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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 29 Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Traktanden nichtkonstitutioneller Art).

(Vom 23. Dezember 1947.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir erstatten Ihnen hiermit in Ergänzung zu unserer Botschaft vom 11. Februar 1947 Bericht über die 29. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

I. Einleitung.

Am 11. Februar 1947 haben wir Ihnen eine Botschaft zu den Beschlüssen der 29. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Montreal, 19. September bis 9. Oktober 1946) über die konstitutionellen Fragen vorgelegt. Sie haben diese Vorlage in der letzten Frühjahrssession behandelt und den Beschlüssen, die wir Ihnen damals im Entwurfe unterbreiteten -- sie betrafen die Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation und ein damit im Zusammenhang stehendes Übereinkommen --, Ihre Genehmigung erteilt.

In der genannten Botschaft, die einleitend über Zeitpunkt, Zusammensetzung und Traktanden der Konferenz Aufschluss gibt, wurde dargelegt, dass die neue Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation möglichst bald von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden sollte und es deshalb notwendig sei, die Verfassungsfragen vorweg zu behandeln, während alle andern Geschäfte der genannten Konferenz Gegenstand eines weiteren Berichtes bilden würden.

Dieser ergänzende Bericht, den wir Ihnen hiermit abstatten, erstreckt sich auf alle jene Fragen, welche die Konferenz neben ihrem Haupttraktandum, der Verfassungsrevision, beschäftigten, nämlich: -- Bericht des Direktors.

-- Schutz der Kinder und der jugendlichen Arbeiter:

159 a. Ärztliche Untersuchung der Eignung von Jugendlichen zur Arbeit (zweite Beratung); b. Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nicht gewerblichen Arbeiten (zweite Beratung).

: -- Mindestnormen der Sozialpolitik in den abhängigen Gebieten: zur Aufnahme in ein Übereinkommen geeignete Bestimmungen (erste Beratung).

-- Berichte über die Anwendung der Konventionen (Art. 22 der Verfassung).

Ausserdem hatte sich die Konferenz namentlich noch mit verschiedenen Finanz- und Budgetfragen zu befassen, vor die sich die Internationale Arbeitsorganisation infolge der Auflösung des Völkerbundes gestellt sah.

u. Verhandlungen und Hauptbeschlüsse der Konferenz.

1. Bericht des Direktors.

Die Behandlung des Berichtes des Direktors nahm wie üblich einen grossen Teil der Konferenztagung in Anspruch, und es äusserten sich dazu 65 Delegierte aus 84 Ländern. Allgemein wurde das Abkommen zwischen den Vereinigten Nationen und der Internationalen Arbeitsorganisation als Ausgangspunkt für die Schaffung eines gerechten und dauerhaften Friedens begrüsst. Im übrigen wurde dem Problem einer rationellen Organisation der Arbeitskraft und den Bemühungen um Vollbeschäftigung besondere Beachtung geschenkt.

2. Schutz der Kinder und der jugendlichen Arbeiter.

Diese Frage war an der 27. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz vom Herbst 1945 schon behandelt worden*) und stand nun zum Zwecke der zweiten, abschliessenden Beratung erneut auf der Traktandenliste. Es handelte sich dabei einmal um die ärztliche Eignungsprüfung an Jugendlichen vor ihrem Eintritt ins Erwerbsleben und sodann um die Begrenzung der Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten, wobei dieser Ausdruck alle Arbeiten umfasst, die nicht als Arbeiten in Industrie und Gewerbe, in der Landwirtschaft oder auf See anzusprechen sind. Das Internationale Arbeitsamt hatte auf Grund der Antworten der Mitgliedstaaten auf die Fragebogen, die bei der ersten Beratung im Jahre 1945 aufgestellt worden waren, verschiedene Entwürfe zu Übereinkommen und Empfehlungen ausgearbeitet, die von der Konferenz behandelt wurden. Daraus gingen folgende Beschlüsse hervor: -- Übereinkommen über die ärztliche U n t e r s u c h u n g der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe. Dieses Übereinkommen wurde mit 123 Stimmen
einstimmig angenommen.

*) Siehe den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 16. Dezember 1946 über die 27. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB1. 1946, III, 8. 1273.

. ,.

160 -- Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zu nichtgewerblichen Arbeiten. Dieses Übereinkommen wurde mit 81 gegen 25 Stimmen angenommen. Die schweizerischen Regierungsdelegierten stimmten ihm ebenfalls zu. Gegen die Konvention stimmten nur drei Regierungsdelegierte (die beiden Regierungsvertreter von Ecuador und der eine von Portugal), während die übrigen 22 ablehnenden Stimmen ausschliesslich solche von Arbeitgebervertretern waren.

-- Empfehlung b e t r e f f e n d die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit. Diese Empfehlung wurde mit 119 Stimmen einstimmig angenommen.

-- Übereinkommen über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

Dieses Übereinkommen wurde mit 111 Stimmen einstimmig angenommen.

-- Empfehlung b e t r e f f e n d Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

Diese Empfehlung wurde mit 123 Stimmen einstimmig angenommen.

3. Mindestnormen der Sozialpolitik in den abhängigen Gebieten.

Diese Frage betraf die Weiterführung der schon an den Tagungen von 1944 und 1945 in Philadelphia und Paris begonnenen Arbeiten. Wie schon in unserem Bericht vom 16. Dezember 1946 über die 27. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz ausgeführt wurde, berührt der Gegenstand nur die Mitgliedstaaten mit Kolonialbesitz*). Er ist abschliessend an der diesjährigen Internationalen Arbeitskonferenz behandelt worden. Wir werden Sie somit im Bericht über diese Konferenz über das Ergebnis unterrichten.

4. Berichte über die Anwendung der Konventionen (Art. 22 der Verfassung).

Der Verwaltungsrat hatte, wie schon im Vorjahr, die Berichterstattung über die Anwendung der Konventionen als besonderen Gegenstand im Sinne von Art. 22 der Verfassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt. Von den 725 Berichten, welche die Mitgliedstaaten schuldeten, lagen der Kommission 528 vor. Diese anerkannte, dass in gewissen Fällen das Ausbleiben der Berichte auf höhere Gewalt und auf unmittelbare Kriegsfolgen zurückzuführen sei.

Eine solche Rechtfertigung konnte aber nur teilweise geltend gemacht werden, und die Kommission beantragte deshalb, die Konferenz möchte das Internationale Arbeitsamt beauftragen, überall dort, wo die Berichterstattung
ohne stichhaltige Gründe ausgeblieben war, die säumigen Regierungen zu mahnen und auf die Bedeutung der fristgerechten Einsendung der Berichte hinzuweisen.

*) BBÌ. 1946, III, S. 1279.

161 lu. Die einzelnen Obereinkommen und Empfehlungen und die Stellungnahme der Schweiz.

Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe.

Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zu nichtgewerblichen Arbeiten.

Die beiden Übereinkommen wollen die Gewähr schaffen, dass im jugendlichen Alter stehende Personen nur dann die Berufsarbeit aufnehmen und fortsetzen können, wenn ihre körperliche Eignung hiezu von ärztlicher Seite festgestellt ist. Personen unter 18 Jahren sollen zu industriell-gewerblicher Arbeit nur zugelassen werden, wenn sie hiezu auf Grund einer eingehenden ärztlichen Untersuchung als tauglich befunden sind (je Art. 2). Die zur Berufsarbeit zugelassenen Jugendlichen sollen bis zu jener Jahresgrenze unter ärztlicher Aufsicht stehen, indem sie sich periodisch zu Untersuchungen zu stellen haben (je Art. 3). Für Verrichtungen, die erhebliche gesundheitliche Gefahren in sich schliessen, sind die ärztlichen Eintritts- und die periodischen Untersuchungen bis mindestens zum 21. Jahre auszudehnen (je Art. 4). Die ärztlichen Untersuchungen sollen für die jugendlichen Personen und deren Eltern kostenfrei sein (je Art. 5). Jugendlichen, bei denen die ärztliche Untersuchung ein ungünstiges gesundheitliches Bild ergeben hat, soll berufliche und ärztliche Beratung und Hilfe zur "Verfügung gestellt werden. Zu diesem Zwecke sollen die Dienststellen der Arbeitsaufsicht, der Gesundheitspflege, der Erziehung und der sozialen Fürsorge zusammenarbeiten (je Art. 6). Der Arbeitgeber soll die Bescheinigungen über die gesundheitliche Eignung seines jugendlichen Personals aufbewahren und der Arbeitsinspektion zur Verfügung halten (Art. 7).

Den beiden in ihren materiellen Grundsätzen übereinstimmenden Übereinkommen kommt eine erhebliche praktische, aber auch ideelle Tragweite zu.

Sie runden im Zusammenhang mit der noch zu besprechenden Empfehlung das Wirken der Internationalen Arbeitsorganisation im Gebiete des Schutzes der jugendlichen Arbeitnehmer ab, das sich bis jetzt im wesentlichen auf die Aufstellung von Mindestalterbestimmungen und auf das Verbot dei Nachtarbeit erstreckt hat. Das Besondere der beiden in Montreal zustandegekommenen Entwürfe erblicken wir nicht weniger aber auch darin, dass die
Internationale Arbeitskonferenz ihre ersten Nachkriegsübereinkommen den Kindern, also derjenigen Bevölkerungsgruppe widmete, die wohl am meisten unter den Kriegsfolgen zu leiden hat und deren befriedigende gesundheitliche Entwicklung heute erst recht die Voraussetzung für die allmähliche Wiederaufrichtung der Menschheit aus dem bedauerlichen Zustand bildet, in den sie in vielen Ländern durch den Krieg" geraten ist. Den beiden Übereinkommen eignet dadurch auch eine gewisse symbolische Bedeutung.

Die durch die beiden neuen Übereinkommen nach 25 Jahren in die Wege geleitete Verallgemeinerung des Grundsatzes, dass die Berufsmündigkeit nicht nur von der Erreichung eines gewissen Alters, sondern auch von der durch

162 den Arzt festgestellten körperlichen Eignung abhängt, stellt einen überaus wichtigen Schritt dar. Er verlangt eine weitgehende Umstellung und Ver7 tiefung des amtlichen Arbeitnehmerschutzes, eine Abkehr von der bisher allgemein üblichen Beschränkung auf generelle, d. h. nicht auf die Individualität des einzelnen Arbeitnehmers abgestimmte Begelungen. Zugleich auch führt diese Ausweitung des Arbeiterschutzes zwangsläufig dazu, dass dieser nicht mehr die alleinige Domäne der Organe verbleibt, die sich bis dahin herkömmlicherweise damit befasst haben.

Bei Beurteilung der Übereinkommen vom Standpunkt der schweizerischen Verhältnisse aus ist zunächst zu beachten, dass wir es hier mit einem Hinübergreifen des Arbeiterschutzes in das Gesundheitswesen zu tun haben. Das Gesundheitswesen aber ist, nach der Zuständigkeitsordnung der Bundesverfassung, im wesentlichen Sache der Kantone. Die ärztliche Eintrittsunter.suchung wird denn auch bisher in der Bundesgesetzgebung nur sporadisch erwähnt. So wird in Art. 12 der bundesrätlichen Vollziehungsverordnung vom 24. Februar 1940 zum Bundesgesetz vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer bestimmt, dass die Kantone die Erlaubnis zu gewissen Arbeitsverrichtungen noch nicht ISjähriger Kinder unter anderem von dem durch einen Arzt zu prüfenden Gesundheitszustand des Kindes abhängig machen können. Ferner sieht der Bundesratsbeschluss vom 4. Dezember 1944 über die Bekämpfung der Quarzstaublunge (Silikose) im Tunnel-, Stollen- und Bergbau die ärztliche Eignungsprüfung für die Beschäftigung von Personen für Verrichtungen vor, bei denen quarzhaltiger Staub entsteht.

Ferner ist in einzelnen Reglementen über die Lehrlinggausbildung die Empfehlung angebracht, im Hinblick auf die besondern Anforderungen, die gewisse Berufe an Gesundheit und körperliche Leistungsfähigkeit stellen, die Lehrzeit nur auf Grund einer ärztlichen Untersuchung zu beginnen. Auch im kantonalen Eecht sind da und dort Spuren für die Einführung solcher ärztlicher Untersuchungen zu finden; doch kann auch im Bereiche der Kantone einstweilen von einer allgemeinen Durchsetzung dieser Institution noch keine Eede sein.

Jedenfalls sind gegenwärtig die Verhältnisse so, dass die schweizerische Gesetzgebung den Bestimmungen des Übereinkommens nicht in einer Weise entspricht, die uns die Eatifikation
der beiden Übereinkommen gestatten würde. So wie die Zuständigkeiten geregelt sind, hängt es vor allem von der Haltung der Kantone ab, ob hier bald Fortschritte erzielt werden können.

Nach der Natur der Dinge darf kaum mit einer raschen Entwicklung gerechnet werden, da dem Beitritt der Schweiz zu diesen Konventionen Schwierigkeiten im Wege stehen, die nur durch einschneidende Änderungen der geltenden Gesetzgebung zu beheben sind. Wir verkennen jedoch deshalb den Sinn dieser Übereinkommen und die wachsende Bedeutung, die dem Gedanken der Einschaltung des Arztes in das berufliche Geschehen zukommt, keineswegs.

Soweit der Bundesgesetzgeber dazu die Möglichkeit besitzt, sind wir gewillt,

163 die Frage der ärztlichen Eignungsuntersuchung im Auge zu behalten und aufmerksam zu prüfen, welche Wege wir beschreiten können, um uns dem in den beiden Konventionen gesteckten Ziele zu nähern.

Empfehlung betreffend die ärztliche Untersuchung und Jugendlichen zur Arbeit.

der Eignung von Kindern

Die Empfehlung will die Einführung und Handhabung der beiden vorerwähnten Übereinkommen erleichtern, namentlich aber zu deren möglichst gleichmässigen Anwendung beitragen. Auf Grund der Erfahrungen, die in gewissen Ländern mit der ärztlichen Untersuchung gemacht worden sind, bringt die Empfehlung, neben Bestimmungen über den Geltungsbereich (Abschnitt I), praktische Hinweise auf die Gestaltung der Eignungsprüfung (Abschnitt II) und der Massnahmen zugunsten solcher Personen, welche die Eignungsprüfung nicht oder nur beschränkt bestanden haben (Abschnitt III).

Beachtenswert sind auch die Leitsätze, die bezüglich der zuständigen Organe und insbesondere über die Ausbildung in der Arbeitsmedizin bewanderter Ärzte aufgestellt werden (Abschnitt IV). Endlich finden sich darin bei Behandlung der Anwendungsmethoden auch nützliche Fingerzeige dafür, auf welche Weise bei solchen Eignungsprüfungen in organisatorischer Beziehung vorzugehen sei (Abschnitt V), wie denn überhaupt die Empfehlung gleich den beiden Übereinkommen schätzenswerte Anregungen in Fülle, bietet. Wenn schon ein Beitritt zu den Übereinkommen und damit auch die Verwirklichung der in der Empfehlung niedergelegten Leitsätze heute nicht in Frage steht, wird doch das hier zusammengetragene Material auch für uns seinen Wert besitzen, wo immer man sich in Bund, Kantonen oder Privatwirtschaft mit den Problemen der ärztlichen Betreuung der jugendlichen Arbeitnehmer zu befassen hat.

Übereinkommen über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

Durch das Übereinkommen soll die Möglichkeit der Verwendung von Kindern und Jugendlichen, die mit bezahlten oder sonstwie ein direktes oder indirektes Einkommen bringenden Verrichtungen beschäftigt sind, zur Nachtzeit stark eingeengt werden. Während das Übereinkommen über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe von 1919, dem die Schweiz beigetreten ist, unter «Nacht», während der keine Arbeit gestattet wird, einen Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden versteht, der die Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr in sich schliesst, geht das neue Übereinkommen viel weiter.

Kinder unter 14 Jahren und solche über 14 Jahren, für die noch die volle Schulpflicht besteht, sollen zur Nachtzeit während einer Zeitspanne von mindestens 14 Stunden, welche die Zeit zwischen 20 Uhr bis 8 Uhr in sich schliessen muss, nicht beschäftigt werden dürfen (Art. 2). Kinder über 14 Jahre, die von der Pflicht zu einem nicht nur einzelne Stunden umfassenden Schulbesuch entlassen sind, ebenso Jugendliche unter 18 Jahren, sollen in der Nacht während

164 mindestens 12 Stunden, welche die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr einschliessen muss, von der Beschäftigung ausgenommen sein (Art. 8, Abs. 1). Gewisse enge Ausnahmemöglichkeiten sind vorgesehen (Art. 3, Abs. 2).

Das Übereinkommen führt die Bestrebungen für die Zurückdämmung der beruflichen Nachtarbeit einen wichtigen Schritt weiter. Haben sich die bisher aufgestellten Konventionen auf industrielle und gewerbliche Betriebe sowie auf die Landwirtschaft beschränkt, so stösst das neue Übereinkommen nun in den weitern Bereich der nichtindustriellen und -gewerblichen Tätigkeit vor und sucht auch hier zunächst für Kinder und Jugendliche die Nachtarbeit auszuschliessen. Immerhin will das Abkommen wenigstens für den Hausdienst und für reine Familienbetriebe nicht unter allen Umständen Geltung beanspruchen (Art. l, Ziffer 4).

Das Übereinkommen ist aber nicht nur hinsichtlich seines überaus umfassend gesteckten Geltungsbereichs, sondern auch in seiner sachlichen Ausgestaltung Neuland. Begnügten sich die früheren Nachtarbeits-übereinkommen, so namentlich diejenigen, denen die Schweiz beige treten ist (Nachtarbeit von Frauen und von Jugendlichen in gewerblichen Betrieben) mit wenigen die Nachtarbeit prinzipiell verbietenden, aber gewisse Ausnahmen vorsehenden Grundsätzen, so ist das hier zur Erörterung stehende Übereinkommen viel eingehender gehalten, abgesehen davon, dass es noch durch eine Empfehlung ergänzt wird. So verbreitet sich das Übereinkommen namentlich über die Organisation und Sicherung der tatsächlichen Durchführung (Art. 6). Auch die Nachtzone wird gegenüber den von der Schweiz ratifizierten Übereinkommen ausgedehnt, und zwar wie erwähnt auf 14 Stunden (gegenüber 11).

Anderseits ist es gegeben, dass angesichts des weitgespannten Anwendungsbereichs des Übereinkommens auch den nicht zu umgehenden Beschränkungen des Verbotes Beachtung geschenkt wird (Art. 4 und 5). Dabei ist aber keine Möglichkeit des gänzlichen Wegfalls des Nachtarbeitsverbotes offengelassen.

Das Übereinkommen ist durch die Universalität der Ausschaltung der Nachtarbeit, die es für Kinder und Jugendliche anstrebt, sicherlich beachtenswert. Es stellt ein wichtiges Dokument in der Geschichte des Schutzes der jugendlichen Arbeitnehmer dar und verdient auch in seiner Ausgestaltung Anerkennung. Die Schweiz hat den Werdegang des
Übereinkommens aufmerksam verfolgt, obwohl wir uns mangels einer entsprechenden Grundlage in der Bundes- und der kantonalen Gesetzgebung zum vornherein sagen mussten, dass ein Beitritt für uns zur Zeit nicht in Betracht kommen könne. Eine abschliessende Stellungnahme zur Frage des Beitritts kann erst erfolgen, wenn das Schicksal des Bundesgesetzes über die Arbeit im Handel und in den Gewerben entschieden sein wird.

Empfehlung betreffend Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

Die Empfehlung will den Mitgliedstaaten, welche das soeben besprochene Übereinkommen betreffend Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen^bei nichtgewerblichen Arbeiten ratifizieren, bei dessen Einführung

165 an die Hand gehen. Sie will zu einer möglichst einheitlichen Handhabung des Übereinkommens beitragen.

Im einzelnen bringt die Empfehlung in einem ersten Abschnitt unter anderem eingehende Erläuterungen zum sachlichen Geltungsbereich des Übereinkommens. Darnach wäre es wünschbar, dass auch für den Hausdienst zugunsten der darin tätigen Kinder und Jugendlichen Einschränkungen der Nachtarbeit erlassen werden, ferner dass das gleiche für alle zu Erwerbszwecken geführten Betriebe ohne Eücksicht auf den Verwandtschaftsgrad der Personen geschehe, die darin beschäftigt sind. Im zweiten Abschnitt beschäftigt sich die Empfehlung mit der Verwendung von Kindern und Jugendlichen als Schauspieler oder als Filmdarsteller zur Nachtzeit (Art. 5 des Übereinkommens) und sucht auch hier zu einer möglichsten Beschränkung dieser Art von Kinderarbeit beizutragen. Der dritte, längste Abschnitt verbreitet sich einlässlich über die Methoden der Kontrolle der Handhabung des Übereinkommens.

Kann eine uneingeschränkte Verwirklichung der in der Empfehlung enthaltenen Grundsätze aus den gleichen Gründen nicht in Betracht kommen, die heute auch gegen einen Beitritt zum Übereinkommen sprechen, so wird doch der Wert und Nutzen ihrer vielfachen Anregungen dadurch nicht geschmälert. Wir werden, was an uns liegt, der Empfehlung, wo sich immer Gelegenheit dazu bietet, die verdiente Beachtung schenken.

Nach Art. 19, Abs. 5, der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten Übereinkommen und Empfehlungen ein Jahr oder keinesfalls später als 18 Monate nach Schluss der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Behörde zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten. Wie immer erfüllen wir durch den vorliegenden Bericht diese Verpflichtung und empfehlen Ihnen, unseren Ausführungen zuzustimmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. Dezember 1947.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Etter.

Der Bundeskanzler: Leimgruber.

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Bundesblatt.

100. Jahrg. Bd. I.

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166 Beilage.

Neimundzwanzigste Tagung der internationalen Arbeitskonferenz.

(Montreal, 19. September bis 9. Oktober 1946.)

.Die nachfolgend abgedruckten deutschen Texte der Übereinkommen und der Empfehlungen bilden die in Übereinstimmung mit Art. 85 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

Übeieinkommen (Nr. 77) über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltuagsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Montreal einberufen wurde und am 19. September 1946 zu ihrer neunundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe, eine Frage, die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Oktober 1946, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher (Gewerbe) 1946, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf Kinder und Jugendliche, die in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder in Verbindung mit solchen beschäftigt sind oder arbeiten.

2. Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere : a. Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen,

167 1). Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder abgebrochen werden, oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich Schiffsbaubetriebe und Betriebe zur Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität oder sonstiger motorischer Kraft jeder Art, c. Betriebe des Hoch- und Tiefbaues einschliesslich Bau-, Ausbesserungs-, Instandhaitungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten, d. Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern auf Strassen, Eisenbahnen, Binnengewässern oder in der Luft, einschliesslich des Verkehrs mit Gütern in Docks, auf Ausladeplätzen und Werften, in Lagerhäusern und auf Flugplätzen.

3. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Landwirtschaft, Handel und anderen nichtgewerblichen Arbeiten anderseits.

Artikel 2.

1. Kinder und Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen zur Arbeit in einem gewerblichen Betriebe nicht zugelassen werden, ohne nach gründlicher ärztlicher Untersuchung für die Arbeit, bei der sie beschäftigt werden sollen, geeignet befunden worden zu sein.

2. Die ärztliche Untersuchung über die Eignung zur Arbeit ist durch einen berufenen, von der zuständigen Behörde anerkannten Arzt durchzuführen und entweder durch ärztliches Zeugnis oder durch Vermerk in der Arbeitsermächtigung oder im Arbeitsbuche zu bescheinigen.

8. Der Ausweis über die Eignung zur Arbeit kann ausgegeben werden: a. vorbehaltlich bestimmter Arbeitsbedingungen, b. für eine bestimmte Arbeit oder für eine Gruppe von Arbeiten oder Beschäftigungen mit ähnlichen Gefahren für die Gesundheit, die von der Behörde, die für die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften über die ärztliche Eignungsprüfung zuständig ist, zu einer solchen Gruppe zusammengefasst worden sind.

4. Die Gesetzgebung bestimmt die für die Ausstellung des Ausweises über die Arbeitseignung zuständige Behörde und setzt die Bedingungen für die Ausstellung und Ausgabe dieses Ausweises fest.

Artikel 3.

1. Die Eignung der Kinder und Jugendlichen für die von ihnen ausgeübte Arbeit bleibt bis zur Erreichung des achtzehnten Lebensjahres Gegenstand ärztlicher Überwachung.

2. Die Beschäftigung eines Kindes oder Jugendlichen unter achtzehn Jahren darf nur unter der Bedingung fortgesetzt werden, dass die ärztliche Untersuchung wenigstens einmal im Jahre wiederholt wird.

3. Die Gesetzgebung wird

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a. die besonderen Voraussetzungen festsetzen, unter denen eine zusätzliche ärztliche Untersuchung neben der jährlichen Untersuchung oder eine Untersuchung in kürzeren Zeitabständen stattfinden muss, um eine wirksame Überwachung unter Berücksichtigung der mit der Arbeit verbundenen Gefahren und des durch die vorangehenden Untersuchungen ermittelten Gesundheitszustandes des Kindes oder des Jugendlichen zu gewährleisten, b. die zuständige Behörde ermächtigen, in Ausnahmefällen Wiederholungen der ärztlichen Untersuchung zu fordern.

Artikel 4.

1. Für Arbeiten mit hohen Gefahren für die Gesundheit sind die ärztliche Untersuchung über die Arbeitseignung und ihre regelmässige Wiederholung mindestens bis zum einundzwanzigsten Lebensjahre vorzuschreiben.

2. Die Gesetzgebung wird die Arbeiten oder Gruppen von Arbeiten, für welche die ärztliche Untersuchung über die Arbeitseignung und ihre Wiederholungen mindestens bis zum einundzwanzigsten Lebensjahre vorzuschreiben sind, selbst bezeichnen oder eine geeignete Behörde hierzu ermächtigen.

Artikel 5.

Die ärztlichen Untersuchungen auf Grund der vorangehenden Artikel dürfen für das Kind, den Jugendlichen oder die Eltern keinerlei Unkosten zur Folge haben.

Artikel 6.

1. Die zuständige Behörde hat angemessene Massnahmen zur Berufsberatung und körperlichen und beruflichen Umschulung der Kinder und der Jugendlichen au treffen, bei denen die ärztliche Untersuchung Untauglichkeit für bestimmte Arten von Arbeiten oder körperliche Fehler oder Mängel ergeben hat.

2. Die zuständige Behörde bestimmt Art und Umfang dieser Massnahmen.

Zu diesem Zweck ist eine Zusammenarbeit der beteiligten Arbeits-, Arzt-, Schul- und Sozialdienste herbeizuführen und zwischen diesen Diensten zur Durchführung der Massnahmen eine wirksame Fühlung zu erhalten.

3. Die Gesetzgebung kann vorsehen, dass den Kindern und den Jugendlichen, deren Arbeitseignung nicht klar festgestellt ist, a. zeitweilige Arbeitsermächtigungen oder ärztliche Zeugnisse mit zeitlich begrenzter Gültigkeit ausgestellt werden, nach deren Ablauf der jugendliche Arbeitnehmer sich erneut einer Untersuchung zu unterziehen hat, b. Ermächtigungen oder Zeugnisse ausgestellt werden, die besondere Arbeitsbedingungen festsetzen.

169 Artikel 7.

1. Der Arbeitgeber hat entsprechend den von der Gesetzgebung zu treffenden Bestimmungen entweder das ärztliche Zeugnis über die Arbeitseignung oder die Arbeitsennächtigung oder das Arbeitsbuch zum Beweise, dass keine ärztlichen Bedenken gegen die Beschäftigung bestehen, aufzubewahren und zur Verfügung der Arbeitsaufsicht zu halten.

2. Die Gesetzgebung bestimmt die sonstigen Überwachungsverfahren zur Gewährleistung einer strengen Durchführung des Übereinkommens.

Teil u. Sonderbestimmungen für bestimmte Staaten.

Artikel 8.

1. Umfasst das Gebiet eines Mitgliedes ausgedehnte Landesteile, in denen die zuständige Behörde die Bestimmungen dieses Übereinkommens wegen der Spärlichkeit der Bevölkerung oder des Grades ihrer Entwicklung für undurchführbar hält, so kann sie diese Landesteile von der Durchführung des Übereinkommens entweder allgemein oder mit den ihr angemessen erscheinenden Ausnahmen in bezug auf bestimmte Betriebe oder Arbeiten befreien.

2. Jedes Mitglied hat in seinem ersten Jahresberichte, den es auf Grund von Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, alle Landesteile zu bezeichnen, für die es von diesem Artikel Gebrauch zu machen beabsichtigt.

In der Folge darf kein Mitglied von diesem Artikel für andere als die in dieser Weise bezeichneten Landesteile Gebrauch machen.

3. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat in seinen späteren Jahresberichten die Landesteile zu bezeichnen, für die es auf das Recht verzichtet, von den genannten Bestimmungen Gebrauch zu machen.

Artikel 9.

1. Jedes Mitglied, das vor dem Zeitpunkte der Annahme von gesetzlichen Vorschriften, welche die Eatifikation dieses Übereinkommens ermöglichen, keine gesetzlichen Vorschriften über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe besass, kann durch eine der Ratifikation beigefügte Erklärung das in den Artikeln 2 und 8 festgesetzte Alter von achtzehn Jahren durch ein Alter ersetzen, das niedriger als achtzehn, aber keinesfalls niedriger als sechzehn Jahre sein darf, und das in Artikel 4 festgesetzte Alter von einundzwanzig Jahren durch ein Alter, das niedriger als einundzwanzig, aber keinesfalls niedriger als neunzehn Jahre sein darf.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Erklärung abgegeben hat, kann sie durch eine spätere Erklärung jederzeit widerrufen.

170 3. Jedes Mitglied, für das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels in Kraft ist, hat in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, in welchem Umfange Fortschritte in der Eichtung auf die völlige Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens erzielt worden sind.

Artikel 10.

1. Die Bestimmungen von Teil I dieses Übereinkommens finden auf Indien Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen : a. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

b. Als «gewerbliche Betriebe» gelten: I. Fabriken im Sinne des indischen Fabrikgesetzes, II. Bergwerke im Sinne des indischen Bergbaugesetzes, III. Eisenbahnen, IV. alle durch das Kinderarbeitsgesetz von 1988 erfassten Arbeiten.

c. Die Artikel 2 und 3 gelten für Kinder und Jugendliche unter sechzehn Jahren.

d. In Artikel 4 wird die Altersgrenze von einundzwanzig Jahren durch das Alter von neunzehn Jahren ersetzt.

e. Artikel 6, Absatz l und 2, findet auf Indien keine Anwendung.

2. Die Bestimmungen von Absatz l dieses Artikels können im Wege des folgenden Verfahrens abgeändert werden: a. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, auf deren Tagesordnung die Frage steht, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu Absatz l dieses Artikels annehmen.

b. Ein solcher Abänderungsentwurf ist spätestens ein Jahr oder, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen in Indien zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

c. Erlangt Indien die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen, so teilt es die förmliche Batifikation der Abänderung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mit.

d. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von Indien ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

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Teil lu. Schlussbestimmungen.

Artikel 11.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch dieses Übereinkommen nicht berührt.

Artikel 12.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 13.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

8. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 14.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 15.

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Ein tragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

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Artikel 16.

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorangehenden Artikel eingetragenen Eatifikationen und Kündigungen.

Artikel 17.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel. 18.

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: o. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst oline weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 14; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen 'bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 19.

Der französische und der englische Wprtlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Übereinkommen (Ni. 78) über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zu nichtgewerblichen Arbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Montreal einberufen wurde und am 19. September 1946 zu ihrer neunundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zu nichtgewerb-

173 liehen Arbeiten, eine Frage, die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Oktober 1946, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf Kinder und Jugendliche, die bei nichtgewerblichen Arbeiten gegen Lohn oder zur Erzielung eines unmittelbaren oder mittelbaren Verdienstes beschäftigt sind.

2. Als «nichtgewerbliche Arbeiten» im Sinne dieses Übereinkommens gelten alle Arbeiten, die von der zuständigen Behörde nicht als Arbeiten im Gewerbe, in der Landwirtschaft oder auf See bezeichnet werden.

3. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen nichtgewerblichen Arbeiten einerseits und Arbeiten im Gewerbe, in der Landwirtschaft und auf See anderseits.

4. Die Gesetzgebung kann von der Anwendung dieses Übereinkommens Arbeiten in Familienbetrieben ausnehmen, bei denen nur die Eltern und ihre Kinder oder Pflegekinder tätig sind, soweit diese Arbeiten für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen nicht als gefährlich erachtet werden.

Artikel 2.

1. Kinder und Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen zu nichtgewerblichen Arbeiten nicht zugelassen werden, ohne nach gründlicher ärztlicher Untersuchung für die betreffende Arbeit geeignet befunden worden zu sein.

2. Die ärztliche Untersuchung über die Eignung zur Arbeit ist durch einen berufenen, von der zuständigen Behörde anerkannten Arzt durchzuführen und entweder durch ärztliches Zeugnis oder durch Vermerk in der Arbeitsermächtigung oder im Arbeitsbuche zu bescheinigen.

8. Der Ausweis über die Eignung zur Arbeit kann ausgegeben werden: o. vorbehaltlich bestimmter Arbeitsbedingungen, b. für eine bestimmte Arbeit oder für eine Gruppe von Arbeiten oder Beschäftigungen mit ähnlichen Gefahren für die Gesundheit, die von der Behörde, die für die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften über die ärztliche Eignungsprüfung zuständig ist, zu einer solchen Gruppe zusammengefasst worden sind.

4. Die Gesetzgebung bestimmt die für die Ausstellung des Ausweises über die Arbeitseignung zuständige Behörde und setzt die Bedingungen für die Ausstellung und Ausgabe dieses Ausweises fest.

174 Artikel 3.

1. Die Eignung der Kinder und Jugendlichen für die von ihnen ausgeübte Arbeit bleibt bis zur Erreichung des achtzehnten Lebensjahres Gegenstand ärztlicher Überwachung.

2. Die Beschäftigung eines Kindes oder Jugendlichen unter achtzehn Jahren darf nur unter der Bedingung fortgesetzt werden, dass die ärztliche Untersuchung wenigstens einmal im Jahre wiederholt wird.

3. Die Gesetzgebung wird a. die besonderen Voraussetzungen festsetzen, unter denen eine zusätzliche ärztliche Untersuchung neben der jährlichen Untersuchung oder eine Untersuchung in kürzeren Zeitabständen stattfinden muss, um eine wirksame Überwachung unter Berücksichtigung der mit der Arbeit verbundenen Gefahren und des durch die vorangehenden Untersuchungen ermittelten Gesundheitszustandes des Kindes oder des Jugendlichen zu gewährleisten, b. die zuständige Behörde ermächtigen, in Ausnahmefällen Wiederholungen der ärztlichen Untersuchung zu fordern.

Artikel 4.

1. Für Arbeiten mit hohen Gefahren für die Gesundheit sind die ärztliche Untersuchung über die Arbeitseignung und ihre regelmässige Wiederholung mindestens bis zum einundzwanzigsten Lebensjahre vorzuschreiben.

2. Die Geisetzgebung wird die Arbeiten oder Gruppen von Arbeiten, für welche die ärztliche Untersuchung über die Arbeitseignung und ihre Wiederholungen mindestens bis zum einundzwanzigsten Lebensjahre vorzuschreiben sind, selbst bezeichnen oder eine geeignete Behörde hierzu ermächtigen.

Artikel 5.

Die ärztlichen Untersuchungen auf Grund der vorangehenden Artikel dürfen für das Kind, den Jugendlichen oder die Eltern keinerlei Unkosten zur Folge haben.

Artikel 6.

1. Die zuständige Behörde hat angemessene Massnahmen zur Berufsberatung und körperlichen und beruflichen Umschulung der Kinder und der Jugendlichen zu treffen, bei denen die ärztliche Untersuchung Untauglichkeit für bestimmte Arten von Arbeiten oder körperliche Fehler oder Mängel ergeben hat.

2. Die zuständige Behörde bestimmt Art und Umfang dieser Massnahmen.

Zu diesem Zweck ist eine Zusammenarbeit der beteiligten Arbeits-, Arzt-, Schul- und Sozialdienste herbeizuführen und zwischen diesen Diensten zur Durchführung der Massnahmen eine wirksame Fühlung zu erhalten.

175

3. Die Gesetzgebung kann vorsehen, dass den Kindern und den Jugendlichen, deren Arbeitseignung nicht klar festgestellt ist, a. zeitweilige Arbeitsermächtigungen oder ärztliche Zeugnisse mit zeitlich begrenzter Gültigkeit ausgestellt werden, nach deren Ablauf der jugendliche Arbeitnehmer sich erneut einer Untersuchung zu unterziehen hat, b. Ermächtigungen oder Zeugnisse ausgestellt werden, die besondere Arbeitsbedingungen festsetzen.

Artikel 7.

1. Der Arbeitgeber hat entsprechend den von der Gesetzgebung zu treffenden Bestimmungen entweder das ärztliche Zeugnis über die Arbeitseignung oder die Arbeitsermächtigung oder das Arbeitsbuch zum Beweise, dass keine ärztliohen Bedenken gegen die Beschäftigung bestehen, aufzubewahren und zur Verfügung der Arbeitsaufsicht zu halten.

2. Die Gesetzgebung bestimmt: a. die Massnahmen, die zur Feststellung der Persönlichkeit zu treffen sind, um die Anwendung des Verfahrens der ärztlichen Eignungsprüfung auf die Kinder und die Jugendlichen zu gewährleisten, die für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer Eltern im Umherziehen oder bei anderen auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten ausgeführten Arbeiten .beschäftigt werden, b. die sonstigen Überwachungsverfahren zur Gewährleistung einer strengen Durchführung des Übereinkommens.

Teil II. Sonderbestimmungen für bestimmte Staaten.

Artikel 8.

1. Umfasst das Gebiet eines Mitgliedes ausgedehnte Landesteile, in denen die zuständige Behörde die Bestimmungen dieses "Übereinkommens wegen der Spärlichkeit der Bevölkerung oder des Grades ihrer Entwicklung für undurchführbar hält, so kann sie diese Landesteile von der Durchführung des Übereinkommens entweder allgemein oder mit den ihr angemessen erscheinenden Ausnahmen in bezug auf bestimmte Betriebe öder Arbeiten befreien.

2. Jedes Mitglied hat in seinem ersten Jahresberichte, den es. auf Grund von Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung dieses Übereinkommens vorzulegen hat, alle Landesteile zu bezeichnen, für die es von diesem Artikel Gebrauch zu machen beabsichtigt.

In der Folge darf kein Mitglied von diesem Artikel für andere als die in dieser Weise bezeichneten Landesteile Gebrauch machen.

3. Jedes Mitglied, das von den Bestimmungen dieses Artikels Gebrauch macht, hat in seinen späteren Jahresberichten die Landesteile zu bezeichnen, für die es auf das Recht verzichtet, von den genannten Bestimmungen Gebrauch zu machen.

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Artikel 9.

1. Jedes Mitglied, das vor dem Zeitpunkte der Annahme von gesetzlichen Vorschriften, welche die Eatifikation dieses Übereinkommens ermöglichen, keine gesetzlichen Vorschriften über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zu nichtgewerblichen Arbeiten besass, kann durch eine der Eatifikation beigefügte Erklärung das in den Artikeln 2 und 8 festgesetzte Alter von achtzehn Jahren durch ein Alter ersetzen, das niedriger als achtzehn Jahre, aber keinesfalls niedriger als sechsehn Jahre sein darf, und das in Artikel 4 festgesetzte Alter von einundzwanzig Jahren durch ein Alter, das niedriger als einundzwanzig, aber keinesfalls niedriger als neunzehn Jahre sein darf.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Erklärung abgegeben hat, kann sie durch eine spätere Erklärung jederzeit widerrufen.

3. Jedes Mitglied, für das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels in Kraft ist, hat in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, in welchem Umfange Fortschritte in der Eichtung auf die völlige Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens erzielt worden sind.

Teil in. Schlussbestimmungen.

Artikel 10.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, ' Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch dieses Übereinkommen nicht berührt.

Artikel 11.

Die förmlichen Eatifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 12.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 13.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal

177 in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen.

Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 14.

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Eatifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Batifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 15.

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 . der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorangehenden Artikel eingetragenen Eatifikationen und Kündigungen.

Artikel 16.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 17.

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vcrliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Eücksicht auf Artikel 13; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

178 b. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft f ü r die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 18.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Empfehlung (Nr. 79) betreffend die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Montreal einberufen wurde und am 19. September 1946 zu ihrer neunundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit, eine Frage, die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört.

Nach Annahme von Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung der Eignung von Kindern und Jugendlichen zur Arbeit im Gewerbe und zu nichtgewerblichen Arbeiten hat die Konferenz beschlossen, diese Übereinkommen durch eine Empfehlung zu ergänzen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Oktober 1946, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend ärztliche Untersuchung Jugendlicher, 1946, bezeichnet wird.

Die Konferenz geht davon aus, dass die Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher, 1946, die Grundlagen einer Kegelung über die ärztliche Eignungsprüfung zum Schütze der Gesundheit der Kinder und der Jugendlichen gegen die Gefahren ungeeigneter Arbeit schaffen, aber die Wahl der praktischen Verfahren im einzelnen der Gesetzgebung überlassen.

Die Konferenz stellt fest, dass zwar praktische Anpassungen des Verfahrens der ärztlichen Untersuchungen zugelassen sind, damit dieses in das allgemeine Verwaltungssystem der einzelnen Mitgliedstaaten eingebaut werden kann, dass aber die Gewährleistung einer angemessen einheitlichen Durchführung der Übereinkommen erwünscht erscheint, um den Schutz der Kinder und der Jugendlichen, der den Zweck dieser Übereinkommen bildet, auf dem höchstmöglichen Stande zu erhalten.

Die Konferenz erachtet es ferner für erwünscht, allen Mitgliedern die Verfahren zur Kenntnis zu bringen, die in bestimmten Staaten befriedigende

179 Ergebnisse gezeitigt haben und die den Mitgliedern als Eichtlinien dienen könnten.

Die Konferenz empfiehlt demgemäss den Mitgliedern, die folgenden Bestimmungen anzuwenden, sobald die einzelstaatlichen Voraussetzungen es gestatten, und dem Internationalen Arbeitsamt in der vom Verwaltungsrate festzusetzenden Weise über die zu ihrer Verwirklichung getroffenen Massnahmen zu berichten.

I. Geltungsbereich der Regelung.

1. Die Bestimmungen des Übereinkommens über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, sollten auf alle in den nachstehend bezeichneten öffentlichen oder privaten Betrieben oder Diensten oder in Verbindung mit ihnen ausgeführten Arbeiten angewendet werden; a. Handelsbetriebe, einschliesslich Zustellungsdienste, b. Post und Fernverständigungsdienste, einschliesslich Zustellungsdienste, c. Betriebe und Verwaltungen, in denen Büroarbeit überwiegt, d. Presseunternehmen (Redaktion, Verteilung, Zustellungsdienste und Zeitungseinzelverkauf auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten), e. Hotels, Pensionen; Gastwirtschaften, Klubs, Kaffeehäuser und andere Betriebe, in denen Speisen oder Getränke an Gäste verabreicht werden, sowie gegen Lohn verrichtete häusliche Dienste in Privathaushaltungen, /. Betriebe, die der Behandlung oder Unterbringung von Kranken, Gebrechlichen oder Bedürftigen und von Waisen dienen, g. Theater- und andere Vergnügungsbetriebe, h. Handel im Umherziehen, Hausierhandel mit Gegenständen jeder Art und alle anderen Beschäftigungen oder Dienste, die auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten ausgeübt werden, i. alle anderen Arbeiten, Beschäftigungen und Dienste, die nicht gewerblicher, landwirtschaftlicher oder seemännischer Art sind.

2. Unbeschadet der den Mitgliedern im Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, belassenen Möglichkeit, von dessen Geltungsbereiche die Arbeit in Familienbetrieben auszunehmen, in denen nur die Eltern und ihre Kinder oder Pflegekinder tätig sind, soweit es sich um Arbeit handelt, die für die Gesundheit der Kinder und der Jugendlichen nicht als gefährlich zu gelten hat, sollten die Regierungen die Tatsache berücksichtigen, dass unter allgemeinen Gesichtspunkten ungefährliche Arbeiten doch mit Gefahren für bestimmte Personen verbunden sein können,
denen die notwendigen Fähigkeiten für eine gegebene Arbeit oder zur Arbeit überhaupt fehlen. Deshalb sollten die Regierungen darauf hinwirken, die Regelung über die ärztliche Eignungsprüfung auf alle auf

180 Gewinn gerichteten Arbeiten zu erstrecken, ungeachtet des Verwandtschaftsverhältnisses der bei solchen Arbeiten beschäftigten Personen.

II. Massnahmen betreffend die ärztlichen Untersuchungen.

3. Unbeschadet der ärztlichen Untersuchung bei Arbeitsaufnahme zur Feststellung der Eignung des Kindes oder Jugendlichen für eine gegebene Arbeit gemäss Artikel 2 der genannten Übereinkommen sollten alle Kinder, vorzugsweise vor Ende der Schulpflicht, einer allgemeinen ärztlichen Untersuchung unterzogen werden, deren Ergebnisse von den Berufsberatungsstellen verwertet werden können.

4. Die gründliche ärztliche Untersuchung, die bei Arbeitsaufnahme vorgenommen werden muss, sollte a. alle zur Feststellung der Eignung oder Nichteignung für die fragliche Arbeit dienlichen kimischen, radiologischen und Laboratoriumsuntersuchungen umfassen, b. in jedem Falle durch angemessene Beratung über Gesundheitspflege ergänzt werden.

5. Die regelmässig zu wiederholenden Untersuchungen sollten a. in der gleichen Weise wie die Untersuchung bei Arbeitsaufnahme vorgenommen werden, b. durch angemessene Beratung über Gesundheitspflege und, wenn erforderlich, durch zusätzliche Berufsberatung im Hinblick auf einen Wechsel der Arbeit ergänzt werden.

6. (1) Die Ergebnisse der Untersuchung sollten vollständig auf eine Index karte eingetragen werden, die bei den Akten der für die Vornahme der Untersuchungen verantwortlichen ärztlichen Dienste aufzubewahren ist.

(2) Die zur Mitteilung an den Arbeitgeber bestimmten Angaben in dem ärztlichen Zeugnis oder die Vermerke über die ärztliche Untersuchung auf der Arbeitskarte oder in dem Arbeitsbuche sollten deutlich genug sein, um die bei der Untersuchung festgestellten Grenzen der Arbeitseignung und die entsprechenden Vorsichtsmassnahmen anzuzeigen, die in bezug auf die Arbeitsbedingungen zu treffen sind. Doch sollten diese Angaben niemals vertrauliche Auskünfte enthalten, wie die Diagnose von durch die Untersuchung festgestellten angeborenen Mängeln oder Krankheiten.

7. (1) Da die Entwicklung in den meisten Fällen mit dem achtzehnten Lebensjahre nicht abgeschlossen ist und demgemäss das Bedürfnis nach einem besonderen Schatze weiterbesteht, wäre es erwünscht, die pflichtmässige ärztliche Untersuchung aller bei gewerblichen oder nichtgewerblichen Arbeiten beschäftigten jugendlichen
Arbeitnehmer mindestens bis zum einundzwanzigsten Lebensjahre zu erstrecken.

(2) Die Höhe der Gefahr, die es rechtfertigt, dass die ärztliche Untersuchung nach Artikel 4 der genannten Übereinkommen bis zum einundzwanzigsten

181

Lebensjahr erstreckt wird, ist mindestens in weitem Sinn auszulegen. Dabei sollten insbesondere alle Arbeiten im Bergbau, in Krankenhäusern und bei öffentlichen Darbietungen wie Tanz und Akrobatik erfasst werden.

8. Der vorstehende Absatz sollte nicht so ausgelegt werden, als ob dadurch die Verpflichtung zur Anwendung der Vorschriften internationaler Übereinkommen oder der Gesetzgebung betroffen würde, welche die Beschäftigung Jugendlicher bei bestimmten Arbeiten mit hohen Gefahren für die Gesundheit verbieten oder die Überwachung der Gesundheit aller bei solchen Arbeiten tätigen Personen ungeachtet ihres Alters vorsehen.

HI. Massnahmen betreffend Personen, die bei der Untersuchung als zur Arbeit ungeeignet oder nur begrenzt geeignet befunden werden.

9. Die Massnahmen der einzelstaatlichen Behörden zur Durchführung von Artikel 6 der genannten Übereinkommen sollten insbesondere Massnahmen einschliessen, die sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche, bei denen die ärztliche Untersuchung körperliche Fehler oder Mängel oder allgemeine Arbeitsunfähigkeit ergeben hat, a. die notwendige ärztliche Behandlung erhalten, um ihre Fehler oder Mängel zu beheben oder zu mildern, b. zur Wiederaufnahme des Schulbesuches ermutigt oder geeigneten, ihren Wünschen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeiten zugeführt werden, wobei für sie Gelegenheiten zur Ausbildung für solche Arbeiten vorzusehen sind, c. während der Dauer der ärztlichen Behandlung, des Schulbesuches oder der beruflichen Ausbildung erforderlichenfalls Geldbeihilfen erhalten.

10. Um Kinder und Jugendliche, bei denen die ärztliche Untersuchung geschwächte körperliche Widerstandskraft oder bestimmte Mängel ergeben hat, leichter den für sie geeigneten Arbeiten zuführen zu können, sollten durch berufene Fachleute unter gemeinsamer Verantwortung der ärztlichen und der für Arbeitsfragen zuständigen Dienste Verzeichnisse der Berufe und Arbeiten angelegt werden, die für die einzelnen Gruppen schwächlicher oder an körperlichen Mängeln leidender jugendlicher Arbeitnehmer geeignet sind. Diese Verzeichnisse sollten den die Untersuchung vornehmenden Ärzten als Eichtlinien dienen, ohne für sie bindend zu sein.

IV. Verantwortliche Behörden.

11. (1) Zur Gewährleistung einer vollen Wirksamkeit der ärztlichen Untersuchung jugendlicher Arbeitnehmer sollten Massnahmen
zur Ausbildung eines Stabes von Untersuchungsärzten getroffen werden, die Schulung auf dem Gebiete der Gewerbehygiene und umfassende Erfahrung in den die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen betreffenden ärztlichen Fragen besitzen.

Bundesblatt. 100. Jahrg. Bd. I.

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(2) Die zuständige Behörde sollte dafür sorgen, dass zu diesem Zwecke Lehrgänge und praktische Studien stattfinden.

(8) Die Untersuchungsärzte sollten auf Grund der in Absatz (1) angegebenen Befähigungen ausgewählt werden.

12. Das System der ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitseignung sollte so verwaltet werden, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen den ärztlichen Untersuchungsdiensten und den für die Erteilung der Arbeitsermächtigung an Kinder und Jugendliche sowie für die Überwachung ihrer Arbeitsbedingungen zuständigen Dienste gewährleistet ist.

V. Durchîuhrungsverîahren.

18. (1) Um die ordnungsmässige Durchführung der ärztlichen Untersuchung zur Peststellung der Arbeitseignung der Kinder und der Jugendlichen zu gewährleisten, die entweder in einem gewerblichen oder in einem nichtgewerblichen Betriebe selbst oder im Zusammenhang mit ihm beschäftigt sind, sollte der Arbeitgeber verpflichtet sein, eine bestimmte Behörde von der Einstellung jedes jugendlichen Arbeitnehmers unter der für die Untersuchung vorgeschrie benen gesetzlichen Altersgrenze zu verständigen.

(2) Diese Behörde sollte entweder sein: a. der ärztliche Dienst, der für die Vornahme der Untersuchungen und die Führung lückenloser Aufzeichnungen über ihre Ergebnisse verantwortlich ist, oder fc. der Dienst, der die Befugnis hat, auf Grund der Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung die Ermächtigung für die Beschäftigung eines Kindes oder eines Jugendlichen zu erteilen.

14. Um Gewähr zu bieten, dass die ärztliche Untersuchung über die Arbeitseignung der Kinder und der Jugendlichen, die für eigene Eechnung oder für Eechnung ihrer Eltern im Umherziehen oder in einem anderen auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten ausgeübten Berufe tätig sind, ordnungsgemäss durchgeführt wird, ist folgendes zu beobachten: a. Die im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer unter der Altersgrenze, bis zu der die ärztliche Eignungsprüfung pflichtmässig vorgeschrieben ist, sollten gehalten sein, sich mit einem persönlichen Ausweise zu versehen, der vorzugsweise von einem der Arbeitsyerwaltung unterstellten Dienst ausgestellt wird. Dieser Ausweis sollte auf Grund des Zeugnisses über die Arbeitseignung ausgestellt und alljährlich, gestützt auf die Ergebnisse der jährlichen Untersuchung, erneuert werden.

Der Ausweis sollte mit einer laufenden Nummer und mit der Photographie oder der Unterschrift oder einem anderen Zeichen zur Feststellung der Persönlichkeit des Inhabers versehen sein und überdies Angaben enthalten über: I. Name, Alter und Adresse des Inhabers,

183 II. Name und Adresse seiner Eltern mit der Erklärung, dass sie dem Kind oder dem Jugendlichen die Erlaubnis zu der im Ausweise bezeichneten Arbeit erteilt haben, III. die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung bei Arbeitseintritt und die späteren Untersuchungsergebnisse.

fe. Die Inhaber der vorstehend genannten Ausweise sollten gehalten sein, ein Abzeichen mit einer der Ausweisnummer entsprechenden laufenden Nummer sichtbar zu tragen.

c. Zwischen den mit der Durchführung der Gesetzgebung betrauten Diensten der Arbeitsaufsicht und den örtlichen Behörden, insbesondere der Polizei, sollte eine volle Zusammenarbeit hergestellt werden, um die Papiere der im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer regelmässig zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie den Vorschriften über die ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Arbeitseignung entsprechen.

Obereinkommen (Nr. 79) über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Montreal einberufen wurde und am 19. September 1946 zu ihrer neunundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten, eine Frage, die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und hat dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Oktober 1946, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1.

1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf Kinder und Jugendliche, die bei nichtgewerblichen Arbeiten gegen Lohn oder zur Erzielung eines unmittelbaren oder mittelbaren Verdienstes beschäftigt sind.

2. Als «nichtgewerbliche Arbeiten» im Sinne dieses Übereinkommens gelten alle Arbeiten, die von der zuständigen Behörde nicht als Arbeiten im Gewerbe, in der Landwirtschaft oder auf See bezeichnet werden.

3. Die zuständige Behörde bestimmt die Grenze zwischen nichtgewerblichen Arbeiten einerseits und Arbeiten im Gewerbe, in der Landwirtschaft und auf See anderseits.

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4. Die Gesetzgebung kann von der Anwendung dieses Übereinkommens ausnehmen : a. die häuslichen Dienste in Privathaushaltungen, b. Arbeiten in Familienbetrieben, bei denen nur die Eltern und ihre Kinder oder Pflegekinder tätig sind, soweit diese Arbeiten nicht für Kinder und Jugendliche als schädlich, nachteilig oder gefährlich erachtet werden.

Artikel 2.

1. Kinder unter vierzehn Jahren, die zur Voll- oder Teilbeschäftigung zugelassen werden können, und Kinder über vierzehn Jahren, die noch der vollen Schulpflicht unterstehen, dürfen während der Nacht während einer Zeitspanne von mindestens vierzehn aufeinanderfolgenden Stunden, welche die Zeit zwischen acht Uhr abends und acht Uhr morgens in sich schliesst, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

2. Doch kann die Gesetzgebung auf Grund örtlicher Voraussetzungen diese Zeitspanne durch eine andere Zeitspanne von zwölf Stunden ersetzen, die nicht später als um acht Uhr dreissig Minuten abends beginnen und nicht früher als um sechs Uhr morgens enden darf.

Artikel 3.

1. Kinder über vierzehn Jahren, die der vollen Schulpflicht nicht mehr unterstehen, sowie Jugendliche unter achtzehn Jahren dürfen während der Nacht während einer Zeitspanne von mindestens zwölf aufeinanderfolgenden Stunden, welche die Zeit zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens in sich schliesst, weder beschäftigt werden noch arbeiten.

2. Wenn für einen bestimmten Wirtschaftszweig oder ein bestimmtes Gebiet aussergewöhnliche Umstände vorliegen, kann jedoch die zuständige Behörde nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer verfügen, dass für die in diesem Wirtschaftszweig oder Gebiete beschäftigten Kinder und Jugendlichen die Zeitspanne von elf Uhr abends bis sieben Uhr morgens an die Stelle der Zeitspanne von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgens treten darf.

Artikel 4.

1. In Ländern, in denen die Arbeit am Tag infolge des Klimas besonders angreifend ist, kann die Dauer der Nacht kürzer bemessen werden, als in den vorangehenden Artikeln bestimmt ist, vorausgesetzt, dass am Tag Ausgleichsruhe gewährt wird.

2. Das Verbot der Nachtarbeit kann durch Verfügung der Begierung für Jugendliche über sechzehn Jahren ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das Staatswohl infolge besonders schwerwiegender Umstände erfordert.

185

3. Die Gesetzgebung kann eine berufene Behörde zur Gewährung zeitweiliger Einzelerlaubnisse ermächtigen, um Jugendlichen nach vollendetem sechzehnten Lebensjahre zu ermöglichen, während der Nacht zu arbeiten, wenn es zwingende Gründe der Berufsausbildung erfordern; doch darf die tägliche Euhezeit nicht weniger als elf aufeinanderfolgende Stunden betragen.

Artikel 5._ 1. Die Gesetzgebung kann eine berufene Behörde zur Gewährung von Einzelerlaubnissen ermächtigen, um Kindern oder Jugendlichen unter achtzehn Jahren zu ermöglichen, als Künstler in den Nachtstunden bei öffentlichen Aufführungen aufzutreten oder in den Nachtstunden als Schauspieler bei Filmaufnahmen mitzuwirken.

2. Die Gesetzgebung bestimmt das Mindestalter, nach dessen Erreichung eine solche Einzelerlaubnis gewährt werden kann.

3. Eine solche Erlaubnis darf nicht gewährt werden, wenn es wegen der Art der Aufführung oder des Filmes oder wegen der Umstände, unter denen die Aufführung oder die Aufnahme stattfindet, für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit des Kindes oder des Jugendlichen gefährlich sein kann, daran teilzunehmen.

4. Für die Gewährung der Erlaubnis gelten folgende Bedingungen: a. Die Beschäftigungszeit darf Mitternacht nicht, überschreiten.

6. Strenge Sicherungen sind zu treffen, um Gesundheit und Sittlichkeit der Kinder oder der Jugendlichen zu schützen, ihnen gute Behandlung zu gewährleisten und eine Beeinträchtigung ihres Unterrichtes zu verhüten.

c. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist eine Euhezeit von mindestens vierzehn aufeinanderfolgenden Stunden zu gewähren.

Artikel 6.

1. Um die wirksame Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu gewährleisten, wird die Gesetzgebung a. ein den Eigentümlichkeiten der verschiedenen, durch dieses Übereinkommen erfassten Tätigkeitszweige angepasstes, amtliches Aufsichtsund Überwachungsverfahren vorsehen.

fc. den Arbeitgeber verpflichten, ein Verzeichnis zu führen oder amtliche Belege bereitzuhalten, aus denen sich die Namen und Geburtsdaten aller von ihm beschäftigten Personen unter achtzehn Jahren sowie ihre Arbeitszeiten ergeben; im Falle von Kindern und Jugendlichen, die auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten beschäftigt werden, sind in den Verzeichnissen oder Belegen die im Arbeitsvertrage festgesetzten Arbeitsstunden anzugeben,

186 c. geeignete Massnahmen treffen, um die Feststellung und Überwachung der Personen unter achtzehn Jahren zu gewährleisten, die für Eechnung eines Arbeitgebers oder für eigene Eechnung Beschäftigungen oder Arbeiten auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten verrichten, d. Strafen gegen die Arbeitgeber und anderen verantwortlichen erwachsenen Personen vorsehen, welche diese Vorschriften übertreten.

2. Die Jahresberichte nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation müssen vollständige Angaben über alle Massnahmen der Gesetzgebung zur Durchführung dieses Übereinkommens enthalten und insbesondere über: a. alle Zeitspannen, die gegebenenfalls an die Stelle der in Artikel 2, Absatz l, festgesetzten Zeitspanne auf Grund von Absatz 2 des genannten Artikels treten ; b. das Ausmass der Inanspruchnahme von Artikel 3, Absatz 2, c. die zur Gewährung von Einzelerlaubnissen auf Grund von Artikel 5, Absatz l, ermächtigten Behörden und das für die Gewährung von Erlaubnissen nach Absatz 2 des genannten Artikels festgesetzte Mindestalter.

Teil u. Sonderbestimmungen für bestimmte Staaten.

Artikel 7.

1. Jedes Mitglied, das vor dem Zeitpunkte der Annahme von gesetzlichen Vorschriften, welche die Eatifikation dieses Übereinkommens ermöglichen, keine gesetzlichen Vorschriften über die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten besass, kann durch eine der Eatifikation beigefügte Erklärung das in Artikel 3 festgesetzte Alter durch ein Alter ersetzen, das niedriger als achtzehn, aber keinesfalls niedriger als sechzehn Jahre sein darf.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Erklärung abgegeben hat, kann sie durch eine spätere Erklärung jederzeit widerrufen.

3. Jedes Mitglied, für das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels in Kraft ist, hat in seinem Jahresbericht über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, in welchem Umfange Fortschritte in der Eichtung auf die völlige Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens erzielt worden sind.

Artikel 8.

L. Die Bestimmungen von Teil I dieses Übereinkommens finden auf Indien Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen: a. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

b. Die
zuständige Behörde kann von der Durchführung des Übereinkommens Kinder und Jugendliche in Betrieben ausnehmen, in denen weniger als zwanzig Personen beschäftigt sind.

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c. Artikel 2 des Übereinkommens findet Anwendung auf Kinder unter zwölf Jähren, die zur Voll- oder Teilbeschäftigung zugelassen werden können, und auf voll schulpflichtige Kinder über zwölf Jahren.

d. Artikel 3 des Übereinkommens findet Anwendung auf Kinder über zwölf Jahren, die der vollen Schulpflicht nicht unterstehen, und auf Jugendliche unter fünfzehn Jahren.

e. Die nach Artikel 4, Absatz 2 und 3, zugelassenen Ausnahmen finden Anwendung auf Jugendliche, die das vierzehnte Lebensjahr erreicht oder überschritten haben.

/. Artikel 5 findet Anwendung auf Kinder und Jugendliche unter fünfzehn Jahren.

2. Die Bestimmungen von Absatz l dieses Artikels können im Wege des folgenden Verfahrens abgeändert werden: a. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, auf deren Tagesordnung die Frage steht, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu Absatz l dieses Artikels annehmen.

fe. Ein solcher Abänderungsentwurf ist spätestens ein Jahr oder, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen, spätestens achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen in Indien zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

c. Erlangt Indien die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen, so teilt es die förmliche Eatifikation der Abänderung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mit.

d. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von Indien ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

Teil in. Schlussbestimmungen.

Artikel 9.

Soweit kraft Gesetz, Entscheidung, Gewohnheit oder Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern günstigere Bedingungen gelten, als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind, werden diese durch dieses Übereinkommen nicht berührt.

Artikel 10.

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zwecks Eintragung mitzuteilen.

Artikel 11.

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Eatifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

188 2. Es tritt in Kraft zwölf Monate, nachdem · die Eatifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Eatifikation in Kraft.

Artikel 12.

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen.

Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absätze genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrechte keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden.

In der Folge kann, es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 13.

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Eatifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Eatifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 14.

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charte der Vereinigten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorangehenden Artikel eingetragenen Eatifikationen und Kündigungen.

Artikel 15.

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens jeweils bei Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

189 Artikel 16.

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Eatifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich, ohne Bücksicht auf Artikel 12; Voraussetzung ist dabei, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorhegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 17.

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Empfehlung (Nr. 80) betreffend Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten.

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrate des Internationalen Arbeitsamtes nach Montreal einberufen wurde und am 19. September 1946 zu ihrer neunundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Begrenzung der Nachtarbeit von Kindern1 und Jugendlichen bei nichtgewerblichen Arbeiten, eine Frage, die zum dritten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört.

Nach Annahme eines Übereinkommens über diesen Gegenstand hat die Konferenz beschlossen, dieses Übereinkommen durch eine Empfehlung zu ergänzen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Oktober 1946, die folgende Empfehlung an. die als Empfehlung betreffend Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, bezeichnet wird.

Die Konferenz geht davon aus, dass das Übereinkommen über die Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, die Grundlage des gesetzlichen Schutzes gegen die Gefahren der Nachtarbeit bei nicht gewerblichen Arbeiten schafft, bei denen jugendliche Arbeitnehmer in grosser Zahl beschäftigt sind.

Die Konferenz stellt fest, dass das Übereinkommen zwar, in Anbetracht der grossen Verschiedenartigkeit der durch seine Bestimmungen erfassten Be-

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schäftigungen and der Vielgestaltigkeit der in den einzelnen Ländern bestehenden Gebräuche und Voraussetzungen, bei der Verwirklichung seiner allgemeinen Normen der Gesetzgebung die erforderliche Anpassung gestattet, dass aber gleichwohl die Sicherung einer möglichst einheitlichen Durchführung des Übereinkommens erwünscht ist.

Die Konferenz erachtet ferner für erwünscht, dass bestimmten Verfahren Bechnung getragen werden sollte, die befriedigende Ergebnisse gezeitigt haben und die den Mitgliedern der Organisation deshalb als Richtlinien dienen können.

Die Konferenz empfiehlt demgemäss den Mitgliedern, die folgenden Bestimmungen anzuwenden, sobald die einzelstaatlichen Voraussetzungen es gestatten, und dem Internationalen Arbeitsamt in der vom Verwaltungsrate festzusetzenden Weise über die zu ihrer Verwirklichung getroffenen Massnahmen zu berichten.

I. Geltungsbereich der Regelung.

1. Die Bestimmungen des Übereinkommens über Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, sollten auf alle in den nachstehend bezeichneten öffentlichen oder privaten Betrieben oder Diensten oder in Verbindung mit ihnen ausgeführten Arbeiten angewendet werden: a. Handelsbetriebe, einschliesslich Zustellungsdienste, b. Post- und. Fernverständigungsdienste, einschliesslich Zustellungsdienste, c. Betriebe und Verwaltungen, in denen Büroarbeit überwiegt, d. Presseunternehmen (Redaktion, Verteilung, Zustellungsdienste und Zeitungseinzelverkauf auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten), e. Hotels, Pensionen, Gastwirtschaften, Klubs, Kaffeehäuser und andere Betriebe, in denen Speisen oder Getränke an Gäste verabreicht werden, /. Betriebe, die der Behandlung oder Unterbringung von Kranken, Gebrechlichen oder Bedürftigen und von Waisen dienen, g. Theater- und andere Vergnügungsbetriebe, h. Handel im Umherziehen, Hausierhandel mit Gegenständen jeder Art und alle anderen Beschäftigungen oder Dienste, die auf Strassen oder an allgemein zugänglichen Orten ausgeübt werden, i. alle anderen Arbeiten, Beschäftigungen und Dienste, die nicht gewerblicher, landwirtschaftlicher oder seemännischer Art sind.

2. Unbeschadet der den Mitgliedern im Übereinkommen über die Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, belassenen Möglichkeit, von dessen Geltungsbereiche die gegen Lohn oder Verdienst in
Privathaushaltungen geleisteten häuslichen Dienste sowie die Arbeit in Familienbetrieben auszunehmen, in denen nur die Eltern und ihre Kinder oder Pflegekinder tätig sind, soweit solche Arbeiten nicht als schädlich, nachteilig oder gefährlich für Kinder und Jugendliche zu gelten haben, werden die Mitglieder auf die Zweckmässigkeit aufmerksam gemacht,

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a. geeignete gesetzliche und verwaltungsmässige Massnahmen zur Begrenzung der Nachtarbeit der in häuslichen Diensten stehenden Kinder und Jugendlichen unter achtzehn Jahren zu treffen, b. die Durchführung der Eegelung über die Begrenzung der Nachtarbeit bei nichtgewerblichen Arbeiten auf alle auf Gewinn gerichteten Betriebe zu erstrecken ohne Rücksicht auf das Verwandtschaftsverhältnis der dort beschäftigten Personen.

II. Beschäftigung bei öffentlichen Aufführungen.

3. Wo örtlichen Behörden nach Artikel 5 des Übereinkommens über die Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, die Befugnis übertragen ist, Kindern und Jugendlichen die persönliche Erlaubnis zu erteilen, in den Nachtstunden bei öffentlichen Aufführungen aufzutreten oder in den Nachtstunden als Schauspieler bei Filmaufnahmen mitzuwirken, sollte mit der Überwachung der Erteilung dieser Erlaubnis eine übergeordnete Behörde betraut werden, an welche die Beteiligten gegen Verweigerung der Erlaubnis oder gegen jede in ihr festgesetzte Bedingung Berufung einlegen können.

4. Die Erlaubnis sollte mit zeitlich beschränkter Gültigkeit erteilt und an die nach den Umständen jedes Falles für den Schutz der Kinder oder Jugendlichen notwendigen Bedingungen gebunden sein.

5. Kindern unter vierzehn Jahren sollte eine Erlaubnis nur in Ausnahmefällen erteilt werden, wenn die Notwendigkeit der beruflichen Ausbildungöder die frühzeitige Begabung des Kindes es rechtfertigen. Dabei sollten die folgenden Bedingungen eingehalten werden: a. Diese Erlaubnis sollte grundsätzlich nur Kindern erteilt werden, die Theater- oder Musikschulen besuchen.

b. Die Nachtarbeit sollte, soweit möglich, auf drei Abende in der Woche oder bei Zugrundelegung einer längeren Zeitspanne auf durchschnittlich drei Abende in der Woche begrenzt werden.

c. Die Beschäftigung sollte um zehn Uhr abends enden, oder es sollte eine ununterbrochene Ruhezeit von sechzehn Stunden gewährt werden.

III. Überwachuugsmassnahmen.

6. Unbeschadet des Grundsatzes von Absatz 12 der Empfehlung über die Aufsichtsdienste, 1923, wonach dem Aufsichtsdienste sowohl Männer wie Frauen mit gleichen Befugnissen und Aufgaben und in gleicher Stellung angehören sollen, wäre die Berücksichtigung der Erfahrungen bestimmter Staaten erwünscht, wonach sich die Betrauung weiblicher Aufsichtsbeamten mit der Überwachung der Durchführung der Vorschriften über den Schutz jugendlicher Arbeitnehmer besonders bewährt hat.

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7. Um eine wirksame Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens über die Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, auch für die in zahlreichen verstreuten Kleinbetrieben ausgeübten nichtgewerblichen Tätigkeiten zu erreichen, empfiehlt es sich, neben der regelmässigen Aufsicht über die Durchführung der Gesetzgebung zum Schütze der jugendlichen Arbeitnehmer besondere Aufmerksamkeit der Untersuchung der von Privatpersonen angezeigten angeblichen Übertretungen zu widmen und insbesondere unverzüglich einzuschreiten, wenn Klagen von den Eltern des Kindes oder des Jugendlichen vorgebracht werden.

8. Bei der Entscheidung über die Form der Unterlage, die der Arbeitgeber auf Grund der gesetzlichen Vorschriften zur Verfügung der Aufsichtsdienste zu halten hat, damit diese die Beobachtung der Vorschriften über die Begrenzung der Nachtarbeit überwachen können, wäre es erwünscht, die Vorzüge der Arbeitskarte oder des Arbeitsbuches zu berücksichtigen, die nach jedem Arbeitswechsel neu ausgestellt oder amtlich abgestempelt werden müssen und somit die Feststellung der Persönlichkeit des jugendlichen Arbeitnehmers erleichtern, sein Alter nachweisen und seine Arbeitsbedingungen, einschliesslich Arbeitszeit, festlegen.

9. (1) Um den amtlichen Aufsichtsdiensten die Feststellung der Persönlichkeit der im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer zu erleichtern, die den Schutz der Vorschriften über Nachtarbeit gemessen, sollten ß. die im Umherziehen gegen Lohn beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer, abgesehen von den vom Arbeitgeber verwahrten Unterlagen, ein Schriftstück mit sich führen und ein Abzeichen tragen, welche die Feststellung ihrer Persönlichkeit ausserhalb des Betriebes ermöglichen, b. die im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer, die für eigene Rechnung oder für Eechnung ihrer Eltern arbeiten, ein Schriftstück mit der Arbeitserlaubnis mit sich führen und ein die Feststellung ihrer Persönlichkeit ermöglichendes Abzeichen tragen.

(2) Die im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer unter achtzehn Jahren sollten mit einer Arbeitskarte oder einer Einzelerlaubnis versehen sein, die folgende Angaben enthält: a. Name, Alter und Adresse des Kindes oder des Jugendlichen, l. eine Photographie oder die Unterschrift des Kindes oder des Jugendlichen oder ein
anderes Zeichen zur Feststellung seiner Persönlichkeit sowie eine Ordnungsnummer, t;, wenn das Kind oder der Jugendliche gegen Lohn beschäftigt ist, Name und Adresse des Arbeitgebers und die Arbeitszeit, d. wenn das Kind oder der Jugendliche für eigene Eechnung oder für Eechnung der Eltern arbeitet, Name und Adresse der Eltern und deren Zustimmung.

(8) Die Arbeitskarte oder die Einzelerlaubnis sollte von einem der Arbeitsverwaltung unterstellten Dienst ausgegeben werden.

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(4) Die im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer sollten verpflichtet sein, das mit der Nummer der Arbeitskarte oder der Arbeitserlaubnis versehene Abzeichen sichtbar zu tragen.

(5) Um die Überwachung der Arbeitsstunden der im Umherziehen beschäftigten jugendlichen Arbeitnehmer und die Durchführung der Vorschriften über Nachtarbeit zu sichern, sollte eine volle Zusammenarbeit der örtlichen Behörden, insbesondere der Polizei, der Schulbehörden und der Kinderschutzbehörden, mit den Aufsichtsdiensten hergestellt werden.

(6) Der Arbeitgeber sollte für Übertretungen der Vorschriften gesetzlich verantwortlich . gehalten werden, insbesondere bei Missverhältnis zwischen der angeordneten Arbeitsleistung und der zu ihrer Ausführung in den Grenzen der zugelassenen Arbeitsdauer verfügbaren Zeit. Dem Arbeitgeber sollte Gelegenheit geboten werden, seinen guten Glauben nachzuweisen, wenn er alle notwendige Sorgfalt aufgewendet hat, um die Übertretung zu vermeiden.

(7) Die Eltern sollten, wenn die Arbeit für ihreEechnung oder mit ihrer Zustimmung ausgeführt wird, nach Verwarnung, für Übertretungen der Vorschriften gesetzlich verantwortlich gehalten werden.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 29. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Traktanden nichtkonstitutioneller Art). (Vom 23.

Dezember 1947.)

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