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Rekurs von

Francois Barbey in Dompierre, gegen Bundesrathsbeschluss vom 13. April 1875, betreffend Verweigerung eines Wirthschaftspatents durch Beschluss des Staatsrathes von Freiburg vom 5. Februar 1875.

a) Bericht der ständeräthlichen Kommission.

(Vom 28. Juni 1875.)

Franz Barbey, Sohn, zu Dompierre, stellte mittelst einer undatirten Zuschrift in der ersten Hälfte des J. 1874 an den Staatsrath von Freiburg das Gesuch um Eintheilung eines Pintenwirthschaftspatents auf seine zwei Gebäude Nr. 16 und 18 in der Gemeinde Dompierre. Er begründete dieses Gesuch mit dem durch den vermehrten Verkehr und die Aussicht auf einen Eisenbahnbau sich ergebenden Bedürfniß und dem Hinweis auf den Umstand, daß in früherer Zeit diese Lokalitäten bereits einmal als Pinte benutzt worden waren. Der Gemeinderath von Dompierre, welchem der Staatsrath dieses Gesuch zur Begutachtung überwies, sprach sich in seinem Schreiben vom 14. Juni 1874 gegen Gestaltung

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dieser Pinte aus, indem er vom Standpunkte des Bedürfnisses aus die Angaben des Gesuchstellers bestritt und namentlich darauf hinwies, daß der Gemeinderath auch die früher bestandene Pinte wegen den damit verbundenen Inconvenienzen zu unterdrücken sich veranlaßt gefunden habe. Auf ein erneuertes Gesuch des Rekurrenteii faßte dann der Gemeinderath die Motive seines abschlägigen Gutachtens in folgende 6 Punkte zusammen: 1) Die Eröffnung einer Pinte sei nachtheilig für die materiellen und moralischen Interessen der Bevölkerung 5 2) der Leumund des Gesuchstellers stütze sich nicht auf gute Antezedentien ; 3) die in Aussicht genommenen Gebäude seien zu nahe dem Schulhaus und der Kirche, nur 70 bis 100 Fuß davon entfernt; 4) die Gebäude seien schwer zugänglich und abgelegen, daher von der Polizei nicht leicht zu überwachen; o) sei Petent wegen "Winkelwirthschaft bestraft worden ; 6) der Plan enthalte viel größere Distanzen, als sich in Wirklichkeit vorfänden.

Durch Beschluß vom 5. Februar 1875 wies der Staatsrath von Freiburg in Aufnahme der Motivirung des gemeinderäthlichen Gutachtens den Petenten mit seinem Gesuche ab.

Mit Zuschrift vom 28. Februar 1875 rekurrirte Petent diesen Beschluß des Staatsraths von Freiburg an den Bunclesrath. Im daherigen Rekursmemorial findet Petent den Beschluß nach zwei Seiten unhaltbar: 1. Seien die Motive, gestützt auf welche der Staatsrath sein Gesuch abgewiesen, einer Verordnung des Staatsraths vom 28. Dezember 1874 entnommen. Diese Verordnung sei aber ungültig, weil sie keine Vollziehung, sondern eine Abänderung des Wirthschaftsgesetzes vom 14. Mai Ì864 enthalte, welche nicht dem Staatsrathe, sondern nur dem Großen Rathe als gesetzgebender Behörde zustehe.

2. Seien die Motive mit dem in Art. 31 der Bundesverfassung aufgestellten Grundsatze der Gewerbefreiheit im Widerspruch; deun a. den üblen Leumund betreffend, so werde zugegeben, daß Rekurrent in 2 Kriminalprozessen vor die Assisen gestellt, aber freigesprochen; dagegen einmal wegen Winkelwirthschaft bestraft worden sei. Der gute Leumund könne aber nur bei den sog. liberalen, resp. wissenschaftlichen Berufsarten gefordert werden, nicht bei Wirtschaften, welche allen andern Gewerben, die gesundheitspolizeiliche und die KonsumsteuerBnndesllatt. Jahrg. XXVII. Bd. III.

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kontrole vorbehalten, gleichstehen. Das Verbot eines Industrie- oder Handelsgeschäftes könne nur durch ein gerichtliches Urtheil erfolgen; b. das soeben Gesagte gelte auch bezüglich des Motivs seiner Bestrafung wegen Winkelwirthschaft ; c. bezüglich der Nähe der Wirthslokale bei Schulhaus und Kirche, so seien andere Wirthshäuser im Kanton Freiburgebenso nahe; d. daß die Lokale schwer zugänglich und von der Polizei niché leicht zu überwachen seien, wird gestützt auf den Plan bestritten, der nun e. in Berücksichtigung des letzten Motivs in geometrischer Aufnahme beigelegt wird.

In seiner Autwort vom 24. März 1875 erklärt der Staatsrath von Freiburg, daß sein Beschluß vom 28. Dezember 1874 keine Abänderung, sondern eine Vollziehungsverordnung des Wirthschaftsgesetzes vom 14. Mai 1864 enthalte, wozu er nach Art. 11, 19, 21, 84 und namentlich 166 dieses gleichen Gesetzes kompetent gewesen.

Diese Verordnung, welche übrigens nicht so weit gehe, als diejenige der Regierung von Bern, widerspreche aber auch nicht dem Art. 31 der Bundesverfassung, welcher gemäß der Interpretation des Bundesrathes die Prüfung der polizeilichen Requisite bezüglich der Person des Patentbewerbers und der diesfalis in Aussicht genommenen Lokalitäten immerhin der Kompetenz dei Kantone anheimstelle.

Der Staatsrath geht dann auf die einzelnen Punkte des vorliegenden Falles über: a. Was den Leumund des Potenten betreffe, so sei nach Art. 139 des Gemeindegesetzes das Leumundzeugniß des Gemeinderaths bis zum Beweise des Gegentheils maßgebend. Dieser Beweis sei nun nicht nur nicht geleistet, sondern Potent müsse vielmehr zugeben, daß er in 2 Strafprozesse verwickelt und einmal polizeilich bestraf) worden sei. In den 2 Strafprozessen sei er allerdings freigesprochen worden, weil der Hauptschuldige flüchtig war, aber die Prozeßkosten seien ihm überbunden worden. In Folge dieser Prozesse sei ihm auch das Patent als Agent des poursuites entzogen worden.

b, Die Entfernung vom Schulhaus betrage laut Plan nur 75, die von der Kirche nur 115 Fuß. Der Art. 12 des Schulgesetzes verbiete nun, Schulhäuser in der Nähe von Wirthschaften zu bauen. Mit diesem Artikel übereinstimmend sei

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nun auch die Verfügung, daß "Wirth arechte nicht in der Nähe von Schulhäusern verliehen werden. Gerade deswegen sei auch die frühere Konzession auf den gleichen Lokalitäten im Jahr 1864 vom Staatsrathe nicht mehr ertheilt und auch seither verweigert worden, und zwar zu einer Zeit, als Petent noch nicht Eigenthümer dieser Lokalitäten gewesen ; also abgesehen von seiner Persönlichkeit.

e. Bezüglich der Lage der Lokalitäten hält der Staatsrath die Behauptung aufrecht, daß dieselben nicht leicht zugänglich und polizeilich zu überwachen seien. Eine spezielle Ueberwachung dieser Lokalitäten durch außerordentliche Polizeimaßregeln könne man vom Staate nicht fordern.

Der Bundesrath wies darauf mittelst Entscheid vom 13. April 18'5 den Rekurrenten ab, gestützt auf folgende Motive: 1. Die Beschwerde über die Gesezwidrigkeit des Beschlusses des Staatsraths von Freiburg vom 28. Dezember 1874 gehöre nie it vor den Bundesrath, sondern vor die betreffende Kantonsbel örde.

2. Rekurrent beschwere sich auch nicht über die Bundeswi rigkeit dieses Beschlusses vom 28. Dezember 1874.

3. Wohl aber behaupte Rekurrent, der Abschlag des Staatsrat es vom 5. Februar 1875 verletze die in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit. Nun seien aber nach der seit der neuen Bundesverfassung vom Bundesrathe eingehaltenen Praxis die Kantone kompetent, Wirthschaftsberechtigui gen in der Nähe einer Kirche, zu verweigern und ebenso zu ver äugen, daß der Zugang zu einer Wirthschaft die polizeiliche Ue] erwachung nicht erschwere oder verunmögliche.

4. Ebenso sei die vom Rekurrenten aufgestellte Behauptung, das Redit zur Betreibung eines Gewerbes, vorliegend einer Wirthschüft, könne nur mittelst gerichtlichen Urtheils entzogen werden, nicht richtig. Indem die "Verwaltungsbehörde die Bewilligung eines Wi thschaftspatents von der Erfüllung sanitarischer und polizeilicher Bec ingungen abhängig machen dürfe, sei ihr selbst auch die Bef vorbehalten, im besondern Falle zu entscheiden, ob ein Be\ erber die moralische Gewähr für die Erfüllung dieser Bedingungen biete, immerhin unter Vorbehalt des Rekurses an die betreffende Oberbehörde.

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Gegen diesen Entscheid des Bundesrathe ergriff nun der Re! urrent unterm 7. Juni 1875 den Rekurs an die Bundesver-

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Sammlung und begründet denselben im Wesentlichen mit den weitern Ausführungen seiner Motive, wie sie bereits in der Rekursschrift an den Bundesrath enthalten sind.

Der Bundesrath, dem dieser Rekurs zum Berichte übermittelt wurde, begnügt sich in seiner Botschaft vom 18. Juni mit cer einfachen Hinweisung auf die. Motivirung seines Beschlusses.

Ihre Kommission beantragt Ihnen nun einstimmig A b w e i s u n g des R e k u r s e s , gestützt auf folgende mit der Auffassung dos Bundesrathes übereinstimmenden Erwägungen: 1. Soweit Rekurrent die Gültigkeit des Beschlusses des Staatsraths von Freiburg vom 28. Dezember 1874, als im Widerspruch mit dem Wirthschaftsgesetz von 1864, bcstreitet, fällt seine Beschwerde nicht in die Kompetenz des Bundes, sondern in diejenige der betreffenden Kantonsbehörde.

2. Wenn aber Rekurrent behauptet, die Gründe der Abweisung seines Gesuches von Seite des Staatsraths unterm 5. Februar und deren Bestätigung durch den Bundesrath unterm 13. April 1875 verletzen die im Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit, so ist dagegen festzuhalten, daß diese letztere keine absolute ist, indem in Art. 31 litt, e Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben vorbehalten sind, welche allerdings wiederum den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen dürfen.

3. Wenn daher speziell der Betrieb einer Wirthschaft aus polizeilichen Gründen, z. B. wie vorliegeud wegen Mangels eine» guten Leumunds des Petenten, wegen schwieriger Handhabung der polizeiliehen Aufsicht in Bezug auf die Lage der Lokalitäten und wegen ihrer allzugroßen Nähe beim Schulhause oder bei der Kirche, von einem Kantone im öffentlichen Interesse nicht gestattet wird, so ist dieser dazu Angesichts des Art. 31 litt, c der Bundesverfassung kompetent, vorbehalten die Kompetenz des Bundes über die Frage, ob diese Verfügungen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst beeinträchtigen.

4. Im vorliegenden Falle ist nun der Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigt, da einer gut beleumdeten Person in einer polizeilich besser gelegenen Lokalität die Ausübung des Wirthsrechts nicht verweigert würde.

861 Antrag:*)

Der Rekurs sei als nicht begründet zu erklären und dem Rekurrenten, sowie dem Staatsrathe von Freiburg hievon Kenntniß zu geben.

B e r n , den 28. Juni 1875.

Namens der Kommission, Der Berichterstatter:

A. Herzog-Weber.

*) Vom Ständerathe angenommen ani 80. Juni 1875.

b) Antrag der nationalräthlichen Kommission.

(Vom 2. Juli 1875.)

Indem die Kommission sich wesentlich den Erwägungen in den Beschlüssen des Bundesraths und des Ständeraths anschließt, fügt sie denselben noch folgende Betrachtung bei: Das Wirthschaftswesen kann mit den andern Gewerben nicht auf die gleiche Linie gestellt werden, sondern steht in viel höherm Grade mit den Bedürfnissen und Sitten des Volkslebens in Verbindung.

Das Wirthahaus, um hier bei der großen Verschiedenheit des Gewerbes nur diese dem Namen nach untere, aber der Sache nach wichtigere Stufe zu bezeichnen, hat vorerst die Aufgabe, seine Gäste mit gesunder und billiger Nahrung zu versehen, und zwar noch um so mehr, als das Publikum hier weniger Auswahl hat.

362 Dann ist aber auch das Wirthshaus immer mehr der Ort, wo die Leute Unterhaltung und Erholung suchen und nicht nur alle Arten Vereine ihre Versammlungen halten, sondern auch öffentliche Angelegenheiten, wie Steigerungen und Verkäufe, verhandelt werden.

Um nun diesen Anforderungen zu entsprechen, darf der Staat gewisse Bedingungen aufstellen, welche als Verpflichtungen gegenüber den Rechten, die den Wirthschaftsbesitzern gegeben werden, und als Garantien zur Erreichung des Zweckes dienen undauchi Uebertretungen und Mißbräuchen vorzubeugen im Stande sind.

Auf diese Weise wird sich zumal bei der erhöhten, wenn auch nicht unbedingten Gewerbefreiheit das Wirthschaftswesen, ohne sich durch gegenseitige Konkurrenz zu erdrücken, lebensfähig entwickeln und durch Befriedigung zeitgemäßer Bedürfnisse eiue Wohlthat werden.

Antrag:*) Es sei der Rekurs abzuweisen.

B e r n , den 2. Juli 1875.

Namens der Kommission, Suter.

*) Vom Nationalrathe angenommen am 2. Juli 1875.

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Rekurs von François Barbey in Dompierre, gegen Bundesrathsbeschluss vom 13. April 1875, betreffend Verweigerung eines Wirthschaftspatents durch Beschluss des Staatsrathes von Freiburg vom 5. Februar 1875.

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24.07.1875

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