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Bericht und Antrag der

Minderheit der nationalräthlichen Kommission, betreffend die staatlich-kirchlichen Konflikte im Bisthum Basel.

(Vom 13. März 1875.)'

Tit.!

Wie in dem Mehrheitsbericht der Kommission des h. Nationalrathes näher dargethan ist, konzentrirt sich der Rekurs, den Herr J. Anriet als Bevollmächtigter der ,,Versammlung von Delegirten aus der katholischen Bevölkerung der Diözese Basel" mit Denkschrift vom 12. Mai 1874 an die h. Bundesversammlung eingereicht hat, sowie derjenige des hochw. Herrn Bischofs Eugenius Lâchât vom 2. October 1874, -- gegen den Beschluß der Diözesankonferenz des Bisthums Basel vom 29. Januar 1873, der von der Mehrheit, bestehend aus den Abgeordneten der Kantone Solothurn, Aargau, Bern, Thurgau 'und Basel-Landschaft, gefaßt wurde und in seiner Hauptbestimmung wörtlich also lautet : ,,Die dem h. Bischor Eugenius Lâchât unterm 30. November ,,1863 ertheilte Bewilligung zur Besizergreifung des bischöflichen ,,Stuhles der Diözese Basel wird zurükgezogen und damit die Amts,,erledigung ausgesprochen."

Ein Rekurs hiegegen beim h. Bundesrath wurde durch Beschluß desselben vom 13. Januar 1874 abgewiesen, weil, nach Anschauung des h. Bundesrathes, die Absezung des Bischofs von Solothurn keiner Bestimmung der Bundesverfassung oder der einzelnen in Frage fallenden Kantonsverfassungen widerspreche.

489 Auf eine weitere Darstellung der faktischen Verhältnisse tritt die Kommissionsminderheit hier nicht ein und bezieht sich diesfalls, um Wiederholungen zu vermeiden, a.uf die ausführliche Aufzählung im Berichte der Kommissionsmehrheit.

Der Conflikt, den wir zu behandeln haben, ist nur eine kleine Abtheilung des Kampfes, welcher gegenwärtig die Welt bewegt.

Wir sehen uns vielfach neuen Zuständen, neuen Anforderungen,, neuen Entwiklungen gegenüber, für welche die alten Paragraphen in manigfacher Beziehung nicht mehr ausreichen wollen und für die daher im Interesse des Ganzen und des Einzelnen ein neuer Rechtsboden geschaffen werden muß. So schwierig die Aufgabe ist, so wollen wir gleichwohl nicht in dem Vertrauen wankend werden, daß a l l s e i t i g e r freundeidgenössischer Sinn dieselbe zu gutem Ziele zu führen vermöge. Diesem Vertrauen entfließt denn auch der Antrag, den Ihnen die Commissionsminderheit am Schlüsse dieser gedrängten Berichterstattung vorzulegen die Ehre haben wird.

Was die R e c h t s a n s c h a u u n g der Commissionsminderheit betrifft, so ist dieselbe, an der Hand der Gesichtspunkte von ents c h e i d e n d e r Bedeutung, folgende : Als erster und e n t s c h e i d e n d e r H a u p t g r u n d des (später von den betreffenden Kantonsbehörden genehmigten) Conferenzbeschlusses vom 29. Januar 1873 wird die Verkündung und versuchte Durchführung des D o g m a des vatikanischen Concils vom 18. Juli 1870 über die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubenssachen Seitens des Herrn Bischofes Eugenius Lâchât angeführt. Was nun diesen Grund, der zu dem Verfahren gegen den Bischof zunächst Veranlaßung gegeben, anbetrifft, so herrschte allerdings, wie bekannt, von Anfang an in vielen Kreisen der katholischen Völkerschaften und selbst im Schooße des Conçus eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit über die Opportunität einer Feststellung dieses Dogma. Es fehlte nicht an eindringlichen Warnerstimmen von Männern, deren treue katholische Gesinnung sowohl als Competenz für Würdigung solcher Fragen über allen Zweifel erhaben waren. Es konnte ferner aus gleichen Kreisen mit guten Gründen die Ansicht geltend gemacht werden, es hätte Feststellung einer lezten inappellabel Instanz, wie auf andern großen Verwaltungsgebieten, auch für die katholische Kirche in einer Weise möglich sein dürfen, welche Anschauungen und Thafsachen der Gegen-

490 nun aber die T h a t s a c h e n hinweggeschritten und stellen nach Auffassung der Commissionsminderheit die R e c h t s f r a g e also dar: Die Aufstellung einer lezten inappellabeln Instanz in Glaubenssachen in der Person des Papstes, durch ein a l l g e m e i n e s Concil als einzig compétentes Organ beschlossen, ist Sazung der .katholischen Kirche geworden und gehört vom Tage des Beschlusses an zum Wesen und zur Verfassung derselben. Wer sich dieser Sazung nicht unterziehen will, dem gestattet die neue Bundesverfassung ohne bürgerliche Rechtsnachtheile den Austritt und zieht damit zugleich die Grundlinien- für ,,freien Staat" und ,,freie Kirche. " Was insbesondere die Stellung des hochw. Bischofs Lâchât zum Dogma vom 18. Juli 1870 betrifft, so kann mit Grund nicht bestritten -werden, daß derselbe bei der Zustimmung und bei der Bekanntmachung innert seinen Competenzen gehandelt hat und zwar um'so eher, als vor Eröffnung des Concils von Seite der staatlichen Behörden k e i n e r l e i Wünsche oder Eröffnungen an ihn ergangen waren. Er befindet sich diesfalls mit a l l e n a n d e r n B i s c h ö f e n der Schweiz und des Auslandes prinzipiell auf der g l e i c h e n L i n i e ; es stellt sich somit das Verfahren gegen ihn als ein ganz ausnahmsweises dar.

Die S t e l l u n g der betreffenden Bisthumskantone und des B u n d e s zu der katholischen Konfession wird in den Verfassungen in durchaus präziser Weise bestimmt. Es ist von Interesse, bei diesem Anlaße den Inhalt der betreffenden Stellen wörtlich anzuführen und in Erinnerung zu bringen ; sie lauten : Bern: Die Rechte der römisch-katholischen Kirche, in den zu ihr sich bekennenden Gemeinden, sind ge,,währleistet. (Art. 80.)

S o l o t h u r n : ,,Die Ausübung der christlichen Religion nach dem ,, r ö m i s c h - katholischen Glaubensbekenntniss steht ,,unter dem b e s o n d e r n Schuz des Staates. (Art.3.)l A a r g a u : ,,Die k a t h o l i s c h e Kirche und die evangelisch-reformirte Kirche sind gewährleistet. (Art. 12.)

T h u r g au: ,,Die evangelisch-reformirte und die k a t h o l i s c h e ,,Konfession genießen des besondern Staatsschuzes.

,,(Art, 21.)«

B a s e l l a n d : ,,Die Rechte der römisch-katholischen Kirche, in den ,,sich zu ihr bekennenden Gemeinden, werden gewühr,,leistet. (Art. 13.)

491 Alle diese Kantonsverfassungen wurden vom Bunde gewährleistet, kraft Art. 5 der Bundesverfassung von 1848, welcher wörtlich lautet: ,,Der Bund gewährleistet den Kantonen ihre Verfassungen, ,,die Freiheit, die Rechte des Volkes und die verfassungsmäßigen ,,Rechte der Bürger, gleich den Rechten und Befugnissen, welche,,das Volk den Behörden übertragen hat."

Wir machen aufmerksam, daß diese ,,Gewährleistungen'0 nicht nur bestimmt, sondern selbst mit besonderer Feierlichkeit und o h n e a l l e n V o r b e h a l t ausgesprochen sind.

Es genügt, auf die Auffassung solcher Garantien in Bezug auf andere Grundrechte des Sehweizervolkes, z. B. das Petitionsrecht, die Vereins- und Preßfreiheit, die Niederlassungsfreiheit u. s. w.

nur hinzuweisen, um die Tragweite der angeführten Verfassungsbestimmungen zu beleuchten und klar zu legen, daß die A b s e z u n g eines Bischofes, dieses anerkanntermaßen für den Kultus und das Verwaltungsgebiet der katholischen Kirche so wichtigen Gliedes, mit denselben nicht in Einklang gebracht werden kann und daß der der katholischen Kirche zugesicherte ,,Schuz" in anderer Weise aufgefaßt werden muß.

Besonderer Werth wird für Rechtfertigung der Amtsentsezung auf den Saz gelegt, daß, wo eine G e n e h m i g u n g Seitens des S t a a t e s zur ßesiznahme eines Amtes erforderlich sei oder ausgesprochen werde, diese Genehmigung vom Staate unter Umständen wieder zurükgezogen werden könne. In dieser Controverse scheint der Commissionsminderheit folgendes Faktum von ents c h e i d e n d e r Bedeutung zu sein. Bekanntlich haben im Bisthum Basel die Bisthumsstände das Recht, aus der Liste der vom Domkapitel zur Wahl als Bischof Vorgeschlageneu drei nicht genehme Candidaten zu s t r e i c h e n . Wie wäre nun aber gedenkbar, daß man dieses Recht so hoch anschlagen würde, wie es bisher immer der Fall war, wenn je die Meinung bestanden hätte, daß unter Umständen n a c h der Wahl eine Ab b e r u f ung stattfinden könnte?

Herr Bischof Lâchât seinerseits · hat in seiner Rekurseingabe beim h. Bundesrathe mit besonderm Nachdruk auf § 53 der Bundesverfassung sich berufen, wonach kein Schweizerbürger seinem ordentlichen Richter entzogen werden darf, mit dem ausdrüklichen Verlangen, es möchte ihm von Bundeswegen ein competente!' Gerichtsstand angewiesen werden. Der h. Bundesrath erwiderte :
,,der Absczungsbeschluß sei rein administrativer Natur, Herr Lâchât sei vor keinen Richter zitirt worden, und er könne also auch nicht seinem natürlichen Richter entzogen worden sein'1. -- Bestehen in diesem Falle auch, wie wir nicht bestreiten wollen, ausnahms-

492 weise Verhältnisse, so muß es doch als eine ganz eigentümliche Rechtswohlthat erscheinen: zwar allerdings nicht zitirt, aber dennoch mit einem Spruche belegt zu werden, der nach Inhalt und Vollziehung einem sehr harten Strafurtheil durchaus gleichkommt.

Speziell aus dem Kanton B e r n , in dessen Beamtenverzeichniß der jeweilige Bischof aufgenommen wurde, verdient hier der § 18 der Verfassung zitirt zu werden, welcher lautet : ,,Kein Beamter und Angestellter kann von seinem Amte entsezt oder entfernt werden, als durch ein r i c h t e r l i c h e s U r t h e i l . " Wir begegnen nach solchen Erörterungen der Frage: Aber . soll denn für diese und ähnliche Confliktsfälle für souveräne Kantone kein Ausweg geboten sein? Nach unserer Auffassung bestund ein solcher allerdings darin: Wollten einer oder mehrere Stände · des Bisthums Basel den bisherigen bischöflichen Verband lösen, "so bot eine R ü k t r i t t s e r k l ä r u n g , resp. V e r t r a g s a u f l ö s u n g u n t e r s i c h und g e g e n Rom den natürlichen und richtigen Weg. Wir erinnern an dieser Stelle, daß auch der Bericht der Commissionsmehrheit die Frage aufwirft, ,,ob es klug gewesen sei, durch die Absezung des Bischofes eine Lage zu schaffen, aus der wieder in normale Geleise einzulenken es unzweifelhaft seine Schwierigkeiten haben werde".

Wir gelangen sonach, Minderwichtiges übergehend, in rechtlicher Beziehung zu dem Schlüsse: Den fünf Bisthumskantonen stand der R ü k t r i t t vom B i s t h u m s v e r b ä n d e frei, eine förmliche Absezung d e s B i s c h o f e s E u g e n i u s Lachat d a g e g e n w a r w e d e r staatlich, n o c h kirchlich gerechtfertigt.

In diesem Sinne stellt die Minderheit der Commission ihren e v e n t u e l l e n A n t r a g für Begründetheit des Rekurses.

Tit. !

Wir dürfen und wollen hiebei nicht übersehen, daß i n z w i s c h e n , seit dem Beginn und während der Dauer dieses Streites, auch auf einem andern Gebiete die T h a t s a c h e n vorgeschritten sind und in der Eidgenossenschaft neue G e s t a l t u n g e n und S i t u a t i o n e n geschaffen haben.

Seither ist die neue Bundesverfassung, welche die Glaubensund G e w i s s e n s f r e i h e i t noch mehr als die frühere präzisirt und garantirt (Art. 49 u. 50), ins Leben getreten -und Grundgesez aller Eidgenossen geworden. Der Conflikt
zwischen den staatlichen und kirchlichen Behörden im Bisthum Basel .war mit den Revisionskämpfen enge verflochten und schuf hie und da Situationen und Ungleichheiten, wie sie vor der Bundesverfassung auf die Dauer nicht werden bestehen können, und die daher bereits eine-

493 Reihe von Beschwerden und Rekursen nach sich gezogen haben.

Diese Beschwerden und Rekurse, bereits bei der h. Bundesversammlung anhängig, stehen mit dem vorliegenden Rekurse geschichtlich und rechtlich in vielfachem Zusammenhange. Sind nun aber die Revisionskämpfe abgeschlossen, so dürfte es wohl auch an der Zeit sein, das Kampffeld von den Barrikaden und Schlaken des Kampfes zu räumen und den Zwist zu begraben.

Seither sind auch in weitern Kreisen Erfahrungen gemacht worden, die nach allen Richtungen nicht ohne Lehre für Gegenwart und Zukunft sein werden. An der Kirche hat sich erwiesen, daß ihre Macht groß bleibt, auch ohne Königsmantel, und am S t a a t e , daß er, so mächtig er im Uebrigen sein mag, in Sachen der Gewissen und religiösen Ueberzeugungen nur Geringes auszurichten im Stande ist. Auf dem Boden der Freiheit und gegenseitiger Achtung einzig können die Schwierigkeiten gehoben, die Marken, wo nöthig, gezogen und der Frieden wieder hergestellt werden.

Der h. B u n d e s r a t h, den wir diesfalls zunächst im Auge haben, genießt das V e r t r a u e n aller Betheiligten und ist dadurch in die Lage versezt, für Lösung der Confluite auf dem Wege der Vermittlung und des Ausgleiches in wirksamer Weise arbeiten zu können. Die loyale Haltung, welche die mitbetheiligten Kantone L u z e r n und Zug in der Bisthumsangelegenheit eingenommen, ist dazu angethan, ihm diese Aufgabe zu erleichtern. Bleibt sie auch immer noch schwer, so ist sie doch anderseits so edel und so schön, daß es eines ernsten Versuches wohl werth ist.

Von solchen Gesichtspunkten geleitet, stellt die Commissionsininderheit in erster Linie den A n t r a g : Die Angelegenheit der kirchlich-staatlichen Conflikte im Bisthum Basel sei an den h. Bundesrath gewiesen, mit der Einladung, auf Grund und nach Maßgabe der i n z w i s c h e n ins Leben get r e t e n e n n e u e n B u n d e s v e r f a s s u n g eine Erledigung derselben in ihren verschiedenen Verzweigungen auf dem Wege freundeidgenössischer Vermittlung zu versuchen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung vollkommenster Hochachtung.

B e r n , den 13. März 1875.

Die Minorität der Commission: A. Eberle, Berichterstatter.

A. y. Roten.

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Bericht der

nationalräthlichen Kommission im .Rekurse von Gaudenz "Willi, Weinhändler, in Chur, betreffend Sequester.

(Vom 8. März 1875.)

Job. Anton Wetzel von Straubenzell, Kts. St. Gallen, stand in Verkehrs- und Schuldverhältniß mit der Firma Gebrüder Willi, Weinhandlung, in Chur. Mittelst Schein vom 28. August 1871 räumte die letztere dem erstem die Berechtigung ein, bei ihr bis auf den Betrag von Fr. 3000 Wein zu beziehen. Zur Sicherstellung einer daherigen Schuld testirte gleichzeitig Anna Maria Wetzel in Mühlen, eine nahe Anverwandte des Schuldners, zu Gunsten der Gebr. Willi die Summe von Fr. 2500. Nach einem amtlichen Auszuge lautete diese letztwillige Verfügung einfach dahin, daß den Gebrüdern Willi in Chur für geleistete und noch zu leistende Vorschüsse an ihren Bruderssohn Jos. Anton Wetzel in St. Fiden, sei es in Geld oder Waaren, -zum Voraus die Summe von Fr. 2500 zukomme. Unterm 7. Mai 1872 cedirte J. Anton Wetzel die Zusicherung der Gebr. Willi laut Schein vom 28. August 1871, resp. ein laut Faktura noch bestehendes Guthaben an dieselben im Betrage von Fr. 920 an Albert Bosch zum Waldhorn in St. Gallen; während die Weinhandlung von Gebr. Willi in der Folge an den Mitbetheiligten Gaudenz Willi in Chur überging. Im Oktober 1873 starb die Testatorin Anna Maria Wetzel, und im November daraufhin brach auf J. Ant. Wetzel der Konkurs

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Bericht und Antrag der Minderheit der nationalräthlichen Kommission, betreffend die staatlich-kirchlichen Konflikte im Bisthum Basel. (Vom 13. März 1875.)

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27.03.1875

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