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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Genua (Hrn. J. Schlatter-Rheiner, von St. Gallen) für das Jahr 1874.

(Vom 20. August, eingegangen am 28. August 1875.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Allgemeine Lage und Handelsgesetzgebung.

Die Ergebnisse des durch den Hafen von Genua vermittelten Seehandels bieten für das letzte Jahr, verglichen mit 1873, einige Unterschiede bezüglich der internationalen Schiffahrt und der Küstenschiffahrt, sowohl für Segel- als Dampfschiffe. Die Handelskammer veröffentlicht darüber nachstehende Angaben.

Die ein- und ausfahrenden Schiffe erreichten die Zahl 14,634 mit 3,072,696 Tonnen Gehalt, was mit den Zahlen des Jahres 1873 verglichen eine Abnahme um 556 Schiffe, aber dagegen eine Zunahme um 323,119 Tonnen Gehalt aufweist.

Es liefen im Jahre 1874 7336 Schiffe mit 1,553,793 Tonnen Gehalt ein; ,, ,, 1873 7570 ,, ,, 1,366,812 ,, Abnahme um Zunahme um Gehalt.

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234 Schiffe.

186,981 Tonnen

193 Es liefen aus: Im Jahre 1874: 7298 Schiffe mit 1,518,903 Tonnen Gehalt.

,, ,, 1873: 7620 ,, ,, 1,382,765 ,, Abnahme um . 322 Schiffe.

Zunahme u m .

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136,138 Tonnen Gehalt.

Was die internationale Schiffahrt anbetrifft, so erreichten die ein- und auslaufenden Schiffe die Zahl 4385 mit 1,615,405 Tonnen Gehalt, was mit dem Jahre 1873 verglichen eine Abnahme um 330 Schiffe, dagegen eine Zunahme um 61,411 Tonnen Gehalt ergiebt.

10,249 Schiffe mit 1,457,291 Tonnen Gehalt nahm die Küstenschiffahrt in Anspruch. Dieser Verkehr weist eine Abnahme um 226 Schiffe und eine Zunahme um 342 Tonnen Gehalt auf.

Die Gesammtzahl der ein- und ausgelaufenen Schiffe vertheilt sich auf 10,956 Segelschiffe mit 1,398,114 Tonnen Gehalt und 3678 Dampfschiffe mit 1,674,582 Tonnen Gehalt. Es waren: 9484 Schiffe mit 2,016,176 Tonnen Waarenladung.

4164 ,, ,, 983,586 ,, Ballast.

986 ,, ,, 72,934 ,, Transitladung.

11,932 von diesen Schiffen mit 1,864,526 Tonnen Gehalt fuhren unter italienischer und 2702 mit 1,208,170 Tonnen Gehalt unter ausländischer Flagge.

Es hatten diese Schiffe einen Mannsehaftsbestand von 184,975 Matrosen, wovon 70,453 auf die internationale Schiffahrt, 114,522 auf die Küstenschiffahrt (76,310 auf die Segelschiffe und 108,665 auf die Dampfschiffe) kamen.

Die mit diesen Schiffen angekommenen Passagiere erreichten die Zahl 151,068, was 3907 Personen für die Segelschiffe und 147,161 Personen für die Dampfschiffe ergeben würde.

Im Seebezirk Genua wurden im Laufe des Jahres 1874 91 Schiffe mit 51,291 Tonnen Gehalt erbaut, was mit 1873 verglichen eine Zunahme um 2 Schiffe mit 5286 Tonnen Gehalt ausmacht.

Die Schiffswerften, welche am meisten zur Herstellung genannter Anzahl Schiffe beitrugen, sind: Sestri (34 Schiffe), Savona (14), Varazze (19), und St. Margarita (9).

Es geht aus obiger Uebersicht hevor, daß eine ziemlich fühlbare Abnahme in der Zahl der in unserm Hafen ein- und aus-

194 laufenden Schiffe stattgefunden hat, dagegen hat der Tonnengehalt zugenommen, ein Umstand, der sicherlich von der Getreideeinfuhr herrührt. Namentlich während der ersten Hälfte des Jahres ist in Folge der Theuerung der Lebensmittel und der schlechten Ernte des Jahres 1873 ein ziemlich großes Quantum Getreide eingeführt worden.

Die allgemeine Geschäftslage war in Genua wenig glänzend.

Die Finanzkrisis, welche durch die Entwerthung der Wertpapiere und die falschen Spekulationen mehrerer Banken auf hiesigem Platze hervorgerufen worden war, hat, wie ich es in meinen früheren Berichten vorhergesagt habe, schlimme Folgen gehabt.

Mehrere dieser Institute wurden fallit erklärt, andere, haben liquidirt und dieses hat natürlich eine große Umwälzung im Handelsverkehr verursacht, ein Zustand, der lange Zeit hindurch zu großen Befürchtungen Anlaß gegeben hat. Nach und nach hat man eingesehen, daß hauptsächlich Börsenleute darunter gelitten hatten und zum großen Glück ist das regelmäßige Geschäft nur wenig davon berührt worden. Nach und nach hat sich die Sachlage gebessert und es ist zu wünschen, daß eine so scharfe Lektion in Zukunft von Nutzen sein wird. Die fremden und lokalen Werthpapiere haben ebenfalls Schwankungen erlittten. Die Aktien der Nationalbank, welche zu Anfang des Jahres auf L. 2200 standen, waren am Ende desselben nur noch L. 1865 werth. Das Goldagio ist von 16 °/o auf ungefähr 11 °/o gesunken.

In Bezug auf Handelsgesetzgebung ist keine Aenderung vorgekommen, doch ist man wegen der Erneuerung der Verträge mit Frankreich, der Schweiz und Oesterreich besorgt, welche von Seiten der inländischen Fabrikanten Ansprüche auf Erhöhung des Tarifes veranlagte. Die Abschaffung des Freihafens von Genua wird ebenfalls besprochen, und eine starke Opposition Seitens der genuesischen Handelskammer, welcher sich der Handelsstand im Allgemeinen angeschlossen hat, wünscht, daß eine den internationalen Beziehungen so nützliche Einrichtung beibehalten werde.

Erzeugnisse des Ackerbaues und der Industrie.

Getreide.

Die Ernte ist ergiebig gewesen, namentlich auf der Insel Sardinien, wodurch die Preise merklich gesunken sind, was der ärmeren Klasse sehr zu Statten gekommen ist.

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Wein.

Seit mehreren Jahren hatte man in unserer Gegend und besonders in meinem Konsularbezirk eine solche Lese nicht erlebt.

Qualitativ war sie sehr gut und die Preise haben sich in Folge von Nachfragen vom Auslande ziemlich gut gehalten.

Oel.

An einigen Stellen hat die Trockenheit die Entwickelung der Oliven beeinträchtigt, doch ist die Ernte, ohne gerade so ergiebig zu sein als man gehofft hatte, qualitativ sehr gut gewesen, was für die Grundbesitzer eine Compensation war.

Seidenraupen.

Verglichen mit dem vorigen Jahre war das Ergebniß ziemlich günstig. Der Preis der Cocons hat je nach Qualität zwischen L. 4 und 6 per Kilogramm geschwankt.

Die Entwickelung der Baumwollenindustrie geht in dieser Provinz ihren regelmäßigen Gang und die Fabriken, welche hier und in der Umgegend bestehen, konkurriren immer mit Vortheil gegen die ausländische Produktion. Mit jedem Jahre entstehen neue Fabriken.

Die Fabrikation von Seidensammet hat wegen Mangels an Absatz im Orient und in Südamerika, welche die Hauptmärkte für dieses Erzeugniß sind, weniger günstige Erfolge erzielt.

Einfuhr und Ausfuhr.

Ein offizieller Bericht, welcher mir mitgetheilt worden ist, schätzt den Ein- u. Ausfuhrhandel auf die Summe von L. 430,481,062, welche, verglichen mit jener des Jahres 1873, eine Vermehrung um L. 3,847,884 ausmachen würde.

Es gruppiren sich die Zahlen wie folgt: Einfuhr im Jahre 1874 L. 323,873,252 ,, ,, ,, 1873 ,, 304,958,302 Zunahme im Jahre 1874 um L. 18,914,950 Ausfuhr im Jahre 1873 L. 77,028,520 ,, ,, ,, . 1874 ,, 64,870,040 Abnahme im Jahre 1874 um L. 12,158,480

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Folgende Artikel weisen die größte Zunahme b e i d e r E i n f u h r auf: Mineralwasser, Liqueure und Oele .

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. Lire 660,792 .Früchte, Sämereien und Pflanzen .

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,, 126,291 Fische . · ,, 214,734 Vieh ,, 8,068 Wolle, Roßhaare und diverse Manufakturen .

,, 2,957,836 Seide und verarbeitete Seide ,, 17,148,001 Getreide u n d Mehl .

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. 6,975,496 Mercerie u n d Kurzwaaren .

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. 3,838,976 Silber, Gold u. dgl. verarbeitet .

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,, 201,444 Steine, Erden u. dgl. Fossilien ,, 34,854 Tabak ,, 3,703,483 Bei der Ausfuhr: Früchte, Sämereien und Pflanzen ,, 2,946 Fettwaaren ,, 406,900 Felle ,, 285,735 Getreide, Mehl und Teigwaaren ,, 177,452 Gold, Silber u. dgl. verarbeitet ,, 5,930,898 Töpferwaaren, Glas und Kristall .

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. ',, 234,951 Was die Beziehungen des Zollamtes in Genua mit der Schweiz betrifft, so folgen hier einige Angaben über den Aus- und Einfuhrhandel im Jahre 1874: Ausfuhr.

Einfuhr.

Wein Litre 12,714 Olivenöl .

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. Kilo 3,200 Leinöl -- Kilo 550 Früchte, eingemachte u. andere -- ,, 1 5 4 Seife -- ,, 4 0 6 Fleisch, gesalzen u. geräuchert -- ,, 194 Käse -- ,, 81,335 Gegerbte Felle .

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-- ,, 3,780 Leinenzwirn .

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-- ,, 470 Leinengewebe .

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-- ,, 8,706 Baumwolle, gesponnen .

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-- ,, 4,338 ,, gewoben .

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-- ,, 99,995 Wolle ,, 7 2 0 -- Diese Zahlen weisen namentlich für die Baumwollengewebe eine ziemlich fühlbare Abnahme nach, ein Umstand, den ich ungenauen Angaben über den Ursprung der Waaren zuschreibe; denn seitdem eine'große Zahl von Handlungshäusern ihre Waaren über den Brenner spediren, kommt es vor, daß diese Waaren iu

197 den. Zollregistern als deutschen Ursprunges verzeichnet werden. Ich kann also diese Uebersicht nur als ungenau betrachten.

In Ermangelung positiver Angaben über die Einfuhr werde ich versuchen, einige Auskunft über den Absatz Genua's für einzelne Artikel schweizerischer Fabrikation zu geben.

Rohe und gebleichte Baumwollentücher.

Die Einfuhr beschränkt sich auf rohe für die Färberei bestimmte Tücher. In Bezug auf kräftige Qualitäten konkurriren die italienischen Fabriken in Folge des Schutzzolles mit Vortheil mit jedwedem ausländischen Fabrikat. In den letzten Jahren ist die Bleicherei ebenfalls sehr ausgebildet worden.

G e d r u c k t e B a u m w o l l e n w a a r en .

Glatte türkischrothe Artikel und andere gefärbte Tücher werden noch immer ziemlich leicht abgesetzt. Dasselbe ist aber nicht der Fall mit gedrukten türkischrothen Kopf-, resp. Taschentüchern, deren Absatz durch die Konkurrenz der deutschen Fabriken, welche in dieser Art Fabrikation (Nouvauté-Tücher am Stück) eine unbestreitbare Ueberlegenheit besitzen, mit jedem Jahre abnimmt.

Einige Fabrikanten in Winterthur und Glarus haben in diesem Fabrikationszweige Fortschritte gemacht und endlich eingesehen, daß nur mit guter und schöner Waare jener Konkurrenz die Spitze geboten werden kann.

St. G a l l e r A r t i k e l , M o u s s e l i n e , g l a t t e u n d brochirte Jaconnas.

Der Absatz in diesen Artikeln ist stets, ein regelmäßiger; Jedoch ließ das Exportgeschäft nach Marokko und Amerika in Folge der Geschäftsstille in jenen Ländern etwas nach.

Seidene u n d b a u m w o l l e n e Bänder.

Die schweizerischen Fabriken konkurriren in diesen Artikeln noch immer mit Vortheil mit den in- und ausländischen Fabriken.

Uhrenhandel u n d B i j o u t e r i e .

Der Absatz in diesen Artikeln hat ein wenig unter der Krisis, die unsern Platz heimsuchte, gelitten, und mehrere Handlungshäuser zogen es vor, ihre Verkäufe und ihre Kredite zu beschränken.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. IV.

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Käse.

Im Vergleich zu 1873 hat eine Vermehrung der Einfuhr um Kilo 23,458 stattgefunden, welche ich hauptsächlich auf Rechnung von Partien, welche für die Ausfuhr bestimmt waren, setze.

C i g a r r e n.

Dieser Handelszweig ist in Folge der Zollformalitäten, welche den Handel selbst mit dem Auslande erschweren, vollständig vernichtet.

Transitverkehr.

Jm Jahre 1873 hat der Transitverkehr L. 22,323,178 betragen ,, ,, 1874 betrug er -.

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. ,, 20,868,885 hat also um L. 1,454,293 abgenommen.

Nachstehende Artikel haben hauptsächlich zu dieser Abnahme beigetragen.

Kolonialwaaren .

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. Lire 1,599,923 Früchte, Sämereien und Pflanzen .

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,, 255,076 Fettwaaren . ,, 51,484 Fische ,, 70,699 Seide und verarbeitete Seide ,, 1,102,365 Getreide, Mehl und Teigwaaren .

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,, 43,116 Metalle, roh und verarbeitet ,, 30,927 Glas und Kristallwaaren .

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,, 547,715 Tabak ,, 1,156,005 Häute ' .

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. ,, 394,565

Eisenbahnen und Verkehrsmittel.

Die Eisenbahnlinie Genua-Spezzia-Florenz ist beendet worden und durch die direkte Verbindung, welche mit Florenz, Rom und dem Süden Italiens erstellt worden, ist sie für Genua von großem Vortheil.

Betreffend die Schiffahrt, so hat die Gesellschaft Rubattino ihre Dampfschiffahrten nach der Levante bis nach Bombay und Calcutta ausgedehnt, womit man sehr zufrieden ist. Die Gesellschaft Lavarello hat die Zahl ihrer nach Brasilien und La Piata fahrenden Dampfschiffe vermehrt und fahrt dabei ebenfalls sehr gut.

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Auswanderung und Schweizer-Yereine.

Seitdem die italienische Regierung kein Visum der Pässe mehr verlangt, ist es unmöglich,- genaue Angaben über die Auswanderung zu erlangen und ich muß mich daher darauf beschränken, einige Zahlen betreffend durchreisende Schweizer, welche sich beim Konsulat melden, mittheilen.

Nach Marseille und Algier sind 27 Personen, nach Buenos Aires und Montevideo 185 Personen hier durchgereist.

Die Auswanderung nach Südamerika war im Jahre 1874 in Folge der Choleraseuche, welche dort ausbrach, und der Finanz" krisis, die sie im Gefolge hatte, weniger bedeutend. Ich glaube selbst, daß viele Auswanderer enttäuscht worden sind, und es wäre von Nutzen, sie daran zu erinnern, vorsichtiger zu sein. Es scheint jedoch zufolge der letzterhaltenen Nachrichten, daß die Verhältnisse sich wieder zu bessern beginnen.

Der schweizerische Wohlthätigkeitsverein hat seine Thätigkeit regelmäßig fortgesetzt, wie es aus dem s. Z. eingesandten Berichte ersichtlich ist. Er hat im Jahre 1874 in 151 Unterstützungsfällen die Summe von Lire 2292. 60 verausgabt und sein Vermögen betrug am 31. Dezember 1874 die Summe von L. 6222. 53.

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Bericht des schweiz. Konsuls in Genua (Hrn. J. Schlatter-Rheiner, von St. Gallen) für das Jahr 1874. (Vom 20. August, eingegangen am 28. August 1875.)

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.09.1875

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192-199

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