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Schweizerisches Bundesblatt.

30. Jahrgang. III.

Nr. 42.

14. September

1878.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bericht der

Kommission des Nationalraths betreffend die Handelskonvention mit Rumänien.

(Vom 15. August 1878.)

Tit. !

Ich gehe ohne Einleitung auf denjenigen Punkt über, der hier allein in Frage kömmt. Es ist dies die Stellung, welche unsere israelitischen Mitbürger dem Vertrage gegenüber genommen haben.

Dieselben verlangen, daß die Ratifikation verweigert werde, weil in Rumänien die Juden in bürgerlicher und politischer Beziehung nicht gleiche Rechte genießen, wie die Christen, und weil der vorliegende Vertrag diese Ungleichheit sanktionire oder zum mindesten nicht aufhebe.

Was nun die Behauptung anbetrifft, daß durch den vorliegenden Vertrag irgend eine Rechtsungleichheit zwischen Christen und Israeliten geschaffen werde, so entbehrt dieselbe allen und jeden Grundes. Allerdings bestehen in Rumänien gesetzliche Bestimmungen, wonach die Juden auf dem platten Lande weder Liegenschaften erwerben, noch sich niederlassen können, während hinwiederum in den Städten eine Niederlassungsfreiheit besteht, die nichts zu wünschen übrig läßt. Allein der vorliegende Vertrag bezieht sich lediglich auf die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Waaren, ohne auch nur mit einer Silbe die Niederlassungsverhältnisse zu o Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. III.

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678 berühren. Es kann daher vor allen Dingen keine Rede davon sein, daß durch die Handelskonvention irgend eine Ungleichheit geschaffen werde.

Ebenso wenig stichhaltig scheint Ihrer Kommission aber das Begehren zu sein, daß die Ratifikation darum verweigert werde, weil, abgesehen von der Konvention, in Rumänien nicht überall völlige Rechtsgleichheit zwischen Juden und Christen bestehe. Es ist hier am Platze, mit einigen Worten auf die Geschichte der vorliegenden Handelskonvention zurückzugehen.

Im Jahre 1875 schloß Oesterreich mit Rumänien eine Handelskonvention ab, zufolge welcher die Angehörigen des einen Staates in dem andern das Recht haben sollen, Mobilien und Immobilien zu besitzen, zu kaufen und zu verkaufen. Vorbehalten wurde jedoch hiebei die Aufrechthaltung des Verbots, welches in Rumänien hinsichtlich der Niederlassung der Israeliten auf dem flachen Lande besteht. Seitens der rumänischen Regierung wurde daraufhin auch der Schweiz der Abschluß einer ähnlichen Konvention vorgeschlagen. Allein der Bundesrath weigerte sich, hierauf einzutreten, und zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die ungleichmäßige Behandlung, welcher nach den rumänischen Gesetzen die Juden auf dem flachen Lande unterworfen seien. Der Bundesrath that dies vorwiegend aus Gründen theoretischer Natur, denn eine-schweizerische Einwanderung nach Rumänien, welche sich auf dem platten Lande niederzulassen willens wäre, besteht thatsächlich nicht und in den rumänischen Städten herrscht, wie schon bemerkt, für Juden und Christen gleiche Niederlassungsfreiheit. Allein der Bundesrath hielt dafür, daß die Schweiz ihren Namen nicht unter einen internationalen Vertrag setzen könne, der eine Kategorie, ihrer Angehörigen einem Ausnahmegesetze unterwirft. Der Bundesrath glaubte ferner nicht zugeben zu können, daß die schweizerischen Israeliten in Rumänien nicht die Handelsfreiheit genießen, welche den schweizerischen Angehörigen christlicher Konfession eingeräumt wird; denn nach der Bundesverfassung darf die Ausübung bürgerlicher oder politischer Rechte durch keinerlei Vorschriften oder Bedingungen religiöser Natur beschränkt werden.

Der Bundesrath lehnte daher das Eintreten auf die Handelskonvention ab und beauftragte seinen Gesandten jn Wien, dahin zu wirken, daß jene Bestimmung aus dem Vertragsentwurfe entfernt werde. Die
rumänische Regierung fügte sich und es kam unterm 28. Dezember 1876 eine provisorische Konvention zu Stande, welche in Folge des Ausbruchs des orientalischen Krieges im darauffolgenden Jahre auf unbestimmte Zeit verlängert wurde und kraft deren in Bezug auf Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Handelsgegen-

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ständen die Schweiz und Rumänien sich gegenseitig die Gleichstellung mit der meistbegünstigten Nation zusicherten.

Gegen Ende des verflossenen Jahres wurden die Unterhandlungen für den Abschluß eines definitiven Vertrags wieder aufgenommen und nun kam Rumänien auf sein ursprünglich gestelltes Verlangen zurück, es möchten auch die beidseitigen Niederlassungsverhältnisse vertraglich geregelt werden. Allein wiederum erklärte der Bundesrath hierauf nicht eintreten zu können, mit Rücksieht auf die mehrerwähnte Ungleichheit, welche nach den rumänischen Gesetzen zwischen den Juden und Christen bezuglich ihrer Niederlassung auf dem platten Lande in Rumänien besteht. Dagegen kam nach längeren und schwierigen Verhandlungen die nun vorliegende Handelskonvention zu Stande, welche sich mit A u s s c h l u ß aller N i e d e r l a s s u u g s v e r h ä l t n i s s e l e d i g l i c h m i t d e r Aus-, Ein- u n d D u r c h f u h r v on H a n d e l s g e g e n s t ä n d e n b e f a ß t und in dieser B e z i e h u n g die beidseitigen Angehörigen aller Konfessionen vollkommen g ö l' e i c h s t e l l t .

Weder schafft diese Handelskonvention daher, noch sanktionirt sie stillschweigend irgend eine Ungleichheit in Bezug auf die Verhältnisse, welche durch sie geregelt werden. In Niederlassungssachen bleibt das Verhältniß das bisherige, d. h. weder schweizerische Juden, noch schweizerische Christen haben ein v e r t r a g s m ä ß i g e s R e c h t , sich in Rumänien niederzulassen und es besteht, nebenbei gesagt, also auch in dieser Beziehung vertraglich keinerlei ungleiche Behandlung.

», Der Bundesrath hat demnach auf den Abschluß eines Niederlassungsvertrages mit Rumänien verzichtet, weil er die Unterstellung einer Kategorie schweizerischer Angehöriger unter ein Ausnahmegesetz nicht vertraglich Sanktioniren wollte. Weit entfernt, die Rechte unserer schweizerischen Mitbürger zu verletzen, verzichtete er zu G u n s t e n der I s r a e l i t e n auf einen Vertrag, welcher der überwiegenden Mehrheit der christlichen Bevölkerung der Schweiz von wesentlichem Nutzen gewesen wäre.

Es ist uns daher gänzlich unersichtlich, auf welche Motive gestützt wir Ihnen die Verwerfung dieser Konvention beantragen sollten.

Eine weitere Frage entsteht nun allerdings in Folge des internationalen Vertrags, welcher jüngst in Berlin zwischen den europäischen Mächten abgeschlossen wurde. Wie Ihnen bekannt ist -- o f f i z i e l l ist zwar der Berliner Vertrag meines Wissens noch nicht

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veröffentlicht worden -- wie aber durch die Presse bekannt geworden ist, macht jener Vertrag es Rumänien zur Pflicht, die Angehörigen aller Mächte, handeltreibende und andere, ohne Unterschied der Religion, auf dem Fuße vollständiger Gleichheit zu behandeln.

Es fragt sich nun, und Ihre Kommission hat sich diese Frage vorgelegt: ist es nicht angemessen, angesichts dieser Bestimmung des Berliner Vertrags die vorliegende Handelskonvention auf die Seite zu legen und gestützt auf den Berliner Vertrag sofort in Unterhandlungen über einen Niederlassungsvertrag einzutreten ? Einzelne Mitglieder Ihrer Kommission wären in der That nicht ungeneigt gewesen, Ihnen ein solches Procedere vorzuschlagen. Allein es drängte sich uns sofort die weitere Frage auf : wie lange werden die Unterhandlungen über einen solchen Niederlassungsvertrag dauern ?

wird es überhaupt gelingen, trotz Berliner Vertrag, Rumänien sobald zum Aufgeben seines Standpunktes hinsichtlich der Stellung der Israeliten zu bewegen, und ist es gerechtfertigt, den Theil der schweizerischen Bevölkerung, welcher mit Rumänien in Handelsbeziehungen steht, auf eine so lange Dauer der Vortheile zu berauben, die ihr durch die Handelskonvention zu Theil werden?

Denn es sei an dieser Stelle bemerkt, daß die provisorische Handelskonvention, welche jetzt noch in Kraft besteht, von Rumänien binnen weniger Tage gekündigt werden wird, falls Sie die vorliegende Konvention nicht genehmigen.

Ihre Kommission wandte sich daher an das eidg. Handelsdepartement mit der Anfrage, ob Aussicht vorhanden sei, angesichts des Berliner Vertrages, daß Rumänien ohne Verzug zum Abschlüsse eines Niederlassungsvertrages Hand bieten werde. Allein die Auskunft, die wir sowohl vom Handelsdepartement, als auch von der schweizerischen Gesandtschaft in Wien, die auf unsern Wunsch diesfalls angefragt . wurde, erhielten, bestimmte uns, Ihnen die sofortige Ratifikation der Handelskonvention vorzuschlagen und Ihnen zu empfehlen, das Schicksal dieser Konvention nicht abhängig zu machen von dem Schicksal eines einstweilen noch in unbekannter Ferne liegenden Niederlassungsvertrages.

Wir beantragen Ihnen daher, Sie wollen der vorliegenden Handelskonvention mit Rumänien Ihrerseits die Ratifikation ertheilen, immerhin mit folgendem weitern Antrage : Der Bundesrath wird eingeladen, die Frage des Abschlusses eines Niederlassungsvertrages mit Rumänien auf Grundlage vollständiger Gleichberechtigung sämmtlicher Schweizerbürger un-

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ausgesetzt im Auge zu behalten und die diesfälligen Verhandlungen sobald als möglich wieder aufzunehmen.*) B e r n , den 15. August 1878.

Namens der Kommission des Nationalraths, Der B e r i c h t e r s t a t t e r : E. Frei.

Mitglieder der Kommission : HH. Frei.

Bally.

Joly.

Müller.

Widmer-Hüni.

*) Angenommen von den eidg. Räthen.

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Kreisschreiben des

eidg. Eisenbahn- und Handelsdepartements an sämmtliche Kantonsregierungen, betreffend die Fabrikinspektionen.

(Vom 29. August 1878.)

Hochgeachtete Herren !

Mit Gegenwärtigem beehren wir uns, Ihnen zur Kenntniß zu bringen, daß der Bundesrath in seiner Sizung vom 24. laufenden Monats, in Vollziehung des Bundesgesezes betreffend die Arbeit in den Fabriken, zu Fabrikinspektoren gewählt hat : Herrn Fridolin Schul er, Arzt, in Mollis, ,, Wilhelm K l e i n , in Basel, ,, Edmund N ü s p e r l i , Mechaniker, in Neuenstadt, und ersuchen Sie, dafür zu sorgen, daß sowohl die für die Vollziehung des Gesezes (Artikel 17) bestimmten Amtsstellen als auch die Inhaber industrieller Anstalten Ihres Kantons beförderlichst von dieser Wahl Kenntniß erhalten. Es erscheint als zwekmäßig, daß Sie gleichzeitig jene Amtsstellen, sowie die industriellen Anstalten darauf aufmerksam machen, daß den Inspektoren der Eintritt in alle Lokalitäten der Fabriken unbedingt zu gestatten und denselben über alle Verhältnisse, auf die sich das zitirte Gesez bezieht, auf Verlangen genauer Aufschluß zu ertheilen ist. Hinwieder sind die Inspektoren von der Bundesbehörde speziell verpflichtet worden, Fabrikationsgeheimnisse, die bei der Begehung industrieller Etablissemente zu ihrer Kenntniß gelangen, strengstens zu wahren. Daß

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Bericht der Kommission des Nationalraths betreffend die Handelskonvention mit Rumänien. (Vom 15. August 1878.)

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14.09.1878

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