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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Hamburg (Hr. Robert L. Siordet aus Genf) über das Jahr 1874.

(Vom 12. Mai, eingegangen den 20. Mai 1875.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Der allgemeine Zustand des Jahres 1874, insoweit es den hamburgischen Handel betrifft, läßt sich nicht treffender klarlegen, als durch die Worte, mit denen der von der Hamburger Handelskammer herausgegebene Bericht über das Jahr 1874 beginnt : ,,Die Berichte über den Gang der Geschäfte und Preise in den einzelnen Hauptartikeln des hamburgischen Marktes im Jahre 1874 ergeben in ihrer Gesammtheit ein wenig erfreuliches Bild. Soweit vor Publikation der vollständigen Statistik über die Güterbewegung dieses Jahres sich beurtheilen läßt, hat eine Abnahme der ausgetauschten Mengen stattgefunden. Weit mehr als über diesen Rückschlag im Umfange des Geschäftes hat aber der Handelsstand Grund, sich über die Geringfügigkeit seiner vorjährigen Gewinne zu beklagen. Etwas weniger Umsätze, bei sehr viel weniger Reinertrag charakterisiren die Berichtsperiode."

Dieses Resultat, welches ein entschieden beklagenswertes ist, ist aber in keiner Weise überraschend: denn es mußte jedem Einsichtigen von vornherein klar sein, daß, nachdem in den Jahren 1871 -- 1873 (wenigstens bis zum ,,Krach") durch eine Ueberproduktion und eine Ueberspekulation der ganze Verkehr zu einer unnatürlichen schwindelnden Höhe hinaufgeschraubt war,i dieser O

341 Exaltation eine um so gewaltigere Reaktion, eine völlige Erschlaffung der überspannten Verkehrsnerven nothwendig folgen mußte.

Es ist dieses Resultat ja auch keineswegs eine bloß auf Hamburg beschränkte Erscheinung; sondern man findet sie in mehr oder minder großem Maßstabe in allen Ländern und an allen Plätzen, und es muß vielmehr als ein Zeichen der alten bewährten hamburgischen Solidität gelten, daß im Allgemeinen trotz alledem der hamburgische Handel der ungünstigen Konjunktur einen energischen Widerstand entgegensetzte, und daß die Kreditverhältnisse am hiesigen Platze keine tiefer gehende Störung erlitten haben.

Wenn auch die Zahl der Fallimente, welche im letzten Jahre stattgefunden haben, eine sehr große ist, so sind hierunter doch von bedeutenden Finnen und überhaupt größeren Kaufleuten nur sehr wenige, während sich die große Mehrzahl aus kleinen Detaillisten zusammensetzt, bei denen sehr oft die übertrieben hohe Miethe, also ein gänzlich außerhalb den Handelskonjunkturen liegendes Moment, den Hauptgrund der Zahlungseinstellung bildet.

Das Geld, welches im Jahr 1873 außerordentlichen Schwankungen von 3 zu 6 l /2 °/o unterworfen war, war im Jahre 1874 billiger und stabiler; es begann mit 4--5 %, fiel dann auf 3--4 %, bei welchem Kurse es ziemlich lange blieb ; dann stieg es im Oktober rasch und schloß mit dem Kurse 4--6 % im Dezember.

Die S t i m m u n g der B ö r s e war durchweg eine flaue und geschäftslose; einen eklatanten Beleg für diese Abnahme der Geschäfte bildet auch der Umstand, daß seit einer Reihe von Jahren nie so wenig Streitgegenstände beim Handelsgericht angebracht worden sind. Man darf hierin einen vollkommen untrüglichen Thermometer für das Fallen der Geschäfte überhaupt sehen, denn, wenn stets von allen Geschäften nur ein gewisser, sich ziemlich gleich bleibender Prozentsatz streitig wird, so läßt sich aus der Abnahme der Prozesse ein ziemlich genauer Schluß auf die Abnahme der Geschäfte ziehen.

Der G e s u n d h e i t s z u s t a n d d e r S t a d t war im Allgemeinen ein guter ; jedoch wurde ein Theil der Stadt, die sogenannte Uhlenhorst, in Folge des ungewöhnlich trockenen Sommers und des dadurch erfolgten Sinkens des sogenannten Grundwassers, in Verbindung mit der daselbst noch recht mangelhaften Einrichtung der Beseitigung des Kloakenunraths, von einer
heftigen Typhusepidemie heimgesucht, welche sich glücklicherweise ziemlich auf jenen Stadttheil lokalisirte. Durch Anlegung eines großartigen Sielbaues, welcher das Kloaken- und Abtrittsystem der ganzen Uhlenhorst in sich aufnimmt und in einem halbstündigen Tunnel

342 unter der Stadt hindurch in die Elbe fuhrt, ist ein bedeutender Schritt zur Abwehr der Wiederkehr derartiger Epidemien gethaii.

Was die M o r a l s t a t i s t i k Hamburgs im verflossenen Jahre anlangt, so muß leider berichtet werden, daß hier, wie überall, die Rohheit und Verwilderung in entsetzlicher Weise zugenommen hat; die Strafgerichte haben vollauf zu thun und die Gefängnisse sind überfüllt.

Die W o h n u n g s n o t h war in nichts gegen frühere Jahre gemildert; jedoch gelang es in höherem Grade für die Obdachlosen ein Unterkommen zu finden, so daß die Baracken, welche im letzten Jahre einer großen Anzahl Familien hatten als Wohnung dienen müssen, in diesem Jahre ganz oder doch fast ganz geleert werden konnten.

Die Preise der L e b e n s m i t t e l und aller anderen Lebensbedürfnisse gingen auch in Hamburg, wie überall, fort und fort in die Höhe; so daß es ein höchst segensreicher Beschluß der gesetzgebenden Gewalt war, daß die Gehalte sännntlicher Angestellten des hamburgischen Staates um 20 °/o erhöht wurden.

Die auf 1. Januar 1875 angekündigte Einführung der n e u e n R e i c h s w ä h r u n g bewirkte schon vielfach eine Angewöhnung des Rechnens mit der neuen Münze; das alte Geld verschwand immer mehr aus dem Verkehr, es wurde von den Staatskassen eingezogen und unentgeltlich gegen Reichsgeld umgewechselt. Die Errichtung einer eigenen Münze in Hamburg wird zur Erleichterung des Ueberganges wesentlich beitragen.

Die Q u a i a n l a g e n H a m b u r g s , welche sich von Jahr zu Jahr mehr ausbreiten, haben im vorigen Jahr durch die Eröffnung des großen Quaispeichers einen gewissen Abschluß erhalten. In diesem Speicher können Waaren aller Art gelagert werden unii erhalten die Deponenten darüber einen Lagerschein. Dieser Schein ist ein, allerdings ohne Garantie, übertragbares Papier und berechtigt der Besitz desselben zur Entgegennahme der Waare; es iht hierdurch also eine große Erleichterung im Waarenverkehr eingetreten, hauptsächlich in der Beziehung, daß vielfach auf diese Lagerscheine Vorschüsse gegeben oder dieselben verpfändet werden.

Die Quaianlagen wurden übrigens im Jahre 1873 (für 1874 fehlen die genauen Daten noch) von 1279 Schiffen benutzt, welche sämmtlich (bis auf 7) Dampfschiffe waren.

Die h a m b u r g i s c h e G e s e t z g e b u n g hat dem Waarenhandel durch gänzliche Aufhebung des Waarenzolles im Jahre 1874 eine bedeutende Erleichterung zu Theil werden lassen, dagegen

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war die eingetretene Erhöhung der Gütertarife auf Eiseubahuen eine schwere neue Belastung.

Die S c h i f f a h r t war durch Eis nur wenig behindert; im Anfang des Jahres war allerdings Frostwetter, welches jedoch nicht einmal Segelschiffen sehr hinderlich war. Gegen Ende des Jahres trat scharfer Frost ein, welcher die Segelsehiffahrt zum Stillstand brachte, und in den letzten Tagen des Jahres gelang es nur noch großen Dampfschiffen, sich die Passage zu erzwingen.

Große erfolgreiche Thätigkeit entfaltete hierbei ein von einem Privat verein bedeutender Firmen- hergestellter und unterhaltener Eisbrecher, ein kleiner sehr solid gebauter Dampfer, welcher durch eifriges Hin- und Herfahren die Rinne offen hielt.

Die Zahlen über die E i n f u h r und A u s f u h r des Jahres 1874 sind noch nicht bekannt, und können wir daher nur die im vorjährigen Bericht noch nicht angegebenen Daten über das Jahr 1873 hier nachholen.

Die E i n fu h r betrug im Ganzen 68,641,138 Nettozentner, exklusive 12,593 Zentner Kontanten, mit einem Gesammtwerthe von l 714,407,140 Mark (exklusive 229,660,000 Mark Kontanten) gegen 73,087,103 Zentner und 2,020,222,875 Mark im Jahre 1872.

Hievon waren 40,875,136 Zentner im Werthe von 1,002,345,640 Mark seewärts, theils direkt, theils über Altona eingegangen, während 27,766,002 Zentner im Werthe von 712,061,500 Mark landwärts resp. flußwärts einkamen.

Die A u s f u h r betrug, soweit sich dieselbe nachweisen läßt, dagegen im Jahre 1873 circa 34,000,000 Zentner im Werthe von circa 1,281,000,000 Mark, exklusive Kontanten im Werthe von circa 85,000,000 Mark. Diese Zahlen umfassen übrigens bei weitem nicht die gesammte Ausfuhr, indem alles dasjenige, was über Altona seewärts oder per Bahn, oder was landwärts auf andere Weise als per Bahn oder Flußschiff exportirt worden ist, nicht kontrolirt werden kann und daher absolut nicht zu ermitteln ist. Vom Jahre 1874 ist bisher nur die Waarenausfuhr seewärts bekannt geworden ; dieselbe beträgt 12,771,638 Zentner gegen 14,200,651 Zentner in 1873, also circa !1/2 Million Zentner weniger, ein Ausfall, der sich hauptsächlich daraus erklärt, daß die Ausfuhr von Gerste und Kartoffeln nach Großbritannien im Jahre 1874 nahezu aufgehört hat.

Den h a m b u r g i s c h e n W e c h s e l v e r k e h r anlangend, sind im Jahre 1873 an Wechselstempelmarken
in Hamburg verkauft worden 296,883 Thlr.; im Jahre 1874 dagegen 270,285 Thlr.

Interessant ist hierbei die Beobachtung, daß, während also in Hamburg die Wechselstempel-Einnahme sich um 26,598 Thlr. oder

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circa 9 °/o vermindert hat, in Berlin dieselbe sich um 125,091 Thlr.

oder circa 32 °/o vermindert hat, indem dort das Jahr 1873" 395,523 Thlr., das Jahr 1874 dagegen nur 270,432 .Thlr. aufzuweisen hat.

Baumwolle.

Das Geschäft verlief ruhig und gingen die Preise konstant langsam zurück, selbst noch gegen die niedrigen Preise des Vorjahres. Der Grund hiefür ist außer der allgemeinen flauen Geschäftslage und dem schlechten Gange des Manufakturwaarengeschäfts besonders in dem guten Ernteertrag der letzten Jahre in den Vereinigten Staaten und Ostindien zu suchen.

Zum ersten Male kamen in 1874 größere Sendungen PeruBaumwolle hier auf den Markt, welche besonders gute Chancen hier hat.

Die Zufuhren hatten gegen 1873 eine Zunahme, welche jedoch ausschließlich dem Transitverkehr zuzuschreiben ist, indem der Umsatz am Platze hinter dem Vorjahre zurückgeblieben ist.

Im Ganzen wurden hier 70,427 Packen umgesetzt, wovon ultimo Dezember noch 12,500 in Vorrath waren.

Cacao.

Die Preise gingen bei sämmtlichen Sorten erheblich zurück, obwohl die Gesammtzufuhr, 40,840 Säcke, weit hinter dem Vorjahr, 53,892 Säcke, zurückblieb. Von der Gesammtzufuhr waren circa 27,000 Säcke Guyaquil.

Kaffe.

Wie im Jahre 1873, so war auch in 1874 das Geschäft ein durchaus unstetes zu nennen; steigende und'fallende Konjunkturen folgten rasch auf einander, so daß die Preise oft kaum Wochen sich stabil erhielten.

Der Hauptgrund für diese überraschende Thatsache ist die Errichtung der direkten Telegraphenliuie mit Brasilien; die wöchentlichen Depeschen, welche von Santos und Rio einliefen, hielten und halten den Markt in fortwährender Aufregung und bringen eine Unstätigkeit hervor, wie wir sie wohl im Fondshandel, nicht aber im Kaffeegeschäft kannten. Man wird sich aber an diese neue Art und Weise des Geschäftes gewöhnen müssen und ein Operationssystem annehmen, welches sich den. neuen Verhältnissen besser anschließt.

345 Die Auflösung des holländischen Konsortiums, welches so bedeutungsvoll im Jahre 1873 war, erfolgte zwar am Schlüsse desselben; es bildete sich jedoch bald eine neue Gesellschaft, welche in jeder Weise in die Fußstapfen jener alten trat. Die großen holländischen Auktionen waren stets von entscheidendem Einfluß auf dem hiesigen Markt und in Folge derselben waren stets bedeutende Werthveränderungen eintretend.

Ein für das hiesige Geschäft wichtiger Umstand ist auch der, daß durch die jetzigen regelmäßigen Fahrten unserer großen Dampfer plötzlich und unavisirt Quantitäten anlangen, wie sie sonst nur von 6--8 Segelschiffen und dann monatelang vorher gemeldet, gebracht wurden. Irn Jahre 1873 brachten Segler und Dampfer eine beinahe gleiche Quantität Säcke; im Jahre 1874 dagegen Dampfer 373,576 Säcke, Segler nur 172,524 Säcke.

Die Preise gingen im Anfang des Jahres wesentlich in die Höhe, da sich eine felsenfeste Hausse gebildet hatte; im Februar jedoch schon kam der Umschlag, die Preise gingen langsam zurück, stiegen dann wieder und fielen hierauf in Folge der holländischen Auktion plötzlich wieder stark. Als ein großes Glück müssen wir es betrachten, daß unser Geschäft diesen furchtbaren Rückschlag ohne dauernden Schaden und ohne daß eine einzige Zahlungseinstellung in dieser Branche zu notiren wäre, ausgehalten hat.

Im April und Mai stiegen dann die Preise und blieben fest. Die Aussichten für das laufende Jahr 1875 sind aller Wahrscheinlichkeit nach gut, da sich muthmaßlich ein lebhaftes Bedarfsgeschäft einstellen wird und die Lager hier nur sehr mäßig versorgt sind.

Die Gesammteinfuhr im Jahr 1874 hat die bisher noch nie dagewesene Höhe von 1343/io Millionen Pfund erreicht gegen 122 Millionen Pfund in 1873 und 1078/io Millionen Pfund in 1872.

Hiervon fallen auf Santos 408/io, auf Rio und Bahia 27*/m, auf Laguayra 13 Millionen und auf Domingo 8*/2 Millionen. Das Kaffeelager ultimo December betrug 18 Millionen Pfund, wovon allein auf Rio 12 Millionen Pfund, und auf Santos 2*/2 Millionen kommen.

Die Preise vom guten ordinären Domingo, der im Jahre 1874 besonders schlecht erlesen und oft mit Steinen vermengt war, begannen im Januar mit 114, fielen dann auf 86 im März und 79 im Mai und hoben sich langsam bis 85, womit sie ultimo Dezember schlössen. Der reelle ordinäre Brasilische Kaffee begann
gleichfalls mit 114, fiel dann im März auf 86, hielt sich länger auf 80, bis er Ende des Jahres mit 77 schloß.

Ein erfreuliches Zeichen, daß sich Deutschland von England emanzipirt, liegt in der Thatsache, daß durch die Errichtung der

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Deutsch- Brasilianischen Bank schon 1873 Mark 8,300,000 direkt auf Hamburg gezogen sind gegen Mark 3,600,000 im Jahr 1872, obwohl noch immer die älteren Rio Häuser ungern die Ordres mit direkter Tratte auf Hamburg vollziehen. Für 1874 ist jedenfalls der Betrag noch ein weit größerer, jedoch bis jetzt noch nicht ermittelt.

F a r b h ö l z e r.

Wenn auch der Umsaz ein mäßiger war, ist doch in Anbetracht der Verhältnisse, besonders der starken Lager aus früheren Jahren her, das Jahr 1874 ein gutes zu nennen. Die Preise haben sich höher gestellt, und sind die Zufuhren prompt abgesezt worden.

Getreide.

Der Verbrauch Deutschlands an dem selbst prodnzirten Getreide ist in den lezten Jahren so enorm gestiegen, daß an einen bedeutenden Export, früher gerade die Größe unseres Getreidegeschäftes, nicht mehr zu denken ist, selbst bei guten Ernten. Es laborirte daher das Geschäft im Anfang des Jahres noch an den Folgen der schlechten 1873er Ernte; die Preise waren sehr hoch und inusste viel importirt werden. Durch die neue brillante Ernte trat dann ein ruinöser Fall der Preise ein , jedoch ohne Export zu bringen.

Am Ende des Jahres standen die Preise für Weizen und Roggen billig; doch meint man, daß ersterer noch fallen, lezterer dagegen etwas steigen werde.

Häute.

In den meisten Branchen sind keine großen Schwankungen zu notiren. Besonders haben sich bei überseeischen Wildhäuten, deren Importzahl etwas gegen 1873 zurükblieb, die Schlußpreise jenes Jahres ungefähr behauptet.

Oel.

In Rübsamenöl und Leinöl gingen die Preise bedeutend zurük, besonders in Folge der überreichen 1873er Ernte; die Preise für ersteres stehen so niedrig, wie seit 10 Jahren es nie der Fall war.

Cocusöl hatte steigende Tendenz und schloß mit höheren Preisen als 1873. Olivenöl war im Allgemeinen flau; Mitte des Jahres wurde die Haltung fester, doch fielen die Preise wieder in Folge der brillanten Ernte 1874 in Italien.

Petroleum.

Durch die bedeutenden Lager des Jahres 1873 und die große Zufuhr im ersten Halbjahr 1874 wurden sämmtliche Lagerräume so

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überfüllt, daß viel Waare im Freien gelagert werden musste. Da außerdem die Fässer oft schlecht gearbeitet sind , so trat oft sehr starke Leccage ein. Durch al ll dieses gingen die Preise ruinös zurük und erst Ende des Jahres hat die vermehrte Nachfrage und der verminderte Import dieselben wieder steigen lassen. Die Vermehrung des Konsums gegen das Vorjahr, welche 1873 gegen 1872 fast 40% betrug, betruinn 1874 gegen 1873 nur 3--4 °/o.

Reis.

Unser Markt mußte im Allgemeinen sich der Stimmung der englischen Märkte anschliessen, wenngleich man sich hier passiver verhielt, und die Schwankungen nicht so bedeutend waren wie dort. Die in Folge der Mißernte und der Hungersnoth in Ostindien eingetretene Haussespekulation steigerte die Preise sehr, welche naturgemäß mit der Ankunft beruhigenderer Nachrichten und der Ankunft bedeutender Importe stark fielen. Rangoon stieg bis 12,75 M., ging dann aber bis auf 9 M. zurük, womit es schloß. Der Absaz in geschälter Waare war troz aller Geschäftsflaue nicht schlecht zu nennen.

Der Gesammtkonsum von Reis betrug circa 62 Millionen Pfund gegen 51 Millionen Pfund in 1873; der Lagerbestand war ultimo 1874 circa 215,000 Sake gegen 184,000 im Jahr 1873.

S p i r i t u o s e n.

Das Geschäft in rohem Kartoffelspiritus war ein ziemlich bedeutendes und wurden manche gute Resultate erzielt. Die Preise schwankten zwischen 43,25 M. und 58,50 M.; Dezember schloß mit 49 M.

Tabak.

Das Geschäft hatte freilich keine hervorragenden Resultate, war aber in den ersten Monaten ein sehr reges; Mitte des Jahres wurde eine hohe Preissteigerung erwartet, dieselbe blieb jedoch aus und sanken die Geschäfte derart, daß im Dezember gänzliche Stille herrschte. Da aber die geminderte Produktion, der sehr geringe Lagervorrath und das endlich nothwendige Hervorbrechen des lange zurükgedrängten Bedarfs für dieses Jahr ein sehr lebhaftes Geschäft versprechen, so gehen wir mit guter Hoffnung dem Jahre 1875 entgegen.

T h e e.

Die Einfuhr, welche in 1873 44,723 Kisten betrug, belief sich 1874 nur auf 33,304. Dagegen war der Absalz bedeutend, so daß der Vorrath am Ende des Jahres um die Hälfte geringer ist Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd. III.

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als im Beginn. Es hätten in der letzten Hälfte des Jahres große Geschäfte gemacht werden können; es mußten aber die Aufträge unausgeführt bleiben, da kein genügender Vorrath und keine Auswahl vorhanden war.

Zucker.

Da überall große Vorräthe vorhanden, war der Geschäftsgang schleppend und die Preise niedrig ; im Herbste hoben sie sich etwas, ohne jedoch diese Steigung fest behaupten zu können. Der Vorrath nahm jedoch bedeutend ab und betrug ultimo Dezember l1/* Millionen Pfund gegen 73/* Millionen ultimo 1873.

Verkehrswege.

Als das wichtigste Ereigniß auf dem Gebiete der hamburgischen E i s e n b a h n e n ist die im Mai erfolgte Eröffnung der sog.

Pariser Bahn zu notiren; es ist hierdurch jetzt eine direkte Verbindung der beiden Städte Bremen und Hamburg bewirkt, und eine weitergehende direkte Verbindung zwischen Hamburg und Paris, in fast schnurgerader Linie. Die schon im Jahre 1873 erfolgte Eröffnung der zu dieser Bahn gehörigen großen Eisenbahn-Elbbrücke hat einem lange schmerzlich gefühlten Bedürfniß abgeholfen.

Die Idee einer großen Hafenanlage in Cuxhafen und einer dorthin zu leitenden Eisenbahn scheint vorläufig zu ruhen, indem es unmöglich ist, die nöthigen Geldmittel zu beschaffen, obgleich ab Seiten Preußens eine Staatssubvention in Aussicht gestellt ist.

Die Eisenbahnen haben im Allgemeinen im verflossenen Jahre gute Geschäfte gemacht.

Das gerade Gegentheil ist leider von unseren großen Dampfs c h i f f f a h r t s - G e s e l l s c h a f t e n zu melden. Im vorigen Jahresberichte erzählten wir von der Errichtung einer zweiten großen Nordamerikanischen Dampferlinie, der sog. Adlerlinie ; die Schiffe waren prachtvoll eingerichtet, erwiesen sich jedoch nicht so gut als man erwartete; dieselben machten nur Verlustreisen und die Aktien sanken stark.

Wenn im Allgemeinen auch wohl unser Platz zwei Nordamerikanische Dampferlinien hätte halten können, so trafen doch gerade 1874 mehrere Umstände zusammen, um solche Konkurrenz unmöglich zu machen. Zunächst war es die von England angefangene enorme Herabsetzung der Passagepreise, der sich hier zuerst die eine, darauf nothwendiger Weise auch die andere Linie anschloß, und damit gleichzeitig zusammen trat die bedeutende Verminderung der Auswanderung ein, hervorgerufen durch die wahrhaft trostlosen Berichte über die Lage und Aussichten der

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Auswanderer in Amerika, besonders in Brasilien. Aus letzterem Grunde erklärt sich hauptsächlich der Umstand, daß die alte Hamburg - Amerikanische Paket - Dampfschiffahrts - Gesellschaft im letzten Jahre nur 34,666 Passagiere gegen 50,908 in 1873 beförderte.

Die verminderte Passage, verbunden mit den niedrigeren Preisen und der großen Konkurrenz bewirkte das betrübende Resultat, daß die alte Paketlinie, welche sonst stets hohe Dividenden geliefert, im Jahre 1874 mit einer Unterbilanz von 1,851,710 Mark abschloß, während die Konkurrenzlinie einen Verlust von 5,282,896 M.

zu tragen hatte.

Die Einsicht, daß der bisherige Zustand unerträglich sei, hat zu eingehenden \rerhandlungen zwischen den beiden Gesellschaften geführt, um eine Verschmelzung oder irgend eine Einigung herbeizuführen; am Ende 1874 schwebten dieselben noch.

Die hamburgische Rhederei bestand ultimo 1874 aus 445 Schiffen, von zusammen 217,044 Tons.

In den hamburgischen Hafen eingelaufen sind im Jahre 1874 5178 Seeschiffe von circa, 2,099,200 Tonnen. Hiervon kamen von transatlantischen Plätzen 727 von circa 476,000 Tonnen und befanden sich in der genannten Zahl 2668 Dampfschiffe von circa 1,611,000 Tonnen.

Das Verhältniß der abgegangenen und eingelaufenen Seeschiffe in den letzten 5 Jahren stellt sich wie folgt : Angekommen Abgegangen

1870 1871 1872 1873 1874

4144 5439 5913 5270 5178

4Ì01 5457 5872 5363 5103

Unter den im Jahr 1874 abgegangenen Seeschiffen von zusammen circa 2,130,600 Tonnen befanden sich 2664 Dampfer von circa 1,608,600 Tonnen und gingen 681 Schiffe von circa 446,000 Tonnen nach transatlantischen Plätzen.

Banken.

Unsere großen solid fundirten Privatbanken haben auch im Jahre 1874 trotz des allgemeinen schlechten Geschäftsganges gute Geschäfte gemacht, und wenn natürlich auch sie unftr der Ungunst der Zeiten zu leiden gehabt haben, so haben sie doch fast alle eine nicht unerhebliche Dividende vertheilt; so die Norddeutsche

350 Bank, welche sich ein prachtvolles neues Bankgebäude erbaut hat, 10 °/,., die Vereinsbank 11'/s °/o und die internationale Bank 7'/s °/0) die Kommerzbank unter Abschreibung ihrer vorjährigen Verluste 373 °/o. Dagegen haben von den jüngeren Bankinstituten, welche ein ergiebiges Feld für ihre Thätigkeit nicht finden konnten, der Bankverein und die Mäklervereinsbank, dem Beispiel mehrerer anderer ihnen schon vorangegangenen Institute folgend, ihre Liquidation beschlossen. Im Gegensatz hat die vor l1/« Jahren entstandene Deutsch-Brasilianische Bank eine steigende Entwicklung und eine Jahresdividende von ll1/7 °/° anzuweisen.

Bedeutendes Aufsehen machten die Verhandlungen, welche über die Anglo-Deutsche Bank gepflogen wurden. Die ungeheure Eutwerthung der Aktien veranlagte die Generalversammlung vom 21. April 1874, eine Kommission einzusetzen, welche die Ges1 häftsführung des Jahres 1873 genau prüfen und ebenfalls die Lebensfähigkeit des ganzen Unternehmens begutachten sollte. Der sehr eingehende Bericht dieser Kommission, welcher im Dezember bekannt gemacht wurde, gelangt zu dem Resultat, daß der schlechte Zustand der Bank hauptsächlich darin seinen Grund habe, daß man sich nicht auf reine Bankgeschäfte beschränkt, sondern in Gemäßheit der Statuten ,,Erwerbsunternehmungen aller Art" unterstützt habe. Es wurde daher Décharge für den Verwaltungsrath, Fortbestehen des Institutes und Herabsetzung des Grundkapitals auf 2 /s beantragt. Diese Vorschläge wurden mit großer Majorität acceptirt.

Die alte Hamburger Bank hatte am 1. Januar einen Einlagenbestand von M. 17,580,872; derselbe stieg bis auf M. 25,593,915 am 21. März, fiel dann bedeutend, so daß am 24. Dezember der niedrigste Stand von M. 14,402,336 uotirt wurde, und schloß ultimo Dezember 1874 mit M. 15,220,576.

Assekuranzen.

Die Berichte über 1874 liegen noch nicht vor. Im Jahre 1873 erreichte das Seeassekuranzgeschäft nicht ganz die Ausdehnung von 1872; versichert, wurde 1873 für 1,802,568,100 M.

gegen 2,056,335,240 M. in 1872; die Durchschnittsprämie war 1,01 gegen 0,93 in 1872.

Auswanderung.

<*>

In der Auswanderung stellt sieh, wie schon oben bemerkt und in seinen Gründen beleuchtet worden, für 1874 eine erhebliche Verminderung heraus. Gegen 68,849 Personen in 1873 wurden

351 1874 nur 42,952 Personen befördert; davon 30,152 direkt und 12,800 indirekt.

Unter den im Jahre 1873 beförderten Auswanderern befanden sich 562 Schweizer (365 Männer und 197 Frauen), von ihnen gingen 408 nach Nordamerika, 138 nach Australien, 14 nach Brasilien und je l nach Chili und Argentina.

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Bericht des

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Schweiz. Vizekonsuls in Oran (Hrn. J. Höhn von Horgen, Kts. Zürich) über das Jahr 1874.

(Vom 17. Mai 1875.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit.!

Dieses Jahr war der Provinz Oran wenig günstig in Bezug auf den Ackerbau und im Zusammenhange damit auch auf den Handel.

Die Getreideernte war mittelmäßig. Starke Windstöße im Frühjahr haben der stehenden Erndte stark geschadet und ebenso hat auch der Rebstand ein wenig darunter gelitten.

Bei Beginn der Campagne, während der Monate Juni und Juli, erreichte das Korn hohe Preise und die Ausfuhr war sehr lebhaft, aber das beständige Sinken der Preise auf den europäischen Märkten brachte die Ausfuhr zum Stillstand. Gerste und Hartkorn fanden lohnenden Absaz nach den südlichen Provinzen von Spanien, welche fortfahren, sich in unsern Häfen zu verproviantiren.

Die Weinlese war quantitativ geringer als die vorjährige und die Preise haben namhaft nachgelassen. Die guten Weine wurden im Durchschnitt mit 20 bis 25 Fr. per Hektoliter, beim Rebbesitzer genommen, verkauft. Der Weinbau nimmt von Jahr zu Jahr zu.

Bald wird nicht mehr von Baumwolle die Rede sein, es wird dieser Kulturzweig von unsern Kolonisten nach und nach verlassen

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Bericht des Schweiz. Konsuls in Hamburg (Hr. Robert L. Siordet aus Genf) über das Jahr 1874. (Vom 12. Mai, eingegangen den 20. Mai 1875.)

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19.06.1875

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