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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Abschluss eines Vertrags mit Oesterreich-Ungarn über Niederlassung u. s. w.

(Vom 8. Dezember 1875.)

Tit.!

Die Schweiz hat seit dem Jahre 1848 mit den meisten Nachbarstaaten, insbesondere mit Frankreich, Italien, dem Großherzogthum Baden und dem Königreich Württemberg, Niederlassungsvertrage abgeschlossen. Gegenwärtig schweben Unterhandlungen über einen gleichartigen Vertrag mit dem gesammten deutschen Reiche, dessen Abschluß nur noch von der Erledigung einer Detailfrage abhängt.

Ebenso ist Alles, was sich auf Niederlassung bezieht, von.

der Eidgenossenschaft in internationaler Weise geregelt worden mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika, mit Belgien, Großbritannien, Rußland, den Niederlanden, den Hawaiian-Inseln und mit Japan.

Die österreichisch-ungarische Monarchie ist der einzige europäische Großstaat, mit welchem wir keine derartige Uebereinkunft abgeschlossen haben. Allerdings haben wir mit diesem Staate verschiedene internationale Verträge unterzeichnet, welche Zeugniß von den guten Beziehungen ablegen, die wir mit demselben unter-

1148 halten. Es genügt, diesfalls an den Handelsvertrag vom 14. Juli 1868, an den Vertrag betr. die Bodenseegürtelbahn vom 27. August 1870, sowie an den Auslieferungsvertrag vom 17. Juli 1855 zu erinnern.

Ein allgemeiner Vertrag aber, welcher Alles umfassen würde, was auf die Niederlassung, die gegenseitige Armenunterstüzung, das Steuerwesen und die civilrechtlichen Verhältnisse Bezug hätte, ist ein Bedürfniß, das sich schon seit langem sowohl in Oesterreich, als auch in der Schweiz fühlbar machte. Die Volkszählung von 1870 verzeigte 6232 in der Schweiz befindliche Angehörige der österreichischungarischen Monarchie und anderseits erhellt aus einer amtlichen Mittheilung, daß 4543 Schweizer im Kaiserreiche Oesterreich und 579 Schweizer im Königreich Ungarn sich befinden, zusammen 5122.

Der Bundesrath beeilt sich übrigens, zu konstatiren, daß einerseits die Oesterreicher und Ungarn in der Schweiz im Mitgenusse derjenigen Rechte und Garantien sind, welche unsere Verfassungen und Geseze allen Ausländern einräumen, mögen die betreffenden Staaten einen Vertrag mit der Schweiz haben oder nicht, und daß anderseits die Schweizer in Oesterreich-Ungarn ebenfalls der Vortheile theilhaftig sind, welche eine liberale Gesezgebung allen Einwohnern des Staatsgebiets sichert. Unter diesen Gesezen sind insbesondere, was Oesterreich betrifft, das Gemeindegesez vom 5. März 1862, das Heimatgesez vom 3. Dezember 1863 und- die Gewerborduung vom 20. Dezember 1859 zu erwähnen. Es ist jedoch in dieser Beziehung zu bemerken, einerseits, daß diese für die Ausländer im Allgemeinen sehr billigen Geseze durch die Behörden, welche sie erlassen haben, abgeändert werden können, daß es also bei diesen steht, die Stellung unserer Staatsangehörigen ungünstiger zu gestalten, und andererseits, daß diese Geseze nur für das eigentliche Kaiserreich Oesterreich Geltung haben, d. h. für Ober- und NiederOesterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain, Tyrol, Böhmen, Mähren, Galizien, Schlesien, die Bukowina, Dalmatien und Istrien, während im Königreich Ungarn, Inbegriffen Siebenbürgen, Kroatien, Slavorüen und die Militärgrenze, die Ausländer in Bezug auf Niederlassung, Grundeigentum und Besteurung noch nicht durch positive Geseze regiert werden, sondern nur durch administrative Uebungen und einige alte Statuten, über die mau kaum recht in's
Klare gelangen kann.

Man darf sich übrigens nur in Erinnerung rufen, daß im Februar 1853 in Folge des zwischen dem Kanton Tessin und Oesterreich entstandenen Konflikts lezterer Staat auf dem Wege der Repressalie 6212 Tessiner, welche die damals österreichische Lombardei bewohnten, auswies, und daß diese rigorose Maßnahme erst am 18. März 1855 durch eine zwischen der Eidgenossenschaft

1149 und Gestenreich abgeschlossene besondere Uebereinkunft widerrufen wurde.

Diese geschichtliche Thatsache liegt schon weit hinter uns, und wenn der Bundesrath sie erwähnt, so geschieht es nicht, um peinliche Erinnerungen neu zu erweken, sondern vielmehr, um zu koustatiren, daß unsere Beziehungen zu Oesterreich-Ungarn zur Zeit ebenso freundschaftlich sind, als sie damals gespannt waren, und daß -- dank den neuen Institutionen und dem neuen Geiste, welche in Oesterreich an die Stelle alter Regierungstraditionen getreten sind, die Wiederkehr solcher Konflikte heute nicht mehr zu befürchten ist. Indessen zeigen doch immerhin die Vorgänge von 1852 wie vortheilhaft für unsere Staatsangehörigen das Vorhandensein internationaler Vereinbarungen wäre, durch welche ihre staatsrechtliche und privatrechtliche Stellung in präziser Weise festgesezt würde.

Dieß ist denn auch von den Regierungen der beiden Staaten seit Langem gefühlt worden. Bereits im Jahre 1858 wurden zur Erzielung eines allgemeinen Vertrags Unterhandlungen angeknüpft.

Oesterreich verlangte damals hauptsächlich die Aufnahme von Bestimmungen über Vollziehung von Zivilurtheilen, über die Konkurse, die Befreiung vom Militärdienst und von der Militärsteuer, über das Erbschafts- und Steuerwesen, sowie über den unentgeltlichen Austausch von Zivilstandsakten. Der Bundesrath seinerseits bestand darauf, daß gleichzeitig auch Vereinbarungen getroffen werden über das Handelswcsen, die Niederlassung und einige andere Fragen von materiellem Interesse, wie die Rheinkorrektion und die Bodenseegürtelbahn. Wir haben oben bereits angedeutet, daß dieser leztere Gegenstand, sowie das eigentliche Handelswesen, durch besondere Verträge geregelt worden sind. Alle andern Punkte sind dagegen in der Schwebe geblieben. Nur die Befreiung vom Militärdienste wurde, unterm 18. Dezember 1864, zum Gegenstand des Austausches von Erklärungen zwischen Oesterreich und dem Kanton Zürich gemacht. Ungeachtet des guten Willens des damals Oesterreich vertretenden Ministers, Freiherrn von Menßhengen, und ungeachtet des sehr lebhaften Wunsches des Bundesrathes für das Gelingen von Unterhandlungen, deren ganze Wichtigkeit er fühlte, erlitten dieselben doch fortwährende Verzögerungen, hauptsächlich in Folge der damaligen politischen Verumständungen der österreichischen Monarchie,
welche in eine Periode der Reorganisation und Umgestaltung eingetreten war, aus der sie selbst heute noch kaum heraustritt.

Diese Verhältnisse erklären es, warum troz aller Bemühungen der beiden interessirten Parteien die Unterhandlungen -- es waren

1150 dieselben angeknüpft in den Jahren 1858 und 1859, ziemlich weit gediehen im Jahr 1862, sodann wieder aufgegeben und neu aufgenommen in den Jahren 1864 und 1867 -- bis Anfangs dieses Jahres zu keinem Ziele gelangen konnten. Im leztverflossenen Januar aber, bei Anlaß eines Spezialfalles betreffend eine in Ungarn niedergelassene schweizerische Familie, zeigte sich das österreichischungarische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten bereit, die Verhandlungen auf Grundlage der früher besprochenen Programme wieder aufzunehmen. Auf,den vom Bundesrathe geäußerten Wunsch verstand sich Oesterreich dazu, seinen Eröffnungen durch Vorlage eines Gesammt-Entwurfs eine bestimmtere Gestalt zu geben. Mit Note vom 25. Mai 1875 erklärte Freiherr von Otteufels, Minister von Oesterreich-Ungarn in der Schweiz, seine Regierung sei bereit, zwei Verträge abzuschließen; davon sollte der eine hauptsächlich die administrativen und der andere die gerichtlichen Materien regeln. Der Bundesrath nahm diese Eröffnung bereitwilligst auf; er beauftragte unterm 28. Mai d. J. den Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, Herrn Bundesrath Ceresole, ihn bei den sachbezüglichen Verhandlungen mit dem österreichischen Bevollmächtigten, Freiherrn von Ottenfcls, zu vertreten, wofür er ihm die nöthigen Vollmachten ertheilte.

Diese Verhandlungen wurden hierauf, rasch fortgeführt, auf Grundlage der beiden Vertragsentwürfe, welche in Wien ausgearbeitet worden waren.

Der erste dieser Entwürfe betrifft das eigentliche Niedcrlassungswesen,J die Befreiung vom Militärdienst und von der Militärsteuer,7 a dasSteuerwesen, die gegenseitige Unterstüzung in Erkrankungs- und Todesfällen armer Angehöriger und den unentgeltlichen Austausch der Zivilstandsakten.

Der zweite Vertrag dagegen bezwekt die Regelung dessen, ·was auf die Vollziehung von Zivilurtheilen, das Konkurswescn, den Gerichtsbeistand (Armenrecht) und auf die Erbschaften sich bezieht.

Die Bevollmächtigten der beiden Parteien überzeugten sich indeß bald, daß dieser zweite Vertrag, welcher, nach der Absicht der österreichischen Regierung, in gewissen Beziehungen weiter ginge, als der von der Schweiz am 15. Juni 1869 mit Frankreich über civilrechtliche Verhältnisse abgeschlossene Vertrag, und welcher Fragen berührt, die zum Theil neu und wegen der Verschiedenheit der ZiviJgesezgeburigen
sowohl in der Schweiz als in Oesterreich sehr heikler Natur sind, weit schwieriger abzuschließen wäre, als der Yertrag über die administrativen Mateiïen. In Folge dessen haben die beiden Regierungen, ohne darauf zu verzichten, später die gerichtlichen und civilrechtlichen Fragen wieder aufzunehmen,

1151 gefunden, daß es ' für ihre Staatsangehörigen vortheilhafter sei,, zunächst den Vertrag über die administrativen Angelegenheiten abzuschli essen.

Dieß geschah denn auch wirklich. Am 7. Dezember 1875 haben die Bevollmächtigten der beiden Staaten den Vertrag unterzeichnet, welchen der Bundesrath die Ehre hat, heute Ihrer Ratifikation zu unterbreiten, nachdem er denselbe seinerseits genehmigt hat.

Dieser Vertrag, den wir hiermit Ihrer Genehmigung unterstellen, handelt von bekannten Materien und regelt dieselben so, wie sie bereits mit den meisten unserer Nachbarstaaten normirt worden sind. Wir brauchen daher die einzelnen Artikel desselben nicht durch lange Commentare zu erläutern.

Art. l beschlägt die N i e d e r l a s s u n g , und bestimmt, daß in Allem, was die Bewilligung zur Niederlassung, zur Ausübung von Gewerben oder von Berufsarten, und was die Besteurung betrifft, die Schweizer in Oesterreich-Ungarn und die Oesterreicher-Ungarn in der Schweiz auf dem gleichen Fuße wie die eigenen Staatsangehörigen behandelt werden sollen. Diese Vorschrift erleidet eine Ausnahme nur in Bezug auf den Beruf eines Apothekers und das Hausiren. Der österreichisch-ungarische Bevollmächtigte hat, auf besondere Instruktion seiner Regierung, die Beibehaltung dieser zwei Vorbehalte verlangt, indem er bemerkte, daß die Apotheker in Oesterreich-Ungarn, wie in einzelnen Schweizerkantonen, einer ganz besondern Behandlung unterliegen, und daß, was das Hausiren betrifft, ein österreichisches Gesez vom 4. September 1852 dasselbe nur den österreichischen Unterthanen gestattet. Das Verbot gegen die Ausländer, in Oesterreich-Ungarn Hausirhandel zu treiben, ist seither durch einen Beschluß vom 3. September 1870 erneuert worden. Der Bundesrath legt diesen zwei Einschränkungen keine große Wichtigkeit bei und glaubt nicht, daß sie dem Abschlüsse eines im Uebrigen auf weitgesinnten Grundsäzen beruhenden Vertrages hinderlich sein dürfen. Was insbesondere den Hausirhandel betrifft, so ergibt sich aus dem hier in Rede stehenden Art. l, daß die Kantone den Ungarn, welche gegenwärtig in der Schweiz Leinwand, Hausgeräthe etc. verkaufen, und die gewiß zahlreicher sind, als die schweizerischen Hausirer in Oesterreich-Ungarn, das Hausiren verbieten können.

Der Art. 2 bestimmt, daß in Bezug auf Erwerb und Verkauf von Liegenschaften und Grundstüken jeder Art und die daherige

1152 Besteurung, die Angehörigen von Oesterreich-Ungarn in der Schweiz und die Schweizer in Oesterreich-Ungarn gleichfalls und in allen Punkten den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind.

Der Art. 3 fügt bei, daß jeder Vortheil, den die eine der Vertragsparteien den Angehörigen eines andern Staates in Bezug auf Niederlassung oder Gewerbsfreiheit einräumen sollte, zu gleicher Zeit auch den Angehörigen des mitkontrahirenden Staates zugestanden werden muß. Die Schweizer in Oesterreich werden demnach in diesen verschiedenen Beziehungen immer auf den Fuß der meistbegünstigten Nation gestellt sein.

Durch Art. 4 verpflichten sich die beiden Staaten, jederzeit diejenigen ihrer Angehörigen bei sich wieder aufzunehmen, welche von dem mitkontrahirenden Staate in Folge eines gerichtlichen Urtheils oder gesezlich angeordneter Polizeimaßnahmen weggewiesen werden sollten.

Der Bundesrath hat sich überzeugt, daß das österreichische Gesez vom 27. Juli 1871, durch welches das, was auf polizeiliche Ausweisung Bezug hat, geregelt wird, den Ausländern genügende Garantien bietet.

Die vier Artikel, die wir hiemit aiialysirt haben, normiren also die Verhältnisse der Niederlassung, der Gewerbsfreiheit und der Erwerbung des Grundeigenthums in weitgesinnter und umfassender Weise.

Art. 5 betrifft die B e f r e i u n g vom M i l i t ä r d i e n s t e und von der M i l i t ä r s t e u e r . Die Bestimmungen desselben sind denjenigen analog, welche die Schweiz bereits in andern Verträgen angenommen hat, besondei-s in dem Niederlassungsvertrag mit Frankreich vom Jahr 1864, in demjenigen mit England von 1855 und in demjenigen mit Italien von 1868, und bieten zu keiner besondern Bemerkung Anlaß.

Nach Art. 6 müssen die Angehörigen der beiden Staaten in Steuerange!cgenheiten jeder Art genau wie die eigenen Staatsangehörigen behandelt werden. So könnte z. B. keine Kricgskontribution von Vermögen, das Schweizern in Oesterreich angehört, erhoben werden, wenn nicht gleichzeitig eine solche auch den Oesterreichern auferlegt würde.

Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf die Zölle, sowie auf die Hafen- und Seegebühren.

Dieser leztere Vorbehalt muß mit Art. l des Handelsvertrags zwischen der Schweiz und Oesterreich vom 14. Juli 1867, zusammengehalten werden, demzufolge die beiden Vertragsparteien in Bezug

1153 auf die Eingangs- und Ausgangszölle erklärt haben, sich gleichfalls auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation behandeln zu wollen.

In den Besprechungen, welche zwischen den Bevollmächtigten der beiden Parteien stattgefunden haben, ist ausdrüklich erklärt worden, daß das lezte Alinea von Art. 6 keine andere Bedeutung habe und nur in diesem Sinne ausgelegt werden könne.

Der Art. 7 schreibt die unentgeltliche Unterstüzung der armen Angehörigen der beiden Staaten im Falle der Erkrankung oder Verunglükung vor. Wegen der Kosten für die Verpflegung oder Beerdigung darf weder von Staat zu Staat, noch von Gemeinde zu Gemeinde eine Ersazforderung erhoben werden. Für diese Kosten kann jedoch der Unterstüzte selbst, wenn er im Stande ist, sie zu vergüten, oder es können Dritte, welche zivilrechtlich zu deren Bezahlung verpflichtet sind, angesprochen werden. Die Behörden der beiden Slaaten sichern sich diesfalls ihre guten Dienste zu.

Näher betrachtet, bieten diese Bestimmungen nichts als durchaus Annehmbares; sie gehen dahin, die Oesterreicher in der Schweiz hier wie in andern Punkten unsern eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen, und sie entsprechen auch ganz den Grundsäzen, welche in dem Bundesgeseze vom 22. Juni 1875, in Vollziehung von Art. 48 der Bundesverfassung, aufgestellt worden sind. In dieser Beziehung glaubt der Bundesrath nicht, daß man an ihnen etwas aussezen könne. Was die besondere Erwähnung von Geisteskrankheiten, betrifft, so figurirt dieselbe unter Anderm auch in einer neuern Erklärung (vom 6/15. Oktober 1875), welche der Bundesrath über den nämlichen Gegenstand mit Italien ausgewechselt hat.

Es ist nur zu bemerken, daß unter der Verfassung von 1848 die gegenseitige Verpflichtung, sich der Hilfsbedürftigen anzunehmen, von Seite der Schweiz gegenüber einem auswärtigen Staate nicht eingegangen werden konnte, anders als unter ausdrüklicher und förmlicher Zustimmung der kantonalen Regierungen. So hatten die Kantone Bern, Schwyz, Zug, Graubünden, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf bereits, die einen im Jahr 1857 und Bern im Jahr 1865, diese Verpflichtung gegenüber Oesterreich übernommen.

Unter der Herrschaft der Bundesverfassung von 1874 ist nun aber die diesfällige Kompetenz offenbar an die Eidgenossenschaft übergegangen. Da der Art. 48 derselben diese Materie in die Befugnisse des
Bundes gelegt hat, so weit es sich um die Unterstüzung von Kanton zu Kanton handelt, so nahm der Buudesrath keinen Anstand, die Sache so aufzufassen, daß es sich auch für internationale Verhältnisse so verhalte.

1154 Der Art. 8 betrifft den unentgeltlichen Austausch von Auszügen aus den Geburts-, Ehe- und Sterberegistern. Diese Bestimmung enthält nichts Ungewöhnliches, außer daß die Auszüge, die aus Ungarn kommen oder für Ungarn bestimmt sind, mit einer lateinischen Uebersezung versehen sein müssen. In der Praxis werden solche Fälle nur selten vorkommen, und es dürfte nicht schwer sein, sei es auf der Bundeskanzlei, sei es auf der schweizerischen Gesandschaft in Wien, mit Benuzung von Formularien, welche zum voraus festgestellt sind, die lateinische Uebersezung der seltenen Auszüge anfertigen zu lassen, welche nach dem in Rede stehenden Art. 8 nach Ungarn gesandt werden müssen.

Was die Art und Weise der Uebermittlung der Auszüge ausden Zivilstandsregistern betrifft, so haben die Bevollmächtigten vereinbart, daß dieselbe, wie man es heute damit zu halten pflegt, von Staat zu Staat durch die betreffenden Kanzleien stattfinden soll.

Dieser Artikel berührt jedoch eine Kompetenzfrage, welche eine nähere Prüfung verdient.

Ist die Eidgenossenschaft kompetent, eine solche Verpflichtung einzugehen, ohne hierzu von den Kantonen ausdrüklich ermächtigt zu sein? Der Bundesrath bejaht diese Frage entschieden. Nachdem die Verhältnisse betreffend Führung der Zivilstandsregister durch Art. 52 der Bundesverfassung von 1874 in die Bundcskompetenz gelegt worden sind, hat die Bundesversammlung das unbestreitbare Recht, vorzuschreiben, wie die Auszüge aus den Zivilstandsakten gefertigt werden sollen, wem sie zuzustellen und ob sie unentgeltlich oder gegen eiue Gebühr zu verabfolgen sind.

Sie ist demnach auch berechtigt, zu verfügen, daß, mit Vorbehalt; der Gegenseitigkeit, alle Auszüge aus Zivilstandsakten, betreffend diejenigen Angehörigen von Oesterreich-Ungarn, welche in der Schweiz sich aufhalten,/ ihren Heimatbehörden unentgeltlich zugeieriimt werO O ~ den müssen. Wenn die Bundesversammlung diese Ansicht (heilt, so wird sie in Bezug auf den unentgeltlichen Austausch von Zivilstandsakten mit Oesterreieh eine Maßnahme treffen, welche zwar durch das Bundesgesez über Zivilstand und Ehe vom 24. Dezember 1874 nicht vorgeschrieben ist, die aber doch unbedingt in der Kompetenz der eidgenössischen Behörden liegt.

Der Art. 9 sezt eine zehnjährige Vertragsdauer fest. Um einem von der Bundesversammlung unterm 1. Juli 1875
beschlossenen Postulate Genüge zu leisten, wurde stipulirt, daß erst vier Wochen nach dem Tag'è, an welchem die Ratifikationsurkunden des Vertrages werden ausgetauscht sein, derselbe in Kraft treten und die zehnjährige Vertragsdauer zu laufen beginnen wird, so daß dem Inkraft-

1155 treten in jedem Falle eine gehörige Veröffentlichung und Promulgation vorausgehen wird.

Das Uebrige des Art. 9, sowie der Art. 10 geben zu keiner Bemerkung Veranlaßung.

Der Bundesrath hat die Ehre, Ihnen, Tit., die Ratifikation des am 7. Dezember 1875 mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Vertrags, und demnach die Annahme des nachfolgenden Beschlußentwurfs zu beantragen, wobei er gleichzeitig den Anlaß benuzt, Sie, Tit., seiner vollkommensten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 8. Dezember 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Genehmigung des Vertrags mit Oesterreich-Ungarn über Niederlassung, Befreiung vom Militärdienste und Besteuerung der beiderseitigen Staatsangehörigen.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des am 7. Dezember 1875 zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Vertrags ; sowie der bezüglichen Botschaft des Bundesrathes vom 8. Dezember 1875, beschließt: Art. 1. Der genannte Vertrag vom 7. Dezember 1875 wird seinem ganzen Inhalte nach ratifizirt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit dem Austausche der Ratifikationen, mit der Promulgation und der Inkraftsezung des Vertraga beauftragt.

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Vertrag zwischen

der österreichisch-ungarischen Monarchie und der Schweiz zur Regelung der Niederlassungsverhältnisse, Befreiung vom Militärdienste und den Militärsteurn, gleichmässige Besteuerung der beiderseitigen Staatsangehörigen, gegenseitige unentgeltliche Verpflegung in Krankheits- und Unglüksfällen und gegenseitige kostenfreie Mittheilung von amtlichen Auszügen aus den Geburts-, Trauungsund Sterberegistern.

Die Schweizerische Eidgenossenschaft einerseits, und Seine Majestät der Kaiser von Gestenreich etc. und Apostolischer König von Ungarn andererseits, haben für gut befunden, einen Vertrag, giltig für die S c h w e i z einerseits, und für die ö s t e r r e i c h i s c h u n g a r i s c h e M o n a r c h i e andererseits, zur Regelung der Niederlassungsverhältnisse, Befreiung vom Militärdienste und den Militärsteuern, gleichmäßiger Besteuerung der beiderseitigen Staatsangehörigen in dem Gebiete des anderen vertragenden Theils, gegenseitige unentgeltliche Verpflegung der mittellosen, erkrankten oder verunglükten Staatsangehörigen und gegenseitige kostenfreie Mittheilung von amtlichen Auszügen aus den Geburts-, Trauungsund Sterberegistern, abzuschließen, und haben zu ihrem Bevollmächtigten ernannt :

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Abschluss eines Vertrags mit Oesterreich-Ungarn über Niederlassung u. s. w. (Vom 8. Dezember 1875.)

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1875

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57

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24.12.1875

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