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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Vorschläge zur Verbesserung der Telegraphenlinien.

(Vom 6. September 1875.)

Tit.!

Die Linienzustände sind einer der schwächsten Punkte des schweizerischen Telegraphenwesens. Es ist dies eine Thatsache, die schon längst von den mit der Leitung dieser Administration betrauten Persönlichkeiten erkannt wurde und die von jeher manche Sorge verursachte, weil, während einerseits die dringende Notwendigkeit erkannt wurde, Allem aufzubieten, um die Zahl und Dauer der Leitungsstörungen zu vermindern, sich andererseits das durch die Einnahmen beeinflußte und daher knapp zugemessene Budget einer durchgreifenden Reform entgegenstellte.

Was innerhalb der Grenzen des Budgets gethan werden konnte, geschah allerdings seit Jahren; eine Verbesserung um die andere trat ins Leben ; das zu den Linien verwendete Material steigerte sich seiner Qualität nach fortwährend; statt gewöhnlicher Tannenstangen kamen imprägnirte, statt naktem Draht von 3mm Dike galvanisirter von 3, 4 und 5mm Dike zur Anwendung; statt einfacher Glasisolatoren wurden solche von Porzellan, zum Theil mit Doppelgloken verwendet; die Telegraphendirektion arbeitete eine spezielle und detaillirte Instruktion über den Bau und Unterhalt der Linien

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aus, die allen mit diesen Arbeiten direkt betrauten Organen in die Hände gegeben wurde; im Jahre 1873 kreirten die eidgenössischen Räthe die Stellen von Inspektionsadjunkten, damit eine durchgreifendere Aufsicht der Linien ermöglicht werde.

Aber alle diese Maßregeln und noch mehrere andere, die im Lauf der Zeit ergriffen wurden, hatten keinen durchschlagenden Erfolg, weil das Pafsonal in quantitativer wie qualitativer Richtung mit den gesteigerten Anforderungen unserer in raschem Wachsthum begriffenen Verwaltung nicht Schritt gehalten hat.

Wenn man die lezten fünf Jahre mit einander vergleicht, so läßt sich nur eine ganz unbedeutende Verbesserung der Linienzustände nachweisen. Im Ja.hr 1870 zum Beispiel war jeder Kilometer Draht während 3,05, im Jahr 1873 während 2,63 Stunden gestört. Diese leztere Störungsdauer per Kilometer und per Jahr ist noch immer viel zu hoch und steht in keinem Verhältniß zu den Resultaten anderer gut organisirter Telegraphenverwaltungen.

Wir können solchen Zuständen nicht länger zusehen, sondern müssen auf die Ergreifung von Maßregeln Bedacht nehmen, die denselben einmal gründlich ein Eade machen, selbst wenn dadurch der Telegraphenverwaltung so erhebliche Kosten erwachsen sollten, daß die Einnahmen nicht mehr sämmtliche Ausgaben zu deken im Stande wären.

Eine eingehende Prüfung der Sachlage hat uns die Ueberzeugung aufgedrängt, daß namentlich die Linienüberwachung eine durchaus ungenügende ist, erstens, weil kein fixes Personal mit derselben betraut ist, zweitens, weil die gelegentlich zur Ueberwachung und Reparatur der Linien herbeigezogenen Arbeiter nicht das nöthige Verständniß für den Linienbau mitbringen. Es 'scheint uns daher in erster Linie nothwendig, ein Korps von 25 bis 30 tüchtigen Linienarbeitern heranzubilden und dieselben, nachdem sie in allen Theilen des Linienbaues gründliche Kenntnisse erlangt haben, als Linienmcister mit einer jährlichen Besoldung von Fr. 1500 bis Fr. 2400 je nach Leistungen, Dienstalter und Preisverhältnissen der bewohnten Gegend fix anzustellen und ihnen außerdem für jede Nacht, die sie außer ihrem Wohnort zubringen müssen, Fr. 3 Extraentschädigung zu gewähren. Diese relativ hohen Lohnansäze erscheinen uns nothwendig, um ein möglichst tüchtiges Personal heranzuziehen und bleibend an die Interessen der Verwaltung zu binden.

Das Korps
der Linienmeister fände eine dreifache Verwendung.

Einem Theil derselben würden die wichtigsten Linien unseres Nezes, wie z. B. Basel-Delsberg-Pruntrut, Luzern-Gotthard-Biasca (so lange

258 diese Linien nicht an die Bahn verlegt, werden), Luzern-BrünigInterlaken, Sierre-Brieg-Gondo, Chur-Splügen-Bellenz, Chur-Silvaplana-Castasegna, Silvaplana-Schuls, Chur-Flüelen-Süs etc. zur ständigen Aufsicht und Unterhaltung übergeben. Ein anderer Theil der Arbeiter würde mit der Leitung der Neubauten betraut, und der Rest hätte die sogenannten fliegenden Reparaturen derjenigen Linien zu übernehmen, die keiner ständigen Ueberwachung unterworfen sind.

Hinsichtlich der Linien längs Bahnen glauben wir, daß der mit den schweizerischen Bahnen unterm 12/15. Mai abgeschlossene Vertrag genügen dürfte, um diese Linien in einen befriedigenden Zustand zu bringen.

Außer der Anstellung der vorerwähnten Linienmeister betrachten wir die Anstellung zweier Linienkontroleurs am Size der Direktion als unerläßliche Notwendigkeit. Die Anordnungen nach Unten können nur dann vollständig verwerthet werden, wenn sie von Oben geleitet und kontrolirt sind, was aus Mangel an Personal bis jezt beim besten Willen nicht möglich war. Den Linienkontroleuren läge ob, den Zustand der Linien zu überwachen, die Statistik der Störungen zu führen, die Inventare über das Material der bestehenden Linien und die vorhandenen Werkzeuge nachzutragen, die Materialabgabe und Verwendung an Linienmeister, Linienarbeiter, Wegmacher, Bahnwärter etc. zu kontroliren, über die Materialvorräthe der Inspektionen Register zu führen, den Bau und die Reparatur der Linien sowohl hinsichtlich des Kostenpunktes als der richtigen und vorschriftsgemäßen Ausführung zu kontroliren, die Erfüllung der von den Bahngesellschaften übernommenen Verpflichtungen zu überwachen, die zwekmäßigste Verwendung der Linienarbeiter anzuordnen und überhaupt sämmtliche auf das Linienwesen bezüglichen statistischen Arbeiten zu besorgen und die einschlägigen Rechnungen zu prüfen und zu gruppiren. Es sind dazu zwei Männer nöthig, die an Kenntnissen und Erfahrungen wenigstens auf der Höhe der Inspektoren stehen sollten, und denen daher ein Gehalt von je Fr. 4000 bis Fr. 4500 auszusehen wäre.

Wir wollen nicht behaupten, daß mit den beiden vorgeschlagenen Maßregeln alles gethan sei, was zu thun nöthig ist, um die schweizerischen Telegraphenlinien nach und nach einem erträglichen Zustand entgegen zu führen. Wir halten uns einfach an das bisher von uns immer befolgte Verfahren,
nur das Minimum dessen vorzuschlagen, was uns unbedingt nothwendig erscheint. Wir hoffen, bei Durchführung unserer Vorschläge das ins Auge gefaßte Ziel zu erreichen, können aber nicht mit Gewißheit zum voraus bestimmen, daß dies wirklich gelinge. Ein tüchtiger Sehritt vorwärts zur Bes-

259 aerung wird jedenfalls gethan werden; vielleicht zeigt aber die Erfahrung in zwei bis drei Jahren, daß noch mehr zu thun ist, und daß die dann vorhandenen Kräfte noch immer nicht ausreichen, um der schwierigen Aufgabe Meister zu werden.

Wir möchten namentlich auf eine Luke hinweisen, die früher oder später ausgefüllt werden muß, wenn die schweizerische Telegraphenverwaltung mit den Verwaltungen anderer Staaten Schritt halten will. Wir haben in derselben keine wissenschaftlich gebildeten Techniker. Die höhern Chargen sind mit wenigen Ausnahmen in den Händen von Persönlichkeiten, die gewiß eine nicht zu unterschäzende Routine besizen, denen aber die für ihren Beruf nothwendige wissenschaftliche Ausbildung abgeht. Dasjenige, was den in die Verwaltung eintretenden Jünglingen bis anhin an technischer Bildung geboten wurde, reicht allenfalls nothdürftig für einen Telegraphisten aus ; von einem Büreauchef, Inspektionsadjunkten oder Inspektor sollte man dagegen mehr verlangen. Es treten an diese Beamten sehr häufig Fragen heran, und zwar' namentlich auf dem Gebiet der Linienstörungen, die rasch und sicher nur dann gelöst werden, Wenn die Kenntnisse der Beamten eine mathematischwissenschaftliche Basis haben.

Die Heranziehung solcher Elemente ir, die Telegraphenverwaltung ist jedenfalls nur eine Frage der Ze'.t. Wenn wir bei unsern Wahlen nicht jezt schon darauf Bedacht genommen haben, die vorhandene Luke auszufüllen, so geschah es aus doppeltem ·Grunde, einmal, weil eigentliche Telegraphentechniker in Bezug auf ·die Besoldung so hohe Anforderungen stellen, daß ein Mißverhältniß gegenüber den andern in der Verwaltung zur Anwendung kommenden Besoldungsansäzen entstehen würde, dann aber namentlich, weil die mit den nöthigen Kenntnissen ausgestatteten Persönlichkeiten in der Schweiz zur Stunde gar nicht vorhanden sind. Sie müssen erst herangebildet werden.

Wir kommen auf die finanzielle Seite unserer Vorschläge.

Dreißig Linienmeister zu durchschnittlich .Fr. 1800 Jahresgehalt kosten jährlich Fr. 54,000. Da dieselben fast beständig von Hause abwesend sein werden, so sind per Linienmeister und per Jahr wenigstens 250 Abwesenheitsnächte à Fr. 3, im Ganzen Fr. 21,500 zu rechnen. Dazu kommen noch zwei Linitmkontroleure mit je Fr. 4500, was eine Gesammtausgabe von Fr. 84,500 ergibt. Durch die 30 Linienmeister
wird selbstverständlich eine Reihe von Arbeiten ausgeführt, deren Auslagen gegenwärtig i i der Rubrik .,,Linienbau und Unterhalt" des Budgets figuriren, so laß obige Fr. 84,500 nicht als wirkliche Mehrausgabe zu betrachten sind. Wie viel von

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genannter Summe jezt schon ausgegeben wird, läßt sich nicht genau; bestimmen ; doch glauben wir keinesfalls zu hoch zu greifen, wenn, wir eine Ersparniß von Fr. 34,500 annehmen. Die durch Verwirklichung unserer Vorschläge herbeigeführte Mehrausgabe würdesich daher zu Fr. 50,000 beziffern. Ob diese Summe aus den Einnahmen der Telegraphenverwaltung bestritten werden kann oder nicht, läßt sich derzeit noch nicht mit Bestimmtheit voraussehen,, indessen hoffen wir, daß' dadurch das Gleichgewicht des Verwaltungsbüdgets nicht in erheblicher Weise alterili werde.

Wir glauben daher, daß es am zwekmäßigsten sei, die Summe ohne weitere Bemerkung in die künftigen Budgets aufzunehmen.

Da die hiemit befürworteten Maßregeln im Laufe des gegenwärtigen Jahres keinesfalls mehr ins Leben treten können, so ist es nicht nöthig, pro 1875 um einen bezüglichen Nachtragskredit einzukommen, und es genügt, wenn die Bundesversammlung für diespäteren Jahre die Aufnahme der betreffenden Ausgabe ins Budget gestattet. Für das Jahr 1875 werden wir uns darauf beschränken, die Wahl von Linienmeistern vorzubereiten und eventuell mit derInstruktion derselben zu beginnen. Die eventuell daraus erwachsen- ' den Ausgaben können auf Rechnung des gewöhnlichen Budget bestritten werden.

Wir benuzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten?

Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 6. September 1875.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Scherer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft t Schiess.

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(Entwurf)

Bundesfoeschluss betreffend

Vorschläge zur Verbesserung der Telegraphenlinien.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrathes vom 6. September 1875, beschließt: 1. Behufs besserer Ueberwachung der Telegraphenlinien werden die Stellen von Linienmeistern und zweier Linienkontroleure geschaffen.

2. Die Zahl der Linienmeister wird vom Bundesrath nach den jeweiligen Bedürfnissen festgestellt.

3. Die Besoldung eines Linienmeisters beträgt im Minimum Fr. 1500, im Maximum Fr. 2400, diejenige eines Linienkontroleurs im Minimum Fr. 4000, im Maximuni Fr. 4500.

4. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Vorschläge zur Verbesserung der Telegraphenlinien. (Vom 6. September 1875.)

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11.09.1875

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