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Bericht des

Bundesrathes an den Schweiz. Nationalrath, betreffend den Druk der Entwürfe zu Bundesgesezen und Bundesbeschlüssen in italienischer Sprache.

(Vom 20. August 1875.)

Tit. !

Auf den Antrag eines Mitgliedes Ihrer Behörde haben Sie unterm 15. Juni abhin uns eingeladen, darüber zu berichten, ob nicht die Entwürfe zu Bundesgesezen (und wohl auch diejenigen zu organischen Bundesbeschlüssen) in allen drei Landessprachen der Bundesversammlung zur Berathung vorgelegt werden sollten.

Dieser Antrag des Hrn. C e n s i enthält nach unserer Ansicht durchaus nichts Unbilliges, vielmehr verdient derselbe ohne weiteres in nähere Erwägung gezogen zu werden.

Es wird nemlich darin nicht verlangt, daß gleichzeitig mit den Gesezentwürfen auch alle, mitunter sehr weitläufigen Botschaften des Bundesrathes in italienischer Uebersezung vorgelegt werden sollen, was jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten und großen Kosten verbunden wäre, sondern es beschränkt sich die Motion lediglich darauf, daß die gedachten Entwürfe, wie in deutscher und französischer, so auch in italienischer Sprache der Berathung in den eidgenössischen Räthen vorliegen möchten.

Sie geht mithin nicht über das hinaus, was mit Rüksicht auf Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. IV.

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182 Art. 116 der Bundesverfassung ohne Zweifel mit Recht verlangt werden darf.

Bedeutsamer noch ist die Frage, ob eine solche der Berathung vorgängige Uebersezung jener Entwürfe ihre bestimmten V ortheile habe und somit im Interesse eines größern Theiles der Bevölkerung' liege.

Auch diese Frage sind wir zu bejahen geneigt. Allerdings wurde bis anhin das Bedürfniß weniger gefühlt oder nicht verlautbart, weil die Mitglieder der Bundesversammlung, welche der italienischen Sprache angehören, entweder des Deutschen oder des Französischen hinlänglich mächtig waren, um an den Verhandlungen der Räthe auch ohne italienische Textvorlage theilnehmen zu können. Allein es wäre doch auch möglich, daß von italienischen Wahlkreisen Abgeordnete erkoren würden, welche in einer andern als ihrer Muttersprache nicht die erforderliche Fertigkeit besäßen, um den gesezgebenden Diskussionen zu folgen. Solche Mitglieder wären dann ohne Zweifel in dem verfassungsmäßigen Rechte, eine Uebersezung der Vorlage geradezu zu verlangen.

Wichtiger ist aber der fernere Punkt, daß nach Art. 89 der Bundesverfassung die Bundesgeseze und organischen Bundesbeschlüsse binnen einer Frist von 90 Tagen der Volksabstimmung unterbreitet werden müssen. Erhält nun die italienisch sprechende Bevölkerung erst nach Erlassung des Gesezes Kenntniß vom Inhalte desselben, so wird der verfassungsmäßige Termin für jenen Landestheil immerhin um etwas verkürzt, weil die italienische Uebersezung, die auf Grundlage der beiden andern Texte angefertigt wird, von der eingeräumten Frist mehrere Tage, und wenn es sich um schwierige Materien handelt, selbst Wochen, für sich in Anspruch nimmt.

Die italienische Bevölkerung befindet sieh also den beiden andern gegenüber, welche die Vorlagen schon aus den Entwürfen kennen und daher für das große Ganze nicht erst auf die Schlußredaktion zu warten brauchen, um sich ein Urtheil bilden zu können, in einem gewissen Nachtheile.

Diesem Uebelstande würde gutentheils abgeholfen, wenn die Entwürfe auch im Italienischen schon vor der Verhandlung gedrukt und in einer anständigen Anzahl von Exemplaren an die italienisch sprechenden Gemeinden abgegeben wurden. Hiedurch fände die Bevölkerung Gelegenheit, sich mit dem Gegenstande ebenfalls rechtzeitig vertraut zu machen und wäre in der Lage, den Verhandlungen der Bundesversammlung mit größerm Verständnisse folgen zu können. Es würde aber dadurch ferner möglich, der italienisch sprechenden Bevölkerung die Referendumsfrist so ziemlich

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Allerdings würden für den frühern Druk und dessen spätere Durchsicht, sowie auch für die mehrfache Revision der Uebersezung einige Mehrkosten verursacht werden.

Voraussichtlich dürften dieselben nicht erheblich sich gestalten.

Indeß wo es sich um die Befriedigung eines eigentlichen Bedürfnisses handelt, an welches sich bestimmte und verfassungsmäßig wohlberechtigte Wünsche eines ansehnlichen Landestheiles knüpfen, da wird jene mehr finanzielle Rüksicht zu Ungunsten einer Verfügung nicht den Ausschlag geben dürfen.

Da es sich im vorliegenden Falle weniger um eine theoretische Erörterung, als mehr um einen praktischen Versuch handelt, so glauben wir von einer gesezgeberischen Vorlage absehen und den Inhalt der Motion auf dem Verwaltungswege erledigen zu können.

Wir haben daher für angemessen erachtet, das in der Motion des Hrn. Censi angeregte Verfahren fortan in's Leben treten zu lassen, in der Meinung, daß gemäß dem dort ausgesprochenen Wunsche und im Umfange des gegenwärtigen Berichtes die Entwürfe zu Bundesgesezen und organischen Bundesbeschlüssen fortan auch in italienischer Uebersezung, und zwar vor deren Berathung, zum Druke und zu zwekentsprechender Vertheilung gelangen sollen.

Indem wir die Ehre haben, in Erledigung des unterm 15. Juni d. J. uns gewordenen Auftrages Ihnen hievon Kermtniß zu geben, benuzen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 20. August 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Scliiess.

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Bericht des Bundesrathes an den schweiz. Nationalrath, betreffend den Druk der Entwürfe zu Bundesgesezen und Bundesbeschlüssen in italienischer Sprache. (Vom 20. August 1875.)

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04.09.1875

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