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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Rekurs des Landjägerkorporals Messerli und des Jägervereins von Burgdorf in Sachen eines Jagdvergehens.

(Vom 26. November 1878.)

Tit.!

Im Laufe des Oktobers hat der Bundesrath einen Rekurs des Landjägerkorporals Messerli in Burgdorf und des Jägervereins in der nämlichen Stadt gegen ein Urtheil der bernischen Gerichte, das die Rekurrenten als gegen das eidgenössische Jagdgesez verstoßend betrachtete, abgewiesen. Dieselben wenden sich nun an die Bundesversammlung mit dem Gesuche um Kassation des bundesräthlichen Entscheides. Da diese Angelegenheit nicht Gegenstand eines besondern Bundesbeschlusses, sondern bloß eines einfachen Schreibens der Bundeskanzlei wurde, so glauben wir in der gegenwärtigen Botschaft die Thatsachen sowohl, wie die Gründe, welche uns bei dem Entscheide geleitet haben, auseinandersezen zu sollen.

I.

Johann Ulrich Hulliger, Melker bei Burgdorf, hat am 27. April abbin auf dem Besizthum seines Meisters oder vielleicht in der unmittelbaren Nachbarschaft desselben einen Hasen geschossen. Es wurde gegen denselben vor dem Gerichte in Burgdorf Klage erhoben. Hulliger vertheidigte sich mit der Behauptung, daß er nach dem Art. 6 der bernischen Jagd Verordnung zur Tödtung des Hasen, der auf den Feldern seines Meisters vielen Schaden angerichtet

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habe, berechtigt gewesen sei. Die Frage, ob ein wirklicher Schaden angerichtet worden, sowie diejenige, ob der Hase in Wahrheit auf dem Besizthum des Dienstherrn von Hulliger erlegt worden sei, gelangten zur Erörterung, und das Gericht hat nach der Einvernahme von Zeugen angenommen, Hulliger habe sich keiner Gesezesverlezung schuldig gemacht. Der Staatsanwalt von Burgdorf hat gegen dieses Urtheil ein Kassationsgesuch eingereicht, allein die Polizeikammer des Kantons Bern wies dasselbe ab.

Hierauf wandten sich der Landjägerkorporal Messerli und der Jägerverein von Burgdorf, resp. in deren Namen Herr Fürsprecher Bucher daselbst an den Bundesrath. Dieselben verlangten: 1) die Kassation der beiden Urtheile, gestüzt darauf, daß der Bundesrath nach den Bestimmungen der Bundesverfassung und des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 59, Ziff. 8) in Sachen kompetent sei; 2) daß Art. 6 der bernischen Verordnung vom 26. Juli 1876 als im Widerspruche mit dem eidgenössischen Jagdgeseze außer Kraft gesezt werde.

Ueberhaupt stellten sie das Begehren, daß die genannte Verordnung in Uebereinstimmung mit dem Bundesgesez gebracht werde.

II.

Der Bundesrath hat den Rekurs in seinen verschiedenen Punkten aus folgenden Gründen abgewiesen : Was den ersten Schluß der Rekurrcnten anbelangt, so kann sich der Bundesrath nicht als Rekursinstanz gegen gerichtliche Urtheile wegen Jagdvergehen bei jedem Stande der Angelegenheit betrachten. Der Art. 59 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege steht unter Titel IV : ,, Staatsrechtliche Entscheidungen'1. Der Bundesrath kann somit nur in dem Fall mit einem gerichtlichen Urtheil sich befassen, wenn in einem solchen seine staatsrechtliche Frage berührt wird. Diese Anschauungsweise ist auch für die in Ziff. 8 des Art. 59 leg. cit.

berührten Materien stets festgehalten worden.

Es bleibt daher nur noch zu untersuchen, ob Art. 6 der bernisehen Verordnung, auf welchen sich der angefochtene Entscheid stüzt, sich in Uebereinstimmung mit dem Bundesgeseze vom 17. September 1875 befindet oder nicht.

Der Art. 6 der bernischen Verordnung besagt: ,,Es ist dem Eigenthümer oder Nuznießer des Bodens gestattet, alles Wild, welches in seinem Besizthume Schaden anrichtet, inner-

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halb der Grenzen desselben zu tödten oder zu fangen oder dasselbe durch seine Pächter oder seine Dienstboten tödten oder einfangen zu lassen, immerhin unter Ausschluß der Gemeinde- oder Privatwaldungen und Weiden und ohne Verwendung von Hunden, sowie unter Vorbehalt der allgemeinen Polizeivorschriften und der in gegenwärtiger Verordnung vorgesehenen Einschränkungen.a Diese Bestimmung, sowie der übrige Theil der bernischen Verordnung hat unterm 2. August 1876 die bundesräthliche Genehmigung erhalten. Es hat uns geschienen, dieselbe stehe nicht im Widerspruch mit dem Bundesgesez, welches in Art. 4 bestimmt : ,,Die kantonalen Behörden sind berechtigt, die Verfolgung schädlicher oder reißender Thiere, und bei allzu starker Vermehrung auch des Jagdgewildes, wenn dasselbe durch Ueberzahl Schaden stiftet, erforderlichenfalls auch während der geschlossenen Zeit anzuordnen oder zu erlauben.

,,Es soll dies jedoch in einer den übrigen Wildstand nicht gefährdenden Weise, während einer bestimmten Zeit, durch eine beschränkte Anzahl zuverläßiger Jagdberechtigten geschehen.

,,In Pachtrevieren hat der Beständer das Recht, auch während der geschlossenen Zeit ohne weitere Bewilligung solches Wild zu erlegen, jedoch ohne Benuzung von Hunden."

Das zweite Alinea dieses Artikels zielt offenbar auf große, allgemeine Treibjagden zur Vernichtung einer bedeutenden Zahl von Thieren, die Schaden anrichten und daher verfolgt und in ihren Schlupfwinkeln ausgerottet werden sollen. Aber dieser Artikel hat nichts zu thun mit dem Rechte, welches die bernische Verordnung dem Grundeigenthütner vorbehält, auf seinem Boden die Schaden anrichtenden Thiero zu tödten. Ist nun ein solches Recht mit dem Bundesgeseze vereinbar ? Dieses selbst schweigt darüber, mit Ausnahme des dritten Alinea von Art. 17, welches besagt: ,,Sperlinge, Staare und Drosseln, welche in Weinberge einfallen, dürfen vom Eigenthümer im Herbste bis nach beendigter Weinlese geschossen werden.a Ist aus dieser Bestimmung, sowie aus dem sonstigen Stillschweigen des Gesezes zu folgen, daß das den Grundeigentümern im Kanton Bern zuerkannte Recht im Widerspruch mit dem Geseze steht ? Dies ist durchaus nicht die Ansicht des Bundesrathes. Die Vögel, von denen darin die Rede ist, stehen unter dem Bundesschuz ; es ist absolut verboten, dieselben zu tödten, abgesehen von der
vorgesehenen Ausnahme, die man nothwendigerweise statuiren mußte. Was nun aber die schädlichen oder fleischfressenden Thiere und das Wild anbetrifft, so kann und muß der Umstand, daß das Gesez nicht von der Zuläßigkeit ihrer Vernichtung durch den be-

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schädigten Bigenthümer spricht, zu Gunsten des Rechts der Kantone, diese Ausrottung inner den Grenzen einer loyalen Auslegung des Bundesgesezes zu gestatten, interpretirt werden.

Kann es denn wirklich einem Grundeigenthümer, der auf seinem Hofe einen Fuchs beim Morden seiner Hühner antrifft, verboten sein, denselben zu tödten ? Sollte derselbe etwa vorher bei der kantonalen Behörde eine Ermächtigung zur Organisation einer Treibjagd durch eine beschränkte Anzahl zuverläßiger Jäger nachsuchen ? Und sezt er sich im Unterlassungsfalle gerichtlicher Verfolgung und Bestrafung aus ? Augenscheinlich wäre eine derartige Anwendung des Gesezes geeignet, dasselbe der ganzen akerbauenden Klasse gegenüber gehässig zu machen.

Andererseits ist nicht zu verkennen, daß allzu dehnbare Bestimmungen zahlreiche Mißbräuche begünstigen können. Es liegt daher an den Kantonen, welche dieses Recht sich sichern wollen, dasselbe mit allen wünschbaren Garantieen zu umgeben. Es scheint uns nun aber, daß dies mit Art. 6 der bernischen Verordnung der Fall sei. Die Würdigung der nähern Umstände ist Sache der Gerichte.

Dieses sind die Gründe, welche den Bundesrath bewogen haben, der Ausführungsverordnung vom 2. August 1876 die Genehmigung zu ertheilen und den Rekurs des Landjägerkorporals Messerli und der Jäger von Burgdorf im verflossenen Oktober abzuweisen.

Augenscheinlich handelt es sich hier um eine schwierige Frage, welche das Bundesgesez vielleicht etwas ausführlicher hätte regeln dürfen. Es ist daher auch um so weniger zn bedauern, daß die Bundesversammlung berufen ist, dieses Stillschweigen des Gesezes selbst in irgend einer Weise auszulegen und den Kantonen in dieser Beziehung eine genaue Wegleitung zu verschaffen.

Empfangen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 26. November 1878.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Abänderung der Konzessionen, beziehungsweise Bewilligung einer Tariferhöhung

für die Tössthalbahn.

(Vom 26. November 1878.)

Tit. !

Im Hinweise darauf, daß die auf Ende 1877 abgeschlossene Betriebsrechnung inklusive Verzugszinsen und Verzinsung der nicht garantirteli Obligationen III. Serie ein erhebliches Defizit herausstellte, und somit die Einlösung des Zinscoupons für die Obligationen I. und II. Serie im Betrage von Fr. 150,000 den Garantiegemeinden auffalle, stellte die Verwaltung der Tößthalbahn mit Schreiben vom 23. Juli dieses Jahres das Gesuch, es möchte ihr die Bewilligung zur Erhöhung der Transporttaxen bis zum Betrage von 30 % ertheilt werden. Die Konzessionen der Tößthalbahn enthalten nur Bestimmungen dahin, daß, wenn die Bahnunternehmung 3 Jahre nach einander einen 8 % übersteigenden Reinertrag abwerfe, die festgesezten Maximaltaxen herabzusezen seien ; von der Zuläßigkeit einer Erhöhung bei ungenügendem Erträgnisse ist darin nicht die Rede. Der Bundesrath sieht sich demnach nicht in der Lage, das Gesuch von sich aus erledigen zu können, sondern muß dasselbe in der Form einer Konzessionsänderung der Gutheißimg der h. Bundesversammlung unterstellen.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Rekurs des Landjägerkorporals Messerli und des Jägervereins von Burgdorf in Sachen eines Jagdvergehens. (Vom 26. November 1878.)

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07.12.1878

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