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Bericht der

Minderheit der Kommission des Nationalraths, betreffend das Bundesgesez über Jagd und Vogelschuz.

(Vom 20. Juni 1875.)

Tit.!

Wiewohl ein Anhänger von umsichtigen Maßnahmen zum Schuze des Wildes und besonders der für die Landwirthschaft nüzlichen Vögel, kann ich mich doch mit dem gemischten Systeme nicht befreunden, welches der St.änderath in den Gesezentwurf eingeführt hat und das auch von der Mehrheit der nationalräthlichen Kommission unterstüzt wird; wornach in einem und demselben Kantone eine Gemeinde ermächtigt würde, das System der Verpachtung einzuführen, während für andere das Patentsystem gälte.

Dieses System ist unhaltbar und unausführbar.

Das Jagdrecht wird allgemein als ein staatliches Regalrecht angesehen. Es ist eine Art Servitut, die auf allen Gütern eines Territoriums zu Gunsten des kantonalen Fiskus lastet; schwerlich läßt sich aber behaupten, dieses nämliche Recht könne auch jeder Gemeinde, aufgefaßt als politische und administrative Einheit, eigenthümlich zustehen.

Eine Gemeinde, deren Gebiet dasjenige benachbarter Gemeinden durchschneidet, kann durch das Pachtsystem für einen

940 ganzen Bezirk die Pateutjagd verunmöglichen, denn es wird ein Jäger, wenn er auch mit einem kantonalen Jagdpatente versehen ist, z. B. nicht auf dem Gebiete einer Gemeinde jagen dürfen, die einem Dritten verpachtet ist. Daraus entspringen Rechtsungleichheit und ewige Reibungen.

Kanu man verlangen, daß jeder Jäger die Grenzen jeder Gemeinde kenne und daß jeder Jagdhund die Grenzen der verpachteten Gebiete, respektire? Es hieße (ließ beständige rebertretungen hervorrufen und zwar ohne irgendwelchen wirkliehen Nuzen für den Zwek, den sieh die Bundesgesezgebung vorsezt Zudem sollte man dann im Stande sein, dem Gcseze Nachachtung zu verschaffen, was in meinen Augen bei der jezigen Gestaltung unserer verschiedenen Polizeiorganisationen ein schwer zu ,öseudes Problem wäre.

Es kann eine Gegend durch ihre geographische Lage, wie.

durch die Natur ihrer Kulturen mehr als andere in Bezug auf den Wildstand begünstigt sein und in Folge dessen das System der geschuzten Jagd, wenn sia sieh weigert, demselben beizutreten, durchkreuzen und paralysiren.

Wenn Sie also im nämlichen Kanton eine Gemeinde mit dem einfachen Patentsystem und eine andere mit dem Pachtsystem dazu haben können, so wird daraus ein wahres Chaos enstehen, ohne rationelles System, d. h. ein Bastard-System, das auf einem so beschränkten und zerstükelten Gebiet wie das unsrige unmöglich durchgeführt werden kann.

Ich kann kaum glauben, daß ein solches System von seinen Förderern ernstlich angestrebt werden könne; vielmehrscheint, es mir, man ziele damit auf obligatorische Einführung desRevier-systems hin, eines Systems, welches inunsermm Landeallgemeina unpopulär ist, dem man aber auf Umwegen Eingang verse lüften möchte.

Dieses System widerstrebt unsern demokratischen Gefühlen ; dasselbe ist unrepublikanisch und begünstigt wesentlich die reiche, Klasse, einzelne Private; denn was man auch sagen möge: mit dem System der verpachteten Bezirke wird oft der bemitt eitere Mann bei der Bewerbung den Sieg davon tragen über den Jäger mit beschränkteren Mitteln, der aus der Jagd seinen Broderwerb oder dann eine Sache der Gesundheitspflege durch Körperübung oder selbst eine einfache Erholung macht.

Es beeinträchtigt dieses System auch den Landwirth, dem nicht einmal freigestellt ist, das Wild zu jagen, welches seine Felder oder Gärten ruinirt.

941 Eigentlich .sollte das Jagdrecht den Grundeigenthümern zustehen und jeder Private auf seinem Grundeigentum jagen dürfen, was aber durch das Reviersystem ganz unmöglich gemacht würde.

Da das Grundeigentum bei uns sehr zerstükelt ist, so mußte der Staat, um die Jagd zu regeln und sich Einnahmen zu verschaffen, sich derselben als ein Regalrecht involvirend bemächtigen, wobei mittelst der Jagdpatente oder Bewilligungen jeder Bürger auf gleichen Fuß gestellt wird.

Das Pachtsystem schafft ein Monopol; ein solches aber ist stets vexatorisch und wird von uns in Allem und überall verworfen.

Die- große Mehrzahl des Schweizervolkes ist diesem Systeme unzweifelhaft abhold und will nichts von demselben hören. Deßhalb ohne Zweifel hat man in den Entwurf das Zwittersystem aufgenommen, gegen welches ich mich erhebe. Hüten wir uns aber, meine Herren, unpopuläre Geseze zu machen, welche unsere Bundesinstitutionen su diskreditiren drohen und das Gefühl des Vertrauens abschwächen würden, welches das Schweizervolk gegenüber der Eidgenossenschaft hegen sollte.

Will man das Pachtsystem, so wäre es dann Sache des Staates, dasselbe zu orgainsiren, da eine willkürliche Vereinbarung zwischen einigen Gemeinden niemals etwas . Rationelles zu Stande brächte.

Dieß ist jedoch nur ausführbar, wenn man den Kantonen das Recht, einräumt, bei sich entweder das Patentsystem oder das System der Revierverpachtung einzuführen, wie der Bundesrath selbst e.s beantragt, indem er in seiner Botschaft vom 26. Mai 1875 Folgendes bemerkt: ,,Bei der großen Verschiedenheit der einschlägigen Verhältnisse, Sitten und Volksanschauungen in den einzelnen Landesgegenden wäre die Bearbeitung eines vollständigen, Alles berüksichtigenden Jagdgesezes nicht nur eine sehr schwierige Aufgabe, sondern auch eine Arbeit, welche auf den vielseitigsten Widerspruch stoßen müßte. Sie ist übrigens nach unserer Ansicht nicht einmal nöthig, um den Intentionen des Art. 25 der Bundesverfassung gerecht zu werden. Mau kann den Kantonen ganz gut einen großen Theil ihrer Eigenthümlichkeiten auf diesem Gebiete lassen und ihren bisherigen Uebungen Rechnung tragen ; es wird vollständig genügen, in wenigen Artikeln die jedem guten Jagdgeseze zu Grunde liegenden Prinzipien als allgemein verbindlich hinzustellen, und, indem man dann die weitere Ausgestaltung ruhig den Kantonen überläßt, wird der Zwek der Bundesverfassung docherreicht."1

942 Weiterhin spricht sich der Bundesrath wie folgt aus: ,,Hinsichtlich des Systems, das beim Jagdbetrieb befolgt werden soll, erscheint nach den gegebenen Verhältnissen das Alleinrichtige, den Kantonen den Entscheid zwischen Revier- und Patentsystem zu überlassen. Obwohl das System als solches noch keine Gewähr für den rationellen Sch un des Wildstandes bietet, sondern allein die Art und Weise, wie es gehandhabt wird, so dürfte doch die Annahme im Allgemeinen richtig sein, daß das Pacht-Reviorsystem die großem Chancen für die Ausübung des pfleglichen Jagdbetriebes darbiete; allein wir glauben, daß bei don zur Zeit im Volke noch waltenden Ansichten und angesichts verschiedener mißlungener Versuche, das Pachtrevier einzuführen, nicht daran gedacht werden darf, dieses System, dem gegenwärtig nur anderthalb Kantone huldigen, in der ganzen Schweiz obligatorisch einzuführen, ohne den heftigsten Widerstand zu provoziren. Wir haben es daher für angemessen erachtet, hierin den Kantonen freie Hand zu lassen."

Meines Erachtens muß demnach ein Kanton das Recht haben, das eine oder das andere der betreffenden Systeme zu wählen.

Die Bundesverfassung verlaugt nichts weiter, als den Schuz des Wilds, nicht ober durch ein Gesez über das Jagdregal; hierin überschreitet der Gesezentwurf bei Weitem das, was der Gesezgeber bei Annahme der Bestimmungen des Art. 25 der Bundesverfassung im Auge hatte.

Der Gesezentwurf, wie er uns vorliegt, enthält im Weitern eine schwere Beeinträchtigungo der Steuerrechte der Kantone,t denn er bestimmt, daß die Gemeinden ihr Gebiet verpachten können, was unausweichlich die vom Staate bezogene Gebühr mit der Zeit in Wegfall bringen und Verwiklungen zwischen demselben und O ö O den Gemeinden herbeiführen müßte. Woher nimmt mau nun aber diese Kompetenz für den Bund? Die Bundesverfassung bietet dafür nirgends einen Anhaltspunkt (ne la définit et ne l'établit nulle part), weßhalb ein derartiges Vorgehen als eine willkürliche Intervention auf einem Gebiete erscheint, welches den Kantonen gehör; und ihnen verbleiben muß.

Dieser Köder wurde in den Entwurf nur aufgenommen, um damit wo möglich die Gemeinden für das Reviersystem zu gewinnen.

Wie wird man aber die Kantone zwingen können, auf dieses Regal zu verzichten, wenn sie es nicht wollen und für sich das Jagdrecht beibehalten? Ich finde in der Bundesverfassung keine Bestimmung, welche einen solchen Anspruch der Eidgenossenschaft rechtfertigen würde.

943 Durch Annahme des gemischten Prinzips, welches der zweite Theil des Art. 3 im Auge hat sezen wir uns in der Praxis unter Anderai folgenden Uebelständen aus: Nehmen wir den Fall an, der Kanton Freiburg führe für sein Gebiet ganz oder theilweise das Pachtsystem ein, während der Kanton Waadt das Patentsystem beibehält. Was geschähe dann?

Die Freiburger Jäger, welche in ihrem Kanton beim Pachten leer ausgingen, würden natürlich sich auf den Nachbarkanton werfen, welcher ihnen laut Art. 2, der das Requisit des Aufenthalts oder der Niederlassung aufhebt, das Jagdrecht einräumt; -- und ein Gleiches geschähe im umgekehrten Falle.

Die natürliche Folge dieses Verfahrens wäre die, daß das Wild, anstatt ein wenig geschont und geschüzt zu sein, von den Jägern mindestens so stark hergenommen würde, als bisher.

Aus diesen wenigen allgemeinen Erwägungen habe ich die Ehre, Ihnen, Tit., zu beantragen : 1) Beibehaltung des ersten Theils von Art. 3, lautend: ,,Die kantonale Gesezgebung bestimmt, ob der Jagdbetrieb in Anwendung des Patent- oder des Reviersystemes zu erfolgen habe."

2) Streichung des zweiten Theiles : ,,Dieselbe soll jedoch auch in Kantonen, welche das Patentsystem eingeführt haben, die Möglichkeit geben, daß Gemeinden ihr Gebiet einzeln oder in Verbindung mit benachbarten Gemeinden als Revier auf die Dauer von mindestens 6 Jahren verpachten können."

B e r n , den 20. Juni 1875.

Die Minderheit der nationalräthlichen Kommission :

Wullièmoz.

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Bericht der

Mehrheit der Kommission des Ständeraths, betreffend eidgenössische Gewährleistung der neuen Verfassung des Kantons Luzern.

(Vom 21. Juni 1875.)

Tit.!

Die im Jahre 1869 theilweise revidirte luzernische Kantonsverfassung von 1863 ist in lezter Zeit, in Folge Annahme der neuen Bundesverfassung, einer Totalrevision unterworfen worden. Unterm 28. Februar 1875 hat das luzernische Volk, mit 13,091 Stimmen von 18,112 Votanten und 30,821 eingeschriebenen Stimmberechtigten, den ihm von seinem Großen Räthe vorgelegten Révisionsentwurf angenommen. Mit Schreiben vom 7. März 1875 sucht die Regierung des Kantons Luzern die eidgenössische Gewährleistung der neuen Verfassung desselben nach.

Diese Verfassung unterscheidet sich von derjenigen von 1863 und von den revidirten Artikeln von 1869 wesentlich in folgenden Punkten : Das luzernische Volk übt seine Souveränetät aus : durch das Recht der Verfassungsrevision, durch das Veto, durch die Ernennung des Großen Rathes und das Recht der Abberufung dieser Behörde. In Verfassungsrevisionssachen erheischt es, um die Frage dem Volke zu unterstellen, 5000 Aktivbürger, und um die Revision zu beschließen, die absolute Mehrheit nicht nur der Votanten, sondern der Aktivbürger. Ebenso verhält es sich mit der Ausübung des Rechtes der Abberufung des Großen Rathes.

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Bericht der Minderheit der Kommission des Nationalraths, betreffend das Bundesgesez über Jagd und Vogelschuz. (Vom 20. Juni 1875.)

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31.07.1875

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