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Botschaft des

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Bundesrathes an, die hohe Bundesversammlung, betreffend eidg. Gewährleistung, der Verfassung des -Kantons Basel-Stadt. ; -- (Vom28. Mal 1875.)

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Mit Schreiben vom 12. Mai 1875haben .Bürgermeister und Rath des Kantons B a s e l - S t a d t uns mitgetheilt,1 daß der. Große Rath dieses Kantons am 19. April d. J.die von seiner hiefür aufgestellten Kommission ihm vorgelegte neue K a n t o n s Verfassung genehmigt habe, und daß dieselbe sodann am 9. Mai abhin dem Volke von Basel-Stadt zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt worden sei. Bei dieser Abstimmung, sei die neue Verfassung mit 3430 gegen 786 Stimmen angenommen worden, worauf der Große Rath sie am. 10. Mai in Kraft erklärt, habe. Inderndie Regierung von Basel-Stadt uns diese neue Verfassung übermittelte, ersuchte sie, daß für dieselbe nach Art., 6 ' der Bundes Verfassung, die Gewährleistung des Bundes erwirkt werden möchte.

In dem ersten Titel der neuen Verfassung von Basel-Stadt wird dieser Kanton als ein souveränes Bundesglied der schweizerischen Eidgenossenschaft erklärt, und sind im Weitern Bestimmungen enthalten über" die Ausübung der Souveränität, sowie im Allgemeinen über die Rechte und Pflichten der Bürger. In der

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lezteren Beziehung erscheint im Vergleiche zu der frühern Verfassung dieses Kantones vom 28. Februar 1858 als eine Neuerung, daß auch die Vornahme von Hausdurchsuchungen nur in den durch das Gesez zugelassenen Fällen und in der durch dasselbe vorgeschriebenen Form statthaft erklärt wird. Diejenigen Rechte und Freiheiten, welche bereits in der Bundesverfassung gewährleistet sind, wie der verfassungsmäßige Gerichtsstand, die Preßfreiheit etc., sind in der neuen Verfassung von Basel nicht noch besonders erwähnt; vielmehr beschränkt sie sich in § 10 auf die Erklärung, daß sämmtliche von der Bundesverfassung aufgenommene Bestimmungen auch für die kantonale Verfassung gelten sollen.

Der Titel II, §§ 11 bis 13, handelt von dem Verhältniß des Staates zur Kirche und Schule. In der frühern Verfassung, Art. 12, war die evangelisch-reformirte Kirche als Landeskirche erklärt, und daneben auch die Ausübung jedes andern christlichen Glaubensbekenntnisses gewährleistet. Die neue Verfassung dagegen reproduzirt in § 11 lediglich die Bestimmungen von Art. 49, Absaz l und 2 und von Art. 50, Absaz l und 2 der Bundesverfassung und sezt sodann in § 12 die reformirte und die katholische Kirche zu einander in Parität. Der § 12 bestimmt nämlich, daß diese beiden Kirchen durch das Gesez ihre äußere Organisation erhalten, nach welcher sie unter Oberaufsicht des Staates ihre innern konfessionellen Angelegenheiten selbstständig ordnen. Ihre Geistlichen und kirchlichen Vertreter werden von den zu jeder Kirchgemeinde gehörigen stimmfähigen Schweizerbürgern gewählt. Der Eintritt in, sowie der Austritt aus diesen Kirchen steht jedem Staatsangehörigen offen i dabei wird ein Gesez vorbehalten, um zu bestimmen, wann Neueintretende die Stimmberechtigung erhalten. Endlich beatreitet laut dem gleichen § 12 der Staat die Kultusbedürfnisse dieser Kirchen mit Rtiksicht auf die zu jeder Kirche, resp. jeder durch die Organisation anerkannten kirchlichen Gemeinschaft gehörigen Mitglieder.

In § 13 ist die Förderung des Erziehungswesens und der Volksbildung als Aufgabe der Staatsverwaltung erklärt. Dem Gesez wird vorbehalten, die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes auch auf andere öffentlichen Schulen, als nur die Primarschulen, auszudehnen.

Mit Rüksicht auf diejenigen Erziehungs- und Bildungsanstalten, welche nicht vom Staate errichtet sind,
ist bestimmt, daß sie keinen Anspruch auf die Unterstüzung des Staates haben, aber den Bestimmungen des Gesezes unterworfen seien.

Titel HI ordnet das Gemeindewesen. Der Art. 42 der frühern Verfassung sah für die Stadt Basel und für die drei Landgemeinden des Kantons besondere Gemeindebehörden vor. Auch nach der

287 neuen Verfassung, § 14, sind die Geschäfte der Gemeinden durch eine Einwohnergemeinde und den von dieser gewählten Gemeinderath zu besorgen. In der Stadt Basel tritt aber laut dem gleichen § 14 der Große Rath an die Stelle der Einwohnergemeinde und gehen die Befugnisse des städtischen Gemeiuderathes an den Regierungsrath über. Ebenso ist als zuläßig .erklärt, daß auf Antrag einer Einwohnergemeinde der Landgemeinden durch Gesez deren Geschäfte, ganz oder theilweise, ebenfalls an. den Staat übergehen.

Für die Verwaltung von Bürger · und Korporationsgütern werden besondere bürgerliche Gemeindebehörden aufgestellt. Endlich wird in § 18 bestimmt, daß die Aufnahme neuer Bürger thunlichst erleichtert werden soll, und namentlich die Peststellung der Bedingungen , unter welchen ein in einer Gemeinde geborner Nichtbürger das Gemeindebürgerrecht ansprechen könne, einem Geseze vorbehalten.

Der Titel IV handelt von dem Stimmrecht in eidgenössischen, kantonalen und in Gemeindeangelegenheiten, sowie von den Rechten des Volkes. Bei kantonalen und Gemeindeabstirnmungen und Wahlen werden stimmberechtigt erklärt die im Kanton, beziehungsweise i'u der Gemeinde,, wohnhaften männlichen Schweizerbürger, welche das 20. Jahr zurükgelegt haben und im Besize des Aktivbürgerrechtes sind, insofern sie Kantonsbürger sind und in ihrer Heimatgemeinde wohnen, oder wenn sie Bürger einer andern Gemeinde des Kantons oder Bürger anderer Kantone .sind, in der Gemeinde, wo die Abstimmung oder Wahl stattfindet, seit 3 Monaten niedergelassen waren, oder endlich, wenn Aufenthalter durch Bundesgesez hiezu berechtigt sind (§ 20). Die Bedingungen, an welche das Aktivbürgerrecht geknüpft sein soll, werden in der neuen Verfassung nicht aulgeführt (vergi, dagegen Art. 26. der frühem Verfassung). In rein bürgerlichen Angelegenheiten wird das Stimmrecht den Gemeindebürgern vorbehalten.

Gemäß der frühern Verfassung von Basel-Stadt konnten Geseze und Beschlüsse bei dem Großen Rathe nur von der Regierung und von Mitgliedern des Großen Rathes selbst beantragt werden, und es war dem Volke in Bezug auf neue Geseze und Beschlüsse weder das 'Recht zum Veto, noch irgend ein Recht dieser Art eingeräumt, vielmehr verfügte der Große Rath in der Gesezgebung und bei der Ausübung seiner übrigen Befugnisse leztinstanzlich und endgültig (Art. 2, 16 und 17
der Verfassung von 1858). In der neuen Verfassung dagegen, §§ 22 und 32, ist auch dem Volke, und zwar einer Anzahl von 1000 Stimmberechtigten, das Recht eingeräumt, bei dem Großen Rathe das Begehren um Erlaß, Abänderung oder Aufhebung eines Gesezes oder Großrathsbeschlusses

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zu stellen Tritt der Große Rath darauf nicht ein, so ist der Entscheid, ob dem Begehren Folge zu geben sei oder nicht, der Gesammtheit der Stimmberechtigten anheimzustellen. Der endliche Gesezes- oder Beschlussesentwurf muß in jedem Falle der Volksabstimmung unterbreitet werden. Ferner ist in § 23 für Geseze und allgemein verbindliche Großrathsbeschlüsse, die nicht dringlicher Natur sind, das fakultative Referendum eingeführt in dem Sinne, daß 1000 Stimmberechtigte die Volksabstimmung verlangen können. Außer diesen Abstimmungen kommt in kantonalen Angelegenheiten gemäß § 21 dem Volke noch zu: die Abstimmung über die Kantonsverfassung und über Aenderungen derselben, sowie die Wahl der Mitglieder in den Großen Rath.

In Titel V werden die Organisation und die Kompetenzen etc.

der öffentlichen Behörden behandelt. Was die Wahlen in den Großen Rath betrifft, so Wurde das alte, komplizirte Wahlsystem, und namentlich die Vertretung der Zünfte und der Bezirke, gänzlich fallen gelassen, indem diese Wahlen nunmehr gemäß § 25 der neuen Verfassung im Verhältniss der Bevölkerung und zwar in der Stadt Basel nach Quartieren und auf dem Lande nach Gemeinden stattlinden sollen. Zur Wählbarkeit in den Großen Rath, sowie auch in die Regierung, werden das Kantons- oder Schweizerbürgerrecht, die Stimmberechtigung und die Volljährigkeit nach Baslergesez (24 Jahre) gefordert;vergl.. Art. 27 der frühern Verfassung und den Bundesbeschluß vom 12. Januar 1859 über die Gewährleistung derselben (Off. Samml. VI, 113) mit §§ 26 und 37 der neuen Verfassung.). Die Amtsdauer des Großen Rathes ist auf 3' Jahre festgesezt, während sie früher 6 Jahre betrug unter Austritt je der Hälfte der Mitglieder von 3 zu 3 Jahren. Die Verhandlungen des GroßenRathess sollen stets öffentlich sein. Früher konnte geheime Berathung beschlossen werden. A l s neue desverfassung den Kantonen zustehenden Referendums. Ferner wird auch die Wahl des Abgeordneten in den schweizerischenStände-rathausdrüklichh dem Großen Rathe vorbehalten.Vergl., Art. 18 der frühem und § 33 der neuen Verfassung.

Die Vollziehungsgewalt kommt einem Regierungsrath, aus 7 Mitgliedern bestehend, zu. Derselbe wird gemäß § 37 der neuen Verfassung durch den Großen Rath aus der Gesammtheit der Bürger gewählt, während er früher ans der Mitte des Großen Rathes selbst zu wählen war. Dessen
Amtsdauer ist von ß Jahren in Uebereinstimmung mit der Amtsdauer des Großen Rathes ebenfalls auf 3 Jahre reduzirt worden. Der Präsident und Vizepräsident sind jährlieh durch den Großen Rath zu ernennen. Sowohl sie als auch

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die übrigen Mitglieder der Regierung können nicht gleichseitig Mitglieder des Großen Rathes sein, erhalten aber in demselben berathende Stimme, während sie nach der frühern Verfassung ebenfalls Mitglieder des Großen Rathes waren und nur nicht Präsident oder Vizepräsident dieser Behörde sein . konnten, Als, Neuerung erscheint auch die Bestimmung in § 38, daß, mit der Stelle eines Regierungsrathes unvereinbar sein soll diejenige der Direktoren und Verwaltungsräthe, von Erwerbgesellschaften, insofern sojche Verwaltungsräthe nicht im öffentlichen Interesse, von der-Regierung selbst zu ernennen sind. Die weitere Vorschrift, daß Personen, welche zu einander in einem, gewissen Verwandtschafts - oder Schwägerschaftsverhältniß stehen, nicht gleichzeitig Mitglieder der Regierung sein können, war in der frühern Verfassung nicht enthalten.

Mit Rüksicht auf das Gerichtswesen nimmt .die neue Verfassung in § 43 die in den abgeänderten §§ 38 bis .40 der Verfassung von Basel-Stadt vom 26. April 1868 ÇBùndesb'l. 1868, H, 652 und Off. Samml. IX, 389) enthaltene Bestimmung, daß das; Appellationsgericht, als die oberste kantonale Gerichtsbehörde, die Auf* sieht über die andern Gerichte und richterlichen Beamten zu führen und über die Justizverwaltung dem Großen Raihe jährlieh Bericht .zu erstatten habe, wieder auf und enthält 'im Weitern in §§ 44 blos noch die Bestimmung, .daß die Gerichtspräsidenten und die ständigen Richter durch den Großen Rath zu wählen seien. Die nähere Organisation der Gerichte dagegen ist gemäß § 45 der Gesezgebung überlassen.

Ebenso erhalten laut § 46 auch alle übrigen, in der Verfassung nicht näher bezeichneten Behörden und Beamtungen ihre Organisation und Befugnisse durch das Gesez.

Die Revision der Verfassung kann, unter Vorbehalt des fakultativen Referendums, durch den Großen Rath beschlossen und es kann von diesem zugleich bestimmt werden, ob sie von' ihm selbst, oder von einem neu zu wählenden Großen Rathe vorgenommen werden soll. Es können aber auch 1000 Stimmberechtigte die Revision verlangen, worauf der Große Rath seinen Antrag über Annahme oder Abweisung eines solchen Begehrens zu stellen und dem Volke zur Abstimmung darüber vorzulegen hat, sowie auch einen Antrag, ob die Revision durch den bisherigen, oder durch einen neu zu wählenden Großen Rath vorgenommen werden soll.

Die ganz
oder nur theilweise revidirte Verfassung soll der Volksabstimmung unterbreitet werden (§§ 47 bis 49 der neuen Verfassung). Der Hauptunterschied zwischen diesen Bestimmungen und denjenigen der alten Verfassung liegt darin, daß früher nur die

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absolute Mehrheit der Bürger die Revision verlangen konnte, und daß nunmehr in dem Falle, wo der Große Rath die Revision beschließt, das Volk dieselbe von vornherein ablehnen kann.

Wir haben hiemit die wichtigsten Aenderungen hervorgehoben, welche durch die neue Verfassung im Kanton Basel-Stadt eingeführt worden sind, und diese, sowie auch einzelne minder wichtige Punkte näher, geprüft. Diese Prüfung führte uns zu der Ueberzeugung, daß diese Verfassung nichts enthalte, was mit den Grundsäzen des jezigen Bundesrechtes und insbesondere mit den Vorschriften der neuen Bundesverfassung im Widerspruch wäre. Wir glauben daher, ohne Weiteres mit dem Antrage schließen zu dürfen, daß der neuen Verfassung des Kantons Basel-Stadt die Garantie des Bundes zu geben sei, und empfehlen der Bundesversammlung, den nachfolgenden Entwurf zum Beschlüsse zu erheben.

Wir benuzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 28. Mai 1875.

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Im Namen des Schweiz. Bundesrathes., Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

eidg. Gewährleistung der Verfassung des Kantons BaselStadt.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vom 28. Mai 1875 über die neue Verfassung des Kantons BaselStadt vom 10. Mai 1875, in E r w ä g u n g : daß diese Verfassung nichts enthält, was mit den Vorschriften der Bundesverfassung im Widerspruche steht; daß sie die Ausübung der politischen Rechte nach republikanischen Formen sichert; daß sie am 9. Mai 1875 von der Mehrheit des Volkes des Kantons Basel-Stadt angenommen worden ist und revidirt werden kann, wenn die absolute Mehrheit der Bürger es verlangt; in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschließt: 1. Der neuen Verfassung des Kantons Basel-Stadt wird diebundesgemäße Garantie ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der weitem Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Abänderung des Geldanweisungsvertrags zwischen der Schweiz und Belgien.

(Vom 1. Juni 1875.)

Tit.!

Wie mit den Niederlanden, so wurden auch mit Belgien anläßlich des Weltpostkongresses Unterhandlungen eingeleitet in Bezug auf Abänderung des Geldanweisungsverkehrs, und zwar behufs Erzielung einer Erhöhung des Maximalbetrages, Festsezung einer angemessenem Taxe und Vereinfachung des Auswechslungs- und Abrechnungsverfahrens.

Unterm 6. April dieses Jahres konnte nun ein daheriger Vertrag abgeschlossen werden, welcher mit dem schweizerisch-niederländischen Vertrage völlig identisch ist, indem er als Maximalbetrag Fr. 500 und als Taxe 25 Centimes für je Fr. 25 oder einen Bruchtheil von Fr. 25 festsezt.

Da der .Vertrag mit den Niederlanden die Ratifikation der gesezgebenden Räthe erhalten hat, so darf angenommen werden, daß auch die Genehmigung des vorliegenden Vertrages mit Belgien ohne weitere Erörterungen einem Anstände nicht begegnen werde, indem für den einen Vertrag wie für den andern die nämlichen

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Botschaft des Bundesrathes an, die hohe Bundesversammlung, betreffend eidg.

Gewährleistung, der Verfassung des -Kantons Basel-Stadt.(Vom 28. Mal 1875.)

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Jahr

1875

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

26

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.06.1875

Date Data Seite

285-292

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10 008 659

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