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Schweizerisches Bundesblatt.

30. Jahrgang. IV.

Nr. 55.

14. Dezember 1878.

J ahr esab on ne me n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r ü k u n g s g e b ü h r per Zeile 15 Rp. --Inserate sind franko an die Expedition einzusenden.

Druk and Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den in Bern abgeschlossenen internationalen Vertrag über Bekämpfung der Reblaus.

(Vom 26. November 1878.)

Tit.!

Die zunehmenden Verheerungen, welche die Reblaus in den europäischen, Weinbergen anrichtet, mußten seit mehreren Jahren die Aufmerksamkeit der Staaten auf den immer bedenklicher werdenden Stand der Weinproduktion hinlenken. Wie wichtig die Sache ist, wird man aus folgenden Ziffern ersehen , welche amtlichen Angaben entnommen sind.

In den 14 Jahren, seitdem die Reblaus in Europa erschienen ist, hat sie beinahe den zehnten Theil der Weinberge verwüstet.

Gegenwärtig sind nahezu 70,000 Hektaren Reben zur Hälfte ganz zerstört, und zur andern Hälfte mehr oder weniger ernstlich angegriffen. Der da hörige Verlust an dem Ertrage der Rebberge beläuft sich dieses Jahr auf ungefähr 200 Millionen Franken und nimmt mit dem Uebel noch immer zu. Diese große Kalamität fällt beinahe ganz auf Frankreich. Allein mit Ausnahme von Italien, welches sich noch verschont meint, spuren auch alle andern rebpflanzenden Staaten bereits mehr oder weniger die Angriffe dieser Landplage. Selbst Länder, die, wie England, die Rebe nur in Treibhäusern kultiviren, zeigen zahlreiche Krankheitsherde.

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Den enormen Verwüstungen gegenüber sind leider die Gegenmittel nur sehr schwer anwendbar und im Allgemeinen wenig wirksam. Die Initiative der Privaten erweist sich als ohnmächtig, wenn sie nicht durch die Thätigkeit der Regierungen, soweit diese mitwirken können, gestüzt und ermuntert wird. Daher wurden die Eröffnungen des Schweiz. Bundesrathes günstig aufgenommen, durch welche er im Mai 1877 die Regierungen der Weinbau treibenden Staaten Europas einlud, sich bei einer internationalen Konferenz vertreten zu lassen, welche vom 6. bis 18. August gleichen Jahres in Lausanne stattfand. Diese Konferenz, bei welcher sich acht Staaten vertreten ließen, nämlich Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Spanien, Fankreich, Italien, Portugal und die Schweiz, zählte 23 Abgeordnete, in welcher Versammlung die Wissenschaft, die Rebkultur und die Verwaltung sich vertreten fanden. Die Berathungen fanden statt auf Grund eines äußerst detaillirten Programmes und führten zu einer Anzahl Konklusionen, welche in den wesentlichen Punkten heute von allen Denjenigen angenommen sind, die mit Sachverständniß sich mit dieser Frage beschäftigen. So haben Frankreich und Spanien kürzlich Geseze angenommen, welche ganz auf den Resolutionen dieses Kongresses fußen.

Die Hauptschlüsse des Lausanner Kongresses lassen sich wie folgt zusammen fassen: Die Landplage hat sich in Europa erst in neuerer Zeit, von Amerika her, eingeschlichen. Bis jezt machte sie beständige Fortschritte und nichts gestattet, zu hoffen, daß die Krankheit mit der Zeit von selbst erlösche. Es kommt kein Beispiel vor, daß reblausbehaftete Weinberge ohne alle Behandlung wieder zurechtgekommen wären.

Daß die Krankheit sieh so sehr ausdehnen konnte, rührt hauptsächlich davon her, daß für die gefährlichen Produkte völlige Handelsfreiheit besteht. Die Sezlinge, Schößlinge, das Rebholz und Reblaub sind die gefährlichsten Gegenstände für die Ausbreitung des Uebels. Auch die Sezlinge, Sträuche und verschiedene Produkte der Baumschulen, Gärten, Treibhäuser und Orangerien können das Insekt weiter tragen, wenn sie in der Nähe angestellter Reben existirten. Ungefährlich dagegen sind : der Wein, die Tafeltrauben ohne Blätter und Rebholz, die Traubenkerne, die Samenkörner und die Früchte.

Die Frage, wie die Rebe zu behandeln sei, um sie vom Insekt zu befreien oder dasselbe fernzuhalten, ist noch lange nicht genügend gelöst. Von allen den zahlreichen in Vorschlag gebrachten Mitteln hat man kaum zwei oder drei als mehr oder weniger

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wirksam beibehalten, wobei dieselben jedoch den besondern Verhältnissen jeder Rebe, jeder Gegend u. s. w. anzupassen sind.

Man sieht sich daher zu einem sehr schwierigen Kampfe genöthigt, welcher eine regsame Beobachtung, Scharfsinn, viel Energie und nachhaltige Ausdauer erheischt.

Der Kongreß hat gefunden, daß die Organisation eines allgemeinen Kampfes, wie er Vielen vorschwebt, sehr verwikelte Fragen mit sich bringt, welche die innere Organisation eines Staates allzu nahe berühren, als daß sie gleichmäßig geregelt werden könnten.

Dagegen kann und soll das internationale Recht soweit eine Festsezung treffen, daß jeder Staat sich verpflichtet, die Ueherwachung und Bekämpfung in der für seine besondern Verhältnisse wirksamsten Weise zu organisiren. Als Zwek hat man im Auge zu behalten, zunächst daß das Eindringen des Uebels in bisher verschonte Gegenden verhütet und daher alles geregelt werde, was auf den Transport, die Verpakung etc. gefährlicher Produkte Bezug hat; und sodann, daß das vorhandene Uebel in den angestekten Gegenden mit den besten Mitteln bekämpft werde.

Der Kongreß sprach daher den Wunsch aus, daß ein internationaler Vertrag auf folgenden Grundlagen zu Staude komme: I.

In jedem Staate ist die Gesezgebung in der Weise zu vervollständigen, daß dadurch der Regierung die erforderlichen Vollmachten ertheilt werden, um nöthigenfalls eine staatliche Einwirkung auf die von der Reblaus angestekten Weinberge, an Stelle derjenigen durch die Eigenthümer, sezen zu können. Es wäre eine solche staatliche Einwirkung als eine Schuzmaßregel anzusehen, und es würden die Kosten derselben wem Rechtens zur Last fallen.

II.

Je nach dem Gange der Landplage im Innern eines jeden Staates ist der Umfang der Gegenden, welche von der Krankheit heimgesucht sind, sowie derjenigen, welche nach vorhergegangener Untersuchung sich als gesund erweisen, genau festzustellen.

III.

In jedem Staate sind, je nach den Verwaltungsdistrikten, Aufsichts- und Untersuchungsausschüsse einzusezen, oder aber ein Polizeidienst im weitern Sinne mit einer genügenden Anzahl von

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Kommissarien und Agenten einzurichten, welchen anzuvertrauen wäre : die Anwendung der von dem Geseze für die Behandlung vorgeschriebenen Maßregeln, die Beaufsichtigung und Ueberwachnug der Weinberge, sowie die in den Reben, Gärten, Treibhäusern, Baumschulen, und au den Rebensezlingen jeder Art vorzunehmenden Ermittlungen.

IV.

Der Umlauf der Sezlinge, Rebhölzer oder auch nur von Theilen derselben ist von Distrikt zu Distrikt, seien diese Distrikte nun infizirt oder als gesund bekannt, gesezlich zu regeln.

V.

Die Art und Weise der Verpakung der erwähnten Produkte ist genau vorzuschreiben, ebenso wie die Vorsichtsmaßregeln, welche zu ergreifen sind behufs Desinfizirungg oder ZerstörungO der Gegeno O stände, mit welchen jene Produkte in Berührung gekommen, wenn sie aus einem angestekten Bezirke herrühren.

VI.

Zwischen den verschiedenen vertragschließenden Staaten ist, gemäß den vom Kongreß angenommenen Grundsäzen zu regeln: die Durchfuhr, die Zulassung oder Ausschließung : 1) von Sezlingen oder Theilen und Produkten der Rebe; 2) von Sezlingen oder Stauden und sonstigen Produkten des Gartenbaues.

VII.

Die Art und Weise der Verpakung dei- oben erwähnten, zum internationalen Umlauf zugelassenen Produkte ist genau vorzuschreiben.

Ferner sind zu bezeichnen die Zollstationen, bei welchen die Einfuhr dieser Produkte in den betreffenden Staat gestattet ist, sowie die Kontrolmaßregeln, welchen dieselben unterworfen werden können.

VÏÏI.

Endlich ist im Interesse der Einheitlichkeit des durch den Vertrag geregelten Vorgehens ein internationales Mittelglied herzustellen.

Die Staaten werden diesfalls das Zwekdienlichste beschließen.

421 Dio Schlußresolution ging dahin, daß der Kongreß den Bundesrath ersuchte, seine Konklusionen allen europäischen Staaten mitzutheilen, mit der Einladung zum Abschlüsse eines internationalen Vertrages auf dieser Grundlage.

g D Diesem Wunsche entsprechend, hat der Bundesrath unterm 5. Oktober 1877 die Akten des Lausanner Kongresses und einen von demselben ausgearbeiteten Vertragsentwurf den europäischen Staaten übermittelt. Infolge mehrerer Verzögerungen musste die Konferenz bis zum 9. September abhin vertagt werden. Sie wurde in Bern abgehalten vom 9. bis 17. genannten Monats, und es waren dabei sieben Staaten vertreten: Deutschland, OesterreichUngarn, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal und die Schweiz.

Ein achter Staat, die Türkei, hatte die Absendung eines Delegirten angezeigt; derselbe ist aber nicht erschienen. Mehrere andere Stauten verlangten Mittheilung vom Vertrage, um gutfindenden Falls ihm beitreten zu können. Inzwischen vertreten die sieben Staaten, welche den Berner Vertrag unterzeichnet haben, nahezu die Gesammtheit der Weinbau-Interessen Europas.

Wir werfen nun einen raschen Blik auf die Arbeiten der Berner Konferenz, indem wir übrigens sowohl, was dieselbe als den Lausanner Kongreß betrifft, auf die gedrukten Akten verweisen, die mit gegenwärtiger Botschaft vorgelegt werden.

Der vom Bundesrathe ausgearbeitete Vertragsentwurf bestand aus 18, den Schlußnahmen des Lausauer Kongresses genau sich anschließenden Artikeln, und zerfiel nach den behandelten Materien in drei Hauptgruppen.

Die erste Gruppe, Artikel l -- 7, enthielt genaue Vorschriften über die im I n n e r n j e d e s S t a a t e s zu treffenden Maßnahmen. Die zweite Gruppe, Artikel 8--13, handelte von den Vorkehrungen in Bezug auf den i n t e r n a t i o n a l e n V e r k e h r .

Die dritte Gruppe, Artikel 14--18, betraf den i n t e r n a t i o n a l e n V e r b a n d behufs Vollziehung des Vertrags, und zielte dahin, daß die erforderlichen Mittheilungen über den Gang der Krankheit, über Polizeihandhabung, über angestellte Experimente u. s. w.

durch Vermittlung einer der betreffenden Regierungen stattfinden sollen, welche über den allgemeinen Stand der Reblausangelegenheiten Bulletins und Berichte veröffentlichen würde. Die französische Delegation legte einen Gegenentwurf vor, der sich im Wesentlichen auf die
Regelung des internationalen Verhältnisses beschränkt, während er jedem Staate hinsichtlich der innerhalb seines Territoriums zu ergreifenden Maßregeln eine große Freiheit läßt und ferner das behufs Vermittlung der internationalen Bezie-

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hungen in dem schweizerischen wegläßt.

Entwurf vorgesehene

Mittelglied

Die Konferenz hat aus den beiden Entwürfen diejenigen Bestimmungen herausgenommen, welche ihr dem Zweke des Vertrags am besten zu entsprechen schienen.

Mehr als dies der französische Entwurf gethan, hat die Konferenz die Verpflichtungen betont, denen jeder Staat mit Hilfe seiner inneren Gesezgebung nachkommen soll; zu diesem Zweke hat sie die Grundprinzipien, auf denen diese Gesezgebung beruhen soll, vorgeschrieben, ohne jedoch diese leztere dem Buchstaben nach festzustellen. Sie glaubte auch auf das in dem schweizerischen Entwurfe beantragte Zwischenorgan verzichten zu sollen, in Anbetracht, daß sie ein internationales Bureau, dem man vielleicht in der Folge allzu ausgedehnte Befugnisse hätte einräumen müssen, nicht ins Leben rufen wollte. Dies war übrigens auch nicht die Absicht des Bundesrathes, so daß in diesem Punkte ein Einverständniß unschwer zu erzielen war.

Hingegen hat die Konferenz deu Wunsch ausgesprochen, es möchten die vertragschließenden Staaten die Herausgabe einer internationalen, in französischer Sprache zu redigirenden Sammlung begünstigen, welche im Auszuge die von den verschiedenen Staaten unter sich etwa auszutauschenden sachbezüglichen Mittheilungen, nebst einer bibliographischen Angabe der verschiedensten, die Reblaus betreffenden Notizen und Veröffentlichungen enthalten würde.

So wie dieselbe von den sieben dabei vertretenen Staaten mit Einstimmigkeit vorgenommen worden ist, scheint uns der Vertrag von Bern ein Werk von so befriedigender Natur zu sein, als die Sachlage es eben mit sich bringen konnte. Es ist dieser Vertrag seinem Wesen nach ein Vergleich zwischen zwei großen Klassen von einander gegenüberstehenden Interessen: derjenigen des Weinbaues einerseits und der Interessen der übrigen Zweige der Landwirthschaft und des Handels andererseits.

Der in seinem Gedeihen schon tief verlezte und überall, wo er noch unbeschädigt ist, schwer bedrohte Weinbau bedarf der allerstrengsten Schuzmaßregeln.

Wollte man die Interessen des Weinbaues allein in Betracht ziehen, so müßten die Grenzen der Staaten, ja sogar die der Kantone und Gemeinden gegen jede Art von Handel mit Erzeugnissen, bei welchen das Vorhandensein der Reblaus nicht allein wahrscheinlich, sondern überhaupt nur möglich wäre, abgesperrt werden. In diesem Falle ließe sich aber gar nicht absehen, wo auf

423 dem Wege der Prohibitivmaßregeln innegehalten werden sollte.

Es ist in der That festgestellt, daß gelegentlicher Weise jeder beliebige Gegenstand zur Weiterverbreitung der Reblaus tauglich sein kann. Die Eisenbahnzüge z. B. sind im Süden zur Schwarmzeit oft mit Insekten förmlich bedekt. Eine chinesische Mauer, um jede Weingegend herum aufgeführt, würde kaum genügen, dieselbe vor dieser Landplage zu schüzen; und doch ist es gerade etwas Aehnliches, was diejenigen, welche nur und allein die Interessen des Weinbaues im Auge haben, obne auf die übrigen gebieterischen Bedürfnisse eines freien und leichten Handelsaustausches Rüksicht zu nehmen, vermittelst Prohibitivmaßregeln jeder Art hergestellt zu sehen wünschen.

Italien ist in gewissem Sinne bis zur äußersten Grenze dieses Prohibitivsystems gegangen, indem es die Einfuhr irgend welcher Pflanzen oder auch nur irgend welchen Pflanzentheils in sein Territorium verbot. Dieses System, von diesem Staate seit mehreren Jahren mit der äußersten Strenge aufrecht erhalten, hat so lebhafte Beschwerden hervorgerufen, daß sich die Regierung nun zu bedeutenden Konzessionen genöthigt sieht; dies ist der Grund, weßhalb deren Bevollmächtigte zur Unterzeichnung des Vertrags von Bern ermächtigt worden sind, eines Vertrags, der bei weitem nicht so strenge Bestimmungen enthält, wie die erwähnten Verordnungen.

Die Interessen des Weinbaues sollen ohne Zweifel für die Staaten den Gegenstand lebhaftester Fürsorge bilden. Diese Produktion macht einen zu bedeutenden Theil des öffentlichen Reichthums aus, als daß dem anders sein könnte ; allein die Regierungen haben noch andere als nur diese Interessen zu wahren und zu beschüzen. Alle übrigen Zweige der Landwirtschaft wollen auch bestehen; die Völker haben Verbrauchsbedürfnisse, die durchaus befriedigt sein wollen. Ein Land liefert diese oder jene Bodenerzeugnisse und ist selbst für andere von andern Ländern abhängig.

Der Gartenbau, die Baum- und Waldkultur bedürfen zum Absaze ihrer Erzeugnisse eines sehr ausgedehnten Marktes, und es sollen die Konsumenten nicht mehr als nöthig in der Befriedigung ihrer Nachfrage behindert werden. Man muß dem Umstände Rechnung tragen, daß der Theil des Erdbodens, der mit Reben bepflanzt ist, in der Regel doch nur einen kleinen Theil der Oberfläche der Staaten bildet. Sollte man da,
um einen einzigen zu schüzen, alle übrigen Zweige der Landwirthschaft der Isolirung und dem Verfalle preisgeben? Sollte man zum Beispiel in der Schweiz, deren Bodenerzeugnisse zur Ernährung der Bevölkerung nicht hinreichen, diese leztere der notwendigsten Nahrungsmittel berauben, weil mit denselben die Reblaus in unser Land eingeführt werden könnte?

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Es ist klar, daß jeder Verständige diese äußersten Konsequenzen zurükweisen wird. Wir sollen den Weinbau ernstlich beschüzen; denn sein Ruin wäre eine öffentliche Kalamität, welche alle übrigen Zweige der industriellen und landwirthschaftlichen Produktion treffen würde. Aber wir sollen auch die übrigen nationalen Interessen berüksichtigen, und es ist dieser nothwendige Vergleich der verschiedenen sachbezüglichen Interessen, welcher uns durch den Vertrag von Bern ernstlich verwirklieht zu sein scheint. ' Dieser Vertrag entspricht vollständig, ausgenommen einen oder zwei, in unsern Augen ganz untergeordnete Punkte, den in unserm Lande schon in Kraft bestehenden Vorschriften. Derselbe bietet d e n unermeßlichen Vortheil, daß er die den allgemeinen Regeln angemessene Vollziehung derjenigen Garantien sichert, welche der Handel dem Weinbau schuldet. Er bestimmt in klarer und genauer Weise die Bedingungen, unter welchen die Erzeugnisse des Bodens zum internationalen Werke worden zugelassen werden, und haupt sächlich aus diesem Gesichtspunkt bietet er für alle Staaten wesentliche Vortheile.

Die Schweiz, welche wegen ihrer geographischen Lage von allen Seiten durch die Landplage bedroht ist, soll diesen Vertrag, zu welchem sie die erste Anregung gegeben, und der auf ihrem Boden geschlossen worden ist, insbesondere günstig aufnehmen.

Ihre zahlreichen Handelsverbindungen mit Frankreich, von wo sie einen Theil ihrer Nahrungsmittel bezieht, das aber ein für uns so bedrohlicher Reblausherd ist, machen es nothwendig, eine kräftige Ueberwachung des Umlaufs und der Einfuhr dieser Gegenstände zu bestellen. Frankreich selbst muß sich jedoch verpflichten, diese Ueberwachung, soweit es dasselbe betrifft, auszuüben; es muß im Innern sich verpflichten, die gefährlichen Produkte nicht aus den angestellten Landesgegenden herausgehen zu lassen; es selbst hat hieran ein unmittelbares Interesse. Die Bezeichnung einer kleinen Zahl von Zollbüreaux für die Einfuhr der gefährlichen Produkte wird die Ueberwachung erleichtern.

Was hinsichtlich Frankreichs wahr ist, ist es auch, in verschiedenen Graden, hinsichtlich der übrigen Staaten. Man muß in der That nicht aus dem Auge verlieren, daß die Treibhäuser von Deutschland, England etc., aus welchen wir Produkte empfangen, mehrentheils Rebstöke enthalten, welche möglicherweise mit
der Reblaus behaftet sind und also direkt oder indirekt dazu beitragen können, uns die Anstekung zu schiken.

Dies ist es, was die Handelsverbindungen des Auslandes mit der Schweiz betrifft. Diejenigen der Schweiz nach Außen werden auch erleichtert werden, und mehrere große Gartenbau- und Aker-

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baugeschäfte, welche ihre Kundschaft im Auslaude wegen der aus Furcht, vor der Reblaus ergriffenen Prohibitivmassregeln verloren hatten, werden dieselbe ohne Zweifel wieder finden.

Im Ganzen läßt sich der Vertrag von Bern folgendermaßen zusammenfassen : Verpflichtung für jeden Staat, im Innern die Landplage zu bekämpfen, um zu verhindern, daß dieselbe sich ausbreite und so die Nachbarstaaten bedrohe, nicht zu reden von der Nothwendigkeit,t die Produktion des Weins zu zugänglichen Preisen aufrecht O ö zu erhalten, was ebenfalls von allgemeinem Interesse ist.

Regelung des Handels mil möglicherweise gefährlichen Produkten, welche dem internationalen Verkehr übergeben sind.

Verpflichtung für die Slaaten, sich gegenseitig in Betreff des Ganges der Landplage und der gemachten Erfahrungen auf dem Laufenden zu erhalten, was die Bekämpfung in jedem Staate erleichtern wird.

In Ermanglung eines unfehlbaren, wohlfeilen und leicht anwendbaren Heilmittels, welches das Insekt ohne Schaden für die Pflanze tilgt und stets mit Eifer und Beharrlichkeit gesucht wird, aber (man muß es wohl gestehen) nicht so bald ausfindig gemacht zu werden scheint, ist der Vertrag von Bern eines der besten Mittel, um den Gang der Landplage zu hemmen. So haben ihn die Regierungen von sieben europäischen Staaten betrachtet; sie haben es nicht für gleichgültig erachtet, sich mit der Frage -zu befassen oder nicht; sie haben den Vertrag nicht für unnüz, sondern ganz gegenteilig angesehen. Wir glauben, die Bundesversammlung werde sich auf den nämlichen Gesichtspunkt stellen und dem Vertrage ihre Ratifikation ertheilen.

Wir benuzen diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung neuerdings zu versichern.

B e r n , den 26. November 1878.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundes präsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

den internationalen Vertrag für die gegen die Phylloxéra zu ergreifenden Massregeln.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft 26. Wintermonat 1878.

des Bundesrathes vom

beschließt: 1. Die vorbehaltene Ratifikation wird ertheilt dem am 17. Horbstmonat 1878 in Bern zwischen der Schweiz, Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Spanien, Frankreich, Italien und Portugal geschlossenen Vertrage für die gegen die Phylloxéra vastatrix zu ergreifenden Maßregeln.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung des gegenwärtigen Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den in Bern abgeschlossenen internationalen Vertrag über Bekämpfung der Reblaus. (Vom 26.

November 1878.)

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14.12.1878

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