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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Valparaiso (Hrn. Julius Nägeli von Borgen) über das Jahr 1874.

(Vom 3. Februar 1875, eingegangen am 17. März 1875.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit.!

Der Handel liegt immer noch darnieder und bedaure ich, mich in meinem vorigen Berichte bezüglich der Hoffnung auf baldige Besserung getäuscht zu haben. Derselbe ist heute ohne allen Zweifel reduzirter als vor einem Jahr und angesichts des Erlebten darf man kaum auf eine baldige Besserung hoffen.

Die Fallimente sind zahlreich.

In Santiago und Valparaiso gehen die Konkurs-Angelegenheiten in Folge guter Richter schnell vorwärts, hingegen auf dem Lande lassen diese noch viel zu wünschen übrig und die Resultate sind in Folge der sehr großen Kosten oft sehr schlecht. Daher kommt es zuweilen vor, daß die Kreditoren mit den Schuldnern außergerichtliche Uebereinkommen treffen und sich so gewöhnlich besser stellen.

Geld scheint rar zu sein, weil die verschiedenen Banken nicht helfen ; trotzdem kann ich versichern, daß der Metall-Vorrath in

720 den Banken ganz befriedigend ist, was ich mit einer beifolgenden speziellen Zusammenstellung der Baarvorräthe in den Banken Ende Oktober zu beweisen wage : Banco Nacional de Chile .

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$ 4,462,069. 06 Banco de Valparaiso ,, 1,055,006. 18 Banco de A. Edwards und Komp.

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,, 853,319. 68 Banco Agricolo ,, 284,474. 55 Banco Alianzo ,, 112,515. 91 Banco Concepcion ,, 209,142. 50 Banco de Osso und Komp ,, 129,580. 67 Matte Mac Cläre und Komp.

,, 263,704. 91 Banco Mobiliarlo ,, 55,645. 10 Banco del Pobre ,, 23,192. 21 Officiell ist vom Monat December 1874 noch nichts bekannt, doch darf ich behaupten, daß der Unterschied ein ganz unbedeutender sein wird.

Eine Krisis ist wegen Nichthülfe in vollstem* Gang und seit einem Jahr haben manche Vermögen ihre Bigenthümer gewechselt.

Minen-Aktien, die alle 4 bis 6 Wochen 30, 40 und 50 § Dividenden abwarfen und wobei 1000 § einbezahlt sind, werden heute zu 550 $ à 500 $ gekauft und dabei weiß man, daß ungefähr der doppelte Werth des heutigen Preises in Metall besteht. So mnthig Einige früher hineingefahren, so zurückhaltend sind heule Andere.

Di^ Spekulationen haben so zu sagen aufgehört und leider viele ruinirt. Ebenso denkt Niemand mehr an Bildung von anonymen Gesellschaften, wo meistens sachkundige Leute zur Betreibung einer Sache oder Industrie fehlten.

Das D é f i c i t des Regierungshaushaltes erreichte dieses Jahr ungefähr eine Million $ chil., wovon ein Dritttheil dem Ausfall an Zoll zuzuschreiben ist; für die folgenden Jahre wird dasselbe noch bedeutender sein, eben weil nicht zu erwarten ist, daß neu gebaute Eisenbahnen in wenig bevölkerten Gegenden im Anfang rentiren werden. Nichtsdestoweniger sind diese Eisenbahnen nöthig und später wird es sich hinsichtlich der Rentite schon ändern. In Folge dieses Deficites denkt die Regierung bereits an die Art und Weise, wie die Einnahmen erhöht werden könnten, und seheint sie die Ländereien neu taxiren lassen zu wollen und größere Steuern zu verlangen. Man berechnet von daher eine Mehreinnahme von $ 1,200,000 zu sichern auf Gütern, die auf ca. $ 11,000,000 Pacht geschätzt sind.

Die Arbeitslöhne sind stets im Steigen begriffen, wir hatten in Valparaiso Zeiten, wo Schuster, Schneider und Aus- und. Eini

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Lader der Schiffe zu arbeiten verweigerten, bis man ihnen mehr Lohn gewährte.

Santiago und Valparaiso gehen in Folge ihrer ausgezeichneten Intendenten mit schnellen Schritten in der Entwickelung vorwärts.

Hier werden neue Zollhäuser an die Stelle der beim Bombardement 1866 abgebrannten, und eine neue Brücke zum Ein- und Ausschiffen der Waare gebaut; ferner gewann man durch Zufällen eines weniger tiefen Theils des Meeres außer einer neuen Straße noch einen freien Platz, der wohl l Million § werth ist, die Regierung jedoch nur eine halbe Million kostet. Nicht nur Valparaiso, sondern auch die Regierung findet ihre Rechnung dabei.

Die i n n e r e , wie die ä u ß e r e S t a a t s s c h u l d von Chile, hat meines Wissens keine Veränderung erlitten und wie pro i. Januar 1873 kann man sie pro Januar 1874 gleich anführen, nämlich: Innere $ 8,991,675 Aeußere ,, 26,282,000 Zusammen $ 35,273,675 Dabei darf natürlich die im Jahr 1873 in England abgeschlossene Anleihe von $ 10,700,000 nicht vergessen werden, die zum größten Theil bereits empfangen worden ist.

Einer Veröffentlichung in der Zeitung im Juni 1874 habe ich entnommen, daß die g e w ö h n l i c h e n E i n n a h m e n für 1873 betragen: $ 15,265,531. 75.

Außergewöhnliche Einnahmen $ 10,359,579.

Abzüglich einiger Unkosten betrugen die Gesa m m t - E i n n a h m e n : $ 23,890,215. 85.

Die A u s g a b e n des Rechnungs - Jahres 1873 betrugen: $17,066,391. 73; in dieser Summe sind Inbegriffen $3,249,893 für öffentliche Arbeiten, die früher beschlossen, später aber erst ausgeführt wurden.

Der G e s a m m t h a n d e l betrug 1873: $ 7 6 , 7 3 6 , 6 9 8 , $ 5,000,000 mehr als 1872.

Die früher ausgesprochene Meinung, daß Chile beinahe ebenso viel an Eisenbahnen und Gebäulichkeiten etc. besitzt, als es schuldet, wiederhole ich heute, und deßhalb kann es den Nachbar-Republiken, der Argentinischen Republik, besonders aber Bolivien und Peru ein gutes Beispiel vom Fortschritt und dem Finanzwesen geben, und da keine Revolutionen zu befürchten sind, so wird die Regierung die Einnahmen mit den Ausgaben so ziemlich in Einklang zu bringen wissen.

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Zu bemerken ist, daß außer den Zollgebühren, die ungefähr die Hälfte der Gesammt-Einnahmen ausmachen und die der fremde Handel zum größten Theil bezahlt, dieselben jedoch wieder auf die Waaren schlägt, ganz unbedeutende Steuern zu entrichten sind.

So hat z. B. ein Millionär, der kein Geschäft betreibt und sein Geld ruhig auf der Bank läßt, keine Vermögenssteuer, Schul- oder Straßensteuer zu entrichten. Hat er Häuser, so bezahlt der Miether die betreffenden Abgaben an die Regierung oder Municipalität.

Soeben vernehme ich noch, daß der Voranschlag des Budgets für 1875 folgender ist: Ministerium des Innern .

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$ 5,093,749. 96 ,, des Aeußeren und Kolonisation.

,, 252,403. -- ,, der Justiz und öffentlichen Unterrichts ,, 2,085,750. 20 ,, der Finanzen .

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,, 6,525,807. 37 ,,' des Krieges ,, 2,053,832. .02 ,, der Marine ,, 1,173,517. 50 Zusammen $ 17,185,060. 05

Erzeugnisse der Landwirthschaft, dei- Bergwerke und der Industrie.

Es darf gesagt werden, daß die Ernte, die anfangs des Jahres 1874 sehr gut zu werden versprach, schließlich etwas über mittelmäßig ausgefallen ist, weil starke Winde und Regen bedeutend geschadet haben.

Die Kupferminen im Norden haben durchgehends an Güte und Quantität verloren und ist man gezwungen, dem Ackerbau mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Industrie schreitet langsam voran ; weil alles noch neu ist, so stößt man mit allen diesen neuen Industriezweigen nur zu oft auf Schwierigkeiten. Heute fehlen die Leute, morgen die Maschinen und ein anderes Mal die Betriebsmittel.

Der Verkehr von der Küste nach Caracoles geschieht nicht, wie zu wünschen wäre, per Eisenbahn, sondern auf 2-rädrigen Wagen, die 50/60 Zentner laden können. Gegenwärtige Fracht ist hinauf $ 1. 50 und herunter i $ per Zentner, auf eine Strecke von 35 Stunden berechnet. Ich brauche nicht zu sagen, daß diese Preise den Unternehmern jeden Monat 30,000 Fr. Verlust bringen.

Wo aber Neid , anstatt Vernunft herrscht, kann es nicht besser

723 gehen. Die Lebensmittel sind jetzt in Caracoles bedeutend billiger als früher, und auch Süß-Wasser mitten in jener Wüste ist durch tiefe Brunnen erhältlich.

E i n f u h r aus der Schweiz ist nicht zu ermitteln, da unsere Schweizer-Waaren entweder als deutsche, belgische oder französische Waaren controlirt werden; dies hängt lediglich vom Einschiffungsplatz ab. Die Hauptartikel, die von der Schweiz importirt werden, sind: Bijouterien, Uhren, Seidenstoffe, Bänder, Mousseline, Jacconats, Foulards, Mouchoirs, Seidenbänder, Rideaux, Condensirte Milch, Käse, Elastiques, Schuhwaaren, Strohhüte, Kalbfelle und Waffen. Wenn ich die Gesammtsumme der Schweizer-Waaren pro Jahr auf 5 Millionen Fr. schätze, so glaube ich mich nicht stark zu irren. -- Eine bescheidene Zunahme darf doch vorausgesetzt werden, denn es versteht sich von selbst, daß die Schweizer hier, deren zwar wenige sind, den Schweizer Artikeln beim Verkauf stets den Vorzug zu geben suchen.

Die Konkurrenz wird indessen alle Jahre bedeutender und besonders für ordentliche Mousseline-Waaren, die England in Massen schickt, sogar mehr als nöthig.

A u s f u h r n a c h der S c h w e i z ist noch weniger zu ermitteln und auf jeden Fall ganz unbedeutend.

Es ist möglich, daß die A u s s t e l l u n g 1875 vom September bis Dezember die Geschäfte mit der Schweiz für späterhin vergrößern , besonders wenn die Fabrikanten sich durch rege Leute hier vertreten lassen und gute, billige Artikel ausstellen, die mit denjenigen anderer Länder konkurriren können.

Der Bau des Ausstellung-Palastes geht vorwärts und wird eine halbe Million $ kosten. Man rechnet hier auf e.inen ziemlichen Erfolg und Betheiligung der europäischen Fakrikanten, und wäre nur zu wünschen, daß bis dahin das Geld etwas abondanter würde, damit die zur Ausstellung gesandten Artikel auch leichter verkauft werden.

Veränderungen in den Ansätzen des Ein- und Ausfuhrzolltarif es.

Die Regierung beschloß im September 1874, .daß die gleichen Zölle für 1875, wie für 1874, bleiben sollen. Auch hat sie für gut gefunden, die Einfuhrzölle auf einigen Maschinen für Kohlenund Kupferminen aufzuheben und hat damit dem Lande jedenfalls eher Nutzen als Schaden gebracht. Es ist möglich, daß die Ausstellung verschiedene Abänderungen irn Zolltarif zu Tage fördern wird.

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Verhältnismäßig zu hohe Zölle auf Uhren und Seiden-Waaren (auf ersterö 10 und auf letztere 25 °/o) haben, wie vorausgesetzt, zu Schmuggel veranlaßt und dadurch wird dem redlichen Importeur Schaden zugefügt.

Eisenbahnen.

Hier, wie in Santiago , gibt es Pferdeeisenbahnen ; ein Platz I. Klasse kostet 5 Cents = 25 Ctms. und einer II. Klasse 2 J /2 Cents = 12^2 Ctms. Die hiesige Gesellschaft bezahlt im Jahr 24 à 30 °/o Dividende und die noch neue in Santiago kann auf die Hälfte kommen.

In Santiago werden die Eisenbahnen einer Strecke von 30 englischen Meilen gleichkommen. Durch Wiederaufbauung der Zollhäuser und der Verlängerung der Eisenbahn von der Station nach denselben werden dem Handel große Ersparnisse ermöglicht. Auch die Versicherungs-Ersparniß auf Waaren wird bedeutend sein, wenn man annimmt, daß für mehr als 20 Millionen $ Waaren in den Zollhäusern sind, die man jetzt durchschnittlich zu l3/t à 2 °/o versichert.

Was unserem ausgezeichneten Intendenten bis jetzt noch nicht gelungen ist, das ist die Lösung der sehr w i c h t i g e n W asse rfrage. --''Die Unkosten sind eben ungeheuer groß und die Wasservorräthe in diesen trockenen Gegenden klein.

Versuche vermittelst artesischer Brunnen, Süß-Wasser zu finden , sind gescheitert. Früher oder später muß Süß-Wasser für Valparaiso zur Lebensfrage werden, daher denkt man täglich daran, weiß aber nicht, wie die Frage zu lösen ist.

Z i n s und Diskonto. Beide waren das ganze Jahr hoch; die Banken bezahlten in laufender Rechnung 5'/2 °/o, auf festen Termin von l Monat 6 °/o , von 3 Monat 6 t /2 °/o und 6 Monat 7 °/o Zinsen und der Diskonto variirte je nach der Garantie, Klasse und Zeit der Dokumente von 8 bis 11 °/o. Vorschüsse haben die Banken in Conto-Courrent nur den Wenigsten gegeben. Dieser Zustand wird noch einige Zeit dauern und es ist zu wünschen, daß er sich nicht verschlimmert.

N e u e E r f i n d u n g e n . Man kann sagen, daß die meisten hiesigen Erfindungen Nachahmungen von solchen in Europa

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sind ; im Minenbau spricht man oft von Verbesserungen in Maschis nen, wofür gewöhnlich ein Privilegium genommen wird. JedePrivilegium kostet 50 $.

Die Z a h l der i n C h i l e w o h n e n d e n S c h w e i z e r rechne ich auf 130, wovon 40 in Valparaiso und 30 in Santiago und die übrigen vertheilt sind.

Meine Ansicht, daß arbeitsame und ehrliche Leute stets und leicht Arbeit finden, bestätige ich heute. Besonders Silber- und Kupfer-Minen-Ingenieure, die gute Schulen genossen, könnten hier Anspruch auf gute Bezahlung machen ; weniger sind Angestellte für Komptoir-Arbeiten gesucht. Es gibt schon viele, die vergebens Stellensuchen, besonders unter Deutschen, die in ziemlicher Anzahl mit den Deutschen Steamern anlangen.

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Bericht des

Schweiz. Konsuls in St. Louis (Hrn. C. F. Mathey von Locle) für das Jahr 1874.

(Vom 11 März 1875,

eingegangen am 31. März.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Tit. !

Es freut mich, Ihnen auch in diesem Jahre im Ganzen einen nicht ungünstigen Bericht senden zu können. Trotz der finanziellen Krisis des vorigen Jahres, an deren Folgen noch jetzt viele unserer größeren Geschäftshäuser zu leiden haben, hat sich unser Handel

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Schweiz. Konsuls in Valparaiso (Hrn. Julius Nägeli von Horgen) über das Jahr 1874. (Vom 3. Februar 1875, eingegangen am 17. März 1875.)

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22.05.1875

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