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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Rudolf "Weber, Steinhauer in Riesbach bei Zürich, betreffend Rükhaltung von Ausweisschriften.

(Vom 20. Januar 1875.)

Der schweizerische Bundes r ath hat

in Sachen des R u d o l f W e b e r , Steinhauer in Riesbach bei Zürich, betreffend Rükhaltung von Ausweisschriften; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben: I. Mit Eingabe vom 28. November 1874 .beschwerte sich Steinhauer Rudolf Weber wie folgt : Er sei im lezten Herbste bei Steinmetz Schürpf in St. Gallen in Arbeit gestanden, jedoch bald wieder ausgetreten, weil der Meister ihn nicht nach den bedungenen Preisen ausbezahlt habe.

Als er aber von St. Gallen habe wegreisen wollen, sei ihm von der Sladtpolizei die Rükgabe seiner Schriften verweigert worden, bis er die Gesellenkarte beibringe. Diese Karte habe sein Meister zurükbehalten unter der Behauptung, daß er ihm Fr. 5 schuldig sei. Er sei daher ohne Schriften abgereist, habe sie aber von Riesbach aus, wo er wieder Arbeit genommen, reklamiren lassen.

241 - Die Schriften seien hierauf allerdings nach Riesbach geschikt worden, allein mit einer Nachnahme von 8 Fr. Da er jedoch in St. Gallen nichts schuldig sei, so habe er bei der Regierung von St. Gallen die unbeschwerte Aushingabe der Schriften verlangt.

Allein er sei mit Beschluß vom 11. November 1874 abgewiesen worden, weßhalb er nun an den Bundesrath sich wende, um in den Besiz seiner Schriften zu gelangen.

II. Die Regierung des Kantons St. Gallen antwortete wie folgt: Die Schriften des Rekurrenten seien in St. Gallen in Beschlag genommen worden für eine Schuld von Fr. 7. 45, nämlich von Fr. 2. 45 für Spitalgebüren und eine Buße, sowie für Fr. 5 Guthaben des Meisters Schürpf. Den crsteren Betrag von Fr. 2. 45 habe Weber anerkannt, dagegen habe er die Bezahlung der Fr. 5 an Schürpf verweigert. Das Stadtpolizeiamt St. Gallen könne aber zur Herausgabe der Schriften nicht angehalten werden, solange Weber seine Gesellenkarte nicht /urukgeben könne, oder mit seinem Meister sich nicht verständigt habe. In gewissen Fällen sei es absolut nothwendig, daß die Schriften von Aufenthaltern in Beschlag genommen werden können, und zwar gestatte sie dies in Schuldfällen für Kost und Logis und für Guthaben des Arbeitgebers gegenüber von flottanten Aufenthaltern. Der Bundesrath habe noch im Falle Eggmann von Romanshorn (Beschluß vom 13. Januar 1874) in diesem Sinne entschieden.

In E r w ä g u n g :

Weber war in St. Galleu blos Aufenthalter, nicht Niedergelassener ; die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 bestimmt nun, daß die Feststellung der politischen und bürgerlichen Rechte der Aufenthalter einem noch zu erlassenden Bundesgeseze vorbehalten sei; gemäß Art. 2 der Uebergangsbestimmungen der erwähnten Bundesverfassung verbleiben also bis zu dem Zeitpunkt, wo das bezügliche, in Art. 46 vorgesehene Bundesgescx erlassen ist und die Frage der Gültigkeit eines Arrestes auf Ausweisschriften geregelt haben wird, die kantonalen Geseze und Verordnungen und das alte Bundesrecht in Kiaft; diese von 1848 bis 1874 in Anwendung gewesene bundesrechtliche Praxis ging nun dahin, daß der Bundesrath nicht compétent sei, zu interveniren, wenn ein Bürger einen c i v i l r e c h t l i c h e n Anspruch auf die Ausweisschrift eines andern Bürgers erworben zu haben behauptete, wozu noch kommt, daß die administrative

242 Praxis des Kantons St. Gallen den Arrest' auf Legitimationspapiere gestattet ; im Spezialfalle behauptet Schürpf wirklich, daß er einen civilrechtlichen Anspruch auf die Aufenthaltskarte des Weber besize, da dieser sie ihm zur Sicherung der Zahlung einer Schuld übergeben habe, beschlossen: 1. Der Rekurs wird abgewiesen.

2. Von diesem Beschlüsse ist dem Rekurrenten Rudolf Weber in Riesbach bei Zürich, sowie der Regierung von St. Gallen Kenntniß zu geben.

B e r n , den 20. Januar 1875.

· Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Scherer.

o

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Summarische Uebersicht der

Ein-,

Aus- und D u r c h f u h r * in der Schweiz im Monat Januar 1875 und 1874.

(Mit Angabe der wichtigsten Artikel dieses Verkehrs.)

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Rudolf Weber, Steinhauer in Riesbach bei Zürich, betreffend Rükhaltung von Ausweisschriften. (Vom 20. Januar 1875.)

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27.02.1875

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