1535

# S T #

3622

Botschaft des

Schweizerischen Bundesrates an die Bundesversammlung über den Erwerb der Liegenschaft Teufenerstrasse 26 in St. Gallen (Vom 3.Dezember 1962)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen über den Erwerb der Liegenschaft Teufenerstrasse 26 in St. Gallen wie folgt zu berichten und Antrag zu stellen:

Der Bund übernahm durch den von der Bundesversammlung am 19. Juni 1936 genehmigten Vertrag vom 3./12. September 1935 mit dem Kanton und der Stadt St. Gallen die bisherige «Schweizerische Versuchsanstalt». Vorher war sie der Physikalisch-chemischen Abteilung der Handels-Hochschule St. Gallen (heute: Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) angegliedert gewesen.

Der vom Kanton und der Gemeinde St. Gallen gewünschten Übernahme stimmte der Bund nur unter der Bedingung zu, dass sich seine finanzielle Belastung in übersehbaren Grenzen halte und dass Kanton und Stadt ihrerseits angemessene Leistungen erbringen. So hatten sie sich u.a. zu verpflichten, dem Bunde für den Betrieb der Anstalt, die am 1. Januar 1937 zur Hauptabteilung C der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Versuchsanstalt (EMPA) wurde, unentgeltlich die Liegenschaft Unterstrasse 11 (Nordtrakt des Geschäftshauses Eeichenbach), zu Eigentum zur Verfügung zu stellen (Art. l des Vertrages); ferner übernahm die Stadt St. Gallen in Artikel 5 des Vertrages folgende Verpflichtung : «Im Verlaufe der nächsten 25 Jahre von der Hauptabteilung St. Gallen benötigte weitere Räumlichkeiten, für die in dem ihr gemäss Artikel l überlassenen Gebäudeteil kein Platz vorhanden ist, sind von der Stadt St. Gallen auf

1536 deren eigene Kosten dem Bund, zu dessen Lasten die Einrichtungskosten fallen, zur Verfügung zu stellen. Vom I.Januar 1961 an ist die Beschaffung weiterer Eäumlichkeiten ausschliesslich Sache des Bundes.» In Erfüllung dieser Verpflichtung erwarb die Stadt St. Gallen im-Jahre 1941 den Südtrakt des Geschäftshauses Eeichenbach'(die heute vom Bund zu kaufende Liegenschaft Teufenerstrasse 26) für 450 000 Franken. Zuerst wurden der EMPA das erste Untergeschoss und später das Erdgeschoss zum Gebrauch überlassen.

II

Wie die in Zürich, neuerdings in Dübendorf domizilierten Hauptabteilungen A und B der EMPA hat sich auch die Hauptabteilung C in St. Gallen in den letzten Jahren stark entwickelt, so dass sich weitere Eaurnbedürfnisse geltend machen. Anfänglich gehörten zur Hauptabteilung C nur die Anstalten für die Textil- und die Lederindustrie sowie diejenigen für technische Fette, öle und die Seifenindustrie. Bald kamen die Papierindustrie dazu und während des Krieges die Ersatzstoffe. Die Laboratorien mussten stark ausgebaut und besser ausgestattet werden. Während 1937 erst 28 Personen auf der Hauptabteilung C arbeiteten, waren es 1961 deren 87. Da nach dem Vertrag die Stadt St. Gallen vom I.Januar 1961 an nicht mehr verpflichtet ist, neue Baumbedürfnisse unentgeltlich zu befriedigen, wurden mit ihr Verhandlungen aufgenommen im Hinblick auf eine käufliche Übernahme der Liegenschaft Teufenerstrasse 26 durch die Eidgenossenschaft.

Während sich die städtischen Behörden grundsätzlich sofort bereit erklärten, die Liegenschaft dem Bund zu verkaufen, erforderte die Festsetzung des Kaufpreises längere Verhandlungen. Nach Auffassung der städtischen Behörden waren mit dem 1. Januar 1961 alle ihre Verpflichtungen aus Artikel 5 des Vertrages vom 3./12. September 1935 erloschen, so dass sie für die der.EMPA im Hause Teufenerstrasse 26 bisher unentgeltlich zur Verfügung gestellten Eäume für die Zukunft Anspruch auf einen Mietzins erhoben. Nach Auffassung des Bundes indessen entbindet Artikel 5 des Vertrages die Stadt St. Gallen nur von der Pflicht, nach dem I.Januar 1961 neu entstandene Eaurnbedürfnisse auf eigene Kosten zu befriedigen. Demzufolge hätte der Bund für alle vor diesem Datum benützten Eäume auch in Zukunft keinen Mietzins zu zahlen.

Schliesslich kam zwischen den Parteien eine Einigung zustande, die wir wie folgt zusammenfassen möchten : 1. Der Kaufpreis beträgt 1,2 Millionen Franken und ist zahlbar nach der Bewilligung des Kredites durch die eidgenössischen Eäte.

2. Die im Zusammenhang mit der Handänderung entstehenden Kosten bezahlt die Käuferin Eidgenossenschaft.

3. Die Käuferin räumt der Politischen Gemeinde St. Gallen am Kaufsobjekt das Vorkaufsrecht bis zum 30. Juni 2023 ein, zum Preis, der den vom Bund effektiv bestrittenen Anlagekosten entspricht.

1537 4. Die Schweizerische Eidgenossenschaft verpflichtet sich, der Politischen Gemeinde St. Gallen unentgeltlich das dienstbarkeitliche Recht einzuräumen, auf dem zur Zeit noch unÜberbauten Teil von Parzelle Nr. 3117 eine unterirdische Baute für Zwecke des Zivilschutzes der Stadt St. Gallen auf eigene Kosten zu erstellen. Diese Zivilschutzbaute ist in zweckmässiger Weise mit allfälligen Bauvorhaben der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu verbinden.

Falls die Schweizerische Eidgenossenschaft auf dem unÜberbauten Teil von Parzelle Nr. 3117 eine eigene ober- oder unterirdische Baute erstellen will, nach deren Verwirklichung die Erstellung der städtischen Zivilschutzbaute nicht mehr oder nur mehr unter erschwerten Bedingungen möglich wäre, hat die Schweizerische Eidgenossenschaft das Eecht, der Politischen Gemeinde St. Gallen eine Frist von einem Jahr zu setzen, innert welcher sie über die Ausführung der städtischen Zivilschutzbaute Beschluss fassen muss, ansonst die Verpflichtung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, das dienstbarkeitliche Eecht für die Erstellung einer städtischen Zivilschutzbaute unentgeltlich einzuräumen, dahinfällt.

5. Die Schweizerische Eidgenossenschaft verpflichtet sich, die zurzeit in St. Gallen befindlichen Zweige der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt in dieser Stadt zu belassen und allfällig notwendige Erweiterungen hier durchzuführen, sofern nicht zwingende ökonomische und betriebsorganisatorische Gründe dagegen sprechen; im letzteren Fall soll der Bund nach Möglichkeit einen Ersatz bieten durch Verlegung eines andern Zweiges der EMPA oder der eidgenössischen Verwaltung nach St. Gallen, bzw. durch entsprechende Erweiterung eines hier schon bestehenden eidgenössischen Verwaltungszweiges.

6. Die Schweizerische Eidgenossenschaft verpflichtet sich, mit der Stiftung zur Förderung der Schweizerischen Schulen für Textilfachausbildung bzw. mit einem Kechtsnachfolger dieser Stiftung, welcher die gleichen Zwecke verfolgt, einen Mietvertrag abzuschliessen, gemäss welchem die der Stiftung heute vermieteten Bäume dieser bis mindestens 1. Januar 1978 unkündbar, zu den gleichen Bedingungen wie heute, zur Verfügung gestellt werden. Abweichende Vereinbarungen, insbesondere eine Erhöhung des Mietzinses über den am 1. Juli 1963 bestehenden Stand hinaus, sind nur mit Zustimmung
des Stadtrates St. Gallen zulässig.

7. Dieser Vertrag wird erst verbindlich: a. für die Schweizerische Eidgenossenschaft : mit der Zustimmung des Bundesrates und der Bundesversammlung; b. für die Politische Gemeinde St. Gallen mit der Zustimmung des Stadtrates, des Gemeinderates und allenfalls (fakultatives Eeferendum) der Bürgerschaft.

III Die abgemachten Bedingungen stellen einen tragbaren Kompromiss dar.

Dem Interesse der Stadt St. Gallen an der Erhaltung und am Aufbau der Haupt-

1538 abteilung G der EMPA, wie auch dem Umstände, dass nach Auffassung des Bundes die Stadt auch nach dem I.Januar 1961 verpflichtet blieb, dem Bund die bis zu diesem Zeitpunkt benötigten Eäumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, ist bei der Festsetzung des Preises Eechnung getragen worden.

Andererseits ist nicht zu verkennen, dass der Bund sich per Saldo günstiger gestellt hätte, wenn er die von der Stadt St. Gallen heute geltend gemachte Auffassung schon früher gekannt und demzufolge die zusätzlichen Raumbedürfnisse von Anfang an selbst durch Zukauf einer Liegenschaft befriedigt hätte. Die zu erwerbende Liegenschaft umfasst 2180 m2 Gebäudegrundfläche und Hofraum, wovon eine unüberbaute Restparzelle von rund 700 m2. Das Haus - 1913/1914 erbaut - ist in gutem Zustand und verfügt über einen Personen- und Warenlift sowie auf der Hofseite über eine angebaute Garage. Es weist 10 Stockwerke auf, wovon 3 Untergeschosse, l Erdgeschoss und 2 Dachgeschosse, mit einer Gesamtfläche von 6800 m2. Das Gebäude kann mit der Unterstrasse 11 als Einheit bezeichnet werden, so dass es für die Erweiterung der Unterkünfte für die EMPA hervorragend geeignet ist. Mehrere Stockwerke können vorläufig noch vermietet werden, so dass für die EMPA Raumreserven vorhanden sind.

Wir sind, gestützt auf die gemachten Darlegungen, überzeugt, dass der Kauf als gute und rationelle Lösung für die Raumbedürfnisse verschiedener eidgenössischer Verwaltungen in St. Gallen angesprochen werden darf. Sie erlaubt es, der EMPA jene Räume zu sichern, derer sie auf absehbare Zeit hinaus bedarf, das eidgenössische Fabrikinspektorat St. Gallen, dessen Mieträume gekündigt wurden, unterzubringen und die Luftschutzräume für die aufgezählten Verwaltungen und die Filiale St. Gallen der Abteilung für Militärversicherung zu schaffen. Wir empfehlen Ihnen deshalb Annahme des beihegenden Entwurfes für einen Bundesbeschluss, wonach für den Kauf zum Preise von l 200 000 Franken und die damit verbundenen Kosten ein Objektkredit von l 220 000 Franken bewilligt würde.

Für die Kreditbewilligung ist nach Artikel 85, Ziffer l e, der Bundesverfassung die Bundesversammlung zuständig.

Wir versichern Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den S.Dezember 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: P. Chaudet Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1539

<320 EMPA C, 3655 SUVAL, BUNDESEBENE PARZELLEN AN DER UNTERSTRASSE

4320 EMPA C, 3855 SUVAL, PARCELLES PROPRIETE DE LA CONFEDERATION A LA UNTERSTRASSE

3117 ANKAUF PARZELLE TEUFENERSTRASSE 26

3117 ACHAT DE LA PARCELLE TEUFENERSTRASSE le

MASSTAB

ECHELLE

0

5

10

15

20M

O

6

10

15

20 M

1540 (Entwurf)

Bundesbeschluss über den Erwerb der Liegenschaft Teufenerstrasse 26 in St. Gallen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom S.Dezember 1962, beschliesst :

Art. l Für den Erwerb der Liegenschaft Teufenerstrasse 26 in St. Gallen wird ein Objektkredit von l 220 000 Pranken bewilligt.

Art. 2 Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt sofort in Kraft.

2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

1

7023

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Schweizerischen Bundesrates an die Bundesversammlung über den Erwerb der Liegenschaft Teufenerstrasse 26 in St. Gallen (Vom 3.Dezember 1962)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1962

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

8622

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

20.12.1962

Date Data Seite

1535-1540

Page Pagina Ref. No

10 041 936

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.