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Aus den Verhandlungen der schweizerischen Bundesversammlung.

Am 18. September 1875 haben die gesezgebenden Räthe der Eidgenossenschaft ihre in zwei Abtheilungen (vom 7. Juni bis 3. Juli und vom 6. bis 18. September) gehaltene ordentliche Session geschlossen.

Der Präsident des Nationalrathes, Herr Jakob S t ä m p f l i , Bankpräsident in Bern, hielt nachstehende Schlußrede : Meine Herren !

Die nun zu Ende gehende Session ist, unvorhergesehene Einberufung vor dem 5. Dezember vorbehalten, die lezte der gegenwärtigen Legislaturperiode. Wir waren im Laufe von 3 Jahren in zwölf Sessionen versammelt mit einer Sessionsdauer von zusammen 248 Tagen und 211 wirklichen Sizungstagen.

Die wichtigsten Ergebnisse unserer Thätigkeit waren vor Allem die zum Abschlüsse gebrachte, vom Volke und den Kantonen am 19. April 1874 sanktionirte Total-Révision unserer Bundesverfassung, nachdem in der vorhergehenden Periode ein dahin zielender Versuch gescheitert war.

Als erste Ausführungsmaßnahmen der neuen Bundesverfassung folgten: Das Bundesgesez für Volksabstimmungen über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse.

Die Organisation der Bundesrechtspflege und die Bestimmung des Sizes des Bundesgerichtes.

Das Gesez über den Civilstand und die Ehe.

Die neue Militärorganisation auf Grundlage der in die Verfassung niedergelegten vollständigeren Zentralisation der Organisation des Wehrwesens. Bundesbeschluß über die Bewaffnung der Landwehr, Gesez über die Militärpensionen und Entschädigungen, und Gesez über die Militärsteuer.

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Im Eisenbahnwesen wurde die bereits in der vorhergehenden Periode begonnene Reform und Vervollständigung der Gesezgebung fortgesezt durch Erlassung des Gesezes über Verpfandung und Zwangsliquidation von Eisenbahnen; des Gesezes über die Rechtsverhältnisse von Verbindungsgeleisen ; des Gesezes über den Transport auf Eisenbahnen und desjenigen über die Haftbarkeit bei Verlezungen und Tödtungen. Es wurden in dieser Periode 58 neue Eisenbahnkonzessionen ertheilt, im Ganzen für 1364 Kilometer.

Neu eröffnet wurden im Laufe der Periode 541 Kilometer, deren Bau zum größeren Theile vor der jezigen Periode begonnen worden ; im Bau begriffen sind gegenwärtig 711 Kilometer ; Fristverlängerungen wurden für 69 Konzessionen ertheilt, worunter viermal für 3, dreimal für 11, zweimal für 20 und einmal für 35 Konzessionen. Dermal zählt das im Betrieb stehende Schweiz.

Eisenbahnnez 2012 Kilometer; zu Anfang der Periode zählte es 1471 Kilometer.

In andern Verkehrs- und volkswirtschaftlichen Gebieten wurden zu Ende .berathen die Geseze über die Jagd und den Vogelschuz, über die Fischerei und die Emission von Banknoten.

Bundessubventionen wurden gesprochen für die Lukmanierstraße auf Tessinergebiet und für die Seedammbaute bei Rapperschwyl.

Von internationalen Verhältnissen sind zu erwähnen: Die abgeschlossenen Auslieferungsverträge mit Rußland, Belgien, dem Deutschen Reiche, Portugal und Großbritannien ; die Freundschafts-, Niederlassungs- und Handelsverträge mit Persien und Dänemark ; der Niederlassungsvertrag mit Liechtenstein und ganz besonders der Weltpostvertrag, welcher der Schweiz die Ehre der Zentralleitung und des Zentralbüreaus zu Theil werden läßt.

Der kommenden Periode bleiben als wichtige Aufgaben vorbehalten: Die Ausführung des Schulartikels, die Regelung der Arbeiter-Verhältnisse in Fabriken, die nähere Ordnung des Stimmrechtes der Niedergelassenen und Aufenthalter, Erlassung der Geseze über die zentralisirten Rechtsgebiete des Obligationenrechtes, des Betreibungs- und Konkursverfahrens; eine aufmerksame Vorsorge für unsere internationalen Handelsvertragsbeziehungen und eine genaue Aufmerksamkeit auf die Gestaltung und Entwiklung der finanziellen Situation des Bundes unter der neuen Bundesverfassung.

Ich erkläre die Session als geschlossen.

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Die vom 6. bis 18. September v o l l s t ä n d i g erledigten Geschäfte sind folgende: 1) Das Gesez über Jagd und Vogelschuz.

2) Das Fischereigesez.

3) Die statistische Zusammenstellung der in der Schweiz vorkommenden Geburten, Sterbefälle und Trauungen etc.

4) Die Vorlegung der Gesezentwürfe in .italienischer Sprache.

5) Die Gewährleistung der theilweise revidirten Verfassung des Kantons Freiburg.

6) Das Banknotengesez.

7) Die Motion des Hrn. Nationalrath Dr. Joos, betreffend die Banknotenemission in der Schweiz.

8) Die Prägung von 10- und 50-Rappenstuken.

9) Die Konzession für Pferde-Eisenbahnen in Genf und für eine Pferdebahn von Bözingen über Biel nach Nidau.

10) Die Konzession für eine Eisenbahn von Cadenazzo nach Pino.

11) Die Fristverlängerung für die Eisenbahn Thun-Konolfingen.

12) ,, ,, ,, ,, Brünigbahn..

13) Die Abänderung der Konzession für die Emmenthalbahn.

14) Der Vertrag über Bau und Betrieb der Eisenbahn Wädensweil-Einsiedeln.

15) Die Ermächtigung an den Bundesrath zur Genehmigung von Gesuchen um Eisenbahnfristverlängerungen.

16) Der Rekurs von Anton Dupré in Pont-en-Ogoz (Freiburg), betreffend Heiligthumsentweihung.

17) Der Rekurs von bündnerischen Lohnkutschern gegen das neue Extrapostreglement.

18) Die Begnadigungsgesuche des Gottfried Moser von Röthenbach (Bern) und des Friedrich Zimmerli von Brittnau (Aargau).

V e r s c h o b e n wurden folgende Traktanden: 'a11) Das Militärsteuergesez.'

2) Das Postregalgesez.

3) Die Abänderung des Posttaxengesezes.

4) Die Verschmelzung des Post- und Telegraphendienstes.

5) Die Organisation der Postverwaltung.

375 6) Die Motion des Hrn. Nationalrath S t ä m p f l i , betreffend den Modus der Berathung eidgenössischer Geseze.

7) Der Rekurs von Peter Dahinten.

8) Der Nachtdienst der Telegraphenbüreaux.

9) Die Verbesserung der Telegraphenlinien.

Z u r ü k g e z o g e n wurde der Rekurs der Regierung des Kantons Tessin, betreffend kantonale Konsumosteuer auf eingeführte Eisenbahnmaterialien.

An den Bundesrath sind zur g e n a u e m U n t e r s u c h u n g zurükgewiesen worden: 1) Die Konzession für eine Eisenbahn von Vevey nach Palézieux.

2) Die Frage der Zurükziehung und Demonetisirung der Zwanzigrappenstüke. .

i Der diesfalls vom Nationalrathe am 11. und vom Ständerathe am 17. September gefaßte Beschluß lautet also: ,, Der Gegenstand wird an den Bundesrath zum Zweke genauerer Untersuchung zurükgewiesen, und zwar in dem Sinne : a. daß in dem Beschlußentwurf über die Fristen und die weitern Modalitäten bestimmtere Angaben gemacht werden; b. daß zugleich mit der Vorlage über Rükziehung der Zwanzigrappenstüke Vorschläge zur Ersezung des Münzstükes mit einem solchen von gleichem Werthe gemacht werden.a Zur B e r i c h t e r s t a t t u n g wurden an den Bundesrath gewiesen : 1) eine vom 17. September 1875 datirte Petition des T h i e r s c h u z v e r e i n s B e r n , betreffend den Transport der Lebwaare auf den Eisenbahnen; 2) ein Rekurs von Martino Mar ti n on i von Minusio (Tessin) vom 5. September. 1875 gegen den Bundesrathsbeschluß vom 29. Juli 1875, betreffend die Großrathswahl für den Bezirk Navegna.

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Vom Nationalrath sind folgende P o s t u l a t e beschlossen worden : a. Am 17. September, in Folge der Motion des Hrn. Nationalrath C h a u s s o n : ,,Der Bundesrath ist eingeladen, dafür zu sorgen, daß die Post die Bestellung von gerichtlichen Vorladungen und Aktenstüken überhaupt im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft übernehme."

b. Am 17. September, in Folge der Motion des Hrn. Nationalrath L a m b e l e t : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, zu prüfen, ob man nicht den Fischlaich gegen einzelne Thiere des Hühnerhofes schüzen und bejahendenfalls angemessene Bestimmungen zu diesem Zweke erlassen sollte.

Von der von Hrn. Nationalrath Censi verlangten und vom Bundesrathe befürworteten Vorlage der Gesezvorlagen in italienischer Sprache hat der Nationalrath am 11. und der Ständerath am 17. September 1875 in genehmigendem Sinne Vormerkung genommen.

Die Begnadigungsgesuche von Moser und Zimmerli sind am 15. September von der Vereinigten Bundesversammlung abgewiesen worden.

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