#ST#

Schweizerisches Bundesblatf.

XXVII. Jahrgang. L

Nr. 11.

13. März 1875.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Pranken.

Ei n r ü k u n g sge b ü ir per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

# S T #

Bericht der

nationalräthlichen Kommission über die Botschaft und den Gesezesentwurf, betreffend Frachtverkehr der Eisenbahnen.

(Vom 8. März 1875.)

,,Die Vertragsfreiheit, welche allerdings im Allgemeinen jeder Gewerbetreibende -- und ein Solcher ist auch die Eisenbahn -- für sich beanspruchen kann, findet in der Vertrags-Unfreiheit, in welcher das Publikum der Eisenbahn in Bezug auf den Transortverkehr gegenübersteht, ihren Eegulator."

(Motive zum deutschen Reichsgesez-Entwurf.)

Um die Aufgabe, welche der vorliegende Gesezentwurf in dem Ganzen der schweizerischen Eisenbahngesezgebung und damit zunächst auch die mit der Prüfung desselben beauftragte Kommission zu erfüllen hat, zu präcisiren, wollen wir der Besprechung des Einzelnen einige a l l g e m e i n e B e t r a c h t u n g e n vorausschiken.

Der erste Blik sei der Schweiz. Eisenbahngesezgebung selber gewiedmet, da der Entwurf durch Artikel 38 des Gesezes vom 23. Dezember 1873 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen veranlaßt ist. Durch dasselbe ist die ganze Gesezgebuug nach zwei Perioden zu unterscheiden, von denen die erste von den.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd.I.

28

318 ersten Erlassen über die Eisenbahnen in der Schweiz bis zu dem erwähnten Geseze geht, die zweite dieses Gesez und die darauf gestüzten weitern Erlasse der Behörden umfaßt. Das Characteristische dieser Perioden liegt darin, daß in der ersten das Konzessionsrecht den Kantonen, in der zweiten dem Bunde zusteht, wodurch es auch erklärt, aber nicht gerade nothwendig gewesen ist, daß sich die eidg. Gesezgebung in engen Schranken bewegte.

In die , er s te P e r i o d e gehören, abgesehen von den ersten Zuweisungen an den Bundesrath zur Veranlaßung von technischen Untersuchungen u. s. w. vom 18. Dezember 1849: Das Gesez vom 1. Mai 1850 betreffend die Verbindlichkeit zur A b t r e t u n g von Privatrechten (N. 0. S. I. 319j; Das Gesez vom 28. Juli 1852 über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen im Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft (N. 0. S. Hl. 170) nebst den hierauf bezüglichen Bundcsbeschlüsscn über Zollbefreiungen.

Insbesondere auf das Gesez vom 28. Juli 1852 gcstüzt hat der Bundesrath folgende V e r o r d n u n g e n erlassen: am 9. August"l854 (N. 0. S. IV. 327) über die t e c h n i s c h e E i n h e i t im schweizerischen Eisenbahnwesen; am" 11. Augstrnonat 1858 (N. 0. S. VI. 74), betreffend die A n s c h l u ß v e r h ä l t n i s s e der Schweiz. Eisenbahnen; diese leztere Verordnung war übrigens erlassen worden gestüzt auf einen Bundesbeschluß vom 30. Juli 1858 über den gleichen Gegenstand (N. 0. S. VI. 51).

Diesen Gesezen und Verordnungen sind jevveilen lebhafte Diskussionen in den Behörden und in der Presse vorausgegangen, auf die einzutreten nicht in unserer Aufgabe liegt; wir begnügen uns mit der Bemerkung, daß in jenen die Intervention des Staates, resp. der Gesezgebung auf ein Minimum reduzirt ist.

Die z w e i t e P e r i o d e wurde durch das Bundesgesez vom 23. Dezember 1872 inaugurirt. Mit demselben sind die staatlichen Hoheitsrechte in weitem Maße auf den Bund übergetragen und zugleich die Befugnisse der Gesezgebung erweitert worden. Indem wir die dem Bundesrathe übertragene Kontrole der Tarife (Art. 35), die Genehmigung der Transportrcglemente (Art. 36), sowie die Errichtung eines besondern Eisenbahnamtes (Ges.' 22. Jan. 1874) übergehen, erwähnen wir die besondern Aufträge an die Gesezgebung: Art. 11 schreibt ein Bundesgesez über die Bestellung uud Geltendmachung von P f a n d r e c h t e n vor; es ist am 24. Januar 1874 erlassen worden (A. S. n. Flg. I, 121).

319

Art. 38 verlangt Bestimmungen durch die Gesezgebung über die R e c h t s v e r h ä l t n i s s e d e s F r a c h t v e r k e h r e s u n d d e r S p e d i t i o n auf Eisenbahnen und auf andern vom Bunde konzedirten oder von ihm selbst betriebenen Transportanstalten, ferner über die Verbindlichkeit der genannten Transportanstalten für die beim Bau und Betrieb herbeigeführten T ö d t u n g e n und Verlezungen.

Uns liegt insbesondere die Prüfung des Gesezesvorschlages ob, welcher im ersten Theile von Art. 38 verlangt ist, indem für den Gesezesvorschlag über Haftbarkeit der Eisenbahnen bei Tödtungen und Verlezungen eine besondere Kommission besteht. Auch ist in parlamentarischer Beziehung zu bemerken, daß die Priorität über das Gesez, welches uns zu berathen obliegt, dem Ständerath zugestanden hat, so daß wir im Stande sind, die dort gewonnenen Resultate und vertheidigten Ansichten mit unsern eigenen Anschauungen in Berathung zu ziehen. Das dießfällige Material ist ein sehr großes, indem von Seite der ständeräthlichcn Kommission die Berichte einer Mehrheit und zweier Minderheiten gedrukt vorliegen; der Bundesrath hat überdieß seine Botschaft mit vielerlei Eingaben von Seite der Eisenbahnverwaltungen und Handelskammern, mit Rechtsschriften und zur Vergleichung dienenden Gesezen und Gesezesentwürfen benachbarter Staaten begleitet.

In Betrachtung all dieser Berichte u. s. w. wollen wir zunächst die F r a g e des E i n t r e t e n s erörtern und die Gesichtspunkte beleuchten, von denen aus sie beantwortet werden kann.

Und zwar wollen wir es thun, ohne auf den Art. 38 zu starkes Gewicht zu legen, weil wir der Ansicht sind, daß ohne denselben das Gesezgebungsrecht begründet werden kann, und weil wir auch glauben, daß auch andere Gebiete herbeigezogen werden können, sobald die Nothwendigkeit hiefür vorliegt.

Die N o t h w e n d i g k e i t , daß die Gesezgebung intervenire, finden wir in erster Linie im Umstände, daß im Transportverkehr Verhältnisse vorliegen, die zu Streitigkeiten und Rechtsfragen unter den Betheiligten Veranlaßung geben können. Diesen Gedankengang weiter verfolgend, fragen wir, ob es rechtmäßig und zwekmäßig sei, die Normirung einem der betheiligten Theile, der durch sein Interesse geleitet ist, zu überlassen? Wir sagen nein und glauben, daß, wenn nicht verschiedene kantonale
Eifersüchteleien daxwischen getreten wären, die Kantone es nicht zugelassen hätten, daß die Gerichte, mit Hintansezung der bürgerlichen Gesezbücher, die Transportreglemcnte der Eisenbahnen als ausschließlich maßgebend hätten anwenden können. Wenn der Staat jezt gesez-

320

gebend intervenir!:, so macht er von einem Rechte Gebrauch, das er nie hätte außer Acht lassen sollen.

Daß der B u n d nun dieses Recht ausübe, ist selbstverständlich ; es sprechen die Sache und formale Kompetenzen hiefür: die Sache, indem die Eisenbahnen, resp. ein einzelner Trausport eine Vielheit von Kantonen berühren; es wird ja sogar von der Schaffung eines internationalen Rechtes gesprochen. Mit Rüksicht auf die formalen Kompetenzen stehen wir vor einem Stüke Rechtseinheit, das wir in der Schweiz um so besser mit vereinten Kräften behandeln können, als die einschlägigen Rechtsverhältnisse ganz in das Gebiet des dem Bunde zugewiesenen Obligationenrechts gehören, und weil wir ferner nur selten solchen Fragen begegnen, zu deren Lösung germanische und romanische Rechtsanschauung in verschiedener Weise mitwirken. Die Schweiz. Gesczgebung kann also mit vereinten Kräften ein gutes Werk schliffen; thun wir es, das ganze Land wird damit zufrieden sein. Wir schaffen auf einem ausgedehnten Verkehrsgebiete R e c h t s s i c h e r h e i t und damit werden auch die Interessen der zunächst botheiligten Eisenbahngesellschaften nur gehoben. Diese Rüksicht scheint uns auch durchschlagend zu sein gegenüber der Meinung, daß die Gesezgebung die Materie des Transportverkehrs auf. den Eisenbahnen nicht vor, sondern mit dem gesammten Obligationenrecht behandeln solle, abgesehen von der Ungewißheit über die Zeit, in der das leztere zur Verhandlung und Geltung gelangen wird.

Zwar hat sich dieser Anschauung in der neuesten Zeit die entgegengestellt, welche mit Rüksicht darauf, daß ein i n t e r n a t i o nales R e c h t geschaffen werden will, die eidg. Gesezgebung thätig zu sein, hindern zu müssen glaubt. Wir sind dieser Ansicht nicht.

Wenn wir durchaus nicht verkennen wollen, daß mit Rüksicht auf ihre Situation, speziell ihrer Eisenbahnen, die Schweiz an den Resultaten der Gesezgebung der benachbarten Staaten wird participiren müssen, '-- wenn wir den Werth der Anregung zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen der Schweiz mit andern Staaten durchaus nicht bestreiten wollen, -- eine Anregung, welche dem anerkennenswerthen Vorgehen der HH. Rechtsanwälte Dr. Christ in Basel und de Seigneux in Genf zu verdanken ist, so halten wir der Anregung gegenüber die Pflicht der Schweiz. Gesezgebung, auf dem Territorium der Schweiz
Recht zu schaffen, aufrecht. Und zwar um so mehr, weil wir nach den Mittheilungen, die der gegenwärtige Chef des Eisenbahn- und Handelsdepartements im Schöße unserer Kommission gemacht hat, bezweifeln müssen, daß das internationale Recht in ganz naher Zeit geschaffen sein wird. Den

321 auch vertheidigten Gedanken, daß die Schweiz. Gesezgcbung nur auf den internen Verkehr, nicht aber auf den internationalen Verkehr Anwendung finden möge, muß zurükgewiesen werden. Die Gründe, die theoretische und practische sind, können in der Diskussion auseinandergesezt werden.

Mit dieser Betrachtung gelangen wir nun zur zweiten Frage, die sich unmittelbar einstellt, nachdem wir die über das Eintreten beantwortet haben. Wir fragen uns nämlich, in welchem Umfange die Gesezgebung thätig zu sein habe, und haben deßhalb von der ganzen Oekonomie des Gesezes zu sprechen, wie es vom Bundesrath vorgelegt ist, sowie von den Verschiedenheiten, welche sich zwischen dem Entwurfe des Bundesrathes und dem Beschlüsse des Ständerathes befinden. In dieser Beziehung ist bezüglich der Natur der Sache, über welche man legisferiren will, zu bemerken, daß es sich um ein V e r t r a g s v e r h ä l t niß handelt, und daß man daher theoretisch über die Personen, welche den Vertrag abschließen, und über die Sachen., Modalitäten und Folgerungen des Vertrages g O O Bestimmungen aufstellen kann. Wir haben demnach nur einen Theil des Obligationenrechtes vor uns, der aber in Wirklichkeit einen großen Plaz im Verkehre der Einzelnen und der Nationen einnimmt. Eine besondere Komplikation liegt darin, daß Solche an den Folgerungen des Vertrages betheiligt werden, welche ursprünglich beim Vertragsabschluß nicht anwesend sind. Wie sind solche Substitutionsverhältnisse zu beurtheilen? Ueberdieß sind einzelne besondere Bestimmungen über Beweis- und Prozeßführung herbeigezogen.

I.

Wer soll dem Geseze unterworfen sein? Wenn man darauf die Antwort ertheilt, daß es die den Frachtvertrag abschließenden Parteien sind, so ist damit zu viel und zu wenig gesagt; zu viel: weil das Gesez nicht den Frachtvertrag im Allgemeinen betrifft, sondern nur die Frachten (Transporte und Speditionen), welche von bestimmten Transportanten ausgeführt werden; es sind die E i s e n b a h n e n , welche auf schweizerischem Gebiete Waaren empfangen, transportiren, resp. spediren und abgeben. Das Gesez ist demnach ein Spezialgesez. In Gewärtigung eines allgemeinen Gesezes über Handels-, resp. Obligationenrecht wird eine Transportart herausgegriffen, und das Gesez normirt für diese besondere Transportart die Rechtsverhältnisse. Das Gesez enthält daher

322

zweifache Bestandtheile : solche, welche eigentlich in ein allgemeines Gesez gehören und über den Frachtvertrag und über die daraus entspringenden rechtlichen Verhältnisse Bestimmungen aufstellen, und solche, welche speziell den Transport durch die Eisenbahnen betreffen. Es ist nothwendig, auf diese verschiedenen Bestandtheile aufmerksam zu machen, um die Vorschriften des Gesezes an und für sich, sowie die daherigen Diskussionen und die vielfachen Berichte zu verstehen.

Wegen dieser Natur weifen wir nun die Frage auf, ob dio Erlassung eines Spezialgesezes gerechtfertigt sei, und beantworten dieselbe aus folgenden Gründen bejahend. Zuerst ist der durch die Eisenbahnen bewerkstelligte große Verkehr sehr augenfällig; sie vermitteln, besonders auf den ehemaligen großen Handelsstraßen des Kontinentes, denselben wiederum fast ausschließlich. Und wie der Verkehr im Allgemeinen seit den legten zwanzig Jahren erheblich zugenommen , so ist auch die Benuzung der Eisenbahnen eine größere geworden. Ein Spezialgesez für den Transport der Eisenbahnen hat daher nicht einen winzigen Bestandtheil des Verkehres, sondern einen großen Umfang desselben zum Gegenstände, obwohl aufmerksam gemacht werden muß, daß gerade nach den Berichten der Eisenbahngesellschnften selber die Entschädigungssummen nicht große genannt werden können. Wir betonen dieses noch aus dem Grunde, weil die auch geäußerte Redensart, daß das aeue Gesez die schweizerischen Eisenbahnen in ihrer Existenz bedrohe, von anderer Seite und gerade vom juristischen Standpunkte aus als eine einseitige bezeichnet wird.

Weniger in die Augen fallend, aber recht eigentlich vcranlaßend ist der zweite Grund, der nämlich, daß die EisenbahnGesellschaften einseitig als Vertragsbestimmungen Normen aufstellen, wodurch sie sich der Verantwortlichkeit, welche das Frachtverhältniß mit sich bringt, entschlagen, sei es, daß sie bestehenden gesezlichen Vorschriften durch ihre Transport-Reglemente derogiren wollen, sei es, daß sie ergänzend eingreifen, wo gesezliche Bestimmungen nicht bestehen.

Daß solche gesezliche Bestimmungen über den Frachtverkehr im Allgemeinen in der Schweiz nur sparsam bestehen, ist bekannt, sowie daß solche für den Frachtverkehr der Eisenbahnen gar nicht vorhanden sind. Daß aber ger.tde hiefür gesezliehe Bestimmungen nothwendig sind, erläutern die
Motive zum Entwurfe eines deutschen Reichs-Eisenbahn-Gesezes sehr gut. Wir führen sie noch aus dem Grunde wörtlich an, weil wir mit denselben eine besondere gesezliche Vorschrift über die Ausdehnung des Frachtvertrages rechtfertigen wollen.

323 ,,Die große, in der Natur der Sache begründete Verschiedenheit des Eisenbahn-Transportwesens von dem gewöhnlichen Frachtgeschäft ist zu offenliegend und zu häufig bereits der Gegenstand der öffentlichen Diskussion in Rede und Schrift gewesen, als daß es noch eines Weiteren hierüber bedürfte.

Aus dieser Verschiedenheit wird ebenso von der einen Seite, nämlich von den Eisenbahnen, die Notwendigkeit freier Autonomie für die Transport-Bedingungen, als von der andern Seite und zwar insbesondere von dem Handelssfcande, die Notwendigkeit der Be-' schränkung derselben zu rechtfertigen gesucht.

Das Richtige dürfte auch hier in der Bütte liegen.

·o*Die Vertragsfreiheit, welche allerdings im Allgemeinen jeder Gewerbetreibende, -- und ein Solcher ist auch die Eisenbahn, -- für sich beanspruchen kann, findet in der Vertrags-Unfreiheit, in welcher das Publikum der Eisenbahn in Bezug auf den Transportverkehr gegenübersteht, ihren Regulator.

Diese Vertrags-Unfreiheit ist eine Folge des den Eisenbahnen für das Transportwesen zustehenden thatsächlichen Monopols, welches auf einem in die Eigenthumsrechtc Einzelner tief eingreifenden Privilegium beruht, und in seiner Ausübung von so weit tragender Wirkung ist, daß ein Gegenschuz für diejenigen nothwendig wird, welche dem Zwange des Monopols unterworfen sind.

Die Rüksicht auf das allgemeine Interesse berechtigt und verpflichtet die gesezgebcnde Gewalt, diesen Gegenschuz in dem Erlaß allgemeiner Vorschriften über das Transportwesen und die dabei den Eisenbahnen zustehenden Rechte, wie über die unabhängig von ihrem Willen ihnen obliegenden Verpflichtungen eintreten zu lassen.

Hieraus rechtfertigt sich die Beseitigung jeder Willkür der Eisenbahnen in der Annahme von Personen und Gütern, die Fixirung der Zeit, der Ausführung des Transports und die Regelung der Haftpflicht in Bezug auf Innehaltung dieser Zeit und Ablieferung des Gutes, sowie endlich das Verbot und die Ungültigkeits-Erklärung aller im Gesez bezw. den Reglements nicht ausdrüklich gestatteten bezw. auf Umgehung der bestehenden Vorschriften abzielenden Erklärungen und Vereinbarungen.tt Diese Motive würden die Herbeiziehung e i n e s bestimmten Theiles unter die Vorschriften des Frachtvertrages rechtfertigen.

Damit ist aber die ursprünglich gestellte Frage, wer dem Geseze zu unterstellen sei, nicht
erschöpft. Dieses zieht nämlich zur Verantwortlichkeit nicht nur speziell die Verwaltung oder Gesellschaft der Eisenbahn, welche das Gut zur Spedition übernommen, i. e.

324

den Frachtvertrag abgeschlossen hat, herbei, sondern stellt unter die Konsequenzen des Vertrages alle Schweiz. Eisenbahnen, welche sich mit dem Transport gemäß des ursprünglichen Frachtbriefes zu befassen hatten. Die hiedurch entstehenden R e g r e ß fr a g e u wollen wir bei diesem Aulaße nur andeuten, sowie auch auf den speziellen Umstand verweisen, daß von Seite der Eisenbahnen der Frachtvertrag, mit andern Worten die Spedition eines bestimm teil Gutes nicht abgelehnt werden darf. Die Freiwilligkeit zur Eingehung des Vertragsverhältnisses ist dadurch ausgeschlossen. Deßhalb ist es nothwendig, daß die Voraussezungen, sowie die Folgerungen des Vertrages durch das Gesez deutlich und bestimmt normirt werden.

Damit werden wir aber auf den andern Theil, der mit der Eisenbahn einen Vertrag abschließt, hingewiesen. Derjenige, welcher der Eisenbahn ein Gut zur Spedition übergiebt, hat gewisse Formalitäten zu erfüllen, Fristen und Diligendoti zu beachten. Diese bilden den Umfang seiner Verpflichtung und die Erfüllung der leztera bildet den Ausgangspunkt, wenn er sein Recht, d. i. die Haftbarkeit der Eisenbahn, in Anspruch nehmen will. Die Erörterung des Details wollen wir jedoch auf später verschieben.

Hier ist jedoch noch der Ort, eine Verschiedenheit der Anschauung zwischen dem Bundesrath und dem Ständerath zu berühren. Der erstere schlägt nämlich vor, ein Gesez zu machen, das alle vom Bunde konzessionirten Ti'ansportanstaltcn und, wenn wir die Sache recht verstehen, auch die Post umfassen soll; der Stäuderath jedoch will nur ein Gesez betreffend den Transport der Eisenbahnen erlassen, wahrscheinlich, weil er glaubt, daß hiefür eine praktische, ja zwingende Nothwendigkeit vorhanden ist.

Die Verantwortlichkeit der Post wird durch das Postrcgalgesez normirt; die andern Speditionsarten bleiben wie bisher den Vorschriften der Kantone unterworfen, so lange die eidgenössische Gesezgebung nicht eingreift, resp. noch nicht erlassen ist.

n.

Was soll durch das Gesez normirt werden? In Beantwortung hierauf müssen wir zunächst wieder auf einen Unterschied aufmerksam machen, der zwischen dem Bundesrath und Ständerath besteht. Der erste hatte nur die G ü t e r (Waaren) im Auge und stellte deßhalb im Gesez als I. Titel Bestimmungen über den Frachtvertrag, seine Formalitäten und Konsequenzen voraus. Die Verantwortlichkeit umfaßte dann Verlust, Beschädigung (Havarie) und Verspätung; es folgten aus diesen Spezifikationen die Normen

325 für die Entschädigung, denen sich Bestimmungen über den Prozeßgang (Beweisführung, Vermuthungen, Verjährungen) anschlössen.

Der Ständerath geht in genauer Beachtung der Sachen, welche an der Eisenbahn practicirt werden, weiter, und zieht auch die Beförderung der P e r s o n e n in den Bereich des Gesezes, indem er argumentirt, daß außer Tödtungen und Verlezungen, worüber ein besonderes Gesez erlassen werden soll, noch andere Verhältnisse vorkommen können, welche dem Einzelnen Anlaß geben können, die Verantwortlichkeit der Eisenbahnen in Anspruch zu nehmen, und daß hierüber auch im Gesez über den Transport Bestimmungen aufgestellt werden müssen. Es ist eine Folge der AnschauungO des Ständerathes,J daß er die Vorschriften über den Frachtvertrag bis zum Abschnitt über die Beförderung von Gütern verschiebt und als allgemeinen Gesichtspunkt die B e f ö r d e r u n g im Auge behält. Die Beförderung ist eine solche von Personen und Sachen, und über beiderlei Objekte hat sich das Gcsez auszudehnen. Es ist nicht gleichgültig, zu bemerken, daß das deutsche Reichsgesez auch über beiderlei Objekte sich erstrekt. Solche sachliche Uebereinstimmungen sind nothwendig, resp. förderlich zur Herstellung eines internationalen Eisenbahnrechtes. Dem Geseze werden dann als allgemeine Bestimmungen solche über die Beförderung vorausgeschikt, welche nach der Geschäftsthätigkeit der Eisenbahnen als deren Verpflichtung hingestellt wird. Daraus ist gefolgert, daß Verlezungen des Gesezes den Anspruch auf Schadenersaz begründen.

Als Schluß der allgemeinen Bestimmungen wird die Haftbarkeit der Eisenbahn-Gesellschaften für ihre Angestellten, sowie für alle Personen ausgesprochen, dunen sie sich beim Transportgeschäft bedienen. Ueber die Rechtsnatur dieser Bestimmung wollen wir uns zur Zeit nicht aussprechen ; dagegen ist darauf aufmerksam zu machen, daß. eine solche Vorschrift Nothwendigkeit für die Vollziehung des Gesezes ist.

Vom gleichen Gesichtspunkte ausgehend bleibt es fraglich, ob nicht die Bestimmungen über höhere Gewalt und Beschränkung der Privatwillkür betreffend die Haftbarkeit hieher gehören, insbesondere Art. 49 über Réglemente, Publikationen und Vereinbarungen, welche die gesezliche Verantwortlichkeit ausschließen oder beschränken. Diese Bestimmungen betreffen die Personen ebensogut als die Güter.

Abgesehen von
dieser speziellen Frage betrachten wir die Anschauung des Ständerathes als die umfassendere und seine Anordnung des Stoffes als die richtigere, und kommen demnach zum Schluß, daß auf den Gesezesentwurf, wie er vom Ständerath.

326 vorgelegt wird, eingetreten werden soll. In der Motivirung wollen wir jedoch seine vielfachen Berichte (Mehrheit und zwei Minderheiten) nicht wiederholen, sondern sezen dieselben sowie die Botschaft des Bundesrathes als bekannt voraus; wir sagen dieses ausdrüklich mit Rüksicht auf Solche, welche die im gegenwärtigen Berichte gemachten Angaben unvollständig finden sollten.

m.

In der Besprechung der einzelnen Artikel müssen wir uns auf die bei der Berathung zu gebenden mündlichen Auseinandersezungen beziehen, um so mehr als der Ständerath die Priorität hatte. Allein auch die vom Ständeraths-Beschluß abweichenden Anträge der Kommission wollen wir nicht alle beleuchten, sondern uns auf diejenigen beschränken, bei denen eine Verschiedenheit iu der grundsäzlichen Anschauung gewaltet hat. Bei mehrern unserer Anträge war dieses nicht der Fall, sondern es wurde für die gleiche Sache ein anderer Ausdruk in möglichster Präzision und Kürze gesucht. Hie und da mußte man auch bestrebt sein, iu die beiden Redaktionen der deutschen und der französischen Sprache größere Uebereinstimmung zu bringen.

Mit dieser Bemerkung wollen wir die Besprechung des Art. l beginnen. Wir haben der französischen Redaktion den Vorzuggegeben, indem sie das ausgesprochene Prinzip viel anschaulicher an die Spize stellt und im Uebrigen viel weniger gewunden ist.

In der Sache selber sind die gleichen Meinungsverschiedenheiten in der "Kommission zu Tage getreten, welche sich auch im Ständerath ausgesprochen haben; freilich ist die Lösung des Ständerathes geradezu entgegengesezt ausgefallen. Es wurde vielmehr die Ansicht der ständeräthlichen Minderheit (Bericht Köchlin) adoptirt, welche die Verpflichtung zum Transport nur für den d i r e c t e u Verkehr aussprechen will. Freilich hat die Redaktion von konventionellem Verkehr nicht beliebt, weil dann die Anwendbarkeit des Gesezes zu sehr in den guten Willen der EisenbahngeseUschaften, d. i. des einen beim Frachtverhältnisse betheiligten Factors gelegen gewesen wäre. Allein hinwieder hat auch die Redaktion des Bundesrathes vom ^ r e g e l m ä ß i g e n 1 1 Verkehr seiner Unbestimmtheit wegen nicht beliebt.

Indem der Berichterstatter die Mehrheit ihre Anschauung selber vertheidigen lassen will, fügt er bei, daß er selber der Minderheit angehört, welche dem Ständerath beitreten will. Die Minderheit findet es ganz am unrechten Orte, wenn hier viel vom Transitverkehr und vom Regresse gegen auswärtige Gesellschaften

327

gesprochen wird; die Notwendigkeit hiefür bietet sich später dar, wo dann die ganze Frage im Zusammenhang und allseitig besprochen werden kann. Sie hält vielmehr dafür, daß jene Einwendungen hier aufgegriffen werden, um das richtige Princip nicht zum Ausdruk kommen zu lassen.

Was sie aber am Meisten abhält, mit der Mehrheit zu stimmen, ist der Umstand, daß sie dafür hält, es sei mit der Redaktion des ,, d i r e c t e n a Verkehres die Anwendbarkeit des Gesezes fast ebensosehr in den Willen der Eisenbahnen gelegt, wie bei der Redaktion, welche von Vereinbarungen spricht. Die Minderheit will ein Prinzip aussprechen und es dann den Gesellschaften überlassen, die zwekmäßigen Vereinbarungen zu treffen. Allein zuerst die Vereinbarungen eintreten lassen, heißt den Wagen geradezu umkehren. Was soll mit den Gütern für solche Gegenden geschehen, mit denen die Eisenbahnen einen directen Verkehr anzuknüpfen aus irgend einem Grunde von der Hand weisen? Wie ist das Publikum bestellt, wenn es Reklamationen infolge seines Verkehres von oder nach Außen anbringen will? Die Eisenbahn-Gesellschaften werden den ·D Transport nur. auf Grundlage von Frachtbriefen oder von sonstigen Verträgen übernehmen, mit denen sie die Haftbarkeit wegbedingen.

Wer soll dann aber den verantwortlichen Transport übernehmen, wenn es die Eisenbahnen 'nicht thun? Soll man etwa einen Frachtführer mit Roß und Wagen aufsuchen, dem die Eisenbahnen das Geschäft so gründlich ruinirt haben?

/war im Umfange nicht so wichtig, aber im Prinzip ebenso unrichtig ist die von der Mehrheit in Ziffer 2 angebrachte Modifikation, wornach wiederum die Anwendung des Gesezes in das einseitige Urtheil der Eisenbahn-Gesellschaften gelegt ist.

O O o Ziffer 4 ist besser hier angebracht, als beim Klagrecht, was auch eine Ansicht gewesen ist. Diese Bestimmung gehört zum Transport; sie ist eine Voraussezung des Frachtgeschäftes.

Daß das lezte Lemma zum Falle gekommen ist, ist eine Folge verschiedenartiger Anstrengungen.

Die Minderheit wollte es schon O O O bei der allgemeinen Fassung des ersten Alinea nicht zulassen; für die Mehrheit hat es nach der beschränkten Redaktion keine große Bedeutung mehr.

Der 4. Artikel, mit dem der Abschnitt ü b e r die B e f ö r d e r u n g der P e r s o n e n beginnt, enthält die Bestimmungen, nach denen für Verspätungen eine
Ersazpflicht besteht. Abgesehen von einzelnen Redaktionsveränderungen sind zwei Verhältnisse zu besprechen.

Während der Grundcharakter der ist, daß nur bei b e s o n d e r n Verumständungen eine Reklamation zuläßig ist, will eine Minderheit

328 eine größere Verantwortlichkeit aussprechen, die nach dem Entwurf (Art. 5) nur in den Fällen der Arglist oder grober Fahrläßigkeit begründet sein soll. Diese Minderheit verlangt die Haftpflicht für jeden nachweisbaren weitern Schaden, als bloß (Ziff. 6) für den Ersaz der Auslagen. Sie findet es namentlich gegenüber auswärtiger Gesezgebung und Gerichtspraxis für sehr beschränkend, eine über den Ersaz der Auslagen hinausgehende Reklamation nur in den Fällen von Arglist oder grober Fahrläßigkeit begründet /u erklären und könnte sich deßhalb auch der Ansicht anschließen, welche die bezügliche Modifikation in Art. 5 vorlegen will. Sie findet es ferner als eine zu weit gehende Beschränkung, die im 2. Lemma von Seite 4 enthaltene Ausnahme ganz in das Betriebsreglement der Eisenbahn-Verwaltungen zu legen.

Obschon o O o jenes Reglement vom Bundesrath zu genehmigen ist, so hat es doch eine zu geringe Verbreitung, um vom Bürger gekannt zu sein. Die im Geseze ausgesprochene Beschränkung ist vorzuziehen, d. i. die Bezeichnung bestimmter Züge, wie die Vcrgnügungszüge.

Es ist selbstverständlich, daß die Einschränkungen, welche der Bundesrath den Gesellschaften gestattet, bekannt gemacht werden müssen, sowie auch, daß sie unter Urnständen eine Ermäßigung des Fahrpreises zu involviren haben werden.

Mit Art. 8 beginnen wir die Besprechung der B e f ö r d e r u n g d e r G ü t e r und zwar wird derselben die Anschauung unterstellt, daß dieselbe in Folge eines abgeschlossenen Frachtkontractes geschieht. Dabei ist verstanden, daß mit der Uebergabe der Güter zur Beförderung unter Erfüllung bestimmter Formalitäten der Frach tk o n t r a c t abgeschlossen sei. Diese Formalität ist der Frachtbrief, welcher als gegenseitig Beweis bildend angesehen wird. Wenn die.

Kommission den am Schluß des Art. 8 aufgestellten Vorbehalt streichen will, so will sie damit den darin enthaltenen Gedanken nicht ausschließen, hält aber die Erwähnung für überflüssig.

Da in Abwesenheit eines anderweitigen eidgenössischen Gesezes über den Frachtvertrag die Formalitäten, welche Rechte und Pflichten bilden sollen, nicht bekannt sind, so entschied sich die Kommission für grundsäzliche Beibehaltung des Art. 9 gegenüber der Ansicht, welche die Vorschriften über den Frachtbrief dem Betriebsreglement überlassen wollte. Immerhin hat sie geglaubt,
das Wesentliche vom Unwesentlichen ausscheiden und jenes ergänzen zu sollen. Deßhalb hat sie geglaubt, die Angabe, ob eine Spedition in Eilfracht oder in gewöhnlicher Fracht zu geschehen habe, aufnehmen zu sollen, obschon in der Praxis schon durch die andere Beschaffenheit der Frachtbriefe auf den Unterschied aufmerksam gemacht werde; nach der gleichen Auffassung sollen die Bestimmungen

329 der Ziff. 9 und 10 dem Betriebsreglement überlassen werden, da ja überdieß dieses ohnehin in den Fall kommen werde, unter Umständen Partikularbestimmungen aufzuweisen.

Zu einer Unterscheidung in Mehrheit und Minderheit der Kommission hat Ziff. 5 und § 11 Anlaß gegeben, indem die cratere don Ladeschein im internen Verkehr beseitigen will, während die Minderheit glaubt, daß über diese Frage kein Frachtgesez entscheiden O l O ö solle, sondern der Handelsgebrauch, an den sich das Frachtgesez anzulehnen habe. Immerhin kann die Ansicht nicht außer Acht gelassen werden, daß im Falle einer Aufnahme das Gescz über Definition des Ladescheines, über dessen Cession u. s. w. ausführlichere Bestimmungen enthalten müsse; deßhalb wurde im zweiten Lemma des Art. 11 eine Fassung gewählt, welche die Verantwortlichkeit der Eisenbahnen bei der Existenz von Ladescheinen, die vom externen Verkehr her kommen mögen, beschränkt.

Der Art. 10 wurde in der rechtlichen Auffassungo anders geo halten und für die thatsächliche Manipulation, wurde bestimmt, daß der Uebergeber des Frachtgutes allfällige Duplicate selbst abzufassen und sodann der Transportant sie nur zu bescheinigen habe; man hat befürchtet, daß die Redaktion des Ständerathes zu einer andern Auslegung Anlaß geben könnte, was unter Umständen zu bedauernswerthen Verzögerungen im Verkehre führen müßte.

Die Divergenzen zu Art. 12 werden besser der mündlichen Erörterung vorbehalten; hier genügt die Angabe, daß über Beibehaltung oder Streichung des vierten Alinea in der Kommission eine Mehrheit und eine Minderheit besteht.

Obschon im dritten Lemma des Art. 13 nur eine Verdeutlichung vorhanden zu sein scheint, so muß die RedactionsveränderungO doch in's Auge gefaßt werden,i weil es sich um eine über die o O Person des Versenders hinausgehende Verantwortlichkeit handelt.

Sie könnte unter Umständen zu Fährlichkeiten führen, wenn> sich der Versender nicht durch das Duplicat des Frachtbriefes schüzen könnte, wo allfällige Bemerkungen angebracht werden müssen.

Im II. Abschnitte, der über die R e c h t e und P f l i c h t e n bei Vollziehung des Frachtkontractes handelt, wollen wir über die Rédactions Veränderung bei Art. 14 als leicht verständlich hinwegeilen, um bei der Erörterung über das von der Kommission in den Artikeln 15 und 31 aufgestellte System uns etwas
länger aufhalten zu können.

Bei der Frage über die Verfügungsbefugniß des Absenders über das von ihm bereits abgesendete Gut fand sich die Kommission vor die verschiedenen Anschauungen des deutschen und des

330

französischen Rechtes hingestellt; da ja nach übereinstimmender Ansicht die bestehenden Rechtsverhältnisse zwischen Absender und Empfänger durch die Bestimmungen über den Frachtvertrag nicht normirt werden sollen, so entschied sich die Kommission für ein System, das die Frage der Klageanhebung auf einfache Rechtsgrundsäze zurükführt und auch für die Transportanstalt in Bezug auf ihre Verantwortlichkeit bei veränderten Directionen in der Spedition des Gutes durch Einfachheit sich auszeichnet. Gerade von der germanischen Anschauung ausgehend, aber in einer andern Auffassung, wenn der rechtshistorische Ausdruk von der gewere in diesem Berichte erlaubt ist, kam man zu der Ansicht, daß der Theil über das Gut verfüge, der im Bêsize ist. Wenn daher der Absender noch ein Verfügungsrecht behalten will, so hat er im Frachtbriefe ausdrüklich anzugeben, daß das Gut auf seine Rechnung und Gefahr reise; thut er es nicht, so ist der Empfänger berechtigt, Weisungen zu ertheilen und über das Gut zu verfügen.

Man kann allerdings sagen, daß bei nicht nur in Consignation gegebenen, sondern bei wirklich verkauften Gütern gerade die Spedition auf Rechnung und Gefahr des Empfängers in der Mehrzahl deiFalle geschehe; daß es also im Willen des Verkäufers oder des Absenders liege, einen Kaufkontract einseitig zu brechen, wenn er sich im Frachtbrief ein Verfügungsrecht vorbehalte; allein wir erwidern darauf, daß diese vielleicht widerrechtlich vorgehaltene Verfügungüber das Gut nicht schlechter sei, bezüglich des Eigenthumsverhältnisses, als die gesezliche Präsumption, daß er in a l l e n Fällen verfügungsberechtigt bleibe. Der Vorbehalt wegen der Kosten und Gefahr ist um Nichts einseitiger und gefährlicher als die gesezl i c h e Dispositionsbefugniß, die ja auch mißbraucht werden kann.

Wir glauben im Gegentheil, daß unser System gerade auch in d i e s e r Beziehung das bessere sei, und weil es in a n d e r n Beziehungen, von denen wir auch sprechen werden, jedenfalls das bessere ist, so haben wir ihm den Vorzug gegeben. Diese andern Beziehungen sind die Vereinfachung gegenüber den transportirenden Gesellschaften und ebenfalls die Einfachheit, wenn es sich" um Reclamationen und Prozesse handelt. Wer ist hiezu befugt? (S 31).

Das System der Kommission, das wir Ihnen empfehlen, gibt folgende Antwort. Dasselbe wahrt die
Klagbefugniß, die legitimatio ad processum derjenigen Partei, welche das Verfügungsrecht über die Waare hat. Wer es hat, darüber spricht sich der Frachtbrief aus; er gibt dießfalls dem Richter die beste Wegleitung. Es ist der Empfänger, resp. Adressat, wenn im Frachtbrief der Versender sich das Klag- resp. Verfügungsrecht nicht dadurch ausbedungen hat, daß der Beisaz gemacht ist, daß das Gut auf Rechnung und Gefahr des Versenders reise. Oder in umgekehrter Sprech-

331 weise: der Versender hat das- Klagrecht nur dann, wenn im Frachtbriefe die erwähnte Klausel ausbcdungen ist.

Dabei verhehlt sich die Kommission nicht, daß es Fälle geben kann, in denen auch der andern Partei als der nach dem Frachtbriefe Berechtigten ein Klagrecht zustehen muß. Es sind dieses u. A. die Fälle, in denen das materielle EigenEigenthumsrecht die formelle Verfügungsbefugniß primirt, d. i. v o r g e h t . E i g e n t h u m s - u r n s recht wird sich gegen die formelle Befugniß dann geltend machen, wenn es gefährdet ist, resp. wenn der wirkliche Eigenthümer in Gefahr ist, Eigenthumnthum z u verlieren oder d e n Die Kommission will die Möglichkeit nicht ausschließen, daß das materielle Recht gewahrt werden könne; die Klagbefugniß soll deßhalb begründet sein. Allein, da man zum Voraus nicht wissen kann, .wer der wirkliche Eigenthümer ist, so hat sie das System der K a u t i o n e n beibehalten, nur die Rollen in umgekehrter Weise vertheilt, als es der Entwurf gethan hat.

Es bleibt nur die Kasuistik in der doppelten Richtung offen, daß ein Prozeß nicht geführt werde, oder daß für die gleiche Sache, resp. für den gleichen Reclamationsgrund zwei Prozesse geführt werden. Der erste Fall kann das gegenwärtige Gesez nicht berühren, indem es die Klagbefugniß, aber nichts Anderes, festzustellen hat; der zweite Fall wird in den Kautionen, resp. in den Prozeßkosten bei Ausgang des Prozesses das Gegengewicht finden; im Uebrigen will die Kommission der im Rathe eintretenden Diskussion nicht vorgreifen.

Kehren wir nun wieder auf die Reihenfolge des Entwurfes zurük. Aus § 15 erwähnen wir bloß noch die Streichung des lezten Sazes, der nach dem soeben auseinandergesezten Systeme der ,,Kommission den gleichen Grund zum Bestand nicht hat, übrigens sich an und für sich bestreiten läßt. Warum will man der Transportanstalt eine Rolle im Eigenthumsstreite der Parteien anweisen?

Der Inhalt der §§ 15 bis und ter braucht sich keiner Erörterung, sie sind durch den Wortlaut verständlich; § 15ter füllt eine Luke des Entwurfes aus; § 15bis will die Lieferfrist dem Betriebsreglemente wegen der Verschiedenartigkeit der Güter überlassen.

Die Abänderungen in § 16, 17, 19 sollen ihre Motivirung in der Diskussion finden; die Streichung im zweiten Saze des § 16 in Betreff des Ablaufes der Lieferfrist ist durch die
Schwierigkeit der Vollziehung au Stationen mit großer Waarenanhäufung motivirt; die Abänderungen in § 20 bezweken eine Verdeutlichung der Rédaction und eine Vereinfachung in der Berechnung; so auch die

332

Abänderung im ersten Lemma des § 22. Die Anbringung des vierten Lemmas, sowie der Zusaz im zweiten Lemma des § '23 in Verbindung mit der Streichung von § 24 wird damit begründet, falsche Werthdeclarationen nicht zu begünstigen. Das Weitere mag in der Diskussion gesagt werden. Als Vertreter der Minderheit fügt der Berichterstatter bei, daß er die von der Mehrheit angeführten Gründe nicht für so gewichtig ansieht, um nicht dem Ständerath beistimmen zu können.

Die Streichung des § 28 ist erfolgt, weil die Kommission mit dem in den gestrichenen Säzen enthaltenen Entschädigungsanspruch nicht einverstanden ist, ganz abgesehen von einer schwer verständlichen Rédaction; durch die Aufnahme eiues hohen Normalsazes in Art. 22 scheint uns den Wünschen des Handelsstandes in weitgehender Weise Rechnung getragen zu sein.

In § 29 hat die Minderheit nicht zum Zusaze : ,,sofern -- stattgefunden" gestimmt, weil sie im Mangel von genügenden Einrichtungen der Eisenbahnen keinen Entschuldigungsgrund gegen Entschädigungsansprüche erbliken kann. Es ist Sache der EisenbahnVerwaltungen, das Nöthige zu thun; das Publikum ist geschädigt genug, wenn es wegen Mangel an den nöthigen Wageinrichtungen an einer prompten Geschäfts besorgung gehindert ist.

Der § 30 enthält die Modalitäten, nach denen den Eisenbahnverwaltungen eine Beschränkung der Haftpflicht gestattet ist. Die Redactionsänderungen sind leicht verständlich. Zunächst beseitigte man die Spezificationen, weil man sie im Falle eines Prozesses für den Richter eher als verwirrend, denn als erläuternd betrachtete.

Die Aufnahme des vierten Alinea in Ziff. l in Betreff des Leccage erfolgte, um auf einige in der Kommission geäußerte Zweifel und Bedenken die bestimmte Antwort zu geben, daß Reclamationen, resp. Einwendungen wegen Leccage durch die gesezliche Bestimmung über Gewichtsmangel normirt seien. Hinwieder kann in dieser Beziehung gefragt werden, ob es nicht besser sei, wieder auf die Rédaction des Bundesrathes zurükzukommen, was eine Minderheit vorchlägt. Dieser will das Maximum des Prozentsazes eines entschuldbaren Gewichtsmangels in das G e s e z als eine feste Richtschnur sowohl für den Handelsstand -als die Transportanstalten aufnehmen. Die Mehrheit der ständeräthlichen Kommission ist der gleichen Ansicht gewesen, während im Rathe selbst der Antrag einer Minderheit
überwogen hat, welche die daherigen Bestimmungen dem Betriebsreglement überlassen will.

Wenn auch nicht geläugnet werden soll, daß in dieser Beziehung mit Zeit und Zufall viel gerechnet werden muß, so muß andererseits ausgesprochen werden, daß gerade in dieser Beziehung der

333

Handelsstand ganz besondern Schuz nöthig hat. Es ist unumgänglich nothwendig, daß die Eisenbahnverwaltungen den Wünschen des Handelsstandes Rechnung tragen und sie sollten nach einer im Schöße der Kommission geäußerten Ansicht eine Mehrausgabe nicht scheuen, wenn durch Vermehrung der Zahl oder durch Vergrößerung der Besoldung der Angestellten Abhülfe getroffen werden kann.

Der III. Abschnitt in der Beförderung von Gütern ist der über das Z u s a m m e n w i r k e n mehrerer Bahn V e r w a l t u n g e n bei einem Frachtverträge; derselbe ist von den Eisenbahnverwaltungen besonders hart angegriffen worden, als ob durch denselben eine Ungerechtigkeit begangen und der Transitverkehr der schweizerischen Eisenbahnen sehr gefährdet würde. Wir haben diese Klagen besonders geprüft, indem wir den Vorwurf der Ungerechtigkeit, der dem Gesezgeber gemacht wird, als einen solchen betrachten, der abgewälzt werden muß; wir haben aber gefunden, daß derselbe, was die Rechtsgrundsäze betrifft, unbegründet ist und daß das, was über den gefährdeten Transitverkehr gesagt wird, nach der juristischen Auffassung der Mehrheit der Kommission nur aufMissverständnißß beruhen kann.

Allerdings wird eine gewisse S o l i d a r i t ä t begründet; das Gesez dehnt seine Wirkungen auf solche Bahnverwaltungen, welche nicht zum Vertrag, wohl aber am Transport mitgewirkt haben, aus.

Allein wir werden sehen, daß die Solidarität ihre Wirkung in sehr untergeordneter Weise in m a t e r i e l l e r Richtung als vielmehr in p r o z e s s u a l i s c h e r Beziehung äußert, und zwar ist Dasjenige, was das Gesez aufstellt, als ein selbstverständliches M i n i m u m zum Schuze der Bürger, die man nicht, wie die Redensart lautet, vom Pontius zum Pilatus schiken kann. Hören wir, was in dieser Beziehung der Redactor des Entwurfes sagt (Fick, Motive S. 33): "Die ganz unbedingte, durch keinerlei Vorbehalte zu schmälernde Rükgriffspflicht im Sinne des 3. Sazes (Art. 32) trifft natürlich nur die auf Schweizerboden operirenden und verklagbaren Eisenbahnen, nicht aber auswärts zu verklagende Bahnen, Posten etc. und gewöhnliche, wenn auch im Inlande verklagbare Frachtführer und Spediteure. Um nicht etwas absolut Ungerechtes zu verfügen, mußten daher die B e s c h r ä n k u n g e n der S o l i d a r i t ä t (Saz 3, Art. 32, und Saz 3, Art. 33) angeordnet
werden. Dem Interesse des Publikums dürfte dadurch genügend Rechnung getragen sein, daß die Beweislast dafür, daß wirklieh ein solcher Ausnahmsfall vorliege, in welchem die schweizerischen Transportanstalten den Vorschuß für den schuldigen Frachtführer etc. leisten müssen, ohne ihn wieder erlangen zu können, in vollem Umfange der Anstalt auferlegt wird. Die schweizerischen Eisenbahnen müssen.

Bundesblatt. Jahrg. XXVII. Bd.1.

29

334

daher dafür sorgsn, die betreffenden Beweismittel sich zu verschaffen. Sie sind auch im Falle, viel leichter dieses Bewcismaterial, fremde Geseze, Kantonalgeseze, Präjudizien etc. zu sammeln, als der Einzelne, und daher würde es sehr unbillig sein, wenn umgekehrt dem Einzelnen der Beweis auferlegt würde, daß in concreto der fragliche Rükgriff entweder unbedingt oder wenigstens unter Bedingungen, deren Erfüllung die Anstalt hätte bewirken sollen, gestattet sei. Zur Begründung der Ausnahme von der Solidarität gehört aber, daß der Begriff r e c h t l i c h unmöglich sei.

Es genügt nicht der Beweis, daß er wegen Insolvenz des Yor1 mannes factisch unmöglich sei."1 "o Daß der Bundesrath auf den Gedankengang des Redactors eingegangen ist, beweisen mehrere Stellen seiner Botschaft. Im Zusammenhang mit der Motivirung der Artikel über den regelmäßigen Verkehr sagt er: ,,Nach Art. 23 (seines Vorschlages, Art. 32 St. R.) haftet die schweizerische Eisenbahn, wenn wie ein Gut zur Weiterbeförderung auf einer auswärtigen Bahn übernommen hat, gleichviel ob sie dabei vermöge direkten Verkehrs das Gut auf Grund des ursprünglichen Frachtbriefes weiter giebt oder als bloßer Spediteur selbst einen Frachtbrief ausstellt, für die auf der folgenden Bahn vorkommenden Fehler und Unfälle nur insoweit, als ihr nach den Gesezen des Auslandes ein Regreßrecht zusteht, und sie dieses Regreßrecht nicht durch irgend ein Versäumniß verwirkt hat. Sie muß also materiell und abgesehen vom eigenen Verschulden nur für die Solvenz der auswärtigen Anstalt, mit der sie in einem regelmäßigen Fracht- oder Speditionsverkehr steht, gleichsam als Bürge und Selbstzahler einstehen." -- -- ,,Ihre Haftung, abgesehen von Insolvenz der nachfolgenden Bahn, ist somit eine rein f o r m e l l e oder eine selbstverschuldete, indem sie ja auf dem Regreßvvege, sofern sie diesen nicht durch eigene Schuld verwirkt hat, A l l e s das w i e d e r e r h ä l t , was sie dem Absender z a h l e n mußte."

Nicht anders ist die Auffassung in der Kommission des Stäuderathes gewesen. Die Kommission stellt folgende sechs- Säze auf, die sie als selbstverständliche volkswirtschaftliche Normen bezeichnet : 1) Die Transportanstalt, welche ein Frachtgut zur Beförderung übernimmt, haftet auch für diejenigen Transportanstalten, denen sie dasselbe direct oder indirect zur
Weiterbeförderung übergibt.

2) In gleicher Weise haftet die Transportanstalt, welche ein Gut dem Adressaten abliefert, für diejenigen Anstalten, von denen sie es direct oder indirect zur Weiterbeförderung übernommen hat.

335 3") Beide haben den Rükgriff auf die folgenden, beziehungsweise vorhergegangenen Anstalten.

4) Kann die Anstalt nicht ermittelt werden, unter deren Obhut der schädigende Unfall oder Fehler vorgekommen ist, so haften alle beim Transport thätig erwiesenen Anstalten im Verhältniß der Länge der Transportstrcke.

5) Abgesehen von diesem leztern Fall, beschränkt sich die Verantwortlichkeit einer Anstalt, unter deren Obhut die Schädigung n i c h t erfolgt ist, insofern sie keine Vorsichtsmaßregeln außer Acht gelassen hat, auf das Maß dessen0, was durch den Rükgriff erhältlich ist.

6) Abgesehen von dem in Saz 4 vorgesehenen Fall, hat also keine Transportanstalt eine Verpflichtung zum Ersaz desjenigen Schadens, der nicht auf der von ihr verwalteten Streke erfolgt ist, wenn sie denselben nicht durch Außerachtlassung einer Vorsichtsmaßregel mit verschuldet hat.

Wir halten diese Auffassimg des Gesezes für vollkommen richtig und entwikeln daraus, daß sich dasselbe auf das Territorium der Schweiz bezieht, wo es seine Souveränetät allein entfaltet. Hier thut es dasselbe im vollen Umfange und stellt die Sitze auf, nach denen die schweizerischen Eisenbahnen dem schweizerischen Expedienten oder dem s c h w e i z e r i s c h e n Empfänger vor dem s c h w e i z e r i s c h e n G e r i c h t e Rede zu stehen haben. Als schweizerische Eisenbahnen sind auch solche auf schweizerisches Gebiet auslaufende ausländische Eisenbahnen zu betrachten, die in Folge Konzession oder Vertrag in der Schweiz Gerichtsstand zu nehmen haben. Die Eisenbahn-Gesellschaften können die prozessualische Einlassung nicht ablehnen ; der Schaden ist nach schweizerischem Gesez zu ermitteln.

Dadurch, daß sie den Betrag, der ihnen zu zahlen auferlegt wird, um so viel reduziren können, als ihnen ein Regreß gegen auswärtige Bahnen nicht zusteht, ist der Gerechtigkeit vollständig Genüge geleistet. Eine Schädigung der Eisenbahn-Ver waltungen bei dieser stricten Interpretation wäre nur dann möglich, wenn nachgewiesen wäre, daß die schweizerischen Bahnen für ihre Transporte im Ausland größeren Entschädigungsansprüchen ausgesezt wären, als die ausländischen Gesellschaften, welche in Wirklichkeit den Transport effectuirt haben. Im Weitern könnten die Eisenbahn-Verwaltungen noch die Prätention haben, daß der schweizerische Kläger den Prozeß im Ausland
führe. Die Prätention aussprechen und sie verurtheileu, ist nach unserer Auffassung gleichzeitig geschehen.

Wo nun aber, da das Gesez so und nicht anders ausgelegt werden kann, eine Gefahr für den schweizerischen Transit liegen soll, daß die ausländischen Eisenbahnen die schweizerischen Eisen-

336

bahnen nicht mehr benuzen werden, wenn die ü b r i g e n Verhältnisse es gestatten -- oder wo für die schweizerischen Gesellschaften, indem sie für ausländische Eisenbahnen einen von diesen zurükzuerstattenden Schadensersaz zu leisten haben, das vermögen wir nicht einzusehen. Die daherigen Einwendungen gelten nach der Auf.

fassung mehrerer unserer Mitglieder daher nicht diesem s p e z i e l len Puncte, sondern dem g a n z e n Geseze und können daher keinen Einfluß ausüben.

Daß im Gegentheil der Entwurf des Gesezes, der in dieser Beziehung durch die parlamentarischen Verhandlungen gar nicht alterirt worden ist, als ein0 sehr billiger von den schweizerischen Eisenbahn-Gesellschaften begrüßt werden sollte, beweist der Entwurf des deutschen Reichs-Eisenbahn-Gesezes, der in den Motiven die in Ziff. 3 aufgestellte Negation als nicht annehmbar bezeichnet und beifügt: ,,Wie weit ergangene Entscheidungen für oder gegen die mitverhaftete Eisenbahn präjudizirlich sind, wird der richterlichen Beurtheilung nach der Lage des konkreten Falles überlassen bleiben müssen." Art. 49 ist deßhalb viel allgemeiner gefaßt und spricht ausdrüklich von außerdeutschen Eisenbahnen, unter Hinweisung von Art. 29. Der Berichterstatter, welcher bereits bei der buudesräthlichen Expertenkommission eine vom gegenwärtigen Entwurf abweichende Meinung vertheidigt hat, spricht die persönliche Ueberzeugung aus, daß die in §§ 32 und 33 niedergelegte bloß prozessualische Solidarität in materiell-rechtlicher Weise wird ausgedehnt werden müssen, und daß deßhalb sehr bald nach Erweiterung des Gesezes wird gerufen werden. In dieser Beziehung findet er auch, daß der von der Kommission eingeschobene Art. 331»13, der mit Art. 50 des deutschen Entwurfes identisch ist, im leztern viel passender ist, als im hierseitigen ; insbesondere muß die Frage aufgeworfen werden, welches die Verpflichtungen des Speditors seien. *) An diese allgemeinen Auseinandersezungen über die Solidarität der Haftpflicht könnten wir noch einige Bemerkungen über die einzelnen Redactionsänderungen zu § 32 u. ff. anschließen. Wir halten es jedoch für überflüssig. Mit Anschluß an das Gesagte dürften sie durch die Vergleichung mit dem ständeräthlichen Entwurf leicht verständlich sein.

Im Weitern fügen wir bei, daß wir die Bestimmungen des IV. und V. Abschnittes fast gar nicht
verändert haben, weil uns dieselben richtig erschienen sind. Wir glaubten auch, daß wir nur da Abänderungen vorschlagen sollten, wo wir andern Grundsäxen *) Wenn der Berichterstatter diese Aeußerungen macht, will er nicht unterlassen beizufügen, daß in der Kommission eine Minderheit besteht, ·welche -die Frage des Zusammenwirkens und der Haftung mehrerer Gesellschaften anders auffaßt.

huldigten oder wo es zum Zweke der Verdeutlichung nothwendig schien. Der Zwek der Verdeutlichung war uns auch beim VI. Abschnitt maßgebend, dem wir die Art. 47bis & ier anreih ten. Die im VII. Abschnitt zu § 48 Ziff. 2 vorgeschlagene Abänderung wird jedenfalls in der Diskussion zur Verdeutlichung kommen, indem die Frage entschieden werden soll, ob die Eisenbahnen auch für die von Reisenden in den Personenwagen an Mitreisenden veranlaßten Beschädigungen irgendwelche Haftbarkeit haben. Daß wir dem Art. 48 ein weiteres Alinea beifügten, in Betreff des Regresses, dürfte selbstverständlich sein, in welchem Sinne auch der Umfang der 'Haftbarkeit entschieden werden mag. Daß unter andern Voraussezungen ein Theil des Artikels, soweit er die Verantwortlichkeit wegen höherer Gewalt aufhebt, bei den allgemeinen Bestimmungen hätte angebracht werden können, haben wir bereits gesagt.

Ueber die Erweiterung in Art. 50 nur ein kurzes Wort. Sie betrifft den Beginn der Wirksamkeit des Gesezes und geht von der Voraussezung aus, daß schweizerische Eisenbahn - Gesellschaften zu ausländischen in Vertragsverhältnissen stehen, deren einseitige Abänderung nicht zwekmäßig sei. Die daherige Untersuchung dürfte dem Bundesrath nicht schwierig werden, da die Eisenbahn-Gesellschaften das Material zu liefern, resp. die Vertragsbestimmungen, vorzulegen haben, welche eine etwelche Modification in Betreff des Beginnes der Wirksamkeit des gegenwärtigen Gesezes wünschbar machen.

Schließlich benuzen wir den Anlaß zur Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 8. März 1875.

Im Namen der Kommission, Der Berichterstatter: Dr. Simon Kaiser.

Die Kommission bestand außer dem Berichterstatter aus den Herren : Haberstich.

Jolissaint.

Klein.

Weck-ßeynold.

Wirth-Sand.

Zemp. *) *) Mit Entschuldigung wegen Krankheit abwesend.

N o t e . Die Anträge der Kommission, gegenübergestellt dem ständeräthlichen Beschlüsse, werden den eidg. Käthen in besonderer Quartansgabe ausgetheilt.

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Freundschafts-, Handels- und Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Dänemark.

(Vom 23. Februar 1875.)

Tit.!

Die Anregung zum Abschlüsse von Verträgen zwischen der Schweiz und Dänemark ist von lezterm Staate ausgegangen. Bereits im Jahr 1864 hat Hr. F enger, dänischer Staatsrath, Abgeordneter zur Genfer Konferenz für die Verbesserung des Looses der im Kriege verwundeten Militärs, dem Bundespräsidenten eine Note des dänischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten überreicht, welche den Wunsch aussprach, mit der Schweiz Vereinbarungen betreffend kommerzielle, literarische und sociale Interessen abzuschließen, und anzeigte, Hr. Fenger würde beauftragt werden, mit der eidgenössischen Regierung in diesfällige Unterhandlungen zu treten. Dieselben fanden denn auch wirklich in Bern zwischen dem Bundespräsidenten und Hrn. Fenger statt. Es wurden die Grundzüge eines Handels- und Niederlassungsvertrags, eines Vertrags über schriftstellerisches und künstlerisches Eigenthum und endlich eines Ablieferungsvertrags entworfen.

Im Jahr 1865 gab die dänische Regierung die Absicht kund, die im vorhergehenden Jahre angeknüpften Unterhandlungen weiter O

ö

O

O

ö

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der nationalräthlichen Kommission über die Botschaft und den Gesezesentwurf, betreffend Frachtverkehr der Eisenbahnen. (Vom 8. März 1875.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1875

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.03.1875

Date Data Seite

317-338

Page Pagina Ref. No

10 008 532

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.