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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Staatsverfassung des Kantons St. Gallen.

(Vom 4. Oktober 1875.)

Tit. !

Die Regierung des Kantons St. Gallen hat uns mit Schreiben vom 20. September 1875 ein vom 10. Juni 1875 datirtes Verfassungsdekret Übermacht, wodurch die Artikel 108 bis und mit 114 der Verfassung dieses Kantons vom 17. November 1861 abgeändert worden sind, und das Gesuch gestellt, es möchte demselben gemäß Art. 6 der Bundesverfassung die eidgenössische Gewährleistung ertheilt werden.

Diese Verfassungsrevision ist am 12. September 1875 der Volksabstimmung unterstellt und von der Mehrheit der in den Bürgerversammlungen der sämmtlichen politischen Gemeinden des Kantons St. Gallen stimmenden Bürger, nämlich mit 17,059 gegen 15,192 Stimmen, angenommen worden. Dieses Verfassungsdekret lautet wie folgt: ,,Eilfter Abschnitt: ,, A n e r k e n n u n g der Geseze d u r c h das Volk.

,, N e u e r Artikel.

,,Alle Geseze, sowie diejenigen allgemein verbindlichen Beschlüsse des Großen Rathes, die nicht dringlicher Natur sind, sollen dem Volke

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zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn dies dreißig Tage nach der Bekanntmachung des Gesezes oder Beschlusses von sechstausend stimmfähigen B*ürgern durch schriftliches oder mündliches Begehren bei dem zuständigen Gemeindeamte oder durch Abzählung an einer Bürgerversammlung verlangt wird.

,,In diesem Falle soll nach Ablauf einer weitern Frist von dreißig Tagen inner den nächstfolgenden fünfzehn Tagen die Abstimmung über die betreffende Vorlage an einem und demselben Tage in obligatorischen Bürgerversammlungen der politischen Gemeinden stattfinden.

,,Die nähern Bestimmungen über das hiebei zu beobachtende Verfahren trifft die Gesezgebung."

Da diese Verfassungsabänderung von der Mehrheit der stimmenden Aktivbürger, welche an der Abstimmung vom 12. September 1875 Theil genommen haben, angenommen worden ist, so haben Landammann und Regierungsrath des Kantons St. Gallen unterm 20. September 1875 dieselbe als angenommen und als Bestandtheil der Kantonsverfassung vom 17. November 1861 erklärt.

Es ergibt sich aus dem Wortlaut obigen Dekretes, daß dasselbe nichts enthält, was mit der Bundesverfassung im Widerspruch wäre. Wir beantragen daher, daß dasselbe als Bestandtheil der St. Gallischen Verfassung anerkannt und daß demselben mit Genehmigung des folgenden Beschlußentwurfes die Gewährleistung des Bundes ertheilt werden möchte.

' Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 4. Oktober 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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(Entwurf)

Bimdesfoeschluss betreffend

Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Staatsverfassung des Kantons St. Gallen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vom 4. Oktober 1875 über ein vom 10. Juni 1875 datirtes Verfassungsdekret des Kantons St. Gallen behufs theilweiser Abänderung der dortigen Kantonsverfassung, in Betracht: daß diese Abänderung der Verfassung des Kantons St. Gallen nichts enthält, was mit den Bestimmungen der Bundesverfassung im Widerspruche wäre ; daß dieselbe in der Abstimmung vom 12. September 1875 von dem Volke des Kantons St. Gallen angenommen worden ist, beschließt: 1. Dem vorgelegten Verfassungsdekret des Kantons St. Gallen vom 10. Juni 1875 wird hiemit die Gewährleistung des Bundes ertheilt.

2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Bericht der

Minderheit der nationalräthlichen Kommission über den Rekurs des Anton Dupré in Pont-en-Ogoz, Kantons Freiburg, betreffend Bestrafung wegen Heiligthumsentweihung.

(Vom 10. September 1875.)

Tit. !

Die Minderheit Ihrer Kommission konnte die Anschauungen, wie sie Ihnen soeben vom Berichterstatter · der Kommissions-Mehrheit entwickelt worden sind, nicht theilen; sie steht ihrerseits auf dem Boden der bundesräthlichen Auffassung und stellt Ihnen daher den Antrag : Der Rekurs des Anton Dupré wolle als unbegründet abgewiesen werden.

Was zunächst den geschichtlichen und faktischen Theil der Angelegenheit betrifft, so ist Ihnen derselbe aus den Auseinandersetzungen des Mehrheits-Referenten bekannt geworden, und werde ich deßhalb, um Wiederholungen zu vermeiden, nur in so weit auf denselben zurückkommen, als es zur Entwicklung meiner Minderheits-Ansicht unumgänglich erforderlich ist. An die bezüglichen Eröffnungen anschließend, gehe ich daher sofort zur kurzen

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung einer theilweisen Abänderung der Staatsverfassung des Kantons St. Gallen. (Vom 4.

Oktober 1875.)

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Jahr

1875

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44

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09.10.1875

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447-450

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