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Schweizerisches Bundesblatt.

XXVII. Jahrgang. III.

Nr. 26.

19. Juni 1875.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrüknn gsge b ü hr per Zeile 15 Rp.-- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Erweiterung des Waffenplazes in Thun.

(Vom 26. Mai 1875.)

Tit.!

Der Bundesrath beehrt sich hiermit, der Bundesversammlung seinen Bericht und Antrag, betreffend eine abermalige Erweiterung des Waffenplazes in Thun, zu unterbreiten.

Veranlaßung zu dieser Vorlage sind bekanntlich die vielen Klagen und Reklamationen der Bewohner von Thierachern und Umgegend wegen Beschädigung ihres Eigenthums und Gefährdung menschlicher Leben durch einschlagende Geschoße. Beispielsweise sei hier der Verwundung eines Mannes (Liechti) im Hasliholz und des Kugelschusses in das Wohnhaus des F. Känel erwähnt; die Kugel drang in das Wohnzimmer, wo sich ein schlafendes Kind befand. Einen solchen ungebetenen Gast erhielten vor einigen Jahren auch die Hausbewohner der Mühlcmatt während des Mittagstisches, ohne jedoch beschädigt zu werden. Begibt man sich an Ort und Stelle, so wird man sich sogleich davon überzeugen können, daß noch eine Menge anderer Gebäulichkeiten von Artilleriegeschossen erreicht und beschädigt worden sind ; der verhehrenden Wirkungen derselben an Pflanzungen und Bäumen aller Art, sowie der Beeinträchtigung der Bewohner in Bearbeitung ihres Grund und Bodens nicht zu gedenken.

Bundesblatt. Jahrg.XXVII.Bd.III..

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Zur Untersuchung dieser Klagen und Bezeichnung von Mitteln zur Abhülfe sezte zuerst die bernische Regierung eine Kommission nieder und später in gleicher Sache auch das eidg. Militärdepartement, deren Berichte schließlich völlig auf das Gleiche hinauslaufeu.

Ueber den Umfang des der Beschädigung unterworfenen Bezirkes läßt sich die bernische Kommission folgendermaßen vernehmen : ,,1) Während des Schießens der Artillerie besteht wirkliche und von allen Lokalen die größte Gefahr in den beiden Wäldern der Burgergemeinde Thierachern. genannt Hasliholz, und in den Liegenschaften und W o h n u n g e n , welche zunächst nördlich, westlich und südlich dieser Waldungen liegen. -- Diese am meisten gefährdete Zone kann begrenzt werden durch eine Linie,' welche von den Häusern des Mühlemattgutes ausgeht und sich gegen das Schulhaus erstrekt, von da nördlich der Lerchenmatt der Gebrüder Neuenschwander vorbei zum Wahlenbach, diesem aufwärts folgend bis zur Liegenschaft von Peter Künzi und dann die Parzellen von Ulrich Kupfer und Jakob Streit durchschneidend bis zur Waldparzelle von Streit und Mithaften am Glütschbach. In diesem Bezirk sind schon gefährliche Verwundungen von Menschen vorgekommen, und, um solchen zu entgehen, sind die Landeigenthümer genöthigt, während der Artillerie-Schießübungen ihre Besizungcn zu verlassen und ihre Arbeiten einzustellen. Bäume in den Waldungen und auf den Feldern, Wohnhäuser und Stallungen weisen zahlreiche Spuren von eingeschlagenen Geschossen und Sprengstüken.

,,2) Es ist mit Lebensgefahr verbunden, während der ArtillerieSchießübungen die öffentliche Landstraße von Thierachern nach Amsoldingen vom Schulhaus bis zum Schürlirain zu benuzen. Zahlreiche Geschosse und Sprengstüke haben schon oft in der Straße selbst oder in deren unmittelbarer Nähe eingeschlagen.

,,3) Während der Schießübungen aller Waffengattungen ist es gefährlich, deshalb unmöglich, landwirthschaftliche Arbeiten auf der B ü r g e r a l l m e n d von Thierachern, dem Schwand und auf der Egg des Hrn. Lörtscher nördlich der eidgenössischen Allmend vorzunehmen. Leztere ist dabei in geringerm Maße, dagegen sind diejenigen Parzellen in höherm Maße belästigt, welche zunächst dem Waffenplaz liegen. Die Gefahr hat sieh in einzelnen Fällen schon bis zum Rank der großen Landstraße von Thtm nach Thierachern um den
Giebel ausgedehnt.

,,4) Das Gleiche gilt von Landparzellen der Bürgerallmend von Thierachern und der Gebrüder Wenger, welche im Wald südlich vom eidgenössischen Waffenplaz liegen. Der dortige Burgerwald von

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Thierachera und der Kandergrienwald von Bern können zunächst dem Schießplaz während den Schießübungen auch nicht begangen werden.

,,5) Während der Schießübungen aller Waffengattungen sind die zahlreichen F e l d - und F u ß w e g e nicht begangbar, welche die eidgenössische Allmend, besonders in ihrem westlichen Theil, nach allen Richtungen durchkreuzen. Bedeutend lästig ist dies für die Verbindungswege vom Ueltschiaker gegen die Mühlematte, von Almendingen her gegen die Säge bei der Mühlemattu und für den nächsten Weg vom Rebgäßli bei Thierachern gegen Allmendingen."

,,Diese Gefahren und mehr oder weniger bedeutenden Belästigungen", bemerkt die Kommission, ,,liegen in den Schießübungen der A r t i l l e r e und I n f a n t e r i e . " Was 1) die Schießübungen der Artillerie anbetrifft, so wird von der nämlichen Kommission hervorgehoben, daß dieselben in zwei, namentlich in ihren Wirkungen wohl zu unterscheidende Gattungen zerfallen, nämlich in diejenigen mit blinden Geschossen ohne Sprengladung und in diejenigen mit geladenen Geschossen, welche am Ziel durch ihr Zerspringen Resultate haben sollen. Bei jeder dieser Gattungen müsse in Bezug auf gefährliche Wirkung wieder unterschieden werden zwischen Schulschießen und feldinäßigem Schießen.

Endlich müsse die für die Umgegend gefährliche Wirkung verschieden sein, wenn auf bekannte und auf unbekannte Distanzen geschossen werde.

Weiterhin sagt die Kommission : ,,2) Es liegt auf der Hand, daß beim Schießen auf unbekannte Distanzen Fehlschüsse vorkommen müssen, namentlich so lange, bis die i-ichtige Distanz ermittelt ist. Es ist sogar bei den Schießübungen Regel, nicht lange weiter zu feuern, sobald einmal die Distanz ermittelt ist, sondern die gleiche Uebung von einer andern Position aus von Neuem zu beginnen. Darin liegt nun ebenfalls eine bedeutende Vermehrung der Gefahr.

,,Das schulmäßige Schießen dient dazu, die Kanoniere im richtigen Zielen und Beobachten der Schüsse praktisch zu unterrichten und zu üben. Es wird dabei nicht manövrirt, langsam und mit aller möglichen Ueberlegung gefeuert; auch wird diese erste Uebung nur in kleinen Abtheilungen, meist nur von zwei Ge.schüzen, vorgenommen; sie geschieht in der Regel unter der Leitung eines erfahrnen Instruktions-Offiziers, welcher alle gefährlichen Aufstellungen vermeiden kann. Diese Uebung ist daher bedeutend weniger Gefahr LigV.

222 bringend, als die folgende. Wenn die Kanoniere die nöthige Sicherheit im Schießen erreicht haben, so wird zum f e l d m ä ß i g e n F e u e r n geschritten, zuerst in kleinern Abtheilungeu, zulezt mit Batterien und Brigaden. Weil die leitenden Offiziere ihr Augenmerk auf viele P u n k t e z u g l e i c h richten müssen, so kommen dabei auch die meisten Fehler und Unregelmäßigkeiten vor. Die taktische Regel, den Feind möglichst in der Flanke zu fassen, verleitet die Führer oft, in Richtungen schräg über die Allinend zu schießen, welche sogar den umliegenden größern Ortschaften gefährlich werden können. Diese Uebungen sind daher wirklich mit den verhältnißmäßig größten Gefahren verbunden, um so größer, je größer die schießende Abtheilung ist, je größer sich namentlich die Front der feuernden Geschüze ausdehnen muß und je unerfahrner der betreffende Führer ist. Es gilt eben auch hier der bekannte Saz : C'est en faisant des fautes qu'on apprend!

,,Endlich wird selbstverständlich die Gefahr um so größer, je geringer mit der V e r g r ö ß e r u n g der Distanz die Wahrscheinlichkeit des Treffens wird.

,,Wenn wir deshalb für das Schießen der Artillerie die beiden Hauptabtheilungen machen, ob mit blinden oder scharfen Geschossen gefeuert wird, so können die Gefahren jeder derselben noch dadurch gesteigert werden, daß man auf unbekannte, besonders große Distanzen und feldmäßig in großen Abtheilungen schießt.

,,a. Beim Schießen mit blinden Granaten werden als Ziel 60' lange und 6' hohe Paktuchwände in der halben Höhe des Mühlematt-Rains, westlich vom Glütschbach, aufgestellt. Die nicht zerspringenden blinden Granaten wirken nur als Vollgeschosse und sind daher überhaupt weit weniger gefährlich, als diejenigen Geschosse, bei denen ein Zerspringen beabsichtigt wird. Wenn jedoch ein solches gußeisernes Geschoß, das nur mit Saud gefüllt ist, auf einen Stein aufschlägt, so kann es auch zerspringen und eine ähnliche Wirkung hervorbringen, wie eine mit Pulver geladene Granate ; seine Sprengstüke werden jedoch viel weniger weit herumfliegen und die Ausdehnung des gefährdeten Raumes viel kleiner sein, als bei diesen. Solche blinde Granaten, welche im MühlemattRain selbst einschlagen, und das ist jedenfalls der weit größte Theil, bleiben, wegen des großen Einfallswinkels, steken. Diejenigen Geschosse dagegen,
welche vor dem Ziel in der Ebene unten am Abhang oder hinter dem Ziel auf der sanft ansteigenden Fläche oberhalb des Rains aufschlagen, gehen in neuen Bahnen weiters bis in's Torfmoos, westlich des Wahleiibachs, sogar bis in Uebeschisee.

Ist die erste Aufschlagfläche zufällig noch schief geneigt, so können solche Geschosse bedeutend von ihrer anfänglichen Richtung abge-

223 lenkt und um so gefährlicher werden. Dieser Fall tritt jedoch bei den blinden Granaten viel seltener ein, weil eben in der Nähe des Mühlemattrains unregelmäßig geneigte Flächen weniger vorkommen.

,,Der durch das Schießen mit blinden Granaten gefährdete Raum erstrekt sieh westlich vom Mühlemattrain in einem Dreiek, dessen Basis etwa 300 Meter westlich vom Wahlenbach liegt und hier eine Breite von zirka 350 Meter hat; bei der Straße von Thierachern nach Amsoldingen ist dieser gefährliche Raum nur etwa 200 Meter breit (_vide Plan I von Hrn. Oberst Bleuler).

,,b. Weit gefährlicher als das soeben beschriebene ist das Schießen mit geladenen Geschossen, welche beim Ziel zerspringen sollen. Die Artillerie hat deren zweierlei, Granaten und Shrapnells.

,,Der Hohlraum der Granate ist mit einer bedeutenden Pulverladung (bis 1 /i2 des Geschoßgewichts) gefüllt, welche beim Aufschlagen des Geschosses entzündet wird und dieses in viele (30 und mehr) Theile, Sprengstüke, zerreißt. Wegen der bedeutenden Sprengladung fliegen die Sprengstüke nicht nur 4-- 500 Meter vorwärts, sondern auch seitwärts und aufwärts und bilden so einen sogenannten S t r e u k e g e l , dessen Winkel beim Sprengpunkt zirka 90° beträgt. Aus dem gleichen Grunde haben die treffenden Sprengstüke am Anfang noch eine bedeutende Durchschlagkraft und können sehr gefährliche Verwundungen veranlaßen.

,,Bei den Schrapnells ist der Hohlraum zum größten Theil mit kleinen Kugeln gefüllt; sie enthalten eine möglichst kleine Sprengladung, welche gerade noch im Stande ist, die gußeiserne Hülse au öffnen, nicht aber deren Stüke, und die Kugelfüllung weit herumschleudern soll. Die Zündvorrichtung ist so berechnet, daß das Geschoß 50--100 Meter vor dem Ziel in der Luft zerspringen und dieses mit kleinen Geschossen gleichsam begießen soll. Die Streugarbe der Schrapnells verbreitet sich deshalb eben so weit vorwärts, aber lauge nicht so viel seitwärts, als bei den Granaten; sie ist für seitwärts der Schußlinie liegende Gegenstände auch lange nicht so gefährlich als diese. Es ist ferner zu bemerken, daß mit Schrapnells erst geschossen werden soll, nachdem die Schußdistanz annähernd genau ermittelt worden, daß demnach bei dieser Geschoßart weniger viel zu kurze oder viel zu weite Schüsse vorkommen, als bei den Granaten.

rBei richtig funktionirenden Zündungen
ist das Schießen mit diesen beiden Geschossen d a n n für die Umgegend gefährlich, wenn die Ziele nahe an der Grenze des Schießplazes stehen, so daß Sprengstüke und Schrapnellkugeln manchmal weit über dieselbe hinausfliegen und Menschen und Vieh , die in der Nähe sind, be-

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deutend gefährden. Dies ist namentlich in den Allmendlöösern im Schwand von Thierachern der Fall.

,,Leider aber funktioniren die Z ü n d v o r r i c h t u n g e n der Geschosse nicht immer richtig; es sind eben mechanische Vorrichtungen, die, wie alles derartige, Mängeln unterworfen sind.

,,Es kommt daher vor, daß solche Geschosse viel früher, als beabsichtigt, springen, so daß die Sprengstüke an ganz andere Orte fliegen, als man geglaubt, wodurch wieder die Umgegend gefährdet wird. Oder aber die Geschosse schlagen auf, ohne zu zerspringen, und haben dann im weitern Verlauf der Flugbahn eine ähnliche Wirkung, wie die das Ziel überspringenden blinden Granaten.

,,Endlich aber kommt es vor, und das ist weitaus das Gefährlichste, daß solche Geschosse erst beim zweiten Aufschlag oder doch lange nach dem ersten springen; solche Geschosse gefährden namentlich die Gegend hinter der Mühlematt auf die ernsthafteste Weise. Kommt dann noch hinzu, daß die Schußrichtung schräg über den Schießplaz geht, z. B. von Südost gegen Nordwest, so können sogar ziemlich dicht bewohnte Gegenden in Gefahr kommen.

,,Die Ziele für scharf geladene Geschosse sind Brätterwände, auf denen Geschüze, Reiter oder Fußgänger gemalt sind. Diese werden so aufgestellt, daß sie eine feindliehe Truppe in irgend einer taktischen Formation vorstellen. Es werden immer mehrere Ziele zugleich aufgestellt und die Aufstellungen täglich gewechselt, um immer wieder neue unbekannte Distanzen zu bringen und das Schießen überhaupt so feldmäßig als möglich zu machen. Der Ort für diese Aufstellung der Ziele war bisher die westliche Ebene der Allmend, auf eine Längenausdehnung von 400--1400 Meter herwärts dem Glütschbach auf eine durchschnittliche Breite, von 250 Meter.

,,Zu den Gefahren, die aus den Geschoßarten, dem fehlerhaften Funktioniren der Zünder und der Art der Uebungen hervorgehen, kommen nun noch andere, mehr lokaler Natur.

,,Gerade der westliche Theil der Allmend, wo die Ziele für geladene Geschosse aufgestellt werden müssen, wird von den Vertiefungen des alten Kanderbetts durchschnitten. Die Richtung dieser alten Flußbette geht im Allgemeinen von Süd west nach Nordost, und da die meisten Schußlinien mit jener einen spizen Winkel machen, so liegt schon darin ein Grund, daß an den Ufern des alten Kanderbettes aufschlagende Geschosse aus
der anfanglichen Richtung abgelenkt werden. Diese alten Kanderbette verlaufen aber sehr unregelmäßig, haben oft steile, oft sanfte Börder, und das ist ein Grund, warum an solchen Borderà aufschlagende Geschosse oft bedeutend seitwärts abgelenkt werden, ganz unberechenbare Bahnen

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einschlagen und oft im zweiten Aufschlag an Orte kommen, die ganz unglaublich scheinen.

,,Weil beim Schießen mit geladenen Geschossen die Ziele in der Ebene stehen und die Präzision unserer Geschüze bedeutend ist, kommt es gar nicht vor, daß ein Geschoß in direktem Schuß über den Mühlemattrain wegfliegt; alle solchen Geschosse haben vorher aufgeschlagen, und je unregelmäßiger die Aufschlagebene ist, um so schwerer ist vorauszusehen, wohin das Geschoß gelangen werde -- um so größer die Gefahr für die Gegend in der Verlängerung und seitwärts des Schießplazes.

,,Von den K a r t ä t s c h e n hier zu sprechen ist kaum am Plaz.

Dieselben werden überhaupt selten und dann nur auf kurze Distanzen geschossen ; die rikoschettirenden Kartätschenkugeln bleiben jedenfalls in der Ebene der Allmend, gefährden höchstens Leute, die nördlich und zunächst derselben arbeiten; wo die Kartätschkugeln übrigens wegen der Unebenheit des Kulturbodens bald wirkungslos werden (steken bleiben).

,,c. Es ist kurz noch eine andere Art von Schießübungen zu erwähnen, die möglicherweise gefährlich werden können, nämlich die Schießversuche. Dieselben werden angestellt entweder um bei bereits bekannten Geschüzen und Munition die Schußtabellen aufzustellen oder irgend einen neuen oder noch unbekannten Theil des Artilleriematerials oder der Munition praktisch zu prüfen. Hier liegt die Gefahr in dem Unbekannten und das kann Grund sein, warum dann oft Geschosse weit oder seitwärts gehen oder an Orten springen, wo man es nicht vermuthet. Weil man jedoch bei diesen Sehießversuchen sich Zeit und Mühe nehmen m u ß , um mit aller möglichen Umsicht zu verfahren, indem man sie meist in der Mitte des Schießplazes anstellt, die Geschüze überhaupt aufstellen kann, wo man will, so werden dadurch höchstens die Orte hinter der Mühle matt gefährdet.

,,3) Die S c h i e ß ü b u n g e n der Infanterie (wir zählen die Scharfschüzen auch dazu) sind überhaupt viel weniger komplizirt und deshalb für die Umgegend des Schießplazes viel weniger gefährlich, als diejenigen der Artillerie. Die Zielscheiben werden immer in der Ebene aufgestellt, in großen Schulen freilich oft in bedeutender Ausdehnung, und es wird in der Regel nur der hinterste Theil der Allmend von den Geschossen bestrichen. Die weitgehendsten müssen im Mühlemattrain steken bleiben. Ausnahmsweise
kann es vorkommen, daß einem Schüzen der Schuß losgeht, bevor er das Gewehr in Anschlag hat, und dann ist es möglich, daß sich so ein Kügelchen ziemlich weit über den Schießplaz hinaus verirrt. Die daherige Gefahr wird aber selten sein. Es wird

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auch viel mehr auf bekannte und verhältnißmäßig kleine Distanzen geschossen; auch ein Grund, daß die Geschosse nicht sehr weit über das Ziel hieausfliegen. Beim Schießen auf unbekannte Distanzen werden, weil diese überhaupt nicht groß sind, die Fehlschüsse und daraus folgende Gefahren verhältnißmäßig weit kleiner sein, als bei der Artillerie.

,,Weit gefährlicher wird es aber für die Umgegend, wenn sich die Schüzen so aufstellen, daß die verlängerte Schußlinie links oder rechts über den Schießplaz hinausgeht. Es sind solche Fälle allerdings vorgekommen, wo die Burgerallmend von Thierachern bis zur Rebgasse und der großen Landstraße mit einem wahren Kugelregen überschüttet worden sind und die Leute bei ihren dortigen Wohnhäusern nicht sicher waren. Solche Gefahren liegen aber nicht in der Natur des Schießplazes, sondern in der Unüberlegtheit des Kommandanten, und sind leicht zu vermeiden. Ein Schießplaz, auf welchem man ohne Gefahr nach irgend einer beliebigen Richtung feuern könnte, müßte eine unendliche Ausdehnung haben, und es ist eigentlich selbstverständlich und bei der Infanterie leicht ausführbar, daß man Ziele und Schüzen so aufstellt, daß die Schußlinien sich eher auf den Schießplaz konzentriren, als divergirend über denselben hinausgehen.

,,Solche Fälle werden am leichtesten dann vorkommen und auch die daherigen Gefahren in bedeutendem Maße wachsen, wenn der Schießplaz von Infanterie und Artillerie zugleich benuzt werden soll, besonders wenn große Schulen beider Waffengattungen zu gleicher Zeit in Thun stattfinden, wie es in den lezten Jahren verschiedene Male vorgekommen. Beide Waffen werden dann in ihren Aufstellungen beschränkt und dadurch leicht verleitet, sich unrichtig und auf gefährliche Weise aufzustellen.

,,Wir glauben, der Schießplaz in Thun sei für Infanterie allein in jeder Beziehung ausreichend und groß genug, daß bei nur einiger Vorsicht durch ihr Feuer die Umgegend durchaus nicht gefährdet wird und also auch kein Grund vorhanden ist, wegen den Uebungen der Infanterie diesen Schießplaz zu verlegen oder zu vergrößern.

,,Bisher haben wir nur von den Gefahren gesprochen, welche in der Umgebung des Schießplazes vorkommen und durch welche die umliegenden Bewohner in ihrem Eigenthum mehr oder weniger belästigt und in der Ausübung ihres Eigentumsrechts beschränkt werden. Diese
sind jedenfalls auch in erster Linie zu berüksichtigen.w Andere Gefahren aber liegen laut dem Kommissionsbericht im Schießplaze selbst. Es ist einleuchtend, daß während der Schießübungen beider Waffengattungen der westliche Theil desselben

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nicht betreten werden sollte. Nun bestehen aber hier mehrere sogenannte Wegrechte, in deren Ausübung die Leute durch das Schießen mehr und mehr gehindert und welche daher zum Gegenstand von Reklamationen gemacht werden. Diese Wegrechte, mit Ausnahme der von Thierachern-Schwand gegen Allmendingen führenden Verbindung sind nach dem Vorschlag der Kommission zu beseitigen.

Die Gefahren und Belästigungen der Umgegend des Waffenplazes in Thun sind nicht neueren Datums. Schon zur Zeit der Verwendung glatter Geschüze flogen mitunter Geschosse auf die Thierachern-Allmend und das damals noch in Privathänden befindliche Mühlemattgut. Diese Uebelstände zeigten sich dann aber in noch höherem Maße zur Zeit der ersten Schießversuche mit gezogenen Geschüzen, was nicht nur eine bedeutende Verlängerung, sondern auch eine Südwärtsverlegung des Schießplazes zur Nothwendigkeit machte. Die 505 Jucharten haltende Allmend wurde daher im Jahre 1863 um circa 160 Jucharten und einem Kostenaufwand von Fr. 183,000 vergrößert.

Je mehr mit Sprenggeschossen gefeuert und überhaupt das feldmäßige Schießen bei der Artillerie praktizirt wurde, desto mehr erwies sich die damalige Allmenderweiterung als unzulänglich. Die Belästigungen der Umgegend durch das Artilleriefeuer mehrten sich von Jahr zu Jahr, namentlich in der verlängerten Schußlinie im sogenannten Mühlernattrain und dahinter ; das neuerbaute Schulhaus zu Thierachern stand lange Zeit in großer Gefahr; ein Geschoß schlug sogar in den daran liegenden Garten ein. Diese Uebelstände alle erheischten dringend eine abermalige Südwärtsverlegung der Schußlinie und es wurden daher vor 4 Jahren neuerdings 152 Jucharten Land zum Preise von Fr. 276,000 käuflich erworben.

Troz allen diesen Maßnahmen nahm die Gefährdung der Umgegend von Thierachern zu und langten die Klagen mit erhöhten Entschädigungsforderungen immer zahlreicher ein. Die Militärbehörden thaten Vieles, um die Uebelstände zu mildern. Die in Thun abzuhaltenden Kurse wurden zum Voraus in öffentlichen Blättern bekannt gemacht, so daß die Leute, welche zunächst dem Waffenplaz Land besizen, in ihren Arbeiten sich einigermaßen darnach richten konnten; auch war es seit 2 Jahren Uebung, jeweilen am Abend vor dem Schießtag dem Gemeindspräsidenten von Thierachern davon Anzeige zu machen und ihm gleichzeitig die Art der Geschosse
mitzutheilen. Diese Anzeige sollte in der Gemeinde bekannt gemacht werden. Das unterblieb aber häufig, so daß dann die Leute plözlich inmitten der Feldarbeit überrascht wurden und Alles liegen lassen mußten, wenn sie sich nicht der größten Gefahr aussezen wollten.

228 ,,Immerhin," sagt die Kommission weiter, ,,wenn auch diese v o r h e r g e h e n d e n A n z e i g e n bis zu den Personen gelangten, für welche sie eigentlich bestimmt waren, so war das nur eine allgemeine Warnung. Ueber die genaue Richtung, in welcher geschossen werden sollte, konnte zum Voraus nichts gesagt werden, weil erst im Moment der Uebung selbst festgesezt, und weil beim Manövriren die Schußrichtungen beständig wechseln. Und wenn man Alles dies voraussagen könnte, so würden immer noch die auf unregelmäßigen Flächen aufschlagenden Geschosse, die blind gehenden und andere Fehlschüsse bleiben, die unberechenbar sind, so gut wie die von Kommandirenden und Soldaten begangenen unvermeidlichen Fehler. Ebenso kann den Leuten unmöglich genau vorher gesagt werden, zu welchen Zeiten geschossen werde; dies hängt eben meistens vom Verlauf der Hebungen und nicht vorhorzuschenden Umständen ab. Die Folge davon ist, daß die Leute entweder den ganzen Tag, und so mehrere Tage hintereinander, die am betreffenden Ort oft dringende Feldarbeit nicht verrichten können oder sich den gefährlichsten Ueberraschungen aussezen. Auf diese Weise wird jedenfalls viel Zeit verloren, die z. B. während der Ernte sehr kostbar ist, und es können, weil man die passende Zeit versäumt, Feldfrüchte zu Grunde gehen. Jedenfalls ist eine daherige Mißstimmung der Landbewohner erklärlich.

,,Genannte Vorsichtsmaßregel ist also höchst u n z u r e i c h e n d und wenig geeignet, die Belästigung zu beseitigen.

,,Es ist ferner seit langer Zeit Uebung, wenn geschossen werden soll, bei'm Schießen mit blinden Granaten eine weiße, bei'm Schießen mit Sprenggeschossen eine weiße und eine rothe F a h n e aufzusteken.

,,Früher, als der alte Zielwall noch gestanden, wurden die Fahnen auf demselben aufgepflanzt, und es konnten diese hochflatternden W a r n z e i c h e n leicht aus der ganzen Umgegend gesehen werden. Seit aber der Zielwall entfernt, können diese Fahnen nicht mehr so allgemein sichtbar gemacht werden und sie dienen deshalb jezt mehr nur noch als Warnung für diejenigen, welche die Allmend nach irgend einer Richtung überschreiten wollen.

,,Außerdem werden diese Fahnen oft den ganzen Tag stehen gelassen, namentlich über Mittag, wenn man Vormittags abgebrochene Schießübungen Nachmittags wieder fortsezen will. Dadurch werden nun
die Leute erst recht irregeführt; sie können, wenn sie troz der Fahnen glauben, es werde nicht geschossen, weil eben Mittagsruhe sei, durch einige früher als gewohnt ausrükenden Geschüze überrascht werden. Ueber die Richtung der Feuer und die Pausen während derselben müssen sie auch hiebei immer im Unklaren bleiben.

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,,Wir halten deshalb diese Warnzeichen mit den Fahnen, so wie sie angewendet werden, ebenfalls für ein u n z u r e i c h e n d e s Auskunftsmittel.

,,Eine andere Vorsichtsmaßregel ist seit mehreren Jahren bei'm Schießen der Artillerie angewendet worden. Um die am meisten gefährlichen Schüsse links oder rechts (von der Schußlinie aus) über die Grenze des Sehießplazes hinaus zu vermeiden, wurde folgende Anordnung getroffen.

,,Es wurden mitten am Mühlemattrain zwei etwa zweihundert Meter von einander entfernte kleine Scheiben a und b aufgestellt, über welche nach der Scheibe hinaus bei'm Schießen mit scharfen Granaten keine verlängerte Schußlinie gehen durfte. Ein Geschüz, das also z. B. gegen das Ziel g feuern wollte, durfte sich wohl in c aufstellen, wo die verlängerte Schußlinie nach d noch innerhalb der Linie a b blieb, nicht aber in e, wo die über das Ziel hinaus verlängerte Schußlinie rechts neben dem Punkt b vorbeiführt.

(Es wird hierorts auf den schriftlichen Bericht verwiesen.)

,,Auf diese Weise konnte vermieden werden, daß herwärts dem Glütschbach aufschlagende und blind gehende Geschosse weder gegen die Gebäude bei'm Schulhaus und auf der Lercheomatte noch links gegen die Häusergruppe im Ueltschiaker flogen.

Diese Vorschrift ist jedem Kommandanten als streng zu befolgender Befehl gegeben und auch so genau als möglich befolgt worden. Einige Fälle von Verstößen dagegen mögen jedoch aus Unachtsamkeit, im Eifer des Manövrirens, vorgekommen sein. Jedenfalls hat diese höchst zwekmäßige Vorschrift des Herrn Oberst Bleuler den Bewohnern an den genannten Orten und darüber hinaus manche Gefahr und manche Angst erspart. Auch bei'm Schießen mit blinden Granaten sind auf dem Manövrirplaz Grenzen festgesezt worden, über welche hinaus feuernde Geschüze nicht durften aufgestellt werden, um die gefährlichen, schrägen Schüsse zu vermeiden.

,,Seit Jahren wurde von dem gesezlichenMittel des d i r e k t e n S c h a d e n s e r s a z e s in ausgedehnter Weise Gebrauch gemacht.

Wir sind nicht im Falle, darüber gerade Zusammenstellungen zu machen, da sich die daherigen Rechnungen in den Händen der eidg. Militärverwaltung und des Oberkriegskommissariats befinden ; es sind aber jedenfalls im Verlauf der Jahre an einzelne Partikularen und die Gemeinde sehr bedeutende Summen als Entschädigung bezahlt worden. Es
ist gar nicht unglaubwürdig, wenn in Thierachern und der Umgegend das Gerede geht, es hätten einzelne Partikularen aus der zufälligen Lage ihrer Grundstüke in der Nähe des Sehießplazes ein lukratives Geschäft gemacht und die seit lauge für erlittenen oder üngirten Schaden bezahlten Entschädigungen übersteigen weit den Werth der betreffenden Grundstüke.

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,,In ihrer Eingabe an die Regierung von Bern vom 24. Dezember 1872 beklagt sich die Einwohnergemeinde von Thierachern u. a. namentlich auch darüber, daß immer nur der d i r e k t e Landschaden, nicht aber der i n d i r e k t e vergütet werde, der dadurch entstehe, daß die Leute an der Ausübung ihres Eigenthumsrechtes in der freien Verfügung über ihren Grund und Boden bei'm Kultiviren ihres Landes gehindert werden. Ebenso sei nur mit Widerstreben für ausgestandene Angst und Lebensgefahr Vergütung geleistet worden.

,,Das eidg. Verwaltungs-Reglement vom 14. August 1845, §§ 227 und 228, nach welchem das daherige Verfahren stattfinden soll, ist in dieser Beziehung nicht deutlich ; doch ist jedenfalls eine Vergütung für solchen indirekten Schaden nicht ausgeschlossen.

Der direkte Schaden an Kulturen, der durch das Schießen der Artillerie entsteht, kann aber überhaupt nie bedeutend sein; er wird meist nur in einigen Aufschürfungen des Bodens oder in Löchern bestehen, von aufschlagenden oder steken bleibenden Geschossen herrührend; bedeutender ist der Schaden schon in Wald, namentlich in jungern Beständen, und am größten jedenfalls der Kulturschaden, der durch Massenfeuer der Infanterie angerichtet wird. Auch plazende Shrapnells-Geschosse können ähnliche Wirkungen hervorbringen.

,,Wenn man aber weiß, welche Summen meistens für solchen durch das Schießen entstandenen Kulturschaden bezahlt worden sind, so muß man unwillkürlich zum Schluß kommen, es sei auch der indirekte Schaden, sogar die Angst, in vollem Maße bezahlt worden, obschon im betreffenden Verbal nichts davon steht.

,,lieber das daherige, in Thun zur Uebung gewordene Verfahren, das allerdings meist ziemlich summarisch ist und oft bedeutend von den Vorschriften des § 228 des Verwaltungs-Reglementes abweicht, hätten auch die Truppenkommandanten das Recht, sich zu beklagen, indem es so zu sagen zur Regel geworden ist, die daherigen Forderungen später als 4 Tage nach erlittenem Schaden, jedenfalls nach beendigtem Kurs, einzugeben und noch später zu erledigen. Am besten wären aber solche Entschädigungen noch am gleichen Tage abzumachen und sofort zu bezahlen ; bei solcher Behandlung würde mancher Schaden, der später bedeutend übertrieben wird, ganz dahinfallen oder auf das richtige Maß zurükgeführt werden können. Daß dagegen verspätete Zahlungen
Mißmuth erregen müssen, ist begreiflich.

,,Das sind alles Uebelstände, denen jedenfalls leicht abzuhelfen ist, und wir sind auch überzeugt, daß die eidg. Militärbehörden gerne Alles thuu werden, um in dieser Beziehung gegründeten Begehren gerecht zu werden.

231 ,,Solche sich jährlich wiederholende Entschädigungsforderungen für die gleichen Lokalitäten und die dafür zu entrichtenden beträchtlichen Summen haben in den lezten Jahren dazu geführt, für die betreffenden Liegenschaften mit denEigenthümern sog. S e r v i t u t V e r t r ä g e abzuschließen. Es sind deren 15 im Gesammtbetrag einer jährlich zu bezahlenden Entschädigung von 1335 Fr. zu unserer Kenntniß gekommen; dieselben sind auf 8--10 Jahre Dauer abgeschlossen und gehen sämmtlich mit dem 31. Dezember 1878, also in vier Jahren, zu Ende. Die darin ausbedungene Summe, circa 10--20 Fr. per Juch., wird jährlich bezahlt für alle Belästigungen, die dem Eigenthümer aus dem Schießen und seiner daherigen Beschränkung im Eigentumsrecht erwächst.

,,Ueberall sind a u s g e n o m m e n B e s c h ä d i g u n g e n a n M e n s c h e n und G r o ß v i e h . Diese Verträge beziehen sich alle auf das Hasliholz und seine nächste Umgebung.

,,Nirgends in diesen Verträgen ist gesagt, die Eigenthümer sollen während des Schießens das Betreten ihrer Liegenschaften, die meist direkt in der Schußlinie liegen, vermeiden; es war dies auch wohl kaum möglich, indem mehrere der Betreffenden ihre Wohnung an diesen Orten haben. Es bleibt also die oft sehr ernstliche Gefahr für Gesundheit und Leben dieser Menschen und die bezügliche, im Vertrag vorbehaltene besondere Entschädigungspflicht nach wie vor bestehen. Wir haben uns selbst überzeugt, daß in einem halben Tag 7 Artilleriegeschosse in das Dach eines einzigen Hauses oder in seine nächste Umgebung geflogen sind, ·wovon zwei gesprungen. Da nun der Kulturschaden, wie schon bemerkt, überhaupt unbedeutend, die Bewohner aber theils aus alter Gewohnheit, theils aus Gleichgültigkeit, sich in Ausübung ihres Eigentumsrechts oft nicht groß stören lassen -- die Bewohner jenes Hauses sind während des ärgsten Feuers ruhig dem Dreschen obgelegen -- so wird der Hauptzwek jeuer Verträge doch nicht erreicht. Schaden an Menschen und Vieh müßten doch mit nicht unbedeutenden Summen bezahlt werden. Andere Eigenthümer verlassen während des Schießens ihre Wohnungen und Grundstüke, und für eine solche sehr bedeutende Belästigung, die im Sommer oft täglich wiederkehrt, ist eine Entschädigung von höchstens 150 Fr. per Jahr zu gering.

,,Es scheint uns aber überhaupt unzuläßig, ja geradezu unmoralisch,
eine Anzahl Familien einer täglichen Lebensgefahr und immerwährender Angst ausxusezen. Es ist allerdings wahr, daß hier und mehr noch in andern Lokalitäten die A n g s t , welche die Leute ausstehen, sehr oft unbegründet, e i n g e b i l d e t oder übertrieben ist. Aber eine eingebildete Gefahr ängstigt oft noch mehr, als eine, die man unmittelbar vor Augen hat. Unangenehme und

232 belästigende menschliche Gemüthsbewegungen können aber überhaupt nicht mit Geld wieder gut gemacht werden und noch viel weniger ist ein verlornes Menschenleben durch Geld zu ersessen.

Das einzige Auskunftsmittel, welches hier hilft, ist, die Leute einer solchen Gefahr und Angst n i c h t a u s z u s e z e n . Da man die Schießübungen der Truppen auf der Thuner-Allmend, welche Schuld daran sind, kaum wird unterlassen wollen und können, so sehen wir keinen andern Ausweg, als den Leuten ihre gefährdeten Besizungen abzukaufen und es ihnen möglich zu machen, sich anderswo anzusiedeln.tt Man hört hin und wieder die Ansicht äußern, die Eidgenossenschaft habe für die bisherigen Landankäufe zur Erweiterung des Waffenplazes allzu hohe Preise bezahlt, und es sei, um die neuen Erwerbungen leichter durchzuführen, nothwendig, den wahren Werth des betreffenden Terrains mehr im Auge zu behalten und nicht Liebhaberpreise zu bezahlen. Es ist hierauf zu erwiedern, daß bis jezt kein Land über Fr. 1500 per Jucharte. angekauft worden ist.

Für Waldboden wurde allerdings der Gemeinde Thierachern Fr. 1400 bezahlt, allein sie hatte für ihre Veräußerung bedeutende Inkonvenienz erlitten. Es handelt sich bei der Erwerbung von Grundstüken von Privaten um Abtretung von ganzen Heimwesen, welche fast einer Vertreibung von Hans und Hof gleichkommt und wo man also nicht den Maßstab des absoluten Werthes anwenden kann.

Bei Anwendung des Expropriationsrechtes würde die Eidgenossenschaft kaum billiger zum Ziele gelangt sein.

Der Waffenplaz in Thun ist übrigens zur jezigen Stunde mit Beziehung auf dessen Quadratinhalt kein theurer.

Er mißt laut Kataster 900 Jucharten, wofür bezahlt wurden : 1) für die Allmend Fr. 220,000 2) für die Kalberweid . . . .

,, 25,000 3) I. Erweiterung ,, 183,000 4) H.

,, ,, 459,000 Fr. 887,000 Mithin kommt die Jucharte auf annähernd Fr. 1000 zu stehen, in welcher Summe dann aber noch eine Anzahl vorhandener Oekonomiegebäulichkeiten begriffen sind, die noch ihren Werth haben.

Nachdem die Kommission die erhobenen Klagen und bestehenden Uebelstände in ihrem Berichte eingehend geschildert, schreitet sie zu der Lösung ihrer eigentlichen Aufgabe und läßt sich in dieser Richtung folgendermaßen vernehmen:

233 ,,Vor Allem glaubten wir, sei es am zwekmäßigsten, den Waflenplaz i n Thuu f ü r d i e B e d ü r f n i s s e d e r A r t i l l e r i e a l s die weitgehendsten ausgiebig einzurichten. Für alle andern Waffengattungen finden sich mit leichter Mühe überall Exerzierpläze, nicht aber für die Artillerie welche solche Anforderungen, in Bezug der Längenausdehnung namentlich, stellen muß, daß es schwer wäre, einen Plaz zu finden, der eben so gut entspräche, als es bei der Allmend von Thun schon jezt der Fall ist. Da ferners dieser Plaz in seinem heutigen Bestand mit Aufwendung von bedeutenden Kosten m i t A b s i c h t f ü r d i e U e b u n g e n d e r A r t i l l e r i e erstellt worden ist, so ist es gewiß einfacher, diesen Plaz durch zwekmäßige Einrichtungen nach den jezigen Anforderungen zu verbessern, als irgendwo mit viel großem Unkosten nach einem andern Plaze zu suchen. Wenn übrigens der Plaz für die Bedürfnisse der Artillerie geschaffen wird, so ist auf ihm jedenfalls auch für d i e ausgedehntesten A - n s p r ü c h e a l l e r a n d e r n W ä f f e n g . a t t u n g e n gesorgt. Für diese würde der Plaz, wie er heute besteht, schon jezt vollständig genügen, während er für die Artillerie nicht mehr genügen kann, wenn nicht die Umgegend bedeutenden Gefahren ausgesezt b l e i b e n s o l l . Wir haben also bei unsern Vorschlägen zunächst einen A r t i l l e r i e w a f f e n p l a z im Auge (vide Plan II.)

,,1) Wir glauben, der Manövrir- und Schießplaz sei so einzurichten, daß schon in seiner Gestalt und Ausdehnung eine möglichste Gewähr dafür liege, daß über seine Grenzen hinaus keine Belästigung der Bewohner stattfinden könne. Wir richten seine südliche und nördliche Grenzlinie im Allgemeinen gegen einen gemeinsamen Scheitelpunkt hinter der Mitte des Uebeschi-See's und geben diesen beiden Linien in ihrem östlichen Verlauf eine solche Entfernung von einander, daß auch bei der nächsten Distanz, auf welche die Artillerie feuert (abgesehen von Kartätschen (800 Meter vom Mühlemattrain) noch hinreichend Plaz (700 Meter) für die Front mehrerer Batterien ist. Durch diese Anordnung werden die Aufstellungen von selbst so sein müssen, daß die Feuer mehr oder weniger konzentrisch sind und die am weitesten gehenden Geschosse im Uebeschisee (1500 Meter hinter dem äußersten Zielpunkt) und im Torfmoos östlich
davon auslauf en. Der Mühlemattrain bleibt, wie bisher, als äußerste Grenze für Aufstellung der Ziele und als Schuzwall gegen die Geschosse.

,,Im Süden des jezigen Plazes muß eine ziemlich große Fläche von Kulturland und Wald von der Gemeinde Thun, der Gemeinde Thierachern und dem Staate Bern erworben werden. Der betreffende Wald soll vorher abgeholzt werden.

234 ,,Der neue Waffenplaz z w i s c h e n d e m G l ü t s c h b a c h und dem P o l y g o n hat eine Ausdehnung von circa 2,500,000 oder zirka 675 Jucharten. Man kann bis auf 3000 Meter m a n ö v r i r e u und s c h i e ß e n . Die weiteste Schußdistanz bleibt, wie jezt, zirka 3300 Meter. Der Hauptvortheil dieses Plazes liegt in der g r ö ß ern B r e i t e und Ausdehnung in seinem westlichen Theile, wo die Ziele für die gefährlichen Sprenggeschosse aufgestellt werden.

,,2) Die mittlere Schußlinie beginnt mit Null in der Mitte des Mühlemattrains und geht in ihrem östlichen Verlauf durch die Nordeke des Polygons. Der P l a z zum A u f s t e l l e n d e r Z i e l e f ü r S p r e n g g e s c h o s s e erstrekt sich von 200 Meter bis 1000 Meter, hier ist er jederseits der Mittellinie 150 Meter, im Ganzen 300 Meter breit und von beiden Endpunkten werden zu seiner seitlichen Begrenzung Linien gezogen gegen Punkte, die 100 Meter vom Nullpunkt am Mühlemattrain beiderseits entfernt sind. Dieser Plaz wird auf seiner nördlichen, südlichen und westlichen Seite m i t e i n e m G r a b e n umgeben, um ihn leicht sichtbar zu machen und das Aufstelleu von Zielen über denselben hinaus zu verhüten. Das daraus gewonnene Material wird zur theilweisen Ausfüllung von Vertiefungen des alten Kanderbetts verwendet. So weit dieses Material dafür nicht ausreicht, sind diese Unebenheiten in den nächsten Jahren nach und nach zu verebnen.

So lange innerhalb dieses Plazes für die Ziele die Vertiefungen des Kanderbetts nicht ausgefüllt oder ausgeebnet sind, kann es auch nicht gestattet werden, Zielwände zunächst von solchen Unebenheiten aufzustellen und unregelmäßige Geschoßaufschläge und stark abweichende Flugbahnen möglichst zu vermeiden. Es ist dagegen gestattet, innerhalb der östlichen Verlängerung der beiden Grenzlinien AC und BD des erwähnten Plazes und entfernt vom Kandergrien Ziele für das Schulschießen und das Werfen aufzustellen 5 jedoch n u r u n t e r d e r B e d i n g u n g , d a ß d i e v e r l ä n gerten S c h u ß l i n i e n gegen den allgemeinen S c h e i t e l p u n k t hinter dem Uebeschisee g e r i c h t e t s e i e n .

,,Für das Schießen mit blinden Granaten werden, wie bisher, die Zielwände in der halben Höhe des Mühlemattrains aufgestellt und zwar so, daß sie beiderseits vom Nullpunkt die Grenzlinien des
oben beschriebenen Plazes nicht überragen.

,,3) Sämmtliche so lästige W e g r e c h t e auf dem unter l beschriebenen Plaz sowohl, als auch westlich von ihm bis zum Wahlenbach s i n d unbedingt a u f z u h e b e n . Um jedoch durch diese durchaus nothwendige Maßregel die Bewohner der Umgegend nicht zu sehr zu benachtheiligen, werden folgende neue Feldwege angelegt:

235 ,,a. Von Nord nach Süd oder vom Schwand gegen das Zelgli ein Weg in gerader Richtung quer über die Allmend.

,,Dieser Weg darf jedoch nur benuzt werden, so lange keine Schießübungen stattfinden. (Siehe beiliegendes Projekt und Kostenberechnung von Hrn. Major Zürcher.)

,,b. Ein Weg nördlich des Schießplazes seiner Grenze entlang, vom vorigen ausgebend bis in's untere Hasliholz, wo er in einen bestehenden Weg und durch diesen gegen das Schulhaus einmündet.

,,c. Ein Weg der ganzen südlichen Grenze entlang von der mittlern Straße von Thun bis zur jezigen Landstraße im Ueltscheaker.

Dieser Weg ist gegen die Allmend mit einer Baumallee zu bepflanzen.

,,Das Betreten des Raumes zwischen den unter a, b, c erwähnten Wegen und der weiter unten bei 5) beschriebenen Landstraße ist für Jedermann und zu allen Zeiten zu verbieten. Durch dieses Verbot werden zugleich die vielen Kugelsucher, meist Kinder, abgehalten, Leib und Leben auszusehen, um sich einen unbedeutenden Gewinn zu verschaffen. *) Die alte Baumallee, dem Wege entlang, der vom Gerberhaus der alten Allmend nach gegen Thierachern führt, ist abzuholzen.

,,4) Im Norden des Schießplazes ist von Thierachern-Schwand das nöthige Land zu erwerben, um vom oben unter a bezeichneten Weg bis zum Hasliholz eine gerade Grenzlinie ziehen zu können, welche parallel mit der nördlichen Grenzlinie des unter 2) beschriebenen Zielplazes A-C und 300 Meter von derselben entfernt ist. Auf eine Breite von 100 Meter dieser Linie nach wird der Plaz zwischen dem Wege a und dem Hasliholz mit dichtem Gebüsch , Akazien und Erlen angepflanzt. Diese Maßregel hat den Zwek, einerseits die von den Sprengstüken der Artilleriegeschosse am meisten gefährdete Gegend in Besiz der Militärbehörden zu bringen, anderseits das nördlich davon liegende Land zu schüzen und namentlich das Eindringen von Menschen und Vieh auf den Zielplaz möglichst zu hindern.

,,5) Die Landstraße von Thierachern nach Amsoldingen ist in ihrem gegenwärtigen Bestände durchaus unhaltbar, während der Schießübungen der Artillerie nicht oder nur mit Lebensgefahr zu benuzen.

,,Dieselbe ist deshalb etwas nach Westen zu v e r l e g e n , in das höher gelegene Terrain e i n z u s e h n e i d e n und längs ihrem östlichen Rand zu vermehrtem Schuz mit M a u e r und W a l l z u v e r s e h e n . Herr Major Zürcher hat
darüber nach unserer *) Von diesem Verbot sind selbstverständlich die Militärs und die mit Besorgung der Zielwä ade Beauftragten ausgenommen.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. III.

17

236 Uebereinkunft das beiliegende Projekt sammt Kostenvorauschlag ausgearbeitet. Die daherige Summe von Fr. 98,000 ist zwar eine sehr bedeutende, es kann aber diese Straße nach unserer Ansicht auf keine andere Weise hergestellt werden, ohne immer wieder den gleichen Gefahren ausgesezt zu sein. Eine Straße westlich dem Uebeschisee, in schlechtem Terrain, würde auch viel kosten und den Bedürfnissen der verschiedenen Ortschaften, namentlich den vielen Leuten, welche zunächst der jezigen Straße wohnen, auf keine Weise genügen.

,,Die projektirte Straße läßt den bisherigen Verkehr in seiner gewohnten Richtung, verlezt also in dieser Hinsicht keine Interessen ; sie ist nach allen technischen Regeln vorgeschlagen und gewährt jedenfalls den bestmöglichen Schuz gegen alle Geschosse.

,,6) Da die Gefahren für die Bewohner westlich von der Mühlematt, westlich und südlich vom Hasliholz, auch beim neuen Schießplaz fortbestehen werden, und da diesem Uebelstand auf keine andere Weise gründlich abgeholfen werden kann, so ist der größere Theil des H a s l i h o l z e s und sind die B e s i z u n g e n und G e b ä u d e innerhalb der auf beiliegendem Plan n blau bandirten Grenzen bis zum Wahlenbach a n z u k a u f e n .

,,Im bestehenden Wald s o l l n i c h t s g e h o l z t w e r d e n als was durch das Schießen oder sonst verdorben ist; der Nadelholzbestand soll nach und nach in Laubholz umgewandelt werden, welches von Beschädigungen durch das Schießen weniger zu leiden hat.

,,Die erworbenen G e b ä u d e s i n d a b z u b r e c h e n , u m der Versuchung, sie in der Folge dennoch zu benuzen, vorzubeugen.

,,Das Betreten des Waldes und dieses Kulturlandes ist außerdem für jeden Unberechtigten zu verbieten.

,,7) Auf etwa 100 Jucharten, meist Torfland, zwischen dem Wahlenbach und dem Uebeschisee können Servitutsverträge abgeschlossen werden, wenn man es nicht vorzieht, dieses Land ebenfalls anzukaufen und entweder direkt oder durch Pächter ausbeuten zu lassen.

,,Gibt man den Servitutsverträgen den Vorzug, so ist jedenfalls auch hier die Bestimmung aufzunehmen, daß für Schaden, der vom Schießen an Menschen oder Vieh angerichtet werde, kein Ersaz zu erwarten und deshalb das Betreten des Landes während des Schießens zu vermeiden sei. Von Sprenggeschossen ist an diesem Orte nicht mehr viel zu befürchten; denn
dieselben werden entweder im weichen Boden erstiken, oder, wenn sie plazen, keine gefährliche Wirkung haben, der angerichtete Schaden wird also jedenfalls nicht bedeutend sein.

237

,,8) Um den Bewohnern der Umgegend jeweilen auf leicht erkennbare Weise anzuzeigen, wann und mit welchen Geschossen gefeuert werde, um ihnen den Beginn und das Aufhören der Schießübungen sofort zur Kenntniß zu bringen und um Jedermann während des Schießens vor Betreten der gefährlichen Lokalitäten zu warnen, sollen an folgenden Stellen hohe Fahnenstangen angebracht werden : ,,a. auf dem ausspringenden Winkel des Polygons; ,,b. bei der Kreuzung der neuen Wege am Waldeken im Schwand ; ,,c. neben dem neuen Weg im Zelgli; ,,d. am Ende der neuen Straße im Ueltschiaker ; ,,e. am Anfang der neuen Straße beim Schulhaus.

,,An diesen Signalstangen sind mit Schnur und Rollen Fahnen aufzuziehen. Durch verschiedene Farben dieser Fahnen ist anzuzeigen : ,,a. z. B. blau und weiß, daß Infanterie schießt; ,,b. z. B. weiß, daß blinde Granaten geschossen werden; ,,c. z. B. roth, daß Sprenggeschosse geschossen werden ; ,,Diese Fahnen sind kurz vor Beginn der Schießübungen aufzuhissen und nach deren Beendigung sofort wieder herunterzunehmen.

,,Um den Leuten anzuzeigen, was am andern Morgen oder am Nachmittag geschossen werden soll, können Fahnen von gleicher Farbe, aber anderer Form, z. B. Wimpel, am Abend vorher oder nach beendigter Uebung am Morgen aufgezogen werden. Sollen mehrere Geschoßarten am gleichen Halbtag abgefeuert werden, so sind eben so viel entsprechende Fahnen aufzuziehen.

"Es lassen sich natürlich noch viele derartige Kombinationen denken und ausführen, doch muß man zu große Komplikation vermeiden. Jedenfalls müßte dafür eine eigene Instruktion ausgearbeitet werden. Die Bedeutung der Fahnen wäre natürlich in den umliegenden Ortschaften gehörig bekannt zu machen.

,,Diese Signale sollen übrigens die bisher üblichen Zeichen für Bedienungsmannschaft am Geschüz und am Ziel durchaus nicht berühren. Um nun aber diesen Signaldienst richtig und g e n a u e r a l s b i s h e r z u o r d n e n , ist in der Nähe eines jeden Signals in einer passend gelegenen Wohnung ein Wärter zu bestellen, der das Aufziehen und Herablassen der Fahnen besorgt und die dafür nöthigen Befehle vom Artilleriebüreau oder Plazkommando in der Kaserne oder vom Polygon aus auf telegraphischem Wege erhält.

Die Endpunkte wären hiefür durch eine T e l e g r a p h e n l ei t u n g zu verbinden; vom Polygon aus bis zu der nächsten Grenze

238 der Allmend mit unterirdischen Kabeln ; in der Kaserne, im Polygon und bei den Wärtern wäre je ein Telegraphenapparat anzubringen, der durch starkes Läuten und darauf folgendes Stelleu eines Zeigers auf dem Zifferblatt die nöthigen Bezeichnungen angibt.

,,Vermittelst Einschalten provisorischer Leitungen könnte diese Telegrapheneinrichtung bei Schießversuchen sehr wesentliche Dienste leisten.

,,Die ganze Einrichtung und deren Unterhalt sollte von den neu zu gründenden Telegraphenabtheilungen als Uebung besorgt werden.

,,9) Bei den Schießübungen der Artillerie sind auch fernerhin die gleichen Vorsichtsmaßregeln zu beobachten, wie sie hievor beschrieben worden.

,,l 0) Grundsäzlich ist festzustellen, daß der neu abgegrenzte Waffenplaz zwischen der Höhe des Polygons, der Landstraße von Thun nach Zollhaus und dem Glütschbach in erster Linie als Schieß- und Manövrirplaz für die Artillerie reservirt sei.

,,Im Uebrigen sollten für das Verhältniß der verschiedenen Waffengattungen auf dem Waffenplaz Thun folgende Regeln zur Geltung kommen: ,,a. Da, wenn Schießübungen der Infanterie und der Artillerie zur gleichen Zeit stattfinden, beide Waffen sowohl in der regelrechten Aufstellung der Ziele als der Feuernden sich gegenseitig hindern, weil darin die nächste Versuchung zu schrägen Schußlinien, also für die Nachbarschaft gefährlicher Wirkung liegt, sollten niemals beide Waffengattungen zur gleichen Zeit Schießübungen abhalten.

,,b. Die S c h i e ß ü b u n g e n mit H a n d f e u e r w a f f e n sind nur auf dem westlichen Theil der Allmend z w i s c h e n d e m n e u e n Z e l g l i w e g u n d d e m G l ü t s c h b a c h abzuhalten, vorzugsweise z w i s c h e n d e r L i n i e B -1) und d e r s ü d liehen Grenze. -- Die Zielscheiben sind bei 1--200 Meter Distanz aufzustellen, Schrägfeuer über die Grenzen der Allmend hinaus sind streng verboten.

,,c. Da durch die vielen Erdaufwürfe, Minenlöcher u. dgl. die Artillerie in ihren Manövern bedeutend gehindert wird, da ungefährliche Aufstellungen dadurch sehr erschwert und da durch frisch oder schlecht ausgefüllte Gruben die Bespannungen häufig geschädigt werden, so ist das Errichten von Feldwerken und das Ausführen anderer praktischer A r b e i t e n d e r G e n i e w ä f f e a u f d i e kleine Allmend zu beschränken.

,,Die jezt vorhandenen auf der ganzen Allmend zerstreuten Feldwerke sind auszuebnen, Kiesgruben und andere Löcher nach und nach auszufüllen.a

239 Die Kommission schlägt ferner einstimmig die Ernennung eines ständigen Plazkommandanten für den Waffenplaz in Thun vor. Da für die dort abzuhaltenden vielen Kurse allerlei Vorschriften zu beobachten sind, für welche, weil meistens lokaler Natur, besondere Kenntnisse nothwendig sind, so sind unter den verschiedenen Truppen Kollisionen kaum zu vermeiden, wenn, wie bisher, der Kommandant oft wechselt. Dazu kommen noch bedeutende Vortheile für die militärische Disziplin, wenn die nöthigen Anordnungen von einer und derselben Person ausgehen, die allein mit Kenntniß aller Umstände handeln kann.

Ferner beantragt die Kommission einen eigenen Schießoffizier zu ernennen, welchem namentlich das Ueberwachen sämmtlieher Schießübungen, insbesondere mit Bezug auf das Einhalten der Vorsichtsmaßregeln, richtige Aufstellung unter Beobachtung der in gegenwärtigem Bericht aufgestellten Regeln zu übertragen wäre.

Dergestalt glaubt die Kommission die Mittel und Wege zur Hebung der jezigen Uebelstände auf dem Waffenplaz in Thun bezeichnet zu haben. Der Bundesrath erklärt sich mit den daherigen Anträgen einverstanden und es bleibt ihm nur noch übrig, die finanzielle Seite der Sache in Kürze zu berühren.

Die Kosten werden veranschlagt wie folgt: 1) Ankauf von Kulturland und Gebäulichkeiten (127 Jucharteu) .

.

.

. F r . 190,500. -- 2) Wald, welcher nicht abzuholzen ist f32 Jucharten) ,, 48,750. -- 3) Waldboden (li1^ Jucharten) ,, 50,000. -- Total Landerwerb Abzuziehen : Erlös aus einer Parzelle Land der Allmend

Fr, Fr. 289,300.

Verbleiben 4) Neue Weganlagen den neuen Grenzen entlang (12,000' à Fr. 1. 25) .

5) Sechs Telegraphenappa,rate à Fr. 500, Telegraphenleitung 28,000' à 20 Rp., Signalstangeu und Signalfahnen 6) Verschiedenes. Ausebnung des Bodens, Weganlage vom Rebgäßli nach dem Zelgli, Unterhandlungs- und Stipulationskosten (Dieser leztere Posten ist im Kommissionsvoranschlage nicht enthalten.)

Fr. 285,450.

·n

·n

3,850.

15,000.

_

10,000.

9,550.

Fr. 320,000. --

240 Der Bundesrath glaubt, in seinem Voranschlage die zu Fr. 98,000 devisirte Verlegung der Amsoldingea-Thierachernstraße weglassen zu sollen, da zu erwarten steht, daß die bernische Regierung, welche an der Erhaltung des Waffenplazes in Thun, sowie an der Sicherstellung der umliegenden Bewohner desselben ein großes Interesse hat, diese Arbeit von sich aus ausführen lassen werde.

Auch die Beseitigung der über die Allmend führenden Wegrechte sollte den bernischen Staatsbehörden anheimgestellt werden können, indem nur diese in der Lage sind, aus sicherheitspolizeilichen Gründen die Aufhebung jener Verbindungen anzuordnen.

Es kann überhaupt nicht in der Aufgabe des Bundes liegen, öffentliche Straßen, welche durch militärische Uebungen oder aus andern Ursachen unsicher gemacht werden, auf seine Kosten zu verlegen oder in andere Weise für Gefahrlosigkeit zu sorgen. Es muß dies den Kantonen anheimgestellt bleiben.

Der Bundesrath weicht in seinen Berechnungen, wenn die Kosten für die Straßenverlegung abgerechnet werden, nur um Fr. 10,000 von denjenigen der Kommission ab, dies rührt daher, weil sie für Verschiedenes, wie Unterhandlungen, Stipulaüonen, Verebnungen etc. nichts in Voranschlag gebracht hat, während doch solche Kosten unvermeidbar sind.

Die vorstehenden, auf Fr. 320,000 devisirten Kosten dürfen aber nicht als die eigentliche Einbuße für einen militärischen Zwek angesehen und taxirt werden. Die Kommission stellt daorts folgende Berechnung an: ,,1. Von dem angekauften Land kann durch die Verpachtung eines Theils zu Kulturzweken, eines andern Theils aus dem Ertrag des Waldes und der Weide eine jährliche Einnahme erzielt werden.

Wir schäzen diese auf pag. 2 des Voranschlages auf circa Fr. 5442. 50 und es bleiben nach Abzug dieser Einnahme von den sonst aufzuwendenden Kapitalzinsen des vollen Kaufpreises nur noch Fr. 8258. 50 an Zinsen. Diese entsprechen einem Kapital von Fr. 165,170, also circa Fr. 108,000 weniger (a 5°/o).

,,2. Die bisher jährlich bezahlten Fr. 1335 für Servitutsverträge und die außerdem noch jährlich bezahlten Entschädigungen, deren Betrag uns nicht bekannt, fallen in Zukunft weg. Es kommen aber dazu circa Fr. 1000 für neue Servitutsverträge zwischen Wahlenbach und Uebeschisee. Auf dem Posten der Verträge werden also jedenfalls Fr. 335 erspart; wir glauben aber nicht zu
irren, wenn wir die jährliche Ersparniß auf den Posten der Entschädigungen überhaupt auf Fr. 2000 und den daherigen Kapitalwerth auf Fr. 40,000 anschlagen.

,,3. Der verbesserte Signaldienst liegt so sehr im Vortheil der militärischen Uebungen", daß er schon längst hätte bestehen und

241

eingeführt werden sollen, wenn auch keine andern Veränderungen am Waffenplaze belieben. Die Telegraphenleitung kann als Uebung durch die Telegraphencorps ausgeführt und die daherigen Auslagen können füglich auf das Budget der gewöhnlichen Uebungen genommen werden. Der daherige Posten von Fr. 6600 würde daher auch wegfallen.

,,Ein Theil des Signaldienstes kann durch die bisherigen militärischen Angestellten (Seheibenmannen) ohne besondere Vergütung besorgt werden.

,,Drei nothwendig werdende neue Wärter können dadurch entschädigt werden, daß man i h n e n a l l e i n gestattet, die liegen bleibenden Geschoße und Sprengstüke auszugraben, zu sammeln und gegen die jezt schon gebräuchliche Entschädigung an das Laboratorium abzuliefern.

,,Nach unserm Dafürhalten wird sich also die vorgesehene Gesammtsumme von Fr. 410,000 um folgende Posten ermäßigen : 1) Kapitalisier Werth des jährlichen Ertrags aus Kulturen, Weide und Wald Fr. 108,000 2) Eapitalwerth der bisher jährlich bezahlten Entschädigungen .

,, 40,000 3) Telegraphenleitung u. Signale ,, 6,600 ,, 154,600 und es bleiben dann nur Fr. 255,400 als Baarauslagen, die ausschließlich zur Hebung der Uebelstände und Verbesserungen des Waffenplazes überhaupt zu rechnen wären."· Der Bundesrath, in etwelcher Abweichung von den Kommissionsbereehnungen, und unter Weglassung des Ansazes von Fr. 98,000 für die Straßenverlängerung, schlägt die Kostenermäßigung, wie nachsteht, an : 1) Kapitalisier Werth des jährlichen Ertrages aus Kulturen, Weide und Wald Fr. 100,000. -- 2) Kapitalwerth der bisher bezahlten Entschädigungen zu 4°/o .

.

.

,, 50,000. -- Total Fr. 150,000. -- es bleibt somit für den eidg. Fiskus eine reelle Einbuße von ,, 170,000. -- welche zur Hebung der Uebelstände und Verbesserung des Waffenplazes in Thun überhaupt berechnet werden müssen. Das Opfer kann nicht zu hoch erscheinen, wenn einerseits die Vortheile, welche für die Truppenübungen erreicht, damit verglichen und anderseits Gefahren und Belästigungen für die Nachbarn vermieden werden.

242 Die oben berechnete Einbuße ist nur Fr. 13,000 höher, als wie sie von der Kommission berechnet ist.

Der Bunderath erlaubt sich zum Schluß noch auf den leztjährigen Bericht der ständeräthlichen Geschäftsprüfungskommission (Seite 20) zu verweisen.

Der betreffende auf die Schußlinie in Thun Bezug habende Passus lautet: ,,Wie schon erwähnt, war der Hauptzwek unserer Reise nach Thun die Besichtigung des durch frühere Büdgetverhandlungen und ein neuerliches Postulat der Bundesversammlung in Pjrinnerung erhaltenen A r t i l l e r i e - S c h i e ß p l a z e s in T h u n . Es hat diese Besichtigung, welche wir von Mühlematt und Thierachern bis in die Gegend der Uebeschi ausdehnten, unsere Ueberzeugung befestigt, daß radikale Abhilfe nach der einen oder andern der vom Bundesrathe angedeuteten Richtungen dringend noth thut, ja, recht eigentlich eine Ehrensache für den Bund geworden ist. So berechtigt der Wunsch erscheint, die Uebungen der Artillerie in möglichst instruktiver Weise einzurichten, so berechtigt ist auf der andern Seite das Begehren des Bürgers, gegen Gefahr an Leben und Eigenthum gesichert zu sein, und es ist nicht nur eine r e c h t l i c h e , es ist eine m o r a l i s c h e Pflicht der Bundesbehörden, den daherigen Reklamationen, die uns zum weitaus größten Theile begründet scheinen, ihr Ohr nicht zu verschließen. Wir ersuchen dringend, die Sache zu einem baldigen Abschlüsse zu bringen. Bis aber definitiv beschlossen sein wird, dürfte den die Schießübungen jeweilen leitenden Offizieren möglichste Vorsicht anempfohlen werden."

Gestüzt auf verstehenden Bericht wird der Bundesversammlung der nachfolgende Beschlusseutwurf zur Annahme empfohlen.

B e r n , den 26. Mai 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

243

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Erweiterung des Waffenplazes in Thun.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 26. Mai 1875, beschließt: Art. 1. Dem Bundesrath wird zur Erweiterung des Waffenplazes in Thun ein Kredit von Fr. 320,000 bewilligt.

Art. 2. Diese Summe ist in fünf Stößen von je Fr. 64,000 auf die Budgets der Jahre 1875, 1876, 1877 und 1878 und 1879 zu sezen.

Art. 3. Der Bundesrath ist jedoch ermächtigt, die zum Zwek der Liegenschaftserwerbungen und zur Bestreitung sonstiger Kosten früherhin erforderlichen Summen bis auf den Belauf des Gesammtkredites von Fr. 320,000 vorschußweise aus der Bundeskasse zu erheben.

Art. 4. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Erweiterung des Waffenplazes in Thun. (Vom 26. Mai 1875.)

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1875

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26

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19.06.1875

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219-243

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