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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei.

(Vom 22. Januar 1948.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiemit den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei mit folgender Botschaft zu unterbreiten.

I. Vorgeschichte des Solidaritätsfonds.

(Der Krisenfonds der schweizerischen Schifflilohnstickerei).

Nach der eidgenössischen Berufszählung waren 1910 in der Stickerei und ihren Hilfsindustrien über 72 000 Personen tätig. Mit dieser Zahl stand die Stickereiindustrie damals unter den schweizerischen Industrien an erster Stelle, vor der Hôtellerie, der Uhrenindustrie, der Maschinenindustrie und vor allen anderen Zweigen der Textilindustrie. Im Jahre 1913 führte die Stickereiindustrie über 90 000 q im Werte von über 200 Millionen Franken aus. Die anschliessenden Kriegs- und Nachkriegsjahre brachten sogar noch weitere Erhöhungen der Exportwerte, allerdings bei wesentlich verringerten Exportmengen. In den Jahren 1919 und 1920 begegnen wir Rekordziffern der Ausfuhrwerte von über 400 Millionen Franken bei einem Exportvolumen von zwischen 50 000 bis 60 000 q. Dann kam im Jahre 1921, verursacht durch die Verarmung der Völker, die ausländischen Schutzzölle, die misslichen Zahlungs- und Währungsverhältnisse und die Ungunst der Mode der jähe Absturz. Der Ausfuhrwert an Stickereien sank von Jahr zu Jahr und erreichte 1935 den kaum glaublichen Tiefstand von noch rund 12 Millionen Franken.

Die Krise, die über die Stickereiindustrie hereingebrochen war, rief einer Reihe staatlicher Hilfsmassnahmen, die teils der Stützung dieser Industrie, teils dem Abbau ihres unter den veränderten Verhältnissen viel zu grossen Produktionsapparates dienten und die zur Hauptsache durch die 1922 gegrün-

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dete Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t durchgeführt wurden. Der Bestand an Schifflimaschinen, der 1920 noch über 5000 Stück betrug, war bis Ende 1932 auf rund 1600 Stück herabgesetzt worden. Wohl herrschte in diesem Zeitpunkte Klarheit darüber, dass auch jetzt nocht weitere Maschinen ausgeschaltet werden mussten. Doch war nunmehr eine gewisse Vorsicht am Platze, sollte die Leistungsfähigkeit der schweizerischen Stickereiindustrie nicht für alle Zukunft allzu stark beeinträchtigt werden. Zur Bettung der Schifflilohnstickerie -- sie umfasste Ende 1932 noch etwas über 500 Betriebe mit gegen 1300 Maschinen, während weitere rund 300 Maschinen auf zwei Dutzend Betriebe von Exportfirmen entfielen -- drängte sich deshalb folgende Lösung auf: Gründung und staatliche Unterstützung eines Krisenfonds, um arbeitslosen Schif flistickereifabrikanten finanziell beizustehen und ihnen so das Durchhalten zu gestatten.

Die Schaffung einer «Genossenschaft Krisenfonds der schweizerischen Schifflilohnstickerei» unter finanzieller Beteiligung des Bundes und der an der Stickereiindustrie interessierten Kantone wurde ermöglicht durch den Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1932 über die Hilfeleistung für die schweizerische Schifflilohnstickerei (A. S. 48, 833). Zweck des Krisenfonds war, im Lohn arbeitenden Besitzern oder Pächtern von Schifflimaschinen Entschädigungen für Maschinen auszurichten, die infolge Arbeitsmangels längere Zeit stillstanden.

In den Jahren 1933 bis 1939 flössen dem Fonds von Bund und Kantonen ratenweise Beiträge von insgesamt Fr. l 911 000 zu (Bund: Fr. 1500000, Kantone: Fr. 411 000); weitere Fr. 619 000 steuerten in dieser Zeitspanne die Stickereifabrikanten bei, die dem Fonds als Genossenschafter angehörten.

Eine günstige industrielle Entwicklung, die vor dem Krieg einsetzte, wurde durch diesen jäh unterbrochen, und die sich daraus ergebende starke Belastung des Fonds veranlasste Bund und Stickereikantone zu einer weiteren, auf die Jahre 1940 und 1941 beschränkten Hilfe, die im Bundesbeschluss vom 9. April 1940 über Massnahmen zugunsten des Krisenfonds der schweizerischen Schifflilohnstickerei geregelt ist (A. S. 56, 1207). Gestützt darauf bewilligten Bund und Kantone für die beiden genannten Jahre Fr. 301 000 an die Defizite des Fonds (Bund: Fr. 188000, Kantone: Fr. 113000). Ausserdem wurde der
Fonds im Jahre 1942 aus den Mitteln der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft durch einen Beitrag von Fr. 65 000 unterstützt. Insgesamt beliefen sich die Subventionen der öffentliche Hand an den Krisenfonds bis zu seiner Neuorganisation als «Solidaritätsfonds» im Jahre 1943 auf Fr. 2278000 (Bund: Fr. 1754000, Kantone: Fr. 524000) und die Beiträge der Genossenschafter auf Fr. 718000, so dass ihm während des Jahrzehnts seines Bestehens Fr. 2 996 000 zuflössen.

Anderseits erreichten die Auszahlungen des Fonds Fr. 2 692 000, wovon auf die besonders schweren drei Krisenjahre nach Gründung des Fonds allein Fr. l 666 000 entfielen.

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U. Schaffung und bisherige Entwicklung des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schiföistickerei.

Obwohl uns schon früher eine auf die Dauer berechnete finanzielle Ordnung des Krisenfonds wünschbar erschien, zwangen die ausserordentlichen Zeitumstände während des Krieges dazu, sich zunächst wiederum mit einer Übergangslösung zu begnügen. Diese mit Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1943 über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei (A. S. 59, 383) festgelegte Eegelung beruhte auf dem Gedanken einer stärker ausgebauten industriellen Selbsthilfe. Ausser Bund und Kantonen hatten bis dahin nur die Stickereifabrikanten als Bezugsberechtigte Beiträge an den Fonds geleistet. Das hauptsächliche Merkmal der Neuregelung, das dem Fonds gleichzeitig den neuen Namen gab, war nun die Mitwirkung auch der Stickereiexporteure bei der Finanzierung des Fonds (Art. 4). Diese -- freiwillig angebotene -- Beteiligung war dadurch begründet, dass die Exporteure, die selber mehrheitlich keine Maschinen besitzen, an der Erhaltung der für sie arbeitenden Stickereimaschinen der Fabrikanten wesentlich mitinteressiert sind. Als weitere wichtige Neuerung führte der Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1943 die obligatorische Unterstellung sämtlicher Schifflistickereifabrikanten unter die Vorschriften des Solidaritätsfonds ein (Art. 3), nachdem schon die Bundesbeschlüsse über den Krisenfonds vom 23. Dezember 1932 (Art. 10) und vorn 9. April 1940 (Art. 2) uns zu einer solchen Allgemeinverbindlicherklärung ermächtigt hatten. Mit dem Übergang des Krisenfonds in den Solidaritätsfonds wurde auch -- aus ähnlichen Erwägungen wie bei der als öffentlich-rechtliche Genossenschaft konstituierten Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t*) --eine Anpassung der rechtlichen Form des Fonds an das abgeänderte Obligationenrecht vorgenommen und die bisherige Genossenschaft in eine solche öffentlich-rechtlichen Charakters im Sinne von Art. 829 OE umgewandelt (Art. 1).

Die bis 31. Dezember 1944 befristete Geltungsdauer des Bundesratsbeschlusses vom 11. Mai 1943 wurde durch Bundesratsbeschluss vorn 24. November 1944 (A. S. 60, 752) um ein Jahr verlängert und hierauf in unserem Beschlüsse vom 28. Dezember 1945 (A. S. 62, 1) die gegenwärtige, bis 31. Dezember 1948 geltende Eegelung getroffen, die sich weitgehend an die vorausgehende
anlehnt. Dieser gegenüber besteht die hauptsächliche Änderung darin, dass die Leistung an ein allfälliges Defizit für die öffentliche Hand von 80% auf 662/3% und von höchstens Fr. 120 000 auf höchstens Fr. 60 000 herabgesetzt, dafür aber ein fester, zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von den Kantonen zu bestreitender Jahresbeitrag von Fr. 60 000 zugesichert wurde.

Dem Solidaritätsfonds, der den Krisenfonds am 1. Juni 1943 ablöste, haben Bund und Kantone bis zum 30. September 1947 Zuschüsse im Betrage von Fr. 234 000 bewilligt, während sich die gleichzeitigen Beiträge der Industrie an den Fonds auf Fr. l 421 000, somit auf mehr als das Sechsfache der Staat-, *) Bundesbeschluss vom 26. März 1947, A. S. 63, 827.

Bundesblatt. 100. Jahrg. Bd. I.

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614 liehen Subvention, beliefen, ein Beweis dafür, wie sehr die Selbsthilfe der unmittelbar Beteiligten im Laufe der Zeit an Bedeutung zugenommen hat. Ausbezahlt hat der Solidaritätsfonds während dieser Zeitspanne Fr. 559 000.

Krisenfonds und Solidaritätsfonds haben in ihrer Eolle als Arbeitslosenkassen für stillstehende Schifflimaschinen der Stickereiindustrie äusserst wertvolle Dienste geleistet, und es ist kaum denkbar, wie diese Industrie ohne eine derartige Hilfe die schweren Krisen vor dem zweiten Weltkrieg und nach dessen.

Ausbruch überstanden hätte. Die Entschädigung für eine plombierte Maschine beläuft sich nach der gegenwärtigen Eegelung auf Fr. 4 pro Arbeitstag, bei einer zeitlichen Beschränkung auf bestenfalls 240 Tage im Kalenderjahr (Art. 10).

Diese Leistungen genügen zwar bei weitem nicht, um einen Betrieb unabhängig von der Konjunktur die Existenz dauernd zu sichern, decken aber mehr oder weniger Verzinsung und Amortisation der nichtbeschäftigten Maschinen und bilden damit ein wesentliches Mittel, um den Betriebsinhabern das Durchhalten in Zeiten der Krise zu erleichtern. Der Solidaritätsfonds, der durch ein schönes Beispiel der Zusammenarbeit von Exporteuren und Fabrikanten 303 Betrieben mit über 600 Schifflimaschinen diesen wirtschaftlichen Eückhalt gewährt, musa im Interesse der unmittelbar Beteiligten, das gleichzeitig dem allgemeinen Interesse entspricht, erhalten bleiben. Wir haben diese Auffassung mehrfach schon ausgesprochen und die Absicht bekundet, Ihnen deshalb die Verankerung der Organisation des Solidaritätsfonds in der ordentlichen Gesetzgebung zu beantragen*). Welche künftige Eegelung soll nun der Solidaritätsfonds erhalten?

m. Die künftige Gestaltung des "Solidaritätsfonds.

1. Allgemeines und verfassungsrechtliche Grundlage.

. Es ist der Wunsch aller Beteiligten, dass an der jetzigen Gestalt des Solidaritätsfonds, die aus den besonderen, man darf sagen recht komplizierten, Verhältnissen der Stickereiindustrie heraus erwachsen ist und sich dort eingelebt hat, grundsätzlich nichts geändert werde. Dies gilt einmal mit Bezug auf die bisherige Eechtsform einer Genossenschaft des öffentlichen Eechts, die ihren Grund in dem ausserhalb der rein privaten Sphäre liegenden Charakter und der umfassenden Zwecksetzung des Fonds besitzt, der sämtliche Warenausgeber und
Warenübernehmer der Schifflistickerei zu einer Interessengemeinschaft zusammenschliesst. Dies gilt aber auch für alle weiteren Fragen, welche die Organisation betreffen, namentlich auch für das Zusammenwirken von Fabrikanten, Exporteuren und öffentlicher Hand in der Verwaltung des Fonds.

Der eingangs erwähnte dringliche Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1932 über die Hilfeleistung für die schweizerische Schifflilohnstickerei, welcher den *) Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 10. Dezember 1945

über sämtliche in Kraft stehenden Beschlüsse und Massnahmen, die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten gefasst wurden, sowie über das vorgesehene Schicksal dieser Beschlüsse. Bbl. 1945, II, 647/648.

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Krisenfonds ins Leben rief, stützte sich auf die Art. 2 und 34ter der Bundesverfassung, der ebenfalls bereits zitierte mit Eeferendumsklausel versehene Bundesbeschluss vom 9. April 1940 über Massnahmen zugunsten des Krisenfonds der schweizerischen Schifflilohnstickerei, der in erster Linie die Möglichkeit schaffen sollte, durch Gewährung von Beiträgen an die Defizite des Fonds dessen Zerfall zu verhindern, auf Art. 34ter, während die späteren Beschlüsse, welche die Schaffung und Erhaltung des Solidaritätsfonds zum Gegenstande haben, Beschlüsse des Bundesrates sind, von denen sich derjenige vom 11. Mai 1943 auf den Bundesbeschluss vom 30. August 1939 über die ausserordentlichen Vollmachten und der zur Zeit geltende vom 28. Dezember 1945 auf den Bundesboschluss vom 6. Dezember 1945 über den Abbau dieser Vollmachten stützt.

Durch die Annahme der neuen Wirtschaftsartikel ist zweifellos die Möglichkeit gegeben, den Solidaritätsfonds verfassungsmässig fester zu verankern, als dies bis dahin der Fall gewesen ist. Der Ihnen vorgelegte Beschlussentwurf stützt sich in erster Linie auf Art. 31TM», Abs. 3 und 4. Aber auch Art. 31
2. Bundesbeschluss und^Vollzug.

Der gegenwärtig geltende Bundesratsbeschluss setzt nicht nur die allgemeine Ordnung des Solidaritätsfonds fest, sondern regelt auch die Einzelheiten, die mit den Beitrags- und Entschädigungsleistungen sowie der Verwaltungsorganisation zusammenhängen. Ein solches Verfahren ist gerechtfertigt bei einer Eegelung von sehr beschränkter Geltungsdauer. Bei einer Dauerlösung ist dies dagegen nicht möglich, da sich Fragen wie die Höhe der Beiträge oder der Entschädigungen, deren Beurteilung naturgemäss dem Wechsel der Umstände unterworfen ist, nicht ein für allemal ordnen lassen. Dies, wäre insbesondere auch ganz gegen den Willen der beteiligten Stickereifabrikanten und -exporteure, die sich nicht auf unbestimmte Zeiten binden wollen.

Es war deshalb im Interesse der notwendigen
Bewegungsfreiheit und Anpassungsmöglichkeit das Gegebene, in den vorhegenden Bundesbeschluss die für den Solidaritätsfonds grundlegenden Vorschriften aufzunehmen, allea Weitere aber dem Vollzug dieses Beschlusses durch uns vorzubehalten (Art. 12).

Dabei ist vorgesehen, dass wir die Ausführungsvorschriften im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Kantonen und Verbänden sowie der Verwaltung des Solidaritätsfonds aufstellen. Es sollen also die Beteiligten, namentlich bei allen Fragen, welche die ' Organisation und die Geschäftsführung des Solidaritätsfonds sowie die Leistungen an den Fonds und dessen Gegenleistungen betreffen, wie bisher zu Eate gezogen und ihre Vorschläge bei Erlass der entsprechenden Vorschriften angemessen berücksichtigt werden. Auch wird za

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prüfen sein, ob nicht mit dem stärkeren Hervortreten des Selbsthilfegedankens die Zahl der Vertreter der öffentlichen Hand in der Verwaltung des Fonds herabgesetzt werden soll.

3. Der Finanzhaushalt des Solidaritätsfonds.

Gegenwärtig zahlt jeder Warenübernehmer (Schifflistickereifabrikant) für jede beschäftigte Maschine einen Tagesbeitrag von Fr.--.75 in den Fonds, während die warenausgebenden Exporteure diesem einen jährlichen Beitrag von Fr. 160000 garantieren (Art. 5).,Der Bund und die Gesamtheit der beteiligten Kantone gewähren jährlich Subventionen von je Fr. 30 000, zusammen also Fr. 60 000, während die bedingte Leistung der öffentlichen Hand bis zu gleichfalls Fr. 60 000 zur Zeit praktisch ausser Betracht fällt, da sie ein Defizit des Fonds voraussetzt (Art. 9).

Die Fabrikanten sind bereit, auch in Zukunft die tägliche Einlage von Fr.--.75 für jede beschäftigte Maschine zu leisten. Dagegen verlangen die Exporteure einen gewissen Abbau ihres Beitrages von jährlich Fr. 160 000, da dieser nach ihrer Auffassung auf die Dauer und bei absteigender Konjunktur nicht tragbar sei. Jedoch haben auch sie den Willen bekundet, den Fonds in ähnlicher Form wie bis dahin weiterhin zu unterstützen; über die Einzelheiten wird noch zu verhandeln sein. Exporteure und Fabrikanten stellten das Begehren, dass Bund und Kantone sich ähnlich wie bisher ander weitern Auf nung des Vermögens des Solidaritätsfonds beteiligen sollten, sei es im Sinne des jetzigen Systems durch Gewährung einer festen jährlichen Subvention in Verbindung mit der Zusicherung zusätzlicher Beiträge an allfällige Defizite, sei es wenigstens durch die Zusage bestimmter Zuschüsse für den Fall defizitärer Jahresabschlüsse des Fonds. Die Beiträge der öffentlichen Hand an den Fonds waren, wie oben ausgeführt wurde, in den letzten Jahren im Verhältnisse zu den Leistungen der Industrie bescheiden (1946 : Bund und Kantone Fr. 60 000, Industrie : Fr. 314 000) ; sie waren jedoch der Industrie nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch als. Symbol der Verbundenheit von Bund und Kantonen mit dem Solidaritätsfonds willkommen und wären ihnen deshalb auch inskünftig sehr erwünscht. Angesichts des heutigen Vermögensstandes des Fonds einerseits und der Finanzlage des Bundes anderseits glauben wir jedoch, noch mehr als bisher zurückhalten und in Zukunft
erst dann den Fonds erneut mit Zuschüssen unterstützen zu sollen, wenn dieser trotz den Beiträgen von Exporteuren und Fabrikanten in finanzielle Not geraten würde. Art. 4, Abs. 2, des Beschluss entwurfes sieht deshalb vor, dass, sofern die Mittel des Solidaritätsfonds infolge einer schweren oder langewährenden Krise für die Erfüllung seiner Aufgaben auf die Dauer nicht mehr ausreichen, der Bund, solange dieser Notstand anhält, unter der Voraussetzung mindestens gleich hoher Gesamtleistungen der beteiligten Kantone, dem Fonds angemessene Zuschüsse gewährt. Hierüber soll der Bundesrat das Nähere im Wege des Vollzuges bestimmen (Art. 12, Abs. 2).

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Es liegt in der Natur der Sache, dass es schwer ist, über diese allfällige Beteiligung der öffentlichen Hand schon jetzt nähere Angaben zu machen.

Immerhin lässt sich auf Grund der heutigen Verhältnisse folgendes feststellen.

Auch ohne weitere öffentliche Zuschüsse dürften sich bei 60--65%iger Beschäftigung Einnahmen und Ausgaben des Solidaritätsfonds die Waage halten.

Eechnet man dazu noch das heutige Vermögen des Fonds von rund Fr. l 200 000, das diesem selbst bei äusserster Anspannung (Beschäftigungsgrad der Schifflimaschinen von nur 10%) gestatten würde, zwei Jahre lang seinen Verpflichtungen nachzukommen, bis seine Mittel einigermassen erschöpft wären, so ergibt sich, dass schon sehr schwere oder langandauernde wirtschaftliche Erschütterungen die Stickereiindustrie heimsuchen müssten, bevor der Fonds in Gefahr stünde, seine Aufgabe auf die Dauer nicht mehr erfüllen zu können und deshalb der Bund in Verbindung mit den Kantonen im Sinne von Art. 4, Abs. 2, einzugreifen hätte. Sollte sich diese Notwendigkeit doch je ergeben, so würden wir, was Art und Umfang der Hilfe betrifft, auf Verfahren zurückgreifen können, wie sie früher zur Festigung des Fonds angewendet worden sind. Es sei daran erinnert, dass auf Grund des Bundesbeschlusses vom 9. April 1940 (Art. l, Abs. 3) Bund und Kantone 80% des vom Krisenfonds in den Jahren 1940 und 1941 ausgewiesenen Defizites deckten, dass auch der Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1943 (Art. 9, Abs. 1) die Möglichkeit eines gleich hohen prozentualen Beitrages an allfällige Defizite des Fonds in den Jahren 1943 und 1944 vorsah, unter Begrenzung auf eine absolute Beitragssumme von jährlich Fr. 120000 (Bund: Fr. 60000, Kantone: Fr. 60000) und dass schliesslich der gegenwärtig geltende Bundesratsbeschluss vom 28. Dezember 1945 (Art. 9, Abs. l und 3) dieselbe absolute Höchstgrenze für eine aus einer Verbindung von festem und bedingtem Beitrag bestehende Leistung festsetzt, während die Beitragsquote von Bund und Kantonen zusammen 662/3% eines Defizites beträgt. Wir glauben, uns heute auf die Erklärung beschränken zu dürfen, dass wir nicht beabsichtigen, im Falle der Notwendigkeit einer künftigen Unterstützung des Fonds mit unseren Zuschüssen über den bisherigen, durch die soeben genannten Zahlen bezeichneten Eahmen hinauszugehen. Im übrigen wird jede solche Bundeshilfe,
neben der Finanzlage des Bundes selber, nicht nur die dann bestehenden Verhältnisse des Fonds und die allgemeine Lage der Stickereiindustrie berücksichtigen müssen, sondern auch wesentlich von der finanziellen Leistungsfähigkeit der direkt beteiligten Kreise wie auch von der Haltung der Stickereikantone abhangen. Ebenso wird zu berücksichtigen sein, ob in einem solchen Zeitpunkt eine Wirtschaftskrise auch in andern Teilen der Wirtschaf t besteht und inwiefern deshalb allgemeine Krisenmassnahmen zur Anwendung kommen.

Der Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei ist eine wichtige und in ihrer Bedeutung für die Stickereiindustrie kaum zu überschätzende Institution der Krisenbekämpfung und -linderung. Der Fonds ist in der Tat zu einer wesentlichen Stütze dieser von Natur konjunkturempfindlichen Industrie geworden, die zwar ihre einstige Grosse eingebüsst hat, heute aber, namentlich auch in qualitativer Hinsicht, wieder auf einer sehr beachtenswerten,

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international anerkannten Höhe steht, in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Appenzell A.-Eh. immer noch etwa 10 000 Personen beschäftigt und ihren Export im Jahre 1946 wieder auf 80 Millionen Franken zu steigern vermochte.

Unter Einschluss von rund 200 dem Fonds nicht unterstellten Maschinen, die sich im Besitz von Exportfirmen befinden, sind zur Zeit noch rund 800 Schifflimaschinen im Betrieb, gegenüber 5700 im Jahre 1910 und 2100 im Jahre 1930.

Die dem Fonds angeschlossenen rund 600 Maschinen gehören 300 Betrieben an, von denen 200 nur über e i n e Maschine verfügen -- ein Kennzeichen der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Schifflistickerei. Dieser Maschinenpark ist für normale Zeiten keineswegs übermässig gross. Ja, es käme einer Preisgabe der Stickereiindustrie selber gleich, würde man nicht das Nötige tun, um ihn auch in weniger günstigen Wirtschaftsperioden durchzuhalten. Diesem Zweck dient der Solidaritätsfonds.

Wie sich aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt, waren es anfänglich in erster Linie der Bund und die Kantone, welche die vom Krisenfonds benötigten Mittel bereitstellen mussten, während seit dessen Umwandlung in den Solidaritätsfonds dieser mehr und mehr zu einer Selbsthilfeorganisation der direkt beteiligten industriellen Kreise geworden ist. Nach dem Ihnen vorgelegten Beschlussentwurf werden in Zukunft die Stickereiexporteure und -fabrikanten grundsätzlich die alleinigen finanziellen Träger des Fonds sein, wogegen eine Mithilfe von Bund und Kantonen nur noch für den Fall beansprucht werden soll, dass infolge ausserordentlicher Krisenverhältnisse der Fonds ausserstande ist, ohne solche Hilfe seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es ist aber weiterhin notwendig und wird von der Industrie ausdrücklich gewünscht, dass der Solidaritätsfonds, ähnlich wie bis dahin, gesetzlich verankert bleibe und zum mindesten die moralische Unterstützung der öffentlichen Hand erhalte; denn nur unter dieser Voraussetzung lässt sich der Fortbestand des Fonds gewährleisten, der nach wie vor samtliche Warenausgeber und Warenübernehmer der Schifflistickerei zu einem wirtschaftlichen und sozialen Gemeinschaftswerke vereinigen soll. Der Ihnen unterbreitete Beschluss soll die Grundlage schaffen, deren der Solidaritätsfonds bedarf, um weiterhin bestehen und seine Aufgabe erfüllen zu können. Wir
bitten Sie, ihn zu genehmigen und die Vorlage so zu behandeln, dass der Beschluss unter Einrechnung der Eeferendumsfrist am 1. Januar 1949 in Kraft treten kann.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 22. Januar 1948.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Celio.

, Der Vizekanzler: Ch. Oser.

619 (Entwurf)

Bundesbeschluss über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei

Die

Bundesversammlung

der schweizerischen

Eidgenossenschaft,

gestützt auf Art. 31bis, Absatz 3 und U, und Art. 311"'"""1'25der Bundesverfassung, nach Einsichtnahme in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. Januar 1948, beschl iesst :

Art. 1 1

Unter der Bezeichnung «Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei» {Solidaritätsfonds) besteht eine Genossenschaft des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 829 OR mit Sitz in St. Gallen.

3 Organisation und Geschäftsführung des Solidaritätsfonds werden im einzelnen durch Vollziehungsvorschriften des Bundesrates sowie durch Statuten und Geschäftsreglemente in Verbindung mit den beteiligten Kantonen und Verbänden geregelt.

3 Soweit dieser Bundesbeschluss, die Vollziehungsvorschriften des Bundesrates oder die Statuten nicht etwas anderes verfügen, finden die Bestimmungen des Obligationenrechts über die Genossenschaft des privaten Rechts Anwendung.

Rechtliche Form.

Organisation.

Art. 2 1

Der Solidaritätsfonds dient hauptsächlich dem Zwecke, Eigentümern, Mietern oder Pächtern von Schifflistickmaschinen, welche Stickereiaufträge ausführen, Entschädigungen für infolge Arbeitsmangels stillstehende Schifflistickmaschinen auszurichten; ausgenommen sind Exporteure, welche Stickereiaufträge auf eigenen Maschinen ausführen.

2 Der Solidaritätsfonds kann ferner an die Ausschaltung von Maschinen Beiträge leisten.

Art. 3

Zweck,

1 Dieser Bundesbeschluss und die Vollziehungsvorschriften des Bundesrates Geltungsbereich finden auf alle Betriebe Anwendung, welche Schifflistickereien herstellen (Warenübernehmer) oder herstellen lassen (Warenausgeber); vorbehalten bleiben die in diesem Beschlüsse und den Vollziehungsvorschriften des Bundesrates vorgesehenen Ausnahmen.

620 2 Als Warenübernehmer gelten alle Schifflistickereifabrikanten, die Eigentümer, Mieter oder Pächter von Schifflistickmaschinen sind, gleichviel, ob sie Stickereiaufträge für eigene oder fremde Rechnung ausführen.

3 Als Warenausgeber gelten alle Exporteure und auf eigene Rechnung tätige Fabrikanten, welche Stickereiaufträge auf Maschinen ausführen lassen, die nicht ihr Eigentum sind.

Art, 4

Mittel des Solidaritätsfonds.

Beitragspflicht.

1 Der Solidaritätsfonds wird durch regelmässige Beiträge der Warenübernehmer und Warenausgeber gespiesen.

2 Sollten die Mittel des Solidaritätsfonds infolge einer schweren oder lange währenden Krise für die Erfüllung seiner Aufgaben auf die Dauer nicht mehr ausreichen, so gewährt der Bund, solange dieser Notstand anhält, unter der Voraussetzung mindestens gleich hoher Gesamtleistungen der beteiligten Kantone, dem Fonds angemessene Zuschüsse.

Art. 5 : Beitragspflichtig sind . a. die Warenübernehmer im Sinne von Art. 3, Abs. 2, soweit ihr Betrieb wirtschaftlich lebensfähig ist und ihre Maschinen sich in gebrauchsfähigem Zustande befinden; b. die Warenausgeber im Sinne von Art. 3, Abs. 3.

Art. 6

Bezugsberechtigung.

Zum Bezüge von Entschädigungen für stillstehende Maschinen sind die beitragspflichtigen Warenübernehmer berechtigt.

Art. 7

Zweifelsfälle und Beschwerden.

1

In Zweifelsfällen entscheidet die Verwaltung des Solidaritätsfonds über Beitragspflicht und Bezugsberechtigung sowie insbesondere auch über die Frage der ..Unterstellung eines Betriebes.

2 Gegen Entscheide der Verwaltung des Solidaritätsfonds im Sinne von Art. 7, Abs. 1, kann binnen 30 Tagen beim Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Beschwerde geführt werden. Dieses entscheidet endgültig.

3 Auf das Beschwerdeverfahren sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege anwendbar.

Art. 8

Vollstreckbarkeit.

Die rechtskräftigen Entscheide der Verwaltung des Solidaritätsfonds über die Beitragsleistungen gemäss Art. 5 sind hinsichtlich der Vollstreckbarkeit gerichtlichen Urteilen gleichgestellt (Art. 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs).

Art. 9

1 StrafWer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder auf ähnliche Weise immungcn. ^^ ^.^ ocjer andere eine Zuwendung aus dem Solidaritätsfonds erwirkt, die ihm nicht zukommt, wird mit Haft oder mit Busse bis zu Fr. 10000 bestraft. Die Bestimmungen des schweizerischen Strafgesetzbuches über, den Betrug (Art. 148) bleiben vorbehalten.

621 2 Wer sich durch unwahre oder unvollständige Angaben der Beitragspflicht ganz oder teilweise entzieht, wird mit Busse bis zu Fr. 10000 bestraft.

3 Wer ohne Bereicherungsabsicht unwahre Auskünfte erteilt oder die Auskunft verweigert oder sich einer von den zuständigen Stellen angeordneten Kontrolle widersetzt oder diese auf andere Weise verunmöglicht, wird mit Busse bis zu Fr. 500 bestraft.

Art. 10

WiderWerden die Widerhandlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person handlungen im oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die StrafGeschäftsbetrieb von bestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder Gesellschaften.

hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person oder Gesellschaft für die Bussen und Kosten.

Art. 11 und Die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen ist Sache der Kantone. Verfolgung Beurteilung.

Art. 12 1

Der Bundesrat wird beauftragt, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874. betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Beschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

2 Der Bundesrat wird mit dessen Vollzug beauftragt. Er erlässt im Einvernehmen mit den beteiligten Kantonen und Verbänden sowie der Verwaltung des Solidaritätsfonds die erforderlichen Ausführungsvorschriften, insbesondere über die Bemessung der von den Warenübernehmern und Warenausgebern zu leistenden Beiträge und der vom Fonds auszuzahlenden Entschädigungen, über die Voraussetzungen der Bezugsberechtigung, über Zuschüsse des Bundes im Sinne von Art. 4, Abs. 2, sowie über die allfällige Auflösung des Solidaritätsfonds.

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Bekanntmachung, Inkrafttreten und Vollzug.

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