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Internationaler Vertrag betreffend

die gegen die Phylloxéra vastatrix zu treffenden Massregeln.

(Vom 17. September 1878.)

Die Schweizerische Eidgenossenschaft, Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, Apostolischer König von Ungarn, Seine Katholische Majestät der König von Spanien, der Präsident der Französischen Republik, Seine Majestät der König von Italien, Seine Allergetreueste Majestät der König von Portugal, in Erwägung der immer mehr überhandnehmenden Verheerungen durch die Reblaus und in Anbetracht der Zwekmäßigkeit eines gemeinschaftlichen Vorgehens Europas, um wo möglich dem Fortschreiten der Landplage in den von derselben betroffenen Ländern Einhalt zu thun und die bis jezt verschonten Gegenden vor derselben zu bewahren; nach Einsichtnahme der Akten des internationalen Phylloxerakongresses, gehalten in Lausanne vom 6. bis 18. August 1877, haben behufs Abschließung eines diesfallsigen Vertrages zu ihren Bevollmächtigten ernannt, und zwar: Die Schweizerische Eidgenossenschaft:

Herrn Numa D r o z , Bundesrath, Vorstand des eidgenössischen Departementes des Innern ; Herrn Victor Fat io, Doktor der Philosophie: Naturwissenschaften;

428 Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen: Herrn Heinrich von K ö d e r , Generallieutenant, Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft ; Herrn Adolph W e y m a n n , Seinen Geheimen Regierungsrath und vortragenden Rath im Reichskanzleramte ; Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, Apostolischer König von Ungarn.

Herrn Moriz Freiherr von Ottenfels-Gsch w i n d , Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft ; Seine Katholische Majestät der König von Spanien: Herrn Don Narciso Garcia de L o y g o r r i , Vicomte de la Vega, Seinen Geschäftsträger bei der Schweizerischen EidgenossenO

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schaft ;

Herrn Don Mariano de la Paz G r a ë l l s , Landwirthschaffs-, Industrie- und Kommerzienrath, Professor der vergleichenden Anatomie und der Physiologie an der Centraluniversität ; Der Präsident der Französischen Republik: Herrn Bernard Grafen d ' H a r c o u r t , französischen Botschafter bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft ; Herrn Georges Hai na du Frétay, Generalinspektor der Landwirthschaft ; Seine Majestät der König von Italien: Herrn Louis-Amédée Melegari, Senator, Seinen Staatsminister und Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft ; Herrn Adolphe T a r g i o n i T o z z e t t i , Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie au dem königlichen Institut der hohem praktischen und Vervollkommnungsstudien in Florenz, Direktor der landwirthschaftlich-entomologischen Station in Florenz; Seine Allergetreueste Majestät der König von Portugal: Herrn Jaôa Ignacio Ferreira L a p a , Seinen Rath, Direktor und Professor an dem allgemeinen landwirtschaftlichen Institut in Lissabon und technischen Inspektor bei der Ausstellung in Paris vom Jahre 1878,

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welche nach Mittheilung ihrer' in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten über nachstehende Artikel übereingekommen sind : Artikel 1.

Die vertragschließenden Staaten verpflichten sich, ihre innere Gesezgebung-, falls sie es nicht schon gethan haben, dahin zu vervollständigen, daß dadurch eine gemeinschaftliche und wirksame Bekämpfung der Einführung und Verbreitung der Reblaus gesichert wird.

Diese Gesezgebung hätte sich besonders auf folgende Punkte zu beziehen : 1) die Beaufsichtigung der Weinberge, Gärten, Treibhäuser, Baumschulen, die zur- Auffindung der Reblaus erforderlichen Untersuchungen und Ermittlungen, und endlich die behufs möglichster Ausrottung derselben zu entwikelnde Thätigkeit ; 2) die Abgränzung der von der Krankheit betroffenen Landstriche, und zwar je im Verhältniß zum Erscheinen oder Fortschreiten dos Uebels im Innern der Staaten; 3) die gesezliche Regelung des Transportes der Rebensezlinge und der Theile und Erzeugnisse der Rebe,i sowie der SezO linge, Stauden und Produkte des Gartenbaues, um zu verhindern, daß die Krankheit ihren Herd im Innern des Landes überschreite oder auf dem Wege des Transites in andere Staaten Eingang finde; 4) die Art der Verpakung und des Umlaufs dieser Gegenstände, sowie die für den Fall einer Uebertretung der angeordneten Maßregeln zu ergreifenden Bestimmungen und Vorsichtsmaßnahmen.

Artikel 2.

Dem ungehinderten internationalen Verkehr sind überlassen: Der Wein, die Tafeltrauben ohne Blätter und ohne Rebholz, die Traubenkerne, die abgeschnittenen Bluthen, die Gemüseprodukte, die Samenkörner aller Art, sowie die Früchte.

Die Sezlinge, Stauden und sonstigen Produkte der Baumschulen, Gärten, Treibhäuser und Orangerien können von einem Staate in den andern nur durch gewisse von den vertragschließenden Grenzstaaten zu diesem Zweke zu bezeichnende Zollstätten und unter den in Art. 3 näher festgestellten Bedingungen eingeführt werden.

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Die ausgerissenen Reben und trokenen Rebhölzer sind von dem internationalen Verkehr ausgeschlossen.

Die unter sich angrenzenden Staaten werden sich hinsichtlich der Zulassung, in den Grenzstricheu, von Weinlesetraubeu, Weintrestern, Düngererde, sowie schon gebrauchter Reb- und Schuzpfähle in's Einvernehmen sezeu, mit dem Vorbehalte jedoch, daß die genannten Gegenstände nicht aus einem mit der Reblaus behafteten Landstriche stammen dürfen.

Die Rebensezlinge, Stauden und Rebhölzer können in einen Staat nur mit dessen Zustimmung eingeführt werden, und es ist der internationale Transit dieser Produkte nur auf dem Wege der bezeichneten Zollstätten und unter den oben erwähnten Bedingungen betreffend Verpakung gestattet.

Artikel 3.

Die in dem 2. und 5. Alinea des vorhergehenden Artikels aufgezählten Gegenstände, die zum internationalen Transit durch besonders zu bezeichnende Zollstätten zugelassen sind, müssen mit einer behördlichen Bescheinigung des Landes, woher sie kommen, begleitet sein, welche enthalten soll: a. daß sie aus einem von der Reblaus nicht heimgesuchten Gebiete herkommen, welches auch als solches auf der in jedem Staate hergestellten und aufgelegten Spezialkarte sich ausweisen muß; b. daß sie nicht erst neulich dorthin eingeführt wurden.

Die Weinfechser, Wurzelschößlinge und Rebhölzer dürfen nur in vollständig, und zwar mit Schrauben verschlossenen, trozdem aber leicht zu untersuchenden und wieder zu verschließenden Kisten transportirt werden.

Die Sezlinge, Stauden und sonstigen Erzeugnisse dei- Baumschulen, Gärten, Treibhäuser und Orangerien müssen fest und sicher verpakt, die Wurzeln vollständig von Erde gereinigt sein; es können die lezteren mit Moos umgeben werden, müssen aber jedenfalls mit einem Paktueh so eingewikelt sein, daß kein einziges Theilchen entweichen kann, daß aber auch die Vornahme der erforderlichen Konstatirungen dadurch nicht gehindert wird.

Die Zollstätte wird jeweilen, wenn sie es für nöthig erachtet, diese Gegenstände durch offiziell bestellte Sachverständige untersuchen lassen, welche für den Fall, daß sie das Vorhandensein der Rehlaus konstatiren sollten, darüber ein Protokoll aufzunehmen haben.

·431 Dieses Protokoll wird dem Staate, aus weichern das mit der Reblaus behaftete Produkt stammt, übermittelt werden, damit die Uebertreter gegebenen Falls auf rechtlichem Wege, gemäß der Gesezgebung des betreffenden Staates, zur Verantwortung gezogen werden können.

Keine der Sendungen, welche in internationalen Verkehr, wohindurch dies auch sein mag, gesezt werden dürfen, darf Weinblätter enthalten.

Artikel 4.

Die Gegenstände, welche bei einer Zollstätte angehalten werden, weil sie nicht in der durch den vorhergehenden Artikel vorgeschriebenen Weise verpakt sind, werden an ihren Abgangsort zurükgeschikt.

Die Gegenstände, bei welchen die Sachverständigen das Vorhandensein der Reblaus konstatiren würden, sind sofort und auf der Stelle mit sammt ihrer Verpakung durch Verbrennen zu zerstören.

Die Beförderungsmittel, durch welche diese Gegenstände transportirt wurden, sind unverzüglich vermittelst einer gehörigen Abwaschung mit Schwefelkohlenstoff, oder durch was immer für ein von der Wissenschaft als wirksam und von dem betreffenden Staate als zuläßig anerkanntes Mittel zu desinfiziren.

Jeder Staat wird behufs pünktlicher Vollziehung dieser Desinfizimng die erforderlichen Maßregeln treffen.

Artikel 5.

Die vertragschließenden Staaten verpflichten sich, um ihre Gemeinsamkeit des Handelns zu erleichtern, sich regelmäßig mitzuth eilen : 1) die von jedem derselben erlassenen suchbezüglichen Geseze und Verordnungen; 2) die hauptsächlichen in Vollziehung besagter Geseze und Verordnungen, sowie des gegenwärtigen Vertrags getroffenen Maßregeln ; 3) die Berichte oder Auszüge aus Berichten der verschiedenen im Innern und an den Grenzen gegen die Reblaus organisirten Dienststellen ; 4) jede Entdekung eines Angriffs der Reblaus in einem bisher für « unbeschädigt gehaltenen Gebiete, mit Angabe der Ausdehnung und, wo möglich, der Ursachen des Eindringens (diese Mittheilung wird immer ohne allen Verzug gemacht werden) -y

432 5) jede Karte, welche für die Abgrenzung der verschont gebliebenen und der angegriffenen oder verdächtigen Gebiele angefertigt werden wird; 6) Auskünfte über den Fortschritt der Landplage in den Gegenden, wo dieselbe ermittelt worden ist; 7) das Ergebniß der wissenschaftlichen Forschungen und praktischen Erfahrungen, welche in den von der Reblaus angegriffenen Weinbergen gemacht worden sind; 8) alle sonstigen Dokumente, welche für den Weinbau in spezieller Hinsicht ein Interesse haben.

Diese verschiedenen Mittheilungen werden durch jeden der vertragschließenden Staaten für die von ihm gemachten sachbezügliehen Veröffentlichungen beuuzt werden, und es wird gleichfalls zwischen ihnen ein Austausch dieser Veröffentlichungen stattfinden.

Artikel 6.

Wenn man es für nöthig erachten wird, so werden die vertragschließenden Staaten sich an einer internationaleil Vereinigung vertreten lassen, welche die Aufgabe hat, die durch die Vollziehung des Vertrags erhobenen Fragen zu untersuchen und die von der Erfahrung und von den Fortschritten der Wissenschaft empfohlenen Abänderungen vorzuschlagen.

Besagte internationale Vereinigung wird ihre Sizungen in Bern halten.

Artikel 7.

Die Auswechslung der Ratifikationen wird stattfinden in Bern binnen sechs Monaten nach dem Datum der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages, oder, wenn es möglich ist, noch früher.

Der gegenwärtige Vertrag wird 15 Tage nach der Auswechslung der Ratifikationen in Kraft treten.

Jeder Staat kann jederzeit demselben beitreten oder von ihm zurüktreten mittels einer Erklärung zuhanden des Bundesrathes, welcher den Auftrag annimmt, als Vermittler zwischen den kontrahirenden Staaten zur Vollziehung der hier stehenden Artikel 6 und 7 zu dienen.

Zur Urkunde dessen haben ihn die betreffenden Bevollmächtigten unterzeichnet und demselben ihr Wappensiegel beigedrükt.

So geschehen zu Bern am siebzehnten Tage des Monats September des Jahres eintausend achthundert und achtundsiebzig.

(Folgen die Unterschriften.)

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Internationaler Vertrag betreffend die gegen die Phylloxera vastatrix zu treffenden Massregeln. (Vom 17. September 1878.)

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14.12.1878

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427-432

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