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Bundesblatt

83. Jahrgang.

Bern, den 30. September 1931.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli È de. in Bern.

Ablauf der Referendumsfrist : 29. Dezember 1931.

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Bundesgesetz über

die wöchentliche Ruhezeit.

(Vom 26. September 1931.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1980, beschliesst :

Erster Abschnitt.

Geltungsbereich.

Art. 1.

1

Dieses Gesetz gilt für die Öffentlichen und privaten Betriebe a. des Handels; b. des Handwerks und der Industrie, soweit nicht die bundesrechtlichen Torschriften über die Arbeit in den Fabriken anwendbar sind; c. des Verkehrs, soweit nicht die bundesrechtlichen Vorschriften über die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten und über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten anwendbar sind ; d. verwandter Wirtschaftszweige.

* Nicht unter das Gesetz fallen die Land- und Porstwirtschaft, die häuslichen Dienste, sowie die Anstalten öffentlichen oder gemeinnützigen Charakters, die der Kunst, der Wissenschaft, der Erziehung oder dem "Unterricht, der sozialen Fürsorge oder der Krankenpflege dienen.

Bundesblatt. 83. Jahrg. Bd. IL 23

262 Art. 2.

1

Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind alle Personen, die im Dienst eines dem Gesetz unterstellten Betriebes beschäftigt werden, sei es im Betriebe selbst, sei es bei Verrichtungen, die damit im Zusammenhang stehen, 2 Ausgenommen sind a. die Familienmitglieder der Betriebsinhaber ; fe. die Betriebsleiter und die Mitglieder ihrer Familien; c. Personen, denen eine höhere Vertrauensstellung im Betrieb oder eineauswärtige Vertretung des Betriebes übertragen ist; d. Personen, die landwirtschaftliche oder häusliche Dienste verrichten; e. Personen, die in ihrer eigenen Wohnung oder Werkstätte tätig sind (Heimarbeiter) ; /. Personen, die im gleichen Betriebe nicht während der ganzen Tagesarbeitszeit oder nicht während der ganzen Woche beschäftigt sind.

Art. 8.

Durch Verordnung können nähere Bestimmungen über die Anwendungder Art. l und 2 erlassen werden.

Art. 4.

1

In streitigen Fallen entscheidet die zuständige kantonale Behörde über die Unterstellung unter das Gesetz. Ihr Entscheid kann innert zehn Tagen seit der Eröffnung an das zuständige Departement des Bundesrates weitergezogen werden.

- Zur Anrufung des Entscheides der kantonalen Behörde und zur Weiterziehung ist berechtigt, wer an dem Streit als Partei beteiligt war oder durch den Entscheid der kantonalen Behörde in seinen Hechten verletzt worden ist.

a Der Entscheid des eidgenössischen Departements kann mit der VerWaltungsgerichtsbeschwerde gemäss dem Bundesgesetz über die eidgenössischeVerwaltungs- und Disziplinarrechtspflege weitergezogen werden.

Zweiter Abschnitt.

Ruhezeit.

1. Allgemeine Vorschriften.

Art. 5.

1

Den Arbeitnehmern ist jede Woche eine Buhezeit von mindestens vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

* Vorbehalten sind die Ausnahmen der Art. 8 und 9, sowie die besonderen Vorschriften der Art. 15 bis 22 für das Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe.

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Ait. 6.

Pie Kuhezeit ist für alle Arbeitnehmer einheitlich auf den Sonntag zu legen, ausser wenn die Arbeit an Sonntagen gesetzlich zulässig ist.

Ait. 7.

1 Für Arbeitnehmer, die ordentlicherweise Sonntagsarbeit verrichten, ist die Euhezeit auf einen Werktag zu legen.

"-1 Bei Sonntagsarbeit von mehr als vier Stunden beträgt die werktägliche Ersatzruhe mindestens vierundzwanzig aufeinanderfolgende Stunden. Bei Sonntagsarbeit von nicht mehr als vier Stunden beträgt sie mindestens die Hälfte der täglichen Arbeitszeit; sie muss der gewöhnlichen Euhezeit unmittelbar vorausgehen oder folgen.

3 Die Euhezeit muss im Zeitraum von drei Wochen wenigstens einmal auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fallen.

Art. 8.

1

Die wöchentliche Euhezeit kann vorübergehend gekürzt werden oder gänzlich wegfallen, wenn dies nötig ist. um ernstliche Betriebsstörungen zu verhüten oder zu beseitigen, der Verderbnis von Stoffen oder Waren vorzubeugen, einen sonstigen Notstand zu beheben oder aussergewöhnlichen Arbeitsandrang zu bewältigen, 2 Die Kantone können diese Ausnahmen von einer Bewilligung abhängig machen.

3 In allen Fällen muss eine entsprechende Ersatzruhe zu anderer Zeit eingeräumt werden.

Art. 9.

1

Die Euhezeit kann eingeschränkt oder anders eingeteilt werden: a. in der Krankenpflege, soweit sie unter das Gesetz fällt; b.- wenn die Aufrechterhaltung, die Beaufsichtigung oder die Wartung des Betriebes, die Lebensmittelversorgung, die Pflege von Tieren und Pflanzen, oder andere zwingende Gründe es erfordern.

2 Das Nähere wird durch Verordnung bestimmt.

Art. 10.

Die Vorschriften der Art. 17 bis 21 können durch Verordnung anwendbar erklärt werden an ausgesprochenen Fremdenkurorten auf Betriebe, die den Schwankungen der Jahreszeit unterliegen und ausschliesslich den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs dienen.

264 Art. 11.

Arbeitnehmern, die an Sonntagen beschäftigt sind, ist die nötige freie Zeit zum Besuch des Gottesdienstes einzuräumen.

Art. 12.

Wenn ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Unterkunft und Verpflegung beim Betriebsinhaber besteht, gilt er auch während der Buhezeit, sofern sich der Anspruchsberechtigte an die Hausordnung hält.

Art. 13.

Den Arbeitnehmern ist untersagt, während der Buhezeit Berufsarbeit für Dritte auszufuhren.

Art. 14.

1

Die Buhezeit darf nicht durch eine Abfindung in Geld ersetzt werden.

Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhaltnis zu Ende geht, bevor sie eine ihnen zukommende Ersatzruhe gemessen konnten, haben jedoch Anspruch auf eine Entschädigung, die sich nach dem Barlohn und gegebenenfalls dem Gegenwert freier Wohnung und Verpflegung bemisst. Dieser Entschädigungsanspruch besteht nicht, wenn das Arbeitsverhaltnis durch Verschulden oder auf Verlangen des Arbeitnehmers oder aus andern Gründen, für die der Betriebsinhaber nicht verantwortlich ist, vorzeitig gelöst wird.

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2. Besondere Vorschriften für das Gasthof- und Wirtschaftsgewerbe.

Art. 15.

Die nachstehenden besonderen Vorschriften gelten für a. Betriebe, die der gewerbsmässigen Beherbergung von Personen dienen; fc. Betriebe, in denen gewerbsmässig Speisen oder Getränke zum Genuas an Ort und Stelle abgegeben werden.

Art. 16.

Den Arbeitnehmern ist unter Vorbehalt der folgenden Bestimmungen jede Woche eine Buhezeit von mindestens vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

Art. 17.

1

Betriebe, die den Schwankungen der Jahreszeit unterliegen oder die jährlich nur einmal oder zweimal zu bestimmten Jahreszeiten geöffnet sind,

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können in der Zeit der Hochsaison, aber nicht mehr als zwei Mal im Jahr, die wöchentliche Ruhezeit während höchstens acht Wochen auf einen halben Tag herabsetzen.

2 Dieser halbe Tag kann innerhalb eines Zeitraumes von jeweils vierzehn Tagen während einer Woche ausfallen, -wenn in der andern Woche zwei halbe Euhetage oder vierundzwanzig zusammenhängende Bubestunden gewährt werden.

Art. 18.

1 Betriebe, die das ganze Jahr geöffnet sind und von der Bestimmung des Art. 17 Gebrauch machen, haben eine dem Ausfall entsprechende Ersatzruhe zu gewähren durch verlängerte Wochenruhe oder durch eine zusammenhängende Buhezeit.

2 Die andern Betriebe haben die Ersatzruhe nur soweit zu geben, als sie in Anwendung von Art. 17 die Ruhezeit während mehr als sechs Wochen in der Zeit der Hochsaison auf einen halben Tag herabsetzen.

Art. 19.

Die Buhezeit soll in Betrieben, die das ganze Jahr geöffnet sind, für jeden Arbeitnehmer im Zeitraum eines halben Jahres wenigstens viermal auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fallen.

a Diese Vorschrift findet keine Anwendung a. auf Dienstverhältnisse, die weniger als sechs Monate dauern; b. bei den in Art. 15, lit. b, genannten Betrieben auf Arbeitnehmer, denen während eines Jahres acht bezahlte Ferientage gewährt sind, wovon mindestens zwei auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag fallen.

1

Art. 20.

Weitere Ausnahmen können gewährt werden a. für Kleinbetriebe dadurch, dass die wöchentliche Buhezeit innerhalb vier Wochen dreimal je einen halben Tag und einmal einen ganzen Tag von vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden betragen darf; b. wenn die Aufrechterhaltung, die Beaufsichtigung oder die Wartung des Betriebes, die Pflege von Tieren und Pflanzen, oder andere zwingende Gründe es erfordern; c. dadurch, dass ausnahmsweise eine andere Verteilung der gesetzlich vorgeschriebenen Buhezeit vorgenommen werden darf.

ä Das Nähere wird durch Verordnung bestimmt.

1

Art. 21.

Als halber Buhetag im Sinne der Art. 17 und 20 gilt die Zeit anschliessend an die Nachtruhe bis 12 Uhr, oder von 14 Uhr bis zum Beginn der Nachtruhe, oder eine andere Zeit von sieben aufeinanderfolgenden Stunden zwischen Ende und Beginn der Nachtruhe.

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Art. 22.

Die Art. 8 und 11 bis 14 finden ebenfalls Anwendung.

Dritter Abschnitt.

Straf bestimmangen.

Art. 28.

Mit Busse von zehn bis zu fünfhundert Franken wird bestraft a. der Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortliche Person, die den unter das Gesetz fallenden Arbeitnehmern die in den Art. 5 bis 11 und 15 bis 22 vorgeschriebenen Euhe- und Freizeiten nicht gewährt; o. der unter das Gesetz fallende Arbeitnehmer, der während der wöchentlichen Euhe- und Freizeit Berufsarbeit für Dritte ausführt.

2 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu hundert Franken.

Art. 24.

Die Übertretungen verjähren in einem Jahr nach der Begehung, die Strafen in fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Urteils. Im übrigen sind die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts anwendbar.

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Art. 25.

Die Verfolgung und Beurteilung der Übertretungen ist Sache der Kantone.

Art. 26.

Der Bundesrat kann gegen die endgültigen Entscheide der kantonalen Gerichts- und Verwaltungsbehörden gemäss Art, 161 ff. des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege die Kassationsbeschwerde erheben. Er kann verlangen, dass diese Entscheide einer von ihm bezeichneten Amtsstelle unentgeltlich eingesandt werden.

Vierter Abschnitt.

Yollziehungsbestimmungen.

Art. 27.

Der Bundesrat erlässt die in diesem Gesetz vorgesehenen Verordnungen und Vollzugsvorschriften. Die Kantomregierungen und die beteiligten Berufsverbände sind vorher anzuhören.

2 Die Durchführung des Gesetzes und der Verordnungen liegt den Kantonen ob. Die Kantonsregierungen bezeichnen die kantonalen Vollzugsorgane.

3 Der Bundesrat übt die Oberaufsicht aus.

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267

Fünfter Abschnitt.

Schlussbestimmungen.

Art. 28.

Kantonale Vorschriften über die wöchentliche Buhezeit in den von diesem Gesetz erfassten Betriehen sind aufgehoben.

* Vorbehalten bleiben die kantonalen Vorschriften über Arbeitszeit, über Betriebs- und Ladenschluss sowie über die Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit.

3 Die Kantonsregierungen bezeichnen die Vorschriften, die unter Abs. 2 fallen und in Kraft bleiben. Diese Ausscheidung unterliegt der Genehmigung des Bundesrates.

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Art. 29.

Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes fest. Er kann für einzelne Betriebsgruppen eine angemessene Übergangszeit bestimmen.

Also beschlossen vom Nationalrat, B e r n , den 26. September 1931.

Der Präsident: Sträuli.

Der Protokollführer : F. T. Ernst.

Also beschlossen vom Ständerat, B e r n , den 26. September 1931.

Der Präsident: Charmillot.

Der Protokollführer: Kaeslin.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 26. September

1931.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler : Eaeslin.

Datum der Veröffentlichung : 80. September 1931.

Ablauf der Referendumsfrist: 29. Dezember 1931.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz über die wöchentliche Ruhezeit. (Vom 26. September 1931.)

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30.09.1931

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261-267

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