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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Pferde-Eisenbahn von Bözingen über Biel nach Nidau.

(Vom 28. Juni 1875.)

Tit. !

In Biel hat sich eine Pferdeeisenbahn-Gesellschaft konstituirt zum Zweke, ,,der Stadt Biel und Umgegend durch Erstellung einer Pferdebahn Bözingen-Biel (Bahnhof) -Nidau ein billiges, gemeinnüziges und in jeder Beziehung wünschenswerthes Verkehrsmittel zu verschaffen und diese Unternehmung auf eigene Rechnung oder pachtweise zu betreiben." (Art. l der provisorischen Statuten vom 17. Mai 1874).

Die Pferdeeisenbahn beginnt zunächst der Scheußbrüke bei Bözingen, gelangt von da auf der Bieler- (Staats-) Straße in die Juravorstadt Biel, durchzieht dann auf eine Länge von 2650' Stadtgebiet, um beim Paßquartthor (Seevorstadt) wieder auf Staatsboden zu kommen. Bald betritt sie abermals die Gemeindestraße und gelangt auf 10' Entfernung vom Trottoir sich fortziehend bis auf den Bahnhofplaz, ohne daß das Straßenprofil in seiner Höhenlage irgendwie alterirt würde. Vom Bahnhof Biel weg führt die Pferdeeisenbahn bis vor das Salzmagazin Nidau, auch auf dieser Streke von 4500' die Staatsstraße benuzend.

630 Die Totallänge der Bahn beträgt 4905 Meter, davon entfallen auf die Staatsstraßen beinahe drei Viertheile. Expropriationen sind nach Ansicht der Gesellschaft nur wenige nothwendig. Das benöthigte Kapital ist zu Fr. "200,000 veranschlagt, vertheilt auf 2000 Aktien à Fr. 100, die bereits gezeichnet sein sollen. Der Prospektus büdgetirt die jährlichen Bruttoeinnahmen mit Fr. 73,000 (unter der Voraussezung, daß täglich 1000 Perzu 20 Rappen Einnahme kursiren).

Die Betriebskosten werden berechnet auf Fr. 54,000.

Es bliebe somit ein Reinertrag von Fr. 19,000.

Die Gesellschaft würde sich für einmal auf den Personenund Gepäktransport beschränken und vom Güter- und Camionnagedieust absehen. Sie hat sich übrigens nur auf eine Da.uer von 25 Jahren konstituirt, und verlangt folgerichtig auch die Konzession nicht für längere Zeit.

Die Bundesversammlung hat seit dem 21. Januar 1863 keine Veranlaßung mehr gehabt, sich mit Pferdeeisenbahnen zu beschäftigen. (Allerdings war in der Konzession, welche der Nordostbahn-Gesellschaft für die Linie Oerlikon-Bülach verliehen wurde, von einer mit Pferden zu bedienenden Zweigbahn nach Dielsdorf die Rede -- die Konzessionärin entschied sich jedoch schließlich für den durchgängigen Lokomotivbetrieb.") Damals lag die vom Kanton Genf den Herren Burn & Comp. für den Bau und Betrieb einer Pferdeeisenbahn zwischen Genf und Carouge ertheilte Konzession zur Behandlung vor. Hatte der Bundesrath in seiner Botschaft vom 4. April 1862 sich entschieden dahin ausgesprochen, daß auch die Pferdeeisenbahnen unter das Bundesgesez vom 28. Juli 1852 fallen, und daher die Frage, ob für deren Konzessionirang die Bundesgenehmigung erforderlich sei, unbedingt bejaht, so glaubten doch die Käthe, die Angelegenheit an den Bundesrath zurükweisen zu sollen mit der Einladung, ,,die Frage der vollständigen Anwendung des Eisenbahngesezes vom 28. Juli 1852 auf derartige Unternehmungen überhaupt und speziell die Modalitäten des der Bundesversammlung zu unterstellenden Genehmigungsbeschlusses für die vorliegende Konzession, in nochmalige Erdaurung zu ziehen ' und der Bundesversammlung in ihrer nächsten Sizuug Bericht und Antrag zu hinterbringen.11 (Bundesbeschluß vom 2S. Juli 1862.)

Der Bundesrath entsprach dem Auftrage durch Botschaft vom 26. Dezember 1862, welcher er den Schlußantrag beifügte: ,,Es
wird die Regulirung der gesezlichen Verhältnisse der Pferdebahnen zum Bund einstweilen verschoben, bis nähere Erfahrungen über diesen. Gegenstand eine definitive Erledigung des-

631 selben möglich machen. Inzwischen wird der Bundesrath angewiesen, auf die bereits erstellte Pferdeeisenbahn Genf-Carouge, sowie auf allfällig andere, in der Zwischenzeit entstehende Pferdebahnen die Bestimmungen des Bundesgesezes vom 28. Juli 1852 provisorisch anzuwenden, in dem Sinne, daß der Bundesrath ermächtigt sein soll, nach Maßgabe der sachlichen Verhältnisse diejenigen Modifikationen eintreten zu lassen, welche sich in der Folge als zwekmäßig und wünschenswert!! herausstellen.tt Die Ansichten der'Räthe gingen sachlich auseinander. Während der Ständerath und die Vorberathungskommission des Nationalrathes dem obstehenden Antrage beipflichteten, entschied sich der Nationalrath am 16. Januar 1863 dahin: ,,Es habe auf die amerikanische Pferdeeisenbahn zwischen Genf und Carouge das Bundesgesez über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen im Gebiete der Eidgenossenschaft, vom 28. Juli 1852, keine Anwendung zu finden." Es gelang indeß, eine Einigung für folgende Schlußnahme (Bundesbeschluß vom 28. Januar 1863) herbeizuführen: ,.

,,1. Der Bundesrath ist beauftragt, über das rechtliche Verhältniß der sogenannten Pferdebahnen zur Bundesgesezgebung, resp.

zum Eisenbahn- und Postgesez noch weitere Untersuchung zu pflegen und in einer der nächsten Sizungen der Räthe definitive Schlußnahmen zu hinterbringen.

2. Das zwischen dem Bundesrathe und der Unternehmung Genf-Carouge im Wege der Korrespondenz geordnete rechtliche Verhältniß bleibt einstweilen provisorisch in Kraft.

3. Der Bundesrath ist im Weitern ermächtigt, bei ähnlichen Unternehmungen, unvorgreiflich der Hauptfrage über die definitive Anwendung des einen oder andern Gesezes, die Verhältnisse zwischen dem Bund und derartigen Unternehmungen provisorisch zu ordnen.

4. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt. "· Am 1. Juli 1863 ertheilte der Große Rath des Kantons Genf den Inhabern der Konzession Genf-Carouge (Gh. Burn & Comp.) eine fernere Konzession zum Bau und Betrieb einer Pferdeeisenbahn von Genf nach Chêne-Bougeries, Chène-Thonex und Moiljesulaz. In der ganzen übrigen Schweiz indeß hat sich bis heute das Institut der amerikanischen Tramways nirgends eingebürgert, obschon die Botschaft des Bundesrathes vom 26. Dezember 1862 prognostizirt hatte, daß voraussichtlich die Pferdebahnen in der Schweiz binnen wenigen Jahren bedeutend in Aufnahme kommen werden, und der Bericht der ständeräthlichen Kommission vom 12. Januar 1863

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diese Ansicht theilte, indem er sich aussprach, daß ein Theil des bisherigen Straßensystems, vorzugsweise zwischen bevölkerten Orten oder zum Anschluß einzelner Gegenden an die Lokomotiv-Bisenbahnen successive in Pferdebahnen verwandelt werden dürfte.

Daß bei diesem Stande der Dinge der Bundesrath zu weitern Untersuchungen und zu Vorlagen an die Räthe sich nicht veranlaßt sehen konnte, möchte kaum von Jemandem mißbilligt werden. Anders gestaltet sich aber die Sache unter der Herrschaft des Eisenbahngesezes vom 23. Dezember 1872, und nachdem verschiedene Bewerber und Konzessionen für Pferdeeisenbahnen sich eingestellt haben. Demnächst wird Ihnen vorgelegt werden ein Gesuch der Herren S. Philippart in Paris und A. Févat in Genf um Konzessionirung einer Reihe von Linien in der Stadt Genf und deren Umgegend. Angekündigt sind folgende Begehren: 1) von Herrn Ch. Schaeck-Jaquet, Ingenieur, von und in Genf (Inhaber der Konzession für die Wiener-Tramways), für einige Linien im Kanton Genf; 2) von Herrn G. Denys, Ingenieur, und L. de Roy, Advokat und Grundbesizer, in Brüssel, für Tramways nach belgischem System in den Städten Bern und Basel.

Keiner der leztgenannten Potenten hat übrigens bis jezt die zur Konzessionirung unerläßlichen Vorlagen eingereicht.

Die Bundesversammlung hat s. Z. wiederholt gewünscht zu erfahren, in welcher Art die Rechtsverhältnisse der Pferdeeisenbahnen anderwärts regulirt worden seien. Wie es scheint, war aber damals das zur Beantwortung dieser Frage erforderliche Material nicht erhältlich. In der Voraussicht, daß einige Mttheilungen über die heutigen Rechtszustände der Tramways, hauptsächlich in unsern Nachbarstaaten, nicht unwillkommen sein möchten, finden folgende Notizen hier ihren Plaz.

Der Kardinalpunkt, ob die Tramways den Lokomotiveisenbahnen rechtlich gleichzustellen oder aber in die Kategorie der öffentlichen Fuhrwerke zu verweisen seien, bildet auch heute noch einen Gegenstand der Kontroverse. Während G r o ß b r i t a n n i e n durch sein Gesez: ,,The tramway acta vom 9. August 1870, Frankrei eh (wenn bisher auch ohne Spezialgesez, aber durch Staatsrathsbeschluß vom 22. Februar 1872), B e l g i e n in einem der Repräsentantenkammer eben vorliegenden Gesezesentwurfe vom 19. April d. J. die Pferdeeisenbahnen, soweit deren besondere Verhältnisse dies erlauben, als Werke des öffentlichen Interesses auflassen, resp. den Lokomotivbahnen gleichstellen, betrachtet P r e u ß e n die unter Benuzung schon bestehender öffentlicher

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Straßen angelegten Schienenwege für mit Pferden betriebene Wagen nicht als Eisenbahnen im engern Sinne, obgleich das Eisenbahngesez vom 3. November 1838 eine ausdrükliche Beschränkung .seiner Tragweite auf Lokomotivbahnen nicht enthält. Der Betrieb «iner Pferdeeisenbahn, wird vielmehr als ein solcher öffentlicher Fuhrwerke behandelt und untersteht der Regelung der Ortspolizeibehörde.

Für Oesterr eich ist maßgebend die allerhöchste Entschließung vom 25. Februar 1859, wonach bis auf Weiteres für die Anlegung von Pferdeeisenbahnen ein eigenes Konzessionsgesez nicht erlassen "werden soll, der Handelsminister jedoch ermächtigt ist, vorkommenden Falles solche Unternehmungen versuchsweise zu gestatten, wobei übrigens jedes Privatrecht und jeder Privatrechtsanspruch vollkommen unbeschädigt zu bleiben hat, folglich auch eine zwangsweise Expropriation nicht stattfinden darf. Auf alle Rüksichten des unbeirrten öffentlichen Verkehrs, sowie der Sicherheit überhaupt ist der vollkommenste Bedacht zu nehmen und darf daher zu einem solchen Versuche auch kein ausschließendes Recht ertheilt werden ; das Staatsärar übernimmt unter keinen Umständen eine Entschädigungs- oder Garantieverpflichtung. Entschädigungsstreitigkeiten aus der Anlage solcher Bahnen zwischen den Unternehmern und Privaten sind gänzlich nach den Civilgesezen zu behandeln.

Ohne äußerste, jedesmal gründlich nachzuweisende Notwendigkeit darf keine Zollvergünstigung, ja nicht einmal die Gestattung zur Verwendung ausländischen Materials beantragt werden.

Bei der Behandlung der wichtigsten'Artikel der heutigen Konzessionsvorlage werden wir auf einzelne Vorschriften anderer Staaten am füglichsten zurükkommen.

Der Entwurf des Bundesrathes zum neuen Eisenbahngesez (vom 16. Juni 1871) brachte im ersten Artikel folgende Bestimmung: ,,Für bloße Geleisanlagen, sowie für Bahnuntemehmungen, welche weder fremden Grund und Boden benuzen, noch an das allgemeine Eisenbahnnez anschließen, bedarf es keiner staatlichen Konzession.

Es bleibt den Kantonen überlassen, in Fällen solcher Art zum Schuze der öffentlichen Interessen das Nöthige anzuordnen." Der Ständerath verwarf diese Einschränkung, der Nationalrath nahm sie nicht wieder auf. Damit scheint uns ausgesprochen, daß die PferdeEisenbahnen, die ohnehin weder zu den bloßen Geleisanlagen gerechnet werden dürfen,
am allerwenigsten aber fremden Grund und Boden verschonen, den Lokomotivbahnen bezüglich der Konzessionirung gleich gestellt seien, und es haben gegen diese Anschauung weder die heutigen Konzessionäre noch die Petenten in Genf, ebensowenig die Regierungen der Kantone Bern oder Genf Einwand ge-

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macht, vielmehr derselben ausdrüklich zugestimmt. Gewiß wird diese Ansicht auch durch die Erwägung unterstüzt, daß die Pferdebahnen nicht nur bestimmt sind, großen Städten einen willkommenen Ersaz für Fuhrwerke zu bieten, sondern auch um die Bewohner aus von der Lokomotivbahn abliegenden Landestheüen derselben zuzuführen, und daß daher die nämliche Linie ganz leicht das Gebiet mehr als eines Kantons berühren möchte.

Eine Folge dieses ersten Sazes ist, daß die schweizerische Eisenbahngesezgebung auch auf die Pferdebahnen sich erstrekt, toweit, wie Art. l der Vorlage sich ausspricht, deren Vorschriften auf dieselben als anwendbar erklärt werden. Die Bestellung von Pfandrechten wird allerdings gar nicht, das Anbringen von besondern Telegraphendräthen längs der Linie selten vorkommen, und einige Bestimmungen über den Betrieb sind der Natur der Sache nach hinfällig. Auch der Rükkauf durch den Bund könnte wohl kaum irgendwie von nationalem Interesse sein. Die übrigen Bestimmungen des Eisenbahngesezes aber lassen sich entweder direkt oder durch Analogie auch auf die Tramways anwenden.

Die Dauer der Konzession wird, wie schon bemerkt, im vorliegenden Falle auf 25 Jahre festgesezt. Nach Ablauf dieser Frist fällt der Unterbau und das Geleise unentgeltlich, das Betriebsmaterial und die Hochbauten um den Schazungswerth an den Kanton Bern in Gemeinschaft mit den Gemeinden Bözingen, Biel und Nidau insofern diese die Fortführung der Bahn übernehmen wollen. Wäre dies nicht der Fall, so hätte die Gesellschaft auf ihre Kosten die Bahn zu entfernen und die öffentlichen Straßen wieder in vollkommen guten Zustand zu versezen. Eine Erneuerung resp. Verlängerung der Konzession durch Verständigung ist übrigens auch nicht ausgeschlossen.

Der Kanton Bern hat das Recht, die Pferde-Eisenbahn jederzeit zum Schazungswerthe an sich zu ziehen, sei es für sich oder um sie den berührten Gemeinden abzutreten.

Für den Bund ist ein Rükkaufsrecht nicht ausbedungen worden, weil wir nicht einzusehen vermögen, aus welchen Motiven die Eidgenossenschaft Werth darauf legen sollte, Inhaber eines Schienengeleises ohne Grund und Boden zu werden. In England sind gleichfalls nur die Lokalbehörden zum Rükkauf, erstmalig nach Ablauf von 21 Betriebsjahren, dann von 7 zu 7 Jahren autorisirt. Frankreich konzessionirt Tramways auf 25--40 Jahre,
von der Betriebseröffnung an gerechnet, je nach der Natur des einzelnen Falles.

Die Konzession ist aber jederzeit ganz oder theilweise widerruflich, und zwar ohne Entschädigung und mit der Verpflichtung für den

635 Konzessionär, Straßen u. s. w. auf seine Kosten wiederherzustellen. Die nämliche Leistung liegt ihm ob nach Auslauf der Konzessionsfrist, insofern der Staat die Konzession nicht erneuert, sondern die Einstellung des Betriebes verlangt. Die Dauer der Konzession für die Brüsseler-Pferdebahnen beträgt 35 Jahre, ebensoviel für diejenigen in Wien ; beide Städte sind berechtigt, nach Ablauf der Konzession die unentgeltliche Cession von Unterbau und Geleise zu verlangen. Betriebsmaterial, Vorräthe und Hochbauten können sie zum Schazungswerthe übernehmen. Preußen ertheilt da, wo Staatsstraßen zu Anlagen für den Pferdebahnbetrieb verwendet werden wollen, Konzessionen auf zehn Jahre; werden sie nicht spätestens ein Jahr vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gelten sie als auf fünf Jahre verlängert. Innerhalb dieser Fristen kann eine Konzession jederzeit, aber nur gegen Gewährung vollständiger Entschädigung, zurükgenommen werden. Die Niederlande konzessioniren bis a,uf 80 Jahre, Spanien auf 60 Jahre.

Daß die Spurweite der Pferdebahngeleise wenn immer möglich diejenige der Lokomotivbahnen sei, darauf legen wir Werth, und die Gesellschaft hat sich damit einverstanden erklärt, obgleich sie anfanglich eine solche von 5 ' in Aussicht genommen hatte.

Auch England hat die Gleichheit der Spurweite vorgeschrieben.

Die neuen Artikel 9 und 10 dürften sich ohne lange Motivirung rechtfertigen. Die Pferde-Eisenbahn wird nur ausnahmsweise Grundeigenthum für sich erwerben, zum größten Theil ist sie Pächterin der Staats- und Gemeindestraßen, der öffentlichen Pläze u. s. w.

Daß Kantone und Gemeinden deßhalb bei Erlaß der Vorschriften über den Bau und Betrieb dieser Institutionen aktiv und in erster Linie mitzuwirken haben, dürfte ebenso selbstverständlich sein, als daß der lezte Entscheid in die Hand des Bundesrathes gelegt wird, womit natürlich richterlichen Kompetenzen keineswegs vorgegriffen sein soll. Unter der Verständigung der Staats- und Gemeindebehörden mit den Konzessionären begreifen wir die Aufstellung eines vollständigen Pflichtenheftes für den Bau und Unterhalt der Pferde-Eisenbahn, für den Schuz des übrigen Theiles der Straßen u. s. w. Dasselbe hätte auch allfällige Abgaben an die Straßeneigenthümer zu enthalten, wie solche in verschiedenen Staaten bezogen werden. Der Unternehmer in Wien z. B. bezahlt
volle 5 °/o der ganzen Brutto-Einnahme an die Stadt Wien und an Gebühr zum Armenfoude überdies jährlich von jedem in Betrieb gesezten Wagen per Sizplaz einen Gulden öster. Währung. Die 5 °/o BruttoEinnahmen sind im Jahr 1872 in eine jährliche Pauschalsumme von 70,000 öster. Gulden umgewandelt worden. Der Inhaber der PferdeEisenbahn Berlin-Charlottenburg entrichtet eine Abgabe von minde-

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stens 8000 Thalern ; Brüssel läßt sich per Kilometer jährlich Fr. 1500 im Minimum bezahlen.

Die P e r s o n e n t a x e n , wie sie uns von den Konzesstonsbewerbern vorgeschlagen worden sind, finden wir annehmbar im Hinblik auf den im Art. 20 liegenden Tarif-Regulator. Vergleichsweise führen wir zwei Gegensäze hier an. Die Anlagekostea der Brüsseler Pferdebahnen werden auf Fr. 15,000 per Kilometer berechnet, in Wien betrugen die Herstellungskosten der Streke Bellaria-Hotel Kreuz (Mariahilferstraße) -- wegen Straßenregulirungen, Häuserdemolirungen und Umbauten -- in Meilen umgerechnet, 6 Millionen öster. Gulden per Meile, also über das Doppelte derjenigen Summe, welche eine Meile Semmeringbahn gekostet hatte. Während aber in Brüssel auf die ganze Dauer der Konzession neun Rappen per Kilometer vom Reisenden erhoben werden dürfen, ist das Maximum des Fahrpreises von einem Punkte zu jedem andern innerhalb des Gemeindegebietes von Wien auf den Betrag von 10 öster. Kreuzern = 25 Rappen flxirt. Von der Aufstellung eines bestimmten Prozentsazes der Tax-Reduktion für Abonnementsbillets glaubten wir im Hinblik darauf, daß auch die Normalkonzession keinen solchen statuirt, absehen zu sollen.

Wir empfehlen Ihnen, Tit., den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Genehmigung, und benuzen auch diesen Anlaß zur Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

Bern, den 28. Juni 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Scheren Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschlnss betreffend

Konzession einer Pferdeeisenbahn von Bözingen über Biel nach Nidau.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) eines Gesuches der Direktion der Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft von Biel, vom 5. Januar 1875; 2) einer Botschaft des Bundesrathes vom 28. Juni 1875, beschließt: Der Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft von Biel wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer Pferde-Eisenbahn von Bözingen über Biel nach Nidau unter den in nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen ertheilt.

Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgeseze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen, soweit solche auf die Pferdebahnen als anwendbar erklärt werden, jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 25 Jahren, vom 1. Juli 1875 an gerechnet, ertheilt.

Art. 3. Der Siz der Gesellschaft ist in Biel.

638 Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrathes oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsiz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von drei Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrathe die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Vor dem 1. April 1876, ist der Anfang mit den Arbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Bis zum 1. April 1877 ist die ganze konzessionirte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Der Bundesrath ist berechtigt, auch nach Genehmigung des Trace eine Abänderung desselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes .geboten ist.

Art. 8.

Die Bahn wird mit einspurigem Unterbau erstellt.

Art. 9. Ueber die Benuzung der Staats- und Gemeindestraßen, öffentlichen Pläze u. s. w. durch die Einrichtungen der Pferde-Eisenbahn, sei es nur während des Baues, sei es zum Bau und Betrieb, soweit es sich nicht um Expropriation handelt, hat die Gesellschaft in erster Linie mit den Eigenthümern der betreffenden Objekte eine Verständigung anzustreben. Das bezügliche Pflichtenheft ist dem Bundesrathe zur Prüfung und zur Genehmigung vorzulegen. Insofern keine Einigung unter den Betheiligten bis zum Termin der Pla,nvorlage erfolgt, wird der Bundesrath über die streitigen Punkte de:a Entscheid fällen.

Art. 10. Die Gesellschaft wird dem Bundesrathe mindestens drei Monate vor der Eröffnung des Betriebes Vorschläge einreichen über die Ausübung desselben in allen seinen Theilen, die Sicherung des Verkehrs neben der Bahnlinie, die Bahnpolizei u. s. w. Der Bundesrath wird den Regierungsrath des Kantons Bern und die Gemeinderäthe von Bözingen, Biel und Nidau über die den Bau und Betrieb angehenden Vorschläge der Gesellschaft vernehmen und sodann die bezüglichen definitiven Vorschriften erlassen.

Art. 11. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen ü. s. w., sind Eigënthum des Kantons Bern und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 12. Den Bundesbeamten, welchen die Ueberwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Ein-

639 sieht von allen Theilcn der Bahn und des Materials zu gestatten und das zur Untersuchung nüthige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 13. Der Bundesrath kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu gegründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 14. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens zwanzig Mal nach beiden Richtungen von einem Bndpunkt der Bahn zum andern erfolgen.

Der Bundesrath und bei Dringlichkeit auch der Regierungsrath des Kantons Bern sind berechtigt, in außerordentlichen Fällen, wie Feste, Märkte, Truppenmärsche, Straßenkorrektionen u. s. w., zeitweise die Einstellung des Betriebes der ganzen Linie oder einzelner Sektionen zu verlangen. Für die der Gesellschaft hieraus erwachsenden Verluste hat sie keinen Anspruch auf Entschädigung.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nur e i n e r Klasse verwenden.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport einer Person von Büzingen bis Nidau 20 Rappen zu beziehen.

Für die einzelnen Sektionen der Linie (Bözingen-Biel, Biel Stadtgebiet und Bahnhof, Biel-Nidau) wird die Gesellschaft nach Verschiedenheit der Entfernungen verhältnißmäßig geringere Fahrsäze einführen.

Ist, die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest theilbare Zahl, so*kann eine Abrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besizt, erfolgen.

Das Minimum der Taxe darf 10 Rappen betragen.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sizplaz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurükgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäk der Reisenden kann eine Taxe Ton höchstens 2*/2 Rappen per 50 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Die Gesellschaft wird zur Ausgabe von Abonnementsbillets zu ermäßigten Preisen verpflichtet.

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Art. 17. Von der Pflicht, Vieh zu transportiren, ist die Gesellschaft befreit; die Beförderung von Gütern dagegen hat die Gesellschaft zu organisiren, sobald der Bundesrath dies verlangt. Die bezüglichen Taxen werden alsdann nach Anhörung der Gesellschaft und der Vernehmlassung des Regierungsrathes des Kantons Bern von der Bundesversammlung festgestellt.

Art. 18. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 19. Die sämmtlichen Tarife sind mindesten sechs Wochen, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrathe zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nach einander einen acht Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zuläßige Maximum der Transporttaxen verhältnißmäßig herabzusezen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrathe und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, za deken, so kann der Bundesrath eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansäze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 21. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den vom Bundesrathe mit der Kontrole über den Betrieb beauftragten Organe» überall freien Zutritt zu gewähren.

Art. 22. Die Pferdebahn ist rechtlich in jeder Hinsicht aus bewegliches Gut zu betrachten und zu behandeln.

Art. 23. Nach Ablauf der Konzession steht es dem Kanton Bern in Gemeinschaft mit den Gemeinden Bözingen, Biel und Nidau frei, entweder die Bahn zu übernehmen oder die Gesellschaft anzuhalten, daß sie auf ihre Kosten die Bahn entferne und die Straßen, wieder in vollkommen guten Stand verseze. Das Letztere hat auch zu geschehen, insofern der Kanton und die drei Gemeinden betreffend die Uebernahme der Bahn sich nicht zu einigen vermöchten.

Findet dagegen eine solche Einigung statt, so entfallt das Geleise sammt dem Unterbaue unmittelbar und ohne Entschädigung in das Eigenthum des Kantons und der drei Gemeinden pro rata ihrer Eigenthumsrechte an den von der Bahn belegten Straßen. Auf Verlangen müssen den neuen Unternehmern das Betriebsmaterial, mit Inbegriff der Pferde, und die Hochbauten, soweit solche zum

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Weiterbetriebe nothwendig sind, zum Schazungswerthe überlassen werden. Das bezügliche Begehren ist 3 Monate vor dem Erlöschen der Konzession an die Gesellschaft zu stellen.

Geleise und Unterbau sind in gutem Zustande den Rechtsnachfolgern der Gesellschaft zu überliefern.

Art. 24. Der Kanton Bern ist befugt, zu jeder Zeit die Pferdebahn sammt Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören zum Schazungswerthe an sich zu bringen, immerhin in der Meinung, daß die Entschädigungssumme in keinem Falle weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug des Betrages allfälliger Erneuerungsund Reservefonds, ausmachen dürfe.

Streitigkeiten, die über den Rükkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichts.

Art. 25. Der Bundesrath ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über den Rekurs Barbey, von Dompierre, betreffend Verweigerung eines Wirthschaftspatentes (Vom 18. Juni 1875.)

Tit.!

Mit Schlußnahme vom 12. dies übersandten Sie uns zur Vernehmlaßung einen vom 7. dies datirten Rekurs des François Barbey in Dompierre, Kantons Freiburg, gegen unseren Beschluß vom 13. April abhin, womit demselben auf das Rekursgesuch, es möchte die Regierung von Freiburg angehalten werden, ihm die verlangte Bewilligung zur Eröffnung einer Wirthschaft in seinem Hause zu Dompierre zu ertheilen, ein abweisender Bescheid ertheilt worden ist.

Nachdem uns das Eisenbahn- und Handelsdepartement unterm 9. April abhin über diesen Rekurs einläßlichen Bericht erstattet und wir die in demselben enthaltenen Anschauungen unserm Entscheide vom 13. gl. Mts., welcher Gegenstand des vorliegenden Rekurses bildet, zu Grunde gelegt haben, beschränken wir uns darauf, uns auf jenen Bericht zu berufen und denselben hier beizufügen.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Pferde-Eisenbahn von Bözingen über Biel nach Nidau. (Vom 28. Juni 1875.)

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03.07.1875

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