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zu 2677 II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisessum 1931).

(Vom 19. Mai 1931.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten über weitere 16 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

101.

10S.

103.

104.

105.

Julius Siebenmann, 1885, Lokomotivführer, Basel, Friedrich Jenny, 1884, Zugführer, Basel, Hans Studer, 1901, Heizer, Basel, Paul Iten, 1894, Kaufmann, Unterägeri (Zug), Fritz Haller, 1908, Automechaniker, vormals Schlieren (Zürich).

(Eisenbahn- bzw. Tramgefährdung.)

Gemäss Art, 67, Abs. 2, rev. des Bundesstrafrechtes sind verurteilt worden: 101--103. Julius Siebenmann, Friedrich Jenny, Hans Studer, verurteilt am 26. Februar 1930 vom Amtsgericht Bucheggberg-Kriegstetten wie folgt: Siebenmann zu einem Monat Gefängnis, Jenny zu 8 Wochen Gefängnis, Studer zu 10 Tagen Gefängnis. Auf Appellation Jennys hat das Obergericht des Kantons Solothurn am 4. Dezember 1930 dessen Strafe um eine Woche ermässigt.

Siebenmann war am 9. September 1929 Lokomotivführer, Studer Heizer, Jenny Zugführer-Stellvertreter eines Militär-Extrazuges, der Truppen von Liestal über Solothurn nach Buren a. A. zu verbringen hatte. Sämtliche waren rechtzeitig im Besitz des Zirkulars, das die Halte und Kreuzungen der Militärzüge enthielt. Bei der Bückfahrt ab Buren hätte der Leerzug in der Station Lenaigen die Kreuzung mit einem fahrplanmässigen Personenzug abwarten sollen. Statt dessen fuhr der Leerzug ohne Anhalt weiter, indem Siebenmann der irrigen Meinung war, die Kreuzung finde erst in Lüsslingen statt. Es

605 .geschah dies, weil er das Zirkular nur flüchtig gelesen hatte und sich im Wahn befand, die Kreuzung erfolge in gleicher Weise wie in früheren Jahren, wo er die Strecke öfters befahren hatte. Um 18 Uhr 80 trat zwischen den Stationen Leuzigen und Lüsslingen der Zusammenstoss mit dem Personenzug ein, wobei zirka 70 Personen verletzt worden sein sollen, in 14 Fällen Spitalbehandlung nötig wurde und namhafter Sachschaden entstand. Der Anprall mit dem von Arbeitern und Marktbesuchern besetzten Personenzug erfolgte mit grosser Gewalt, obschon dieser zum Halten gebracht war und im Begriffe stand, rückwärts zu fahren. Siebenmann und Studer sprangen ihrerseits von der Lokomotive, nachdem sie den Wasserstand abgestellt und eine Schnellbremsung vorgenommen hatten. -- Für weitere Einzelheiten wird auf das erst- und oberinstanzliche Urteil verwiesen.

Siebenmann, Studer und Jenny reichen Begnadigungsgesuche ein, auf die wir des Nähern Bezug nehmen.

Für Siebenmann ersucht der Verteidiger um ganzen oder teilweisen Erlass der Gefängnisstrafe oder um Umwandlung in Busse. Siebenmann habe seine Verfehlung von Anfang an zugegeben und beklage das Ereignis auf das tiefste.

Er sei das Opfer einer Selbsttäuschung gewesen, verbunden mit der Verkettung unglücklicher Zufälligkeiten, die näher dargetan werden. Das Bahnunglück beruhe auf dem völligen Versagen aller mitbeteiligten Personen, mit Einschluss des nicht überwiesenen Stationsbeamten von Leuzigen und einer Barrierenwärterin, die bei rechtzeitigem Eingreifen den Zusammenstoss noch hätten verhindern können. Das Urteil sei ausserordentlich hart und unbillig.

Für Studer und Jenny ersucht der Verteidiger des Letztgenannten um Erlass der Gefängnisstrafen, vorab mit dem Hinweis, das Fehlen des bedingten Strafvollzuges im Bundesrecht lege eine weitherzige Begnadigungspraxis nahe. Studer sei gänzlich streckenunkundig gewesen und habe sich zudem vollständig der Maschine, die besondere Aufmerksamkeit erheische, gewidmet.

Da Buren keine Drehscheibe aufweise, habe die Lokomotive rückwärts fahren müssen, so dass der Fahrplan dem Personal nicht vor Augen gestanden habe.

Jenny seinerseits beharre darauf, dass er im Zeitpunkt des Überfahrens der Kreuzung gänzlich benommen gewesen sei, d. h. eine Bewusstseinsstörung erlitten habe, was er auf die schädliche Auswirkung eines
Maschinengewehrechiessens der Truppe zurückführe, die in Buren beim Auslad eine Fliegerabwehrübung vornahm. Durch Expertise sei zudem erbracht, dass Jenny an sich keine Möglichkeit gehabt habe, den Zug zu stellen oder den Lokomotivführer zu beeinflussen. Nach den obwaltenden Umständen wäre dies dagegen dem Stationsbeamten von Leuzigen sehr wohl möglich gewesen, falls er ruhig Blut bewahrt hätte.

Die Leumundsberichte des Polizeidepartementes des Kantons BaselStadt lauten über sämtliche Gesuchsteller ausnehmend günstig. Der Oberamtmann von Bucheggberg-Kriegstetten äussert sich ähnlich über Siebenmann, der vor Jahren in Zuchwil wohnhaft war und als Gemeindevorsteher eintn tadelloser] Ruf hatte.

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Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn hält dafür, nach den Polizeiberichten seien alle Verurteilten gnadenwürdig, namentlich alle ohne Vorstrafe. Die bedingte Verurteilung wäre zweifellos ernstlich erwogen worden, wenn diese Kechtswohltat bundesrechtlich bestünde. Das Polizeidepartemeut.

bringt die bedingte Begnadigung in Vorschlag, es sei denn, die Begnadigung gehe in Fällen dieser Art strengere "Wege.

Die Generaldirektion, der schweizerischen Bundesbahnen kann bei der Schwere der Verfehlungen und den eingetretenen Folgen, die noch schlimmer hätten ausfallen können, die gänzliche Begnadigung nicht befürworten. Die Bundesbahnverwaltung dürfe nicht dazu Hand bieteil, Urteile unwirksam zu machen, die in zutreffender Würdigung des Sachverhaltes und der Lebensgefahr für zahlreiche Reisende ergangen seien. Im Falle einer gänzlichen Begnadigung würde zudem die Anordnung der in Erwägung stehenden Disziplinarmassnahmen erschwert. Gegen eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen werde dagegen nichts eingewendet, namentlich da die drei verurteilten Beamten anderweitig keine Klagen veranlasst, sondern gegenteils ihre Dienstpflicht stets treu erfüllt hätten und alle gut beleumdet seien.

Der Direktor der Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartementes hält aus ähnlichen Erwägungen dafür, die Herabsetzung der Gefängnisstrafen um die Hälfte lasse sich kommiserationsweise verantworten, jedoch nicht ihr gänzlicher Erlass. Aus Gründen des Mitgefühls würde er gerne weiter gehen, d. h. bis zur bedingten Begnadigung; die der Eisenbahn-Aufsichtsbehörde obliegende Pflicht zur Wahrung der Verkehrssicherheit verbiete jedoch diesen Antrag.

Unserseits bemerken wir im Anschluss an diese Vernehmlassungen, dass die Gesuchsanbringen offensichtlich keinerlei wesentliche Tatsachen enthalten, die nicht bereits den Gerichtsverfahren zugrunde gelegen hätten. Mit den Urteilen selbst sollte sich die Begnadigungsbehörde daher nicht weiter auseinandersetzen. Hinwiederum bleibt die Frage offen, ob eine gnadenweise Strafminderung aus Kommiserationsgründen zu beantragen sei. Aber auch bei dieser Abgrenzung des zu erwägenden Entscheides wird die Antwort nicht leicht, namentlich angesichts der Tatsache, dass es sich beim gesamten Zugspersonal und in erster Linie bei Lokomotivführer Siebenmann nicht um ein kurzfristiges
Versagen, eine augenblickliche Vergesslichkeit handelt, sondern um eine allgemein mangelhafte Handhabung von Dienstpflichten, die bei Siebenmann in der bloss flüchtigen Würdigung des Fahrplanzirkulars, trotz langandauernder Möglichkeit genauer Prüfung, besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Den Erwägungen der Gerichte, die sich hierin für jeden der verantwortlichen Beamten in Einzelheiten ergehen, soll hiermit, ohne sie zu wiederholen, grundsätzlich beigepflichtet sein. Neben das Mitgefühl für die strafbar gewordenen Beamten, deren persönliche Ehrenhaftigkeit wir nicht antasten, tritt notwendigerweise das Bedauern mit den beim Bahnunglück Vorletzten und die ernstliche Sorge für die Wahrung der Sicherheit des Bahnverkehrs durch das Bahnpersonal.

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Abschliessend beantragen wir mit der Eisenbahnabteilung, die Gefängnisstrafen in sämtlichen Fällen um die Hälfte zu ermässigen. Darnach sollen die zu verbüssenden Strafen bei Siebenmann noch 15, bei Jenny 7, bei Studer 5 Tage betragen.

104. Paul Iten, verurteilt am 11, Februar 1931 vom Bezirksgericht Zürich zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat und Fr. 500 Busse.

Iten ist am 10. April 1980 gegen 20 Uhr auf der Seestrasse in Zürich, stadtauswärts fahrend, mit seinein Personenautomobil in einer Bechtskurve «inem Tramzug der Strassenbahn links vorgefahren. Er tat dies mit einer Fahrgeschwindigkeit von 85--40 km, obwohl rechts des Tramzuges ein genügend breiter, freier Fahrstreifen war und trotzdem ihm die Lichter eines entgegengesetzt fahrenden Trarnzuges die Gefahr anzeigten. Das Automobil geriet zwischen die beiden sich kreuzenden Tramzüge und wurde vollständig zertrümmert (hierzu die Photographien) ; ein Mitfahrer Itens erlitt den Tod, ein zweiter eine Gehirnerschütterung und Augenverletzung, während Iten selbst mit leichten Verletzungen davon kam.

Das urteilende Gericht hält dafür, Iten habe sich unbedingt einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht. Mildernd wurde das Fehlen von Vorstrafen und das in tatsächlicher Beziehung erfolgte Geständnis berücksichtigt, ferner die Schadensdec'kung, soweit eine Einigung erfolgt sei.

Iten ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Er bedauert die schweren Uni'allsfolgen, hält aber sein Verschulden für gering; unglücklicherweise habe er den Abstand von dem ihm entgegenfahrenden Tramzug unterschätzt.

Die Entschädigungsansprüche seien zum Teil schon gedeckt, im übrigen bestehe der gute "\Ville hierzu. Ohne Vorstrafe, könne er einen ungetrübten Leumund geltend machen. Er sei kein rücksichtsloser Autofahrer. Die "Wohltat der bedingten Verurteilung wäre ihm sicherlich zugebilligt worden, wenn das Bundesrecht sie zuliesse. Der Grund, weshalb er ein Begnadigungsgesuch wage, liege in den ausserordentlich schweren Folgen, die der Strafvollzug haben müsste. Als Spezereihändler bestrebe er sich, seine Familie rechtschaffen durchüubringen. Er sei Sektionschef, ferner habe er im Einwohnerrat das Amt des Polizeipräsidenten versehen. Als Wachtmeister weise er rand 700 Diensttage auf. Für einen Manu in seiner Lage, in einer kleinen Landgemeinde, -\vfire der Strafvollzug
ein Verhängnis. Er wäre geradezu gerichtet, was auf die Familie zurückfallen müsste.

Das Polizeikommando des Kantons Zug stellt Iten ein sehr gutes Leumundszeugnis aus.

Der Erste Staatsanwalt des Kantons Zürich und die kantonale Direktion der Justiz beantragen den gänzlichen Erlass der Gefängnisstrafe. Die eidgenössische Eisenbahnabteilung kann den vollständigen Erlass nicht empfehlen, sieht aber davon ab, sich gegen die bedingte Begnadigung auszusprechen.

608 In Würdigung der Gesuchsanbringen und Darlegungen der antragstellenden Behörden gelangen wir zum Ergebnis, die bedingte Begnadigung könne Iteu gewährt werden. Wie die kantonale Staatsanwaltschaft hervorhebt, lag der übersetzten Fahrgeschwindigkeit das Bestreben Itens zugrunde, einen der Mitfahrer, der in der Folge den Tod fand, noch rechtzeitg nach Unterägeri zu führen, wo er an einer Parteisitzung hätte teilnehmen sollen; im übrigen trug die irrtümliche ünterschätzung der Distanz zum daherfahrenden Tramzug wesentlich zum Unfall bei. Das Bedauern mit dem sehr gut beleumdeten, lediglich mit einer geringfügigen Polizeibusse vorbestraften Gesuchsteller kann nach der Lage des Falles einen weitgehenden Gnadenakt rechtfertigen.

Wir beantragen, die Gefängnisstrafe von einem Monat bedingt zu erlassen, unter Auferlegung einer Probezeit von fünf Jahren, und heben als Bedingung besonders hervor, dass Iten während dieser Zeit kein vorsätzliche* Vergehen verübe.

105. Fritz Haller, verurteilt am 26. Februar 1981 vom Bezirksgericht Bülach zu 2 Tagen Gefängnis.

Haller ist am Abend des 13. November 1930 zwischen Effretikon und Bassersdorf mit seinem Automobil in übersetztem Tempo gegen einen Bahnübergang gefahren. Obschon ihn die Lichter eines jenseits der geschlossenen Schranken stehenden Lastwagens, wie er sagt, blendeten, was die Sicht auf di& Fahrbahn beeinträchtigt habe, hielt er sein Tempo ein und fuhr in die Bahnschranke, die er zertrümmerte. Der Wagen blieb zunächst auf dem Geleise stehen, aber nach dem Zuruf eines Mitfahrers, Haller solle Gas geben, durcht'uhr er in der Bestürzung auch noch die zweite Schranke. Das urteilende Gerieht erblickte die als sehr erheblich bezeichnete Fahrlässigkeit Hallers darin, dass.

er entweder der Fahrbahn zu wenig Beachtung schenkte und die Schranken nicht sah oder aber in derart übersetztem Tempo fuhr, dass er trotz rechtzeitiger Wahrnehmung des Bahnüberganges nicht zu halten vermochte.

Haller ersucht um Erlass der Gefängnisstrafe. Wie im Strafverfahren macht er geltend, den Bahnübergang nicht gesehen zu haben, weil er vom Lastwagen geblendet worden sei. Die Sachlage sei ausserordentlich täuschend gewesen, was auch seine Mitfahrer bezeugt hätten. Er verstehe, dass man.

mit Chauffeuren streng sein müsse; der Wagen sei aber heute verkauft, er selbst arbeite als
Séparateur in einer Werkstatt, habe die Fahrbewilligung aufgegeben und könne den Verkehr nicht mehr gefährden. Der Vorfall habe ihn in grosse Kosten gestürzt, auch sei bei einer Geschäftsbeteiliguug sein erspartes Geld verloren gegangen. Arbeitslos geworden, bedeute die jetzige, bescheidene Anstellung jedenfalls ehrliche Arbeit. Der Strafvollzug gefährde diese Stelle. Man möge ihm entgegenkommen, da sogar die Bezirksanwaltschaft lediglich eine Busse von Fr. 100 beantragt habe.

Ein Polizeibericht von Ölten lautet günstig.

Der Erste Staatsanwalt des Kantons Zürich und die kantonale Direktion der Justiz beantragen Abweisung. Die kurze Gefängnisstrafe entspreche der

609 eingetretenen, erheblichen Bahngefährdung und dem Grad der Fahrlässigkeit.

In den persönlichen Verhältnissen Hallers lägen nicht genügend Gründe, um die Freiheitsstrafe zu erlassen. Auch die bloss bedingte Begnadigung werde nicht als angezeigt erachtet.

Die Eisenbahnabteilung des eidgenössischen Eisenbahndepartementes schliesst sich den Kantonsbehörden an mit dem Hinweis, der in Frage stehende Niveauübergang sei sehr gut gekennzeichnet (Vorsignal, Distanzpfähle, elektrische Strassenlampe, rotes elektrisches Licht und Dreiecktafel auf den frisch gestrichenen Schlagbäumen mit Hängegitter) ; mit Rücksicht auf die zahlreichen derartigen Gefährdungen des Eisenbahnverkehrs dürfe auf eine gewisse Strenge nicht verzichtet werden.

Unserseits halten wir dafür, die bedingte Begnadigung könnte deshalb ernstlich in Betracht gezogen werden, weil der, aüsser mit einer geringen Polizeibusse, nicht vorbestrafte Gesuchsteller heute in ganz anderen Lebensverhältnissen steht, Wohnsitz und Beruf gewechselt hat und ausdrücklich mitteilt, dermalen keine Fahrbewilligung mehr zu benötigen. Es wäre auch auf den 01tener Polizeibericht abzustellen. Diesen Erwägungen steht hinwiederum die Tatsache entgegen, dass das Vorkommnis einen der sich stets mehrenden Fälle von Bahngefährdung durch unverantwortliche Autofahrerei darstellt und weder objektiv noch subjektiv einen leichteren Fall ausmacht, was die antragstellenden Kantonsbehörden und die Eisenbahnabteilung mit Grund vertreten.

Im Anschhiss an diese Stellungnahmen beantragen wir ebenfalls Abweisung.

____^_^_ 106. Hans Schaffner, 1875, Metzger, Trimbach (Solothurn).

(Lebensmittelpolizei.)

106. Hans S c h a f f n e r ist am 81, Dezember 1930 vom Amtsgericht Olten-Gösgen gemäss Art. 89 des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 zu Fr. 10 Busse verurteilt worden.

Schaffner, seit Jahren im Schlachthaus Ölten in der Kuttlerei tätig, hat den tierärztlich beschlagnahmten Lungenzipfel eines geschlachteten Schweines an sich genommen. Von der Beschuldigung des Fleischdiebstahls wurde er freigesprochen.

Schaffner ersucht um Herabsetzung der Busse und Kosten, da der Gesamtbetrag bei der Geringfügigkeit des Vorkommnisses übersetzt sei.

Mit dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn, das die Angelegenheit als
Bagatelle bezeichnet, und dem eidgenössischen Veterinäramt beantragen wir, die Busse zu erlassen. Als älterer Praktiker glaubte Schaffner den Lungenteil irgendwie im eigenen Haushalt verwenden zu können; ein Inverkehrbringen kam nicht in Betracht. Kosten und Gebühren machen noch immer Fr. 28. 50 aus.

610 107.

108.

109.

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Robert Gerber, 1880, Landwirt, Buchen (Bern), Ernst Baumgartner, 1901, Gärtner, Spiez (Bern), Albert Roos, 1889, Landwirt, .Oberdorf (Solothurn), Rudolf Kaufmann, 1904, Landwirt. Grindelwald (Bern), Karl Gafner, 1894, Taglöhner, Erlenbach (Bern), Rudolf Scheidegger, 1878, Landwirt, Gerzensee (Bern), Fritz Schuhmacher, 1892, Landwirt, Fritz Gehrig, 1903, Landwirt, beide Treiten (Bern).

Armand Charpilloz, 1875, Taglöhner, Be-rilard (Bern).

(Jagdvergehen.)

Gemäss Bundesgesetz über Jagd .und Vogelschutz vora 10. Juni 1925 sind verurteilt worden: 107. Eobert Gerber, verurteilt am 21. Januar 1980 vom Gerichtspräsidenten, von Thun geinäss Art. 48 des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse.

Gerber hat einen angeschossenen Hasen, der auf seiner Wiese verendete, behändigt, Gerber ersucht um Erlass der Busse, Er habe gutgläubig gehandelt und sich vorher nie gegen das Jagdgesetz verstossen. Die Anzeigepflicht an den Wildhüter sei ihm unbekannt gewesen. Er sorge für sechs Kinder und sei ein verschuldeter Bergbauer.

Der Wildhüter und der Gemeinderat Horrenbach-Buchen empfehlen den Erlass der Busse, der B-egierungsstatthalter des Amtsbezirkes und die Forstdirektion des Kantons Bern beantragen Herabsetzung bis Er. 20, die kantonale Polizeidirektion den gänzlichen Erlass, die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Bierabsetzung bis Fr. 10.

Wir b e a n t r a g e n , die Busse gänzlich zu erlassen. Die Umstände sind ähnlich wie im Falle Joray (Antrag 86 im ersten Bericht).

108. Ernst Baumgartner, verurteilt am 15. März 1931 vom Gerichtspräsidenten von Niedersimmental geinäss Art. 89, Ziff. 3, des Bundesgesetzes zu Fr. 50 Busse.

Baumgartner hat in dem ihm unterstellten Gemüsegarten im März eine Anzahl Haubenlerchen abgeschossen.

Baumgartner ersucht um Erlass der Busse. Er habe bloss zwei oder drei Vögel geschossen und hierbei in einer Notlage gehandelt, indem die Vögel sämtliche Setzlinge abgefressen hätten. Den ganzen Winter über habe er im Garten zwei Futterbretter aufgestellt gehabt.

Die Vorsteherin des Heimes bestätigt die Gesuchsdarstellung. Der Gemeinderat Spiez empfiehlt das Gesuch, und der Amtsverweser des Bezirkes beantragt die teilweise Begnadigung, wogegen die Forst- und Polizeidirektionen

611 des Kantons Bern, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung beantragen.

Wir beantragen Herabsetzung der Busse um die Hälfte, mithin bis Fr. 25. Wie bereits in der Strafanzeige erklärt wird, ist Baumgartner in der Folge so vorgegangen, dass er die Vögel in nächster Nähe der Pflanzungen füttert und sie damit von diesen abhielt. Der Straffall ist ihm nur Warnung geworden.

109. Albert Roos, verurteilt am 28. Xovember 1930 vom Amtsgericht Solothurn-Lebern gemäss Art. 44 des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Eoos hat einem andern, der in der Folge beim Wildern ertappt worden ist, eine zerlegbare Jagdflinte verkauft.

Roos ersucht um Erlass von Busse und Kosten. Wie im Strafverfahren macht er geltend, die vom Vater übernommene Waffe seit langen Jahren besessen KU haben. Das Verkaufsverbot sei ihm unbekannt gewesen. Die Busse erweise sich bei seinen Verhältnissen als zu hoch.

Mit dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn und der eidgenössischen Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir Abweisung, Xach den Berichten der Kantonsbehörden kann Boos die Bezahlung der Busse sehr wohl zugemutet werden, 110. Budolf K a u f m a n n , verurteilt am 23. März 1931 vom Gerichtspräsidenten von Interlaken gemäss Art. 42 des Bundesgesetzes KM Fr. 300 Busse.

Kaufmann hat in Banngebiet einen Hasen geschossen.

Im Einverständnis mit Kaufmann ersucht der urteilende Bichter, die Busse gänzlich zu erlassen, ebenso den Wertersatz, womit sich jedoch die Begnadigungsbehörde nicht zu befassen hat. Der Hase habe an den Kulturen Schaden angerichtet. Die Benachrichtigung des Wildhüters sei unverzüglich erfolgt; Kaufmann hätte, was ihm nicht bekannt gewesen sei, eine Abschussbewilligung nachsuchen können.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes teilt die Auffassung des Bichters. Die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern beantragen Herabsetzung der Busse um xwei Drittel, ebenso die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

Aus den vom urteilenden Bichter geltend gemachten Erwägungen bea n t r a g e n wir Herabsetzung der Busse bis Fr. 50.

111. Karl Gaf ner, verurteilt am 5. Februar 1931 vom Gerichtspräsidenten von Niedersiimnental gemäss Art. 42 des Bundesgesetzes zu Fr, 300 Busse.

Gafner ist in Banngebiet auf der Jagd nach einem
Marder betroffen worden.

Gafner ersucht um Erlass oder doch Ermässigung der Busse. Es seien mildernde Umstände vorhanden; denn der Marder habe den Hühnern seines Vaters nachgestellt. Er habe als Taglöhner für Frau und vier Kinder zu sorgen.

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Der Gemeinderat Erlenbach bescheinigt die ärmlichen Verhältnisse und befürwortet das Gesuch. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfiehlt Herabsetzung der Busse um zwei Drittel.

Mit den Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern und der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir desgleichen Herabsetzung der Busse bis Fr. 100, 112. Kudolf Scheidegger, verurteilt am 24. Februar 1981 vorn Gerichtspräsidenten von Seftigen gemäss Art. 43, Ziff. 2, zu Fr. 300 Busse.

Scheidegger hat zum Fangen von Wild eine Falle gestellt, in die eine Katze hineingeriet.

Scheidegger ersucht um Erlass oder doch Herabsetzung der Busse bis mindestens Fr. 100. Ein Fuchs oder Marder habe ihm acht Hühner getötet und unzählige Eier gestohlen. Nach den Umständen der Angelegenheit sei die Busse entschieden zu hoch. Scheidegger habe sein Vorgehen als zulässig erachtet.

Der Gemeinderat Gerzensee empfiehlt das Gesuch zu möglichst weitgehender Berücksichtigung. Der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes beantragt den Erlass der Busse. Die Forstdirektion des Kantons Bern kann einer Bussenermässigung bis Fr. 100 beipflichten. Die kantonale Polizeidirektion beantragt Herabsetzung bis Fr. 50, die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei Abweisung zurzeit.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei ist zu sagen, dass die wegen Fallenstellens erkannten Strafen nicht durch eine zu milde Begnadigungspraxis abgeschwächt werden dürfen. Nach der Strafanzeige ist die Falle mindestens zweimal gestellt worden, auch ist das eine Mal der Knabe des Nachbarn gefährdet gewesen.

"Wir beantragen immerhin Herabsetzung der Busse bis zu Fr. 150, unter Zubilligung von Teilzahlungen nach dem Ermessen der Vollzugsbehörden.

113 und 114. Fritz Schuhmacher und Fritz Gehrig, gemäss Art. 43, Ziff. 2, und 55 des Bundesgesetzes, wie folgt verurteilt: Schuhmacher am 15. November 1929 vom Gerichtspräsidenten von Erlach zu Fr. 30 Busse, Gehrig am 28. November 1980 von der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern zu Fr. 300 Busse, Gehrig hat im Februar 1929 im Wald eine Falle gestellt, in die sich ein Hund verfing, der in der Folge wegen gebrochener Hinterläufe abgetan werden musste. In erster Instanz wurde ausserdem das Stellen einer Iltisfalle durch Gehrig mitbeurteilt, das im Jahre 1926 auf Verlangen Schuhmachers erfolgt sei; dieser seihst wurde hierin einer fahrlässigen Widerhandlung schuldig befunden.

613 Gehrig ersucht um Erlass der Busse. Er bezeichnet sich als weidgerechten Jäger. Im Strafverfahren habe er seine Unschuld beteuert, sei jedoch auf Grund einer Beweiswürdigung, die fast ausschliesslich Ermessensfrage gewesen sei, verurteilt worden. Die Busse und die hohen Kosten kämen einem kleinen Vermögen gleich, weshalb ihn der Vollzug unverhältnismässig schwer belasten müsste; an eine Umwandlungsstrafe sei nicht zu denken, da diese geradezu die Existenz der ganzen Familie gefährden würde.

Schuhmacher ersucht ebenfalls um Erlass der Busse, wozu namentlich auf die Verjährung Bezug genommen wird, die die Strafkammer in diesem Punkte zugunsten Gehrigs bejaht hat. Schuhmacher habe damals durch Verlust von Hühnern Schaden erlitten.

Der Begierungsstatthalter des Amtsbe/irke bemerkt, Gehrig sei als SchleichJäger bekannt ; den gänzlichen Bussenerlass würde die Bevölkerung nicht verstehen. Die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern beantragen Abweisung.

Bei Schuhmacher erachtet der Gemeinderat Treiten den Bussenerlass als gerechtfertigt, wogegen der Begierungsstatthalter des Amtsbezirkes, die Forst- und Polizeidirektionen des Kantons Bern Abweisung beantragen.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir bei Gehrig Abweisung, bei Schuhmacher Erlass der Busse.

Die Bejahung der Verjährung durch die Strafkammer bei Gehrig mag auch Schuhmacher zugute kommen.

115. Armand Charpilloz, verurteilt am 18. Dezember 1980 vom Gerichtspräsidenten von Münster zu Fr. 400 Busse.

Gharpilloz hat während längerer Zeit auf Eaubwild Fallen gestellt. Er besass zwölf Fallen.

Ghärpilloz ersucht um teilweise Begnadigung, da ihn die Arbeitslosigkeit zum Fallenstellen auf Marder geführt habe, um angesichts der Familienlasten etwas zu verdienen.

Der Gemeinderat Bevilard und der Eegierungsstatthalter des Amtsbezirkes empfehlen das Gesuch. Die Forstdirektion des Kantons Bern hält dafür, vom jagdlichen Standpunkt müsse das Gesuch abgelehnt werden, wogegen die kantonale Polizeidirektion Herabsetzung der Busse um die Hälfte beantragt. Die eidgenössische Inspektion für Porstwesen, Jagd und Fischerei beantragt Abweisung.

Wir beantragen Abweisung zurzeit, in der Meinung, Charpilloz solle zunächst Fr. 200 aufbringen, wozu ihm die Volkugsbehörden weitgehende Teilzahlungen ermöglichen können. Die Angelegenheit ist schwererer Art.

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116. Adolî Nachbur, 1904, Konsumarbeiter, Binningen (Basellandschaft).

(Militärpflichtersatz.)

116. Adolf Nachbur ist am 12. März 1931 vom Polizeigericht Ariesheim gemäss Ergänzuiigsgesetz vom 29. März 1901 über den Militärpflichtersatz zu 5 Tagen Haft verurteilt worden, den Militärpflichtersatz von Fr. 30 für 1930 betreffend.

Nachbur ersucht uin Erlass der Haftstrafe, da er nach langein Suchen eine feste Anstellung gefunden habe, die der Strafvollzug gefährden müsste.

Er habe für eine Familie zu sorgen.

Die Militärdirektion des Kantons Basellandschaft und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen Abweisung.

Aus den Berichten ergibt sich, dass Nachbur die Bekrutenechule bestanden hat, jedoch im Verlauf des ersten Wiederholungskurses hilfsdiensttauglich erklärt wurde. Gesuche um Steuerbefreiung sind abschlägig beschieden worden, ferner betrachtet Nachbur die Ausmusterung als ungerechtfertigt, was ihn zu gröblicher Benitenz veranlasste. Die Abweisung oder allenfalls eine blosse Haftermässigung läsat sich ohne weiteres begründen, namentlich da Nachbur bereits im Jahre 1929 mit einem Tag Haft bestraft werden müsste.

Wenn wir dennoch die bedingte Begnadigung vorziehen, so geschieht dies, um Nachbur eine letzte Möglichkeit zu geben, zu einer der Sachlage entsprechenden Einsicht zu kommen. Als Probezeit möchten wir aber 3 Jahre vorsehen.

Wir beantragen den bedingten Erlass der Haftstrafe von 5 Tagen, unter Auferlegung einer Probezeit von drei Jahren, und heben als Bedingung besonders hervor, dass Nachbur während der Probezeit kein vorsätzliches Vergehen verübe und auch nicht neuerdings die rechtzeitige Entrichtung des Militärpflichtersatzes schuldhaft unterlasse.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 19. Mai 198.1.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Häberlin.

Der Bundeskanzler:

Kaeslin.

-~SS~

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Junisession 1931). (Vom 19. Mai 1931.)

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