strafvollzugsverwaltung ihres Landes aus einzusenden;

1230 beauftragt den Generalsekretär, die von der internationalen Kommisaion für Strafrechts- und Gefängniswesen ausgearbeiteten Grundsätze dem internationalen Arbeitsamt, dem Hygienekomitee, dem "Wirtschaftskomitee, der Kommission für Kinder- und Jugendschutz, der internationalen Vereinigung für Strafrecht und der internationalen kriminalistischen Vereinigung vorzulegen, sich mit Vertretern der internationalen Kommission für Strafrechtsund Gefängniswesen in Verbindung zu setzen und zu prüfen, wie der Völkerbund mit dieser Kommission auf dem Gebiete der Verbesserung der Strafvollzugsverwaltung am besten zusammenarbeiten könnte.

Der Generalsekretär wird gebeten, der nächsten Versammlung über die Präge einen neuen Bericht zu erstatten.

(Resolution vom 29. September 1930.)

F. Resolutionen und Empfehlung zur Berichterstattung der sechsten Kommission.

1. Mandate.

Die Versammlung, die von der Tätigkeit der Mandatarmächte, der ständigen Mandatkommission und des Eates im Hinblick auf die Durchführung des Artikels 22 des Völkerbundsvertrages Kenntnis genommen hat: a. spricht ihnen erneut das Vertrauen aus, das ihnen schon frühere Versammlungen bekundet haben, und beglückwünscht sie zu den Ergebnissen, die dank dem aus ihren Berichten sprechenden Willen zur Zusammenarbeit erzielt worden sind; b. ist erfreut über die Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung in Palästina und hofft, dass die von der Mandatarmacht getroffenen Massnahmen die Wiederkehr von Ereignissen wie die des Jahres 1929 verhindern werden; c. gibt erneut der Hoffnung Baum, dass das Mandatsystem dank den iortgesetzten gemeinsamen Bemühungen der Mandatarmächte, des Eats und der ständigen Mandatkommission auch fernerhin alle Gewähr für die Verwirklichung des im Artikel 22 des Völkerbundsvertrages verkündeten Kulturideals bieten werde.

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,,,, ,, , , -mnn \ (Resolution vom 30. September 1930.)

2. Sklaverei.

Die Versammlung hat die von zahlreichen Staaten auf Grund der ^Resolution der zehnten Völkerbundsversammlung erteilten Auskünfte zur Kenntnis genommen; stellt einerseits fest, dass die Zahl der Eatifikationen zum Abkommen ^om 25. September 1926 innerhalb Jahresfrist von 29 auf 84 gestiegen ist; hebt andererseits hervor, dass die von den Mitgliedern des Völkerbundes erteilten Auskünfte bisher noch kein Urteil über den derzeitigen allgemeinen Stand der Sklaverei ermöglicht haben;

231 wünscht jedoch, noch bis nächstes Jahr abzuwarten, -welches Ergebnis das gegenwärtige Verfahren zeitigt; vertagt vorläufig die Untersuchung über eine etwaige Änderung dieses Verfahrens und fordert die Mitglieder des Völkerbundes sowie die ihm nicht angehörenden Staaten auf, die bereits erteilten Auskünfte durch alle diejenigen Mitteilungen zu ergänzen, auf Grund deren die Versammlung nicht nur in die auf dem Gebiete dieser Staaten bestehenden Verhältnisse, sondern auch in den derzeitigen Stand der Sklaverei überhaupt Einblick erhält.

(Resolution vom 30. September 1930.)

3. Schutz der Minderheiten.

Die Versammlung nimmt den Bericht der sechsten Kommission (Druckschrift A. 66.1930 I.) zur Kenntnis.

(Resolution vom 30. September 1930.) ' 4. Russische, armenische, assyrische, assyrisch-chaldäische und türkische Flüchtlinge.

Die Versammlung 1. erinnert an das Werk Fridtjof Nansens zugunsten der Flüchtlinge, "bleibt der Tätigkeit eingedenk,.die er entfaltet hat, um die Nationen im Dienste des Friedens zu einigen, und verleiht zum Gedächtnis des Verstorbenen, der einer der treuesten Diener des Völkerbimdes war, ihrer Dankbarkeit feierlich Ausdruck; 2. nimmt den Bericht des Generalsekretärs und der beratenden Begierungekonunission für die Ansiedlung der Flüchtlinge (Druckschriften A. 28. und A.

34.1930 XIII.) zur Kenntnis; 3. beschliesst, den politischen und den Bechtsschutz der Flüchtlinge unter den von der beratenden Kegierungskommission angegebenen Bedingungen auf die ordentlichen Völkerbundsorgane zu übertragen; 4. beschliesst, für die Dauer der Liquidation des Flüchtlingswerkes ein dem Völkerbund unterstelltes internationales Flüchtlingsamt damit zu betrauen, nach den Grundsätzen des Artikels 24 des Völkerbundsvertrages die bisher dem Oberkommissär übertragene humanitäre Aufgabe zu erfüllen; 5. erteilt Herrn Max Huber den Auftrag, im Sinne der im Bericht der beratenden Begierungskommission niedergelegton Bichtlinien die Statuten für das internationale Flüchtlingsamt, die dem Völkerbundsrate zur Genehmigung vorzulegen sind, auszuarbeiten; sie dankt ihm für die Annahme des Auftrags und bittet ihn, dem Flüchtlingsamt seine Dienste als Präsident des Verwaltungsrats zur Verfügung zu stellen; 6. bewilligt dem internationalen Flüchtlingsamt eine Subvention von 383,800 Goldfranken für das Jahr 1931 ;

232 7. lenkt die Aufmerksamkeit der Eegierungen aut' den Wert hin, der einer Verallgemeinerung des Systems der Nansen-Marken zukäme; 8. überlässt es dem Flüchtlingsamt, über einen etwaigen Appell an die private Wohltätigkeit, namentlich zugunsten der Flüchtlingskinder, zu befinden; 9. äussert den Wunsch, dass es das Flüehtlingsamt als eine seiner ersten Aufgaben betrachte, die Lage der armenischen Flüchtlinge in Griechenland zu .prüfen; 10. bittet den Kat, die Empfehlungen der beratenden Begierungskommission bezüglich der Durchführung der Begierungsvereinbarungen und der Lage der invaliden russischen Flüchtlinge an die Eegierungen zu übermitteln; 11. verleiht dem "Wunsch Ausdruck, dass sich das internationale Flüehtlingsamt womöglich die Erfahrung des gegenwärtigen Personals des Flüchtlingsdienstes zunutze mache.

.

.

(Resolutionen und Wunsch vom 30. September 1930.)

G. Resolutionen zur Berichterstattung des Bureaus der Versammlung.

Durchführung der Tagungen der Völkerbundsversammlung, Materielle Verbesserungen.

I. Die Versammlung genehmigt den vorliegenden Bericht des Bureaus (Druckschrift A. 60. 1930) und billigt unter Vorbehalt der darin stehenden Bemerkungen die Berichte des fünfköpfigen Sonderkomitees (Druckschriften A. 22.1930 und A. 47.1930).

II. Die Versammlung beschliesst, den ersten Absatz des Artikels l ihrer Geschäftsordnung wie folgt abzuändern: «Die Versammlung tritt von Eechts wegen alljährlich am zweiten Montag im September am Sitze des Völkerbundes zusammen unter der Voraussetzung, dass der zweite Montag nicht auf ein späteres Datum als den 10. September fällt. Widrigenfalls beginnt die Session am ersten (Besolutionen vom 25. September 1930.)

H. Ohne vorgängigen Kommissionsbericht angenommene Resolutionen.

1. Plan einer europäischen Union.

Die Versammlung hat mit lebhafter Befriedigung von der Eesolution Kenntnis genommen, die am 8. September 1930 in Genf von den Begierungsvertretern der europäischen Mitglieder des Völkerbundes angenommen wurde;

233 ist wie diese überzeugt, dass die enge Zusammenarbeit der europäischen Eegierungen auf allen Gebieten der internationalen Tätigkeit für die Erhaltung des Friedens von entscheidender Bedeutung ist; teilt ihre einmütige Auffassung, dass eine solche Zusammenarbeit, welche Form sie auch erhalten möge, sich im Eahmen des Völkerbundes, in voller Übereinstimmung mit ihm und im Geiste des Völkerbundsvertrages vollziehen muss ; fordert daher die Begierungen der europäischen Mitgliedstaaten des Völkerbundes auf, sich als Kornmission des Völkerbundes zu konstituieren und unter der Mitwirkung des Sekretariats die schon eingeleiteten Erhebungen fortzusetzen, für die die französische Denkschrift vom 17. Mai 1980 sowie die darauf erteilten Antworten die Grundlage bilden; erinnert die Eegierungen daran, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Untersuchung in Verbindung mit den aussereuropäischen Völkerbundsmitgliedern, sowie mit den Eegierungen, die dem Völkerbund nicht angehören, fortzusetzen, insofern ihnen eine derartige Mitarbeit für die Förderung ihrer Untersuchung nützlich erscheint; und ersucht darum, dass die ersten Ergebnisse dieser Untersuchung, ·womöglich in der Form bestimmter Vorschläge, in einem Berichte niedergelegt werden, der so frühzeitig ausgearbeitet werden soll, dass er der nächsten Versammlung vorgelegt werden kann.

(Resolution vorn 17. September 1930.)

2, Sympathiekundgebung für die Dominikanische Republik.

Tief bewegt von dem Unglück, von dem San Domingo betroffen worden ist und das zum Verluste so zahlreicher Menschenleben sowie zur Vernichtung so vieler Werte geführt hat, bittet die Völkerbundsversammlung ihren Präsidenten, der Eegierung der Dominikanischen Eepublik das Beileid der in Genf an der elften Versammlung vereinigten Völker auszusprechen.

(Resolution vom 16. September 1930.)

3. Gedächtnisfeier für Bolivar.

In Anbetracht dessen, dass sich der Todestag des Befreiers Simon Bolivar, der durch sein Bestreben, der Gerechtigkeit und dem Frieden unter den Völkern zur Herrschaft zu verhelfen, zum Vorläufer des Völkerbundes geworden ist, am 17. Dezember zum hundertsten Male jährt, spricht die Versammlung Simon Bolivar zum Gedächtnis ihre Bewunderung und ihre Dankbarkeit aus und schliesst sich der Ehrung an, welche die amerikanischen Eepubliken ihm zu bereiten sich anschicken.

(Resolution vom 2. Oktober 1930.)

234

I. Ständiger Internationaler Gerichtshof.

1. Wahl eines Richters an Stelle des Herrn Charles Evans Hughes.

In Übereinstimmung mit den im Statut des Ständigen Internationalen.

Gerichtshofes festgesetzten Grundsätzen haben Versammlung und Eat Herrn.

Frank Kellogg gewählt, der für den Rest;der Amtsdauer an Stelle des Herrn Charles Evans Hughes tritt.

7 0September . , 11930.)

(Si 930 \ (Sitzung vom 117.

2. Gesamterneuerung des Ständigen Internationalen Gerichtshofes.

In Übereinstimmung mit den im Statut des Ständigen InternationalenGerichtshof ea festgesetzten Grundsätzen und gemäss der Resolution der Versammlung vom 25. September 1930 haben Versammlung und Eat die nachfolgenden fünfzehn ordentlichen Richter und vier Ersatzrichter gewählt:.

Ordentlichee Richter: Herr ADATCI (Japan); Herr ALTAMIRA Y CBEVEA (Spanien) ; Herr ANZILOTTI (Italien); Herr DE BUSTAMANTE Y SIRVEN (Kuba); Herr VAN EYSINGA (Niederlande); Herr FROMAGEOT (Frankreich) ; Herr GUEEBEBO (Salvador) ; Sir Cecil HÜBST (Grossbritannien) ; Herr F. B. KELLOGG (Vereinigte Staaten von Amerika) ; Herr NEGULESCO (Rumänien); Baron ROLIN-JAE QUEMYNS (Belgien); Graf ROSTWOROWSKI (Polen); Herr SCHÜCKING (Deutschland) ; Herr UEEUTIA (Kolumbien) ; Herr WANG CHUNG-HUI (China), Ersatzrichter:

Herr Herr Herr Herr

ERICH (Finnland); DA MATTA (Portugal); NOVAKOVITCH (Jugoslawien); REDLICH (Österreich).

(Sitzungen vom 25. September 1930.}

3. Bezeichnung der nichtständigen Ratsmitglieder.

Die Versammlung bezeichnet Guatemala, den Freistaat Irland und Norwegen als nichtständige Ratsmitglieder.

(Sitzung vom 17. September 1930.)

23&

Antwort des Bundesrates auf die Denkschrift der Französischen Regierung über die Gründung einer europäischen Union.

,,Dio Schweizerische Eegiermig hat mit dem grossieri Interesse von der Denkschrift der Französischen Eegierung über die Schaffung einer europäischen Union Kenntnis genommen. Sie hat sich die ernstlichen Schwierigkeiten und: Gefahren nie verhehlt, die aus den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen des heutigen Europa entspringen können. Sie ist darum auch bereit, im Geiste der Zusammenarbeit und der Solidarität zu untersuchen, ob Auswege und Heilmittel, die dieser Lage Angemessen wären, gefunden werden könnten. Sie wird.

sich dabei vom Wunsche leiten lassen, an der loyalen Untersuchung eines Problems mitzuwirken, dessen Bedeutung sie anerkennt, und sie weiss der Französischen Eegierung Dank dafür, dass sie die Initiative ergriffen hat. es zur Erörterung zu stellen.

Die Schweizerische Regierung inuss jedoch neuerdings erklären, dass siekeine Verpflichtungen übernehmen könnte, die geeignet wären, die Neutralitätsordnung, welche seit Jahrhunderten die Grundlage der politischen Verfassung der Eidgenossenschaft bildet, irgendwie zu beeinträchtigen. Sit- ist mehr denn je überzeugt, dass die Erhaltung der schweizerischen Neutralität «dem wahren Interesse aller europäischen Staaten» entspricht, und sie könnte daher kein& Änderung des internationalen Statuts in Betracht ziehen, das der Eidgenossenschaft auf Grund der Akte vom 20. November 1815 und der Londoner Erklärung vom 18. Februar 1920 zusteht. Die Schwei? glaubt übrigens, des öftern den Beweis erbracht zu haben, dass die besondere rechtliche Stellung, die ihr im Rahmen!

des Völkerbundes zukommt, sie nicht hindert, an der Verbesserung der internationalen Beziehungen und der Festigung des Weltfriedens nützlich mitzuarbeiten, ohne darum auf ihre besondern Rechte verzichten zu müssen.

Die Schweizerische Eegierung hat schon Gelegenheit gehabt, zu erklären, dass man nach ihrer Auffassung an den Plan einer europäischen Union mit Aussicht auf Verwirklichung wohl nur dann herantreten kann, wenn er die grosse Mehrzahl der europäischen Staaten umfasst. Eine besondere Organisation von der Art derjenigen, welche die Eegierung der Eepublik im Auge hat, hätte offensichtlich nur dann ihre Daseinsberechtigung, wenn sie einem so gut wie allgemein empfundenen Bedürfnis entspräche. Sollte das nicht der Fall sein, so liefe die Union Gefahr, mehr das Aussehen einer Koalition zu erhalten als das.

236 «iner Bundesgenieinschaft, die gegründet ist auf dem gemeinsamen Willen, die universelle Friedensbestrebung, welche sich im Völkerbund verkörpert, in bestimmter geographischer Umgrenzung zu fördern. Sollte das Unternehmen der Mitwirkung gewisser Staaten entraten müssen, so würde es zwischen den Beteiligten und den Aussenstehenden eine Gegensätzlichkeit schaffen, welche die Störung im politischen und wirtschaftlichen Gleichgewicht noch vergrössern müsste, die zu beseitigen sich die europäische Union doch gerade zum Ziele gesetzt hat. Es ist aber wichtig, sich einer solchen Gefahr nicht auszusetzen, um so mehr als es nicht sicher ist, dass dieser Versuch eines Zusammenschlusses von Staaten Buropas, auch weim er unter den günstigsten Voraussetzungen verwirklicht wird, ohne Eückwirkung bleibt auf die andern Kontinente.

Man hat in zahlreichen Kreisen bemerkt, dass der Plan einer europäischen Union für den Völkerbund eine gewisse Gefahr in sich bergen könnte. Die Schweizerische Eegierung glaubt, dass sie der Zukunft allzusehr vorgreifen ·würde, wenn sie alle in dieser Hinsicht geäusserten Befürchtungen teilen wollte.

Die Eegierung der Französischen Eepublik hat übrigens in ihrer Denkschrift deutlich ihre Absicht bekundet, alles zu vermeiden, was die Genfer Einrichtung gefährden könnte; sie hat hervorgehoben, dass «es sich keineswegs um eine europäische Gruppenbildung ausserhalb des Völkerbundes handelt, sondern im Gegenteil darum, die europäischen Interessen unter der Aufsicht und im Geiste des Völkerbundes miteinander in Einklang zu bringen, und zwar dadurch, dass dem weltumspannenden Gefüge des Völkerbundes ein beschränktes, aber um so wirksameres System eingeordnet wird». Nach der Auffassung des Bundesrates ist dieser Punkt von grundlegender Bedeutung. Um die Befürchtungen zu entkräften, die zum Ausdruck gebracht worden sind, muss zum vornherein alles vermieden werden, was geeignet ist, Kompetenzkonflikte oder Eivalitäten zwischen dem geplanten regionalen Verband und dein Völkerbund hervorzurufen. Für die Schweiz wie für andere Länder ist der Völkerbund eine grosse Errungenschaft der Zivilisation auf dem Gebiete des Friedens. Er entspricht oiner lebenswichtigen Notwendigkeit, und man muss sich vor jeder Massnahme hüten, die ihn schwächen oder. erschüttern könnte. Eine europäische Union würde
aufhören, erstrebenswert zu sein, wenn sie dazu führen sollte, die Wirkungs- und Entwicklungsmöglichkeiten des Völkerbundes zu beschränken.

Wie sind aber der Völkerbund und die Union miteinander in Einklang zu bringen?. Diese schwierige Aufgabe wird noch reifliche Überlegung und zahlreiche Untersuchungen erheischen. Der Bundesrat hält denn auch dafür, dass mit grosser Vorsicht vorzugehen wäre. Man kann sich sehr wohl vorstellen, dass die europäische Union in Fragen der allgemeinen Volkswirtschaft, der wirtschaftlichen Ausrüstung, der Verkehrswege und des Durchgangsverkehrs, des Finanzwesens und der Arbeit ihre Tätigkeit entfalten würde, ohne auf das allgemeine Wirkungsfeld des Völkerbundes überzugreifen. Denn falla auf diesen verschiedenen Gebieten ausgesprochen europäische Interessen bestehen, kann man sie ohne Schaden der «ureigenen Zuständigkeit» der europäischen Union -- wie sich die französische Denkschrift ausdrückt -- überlassen. Indessen dürfte

237 man dabei nicht ausser acht lassen, dass diese Zuständigkeit gegebenenfalls auch die Prüfung von Fragen umfassen würde, die denjenigen ähnlich sind, mit ·denen sich vielfach auch der Völkerbund bereits beschäftigt hat und die er zu lösen versuchte, soweit die gegebenen Verhältnisse es zuliessen. Da sich diese Verhältnisse kaum geändert haben, kann man sich fragen, ob eine europäische Union zu besseren Ergebnissen gelangen könnte. Diese Frage stellt sich namentlich für alles, was mit den Wirtschaftsproblemen zusammenhängt, hinsichtlich deren es wahrscheinlich nicht leicht wäre, eine bestimmte Grenze zu ziehen zwischen den Angelegenheiten, die eher in den Aufgabenkreis der einen als der andern der beiden Einrichtungen fallen würden.

Die Französische Eegierung würde Wert darauf legen, dass das wirtschaftliche Problem dem politischen untergeordnet werde. Auf politischer Grundlage sollte sich ihrer Meinung nach «in ihren grossen Zügen sowohl die Wirtschaftspolitik Europas als auch die Zollpolitik jedes europäischen Staates im besondern aufbauen». Auch die Schweizerische Eegierung hält dafür, dass die wirtschaftlichen Probleme eng zusammenhangen mit den politischen. Auch sie ist überzeugt, daas ein wirtschaftlich gesundes Europa undenkbar ist ohne ein politisch befriedetes Europa. Der Sicherheitsfrage kommt unbestreitbar in dieser Beziehung ausschlaggebende Bedeutung zu. Aber die Sicherheit ist eines jener Probleme, denen der Völkerbund die grosste Aufmerksamkeit schenkt. Es ist sozusagen keine Völkerbundsversammlung zu verzeichnen, die nicht versucht hätte, zu seiner Lösung beizutragen. Erfreuliche, wo nicht entscheidende Fortschritte sind verwirklicht worden, namentlich auf dein besondern Gebiete der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit, die sich mit der allgemeinen Frage der Sicherheit so eng berührt. Der Völkerbund hat in der Lösung seiner Aufgabe nicht versagt ; er wird nahe daran sein, eines seiner Hauptziele zu erreichen am Tage, wo es ihm gelingen wird, ein allgemeines Abkommen über die Herabsetzung der Rüstungen aufzustellen und in Wirksamkeit zu setzen.

Die von ihm begonnene Arbeit soll er auch fortführen. Die Schweizerische Eegierung glaubt, dass das, was die Länder Europas unter sich auf dem Gebiete der Sicherheit zu verwirkliehen vermöchten, mit noch grösserem Erfolg im Eahmen der
bestehenden' Organisation erreicht werden könnte. Das Problem der Sicherheit ist ein Weltproblem, und es könnte endgültig nicht gelöst werden ohne die Mitwirkung der andern Kontinente. Aus diesem Grunde fragt sich die Schweizerische Eegierung, ob die europäische Union gut daran täte, wenn sie .gewissermassen auf eigene Eechnung die Prüfung einer Frage übernehmen wollte, mit der sich der Völkerbund seit seiner Gründung abgegeben hat und die allein zu lösen er fähig zu sein scheint. Übrigens könnte die europäische Union, auch wenn sie die Sicherheitsfrage ausserhalb ihres Aufgabenkreises beliesse, .gleichwohl zu deren Lösung wirksam beitragen, indem sie die für positive Verwirklichungen günstige Atmosphäre schüfe.

Die zahlreichen Schranken, die gegenwärtig der wirtschaftlichen Entfaltung Europas noch hemmend entgegenstehen, sind ohne Zweifel zum Teil einem .gewissen Eindruck politischer Unsicherheit zuzuschreiben. Die Schweizerische Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. I.

18

238 Regierung ist indessen der Auffassung, dass die europäische Union manches ihrer Ziele zu verwirklichen vermöchte, auch wenn sie an die Behandlung der wirtschaftlichen Eragen herantreten würde, ohne erst zuzuwarten, bis das Problem der Sicherheit seiner Lösung näher gerückt sei. Die Vereinbarungen, durch die heute schon verschiedene Fragen des europäischen Wirtschaftslebens geregelt werden, erbringen den Beweis dafür, dass auch eine Zusammenarbeit auf rein wirtschaftlichem Boden möglich wäre. Unter anderem dürften sich mehrseitige Handelsverträge sicherlich verwiridichen lassen ; wenn die Versuche, Abkommen dieser Art zu schliessen, bisher nicht vollen Erfolg hatten, so ist der Grund dafür weniger in einem Mangel politischen Zusammenhanges als in den wirtschaftlichen Verhältnissen selber zu suchen. Da aber der territoriale Rahmen, der für gewisse Abkommen vorgesehen war, sich zuweilen als zu weit erwiesen hat, namentlich was die Durchführung der Empfehlungen der Weltwirtschaftskonferenz anbelangt, so vermöchte wohl eine Gemeinschaftsarbeit in engeren Grenzen günstige Ergebnisse zu zeitigen.

Die Schweiz, die bei so mancher Gelegenheit ihr lebhaftes Interesse bekundet hat für alles, was mit der internationalen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiete zusammenhängt, ist jedenfalls bereit, getreu ihrer bisherigen Haltung, sich an den Bestrebungen zu beteiligen, die darauf abzielen, die wirtschaftliche Lage Europas zu verbessern.

Es wäre zweifellos verfrüht, eine Meinung darüber äussern zu wollen, wie die geplante europäische Union gegebenenfalls zu gestalten sein werde. Wie die Denkschrift der Französischen Regierung bemerkt, handelt es sich vorderhand bloss darum, ein «Programm für eine europäische Union» auszuarbeiten. Sollte dieses Programm eine vollständige Zuständigkeitsordnung vorsehen, die der europäischen Union «die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Organe sichern würde»? Wäre es --- auch schon im Anfangsstadium -- unerlässlich, ein eigentliches Vollzugsorgan und ein ständiges Sekretariat zu schaffen ? Sollte es nicht genügen, bloss die Einberufung von Konferenzen vorzusehen, in deren Verlauf gewisse ausgesprochen europäische Angelegenheiten geprüft würden, und nötigenfalls das Land, wo die Konferenz tagt, zu beauftragen, selber für dio Einrichtung eines Sekretariats zu sorgen? --
Alle diese Fragen wird man erst an einer künftigen Zusammenkunft mit Nutzen erörtern können. Die Schweizerische Regierung würde in einer möglichst einfachen und anpassungsfähigen Organisation einen Vorteil erblicken. Sie sieht die Notwendigkeit nicht wohl ein, eine europäische Union zu errichten, die nach dem Vorbilde des Völkerbundes organisiert und mit eigenen, ständigen Dienststellen versehen wäre, noch diejenige, der Union vielleicht sogar eigene Rechtspersönlichkeit zu verleihen.

Das Bedürfnis nach besonderen Organen würde sich um so weniger geltend machen, als auf einen erst kürzlich vom Völkerbund ausgegangenen Anstoss hin eine engere Zusammenarbeit, namentlich wirtschaftlicher Natur, unter den.

europäischen Staaten sich zu zeigen beginnt. Diese Ansätze werden sich sicherlich als entwicklungsfähig erweisen, wenn die Bemühungen unter günstigen Bedingungen fortgesetzt werden können. Es darf in dieser Beziehung daran

239 erinnert werden, dass die «Vorkonferenz für planmässige wirtschaftspolitische Massnahmen» alle Fragen in Betracht gezogen hat, die sich für die Wirtschaft Europas gegenwärtig stellen.

Die Schweizerische Regierung behält sich im übrigen vor, die hier erörterten Punkte an der Konferenz des nähern zu entwickeln, deren Zusammentritt in Genf im Laufe der kommenden Völkerbundsversammlung von der Französischen Eegierung vorgesehen wird und an der sich vertreten zu lassen der Bundesrat, wie er schon in den am 24. Juni vor dem Nationalrat abgegebenen Erklärungen bekundet hat, nicht verfehlen wird."

Bern, den 4. August 1980.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die elfte Völkerbundsversammlung (Vom 30. Januar 1931.)

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