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Bundesblatt

83. Jahrgang.

Bern, deu 9. Dezember 1931.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Prêts 20 Franken im Jahr, l« Franken fat Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 60 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & C/e, fit Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege.

(Vom 4. Dezember 1981.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, im Hinblick auf die Ratifikation des Genfer Protokolls vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege die nachfolgende Botschaft an Sie zu richten.

I.

Die im Mai und Juni 1925 zur Schliessung eines Abkommens über die Beaufsichtigung des internationalen Handels mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial in Genf versammelte internationale Konferenz hat ein Protokoll ausgearbeitet, das die Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege verbietet1). Die schweizerische Delegation, die am Zustandekommen dieses Protokolls mitgewirkt hatte, war beauftragt worden, es unter dem Vorbehalte der Ratifikation zu unterzeichnen.

Nach der Unterzeichnung hat es der Bundesrat nicht für angezeigt erachtet, das Protokoll den eidgenössischen Bäten zur Genehmigung vorzulegen, bevor über dessen Schicksal Gewissheit herrschte. Aus Gründen, die wir hier nicht zu untersuchen haben und die uns übrigens nicht alle bekannt sind, zeigten sich die Staaten über die Haltung, die sie in dieser Angelegenheit einnehmen sollten, etwas unschlüssig. Ende 1927, also mehr als zweieinhalb Jahre nach der Unter') Für den Wortlaut dieses Protokolls wird auf die Beilage verwiesen.

Bundesblatt.

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Bd. II.

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Zeichnung des Protokolls, hatten erst zwei Staaten, Frankreich und Liberia, ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt.

Das änderte sich, als sich die Staaten, in dem Masse, als die Vorbereitungen für die Abrüstungskonferenz fortschritten, darüber Bechenschaft gaben, dass eine Beschränkung der Eüstungen nicht wohl zu erreichen wäre, wenn nicht gleichzeitig die Gefahr der Kriegsführung mit chemischen oder bakteriologischen Mitteln verringert würde. In der Tat wäre es ein Widerspruch, die Eüstung eines Landes auf ein bestimmtes Mass herabzusetzen, diesem Lande daneben aber die uneingeschränkte Verfügung über eine so mörderische Waffe wie die chemischen Kriegsmittel zu belassen. Diese Erwägung sowie andere Gründe juristischer und namentlich moralischer Natur veranlassten die Staaten nach und nach, das Protokoll vom 17. Juni 1925 zu ratifizieren. So folgte der Batifikation von Frankreich und Liberia diejenige von Venezuela (8. Februar 1928), an die sich bald die Eatifikationen Italiens (3. April 1928). der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (5. April 1928), Österreichs (9. Mai 1928), Belgiens (4. Dezember 1928) und Ägyptens (6. Dezember 1928) anschlössen.

Polen, Jugoslawien und Deutschland ratifizierten anfangs 1929. Diese elf Eatifikationen vermochten jedoch dem Protokoll noch nicht so universellen Charakter zu verleihen, dass man bei den Vorbereitungen auf eine allgemeine Abrüstungskonferenz darauf hätte abstellen können. Deshalb fasste der vorbereitende Abrüstungsausschuss in seiner Tagung vom April 1929 eine Eesolution, in der er den Staaten, die das Protokoll noch nicht ratifiziert hatten, nachdrücklich empfahl, die Eatifikation binnen möglichst kurzer Frist zu vollziehen.

Dieser Appell verfehlte seine Wirkung nicht. Seither haben noch zweiundzwanzig Länder (Finnland, Persien, China, Spanien, Eumänien, die Türkei, Schweden, Dänemark, Indien, Grossbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, die Südafrikanische Union, Portugal, Irland, die Niederlande, Lettland, Griechenland, Siam, Estland und Irak) dem Protokoll endgültig zugestimmt, wodurch die Zahl der Beteiligten auf dreiunddreissig angewachsen ist.

II.

Es ist nun auch für uns an der Zeit zu ratifizieren. Das Protokoll bedarf keiner langen Bechtfertigung. Es will das Verbot der Verwendung besonders barbarischer Waffen, unserer Zivilisation unwürdiger Kriegsmittel verschärfen.

Ohne Mängel ist es allerdings nicht; es gibt, im Gegenteil, wie wir noch sehen werden, zu Aussetzungen Anlass über die Art und Weise, wie es das Verbot, das sein Wesen ausmacht, formuliert hat. Aber was den Inhalt anbetrifft, wird es nirgends Gegnerschaft finden. Es bedeutet einen neuen Anlauf, um auf dem Wege des Bechts zu einer universellen Verurteilung dessen zu gelangen, was die ganze Welt moralisch schon gerichtet hat : den chemischen und bakteriologischen Krieg.

___' Gleich wie den andern Staaten steht es auch der Schweiz frei, an ihre Eatifikation Vorbehalte zu knüpfen oder nicht. Von den dreiunddreissig heute

779 an das Protokoll von 1925 gebundenen Staaten glaubten fünfzehn nur unter gewissen Vorbehalten ratifizieren zu sollen (Frankreich, USSR, Belgien, Spanien, Eumänien, Grossbritannien, Indien, Kanada, Australien, Neuseeland, Portugal, Irland, die Niederlande, Estland und Irak). Die Vorbehalte Belgiens, Prankreichs, Rumäniens, der USSR, Estlands, Iraks, Grossbritanniens und der britischen Dominien haben alle den gleichen Wortlaut; eine Klausel des Protokolls ergänzend («.... kommen überein, sieh u n t e r e i n a n d e r . . , als gebunden zu erachten»), bestimmen sie, dass jedes der genannten Länder «an das Protokoll nur gegenüber denjenigen Staaten gebunden ist, die es unterzeichnet und ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind, und dass anderseits für diese Länder das Protokoll von Eechts wegen seine Geltung verliert im Verhältnisse zu jedem feindlichen Staate, dessen Streitkräfte oder Verbündeten die im Protokoll enthaltenen Verbote missachten». Der Vorbehalt Spaniens geht insofern weniger weit, als er den Fall der den Grundsätzen des Protokolls zuwiderhandelnden Verbündeten nicht ausdrücklich erwähnt. Da sich aber die spanische Regierung nur «gegenüber Völkerbundsmitgliedern oder Staaten, welche dieselbe Verpflichtung übernehmen und einhalten, d. h. unter der Bedingung der Gegenseitigkeit», an das Protokoll gebunden betrachtet, liegt es auf der Hand, dass sie die sogenannte « Verbündetenklausel» zu ihren Gunsten anrufen könnte in ihren Beziehungen zu jedem Staate, der die Klausel in seinen Vorbehalt aufgenommen hat. Diese Möglichkeit hätte sie nicht gegenüber einem Lande, das ohne Vorbehalt ratifiziert hat oder beigetreten ist. Noch weniger einschränkend ist der Vorbehalt der Niederlande, der die im Protokoll niedergelegten Grundsätze nur preisgeben will, wenn ein Staat tatsächlich zur chemischen Waffe Zuflucht nehmen sollte. Er enthält also keine Drohung an die Bestimmung der am Protokoll nicht beteiligten Staaten.

Der Vorbehalt der Gegenseitigkeit schemi uns überflüssig, denn das Protokoll untersagt keinem Staate, als Repressalie von der chemischen oder bakteriologischen Waffe Gebrauch zu machen angesichts eines Gegners, der sich als erster ihrer bedienen würde. Das lag auch nicht in der Absicht der Urheber des Protokolls. Das Recht, eine internationale Verpflichtung nicht zu erfüllen
gegenüber einem Staate, der sie selbst verletzt oder sie nicht übernommen hat und auch nicht einhält, ist nach allgemein anerkanntem Völkerrecht unbestritten. Die Frage hatte sich ähnlich schon gestellt, als über den Vertrag zum Verzicht auf den Krieg vom 27. August 1928 verhandelt wurde, und die richtige Antwort schien sich so sehr von selbst zu verstehen, dass man sich darauf beschränkte, in die Präambel des Vertrages eine Bestimmung aufzunehmen, wonach «jede Signatarmacht, die künftighin den Versuch machen sollte, ihre nationalen Interessen dadurch zu fördern, dasa sie zum Kriege schreitet, ausgeschlossen werden soll von den Vorteilen des vorliegenden Vertrages.» Der Vorbehalt der Gegenseitigkeit ist also im Protokoll über den chemischen Krieg bereits inbegriffen.

Ganz anderer Art ist der Vorbehalt, der die Vertragsparteien von ihren Verpflichtungen gegenüber denjenigen Staaten entbindet, die das Protokoll

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nicht ratifiziert haben oder ihm nicht beigetreten sind. Er fügt dem Protokoll etwas Neues hinzu oder scheint es wenigstens tun zu wollen, da ohne ihn ein an das Protokoll gebundener Staat nicht mit voller Sicherheit berechtigt erschiene, im Verlaufe der Feindseligkeiten zu erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen zu greifen, einzig weil der Feind nicht am Protokoll beteiligt ist. Ist aber diese Freiheit, die man sich gegenüber den dem Protokoll ferngebliebenen Staaten wahren will, ganz vereinbar mit dem bestehenden Völkerrecht? Das muss noch untersucht werden.

III.

Wenn das Protokoll ein blosser Vertrag ist, so kann man den Vorbehalt als völlig zu Eecht bestehend gelten lassen. Aber es fragt sich eben gerade, ob es wirklich nur die Eigenschaft eines Vertrages hat, die ihm gewisse Länder beizulegen scheinen.

Man hat sich darauf berufen, dass die Verwendung von erstickenden und giftigen Stoffen im Kriege bereits vor der Unterzeichnung des Protokolls vom 17. Juni 1925 als völkerrechtswidrig gegolten habe. Gewisse Autoren haben sogar behauptet, dass sie schon vor dem Haager Abkommen von 1899, von dem bald die Eede sein soll, nach positivem Eechte verboten gewesen sei. So insbesondere Herr van Eysinga, der in seiner Studie über den chemischen Krieg schreibt1): «...Und dieses positive Eecht bestand 1899. Schon die Instruktionen von 1863 für das Feldheer der Vereinigten Staaten von Amerika, die berühmten ,,General Orders Nr. 100", die in der Fjntwicklung des Kriegsrechts eine so bedeutende Eolle gespielt haben, schreiben in ihrem Artikel 16 vor, dass ,,die Kriegsnotwendigkeiten unter keinen Umständen die Anwendung von Gift r e c h t f e r t i g e n " . . . Und der Brüsseler Entwurf von 1874, dem so bald die von der ersten Friedenskonferenz selber ausgearbeitete Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges gefolgt ist, enthält bereits, abgesehen von einigenkleinen Änderungen, die für unsern Gegenstand bedeutungslos sind, die Artikel 22 und 23 a und o der Haager L a n d k r i e g s o r d n u n g . . . » Es ist daraus der Schluss gezogen worden, dass das Protokoll das Verbot der Verwendung chemischer Kampfmittel lediglich bestätigt habe; das Verbot als solches, so versichert man, habe schon als allgemeiner völkerrechtlicher Grundsatz bestanden, und das Protokoll -- wir lassen hier die zweite Haager Erklärung vom 29. Juli 1899, auf die wir zurückkommen werden, beiseite -- habe dieses Verbot in geschriebenes Eecht umwandeln sollen.

Diese selbe Meinung hat im Jahre 1925 auch die schweizerische Delegation in Genf vertreten. Am 5. Juni 1925 äusserte sich Herr Lohner in der Vollsitzung der Konferenz darüber wie folgt : K Während der Gesamtbericht eine Fassung vorschlägt, wonach die Signatare des Waffenhandelsabkommens nur ihre *) Académie de droit international. Recueil des cours, 1927, I, 346.

781 Absicht bekunden würden, in einem spätem Zeitpunkte den Grundsatz des Verbotes des chemischen und bakteriologischen Krieges dem universellen Völkerrecht einzuverleiben, könnte, wie uns scheinen will, die Konferenz einen Schritt weitergehen und anerkennen, dass dieses Verbot (jedenfalls für die chemischen Kriegsmittel) schon verbindliches Völkerrecht ist. Es scheint sich im vorliegenden Falle nicht um eine neue internationale Verpflichtung zu handeln : die Delegationen der Länder, die Vereinbarungen unterzeichnet haben, welche sich ausdrücklich auf die erstickenden Gase beziehen, haben uns den festen Willen ihrer Begierungen bezeugt, den Verheerungen des chemischen Krieges Einhalt zu gebieten. Was die andern Staaten anbelangt, die nicht an das Haager Abkommen von 1907 gebunden sind (das die Verwendung von ,, Gift oder vergifteten Waffen" sowie den ,,Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötige Leiden zu verursachen", untersagt), so würden sie im Grunde genommen lediglich der Auslegung eines bestimmten Punktes einer Eegel zustimmen, die viele von ihnen schon als verbindlich betrachten. Da dieses Verbot, wie der Gesamtbericht zutreffend bemerkt, ,,sich dem Gewissen und dem Handeln der Nationen gleichermassen aufdrängt'', liegen anscheinend alle Voraussetzungen vor, die zur Existenz eines völkerrechtlichen Grundsatzes erforderlich sind... Zu dieser aus dem Abkommen selbst hergeleiteten Erwägung kommt die allgemeine Überlegung hinzu, dass die Konferenz, nachdem auf Antrag der Vereinigten Staaten von Amerika die Frage des chemischen Krieges aufgeworfen worden ist, nicht wohl auseinander gehen kann, ohne zum mindesten die auf diesem Gebiete bestehenden internationalen V e r p f l i c h t u n g e n neuerdings in Erinnerung ger u f e n und bestätigt zu h a b e n . . . » In der Tat könnte man die deklaratorische Tragweite des Protokolls unmittelbar aus dem Wortlaute seiner Präambel ableiten, wo davon die Eede ist, «dass der Gebrauch von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von allen derartigen Flüssigkeiten, Stoffen oder Verfahrensarten im Kriege mit Becht in der allgemeinen Meinung der zivilisierten Welt verurteilt worden ist» und dass die Absicht der Vertragsparteien dahingeht, «in der ganzen "Welt zur Anerkennung zu bringen, dass dieses Verbot, das sich dem
Gewissen und dem Handeln der Nationen gleichermassen aufdrängt, dem Völkerrecht einverleibt ist». Ist die Verwendung der giftigen Gase im Kriege «in der allgemeinen Meinung der zivilisierten Welt schon verurteilt worden», drängt sich dieses Verbot zudem «dem Gewissen und dem Handeln der Nationen» auf, so könnte nicht wohl nachträglich der Standpunkt vertreten werden, das Verbot sei bloss das Ergebnis einer vertraglichen Abmachung, die nur die Parteien unter sich binde. Aber es muss zugestanden werden, dass diese Auffassung durch andere Stellen desselben Protokolls widerlegt wird. Die «Erklärung», als Hauptbestandteil des Protokolls, ist so verfasst worden, dass ihr ebensogut der Charakter eines rechtsbegründenden Aktes zukommen kann.

Da «die Parteien übereinkommen, sich untereinander gemäss dem Wortlaute dieser Erklärung als gebunden zu erachten», hätte man anzunehmen, ihr Wille

782 sei tatsächlich darauf gerichtet gewesen, unter sich Vertragsrecht, d. h. neues Eeeht zu begründen. Dem werden allerdings die Gegner des Vertragsrechts entgegenhalten, dass die Präambel des Protokolls in diesem Falle einen Widersinn enthält und dass kaum noch erfindlich bleibt, inwiefern das Protokoll deklaratorischen Charakter haben könnte, was doch die Parteien mit dem Wort «erklären», das der Präambel unmittelbar folgt, anscheinend beabsichtigten; ein Widerspruch in einzelnen Ausdrücken einer Urkunde, deren Zweck und allgemeiner Sinn klar sind, vermöge das Wesen dieser Urkunde nicht von Grund aus zu verwandeln.

Wir verkennen den Wert dieser Einwendung nicht; sie scheint uns jedoch dem Umstände nicht genügend Eechrmng zu tragen, dass der Zweck der Vereinbarung in Wirklichkeit nicht der war, festzustellen, was Rechtens ist, sondern vielmehr unter den Vertragsstaaten eine Verpflichtung zu begründen. Wenn dem nicht so wäre, vermöchte man nicht einzusehen, warum man, jedenfalls für die Bestimmungen über das Inkrafttreten, die Form des Abkommens gewählt hat. Denn das Protokoll wird nur gegenüber den Staaten wirksam, die es ratifizieren oder ihm beitreten. In der Unterzeichnung allein liegt noch keine rechtsverbindliche Anerkennung des Grundsatzes, der das Wesen des Protokolls ausmacht. Dieser Grundsatz bliebe nach der ganzen Anläge des Protokolls toter Buchstabe für einen Staat, der ihn nicht auf Grund des Ratifikationsoder Beitrittsverfahrens ausdrücklich anerkannt hat, immer vorausgesetzt, wie das Protokoll bemerkt, dass dieser Staat nicht etwa sonst schön Verträge geschlossen hat, die ihm die Verwendung von Giftgasen im Kriege untersagen.

Die vertragliche Natur des Protokolls lässt sich auch daraus ableiten, dass den Staaten die Befugnis bleibt, durch Vorbehalte ihre Bindung ausschliesslich auf Staaten zu beschränken, welche die nämliche Verpflichtung übernehmen. Das Verbot der Verwendung von Giftgasen im Kriege hätte somit nicht absolute Geltung, da jeder Staat berechtigt wäre, gegen ein Land, das durch das Protokoll nicht endgültig gebunden ist, Gift zu gebrauchen. Dieses Verbot kann zwar schon Bestandteil des Völkerrechts sein und sich infolgedessen unabhängig von jeder Beteiligung an internationalen Vereinbarungen allen Staaten zur Nachachtung aufdrängen; Tatsache bleibt aber, dass die
am Protokoll beteiligten Staaten es mindestens in ihrer Mehrheit als rechtsbegründenden Akt betrachten.

Es schien uns angezeigt, ein gleiches zu tun und es erst nach Einholung Ihrer Zustimmung zu ratifizieren.

Damit bleibt allerdings nach unserer Meinung die Frage offen, ob man beim Abschlüsse des Protokolls richtig vorgegangen ist, ob das Protokoll nicht ein Verbot, das bereits als allgemein anerkannter Völkerrechtssatz gelten konnte, in blosse Vertragspflicht umzuwandeln droht und ob es nicht infolgedessen dem Vorwurf ausgesetzt ist, im Vergleiche zum bisherigen Stande des Völkerrechts einen Rückschlag und nicht einen Fortschritt zu bedeuten. Man wäre unserer Ansicht nach besser anders vorgegangen und hätte einen Grundsatz, an dessen Befolgung durch alle Staaten unsere Zivilisation das grösste Interesse hat, nicht dadurch abschwächen sollen, dass man seine Geltung von

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der Ratifikation oder dem Beitritt abhängig machte. Zweck des Protokolls hätte sein sollen, einer allgemein anerkannten Norm, die man nach dem eigenen Wortlaut des Protokolls schon als «dem Völkerrecht einverleibt» betrachtete, durch die Umwandlung in geschriebenes Eecht grössere Bestimmtheit zu verleihen.

Wir haben weiter oben die Erklärung des ersten schweizerischen Delegierten in Genf über die gewohnheitsrechtliche Natur, die er dem Verbote der chemischen Waffe im Kriege beimass, erwähnt. Diese Erklärung lässt sich noch mit andern Gründen stützen.

Der Art. 28 der Haager Landkriegsordnung (Beilage zum Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges vom 29. Juli 1899) bestimmt u. a., dass «abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten namentlich untersagt sind, ...die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen» und sogar «der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötige Leiden zu verursachen». Damit ist zum erstenmal in einem allgemeinen Abkommen das Verbot der Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen als Kriegsmittel ausgesprochen worden. Man könnte endlos darüber streiten, wie diese Bestimmung auszulegen sei. Man wird insbesondere versucht sein, in Abrede zu stellen, dass die Parteien schon damals die Verwendung von erstickenden oder giftigen Gasen verbieten wollten, da ja die Gase im Haager Texte nicht einmal erwähnt werden. Man könnte dem Art. 23 der Landkriegsordnung auch die II. Haager Erklärung entgegenhalten, wonach «die vertragschliessenden Mächte sich gegenseitig die Verwendung solcher Geschosse» untersagen, «deren einziger Zweck ist, erstickende oder giftige Gase zu verbreiten». Wenn der Art. 23 wirklich die Giftgase hätte treffen wollen, so wäre es überflüssig gewesen, auch noch die genannte Erklärung zu erlassen. Hierauf könnte man mit Herrn van Eysinga l) entgegnen, dass zur Zeit der ersten Friedenskonferenz die ehemische Waffe noch nicht bestand und dass es infolgedessen unangebracht gewesen wäre, sie in einer ganz allgemein lautenden Bestimmung wie Art. 23 zu erwähnen. Dass die Erfindung von« Geschossen mit Sprengstoffen, die erstickende und giftige Gase verbreiten,» möglich scheine, war alles, was man damals wusste. Auf Antrag Eusslands, das in Betracht ziehen zu sollen glaubte, was damals noch bloss eine entfernte
Möglichkeit war, hatte sich die Konferenz entschlossen, über diesen Gegenstand eine bestimmte Erklärung anzunehmen. Aber zwischen dieser Erklärung, die sich auf einen besondern Fall bezieht, und der allgemeinen Norm des Art. 28 besteht nicht notwendig ein Gegensatz. Man könnte auch annehmen, sie stünden zueinander im Verhältnisse des Beispiels zur Eegel. Das eine wäre im andern enthalten. Diese Ansicht hat Herr de Lapradelle im Jahre 1899 vertreten, als er schrieb, dass man dem russischen Antrag über das fragliche Verbot entgegen-.

halten müsse, er bedürfe der schriftlichen Festlegung nicht, sondern ergebe eich aus dem allgemeinen Eecht. Durften aber J

) a. a, 0., S. 346.

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Geschosse mit dem Zwecke, den Feind mit Kampfgas zu überschütten, schon nach allgemeinem Rechte nicht verwendet werden, dann dürfen sie es auch auf Grand des Art. 23 der Haager Landkriegsordnung nicht, mit der man, wie Herr van Eysinga bemerkt, bereits bestehendes Eecht kodifizieren, nicht aber «es erstmals zum Ausdruck bringen» wollte. Es wäre übrigens, auch abgesehen von der Frage, ob das Verbot schon vorher zu Eecht bestand, nicht unmöglich, schon allein auf Grund des Art. 23 zum gleichen Ergebnisse zu gelangen wie die beiden eben zitierten Rechtsgelehrten. Gestützt auf die logische Auslegung des Artikels wird man nämlich mit einigem Rechte vertreten können, dass die Parteien, als sie namentlich den Gebrauch von «Gift oder vergifteten Waffen», d. h. die Verwendung besonders grausamer und verabscheuungswürdiger Kriegsmittel zu verbieten gedachten, kaum beabsichtigt haben können, die später erfundenen Kriegsmittel auszuschliessen, insofern sie alle Eigenschaften der Stoffe aufweisen, die man 1899, nach dem damaligen Stande der Chemie, allgemein als « Gifte» betrachtete. Man darf annehmen, das& ein internationaler Gerichtshof, der den Art. 23 der Haager Landkriegsordnung anzuwenden gehabt hätte, kaum gezögert haben würde, ihn unter Berücksichtigung der Fortschritte der «Gifttechnik» auszulegen, um in den allgemeinen Begriff der «Gifte» auch die heutzutage in den Laboratorien hergestellten Gas& oder doch wenigstens einzelne Gase mit erstickender oder giftiger Wirkung einzubeziehen.

Handelt es sich im Vorstehenden immerhin um eine blosse Annahme, so erseheint dagegen eines sicher, nämlich, dass in der Folge die öffentliche Meinung der zivilisierten Völker die später entdeckten Gifte den 1899 bekannten gleichgestellt und die Verwendung der einen wie der andern als unzulässige Kriegsverfahren verurteilt hat. Die im Art. 23 der Haager Landkriegsordnung: noch in eine zu enge Fassung gekleidete Vertragspflicht, die übrigens wörtlich in das entsprechende Reglement der zweiten Haager Friedenskonferenz übergegangen ist, hätte sich somit nach und nach zu einem allgemeinen Grundsatz, fortentwickelt, der sich der Aufmerksamkeit und dem Gewissen aller Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft aufdrängte. Demnach hätte ein Grundsatz des geschriebenen Rechts schliesslich einen Satz des Gewohnheitsrechts hervorgebracht. Es
folgt daraus, dass das in den Haager Landkriegsordnungen von 1899 und 1907 aufgestellte Verbot als Gewohnheitsrecht fortbestanden hätte und sogar verstärkt worden wäre, unabhängig von der Vertragspflicht, aus .der es sich herleitete. So erklärt der Versailler Vertrag, dass die Verwendung von erstickenden oder giftigen Stoffen schon während des letzten Krieges verboten gewesen sei. Art. 171 des Vertrages lautet: «Mit Rücksicht darauf, dass der Gebrauch von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von allen derartigen Flüssigkeiten, Stoffen oder Verfahrensarten v e r b o t e n ist, wird ihre Herstellung in Deutschland und ihre Einfuhr streng untersagt.» Für di& sechsundzwanzig Staaten, die den Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet und ratifiziert haben, ist also das allgemeine Verbot ein bereits anerkannter Grundsatz. Wäre der Art. 23 der Haager Landkriegsordnungen von 1899 und

7851907 nicht in dem von una angegebenen Sinne ausgelegt worden oder hätte sieh nicht gewohnheitsrechtlich ein allgemeines Verbot der chemischen Waffe im Kriege herausgebildet, so könnte man sich den Ursprung des Art. 171 de& Friedensvertrages von Versailles nicht wohl erklären.

Man würde auch keine Erklärung dafür finden, dass drei Jahre später in Washington die an der Konferenz zur Beschränkung der Seerüstungen versammelten Mächte in einem Abkommen über die Verwendung von Unterseeboten und Giftgasen im Kriege in Erweiterung des Art. 171 des Versailler Friedensvertrages von neuem erklären: «Mit Eücksicht darauf, dass der Gebrauch von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von allen derartigen Flüssigkeiten, Stoffen oder Veri'ahrensarten im Kriege von der allgemeinen Meinung der zivilisierten Welt mit Eecht verurteilt 1 ) und das Verbot eines solchen Gebrauchs in Verträgen ausgesprochen worden ist 1 ), an denen die meisten zivilisierten Länder beteiligt sind, in der Absicht, in der ganzen Welt zur Anerkennung zu bringen, dass dieses Verbot, das sich dem Gewissen und dem Handeln der Nationen gleichermassen aufdrängt, dem V ö l k e r r e c h t einverleibt 1 ) ist, erklären die Signatarmächte, das Verbot anzuerkennen, und sie kommen überein, sich untereinander als gebunden zu erachten ; sie fordern die übrigen zivilisierten Nationen auf, der gegenwärtigen Vereinbarung beizutreten.» Dieses Abkommen, das.

von den Vereinigten Staaten von Amerika, Grossbritannien, Italien und Japan ratifiziert worden war, ist infolge des Ausbleibens der französischen Ratifikation nicht in Kraft getreten. Die fünf beteiligten Grossmächte haben jedoch einmütig festgestellt, dass das Völkerrecht den Staaten bereite verbiete, chemische Kriegsmittel zu verwenden. Frankreich, Grossbritannien, Italien und Japan hatten diese Feststellung schon im Friedensvertrage von Versailles gemacht; es war nicht überflüssig, sie in einem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu. wiederholen, da diese dem Friedensvertrage mit Deutschland ferngeblieben waren.

Als es sich darum handelte, über ein Abkommen zur Kontrolle des internationalen Handels mit Waffen und Munition zu beraten, sah man sich ganz natürlich veranlagst, die völkerrechtlich unzulässigen Kriegswaffen mit einem Ein- und Ausfuhrverbote zu belegen. Nachdem
das Washingtoner Abkommen vom 6. Februar 1922 aus dem obenerwähnten Grunde nicht in Kraft getreten war, lag es nahe, das im Art. 5 dieses Abkommens enthaltene Verbot durch eine andere Abmachung zu ersetzen, der alle Grossmächte ohne Schwierigkeit zustimmen konnten. Das ist denn auch geschehen.

Obwohl abweichend in der Form, hält sich das Genfer Protokoll doch an das im Art. 5 des Washingtoner Abkommens gegebene Muster; es entnimmt ihm alle wesentlichen Ausdrücke, mit dem Unterschiede, dass es das Verbot «auf die bakteriologischen Kriegsmittel» ausdehnt. Diese Erweiterung wäre demnach die einzige Eigentümlichkeit des Protokolls; bisher war immer nur ') Wir unterstreichen.

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von erstickenden oder giftigen Gasen und Stoffen die Kede gewesen, nicht aber von bakteriologischen Mitteln. Ein neues Element wäre also vorhanden.

Aber so ganz sicher ist auch das nicht einmal, denn es liesse sich vorbringen, dass das Verbot, im Kriege die von den Haager Landkriegsordnungen untersagten Kriegsmittel zu verwenden, bereits jenes andere, die Kriegswaffen bei der Bakteriologie zu entlehnen, mitenthalte. Diese Auffassung haben die Bundesbehörden in der Tat auch vertreten. In der gemäss dem Bundesratsbeschlusse vom 31. Oktober 1910 für die Armee veranstalteten Ausgabe der «Staatsverträge betreffend Landkrieg» (Nr. 1471) ist bemerkt worden, dass zu dem im Art. 28 der beiden Haager Landkriegsordnungen aufgestellten Verbote der Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen auch die Verbreitung von Infektionskrankheiten gehört1).

Wie dem auch sei, und sogar wenn man das Verbot der bakteriologischen Kriegsmittel noch als blosses Vertragsrecht ansieht, so hätte doch, wie uns Schemen will, das G-enfer Protokoll, das sich den Art. 5 des Washingtoner Abkommens zum Vorbilde genommen hat, welcher seinerseits auf Art. 171 des Versailler Vertrages fusst, von der Voraussetzung ausgehen können, dass mit dem Verbote des Gebrauchs erstickender oder giftiger Gase und Stoffe blöss festgestellt werde, was bereits bestehendes Völkerrecht sei. Es wäre deshalb zu wünschen gewesen, dass dem Protokoll deklaratorische Bedeutung verliehen worden wäre, um zum Ausdrucke zu bringen, dass jeder Staat kraft Völkerrechts verpflichtet ist, von der Verwendung erstickender, giftiger oder ähnlicher Stoffe sowie bakteriologischer Mittel im Kriege abzusehen, unabhängig davon, ob er dem Protokoll endgültig beipflichte oder nicht.

IV.

Nach diesen Bemerkungen möge man es uns zugute halten, wenn wir dem Bedauern darüber Ausdruck geben, dass man sich in Genf nicht auf ein Protokoll beschränkt hat, welches das bestehende Hecht bestätigt hätte, und dass man dazu gekommen ist, Vorbehalte zuzulassen wie diejenigen, wonach die am Protokoll beteiligten Parteien an das Verbot nur gebunden sind gegenüber den Ländern, die das Protokoll ebenfalls angenommen haben. Diesen Vorbehalten kommt allerdings, wie uns scheint, nicht die Bedeutung zu, die man auf den ersten Blick versucht wäre, ihnen beizumessen; denn es dürfte doch fraglich sein,
ob je eines der Länder, die sie sich zu eigen gemacht haben, die Entfesselung des chemischen Krieges damit zu rechtfertigen vermöchte, dass sein Opfer am Protokoll von 1925 nicht beteiligt sei. Die Signatare des Versailler Vertrages könnten angesichts des Art, 171 dieses Vertrages wohl schwerlich in Zweifel ziehen, dass es, auch abgesehen vom Genfer Protokoll und sogar ohne die Haager Abkommen von 1899 und 1907, einen allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz gibt, der den chemischen Krieg verbietet.

») Seite 24, Anmerkung 38.

787 Tatsache bleibt allerdings, dass fünfzehn Staaten der Meinung zu sein scheinen, das Verbot sei bloss vertraglicher Natur und kein Staat sei daran gebunden, wenn er nicht am Protokoll von 1925 beteiligt ist oder wenn er es, nachdem er Vertragspartei war, gekündigt hat1). Aus der Eigenschaft eines Vertrages, die sie dem Protokoll beilegen, ziehen sie den weitern Schiusa, dass ein am Protokoll beteiligter Staat berechtigt wäre, die chemischen und bakteriologischen Kriegsmittel gegen irgendein anderes Land anzuwenden, welches das Protokoll nicht ratifiziert hat oder ihm nicht beigetreten ist. Diese Auffassung teilen wir nicht, aber sie besteht, und die Tatsache, dass sie besteht -- teils infolge der Vieldeutigkeit des Protokolls, teils auch infolge der Zulassung der Vorbehalte, von denen die Bede war --, veranlasst uns zur Feststellung, dass derzeit keine unbedingte rechtliche Gewähr vorhanden ist, dass in einem künftigen Kriege nicht von Giftgas Gebrauch gemacht würde. Das wäre aber kein Grund, um abseits vom Protokoll zu bleiben. Dieses ist als ein Versuch zu bewerten, zum absoluten Verbot einer Waffe zu gelangen, gegen deren Greuel sich das menschliche Gewissen auflehnt. Der Versuch ist ungenügend, aber er bedeutet einen Schritt auf das Ziel zu, und statt auf dem gleichen Fleck zu bleiben, unter dem Vorwande, der Zweck sei nicht voll erreicht, wird man besser tun, sich durch die ^Ratifikation des Protokolls von 1925 die Vorteile der erreichten Entwicklungsstufe zu sichern, auch wenn der Weg zum endlichen Erfolge noch weit sein sollte.

Obwohl das Protokoll zu Aussetzungen Anlass gibt, ist es nichtsdestoweniger von wirklichem Nutzen. Die Bestätigung einer gewohnheitsrechtlichen Norm in der Form geschriebenen Rechts bietet eine Gewähr mehr dafür, dass die Signatarstaaten ihre Verpflichtungen einhalten werden. Ist vielleicht auch rechtlich diese zusätzliche Sicherheit nicht von grossem Gewicht, so hat sie doch vom politischen Gesichtspunkt aus eine ziemlich bedeutende Tragweite.

Eine Unterschrift bindet stärker als eine ganz allgemeine Pflicht zur Beobachtung der Normen und Grundsätze, die für die internationalen Beziehungen massgebend sind. Das Protokoll gibt ferner ziemlich genau Aufschluss über den Inhalt der Bechtspflicht, während der allgemeine Völkerrechtssatz, auf den es zurückgeht, vielleicht zu Meinungsverschiedenheiten über das Mass des Verbotenen Anlass gegeben hätte.

Das im Protokoll enthaltene Verbot besteht, wie wir sahen, bereits als allgemeiner, für alle Mitglieder der Staatengemeinschaft verbindlicher Völker') Allerdings enthält das Protokoll, worauf wir noch zurückkommen werden, keine Kündigungsklausel ; das könnte zugunsten der Meinung angerufen werden, dass das Protokoll mehr als bloss die Bedeutung eines Vertrages habe. Aber andere werden erwidern, dass mangels einer entgegenstehenden Bestimmung nichts eineo Staat hindere, sich vom Protokoll nach seinem Gutfinden wieder loszusagen, in Anbetracht dessen, dass es sich um einen Vertrag handelt.

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rechtssatz. Unsere ^Ratifikation wäre demnach eher eine Bezeugung ehrlicher politischer Gesinnung, als dass sie für uns neue Bechtspflichten begründen würde. Es besteht daher auch kein Anlass, irgendwelchen Vorbehalt an unsere Eatifikation zu knüpfen. Der Vorbehalt, der noch am ehesten angezeigt wäre, ist der der Gegenseitigkeit; wie wir weiter oben bemerkt haben, erscheint es aber überflüssig, ihn ausdrücklich zu formulieren1).

Verfassungsrechtlich ist das Protokoll als Staatsvertrag zu behandeln und unterliegt daher gemäss Art. 89 der Bundesverfassung der Genehmigung durch die eidgenössischen Eäte. Nach der Zustimmung beider Eäte wird das Protokoll dem fakultativen Beferendum zu unterstellen sein, weil eine Vereinbarung dieser Art nicht wohl kündbar wäre. Es ist auch kein Zufall, dass im Protokoll jede Kündigungsklausel fehlt. Nicht nur würde sie keinen Staat von seiner Pflicht entbinden, nicht /um chemischen Kriege zu schreiten, sie wäre auch geradezu unmoralisch.

Wir zweifeln nicht daran, dass Sie, nachdem Sie von Vorstehendem Kenntnis genommen haben, das Protokoll vom 17. Juni 1925 genehmigen werden, indem Sie den beiliegenden Entwurf zu einem Bundesbcsehlusse gutheissen.

In dieser Erwartung versichern wir Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. Dezember 1981.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Häberlin.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

*) Die Deutsche Regierung ist in der übrigens sehr kurzen Denkschrift an den Reichstag über dienen Gegenstand ebenfalls der Meinung, dass es nicht erforderlich erscheine, diesen Vorbehalt beizufügen, da er ,,im wesentlichen durch völkerrechtliche Anschauungen gedeckt wird".

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Genehmigung des Genfer Protokolls vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege.

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrates vom 4. Dezember 1981, beschliesst :

Art. 1.

Das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege wird genehmigt.

Art. 2.

Dieser Beschluss unterliegt den Bestimmungen des Art. 89, Abs. 3, der Bundesverfassung betreffend die Unterstellung der Staatsverträge unter das Referendum.

Art. 3.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

790 Übersetzung.

Protokoll . über

das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege.

In der Erwägung, dass der Gebrauch von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von allen derartigen Flüssigkeiten, Stoffen oder Verfahrensarten im Kriege mit Eecht in der allgemeinen Meinung der zivilisierten -Welt verurteilt worden ist, in der Erwägung, dass das Verbot eines solchen Gebrauches in den Verträgen ausgesprochen worden ist, an denen die meisten Mächte der Welt beteiligt sind, in der Absicht, in der ganzen Welt zur Anerkennung zu bringen, dass dieses Verbot, das sich dem Gewissen und dem Handeln der Nationen gleichermassen aufdrängt, dem Völkerrecht einverleibt ist, erklären die unterzeichneten Bevollmächtigten im Namen ihrer Begierungen : Die hohen vertragschliessenden Teile anerkennen dieses Verbot, soweit sie nicht schon Verträge geschlossen haben, die diesen Gebrauch untersagen. Sie sind damit einverstanden, dass dieses Verbot auch auf die bakteriologischen Kriegsmittel ausgedehnt werde, und kommen überein, sich untereinander gemäss dem Wortlaute dieser Erklärung als gebunden zu erachten.

Die hohen vertragschliessenden Teile werden sich nach besten Kräften bemühen, die andern Staaten zum Beitritte zu dem vorliegenden Protokolle zu veranlassen. Dieser Beitritt wird der Begierung der Französischen Eepublik und sodann durch diese allen Signatar- und beitretenden Mächten angezeigt werden. Er erlangt mit dem Tage Wirksamkeit, an dem er durch die Begierung der Französischen Bepublik angezeigt wird.

Das vorliegende Protokoll, dessen französischer und englischer Text massgebend sind, soll sobald wie möglich ratifiziert werden. Es trägt das Datum des heutigen Tages.

791 Die Ratifikationsurkunden des vorliegenden Protokolls werden der Regierung der Französischen Republik übermittelt; diese teilt die Hinterlegung jeder der Signatar- oder beitretenden Mächte mit.

Die Ratifikations- oder Beitrittsurkunden bleiben in den Archiven der Regierung der Französischen Republik hinterlegt, Das vorliegende Protokoll tritt für jede Signatarmacht mit dem Tage der Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunde in Kraft; von diesem Zeitpunkt an ist diese Macht gegenüber den andern Mächten, die ihre Ratifikationsurkunden bereits hinterlegt haben, gebunden.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten das vorliegende Protokoll unterzeichnet.

Geschehen zu Genf, in einer einzigen Ausfertigung, am siebzehnten Juni eintauseindneunhundertfünfundzwanzig.

(Es folgen die Unterschriften der Bevollmächtigten.)

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege. (Vom 4 Dezember 1931)

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1931

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09.12.1931

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