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Bericht der

Kommission des Nationalrathes, betreffend den Rekurs des Regierungsrathes des Kantons Zürich gegen den Beschluss des Bundesrathes vom 3. Dezember 1877 in Sachen des Banknotenmonopols zu Gunsten der Zürcher Kantonalbank.

(Vom 2. Februar 1878.)

Tit.!

Am 15. April 1877 nahm das Volk von Zürich das Gesetz ,,betreffend Ausgabe von Banknoten" an, dessen Inhalt die Monopolisirung des Rechtes zur Ausgabe von Banknoten auf dem Gebiete des Kantons Zürich zu Gunsten der Zürcher Kantonalbank bildet. Hiergegen erhob die Direktion der ,,Bank in Zürich" sowohl beim Bundesgerichte als beim Bundesrathe Beschwerde: bei dem erstem wegen Verletzung des § 21 der zürcherischen Kantonsverfassung und bei dem letztern wegen Verletzung der Bundesverfassung und zwar speziell des Art. 31 (Freiheit des Handels und der Gewerbe) und des Art. 39 (Ausschluß jeglichen Monopols für die Banknotenausgabe). Nachdem das Bundesgericht den Entscheid über die Frage des Vorhandenseins einer Verletzung der Kantonsverfassung bis nach Erledigung des beim Bundesrathe eingereichten Rekurses sistirt hatte, faßte diese letztere Behörde in

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Gemäßheit des Art. 85 Ziffer 12 der Bundesverfassung am 3. Dezember 1877 den Beschluß : ,,Das Gesetz des Kantons Zürich vom ,,15. April 1877 betreffend Ausgabe von Banknoten wird als bundes,, verfassungswidrig erklärt und aufgehoben."· Gegen diesen Entscheid ist der Rekurs des Regierungsrathes von Zürich gerichtet, dessen Begutachtung der Kommission obliegt.

Die über die streitige Frage gewechselten Schriften behandeln dieselbe, von den verschiedensten Standpunkten ausgehend, in so erschöpfender und allseitiger Weise, daß neue Argumente für und w i d e r kaum denkbar sind. Die Aufgabe der Kommission kann daher nur die sein, in möglichst gedrängten Zügen den Gedankengang zu skizziren, der sie zum Antrage auf V e r w e r f u n g des R e k u r s e s geführt hat.

Wenn die Kommission hiefür die Form des s c h r i f t l i c h e n Berichtes gewählt hat, so geschah dieß: einmal um bei den bevorstehenden Verhandlungen des Nationalrath.es den einzelnen Mitgliedern die Uebersicht zu erleichtern, dann aber auch, um die von der bundesräthlichen Motivirung abweichende Ansicht der Kommission" über die Bedeutung des Art. 39 für unsern Rekursfall zu präzisiren.

I.

Der v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e Standpunkt : Art. 31 der Bundesverfassung.

Eine der einschneidendsten und gleichwohl am wenigsten beanstandeten Neuerungen der Bundesverfassung von 1874 ist unstreitig der Art. 31 : ,,Die Freiheit des H a n d e l s und der G e w e r b e ,,ist im g a n z e n U m f a n g e der E i d g e n o s s e n s c h a f t ,,gewährleistet.

,,Vorbehalten sind: ,,a. das Salz- und Pulverregal, die eidgenössischen Zölle, die ,,Eingangsgebühren von Wein und geistigen Getränken, so,,wie andere vom Bunde ausdrücklich anerkannte Verbrauchs,,steuern nach Maßgabe des Art. 32.

,,b. Sanitätspolizeiliche Maßregeln gegen Epidemien und Vieh,,seuchen.

,, c .V e r f ü g u n g e n ü b e r A u s ü b u n g v o n H a n d e l ,,und G e w e r b e n , ü b e r B e s t e u e r u n g des Ge-

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,, we r b s b e t r i e b e s u n d ü b e r d i e B e n u t z u n g der ,,Straßen.

,,Diese V e r f ü g u n g e n d ü r f e n d e n G r u n d ,,s a t z der H a n d e l s - u n d G e w e r b e f r e i h e i t s e l b s t ,, n i c h t b e e i n t r ä c h t i g e n.tt Dieser letztere Satz bezieht sich selbstverständlich nur auf die sub e. erwähnten Verfügungen, da er mit Rücksicht auf die in a.

und b. erwähnten Vorbehalte keinen Sinn hätte.

Vielerorts wurden nun anfänglich die Vorschriften des Art. 31 nur als eine verbesserte Redaktion des Art. 29 der Bundesverfassung von 1848 aufgefaßt, so daß die kantonalen Beschränkungen in der Ausübung gewisser Gewerbe, z. B. im Wirthschaftswesen und bei Errichtung von Apotheken -- wenn sie unter dem frühern Art. 29 unangefochten bestanden hatten -- auch durch den neuen Art. 31 nicht als modifizirt oder gar als aufgehoben betrachtet wurden.

Dieser Auffassung trat jedoch der Bundesrath in seinem Kreisschreiben vom 11. Dez. 1874 in folgenden Worten sehr bestimmt entgegen : ,,Die Ansicht, daß der angeführte Art. 31 blos redaktionelle ,,Aenderungen des Art. 29 der Bundesverfassung von 1848 ent,,halte, muß als unrichtig bezeichnet werden , indem der erstere ,,den Grundsatz d e r H a n d e l s - u n d G e w e r b e f r e i l f e i t ,,in seinem Eingange ausdrücklich anerkennt und gewährleistet und ,,nach Aufzählung der den Kantonen noch zustehenden Beschrän,,kungen dessen Unverletzlichkeit nochmals bestätigt, während der ,,alte V e r f a s s u n g s a r t i k e l d i e s e n G r u n d s a t z nirg e n d s a u s s p r i e h t , namentlich a u c h n i c h t die E i n ,, s c h r ä n k u n g s b e f u g n i ß d e r K a n t o n e von der B e ,, a c h t u n g d e s s e l b e n a b h ä n g i g m a c h t . " 1 (Bundesblatt 1874, HI, pag. 889). Und in Uebereinstimmung mit dieser allein richtigen Auslegung hat der Bundesrath seit 1874 alle Rekursf'älle betreffend die Anwendbarkeit des Art. 31 entschieden. Er erklärte es zwar mit dem neu aufgestellten Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit nicht für unvereinbar, daß einzelne Gewerbe im öffentlichen Interesse von der Erfüllung gewisser Bedingungen abhängig gemacht und höher oder anders als die übrigen besteuert werden (Art. 31 litt, c.); allein es sollten damit nicht auf Umwegen die früher bestandenen, durch den Art. 31
beseitigten Schranken und Ungleichheiten wieder eingeführt werden können, und hierüber behielt sich der Bundesrath für jeden einzelnen Rekursfall die Untersuchung und Entscheidung vor. (Vergleiche den Entscheid des Bundesrathes in Sachen Arn & Comp. gegen die Regierung von

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Bern vom 16. November 1875, und ganz besonders den Entscheid der nämlichen Behörde über die Gewerbesteuer im Kanton Neuenburg, Bundesblatt 1876, II, pag. 594).

In Betreff des Zeitpunktes des Inkrafttretens, d. h. des Eintrittes der Wirkungen des Art. 31 für die kantonalen Gesetzgebungen, ist zu beachten, daß derselbe keineswegs erst noch die Erlassung eines Bundesgesetzes zur Durchführung des aufgestellten Grundsatzes der Freiheit des Handels und der Gewerbe in Aussicht nimmt, und daß also nach Art. 2 der Uebergangsbestimmungen alle mit diesem Grundsatz im Widerspruch stehenden Bestimmungen der eidgenössischen Gesetzgebung, der Konkordate, der kantonalen Verfassungen und Gesetze s o f o r t mit Annahme der Bundesverfassung a u ß e r K r a f t getreten sind.

Hinwieder ist schon hier darauf aufmerksam zu machen, daß sowohl in Art. 31 selbst, als dann auch in andern Vorschriften der Bundesverfassung A u s n a h m e n vom Grundsatze der Haudelsund Gewerbefreiheit statuirt sind, indem theils den K a n t o n e n , theils dem B u n d e das Recht eingeräumt ist, bestimmte Gebiete von Handel und Gewerbe sei es monopolistisch zu organisiren oder doch an beschränkende Bedingungen zu knüpfen.

Zur Untersuchung der konstitutionellen Zuläßigkeit der Einführung k a n t o n a l e r B a n k n o t e n m o n o p o l e übergehend, hält die Kommission dafür, es hänge die Entscheidung wesentlich von der Beantwortung der zwei Fragen ab: 1) Fällt die Ausgabe von Banknoten überhaupt unter den Begriff von ,,Handel und Gewerba ? und 2) im Falle der Bejahung dieser Frage: Statuirt die Bundesverfassung speziell für die Banknotenausgabe in dem Sinne eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz der Handelsund Gewerbefreiheit, daß die Kantone auf ihrem Gebiet ein Monopol einführen können?

Zu 1. Ohne in diesem Bericht auf wissenschaftliche Erörterungen über die Begriffe von ,,Handel" und ,,Gewerbe" einzutreten, glauben wir mit dem Gutachten Vogt-Hilty, daß im Art. 31 nicht die Scheidung von ,,Handel1' und ,,Gewerben", sondern die Zusammenfassung beider Ausdrücke das Wesentliche bildet, und daß damit a l l e m e n s c h l i c h e a u f E r w e r b u n d G e w i n n g e r i c h t e t e T h ä t i g k e i t , sofern sie nur nicht als eine sittenoder rechtswidrige sich darstellt, gemeint ist. Diese menschliche E r w e r b s thätigkeit soll -- Ausnahmen vorbehalten -- nach Art. 31 der Bundesverfassung im ganzen Umfange der Eidgenossen-

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Schaft f r e i sein. Nun kann wohl im Ernste nicht bestritten werden, daß die Ausgabe von Banknoten, d. h. die Ausstellung von Anweisungen auf Baarschaft, mit der Verpflichtung, sie jederzeit auf erstes Vorweisen in Metallgeld nach Landeswährung einzulösen, von den emittirenden Banken zum Zwecke des E r w e r b e s erfolgt, und somit einen Zweig menschlicher E r w e r b s thätigkeit, speziell einen Bestandtheil der K r e d i t g e s c h ä f t e dieser Banken bildet, und deßhalb logischerweise unter den allgemeinen Begriff von ,,Handel und Gewerbe" fällt.

Der ',,beleuchtende Bericht des zürcherischen Kantonsrathes zur Volksabstimmung"' läßt über diese Frage nicht den mindesten Zweifel übrig: der Hauptgrund, weßhalb die Banknotenausgabe zu Händen der Kantonalbank monopolisirt werden sollte, lag nach der Ansicht des Kantonsrathes in der Unbilligkeit, daß der erhebliche Gewinn, der auf diesem Geschäftsbetrieb gemacht wird, bisher nicht der Gesamrntheit, sondern blos einer einzelnen Privatbank zukam, während mittelst des Monopoles dieser Gewinn dem ganzen Volk in direkter und indirekter Weise zufließen sollte. Und im Grunde bestreitet auch die Rekursbeschwerde des Regierungsrathes von Zürich der Banknotenemission nicht den Charakter eines Erwerbszweiges, sondern sie will nur die Banknote nicht als ein Gewerbeprodukt ,,im v u l g ä r e n Sinnett, wie z. B. einen Stuhl, einen Schuh oder eine Maschine, aufgefaßt wissen, wohl aber als etwas Eigenartiges, dessen Verkehr deßhalb auch in anderer Weise regulirt werden müsse : die Banknote unterscheide sich von gewöhnlichen Schuldschriften durch den Wegfall der Tndividualisirung, die Irrelevanz der causa debendi, die Natur eines Kreditpapieres mit dem Charakter eines Cirkulationsmittels, das durch massenhaftes Auftreten die Mission eines maßgebenden Vehikels für unser modernes Verkehrsleben beanspruche (Rekursschrift Zürichs pag. 34 und 35). Wir verkennen die Richtigkeit dieser Schilderung der Banknote und ihrer Bedeutung für das Verkehrsleben durchaus nicht und stimmen mit der Zürcher Regierung namentlich darin überein, daß die Banknote als Gewerbeprodukt nicht mit einem Stuhl, einem Schuh oder einer Maschine auf gleiche Linie gestellt werden kann. Aus diesen Vordersätzen darf aber nicht -- wie dieß die Zürcher Regierung thut -- der weitere Schluß gezogen
werden: es sei wegen der geschilderten Besonderheiten die Banknote n u n ü b e r h a u p t k e i n G e w e r b e p r o d u k t , u n d deren Emission könne somit nicht zu ,,Handel und Gewerbe" gezählt werden. Hierin liegt ein logischer Sprung, dessen Richtigkeit wir nicht anerkennen können.

Die Eigenartigkeit des Banknotenverkehrs hätte den Bund allerdings berechtigt, den speziellen Geschäftszweig der Banknotenausgabe

m in der Verfassung von 1874 vom Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit auszunehmen und die Einführung kantonaler BanknotenMonopole zu gestatten, allein es stellt sich in unserem Falle di& Frage so : Findet sich wirklich eine solche Ausnahme oder ein u solcher Vorbehalt in der Verfassung?

o· Zu 2. Es ist von Anfang an zuzugeben, daß die Handelsund Gewerbefreiheit in Art. 31 weder eine absolute ist, noch sich ausnahmslos auf alle Gewerbe erstreckt. Abgesehen von den sanitätspolizeilichen Maßregeln gegen Epidemien und Viehseuchen (litt, b) haben die Kantone zufolge litt, c gegenüber a l l e m ,, Handel und Gewerbea das Recht, im öffentlichen Interesse und zum Schütze des Publikums Verfügungen über Ausübung bestimmter Handels- und Erwerbs z w e i g e zu treffen, und wir halten es deßhalb mit dem Bundesrath für unbestreitbar, daß der Staat, also> so lange ein Bundesgesetz über das Banknotenwesen nicht besteht, die K a n t o n e in Beziehung auf Zulassung der Ausgabe und Einlösung von Banknoten alle durch die eigenthürnliche Art dieses Verkehrs erforderlichen Vorschriften, Bedingungen und Beschränkungen aufstellen und zum Schütze des Publikums gegen Täuschung und Verlust die nöthige Deckung verlangen können. Ebenso zweifellos sind die Kantone nach der nämlichen litt, c zur Besteurung der Ausgabe von Banknoten auf ihrem Gebiete berechtigt. E i n e Grenze darf jedoch bei allen solchen Verfügungen nicht überschritten werden: d i e F r e i h e i t v o n H a n d e l u n d G e w e r b e m u ß aufr e c h t b l e i b e n , wenn nicht in der Bundesverfassung selbst für die Banknotengesetzgebung der Kantone eine Ausnahme von obigem als Regel geltenden Grundsatze statuirt worden ist. Nach einer solchen A u s n a h m e suchen wir aber in der Bundesverfassung vergeblich.

Ausdrücklich vorbehalten sind nämlich den Kantonen blos : einmal in Art. 31 das Salzregal und die in Art. 32 ausdrücklich anerkannten Eingangsgebühren und Verbrauchssteuern, und sodann in Art. 33, erster Absatz, das Recht, die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweise der Befähigung abhängig zu machen. In diesen Richtungen sind die Kantone der Beachtung des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit enthoben. Mit dem Bundesrathe lassen wir es dahingestellt, ob dermal in den Kantonen noch andere Regalrechte oder Staatsmonopole
als die erwähnten bestehen : im Gutachten Vogt-Hilty wird an das Bergwerksregal und an das Monopol der kantonalen ßrandversicherungsanstalten erinnert, welch' letzteres der Bundesrath bis zum Erlaß eines Bundesgesetzes (Art. 34) vorläufig bestehen ließ (Bundesblatt 1876, II, pag. 593). Allein in Betreff des Bergwerkregals ist zu bemerken, daß bei Anlaß der Re visions Verhandlungen der Bund

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es ablehnte, sich mit demselben zu befassen, und hieraus der Schluß auf dessen einstweilige Beibehaltung durch die Kantone nahe gelegt wurde, und was die kantonale Brandversicherung anbetrifft, darf nicht übersehen werden, daß die daherigen Staatsanstalten nicht den E r w e r b zum Zwecke haben, sondern auf der G e g e n s e i t i g k e i t beruhen und daher nicht unter den Begriff von ,,Handel und Gewerbe" fallen.

Mag man jedoch den Text der litt, a des Art. 31 im Sinne der Anerkennung noch weiterer zur Zeit der Einführung der Bundesverfassung in den Kantonen bestandenen Fiskalvorrechte auch ergänzen dürfen, so ist doch so viel sicher, daß die Einführung n e u e r Monopole den K a n t o n e n durch das an die Spitze des Art. 31 gestellte Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit absolut u n t e r s a g t wird.

Andernfalls läge es ausschließlich in der Macht der Kantone, durch Monopolisirung aller oder doch .der lukrativsten Erwerbszweige jenen Grundsatz wieder zu beseitigen und zum Zunftzwang, sowie zur patriarchalischen Staatsordnung zurückzukehren, wo die Regierung für das leibliche Wohl ihrer ,, Unterthanen a durch den Selbstbetrieb der vornehmsten Gewerbe besorgt war.

Das liegt sicherlich am allerwenigsten im Wunsche der Zürcher Regierung.

Aus allen diesen Gründen gelangt die Kommission zum Schlüsse, daß der Art. 31 der B u n d e s v e r f a s s u n g den K a n t o n e n d i e E i n f ü h r u n g eines j e d e n M o n o p o l e s a u f d e m G e b i e t e des B a n k n o t e n w e s e n s v e r b i e t e t . Nach den gewechselten Schriften scheint übrigens nur Neuenburg zur Zeit der Einführung der Bundesverfassung ein Banknotenmonopol gekannt zu haben; allein es wird behauptet, dasselbe beruhe nicht einmal auf einem förmlichen Gesetze, sondern blos auf einer statutarischen Bestimmung. Wir können indessen diese Frage um so eher dahingestellt sein lassen, als ein Rekurs gegen die Fortdauer eines solchen Monopoles in Neuenburg nicht vorliegt und die Bundesversammlung als Rekursbehörde in einem Spezialfalle keinen Beruf hat, amtliche Nachforschungen nach andern gleichartigen oder ähnlichen Fällen zu veranlaßen.

II.

Der g e s e t z g e b u n g s - p o l i t i s c h e Standpunkt : Art. 39 der Bundesverfassung.

Der Art. 39 lautet: ,,Der Bund ist b e f u g t , im Wege der Gesetzgebung allge,, meine Vorschriften über die Ausgabe und die Einlösung von ,, Banknoten zu erlassen.a

177 ,,Er darf jedoch keinerlei Monopol für die Ausgabe von Bank,,noten aufstellen und ebenso keine Rechtsverbindlichkeit für die ,,Annahme derselben aussprechen."1 Der Bundesrath legt zur Beurtheilung der Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Banknotenmonopols ein ganz entscheidendes Gewicht auf den zweiten Satz des Art. 39, indem er behauptet, die Redaktion desselben sei aus dem Verständniß hervorgegangen: weil dem Bunde das Gesetzgebungsrecht über das Banknotenwesen übertragen werde, so könne in der Zukunft die Eintheilung eines Banknotenmonopols nur von ihm ausgehen, und es genüge deßhalb, dem Bunde zu untersagen, dieß zu thun, um zu bewirken, daß überhaupt kein Monopol geschaffen werde.

Wir läugnen nicht, daß zur Zeit der Revisionsverhandlungen viele Mitglieder der Bundesversammlung so gedacht haben mögen; aber wir können nicht zugeben, daß diese Auffassung in Art. 39 ihren A u s d r u c k gefunden hat. Nach dessen klarem Wortlaut hat vorerst der Bund nicht die Pflicht, sondern blos die B e f u g n i ß erhalten, allgemeine gesetzliche Vorschriften über die Ausgabe und die Einlösung von Banknoten zu erlassen, und zweitens ist für diesen Fall i h m , dem B u n d , die Aufstellung eines Monopols und die Einführung eines Zwangskurses für Banknoten untersagt worden.

Die Gesetzgebung des Bundes im Banknotenwesen ist somit blos fakultativ, d. h. sie tritt ein, wenn er es für nöthig erachtet oder opportun findet, und bis zur Stunde hat er blos den Versuch eines Banknotengesetzes, nicht aber dieses selbst zu Stande gebracht.

D e r Art. 3 9 s t a t u i r t a b e r n i c h t s f ü r d i e Z e i t v o n d e r Einführung der neuen Bundesverfassung (Frühjahr 1874) b i s z u m d e r e i n s t i g e n E r l a ß e i n e s B u n d e s g e s e t z e s ü b e r das B a n k n o t e n w e s e n , und gerade in diesem Zwischenstadium befinden wir uns gegenwärtig: v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e Gründe gegen die Einführung des Zürcher Banknotenmonopols lassen sich daher aus Art. 39 nicht herleiten. Der Fehler der bundesräthlichen Auffassung liegt darin, daß sie die bloße ,,Befugniß" des Bundes zur Gesetzgebung in Banknotensachen in eine schon mit der Annahme der Verfassung eingetretene, die Kantonalgesetzgebungen ausschließende K o m p e t e n z des Bundes auf diesem Gebiete verwandelt, dabei aber übersieht,
daß die Verfassung da, wo sie den s o f o r t i g e n Uebergang des Gesetzgebungsreehtes auf den Bund beabsichtigte, dieß in sehr klaren Worten ausgesprochen hat (Art. 64, 6'i, 67, 68, 69). Nach unserer Ansicht hat sich der Bundesrath bei seinem sachbezüglichen Motive betreffend den Art. 39 mehr durch Gründe der G e s e t z g e b u n g s p o l i l i k (Veiv meidung von Widersprüchen zwischen der kantonalen Gesetzgebung

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und dem s p ä t e m Bundesgesetze und der dadurch nothwendigerweise eintretenden Erschwerung einer Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 39) leiten lassen, und wir geben zu, daß solche Oppoftunitätsgründe gesetzgeberischer Natur bei staatsrechtlichen Rekursen den Entscheid der Bundesversammlung häufig -- bewußt oder unbewußt -- beeinflußt haben. Im vorliegenden Rekursfalle möchte jedoch die Kommission von einer derartigen Erwägung Umgang nehmen, weil das in Art. 31 ausgesprochene Prinzip der Handelsund Gewerbefreiheit vollständig hinreicht, um den bundesräihlichen Entscheid zu rechtfertigen, und es immerhin Bedenken erregt, blos zukünftiger gesetzgeberischer Schwierigkeiten wegen eine verfassungsrechtliche Frage so oder anders zu entscheiden oder, wie das Gutachten Vogt-Hilty uns lehrt, nach dem Vorbild des nordamerikanischen Bundesstaatsrechtes ,, stillschweigend m i t verliehene Gewalten" zur Auslegung der Verfassung herbeizuziehen.

Die Frage endlich über das Verhältniß des Art. 39 zu Art. 31 für den Fall des bevorstehenden neuen Bundesgesetzes lassen wir unentschieden: wir glauben zwar, der Bund sei nach Art. 39 befugt, mit Rücksicht auf die Eigenartigkeit des Banknotenverkehrs strengere und schärfere Bedingungen aufzustellen, als dieß den Kantonen dermal nach Art. 31 gestattet ist; allein es ist nicht Sache einer Rekursbehörde, der künftigen Gesetzgebung vorzugreifen, und deßhalb enthält sich die Kommission jeder offiziellen Meinungsäußerung in dieser Sache.

Gestützt auf die ausgeführten Erwägungen gelangen wir zum einstimmigen S c h l u ß a n t r a g auf V e r w e r f u n g des vom Zürcher Regierungsrath eingereichten R e k u r s e s .

B e r n , den 2. Februar

1878.

Namens der nationalräthlichen Kommission, Der Berichterstatter:

R. Brunner.

Mitglieder der Kommission des Natiojialratbs : Brauner.

Barman.

Durrer.

Keel.

Eohr (Aargau).

Ruchonnet.

Steinhauser.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Uebertragung und Abänderung der Konzession für die Eisenbahn Seebach (Oerlikon)-Zürich.

(Vom 4. Februar 1878.)

Tit.!

Durch Beschluß vom 4. Juli 1876 haben Sie dem Herrn K. Walder, Mitglied des zürcherischen Regierungsrathes, und 6 Mitbetheiligten zuhanden einer zu bildenden Gesellschaft die Konzession für eine Eisenbahn von Seebach (Oerlikon) nach Zürich ertheilt. Als Siz der Gesellschaft wurde Zürich bestimmt. Die ursprünglich festgesezten Ausweis- und Baufristen wurden durch Bundesbeschluß vom 27. März 1877 in folgender Weise verlängert : 4. Januar 1878: Termin für die Einreichung der vorschriftmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten ; 1. Mai 1878: Beginn der Erdarbeiten; 1. Mai 1880: Vollendung der Linie.

Schon in der Botschaft, mit welcher wir Ihnen die Ertheilung der nachgesuchten Konzession empfahlen, wurde auf den nahen Zusammenhang hingewiesen, welcher zwischen dem Projekte und dem Unternehmen der Schweiz. Nationalbahn bestehe.

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09.02.1878

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170-179

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