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Bericht der

Minderheit der ständeräthlichen Commission, betreffend eidg. Gewährleistung der Verfassung des Kantons Basel-Stadt.

(Vom 28. Juni 1875.)

Es ist eine etwas seltene Erscheinung, daß die gleiche Mehrheit der gleichen Kommission, die bei Vorlage der neuen Verfassung des Kantons Luzern verschiedene Bemäckelungen an derselben für angezeigt erachtete, nun heute die Verfassung des Kantons, Baselstadt als mackellos Ihnen zur unbedingten Genehmigung empfiehlt, und hinwieder die gleiche Commissions-Minderheit, welche damals die Aussetzungen der Commissions - Mehrheit nicht theilen konnte, nun heute in der Lage sich befindet, Ihnen n i c h t u n b e d i n g t e Genehmigung der Verfassung von Baselstadt zu beantragen.

Die Minderheit Ihrer Commission anerkennt gerne, daß die neue Kantonsverfassung von Baselstadt im Großen und Ganzen den Grundsätzen der neuen Bundesverfassung entsprechend ist und als Produkt staatsmännischer Klugheit sich präsentirt. Nur unter ,,II. Verhältniß des Staates zur Kirche und Schule" zeigt sich unserm prüfenden Blicke ein dunkler Fleck, den wir eliminirt wissen möchten. Wir meinen den §12. Derselbe lautet wörtlich : ,,Die reformirte und die k a t h o l i s c h e Kirche erhalten ,,durch Gesetz ihre äußere Organisation, nach welcher sie

696 ,,unter Oberaufsicht des Staates ihre inneru confessionellen ,,Angelegenheiten selbstständig ordnen. Ihre Geistlichen und ,,ihre kirchlichen Vertreter wählen die zu jeder Kirchgemeinde gehörigen in Gemeindeangelegenheiten s t i n i m,,fähigen Schweizerbürger.

,,Der E i n t r i t t in diese Kirchen sowie der Austritt ,,aus denselben steht j e d e m S t a a t s a n g e h ö r i g e n be,, d i n g u n g s l o s offen. Das Gesetz wird bestimmen, wann ,,Neueintretende die Stimmberechtigung erhalten.

,,Der Staat bestreitet die Cultusbedürfnisse dieser Kirchen ,,und zwar mit Rücksicht auf die zu jeder Kirche, resp.

,,jeder durch die Organisation anerkannten kirchlichen Ge,,meinschaft gehörigen Mitglieder.11 Die Wichtigkeit und Tragweite dieses Verfassungsparagraphen erfassend und rechtzeitig würdigend, beschlossen die stimmfähigen Mitglieder der römisch-katholischen Gemeinde der Stadt Basel in einer außerordentlich einberufenen und außergewöhnlich zahlreich besuchten Versammlung am 23. Mai 1. Js. nach einläßlicher, ruhiger Berathung einstimmig, zu erklären: Die Gemeinde könne, ohne dem katholischen Glauben untreu zu werden, sich diesem § 12 nicht unterziehen und werde es daher auch nicht; sie wolle, gestützt auf ihr Recht und auf die Gewähr der Bundesverfassung, eine freie römisch-katholische Gemeinde sein und bleiben. Der Regierung sei hievon Mittheilung zu machen und dabei die Erwartung auszusprechen, der Staat werde die römisch-katholische Gemeinde im Fortbestände nach bisheriger Weise nicht stören.

Die Vorsteherschaft der gleichen römisch-katholischen Kirchgemeinde der Stadt Basel hat nunmehr mittelst Eingabe an den hohen Bundesrath zu Händen der hohen Bundesversammlung das Gesuch gestellt, es möchte die hohe Bundesbehörde dem § 12, soweit er die katholische Kirche betrifft, die Genehmigung verweigern, und die Minderheit Ihrer Commission, meine Herren !

erlaubt sich mit Gegenwärtigem Ihnen zu beantragen, diesem Gesuche der römisch-katholischen Gemeinde zu entsprechen.

Bei der Wichtigkeit der Sache und mit Rücksicht auf die die Existenz der römisch-katholischen Gemeinde in Basel bedrohenden Folgen der Verfassungsbestimmung, um welche es sich in concreto handelt, darf es nicht überflüssig erscheinen, einen Blick auf die Genesis dieses Verfassungsparagraphen zu werfen.

Am 23. März 1874 wurde
im Schooße des Großen Rathes von Baselstadt der Anzug gestellt: ,,Die bestehende kantonale Verfassung soll im Sinne ,,der Vereinfachung des Staatshaushaltes und der dortigen

697 ,,öffentlichen Einrichtungen revidirt und mit den GrundBatzen der Bundesverfassung in Uebereinstimmung gebracht ,,werden."

Am 4. Mai überwies der Große Rath diesen Anzug zur nähern Berathung an eine Commission von 15 Mitgliedern, worunter nicht weniger als 6 J. U. D. Diese Großrathscommission hatte dann vor Inangriffnahme der ihr überwiesenen Arbeit Einladungen erlassen zur Mittheilung allfälliger Wünsche und Bemerkungen.

In Folge dieser Einladungen gingen innert der anberaumten Frist zehn Eingaben ein, von denen sich sechs auf das Kirchenwesen bezogen, wovon die Eingabe der Vorsteherschaft der katholischen Gemeinde Wünsche betreffend selbstständige Verwaltung ihres .Kirchen- und Schulwesens enthielt, wogegen eine erst nach Ablauf .der Eingabefrist eingelangte Eingabe des Vereins f r e i s i n n i g e r Katholiken in Basel in Bezug der Organisation von Kirche und Schule Gel tend machung der Oberhoheit des Staates wünschte.

Nach PrüfungO all' dieser Eingaben hat die Verfassungscomo O mission in ihrer Mehrheit ihrem Verfassungsentwurf bezüglich des Verhältnisses des Staates zur Kirche sub § 13 Bestimmungen einverleibt . welche mit denjenigen des in der Verfassung an seine Stelle gesetzten § 12 einen wohlthuenden Kontrast bilden, indem erstere -- von staatsmännischer Weisheit und legislatorischer Begabung, sowie von lobenswerther Sorge für den konfessionellen Frieden zeugend -- die faktischen Verhältnisse der katholischen Kirchengenossenschaft in Basel intakt gelassen haben. Der erwähnte später § 12 gewordene § 13 des Verfassungsentwurfes lautet wörtlich : ,,Die Organisation der e v a n g e l i s c h - r e f o r m i r t e n ,,Kirche unterliegt der staatlichen Gesetzgebung. Der Staat, -sorgt für ihre Kultusbedürfnisse.

li O ,,Das Gesetz wird die Bedingungen feststellen, innerhalb ,. welchen eine staatliche Unterstützung von andern Religions,,genossenschaften gefordert werden kann."

Diese einfache Fassung erscheint uns um so genügender und korrekter, als die im §11 der Verfassung enthaltene Reproduktion der Hauptbestimmungen von §§ 49 und 50 der Bundesverfassungdas Nothwendige, was in einer Verfassung in Bezug auf Religion, Confession und Kultus gesagt sein muli, in genügender Weise enthält.

Leider wurde im Großen Rathe von Baselstadt die Mehrheit der Commission zur Minderheit und umgekehrt, und leider mußte, nach dreitägiger Redeschlacht im Großen Rathe. der § 13 des Ver-

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fassuugsentwurfes weichen, um dem jetzigen § 12 der Verfassung Platz zu machen.

Nach diesen historischen Notizen über die Entstehung des angefeindeten , ich möchte sagen unglücklichen § 12 der neuen Verfassung des Kantons Baselstadt erlauben Sie, Herr Präsident ! meine Herren! Ihrer Commissions-Minderheit, den bemeldten Verfassungsparagraphen unter die Loupe zu nehmen, seine verschiedenen Theile, aus denen er zusammengesetzt ist, zu seciren und Ihnen die Gründe in Kürze vorzuführen, welche uns bestimmen, Ihnen, meine Herren !

die Nichtgenehmigung des § 12 der Stadtbasler-Verfassung, insoweit er auf die katholische Kirche Bezug hat, zu beantragen.

Das erste Alinea des § 12 der Basler-Verfassung lautet: ,,Die reformirte und die katholische K i r c h e erhalten ,,durch Gesetz ihre äußere Organisation, nach welcher sie ,,unter Oberaufsicht des Staates ihre innern confessionellen ,,Angelegenheiten selbständig ordnen. Ihre Geistlichen und ,,ihre kirchlichen Vertreter wählen die zu jeder Kirch,,gemeinde gehörigen in Gemeindeangelegenheiten stimmfähigen S chweizerbürger."

So harmlos dieser Absatz beim ersten oberflächlichen Lesen einem auch erscheinen mag, so folgenschwer zeigt sich derselbe bei näherer Prüfung, indem er den Art. 49 und 50 der Bundesverfassung widerstrebt und nahezu jeder Satz eine Rechtsverletzung enthält.

Die Basler-Verfassung sagt nicht, die katholische K i r c h g e m e i n d e , sondern sie sagt deutlich, die katholische Kirche erhalte durch's Gesetz die äußere Organisation.

Nun weiß jedes katholische Schulkind, daß die wahre katholische Kirche ihre Organisation und Gestalt von ihrem göttlichen Stifter, von Christus selbst. erhalten hat. Das ist katholische Glaubenswahrheit. Und diese k a t h o l i s c h e K i r c h e soll nun eine neue Organisation vom S t a a t e Baselstadt, von seinem bekenntnißlosen, in der eminenten Mehrheit seiner Mitglieder protestantischen Großen Rathe erhalten? Steht eine solche Verfassungsbestimmung, welche dem Glauben und Gewissen der einzelnen Mitglieder der römisch - katholischen Kirchgenossenschaft in Basel Zwang und Gewalt anthut, nicht im diametralen Widerspruche mit der durch Art. 49 der Bundesverfassung proklamirten U n v e r letzlichkeit der Glaubens- und Gewissensfreiheit?

Aber, wendet man ein, die neue Basler-Verfassung unterwirft ja nur die ,,äußere" Organisation dem Gesetze des Staates. Der Buchstabe sagt zwar dieß, aber Christus, der Stifter der wahren katho-

699 lischen Kirche, sprach: ,,Der Buchstabe tödtet und der Geist macht lebendig." Den Geist, welcher im § 12 der Basler - Verfassungliegt und welcher dieselbe beleben, das heißt, welcher bei Anwendung und Ausführung dieser Verfassungsbestimmung zur Geltung gelangen soll, kann man aus den Voten der Schöpfer dieses Paragraphen im Großen Rathe von Baselstadt sattsam kennen lernen. Wir könnten Ihnen, meine Herren ! aus den ,,Basler-Nachrichten' und der ,,Schweizer-Grenzpost"' Auszüge mehrerer solcher Vorträge vorlesen, welche über den Geist und die Absicht des § 12 keinen Zweifel übrig lassen, allein wir wollen Ihre Zeit und Geduld nicht mit solchen Vorlesungen in Anspruch nehmen. Die sachbezüglichen interessanten Debatten des Großen Rathes von Baselstadt sind gewiß der Mehrheit des Ständerathes aus den einläßlichen Zeitungsreferaten her noch erinnerlich. So viel ist nicht nur ans dem Sinne und Geiste, sondern auch aus dem Wortlaute der in Frag« liegenden Verfassungsbestimmung klar und außer Zweifel, Baselstadt will die K i r c h e , sage die Kirche gestalten, die katholische Kirche organisiren, wie die reformirte. Letztere, sowie die sog. altkatholische Kirche, die sich von der wahren apostolischkatholischen losgetrennt hat, sind sogenannte nationale Kirchen, die römisch- katholische Kirche hinwieder ist eine i n t e r n a t i o n a l e , eine Kirche der ganzen Welt. Jene haben sich der staatlichen Organisation unterzuordnen, diese aber nicht. Es handelt sich also, wie gesagt, nicht blos um Ordnung der weltlichen Angelegenheiten der katholischen Kirchgemeinde, nicht blos um die Wahl der Vermögensverwaltungsbehörde der katholischen Kirchgemeinde, nicht blos um eine Ordnung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche, nicht blos um die äußere Stellung der wesentlich selbständigen Religionstheile, nein, es handelt sich um die Organisation, um Gestaltung der katholischen Kirche, wozu der Staat kein Recht besitzt, schon deßwegen, weil er. dadurch den Glauben und die Gewissen der Römisch-Katholischen tief innerlich und implicite den Art. 49 der Bundesverfassung verletzt. Sage man nicht, ja die Verfassung enthält die gleiche Bestimmung auch für die reformirte Kirche, auch sie wird durchs Gesetz staatlich organisirt. Nicht Alles paßt für Alle. Für die protestantische Kirche, für welche, wie in den
Großrathsverhandlungen von mehreren Rednern betont wurde, der protestantische Große Rath bisher schon s u minus e p i s c o p u s -- oberster Bischof -- und wir möchten hinzufügen Papst war, mag die staatliche Organisation gerechtfertigt und sogar am Platze sein; für die römisch-katholische Kirche aber n i m m e r m e h r .

Im angeführten ersten Absätze des § 12 der Basler-Verfassung findet sich die weitere Bestimmung: ,,Ihre Geistlichen und ihre k ir chi ich en Vertreter wählen die zu jeder Kirchgemeinde ge-

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hörigen, in Gemeindeangelegenheiten stimmfähigen S c h w e i z e r b ü r g e r."

Die Wahl der Geistlichen betreffend, muß zur Vermeidung von Mißverständnissen vorab konstatirt werden, daß darunter nach dem kanonischen Rechte und nach katholischen Begriffen nur das Vorschlags- oder Präsentationsrecht zu Händen des Bischofs zu verstehen ist, indem Letzterer einzig das geistliche Amt verleiht.

So und nicht anders wird die Geistlichenwahl auch in den Urkantonen verstanden, wo seit Jahrhunderten die Wahl der Geistlichen, und zwar in Uri und zweifellos auch in den andern Urständen, ohne Aufsicht der Staatsbehörde, den Kirchgemeinden zusteht. Die Wahl wird jeweilen dem Bischöfe notifizirt und erst, wenn dieser dem Gewählten die kirchliche Admission ertheilt, wird letzterer installili, indem er erst durch die bischöfliche Admission zur kirchlichen Pastoration legitimirt wird. Was verstellt aber die Verfassung des Kautons Baselstadt unter dem Ausdrucke k i r c h l i c h e V e r t r e t e r ?

Will sie darunter Abgeordnete an Synoden oder etwa gar die Bischöfe verstanden wissen? Das Eine wie das Andere widerstrebt den katholischen Anschauungen und Grundsätzen; denn eine Vertretung im angedeuteten Sinne, z. B. durch weltliche Delegirte an Synoden, kennt die katholische Kirche nicht, und daß die Bischöfe die Legitimation zu ihren kirchlichen Verrichtungen, ihre oberhirtliche Amtsgewalt nur durch die kirchliche Weihe und durch die päpstliche Genehmigung, resp. die Consécration erlangen, ist für jeden gläubigen Katholiken selbstverständlich. Es erscheint uns demnach auch der oben allegirte Verfassungssatz eine unnöthige Kränkung und Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Römisch-Katholischen und daher eo ipso mit dem Art. 49 der Bundesverfassung, wodurch jene förmlich garantirt sind, im Widerspruche. In der Bestimmung, daß ausschließlich nur S c h w e i zerb u r g e r in der katholischen Kirchgenossenschaft stimmberechtigt sein sollen, erblicken wir einen ungerechtfertigten Eingriff in das freie Vereinsrecht, mithin etwas Verfassungswidriges ; denn der Art. 56 der Bundesverfassung gewährleistet den Bürgern das Reckt, Vereine zu bilden. Dieses Recht involvirt zweifellos die rechtliche Befugniß zu statuarischen Bestimmungen über das Stimmrecht u. s. w., u. s. w. -- Warum soll die römisch-katholische
Genossenschaft von diesem unbestreitbaren Vereinsrechte nicht Gebrauch machen, warum ihren zahlreichen ausländischen Mitkatholiken nicht das Stimmrecht in Sachen ihrer kirchlichen Genossenschaft einräumen dürfen, nachdem dieselben in die römisch-katholische Genossenschaft aufgenommen und als deren Mitglieder zu betrachten sind und nachdem sich dieselben den Pflichten und Lasten der

701 Genossenschaft unterziehen und sogar, wie die Vorstellerschaft der Römisch-Katholischen in ihrer gedruckten Eingabe au die Bundesbehörden selbst sich ausdrückt, durch edlen Leistungswetteifer bislang die schweizerischen Katholiken angespornt haben? Soll etwa das Stimmrecht dieser zahlreichen nichtschweizerischen Katholiken deßwegen mit einem Federzuge gestrichen werden, damit die so blühende römisch-katholische Gemeinde, welche ihren Antagonisten ein Aerger und ein Dorn im Auge ist, desto leichter und sicherer gesprengt und aufgelöst werde?

Das zweite Lemma des § 12 bestimmt, daß jedem S t a a t s a n g e h ö r i g e n der Eintritt in die katholische Kirche, sowie der Austritt aus derselben bedingungslos o f f e n stehe.

Diese auffällige Bestimmung, welche ihre feindselige Tendenz gegen die Römisch-Katholischen deutlich durchschimmern läßt, erscheint in unsern Augen als eine rechtswidrige und in ihren Cousequenzen die römisch-katholische Kirchgemeinde in Basel sehr gefährdende.

Welche Genossenschaft und welcher Verein, heiße er Schützen-, Gesang-, Musik-, Gewerb- oder auch Freimaurer-Verein würde eine solche schrankenlose Eintrittsfreiheit vom Staate sich oktroyiren lassen? Und die römisch-katholische Kirche soll eine derartige staatliche Vergewaltigung sich gefallen lassen müssen? Sie soll Juden, Heiden, Türken und Ungläubigen, sie soll ihren entschiedensten Gegnern und grimmigsten Feinden b e d i n g u n g s l o s den Eintritt gestatten müssen? Sie soll denjenigen ihre Thore Widerstands- und bedingungslos öffnen, die die Mordwaffe tragen, um ihr -- der römisch-katholischen Kirche -- den Todesstoß zu geben ?

Jeder Verein und jede Genossenschaft viudizirt sich das Recht, Mitglieder, die sich den Vereins-Statuten nicht, unterordnen oder das Leben und die Existenz des Vereins gefährden u. dgl., jeder Zeit auszuschließen; die katholische Kirche aber soll dieses naturgemäße Recht nicht besitzen. Selbst die rechtmäßige Kirchengewalt soll sogar diejenigen von ihrem Verbände nicht fernhalten oder ausdemselben ausweisen können, welche nur eintreten wollen, um sie zu Grunde zu richten! Durch den Ausschluß der Ausländer vom Stimmrechte einerseits und durch die b e d i n g u n g s l o s e Eintrittsfreiheit für alle Staatsangehörigen anderseits würde einer Mehrheit von.

l den Römisch-Katholischen
feindlichen Elementen die MögO lichkeit und die Mittel geboten, in rein kirchlichen Angelegenheiten durch und durch unkirchliche, ja sogar kirchenfeindliche Beschlüsse zu fassen, Geistliche anzustellen, die keine kirchliche Admission haben oder die sogar aus dem Schooße der römisch-katholischen

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Kirche ausgetreten sind oder sonst außerhalb dein Kreise derselben stehen. Dadurch würde aber nicht nur die im § 40 der Bundesverfassung gewährleistete Glaubens- und Gewissensfreiheit, sondern auch dio durch Art. 50 der Bundesverfassung garantirte Kultusfreiheit offenbar schwer verletzt, indem im gegebenen Falle den Römisch-Katholischen die freie Ausübung ihres Kultus nicht nur erschwert, sondern selbst verunmöglicht würde.

Im Schlußsätze des § 12 der neuen Basler Verfassung glaubei:.

wir eine Art Danaer-Geschenk erblicken zu dürfen. ,,Timeo Danaos et dona ferentes mag die römisch-katholische Kirchgemeinde in Basel, vielleicht nicht ganz ohne Grund, denken. Dieselbe hat bislang ihre Kultusbedürfnisse aus freiwilligen Beiträgen und wohlthätigen Unterstützungen ihrer Confessionsgenossen bestritten und O O ^ entwickelte sich nach allen Richtungen in erfreulichster großartiger Weise, ohne daß dadurch das gute und friedliche Verhältniß zwischen ihr (der Gemeinde) und dem Staate irgendwie gestört oder getrübt wurde. Die römisch-katholische Kirchgemeinde verlangt auch heute noch keine Staatsunterstützung, sie hofft auch fernerhin auf eigenen Füßen wandeln zu können und verlangt weiter nichts, als den bisherigen ruhigen Besitzstand und die bisherige Freiheit.

Was liegt bei solcher Sachlage noch für ein Grund vor, der oft bemeldten Kirchgemeinde einen Staatsbeitrag, den sie entschieden ablehnt, gewaltsam aufdringen zu wollen ?

Noch wären wir in unsern Ausführungen über die Bundeswidrigkeit und Inopportunität des § 12 der neuen Kantonsverfassung von Baselstadt nicht zu Ende, allein Bescheidenheit gebietet uns., Ihre Geduld, meine Herren! nicht länger mit unserer Beweisführung zu ermüden, um so mehr, als in der gedruckt in ihren Händen liegenden Eingabe der Vorsteherschaft der römisch-katholischen Gemeinde Basel die gewünschte Vervollständigung unserer gedrängten Berichterstattung sich findet.

Nur eine Bemerkung erlauben wir uns zum Schlüsse. Viele von Ihnen werden denken, die Bemerkungen und Aussetzungen der Commissions-Minderheit seien nur die persönliche Anschauung des die Minderheit bildenden Mitgliedes der Commission, seien nur der beschränkte Gesichtspunkt eines Ultra montanen. Der Referent der Commissions-Minderheit erlaubt sich daher, zum Beweise des Gegentheils die darauf bezügliche Stelle aus
dem gedruckten Bericht und Gutachten der Verfassungscommission an den Großen Rath des Kantons Basel-Stadt, d. d. 18. Januar 1875, auf Seite 13--15 vorzulesen.

,,Unsere Mehrheit hält einen solchen Versuch für r e c h t l i c h u n z u l ä ß i g sowohl als für unausführbar. Man will die katho-

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lische Kirche durch staatliches Eingreifen reformiren. Allein es ist ihr durch die Bundesverfassung die Glaubens- und Kiütusfreiheit so gut gewährleistet, als jeder andern Religionsgenossenschaft. Sie braucht sich also nicht reformiren zu lassen, und die bisherigen Wahrnehmungen führen nicht zu der Annahme, daß eine sehr namhafte Zahl von Katholiken nach staatlicher .Organisation verlange, selbst wenn damit staatliche Unterstützung verbunden wäre, vielmehr ist es wahrscheinlich, daß die große Masse lieber auf jede Unterstützung, nöthigenfalls sogar auf die Benutzung der vom Staate der katholischen Gemeinde überlassenen und vor wenig Jahren mit großem Kostenaufwand von ihm restaurirten Kirche zu St. Clara verzichten würde, als daß sie sieh einer ihnen auferlegten Organisation fügen würden, die als ein Eingreifen in ihre religiösen Ueberzeugungen erscheinen könnte.

,,Die bisher befolgten Grundsätze, wie sie in dem Reglement von 1822 und im Kleinrathsbeschluß von 1857 niedergelegt sind, haben einerseits die Katholiken nicht bedrückt und andererseits déni Staat hinreichende Mittel gewährt, um Störungen des confession jllen Friedens zu verhüten. Also erscheint es unserer Mehrheit als rathsam, auf dieser Grundlage fortzubauen und nicht ohne alle Noth Kämpfe hervorzurufen, von denen wir bisher verschont geblieben sind.

,,Die gerade jetzt in der katholischen Kirche herrschende Haltung kann eine bloß vorübergehende sein und auch wieder der entgegengesetzten Platz machen. So lange aber die römische Kirche in der dermaligen, dem modernen Staat principiell feindseligen Richtung verharrt, können wir auch aus Gründen der allgemeinen Staatswohlfahrt nicht dazu rathen, die katholische Kirche als Landeskirche zu erklären.

,,Was die staatliche Unterstützung betrifft, so ist die Mehrheit mit der Minderheit darüber einverstanden, daß es billig sei, in dieser Hinsicht noch ein Mehreres in Aussicht zu stellen, als bisher gethan worden ist. Indem wir vorschlagen, die nähren Bestimmungen über die Modalitäten der staatlichen Unterstützung anderer Religionsgenossenschaften dem Gesetz zu überlassen, setzen wir voraus, daß ein solches Gesetz, bei aller Weitherzigkeit gegenüber Andersdenkenden, wie sie in dem Geist unserer Bevölkerung liegt, die nothwendigen Bedingungen des Staatslebens nicht außer Acht lassen werde.
,,Noch bemerken wir schließlich, daß der Entwurf es unterläßt, die evangelisch-reformirte Kirche als Landeskirche zu bezeichnen. Darin findet die Thatsache ihren Ausdruck, daß wir aufgehört haben, ein ausschließlich reformirter Staat zu seinJf

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Aber auch im Großen Rathe selbst ließen sich bei Verhandlung der Verfassungsrevision von Seite sehr gebildeter und ehren werther Protestanten ebenso entschiedene Stimmen gegen den § 12,, beziehungsweise gegen die darin vorgeschriebene staatliche Organisation der katholischen Kirche vernehmen. So erklärte z. B. Hr.

Dr. Ed. Thurneysen : ,,Es sei k e i n e M ö g l i c h k e i t vorhanden, beide Konfessionen gleich zu behandeln ; der p r o t e s t a n t i s c h e Staat könne mit dem besten Willen keine parteilose Organisation für die k a t h o l i s c h e Kirche herstellen." Sehr wahr und unparteiisch gesprochen. Hr. Rathsherr Sarasin nennt den Standpunkt der Gegner des § 12, mithin den Standpunkt der Minderheit Ihre r Commission, meine Herren ! den Standpunkt der F r e i h e i t . Während die Gegner der staatlichen Organisation der katholischen Kirche die Freiheit wollen, beabsichtigen die Befürworter des § 12, der katholischen Gemeinde eine Organisation zu o k t r o y i r e n , die von dieser nicht gewünscht w e r d e . . . . Es wäre ein großer Fehler,, alle diese Leute durch eine Organisation maßregeln au wollen.

Hr. Ad. Vischer-Sarasin glaubt, denjenigen kirchlichen Genossenschaften, welche keine Zuschüsse des Staates verlangen, bleibe die Organisation ihrer Kirche f r e i und unbenommen, und Hr.

Bernoulli-Riggenbach nannte es geradezu eine U n g e r e c h t i g k e i t , der katholischen Kirche eine Organisation zu geben.

Eine Organisation der katholischen Kirche würde Eingriffe in das Wesen dieser Kirche zur Folge haben. Halten wir uns deshalb davon ferne. -- So sprach ein biederer Protestant ; doch nicht nur Einer, sondern noch M e h r e r e .

Beweis dafür, daß mehrere Mitglieder des Großen Rathes von Basel an dem heißen Kampfe um den fatalen § 12 sich einläßlich betheiligten, ist die lange über zweitägige Dauer der diesfälligen Discussion, und Beweis dafür, daß eine große Minderheit für Nichtgenehmigung des benannten § 12 stimmte, ist, daß derselbe in der Abstimmung mit nur 63 gegen 58 Stimmen, also mit der minimen Mehrheit von nur 5 Stimmen durchdrang und in der Verfassung Aufnahme fand.

Die Minderheit Ihrer Commission erlaubt sich, erwägend, 1) nach Art. 6 der Bundesverfassung übernimmt der Bund die Gewährleistung kautonaler Verfassungen, insofern sie a. nichts den Vorschriften der
Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten; 2) in § 12 der neuen Kantonsverfassung von Basel-Stadt, welche soeben Ihrer Genehmigung unterbreitet wird, finden sich Bestim-

705 mungen, die mit den Vorschriften der Art. 49, 50 und 56 der Bundesverfassung im Widerspruche stehen, indem a. durch die staatliche Organisation der katholischen Kirche, b. durch den Ausschluß der ausländischen Mitglieder der römischkatholischen Gemeinde in Basel vom Stimmrechte in Sache dieser Gemeinde, c. durch die Bestimmung des b e d i n g u n g s l o s e n Eintrittsrechtes in die katholische Kirche für jeden Staatsangehörigen die durch die Art. 49, 50 und 56 der Bundesverfassung gewährleistete Glaubens- und Gewissens-, sowie die Kultusfreiheit und beziehungsweise auch die Vereinsfreiheit der römisch-katholischen Religionsgenossenschaft von Basel-Stadt verletzt werden; 3) (übrige Erwägungen der Botschaft des Bundesrathes :) darauf anzutragen, Sie wollen beschließen: 1) Der Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 19. April 1875 wird mit Ausschluß des § 12, i n s o w e i t der s e l b e die k a t h o l i s c h e K i r c h e b e t r i f f t , d i e Garantie d e s Bundes er th eilt.

2) (Laut bundesräthlichem Antrage.)

B e r n , den 28. Juni 1875.

Der Berichterstatter der Minderheit der ständeräthliehen Commission:

Frz. Lnsser.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Minderheit der ständeräthlichen Commission, betreffend eidg. Gewährleistung der Verfassung des Kantons Basel-Stadt. (Vom 28. Juni 1875.)

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10.07.1875

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695-705

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