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4682 Zwölfter Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergriffenen Massnahmen.

(Vom 27. April 1945.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen über die Massnahrnen Bericht zu erstatten, die ·wir vom 1. Oktober 1944 bis zum 31. März 1945 auf Grund des Bundesbeschlusses vom 80. August 1989 über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität ergriffen haben.

Departemente.

B. Departement des Innern.

Departementssekretariat.

1. Bundesratsbeschluss vom 3. November 1944 b e t r e f f e n d den Schutz des schweizerischen Buchverlages gegen Ü b e r f r e m dung (A. S. 60, 715).

Herr Nationalrat Gut, Stäfa, reichte am 22. Juni 1944 in der nationalTätlichen Volhnachtenkommission ein von Herrn Nationalrat Dr. H. Oprecht mitunterzeichnetes Postulat folgenden Wortlautes ein: Die Frage der Herausgabe von Werken des Schrifttums durch ausländische Verleger in der Schweiz droht einen Umfang anzunehmen, der nicht nur unsere eigene Produktion in Frage stellt, sondern auch geeignet sein könnte, das Ansehen unseres Landes im nationalen und internationalen Wettbewerb zu beeinträchtigen.

Der Bundesrat wird eingeladen, unverzüglich die Frage zu prüfen, welche Massnahmen ergriffen werden können, um dieser Gefahr der Überfremdung zu begegnen.

Eine Verlagerung der ausländischen Bücherproduktion in unser Land drohte in erster Linie von der Veranstaltung von Lizenzausgaben ausländischer Verlagswerke in der Schweiz. Wenn früher die Bemühungen um Erwerbung BundeBblatt. 97. Jahrg. Bd. I.

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502 von Lizenzen bei ausländischen Verlegern erfolglos geblieben waren, so trat.in dem Zeitpunkt, da die Bücherproduktion des Auslandes durch die massiven Einwirkungen des Krieges weitgehend lahmgelegt war und anderseits ernsthafte Anstrengungen zum Ausbau des schweizerischen Verlagswesens unternommen wurden, eine Wendung ein, indem der ausländische Verlag begann, den schweizerischen. Verlegern Lizenzen in grosser Zahl anzubieten. Diese Entwicklung machte eine gewisse behördliche Kontrolle des schweizerischen Verlagswesens unumgänglich. Dabei waren folgende Erwägungen anzustellen: 1. Die in Frage stehenden ausländischen Werke sind zum Teil durch Charakter und Haltung für die schweizerischen Bedürfnisse untragbar, zum Teil durch den Umstand, dass während der Kriegsjahre keine Überarbeitungen vorgenommen worden sind, inhaltlich veraltet.

2. Eine unterschiedslose Erwerbung von Verlagshzenzen durch schweizerische Verleger ergäbe für die Schweiz die Gefahr, ein getarntes ausländisches Verlagszentrum zu werden. Eine solche Entwicklung würde auf Grund der kriegsbedingten Verhältnisse und der Nachkriegssituation .einerseits unser eigenes Verlagswesen kompromittieren und damit unser Geistesleben an seiner Ausstrahlung behindern, anderseits dem schweizerischen Verlagswesen überhaupt den Boden für seine Entwicklung entziehen.

3. Die Tendenz der ausländischen Verleger würde unsere eigenen Anstrengungen zum Ausbau eines schweizerischen wissenschaftlichen Verlages durchkreuzen. Für diesen Ausbau ergibt sich durch die derzeitigen Verhältnisse nicht nur eine günstige Gelegenheit, sondern infolge des Büchermangels, besonders in bezug auf Lehrbücher für Mittel- .und Hochschulen, geradezu eine Notwendigkeit.

4. Da die Lizenzen zeitlich beschränkt sind, ist durch die Veranstaltung von Lizenzausgaben für die Schweiz nicht viel gewonnen. Die ausländischen Verleger bezwecken, durch die Abgabe von Lizenzen ihre wichtigste Produktion aufrechtzuerhalten, um nach Überbrückung ihrer derzeitigen Schwierigkeiten ihre frühere Position wieder einzunehmen.

Auf Grund dieser Sachlage nahm das Departement des Innern die Vorbereitung des Bundesratsbeschlusses über den Schutz des schweizerischen Buchverlages gegen Überfremdung an die Hand. Die Vorbereitung erfolgte in Fühlungnahme mit den interessierten eidgenössischen Amtsstellen
und den Fachverbänden. In der Folge nahmen Ihre Vollmachtenkommissionen zu dein Entwurf des Departements des Innern Stellung und stimmten diesem nach Berücksichtigung verschiedener Wünsche und Anregungen zu.

Es erwies sich als notwendig, auch die Neugründung und Umwandlung von Unternehmen des Buchverlages einer behördlichen Bewilligung zu unterstellen, um der Möglichkeit zu begegnen, durch Eröffnung eigener Verlagsunternehmen -- offen oder getarnt --· die Vorschriften betreffend die Herstellung ausländischer Verlagswerke und Erwerbung von Lizenzen ausländischer Verlagsrechte zu umgehen.

503 Die getroffene Massnahme bezieht sich nur auf den Buchvcrlag. Zeitungen und Zeitschriften, Musik- und Kunstverlag werden nicht erfasst. Auch fällt die Übertragung von Übersetzungsrechten nicht unter den Beschluss, da diese verlegerisch etwas Selbständiges darstellen.

Auf Grund - der im Bundesratsbeschluss getroffenen Ordnung bedarf die Erwerbung von Lizenzen ausländischer Verlagsrechte einer Bewilligung, für deren Erteilung eine fünf- bis siebengliedrige Kommission, die durch das Departement des Innern ernannt .wird, zuständig ist. In dieser Kommission sind zur Zeit die Wissenschaft,- das literarische Schrifttum und die verschiedenen Kulturkreise des Landes mit fünf Mitgliedern, das Yerlagsgewerbe mit zwei Mitgliedern vertreten. Das Prinzip der Kommission wurde gewählt, um eine möglichst freiheitliche, den Gesetzmässigkeiten des Geisteslebens entsprechende Lösung zu treffen. Gegenwärtig gehören .der Kommission an: Prof. Dr. med.

Carl Henschen, Eektor der Universität Basel, Basel, Präsident; Dr. Gustav Keckeis, Vorstandsmitglied des Vereins Schweizerischer Verlagsbuchhändler, Zürich, Vizepräsident ; Prof. Guido Calgari, scrittore, membro della comunione di lavoro «Pro Helvetia» e-presidente della Nuova Società Elvetica, Locamo; jSiationalrat Theodor Gut, Eedaktor, Stäfa; Nationalrat Dr. Hans Oprecht, Präsident der Büchergilde Gutenberg, Zürich; Carl Emil Lang, Präsident des Vereins Schweizerischer Verlagsbuchhändler, Bern; Prof. Henri de Ziegler, président de la Société des Ecrivains suisses, Genève ; Alfred Gigon, professeur de médecine à l'Université de Baie, Baie (Ersatzmitglied) ; Alexandre Jullien, président de la Société des Libraires et Editeurs de la.Suisse romande, Genève (Ersatzmitglied) ; Dr. Hermann Weilenmann, Vizepräsident des Schweizerischen Schriftstellervereins und Leiter der Volkshochschule des Kantons Zürich, Zürich (Ersatzmitglied).

In der Eegel wird die Bewilligung nur erteilt, wenn die verlagsrechtliche Lizenz für die Dauer von mindestens fünf Jahren eingeräumt wird und die Höhe der Auflage während der Dauer der Lizenz unbeschränkt ist.

Die Bewilligimg für die Neugründung und Umwandlung von Unternehmen des Buchverlages wird erteilt, wenn der Nachweis geleistet ist, dass der Inhaber und der Leiter des Unternehmens Schweizerbürger und die finanziellen Mittel des Verlages
schweizerischer Herkunft sind. Im übrigen ist die Bewilligung zu erteilen, wenn nicht der Schutz des schweizerischen Buchverlages gegen Überfremdung oder die allgemeine Wahrung der geistigen " und kulturellen Interessen des Landes die Verweigerung als notwendig erscheinen lässt. Zuständig für die Erteilung der Bewilligung für die Neugründung und Umwandlung von Verlagsunternehmen ist das Departement des Innern, das seinerseits die Gesuche yorgängig der Entscheidung der obenerwähnten Kommission zur Begutachtung vorlegt.

Ganz allgemein ist zu sagen, dass es sich bei der in Frage stehenden Massnahme nicht urh ein Verbot, sondern darum handelt, die Entwicklung de& Verlagswesens in unserem Lande durch eine gewisse Kontrolle in geordneten Bahnen zu halten. Die Erteilung der Bewilligung soll denn auch als Eegel

504 gelten, und die Verweigerung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. Der Bundesratsbeschluss richtet sich in keiner Weise gegen-eine werteschaffende Verlagsproduktion, sondern lediglich gegen konjunkturbedingte geschäftliche Kombinationen auf dem Bücken unseres Landes und zum Schaden des geistigen und kulturellen Lebens. Wir legen schliesslich Wert auf die Fest.

Stellung, dass der Beschluss nicht eine Massnahme gewerbepohtischer, sondern, eine solche kulturpolitischer Natur darstellt.

Oberbauinspektorat.

2. Bundesratsbeschluss vom 12. Januar 1945 über die Ermächtigung der Kantonsregierungen zum Erlass baupolizeilicher Vorschriften b e t r e f f e n d den Ausbau der schweizerischen Hauptstrassen (A. S. 61, 37).

Mit Beschluss vom 8. Dezember 1948 haben wir, gestützt auf Art. 16, Abs. l, des Bundesratsbeschlusses vom 6. August 1948 betreffend den Vollzug des Bundesratsbeschlusses über die Regelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit, die Durchgangs- und Zufahrtsstraasen bezeichnet, die als öffentliche Arbeiten gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 1942 über die Begelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit zur besondern Subventionierung durch den Bund vorgesehen sind. Gleichzeitig wurden die für den Ausbau rnassgebenden Normalien und Richtlinien festgelegt und in Ziffer 8 des Beschlusses die Kantone ermächtigt, auf dem Verordnungswege die im Interesse der Linienführung der Hauptstrassen und der zu erzielenden Vertehrserleichterungen liegenden baupolizeilichen Vorschriften zu erlassen. Da der Bundesratsbeschluss vom 3. Dezember 1948 nicht publiziert wurde, hat der Kanton Solothum die Präge aufgeworfen, ob dieser Beschluss, um rechtsgültig zu sein, sich nicht auf den Bundesbeschluss vom 30. August 1939 über Massnahmen zum Schutze dés Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität stützen müsse, indem er in seiner Ziffer 8 über den Kompetenzbereich des Bundesratsbeschlusses vom 6. August 1943 hinausgehe. Ferner wurde vom genannten Kanton darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung des Beschlusses erwünscht sei. Die Überprüfung der Frage durch unsere Justiss-abteilung ergab, dass zwar die Rechtsgültigkeit des Beschlusses nicht angezweifelt werden kann, dass aber im Ingress auf Art. S des Bundesbeschlusses vom 30. August 1939 hätte hingewiesen werden müssen und
dass er mit Rücksicht auf seinen in der erwähnten Ziffer 8 enthaltenen Eingriff in die kantonale Gesetzgebung (Frage der Ordnung der Zuständigkeit kantonaler Behörden) in der Gesetzsammlung zu publizieren sei. Um etwaige Unsicherheiten und :rechtliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 3. Dezember 1948 durch die Kantonsregierungen zu vermeiden, haben wir die Ziffer 8 dieses Beschlusses zu einem selbständigen Bundesratsbeschluss auf örund der ausserordentlichen Vollmachten erhoben.

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C. Justiz- und Polizeidepartement, u. Polizeiabteilung.

Bundesratsbeschluss vom 27. Februar 1945 über den Verkehr mit Lastwagen des Internationalen Komitees vom Boten Kreuz (A. S. 61, 116).

Dem Internationalen Komitee vom Boten Kreuz sind 100 Lastwagen der amerikanischen und kanadischen Armee geschenkt worden. Sie sind bestimmt zum Transport von Waren von Toulon nach Genf und von hier durch die Schweiz nach Deutschland ; die Waren sollen derVerproviantierungvonKriegsgefangenen in Deutschland dienen. Die Lastwagen haben ihren Standort in Genf, wo das Komitee um ihre Immatrikulation nachgesucht hat. Sie sollen nach dem Kriege in der Schweiz nicht mehr verwendet werden.

Ein Teil dieser Lastwagen hat eine Breite von 2,47 m. Nach Art. 24 des Automobilgesetzes darf die Breite eines Motorwagens 2,20 m nicht übersteigen.

Der Bundesrat kann allerdings für bestimmte Strassen eine Breite bis zu 2,40 m zulassen und hat von dieser Ermächtigung für Gesellschaftswagen Gebrauch gemacht.

Die Lastwagentransporte des Internationalen Komitees vom Boten Kreuz dienen einem humanitären Zweck. Sie mussten rasch einsetzen können. Mit Bücksicht hierauf hat der Bundesrat in Abweichung von Art, 24 des Automobilgesetzes beschlossen, die erwähnten Lastwagen auf den bereits dem Verkehr mit Gesellschaftswagen bis zu 2,40 m Breite geöffneten Strassen auch zuzulassen, wenn sie über 2,40 m breit sind.

Nach Konsultation der Vollmachtenkommission des Ständerates und des Präsidenten der nationalrätlichen Vollmachtenkommission wurde der Vollmachtenweg beschritten.

III. Bundesanwaltschaft.

Bundesratsbeschluss vom 27. Februar 1945 b e t r e f f e n d Massnahmen zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung und die A u f h e b u n g der Parteiverbote (A. S. 61, 117).

Die Vollmachtenkommissionen beider Bäte hatten in ihrer gutachtlichen Beratung dem Entwurfe zu diesem Beschluss zugestimmt ; die dabei geäusserten Wünsche und Anregungen wurden in der endgültigen Fassung in weitem Masse berücksichtigt. Der Entwurf ist ebenfalls den kantonalen Justiz- und Polizeidirektionen sowie einer Expertenkommission unterbreitet worden. Auf Einladung des Departementes nahm auch das Bundesgericht zu einigen Bechtsfragen Stellung.

· Die A u f h e b u n g der Parteiverbote ist bei Anlass der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren vom 28. Oktober
1944 mit den Vertretern der hauptsächlich an dieser Frage interessierten Kantone besprochen worden.

Am 30. Oktober reichte Nationalrat Vodoz in der Vollmachtenkommission eine

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Interpellation ein. die u. a. darüber Auskunft verlangte, ob der Bundesrat die Parteiverbote anwenden oder auflieben wolle. Am 3. November richtete der Bundesanwalt ein Kreissohreiben an die kantonalen Polizeidirektionen, worin u. a. um Stellungnahme zur Frage der Aufhebung der Kommunistenverbote ersucht wurde. Der Bundesrat entschloss sich alsdann, gestützt auf die Antworten der Kantone und den Bericht des Bundesanwaltes, grundsätzlich zur Aufhebung der Parteiverböte, unter gleichzeitiger Erweiterung und Verschärfung der . Strafbestimmungen der sogenannten Demokratieschutzyerordnung (BEB vom 5. Dezember 1988 betreffend Massnahmen gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der Demokratie). Die Parteiverbote waren zur Zeit ihres Erlasses gerechtfertigt und trugen zur Aufrechthaltung der innern Sicherheit bei. Nunmehr können dieso ausserordentlichen kriegsnotrechtlichen Massnahmen aufgehoben werden, wie auch bei der Pressekontrolle eine Lockerung eingetreten ist. Das Parteiverbot soll nicht mehr das hauptsächliche Mittel zur Bekämpfung staatgefährlicher Umtriebe bilden. Der Bundesrat behält sich lediglich vor, nötigenfalls auch in Zukunft Vereinigungen und Unternehmungen, die die innere oder äussere Sicherheit gefährden, auf bestimmte Zeit zu verbieten, sei es gestützt auf Art. 102, Ziff. 8--10, BV, sei es gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten. Da die Parteiverbote aus grundsätzlichen Erwägungen aufgehoben werden, können nicht einzig die noch gegen rechtsextremistische Bewegungen erlassenen Verbote in Kraft belassen werden. Die grosse Mehrheit der Vollmachtenkommissionen teilte diese Auffassung.

Nach dem neuen Erlasse treten an Stelle der Parteiverbote Straf bestimmungen gegen staatsgefährliche Handlungen von Einzelpersonen. Diese Strafbestimmungen lehnen sich an die Vorschriften der DemokratieschutzVerordnung (DSchV) an. Das schweizerische Strafgesetzbuch bringt wohl einen stärkern Staatsschutz als das frühere Bundesstrafrecht, reicht aber zur Bekämpfung der .dem Lande von den links- und rechtsextremistischen Bewegungen drohenden Gefahren nicht aus. Das Strafgesetz erweist sich für die gegenwärtigen. Zeiten namentlich deshalb als lückenhaft, weil es bloss die Veranstaltungen zu einem gewaltsamen Umsturz bestraft (Art. 265, 273). Wie die frühere, bringt auch die revidierte DSchV eine
für die heutigen ausserordentlichen. Zeiten, geltende Ergänzung des ordentlichen Strafrechts. Sie enthält in Art. l Ergänzungstatbestände zum Hochverrat, in Art. 2 sogenannte Zersetzungstatbestände (Untergrabung der staatlichen Autorität) und in Art. 3 eine Strafandrohung gegen die Nichtbefolgung der über ausländische politische Vereinigungen erlassenen Weisungen.

Nach A r t . l ist jede Handlung strafbar, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässig Ordnung der. Eidgenossenschaft, oder der Kantone in rechtswidriger Weise zu ändern oder zu gefährden. Als Neuerung gegenüber Art. l der alten DSchV ist in erster Linie hervorzuheben, dass nach den Erfahrungen der Praxis auch die Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt sind, während das frühere Recht nur die vollendete Tat oder den Versuch erfasste. Nach der

507 Praxis des Bundesgerichtes zu: Art. 266 StGB ist anzunehmen, dass auch hier die Vorbereitungshandlungen nur strafbar sind, soweit sie nach der Erfahrung geeignet sind, in einer mehr oder weniger nahen Zukunft zu einer rechtswidrigen Änderung oder Gefährdung unserer verfassungsmässigen Ordnung zu führen.

Vgl. BGE 70 * 139 f. Im weitern ist auf die Neufassung der Strafvorschrift gegen die Propaganda hinzuweisen. Im alten Texte war die Propaganda nur als besonderer Fall des in Abs. l unter Strafe gestellten Unternehmens aufgeführt, und zwar bloss als Unterstützung einer auf Änderung unserer politischen Einrichtungen abzielenden Propaganda des Auslandes. Nach der neuen Bestimmung ist jede Art von Propaganda, ohne besondere Veranstaltungen und ohne das Erfordernis des ausländischen Charakters strafbar, sofern sie darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung in rechtswidriger Weise zu ändern oder zu gefährden.

Bei A r t . 2 ist auf folgende Neuerungen hinzuweisen: In Abs. l wird im Hinblick auf Vorkommnisse der jüngsten Zeit die Unterstützung der Interessen des Auslandes zum Nachteil der Schweiz als besonderer Eall der falschen Tatsachenbehaiiptung erwähnt.

In Abs. 2 wird neben dem Verächthchmachen der demokratischen Grundlagen das Herabwürdigen der verfassungsmässigen Staatsbehörden als eine Art der Untergrabung unserer politischen Einrichtungen ausdrücklich genannt.

Nach der Praxis des Bundesgerichtes bei Ehrverlotzungen (Art. 173 ff. StGB) ist eine Behörde als solche nicht beleidigungsfähig, so dass jedes Mitglied einer Behörde Strafantrag stellen muss (BGE 69 4 83), was zur Folge hat, dass es nach einigen kantonalen Strafprozessordnungen als Privatstrafkläger aufzutreten hat. Dieser mangelnde Ehrenschutz für Behörden sowie die Erfahrungstatsache, dass das Vertrauen des Volkes zu den Behörden durch systematische Angriffe auf ihre Ehre untergraben wird, hat die Expertenkommission zum Vorschlage veranlasst, im neuen Staatsschutzerlass eine Bestimmung gegen Angriffe auf die Ehre der obersten Behörden aufzunehmen. Der Bundesrat übernahm den Vorschlag in der Meinung, dass den Vollmachtenkommissionen Gelegenheit gegeben werden soll, in der konsultativen Beratung zur Frage Stellung zu nehmen. In dieser Beratung lehnten die Kommissionen im Einverständnis mit dem Vorsteher des Justiz- und
Polizeidepartementes zwar einen besondern Ehrenschutzartikel ab, erklärten sich aber mit grosser Mehrheit einverstanden, dass Ehrverletzungen gegenüber den obersten Behörden des Bundes oder der Kantone im Bahmën des Art. 2, Abs. 2, besonders erwähnt werden. Einen besondern Schutz gemessen die demokratischen Grundlagen unseres Staates (Art. 2, Abs. 2), die Bevölkerungsgruppen (Abs. 8), die Militärpersonen (Art. 101 MilStG), der fremde Staat in der Person seines Oberhauptes, seines diplomatischen Vertreters oder seiner Eegierung (Art. 296 StGB) sowie die Delegierten und Organe des Völkerbundes (Art. 297 StGB). Soll dieser Schutz in der heutigen ausserordentlichen Zeit nicht auch den obersten Behörden des Bundes und der Kantone zukommen? Das Herabwürdigen umfasst alle Formen der

508 Ehrverletzung (Verleumdung, üble Nachrede, Beschimpfung), gleich wie der nämliche Begriff, in mehreren frühern kantonalen Strafgesetzen und in der Verordnung des Bundesrates betreffend die Beschimpfung fremder Völker, Staatsoberhäupter oder Eegierungen vom 2. Juli 1915. Da es sich bei diesem Tatbestand um eine Zersetzung des Staates handelt, muss sich die Ehrverletzung direkt oder indirekt auf die amtliche Stellung beziehen. Die Einbeziehung der obersten Behörden der Kantone kann nicht zu Schwierigkeiten führen, da nach Art. 5 der Bundesrat bei sämtlichen Widerhandlungen gegen diesen Beschluss über die Einleitung der gerichtlichen Verfolgung zu entscheiden hat. Die im Bahmen der Pressefreiheit zulässige Kritik der Amtsführung wird selbstverständlich durch die neue Strafbestimmung ebensowenig eingeschränkt wie durch den frühern Art. 59 BStB betreffend die Amtsehrverletzung. Durch die neue Bestimmung soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass schwerwiegende Angriffe auf die Ehre der obersten Behörden oder ihre Mitglieder von Amtes wegen verfolgt werden können. Es ist keineswegs beabsichtigt, -wegen jeder Schimpferei einen Strafprozess durchzuführen.

Nach Art. 4, Abs. 2, kann die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit nicht nur bei ehrloser Gesinnung, wie nach Art. 52 StGB, sondern auch dann ausgesprochen werden, wenn die Tat sich in besonders schwerer Weise gegen-die verfassungsmässige Ordnung richtet.

Art. 7 regelt das Übergangsrecht. Strafverfolgungen wegen Widerhandlung gegen die aufgehobenen Partei- und Propagandaverbote sind mit Bücksicht auf den politischen Charakter der Straftat einzustellen; die Strafen sind nicht mehr zu vollziehen. Die Ausnahmen von dieser Begel werden in Art. 7 besonders angeführt. Diese Übergangsbestimmung hat sich in der Praxis bewährt.

D. Militärdepartement.

1. B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 21. November 1944 b e t r e f f e n d Abänderung des Bundesgesetzes b e t r e f f e n d Vorsicherung der Militärpersonen gegen Krankheit .und Unfall (A. S. 60, 748).

Durch ein Postulat Eugster vom 7. Juni 1944 ist der Bundesrat eingeladen worden, zu prüfen, ob nicht den eidgenössischen Bäten ein Beschlussentwurf vorzulegen sei dahingehend, dass von der in Art. 5 des geltenden Militärversicherungsgesetzes erwähnten Kompetenz Gebrauch gemacht und die Militärversicherung auch auf die Kommandanten, Beitlehrer L und II. Klasse und Bemontierungsoffiziere des Kavallerieremontendepots und der eidgenössischen Pferderegieanstalt ausgedehnt werden solle.

Der Bundesrat hat diesem Postulat durch den Beschluss vom 21, November 1944 Folge gegeben. Er wählte hiebei den Weg des Vollmachtenbeschlusses statt den eines Bundesbeschlusses, in der Meinung, dass die endgültige Festlegung des Versichertenkreises später durch die Totalrevision des Militärversicherungsgesetzes erfolgen solle.

509 Es handelt sich hier um ein Begehren, das seit Jahren immer und immer wieder gestellt wurde und eine Erweiterung des heute geltenden Art, 2, Ziff. 6, des B G vom 28. Juni 1901 betreffend die Versicherung der Mihtärpersonen gegen ' Krankheit und Unfall verlangt. Diese Ziffer 6 regelt den Versichertenkreis der Pferderegieanstalt und des Kavalleriereinontendepots. Das Personal dieser Betriebe war in einem beschränkten Umfang schon bisher der Militärversicherung unterstellt, und zwar diejenigen Funktionäre, die den besonderen Gefahren dieser Betriebe direkt ausgesetzt sind. Zur Zeit des Erlasses des Militärversicherungsgesetzes vom 28. Juni 1901 sind die Bereiter, Pferdewärter, Fahrer und Schmiedmeister und deren Gehilfen der beiden Anstalten als diesem Gefahrenkreis angehörend anerkannt worden. Alle übrigen Funktionäre dagegen sind nach damaliger Auffassung als Verwaltungspersonal von der Militärversicherung ausgeschlossen worden. Der Versichertenkreis war für die damaligen Verhältnisse und Bedürfnisse wohl richtig abgegrenzt, weil die personelle Organisation dieser Betriebe in ihren Anfängen eine andere Gestalt hatte. So wiesen die Anstalten keine eigenen Eeitlehreroffiziere auf; diese wurden vielmehr durch Abkommandierungen den Kavallerieinstruktoren entnommen, die dann in dieser Eigenschaft von Gesetzes wegen versichert waren. Im Laufe der Zeiten änderte sich aber das Bild. Es kam zur selbständigen und direkten Anstellung von Offizieren als Reitlehrer, Fahrlehrer und Remontierungsoffiziere. Diese Personen waren dann aber, weil im bisherigen Gesetz nicht erwähnt, und weil ihnen die Instruktoreneigenschaft abging, nicht militärversichert. Diese Sachlage scheint indessen schon früh als unbefriedigend empfunden worden zu sein, was zum Ausdruck kommt in einem Bundesratsbeschluss vom 14. März 1919, wo bestimmt wurde, dass die Reitlehrer der eidgenössischen Pferderegieanstalt in bezug auf die Unterstellung unter die Militärversicherung dem Instruktionspersonal gleichgestellt wurden. Die gleichen Funktionäre des eidgenössischen Kavallerieremontendepots wurden in diesem Beschluss wohl deshalb nicht erwähnt, weil dort zu jener Zeit die Reitlehrer noch von den ohnehin militärversicherten Kavallerieinstruktionsoffizieren gestellt wurden. Auf Grund des erwähnten Erlasses hat in der Folge die Verwaltung
immer wieder Reitlehrer der Regieanstalt als versichert angesehen. Anderseits aber hat das eidgenössische Versicherungsgericht hinsichtlich der später ebenfalls selbständig angestellten Reitlehrer des Kavallerieremontendepots Bern zu wiederholten Malen festgestellt, dass diese nach den Bestimmungen des Militärversicherungsgesetzes der Militärversicherung nicht unterstehen und auch nicht durch eine Verordnung oder einen Beschluss des Bundesrates unterstellt werden können. So herrschte seit Jahren in dieser Frage eine gewisse Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit, was zeitweise zu begreiflichen Spannungen zwischen Verwaltung und Personal führte. Um diesem unbefriedigenden Zustand abzuhelfen, blieb kein anderer Weg offen, als das benachteiligte Personal des Kavallerieromontendepots durch eine Gesetzesänderung ebenfalls in den Versichertenkreis aufzunehmen.

Als solches kamen in Frage: die Kommandanten, Reitlehrer, Fahrlehrer, Remontierungsoffiziere und die Veterinäroffiziere der eidgenössischen Pferde-

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regieanstalt in Thun und des eidgenössischen Kavallerieremontendepots in Bern, Die Ausdehnung der Versicherung auf diese Funktionäre liess sich deshalb rechtfertigen, \voil deren Tätigkeit nicht in Bureauarbeit, sondern im eigentlichen Dienst am Pferd besteht ; damit sind sie auch den gleichen gesundheitsschädigenden Gefahren (Unfall und Krankheit) ausgesetzt. Das trifft nach den Erhebungen nicht nur für die direkt mit dem Umgang mit Pferden und Wagen in Berührung kommenden Eeit- und Fahrlehrer, Remontierungs- und Veterinäroffiziere zu, sondern auch für die Kommandanten. Diese üben nicht etwa vorwiegend Bureautätigkeit aus, sondern sie rücken tagtäglich aus und bewegen sich demzufolge ebenfalls im bezeichneten Gefahrenkreis.

Durch den Bundesratsbeschluss vom 21. November 1944 sind die Grundlagen zur verbindlichen Begelung des bis heute unbefriedigenden Zustandes geschaffen worden. Wir bemerken ausdrücklich, dass damit nicht etwa das gesamte Personal dieser Anstalten unter Militärversicherung gestellt ist. Das Persona,] mit ausschhesslicher Verwaltungstätigkeit, wozu auch Offiziere gehören, steht auch heute noch ausserhalb der Militärversicherung.

2. Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 1944 b e t r e f f e n d T e u e r u n g s z u l a g e n zu den Militärpensionen (A. S. 60, 817).

Durch Bundesratsbeschluss vom 18. November 1941 wurden erstmals ..zur Angleichung der Militärrenten an die Teuerung für das Jahr 1942 Zulagen bewilligt. Die Zulage wurde mit 15 % bemessen mit einem Maximum von Fr. 400 für den Einzelfall. Schon für das Jahr 1943 sah sich der Bundesrat genötigt, diese Ansätze auf 20 % und ein Maximum von Fr. 500 zu erhöhen, was 'durch den Bundesratsbeschluss vom 1.4, Dezember 1942 geschah. Wir erlauben uns, auf unsere Ausführungen im achten Volhnachtenbericht vom 7. Mai 1948 zu verweisen. Die gleiche Regelung wurde durch Bundesratsbeschluss vom. 29. Dezember 1948 für das Jahr 1944 mit den gleichen Ansätzen verfügt (siehe zehnter Vollmachtenbericht vom 28. April 1944). Der Bundesrat konnte sich der Erwägungen nicht verschhessen, dass für das Jahr 1945 eine gewisse Erhöhung der Teuerungszulagen gegenüber den Ansätzen der Jahre 1948 und 1944 einr treten müsse, wenn nicht wieder einer berechtigten Kritik über ungenügende Leistungen der Militärversicherung gerufen werden wollte. Mit einer
geringen.

Erhöhung der Zulage von 20 % auf 25 % und des Höchstansatzes von Fr, 500 auf Fr. 550 glaubte der Bundesrat den. vielerorts gestellten und auch im Parlament durch die Motion Guinand vom 16. Dezember 1944 bereits näher formulierten Begehren um eine wesentliche Erhöhung der Leistungen der Militärversicherung wenigstens vorläufig entsprechen zu können. Dies hat er mit seinem Beschluss vom 18. Dezember. 1944 getan und darin im übrigen das Verfahren der Jahre 1943 und 1944 beibehalten.

S.Bundesratsbeschluss vom 18. März 1945 b e t r e f f e n d Abänderung des Bundesratsbeschlusses über die Ortswehren (A. S. 61, 141).

Nach dem grundlegenden Bundesratsbeschluss vom 16. September 1940 (A. S: 56, 1497) ging die Verpflegung der Ortswehrleute ausschliesslich zu ihren

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eigenen Lasten. Eine Ausnahme galt für die Verwendung ausserhalb des Wohnortes; hier übernahm die Armee die Verpflegung der Ortswehren. Eine eingehendere Regelung erfolgte durch eine Ergänzung des erwähnten Bundesratsbeschlusses (Beschluss vom 5. April 1943, A. S. 58, 278). Abs. l des neuen Art. 3bls lautet : «Bei Ausbildungsiibungen am Wohnort oder in dessen unmittelbarer Umgebung haben die Ortswehrleute für die Verpflegung selbst aufzukommen; es wird keine Entschädigung dafür ausgerichtet. Bei mehrtägigen Übungen ausserhalb des Wohnortes, bei Übungen mit der Truppe sowie im Kriegsfall geht die Verpflegung der Ortswehrleute zu Lasten der Armee.» Die gleiche Novelle verfügte sodann allgemein die Soldberechtigung der Ortswehr mit der einzigen Ausnahme für blosse Organisationsmusterungen.

Je mehr die Ortswehren für alle möglichen Aufgaben eingesetzt wurden, die früher der Truppe zufielen, um so nachhaltiger machte sich das Bedürfnis geltend, die Ausbildung der Ortswehren zu fördern. Das Armeekommando betraute einen besonders geeigneten Schulkommandanten der Infanterie mit der Zentralleitung der Ausbildung der Ortswehren und stellte im übrigen das Kader zu diesen Ausbildungskursen der letzten Jahre. Im Interesse einer zweckmässigen Ausnützung der von der Armee zur Verfügung gestellten Instruktoren und da besonders in ländlichen Verhältnissen zablenmässig nur kleine Ortswehrcn bestehen, vereinigte man die Ortswehren benachbarter Ortschaften in einem gemeinsamen Ausbildungskurs. Es ist erwiesen, dass diese Regionalkurse ganz bedeutend bessere Ergebnisse zeigten. Nun sind aber die heute geltenden Bestimmungen über die Verpflegung der Ortswehren derart gefasst, dass mit der Durchführung von Eegionalkürsen Ungleichheiten entstehen, die möglichst rasch behoben werden sollten. Während nämlich die Ortswehrleute anderer Ortschaften, die sich von auswärts am Ausbildungsort eini'anden, nach dem Wortlaute des oben erwähnten Art. S*113 für die Verpflegung nicht selbst aufzukommen hatten, mussten die am Ausbildungsort selbst wohnenden Ortswehren entweder zur Essenszeit nach Hause entlassen werden, oder die Leute mussten sich auf ihre eigenen Kosten verpflegen. Diese umständliche Regelung gab Anlass zu Unstimmigkeiten und war dem guten Geiste in den Ortswehren abträglich. Es mehrten sich deshalb die Stimmen, auch
in den kantonalen Parlamenten, die nach einer andern Regelung riefen.

Bei der Bombardierung von Schaffhausen und spätem Schadensfällen zeigte es sich, wie nützlich es ist, wenn Ortswehren und Luftschutz gewöhnt sind, miteinander zu arbeiten und sich zu ergänzen, wo es geht. Das Armeekommando war deshalb wohl beraten, in vermehrtem Masse gemeinsame Übungen zwischen Luftschutz und Ortswehren anzuordnen, bei denen insbesondere der gemeinsame Einsatz in Katastrophenfällen weitgehend vorbereitet und durchgearbeitet wurde. Während nun die Ortswehren, wenn sie zu Übungen mit der Truppe eingesetzt werden, wie die Truppe selbst auf Bundeskosten verpflegt werden, war dies bis anhin bei gemeinsamen Übungen mit dem Luftschutz nicht der Fall, obschon gerade auch die Luftschutzsoldaten selbst auf

512 Bundeskosten verpflegt werden. Es ergaben sich auch da Unstimmigkeiten, da der einzelne Ortswehrmann mit einem gewissen Ëecht die ungleiche Behandlung empfindet.

Endlich verwiesen, zahlreiche Eingaben auf die Schwierigkeiten in ländlichen Gegenden und namentlich im Gebirge. Gar oft hat dort der einzelne Ortswehrmann einen Marsch von ein bis zwei Stunden bis zum Sammelplatz zurückzulegen, und es kann ihm nicht wohl zugemutet werden, in der Mittagspause diese Wegstrecke zweimal zurückzulegen oder sich mit seinen beschränkten Mitteln in einem Gasthaus zu verpflegen.

Alle diese Überlegungen veranlassten den Bundesrat, die Ausschaltung der bisherigen Sonderstellung ins Auge zu fassen und durch den eingangs erwähnten Beschluss zu verfügen. Dadurch soll übrigens auch das weitere Absinken der Bestände der Ortswehren verhindert werden. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit und des billigen Ausgleiches, dass die Ortswehrleute in bczug auf Sold- und Verpflegungsberechtigung der Armee und dem Luftschutz, mit denen sie gemeinsam eingesetzt werden, gleichgestellt sind.

Zahlenmässig wird diese Neuordnung kaum ins Gewicht fallen, da ja bei Begionalübungen nur eine einzige Ortswehr bisher in bezug auf Verpflegungsberechtigung leer ausging. Solange wir bei den Ortswehren vollständig auf die Freiwilligkeit der Dienstleistang angewiesen sind, besteht die Gefahr, dass Ungleichheit in der Tragung der Kosten zu. Abwanderungen zahlreicher Leute führt. Da die Ortswehrleute ohnehin schon einen Teil ihrer Ausrüstung in eigenen Kosten zu stellen haben, sind sie für weitere Benachteiligungen besonders empfindlich eingestellt. Für den Bund aber geht es darum, eine offensichtliche Ungerechtigkeit und Ungleichheit zwischen Soldberechtigung und Verpflegungsberechtigung aus dem Wege zu schaffen.

E. Finanz- und Zolldepartement.

I. Finanzverwaltung.

1. Eundesratsbeschluss vom 2. März 1945 über das Verbot der Ein- und A u s f u h r und des H a n d e l s mit ausländischen B a n k noten. (A. S. 61, 133).

Dieses Verbot wurde erlassen, um einem spekulativen Handel mit ausländischen Banknoten in der Schweiz entgegenzutreten, der von alliierter Seite ungern gesehen worden wäre und auch schweizerischerseits nicht verdient hätte, begünstigt zu werden.

Art, 2 des Beschlusses sieht vor, dass besonders für den kleinen Grenzuiid den internationalen Reiseverkehr abweichende Bestimmungen erlassen werden können. Das Finanz- und Zolldepartement ist auf dem Verordnungswege bestrebt, auch die Interessen gutgläubiger Besitzer ausländischer Banknoten zu wahren und unbillige Rückwirkungen für Flüchtlinge zu verhüten.

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2. Buridesratsbeschluss vom 27. Dezember 1944 über die Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Bundespersonal für das Jahr 1945 (A. S. 60, 886).

Das eidgenössische Finanz- und Zolldepartemenfc hatte die Vollmachtenkommissionen der eidgenössischen Bäte mit Bericht vom 8. September 1944 über die Absichten des Bundesrates betreffend die Gestaltung der Teuerungszulagen an das Bundespersonal für das Jahr 1945 in Kenntnis gesetzt. Beide Kommissionen stimmten dem ihnen vorgelegten Entwurf zu Eichtlinien für die Bemessung dieser Zulagen zu. Der Bundesrat hat in der Folge am 27. Dezomber 1944 endgültig darüber Beschluss gefasst.

Wie seit 1942, bestehen die Teuerungszulagen des Bundespersonals für das Jahr 1945 aus einer Grundzulage und einem Zuschuse zur Kinderzulage.

Die Grundzulage setzt sich im Prinzip zusammen aus einem Zuschlag von 12 % des seit 1941 stabilisierten Grundlohnes und einer Kopf quote von 940 Franken pro Jahr für Verheiratete, 820 » » » » Ledige mit Unterstützungspflicht und 700 » » » » die übrigen Alleinstehenden.

Diese Bemessung würde nicht ausreichen, um für Bundesbedienstete der untersten Lohnkategorien die Teuerung voll oder annähernd voll auszugleichen.

Ihnen musste eine jährliche Mindestzulage gewährt werden von 1420 Franken für Verheiratete, 1220 » » Ledige mit Unterstützungspflicht und 1020 » » die übrigen Alleinstehenden, Eine solche Mindestgarantie ginge zu weit für gewisse, zwar ganztägig und das ganze Jahr, aber zeitweise doch nur mit blossen Dienstbereitschaften beschäftigte Arbeitskräfte, wie zum Beispiel die Schrankenwärterinnen und Haltestollevorsteherinnen der Bundesbahnen. In diesen Fällen darf der seit 1941 stabilisierte Grundlohn mit der Grundteuerungszulage nicht um mehr erhöht werden als um 57 % für Verheiratete, 49 % » Ledige mit Unterstützungspflicht und 41 % » die übrigen Alleinstehenden.

Nach den oben genannten Ansätzen übersteigt die Grundzulage für das Jahr 1945 die Summe aus Grundzulage und Herbstzulage für das Jahr 1944 um 10 Franken für Verheiratete, 45 » » Ledige mit Unterstützungspflicht und 80 » » die übrigen Alleinstehendon, Damit ist die frühere Differenzierung zwischen Ledigen und Verheirateten, entsprechend einem von den Personalverbänden nachdrücklich vorgebrachten Begehren, etwas gemildert worden.

Der Zuschuss zur Kinderzulage (von 130 Franken jährlich) beträgt für das Jahr 945 wie für 1944

514

je 40 Franken jährlich, wenn der Bedienstete ein Kind oder zwei Kinder unter 18 Jahren hat, und je 60 Franken jährlich für grössere Familien.

Die für 1945 so bemessenen Teuerungszulagen verhalten sich zu den Richtsätzen der eidgenössischen Lohnbegutachtungskommissio vom Dezember 1944 wie folgt: Richtsatz der LohnFür einen V o r k r i e g s l o h £ £ S ? Z * Dezember 1944 Franken % -

Teuerungsausgleich 1945 ",,leT" ^ Stadt Bern Land % %

weniger als 3000 (Mittel 2619) . .

52,0 47,7 56,4 8000--4000 (Mittel 3562) . . . .

40,4 37;6 ' 42,7 4000--5000 (Mittel 4492) . . . .

32,7 34,0 37,7 5000--6000 (Mittel 5454) . . . .

32,3 31,2 34,0 über 6000 (Mittel.7300) . . . " . .

31,0 28,2 · 30,1 Dem Bundespersonal in Landorten wird die Kriegsteuerung etwas weitergehend ausgeglichen als in Städten. Das rührt davon her, dass auf den im Beamtengesetz von 1927 festgesetzten Ortszuschlagen keinerlei Teuerungszulagen gewährt werden. Nach neuesten Erhebungen des eidgenössischen Perspnalamtes liesse sich eine Erhöhung der Ortszuschläge von 480, 360, 240 und 120 Franken für Verheiratete und % davon für Ledige nicht rechtfertigen, weil die interlokalen Unterschiede in den Lebenskosten heute in absoluten Beträgen sozusagen genau dieselben sind wie beim Erlass des Beamtengesetzes. Für die Einkommensgruppe von 4000--5000 Franken Vorkriegslohn geht der Teuerungsausgleich etwas über den Bichtsatz der Lohnbegutachtungskommission hinaus.

Dieser fällt, verglichen mit demjenigen der nächsthöher and der nächsttiefern Einkommensgruppe, in einer Weise nach unten aus der Reihe, dass er für eine ausgeglichene Zulagenregelung weniger als die übrigen Eichtsätze wegleitend sein konnte. Die Lohnbegutachtangskommission legt in ihren Publikationen übrigens immer wieder Wert auf die Feststellung, dass ihre ziffernmässig ausgedruckten Eichtsätze erstens nur für einen bestimmten Familienstand (Ehepaar mit zwei unerwachsenen Kindern) berechnet sind und zweitens auch aus verschiedenen andern Gründen nicht schablonenhaft angewendet zu werden brauchen. Für Schwerarbeiter und für grössere Familien empfiehlt sie einen besseren Ausgleich der Kriegsteuerung ; für kleinere Familien kann dieser hinter ihren Eichtsätzen bleiben.

Wurde bis Ende 1944 bei Dienstabwesenheit infolge von Krankheit oder Militärdienst die Grundteuerungszulage im gleichen Verhältnis wie der Grundlohn gekürzt, so unterbleibt eine solche Reduktion nach dem für 1945 geltenden Beschluss. Dieser Verzicht auf Kürzung kommt neben den mobilisierten Bundesbediensteten namentlich den Bundesarbeitern zustatten, deren Gruudlobn im Krankheitsfall nach den geltenden Reglementen entweder sofort beim Beginn der Absenz oder schon nach wenigen Tagen auf 85 % oder 75 % herabgesetzt wird.

515

Für nicht ständig; d.h. nicht ununterbrochen alle Tage oder nicht mit vollem Tagewerk im Bundesdienst beschäftigte Personen reduzieren sich die oben beschriebenen Teuerungszulagen im Verhältnis zur wirklichen Arbeitsleistung.

Der Beschluss regelt in seinem III. Teil (Art. 16) die Teuerungszulagen an den Bundeskanzler, die Mitglieder des Bundesgerichtes, des eidgenössischen Versich er un gsgerichtes, die Kommandanten der Heereseinheiten, den Präsidenten des Schweizerischen Schulrates und die Professoren der Eidgenössischen Technischen Hochschule materiell gleich wie für die Bundesbediensteten.

Formell musste die Begelung anders getroffen wer'den, weil die Grundgehälter dieser Funktionäre wieder auf ihren Stand von 1927/28 gebracht wurden, während die Besoldungsansätze des Beamtengesetzes vom Jahre 1927 seit 1941 mit einem Abbau von nominell 8 % (1800 Franken abbaufrei) stabilisiert sind.

Die Teuerungszulagen des Jahres 1945 erfordern insgesamt rund zwei Millionen Franken mehr als diejenigen des letzten Jahres. Verglichen mit 1939 und gemessen an einem Personalbestand von rund 90 000 Arbeitskräften, ist 1945 mit folgenden Mehrkosten zu rechnen: in Millionen Franken Milderung des Abbaues von 13 auf 8% auf 1 . Januar 1941

Bundesbahnen . . . . . .

Post- und Telephonverwaltung . .

Zentralverwaltung, einschliesslich Regiebetriebe . . . . ; . .

Kriegswirtschaft, Aktivdienst und übrige Zweige zu Lasten der Kapitalrechnung . , , .

Teuerungszulagen

Total

47 3,4

46,1 83,0

50,8 36,4

4,1

40,1

44,2

1,6

. 15,9 135,1

17,5

13,8

1-18,9

Mit dieser Ordnung erhöht sich die Lohnsumme des Jahres 1939, immer am Personalbestand von 90 000 gemessen, um rund 33 %, 3. Bundesratsbeschluss vom 18. D e z e m b e r 1944 über die Ausrichtung einer einmaligen W i n t e r z u l a g e an Bentenbezüger der beiden Personalversicherungskassen des Bundes (A. S. 60, 821).

Im Herbst 1944 wurde dem aktiven Personal eine Herbstzulage gewährt.

Die Personalverbände stellten das Begehren, es möchte auch den Rentnern eine ähnliche Sonderzulage bewilligt werden.

516

In den Sitzungen der Vollmachtenkommissionen vom Herbst 1944 stellte der Vertreter des Bundesrates fest, dass die Frage einer Nachteuerungszulage an die Eentner anlässlich der Behandlung der Teuerungszulagen pro 1945 nochmals geprüft werden solle. Diese Prüfung ergab, dass angesichts der finanziellen Bedrängnis der Kleinrentner und im Hinblick darauf, dass die Stadt Zürich und der Kanton Bern die Teuerungszulagen an ihre ehemaligen Funktionäre teilweise wesentlich höher angesetzt hatten als der Bund, ein gewisses Entgegenkommen gezeigt werden müsse.

Mit Bücksicht auf die gespannte Finanzlage des Bundes musste man sich bei der Festsetzung dieser nachträglichen Zulage an die Eentner allerdings grösste Zurückhaltung auferlegen. Deshalb wurde eine einmalige Winterzulage von 50 Franken für die verheirateten Invaliden und eine entsprechend niedrigere für die andern Bentenbezüger beschlossen. Die Zulage ·wurde auf die Eentenbezüger beschränkt, die mit ihren Bezügen offensichtlich unter dem Existenzminimum bleiben, d. h. die eine kleinere Eente als 800 Franken pro Monat beziehen.

Die Kosten der Winterzulage an die Bentenbezüger der beiden Personalversicherungskassen des Bundes belaufen sich für die eidgenössische Versiehe-.

2-ungskasse auf 400 000 Franken und für die Pensions- und Hilfskasse der Bundesbahnen auf 600 000 Franken.

4. Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember 1944 über die Aasrichtung von Teuerungszulagen an Bentenbezüger der beiden Personalversicherungskassen des Bundes für das Jahr 1945 (A. S. 60, 819).

.

Die Volhnachtenkommissionen stimmten in ihren Sitzungen vom September 1944 den Bichtlinien des Bundesrates für die Gewährung von Teuerungszulagen im Jahre 1945 grundsätzlich zu. Darin war vorgesehen, dass der Bundesrat gleichzeitig über die Teuerungszulagen an die Bentenbezüger der Personalversicherungskassen des Bundes und an die Eentner der Suva sowie der Militärversicherung beschliesse. Die daraufhin stattgefundenen Besprechungen zwischen den interessierton Departementen Hessen es als angezeigt erscheinen sowohl bei der Militärversicherung als auch bei den Personalversicherungskassen die Teuerungszulagen gegenüber dem Vorjahr etwas zu erhöhen.

Die den Eentenbezügern der beiden Personalversicherungskassen des Bundes ausgerichteten Teuerungszulagen betrugen 1941 Fr.

für verheiratete Invalide 150 für ledige Invalide 100 für Witwen 100 für Waisen 50 in keinem Falle aber mehr als 50 % der Jahresrente.

1942 Fr.

1943 IÏ.

1944 Fr.

300 200 200 100

400 300 300 120

500 375 375 150

517

Die Personalverbände postulierten für das Jahr 1945 eine Erhöhung des Ansatzes der Zulage für die verheirateten Invaliden gegenüber 1944 um 100 Pranken pro Jahr, mit entsprechender Abstufung für die übrigen Eentnerkategorien. Ausserdem wurde das Begehren gestellt, die Beschränkung der Zulage auf die Hälfte der Jahresrente fallen zu lassen.

Im Hinblick darauf, dass für das aktive Personal eine Erhöhung der Teuerungszulagen für 1945 nicht zu umgehen war, und da ausserdem an die Bentenbezüger bereits 1944 eine Winterzulage ausgerichtet werden musste, konnte man für die Teuerungszulagen an die Eentenbezüger im Jahre 1945 nicht bei den letztjährigen Ansätzen bleiben. Die Zulagen wurden deshalb auf 1. Januar 1945 wie folgt erhöht für den verheirateten Tnvalidenrentner von 500 auf 600 Franken, für » ledigen Invalidenrentner von . . . 875 » 450 » » die Witwe 375 » 450 »> » » Waisen von 150 » 180 » Mit Bücksicht auf die Bezüger von kleinern Eenten wurde bestimmt, dass die Zulage höchstens 2/s der Jahresrente ausmachen dürfe, während die Höchstgrenze bisher bei der Hälfte der Jahresrente lag.

Im übrigen blieben die Bestimmungen über die Teuerungszulagen an die Eentenbezüger der beiden Personalversicherungskassen für das Jahr 1945 die gleichen wie für 1944.

Die Kosten für die Teuerungszulagen an die Eentenbezüger der beiden Personalversicherungskassen des Bundes werden sich im Jahre 1945, verglichen mit 1944, wie folgt erhöhen: 1944 1945 ordentliche Winterzulage Zulage in Millionen Franken

Eidgenössische Versicherungskasse . . . .

Pensions- und Hilfskasse der S. B. B.. . .

4,6 8,3 12,9

0,4 0,6 1,0

5,7 10,3 16,0

U. Steuerverwaltung.

1. Bundesratsbeschluss vom 80. Januar 1945 über die Abänderung des neuen Wehropferbeschlusses (A. S. 61, 49).

Im "Vollmachtenbeschluss vom 20. November 1942 über die Erhebung eines neuen Wehropfers (A. S. 58, 1093) waren noch keine Vorschriften enthalten über die Bewertung anwartschaftlicher Ansprüche aus nicht rückkaufsfähigen Lebens- und Eentenversicherungen sowie auf Leistungen aus Alters-, Invalidenund Hinterbliebenenfürsorge, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfürsorge stehen. Der Bundesratsbeschluss vom 80. Januar 1945 hat darum Art. 9 des Beschlusses vom 20. November 1942 in dem Sinne ergänzt, dass diese Ansprüche mit der Hälfte der bis zum 1. Januar 1945 geleisteten Prämienzahlungen und Kapitaleinlagen zu bewerten sind.

Bundesblatt. 97. Jahrg. Bd. I.

37

518 2. Bundesratsbeschluss vom 18. Februar 1945 ü b e r die Sicherung der S t e u e r a n s p r ü c h e bei Versicherungen (A. S. 61, 71).

Nachdem durch die mit Bundesratsbeschluss vom 81. Oktober 1944 (A. S. 60» 698) auf 25 % erhöhte Verrechnungssteuer die Hinterziehung der Vermögensund Einkommenssteuern auf inländischen Wertpapieren und Bankguthaben weitgehend verhindert worden ist. erschien es angezeigt, auch die Verheimlichung der Leistungen aus rückkaufsfähigen Lebensversicherungen sowie des Bezuges von Leibrenten und Pensionen zu verunmöglichen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 1945 wurde folgende Lösung getroffen: Den Versicherern wird die Pflicht auferlegt, die Auszahlung der Versicherungssumme oder des Bückkauf s wer t es rückkaufsfähiger Lebensversicherungen sowiedie Auszahlung von Leibrenten und Pensionen der eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich zu melden. Weist der Versicherungsnehmer oder Anspruchsberechtigte den. Versicherer vor Ausrichtung der Leistimg schriftlich an, die Meldung zu unterlassen, so bildet die Versicherungsleistung Gegenstand einer vom Versicherer geschuldeten und von ihm an die eidgenössische Steuerverwaltung abzuführenden Steuer. Das Vetorecht der Versicherungsnehmer wurde eingeführt, um diese nicht schlechter zu stellen als die Besitzer von Wertpapieren.

Der Versicherer hat die steuerbaren Betreffnisse bei deren Auszahlung-, Überweisung, Gutschrift oder Verrechnung um den Steuerbetrag (15 % für Leibrenten und Pensionen, 8 % für sonstige Leistungen) zu kürzen. Diese Steueransätze dürften zu den durchschnittlich auf Versicherungsansprüchen geschuldeten Bundes- und Kantonssteuern ungefähr im gleichen Verhältnisstehen wie die geltende Verrechnungssteuer von 25 % zu den entsprechenden.

Steuern auf inländischen Wertpapieren und Bankguthaben. Dem Leistungsempfänger, der einer Meldung nicht zugestimmt hat, wird gegen Vorweisung der vom Versicherer auszustellenden Abzugsbescheinigung und Erteilung der nötigen Auskünfte über das Versicherungsverhältnis der Steuerbetrag von der eidgenössischen Steuerverwaltimg rückvergütet. Die aus den Meldungen und Bückerstattungsanträgen sich ergebenden Tatsachen werden von der eidgenössischen Steuerverwaltung den zuständigen kantonalen Steuerbehörden zwecks..

Auswertung im Steuerveranlagungsverfahren mitgeteilt.

III. Zollverwaltung.
Bundesratsbeschluss vom 9, Januar 1945 über die Herabsetzung der Biersteuer (A. S. 61, 21).

Am 29. März 1941 hatte der Bundesrat die Biersteuer mit Bücksicht auf die Erhöhung des Ausschankpreises von 6 auf 12 Eappen hinaufgesetzt (siehe 4. Bericht des Bundesrates über die auf Grund ausserordentlicher Vollmachten ergriffenen Massnahmen, Bundesbl. 1941, S. 894). Die seither eingetretene Verteuerung der Bohstoffe, besonders aber der starke Bückgang des Bierkonsums haben sich zuungunsten des Brauereigeworbes ausgewirkt. Am 1. März

519 1944 gelangte der schweizerische Bierbrauerverein an den Bundesrat mit dem Begehren, die Biersteuer rückwirkend auf don 1. Januar 1944 aufzuheben.

Dabei wurde insbesondere geltend gemacht, dass die Betriebsrechnungen der Brauereien mit Verlusten abschliessen, welche pro Hektoliter Bier in Grossbetrieben für das Betriebsjahr 1942/43 Fr. 5, für das Betriebsjahr 1948/44 Fr. 12 und in Kleinbetrieben noch mehr betragen hätten.

Die vom Finanz- und Zolldepartement zur Yernehmlassung eingeladene eidgenössische Preiskontrollstelle bestätigte die materielle Richtigkeit der Ausführungen des Bierbrauervereins und vertrat die Auffassung, dass es den Brauereien nunmehr ermöglicht -werden sollte, einen Teil der ihnen erwachsenden Betriebsverluste auszugleichen. Zu diesem Zwecke die Ausschankpreise zu erhöhen, sei nicht möglich. Es empfehle sich deshalb, die Biersteuer auf die Hälfte herabzusetzen.

Gestützt auf das Gutachten der Preiskontrollstelle und in Erwägung, dass die Biersteuer eine fiskalische Massnahme darstellt, deren Ertrag für die Zukunft nicht durch übersetzte. Ansätze gefährdet werden darf, fasste der Bundesrat am 17, November 1944 den vorläufigen Beschluss, die Biersteuer von 12 auf 6 Eappcn pro Liter, Flasche, Krug etc. herabzusetzen, und zwar rückwirkend auf den 1. Oktober 1944, d. h. auf den Zeitpunkt, da in den Brauereien das neue Geschäftsjahr begonnen hatte. Dabei wurden, wie bis anhin, den Kleinbrauereien angemessene Erleichterungen zugesichert. Vorgängig der endgültigen Beschlussfassung sollte indessen noch die Stellungnahme der Vollmachtenkommissionen abgewartet werden. Die Kommission des Ständerates stimmte der Vorlage am 22. November, diejenige des Nationalrates am 28. Dezember zu, so dass der Bundesrat am 9. Januar 1945 den endgültigen Beschluss fassen konnte.

IV. Bankenkommission.

B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 18. D e z e m b e r 1944 b e t r e f f e n d die Verlängerung des Bundesratsbeschlusses über die Sanierung von Banken (A. S. 60, 824).

Die Geltungsdauer des Bundesratsbeschlusses vom 17. April 1936 über die Sanierung von Banken, die bereits dreimal verlängert worden war, wäre am 31. Dezember 1944 abgelaufen. Obschon zur Zeit keine neuen Bankensanierungen in Aussicht stehen, erscheint eine nochmalige Verlängerung des Beschlusses bis zum 81. Dezember 1949 als
angezeigt, damit das Sanierungsverfahren sofort wieder angewendet werden kann, wenn nach Beendigung des Krieges bei Banken unerwarteterweise Schwierigkeiten auftreten sollten.

F. Volkswirtschat'tsdepartement.

1. Bundesratsbeschluss vom 10. Oktober 1944 über die Abänderung der Lohnersatzordnung (A, S. 60, 633).

520 Seit der am 26. Januar 1943 beschlossenen Erhöhung der Entschädigungsansätze in der Lohnersatzordnung sind die Lebenskosten ständig gestiegen, weshalb wir diese Ansätze mit Ausnahme der Kinderzulagen durch unseren Beschluss vom 10. Oktober 1944 neuerdings erhöht haben. Insbesondere erfuhren die vielfach als zu niedrig bezeichneten Entschädigungen für Alleinstehende eine fühlbare Verbesserung.

Nachdem die gegenüber den Friedenszeiten doppelt so langen Bekrutenschulen auch für die Bekruten und ihre Angehörigen eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen, war es angezeigt, die Lohnausfallentschädigung auch den erwerbstätigen, unter 22 Jahren alten Bekruten zu gewähren.

2. Bundesratsbeschluss vom 10. Oktober 1944 über die Abänderung der Verdienstersatzordnung (A. S. 60, 686).

Dieser Beschluss ändert in gleicher Weise 'die Bestimmungen über die Verdienstersatzordnung wie unser Beschluss vom 10. Oktober 1944 über die Lohnersatzordnung. Die Erhöhung wurde jedoch nur für die Selbständigerwerbenden im Gewerbe vorgenommen, während die Entschädigungsansätze in der Landwirtschaft einem spätem Beschluss vorbehalten blieben.

S. Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche S t r a f r e c h t und die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege (A. S. 60, 641).

Mit der Zunahme der Bewirtschaftungsvorschriften und der Verschlechterung unserer Versorgungslage wuchs auch die Zahl der kriegswirtschaftlichen Verfehlungen. Es war daher notwendig, durch verschiedene gesetzgeberische Erlasse auf dem Gebiete des kriegswirtschaftlichen S traf rechts dieser Entwicklung Bechnung zu tragen. Obschqn sich die Normen im grossen und ganzen sehr gut bewährt hatten, schien es zweckmässig, das geltende Recht zusammenzufassen, systematisch zu ordnen und zu kodifizieren. Zweck einer solchen Kodifikation war, das Auffinden der imEinzelfall anwendbaren kriegswirtschaftlichen Vorschriften zu erleichtern. Bei dieser Gelegenheit sollten auch einige Institute des bisherigen Bechtes den Bedürfnissen der Praxis ängepasst und verbessert, andere neu eingeführt werden. Alle diese Vorhaben sind mit dem vorliegenden Bundesratsbeschluss verwirklicht -worden.

Die getroffenen Änderungen und Neuerungen lassen sich in der Hauptsache auf zwei Bestrebungen zurückführen. In erster Linie wollte man die Garantie der
gerechten Behandlung für die in irgendeiner Form im Strafverfahren Beteiligten soweit als möglich erhöhen. Sodann sollte zur wirksamen Bekämpfung der kriegswirtschaftlichen Widerhandlungen das Verfahren beschleunigt werden. Es war nicht leicht, diesen beiden Postulaten, die ihrem Charakter nach gegensätzlich sind, in der Gesetzgebung Bechnung zu tragen.

Zum Schutze der an einem kriegswirtschaftlichen StrafveffanrenBeteiligten, mit Einschluss des Beschuldigten, wurde die Einziehung und der Verfall unrechtmassiger Vorteile in bezug auf den Gegenstand und hinsichtlich der Voraussetzungen klarer umschrieben. Der gutgläubige Dritteigentümer ist besser

521 * geschützt als bis anhin, desgleichen der Geschädigte. Der Strafvollzugebehörde wurde die Befugnis erteilt, auf Begehren hin den Erlös aus eingezogenen Gegenständen und die dem Staate verfallenen unrechtmassigen Vorteile ganz oder teilweise den Geschädigten herauszugeben.

Ein ganzer Katalog von Parteirechten und ein weitgehendes Beschwerderecht erweitern die Garantien des Beschuldigten und der übrigen Beteiligten im kriegswirtschaftlichen Strafverfahren, Man ging sogar so weit, einen grundsätzlichen Entschädigungsanspruch für unverschuldete oder ungerechtfertigte Nachteile im Prozess festzulegen. Weitere Massnahmen zum Schutze der Parteien sind die Verlängerung der Einspruchsfrist bei Strafmandaten von 5 auf 10 Tage, das Verbot der reformatio in peius und die Einführung der Revision.

Die Aufnahme der Bevision ist besonders bedeutsam, weil -- was bisher nicht möglich war -- unter gewissen Voraussetzungen unrichtige kriegswirtschaftliche Strafurteile noch korrigiert werden können, wenn das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist. Der neue Erlass gibt die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen dem Beschuldigten einen amtlichen Verteidiger beizuordnen.

Im weiteren werden auch die Voraussetzungen für die Festnahme von Verdächtigen eingeschränkt; diese ist nur noch möglich, wenn ein Haftgrund zuzutreffen scheint.

Die wichtigste Massnahme zur beschleunigten Erledigung der Strafgeschäfte bestand in der Schaffung eines Strafuntersuchungsdienstes des Volkswirtschaftsdepartements, der die verschiedenen Untersuchungsorgane der Kriegswirtschaftsämter und Sektion unter einheitlicher Leitung zusammenfasst. Jene Amtsstelle ist nicht etwa dem Generalsekretariat eingegliedert, sondern untersteht dem Departement direkt. Der zentralisierte Strafunter suchungsdienst ist nunmehr die einzige Instanz, die kriegswirtschaftliche Untersuchungen durchführt. Er hat dafür zu sorgen, dass der Tatbestand restlos abgeklärt und alles Material zusammengetragen wird. Die bisherige Kompetenz des Generalsekretariats, die Untersuchungen selbst zu ergänzen, ist durch die neue Begelung aufgehoben worden.

Die Schaffung eines gemischten kriegswirtschaftlichen Strafgerichts wird dazu beitragen, Strafsachen, bei denen die Täter in der ganzen Schweiz gehandelt haben und verschiedenen Sprachgebieten angehören, rasch zu erledigen. Für
den Fall, dass die Arbeitslast der Gerichte noch weiter anwächst, ist die Möglichkeit geschaffen worden, aussor den Präsidenten und Vizepräsidenten weitere Mitglieder und Ersatzmänner zu Einzelrichtern KU ernennen. Der Einzelrichter kann in der Eegel einen Straffall schneller erledigen als ein Kollegialgericht.

Aus diesem Grunde wird auch die Erhöhung der einzelrichterlichen Kompetenzen eine Beschleunigung der Urteilsfällung mit sich bringen. Die Einzelrichter sind nunmehr zuständig, Bussen bis und mit Fr. 800 auszusprechen ; bis anhin konnten sie nur Bussen bis und mit Fr. 500 ausfällen.

Mit der Erhöhung der maximalen Strafandrohung von zwei auf drei Jahre Gefängnis soll die Grundlage geschaffen werden, auch ganz schwere Verfeh-

522

hingen gerecht zu bestrafen; überdies soll dem Bürger der schädliche Einfluss solcher kriegswirtschaftlicher Widerhandlungen, insbesondere des Schwarzhandels, klar vor Augen geführt werden.

Die neue Definition des Bückfallbegriffes ist ganz besonders auf die Erfordernisse der Kriegswirtschaft zugeschnitten, wo fahrlässiges Verhalten, z, B. Zugrundegehenlassen von Waren, für das Land ebenso schädlich sein kann wie vorsätzliches Handeln und daher cutsprechend geahndet werden rmiss. Auch die Bestimmung der Haftgründe musste den Bedürfnissen der Kriegswirtschaft angepasst werden. Es besteht nimm ehr die Möglichkeit, einen Beschuldigten in Haft zu belassen, wenn Grund zur Annahme vorhegt, er werde seine gemeinschädliche Tätigkeit gegen die Kriegswirtschaft .fortsetzen. Auf diese Weise werden kriegswirtschaftliche Sünder, die unverbesserlich und unbelehrbar sind, daran gehindert, von der Entdeckung der Tat bis zur Urteilsfällung Schaden zu stiften.

4. Bundesratsbeschluss vom 8. N o v e m b e r 1944 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegs- und Nachkriegszeit (A. S. 60, 721).

Mit Botschaft vom 17. März 1944 (A. S. 60, 209) hatten wir den eidgenössischen Bäten den Entwurf zu einem dem fakultativen Beferendum zu unterstellenden Bundesbeschluss über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Erzeugnissen der Landwirtschaft für die Kriegs- und Nachkriegszeit unterbreitet. Dieser Entwurf ist in den eidgenössischen Bäten materiell nicht beanstandet worden. Aus. taktischen Erwägungen und im Hinblick auf den Charakter einer "Übergangslösung für die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit wurde aber im Parlament dem Erlass eines Bundesratsbeschlusses gestützt auf die ausserordenthchen Vollmachten der Vorzug gegeben.

Der gestützt hierauf erlassene Bundesratsbeschluss vom 3, November 1944 entspricht, abgesehen von einigen redaktionellen Bereinigungen, im wesentlichen der Vorlage an die Bundesversammlung. In Artikel 2 ist ergänzend der Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und Futtermitteln aufgeführt worden, der für zahlreiche kriegswirtschaftliche Verfügungen die rechtliche Basis darstellt.

5. Bundesratsbeschluss vom 24. November 1944 zur Verlängerung des Bundesratsbeschlusses über die Organisation
des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei (A. S. 60, 752). · Wenn auch die Begelung des Bundesratsbeschlusses vom 11. Mai 1943 über die Organisation des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei nicht in allen Teilen als Dauerlösung zu betrachten ist, schien es angesichts der gegenwärtigen unabgeklärten Verhältnisse in der Stickereiindustrie doch Zweckmassig zu sein, diese Ordnung vorläufig beizubehalten und demgemäss die Geltungsdauer des genannten Bundesratsbeschlusses bis 31. Dezember 1945 zu verlängern.

523

6. Bundesratsbeschluss vom 4. Dezember 1944 über Bek ä m p f u n g der Q u a r z s t a u b l u n g e (Silikose) im Tunnel-, Stollen·und Bergbau (A. S. 60, 763).

Seit Kriegsausbruch haben die Erkrankungen an Silikose, die nach Art. 68 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt ist, infolge des vermehrten Tunnel-, Stollenund Bergbaus stark zugenommen, so dass sich für diese Arbeiten eine umfassende Begelung der Silikosebekämpfung aufdrängte. Da die Krankheit unheilbar ist, muss sich die Bekämpfung auf vorbeugende Massnahmen beschranken. Durch den Bundesratsbeschluss werden im Tunnel-, Stollen- und Bergbau die heute bekannten Silikoseverhütungsrnassnahmen eingeführt. Auf Wunsch der Arbeitnehmerverbände wurde wegen der besondern Krankheitsgefährdung der Arbeiter im Tunnel- und Stollenbau die obligatorische Krankenversicherung im Mindestumfang von Art. 23 vorgesehen und damit eine noch bestehende Gesetzeslücke geschlossen. Da es fraglich ist, ob der die Unfallverhütung regelnde Art. 65 des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes eine ausreichende rechtliche Grundlage für die Silikoseverhütungsmasänahmen bietet und die obligatorische Krankenversicherung nach Art. 2 des Gesetzes ohnehin nicht von Bundes ·wegen hätte vorgeschrieben werden können, wurde der Beschluss auf die Vollmachten gestützt. Sobald die nötigen Erfahrungen mit den in ihrer Wirksamkeit noch nicht völlig abgeklärten Silikoseverhütungsmassnahmen vorliegen, wird der Beschluss in die ordentliche Gesetzgebung einzugliedern sein.

7. Bundesratsbeschluss vom 8. Dezember 1944 über Beitragsleistung an die Schweizerische Winterhilfe 1944/45 (A. S. 60, 779).

Für die Gewährung eines neuen Bundesbeitrages in der Höhe von Fr. 500 000 waren die gleichen Gründe wie in den vorangegangenen Jahren massgebend.

An den Ausgleichsfonds der Schweizerischen Winterhilfe, in den die Beiträge des Bundes fliesseh, werden grosse Anforderungen gestellt. Während bis vor kurzem in der Hauptsache die notleidende bäuerliche Bevölkerung der Bergkantone eine Hilfe nötig hatte, macht sich heute mehr und mehr die Tatsache geltend, dass die Kleingewerbetreibenden im Gebirge und die grosse Schicht der Handlanger und Hilfsarbeiter in nichtlandwirtschaftlichen Betrieben in ungünstigeren Existenzverhältnissen
leben. Es sind das die Kreise, die keine Beiträge auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 9. Juni 1944 über die Ausrichtung finanzieller Beihilfen an landwirtschaftliche Arbeitnehmer und Gebirgsbauern erhalten.

Für die Weitergewährung des Bundesbeitrages war zudem massgebend, dass wegen anderer grosser Sammlungen eine Bückwirkung auf das Ergebnis ·der. privaten Sammlung der Schweizerischen Winterhilfe zu befürchten war.

Unter diesen Verhältnissen erschien es wünschenswert, die fürsorgerische Tätigkeit dieser Institution wenigstens auf bisheriger Höhe zu erhalten.

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8. B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 15. Dezember 1944 b e t r e f f e n d Ergänzung des Bundesratsbeschlusses über A r b e i t s e i n s a t z bei Bauarbeiten von nationalem Interesse (Obligatorische Krankenversicherung) (A. S. 60, 809). Der grundlegende Bundesratsbeschluss vom 27. Juni 1944 über Arbeitseinsatz bei Bauarbeiter! von nationalem Interesse ordnet die Krankenversicherung. Die gleichen Überlegungen, die für den nachstehenden Erlass massgebend waren, führten dazu, Leistungen für den Fall der Invalidität oder des Todes vorzusehen.

9. Bundesratsbeschluss vom 15. Dezember 1944 b e t r e f f e n d Ergänzung des Bundesratsbeschlusses über Arbeitseinsatz in der L a n d w i r t s c h a f t (obligatorische Krankenversicherung) (A.S.60, 800). Im Bundesratsbeschluss vom 22. April 1944 über Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft ist die obligatorische Krankenversicherung in einer Art und Weise geordnet, dass sie den von Krankheit Betroffenen einen genügenden wirtschaftlichen Schutz zu bieten vermag. Anders verhält es sich jedoch, wenn als Folge der Krankheit eine Invalidität oder der Tod eintritt. Diese Fälle sind verhältnismässig selten, wirken sich aber für den Invaliden oder die Hinterlassenen stark belastend aus. Zur Linderung solcher Schicksalsschläge ist der Bundesratsbeschluss erlassen worden. Die darin enthaltenen Bestimmungen lehnen sich an die Eegelung an, wie sie bereits für die erkrankten Dienstfreien der in Arbeitskompagnien eingesetzten Arbeitslosen geschaffen wurde.

10. B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 22. Dezember 1944 über Teuerungszulagen an Eentenbezüger aus der Versicherung des militärischen und zivilen Arbeitsdienstes und beim Arbeitseinsatz in der L a n d w i r t s c h a f t (A. S. 60, 882).

Es handelt sich um eine Weitergewährung von Teuerungszulagen, die in den Jahren 1943 und 1944 vom Bund ausgerichtet wurden. Die finanzielle Auswirkung des Beschlusses wird voraussichtlich rund Fr. 20 000 iin Jahr betragen. Im Gegensatz zu den früheren Bundesratsbeschlüssen wurde die Ausrichtung der Teuerungszulagen nicht mehr befristet. Massgebend für diese Abänderung war die Auffassung, dass bei einer Änderung der Verhältnisse die Zulagen durch einen neuen Bundesratsbeschluss zu erhöhen, herabzusetzen oder gänzlich einzustellen seien.

11. Bundesratsbeschluss vom
22. Dezember 1944 über Teuerungsaulagen an Eentner der Schweizerischen Ilnfallversicherungsanstalt (A. S. 60, 884).

Teuerungszulagen an die Rentner der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt sind bereits in den Jahren 1942 bis 1944 "ausgerichtet worden. Wegen der anhaltenden Teuerung erachtete der Verwaltungsrat der Anstalt es als notwendig, auch in Zukunft diese Leistungen auszurichten, und beantragte, von der bisherigen Befristung auf je ein Jahr abzusehen. Für den Fall, dass

525die Verhältnisse ändern sollten, wäre eine Anpassung der Eentenzulagen vorzunehmen. Dem Antrag des Verwaltungsrates der Anstalt wurde im neuen Bundesratsbeschluss Folge gegeben.

12. Bundesratsbeschluss vorn 27. Dezember 1944 über Massnahmen zum Schutze des Schuhmachergewerbes (A. 8.60, 894).

Da der Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 über Massnahmen zum.

Schutze des Schuhmachergeiyerbes bis zum 81. Dezember 1944 befristet war, stellte sich die Frage, ob die Beibehaltung dieser Massnahmen notwendig sei.

Die erweiterte eidgenössische Gewerbekommission und die eidgenössische Fachkommission für das Schuhmachergewerbe haben dies bejaht und die Verlängerung der bisherigen Massnahmen auf dem Wege eines Vollmachtenerlasses befürwortet. Auch die Kantonsregierungen und die begrüssten Verbände haben sich für ein solches Vorgehen ausgesprochen. Ferner fiel in Betracht, dass die Armee an einem leistungsfähigen Schuhmacherhandwerk .interessiert ist und dass die mit den bisherigen Massnahmen erreichten Eesultate sehr bald zunichte würden, wenn dieser Erwerbszweig wehrlos der Konkurrenz der mechanischen Grossreparaturwerkstätten und der Fabrikbetriebe ausgesetzt wäre.

Der Bundesratsbeschluss deckt sich in seinen Grundzügen weitgehend mit der bewährten Begelung des früheren Bundesbeschlusses. Bei den bewilligungspflichtigen Vorkehren wird auf die Bewilligungspflicht für räumliche Vergrösserungen, die nicht mit einer Vermehrung der maschinellen Einrichtungen oder der im Betriebe tätigen Personen verbunden sind, verzichtet. Die Bechtsstellung der Inhaber des Meisterdiploms und der sogenannten Alt-Meister wird in dem Sinne verbessert, dass sie in Zukunft für die Eröffnung, Übernahme oder Verlegung einer Werkstätte einen Eechtanspruch besitzen, sofern in dieser neben dem Meister höchstens ein Geselle oder Hilfsarbeiter beschäftigt ist und nur die allgemein gebräuchlichen Hilfsmaschinen verwendet werden. Die Zahl der Lehrlinge fällt hiebei entgegen der bisherigen Begelung nicht in Betracht, wie überhaupt für die Einstellung von Lehrlingen keine Bewilligung mehr erforderlich ist.

Die Verfahrensbestimmungeii sind gestützt auf die praktischen Erfahrungen neu bearbeitet worden. Neu ist, dass die Entscheide der Kantonsregierungen nicht mehr endgültig sind, sondern der Beschwerde an den Bundesrat unterliegen. Diese
Änderung hat sich als notwendig erwiesen, weil sich die Praxis in den einzelnen Kantonen nach unseren Beobachtungen in zunehmendem Masse uneinheitlich gestaltete und nicht selten sehr erheblich von den geltenden Vorschriften abwich.

Eine weitere Neuerung liegt darin, dass die Verbände der Schuhwirtschaft ·mit Genehmigung des Volkswirtschaftsdepartements besondere Vereinbarungen über die Abgrenzung der Tätigkeitsgebiete zwischen Schuhindustrie und Schuhmachergewerbe abschliessen und die für die Durchführung notwendigen Organe einsetzen können.

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13. Buiidesratsbeschluss vom 27. Dezember 1944 über die E r ö f f n u n g und Erweiterung von "Warenhäusern, K a u f h ä u s e r n , Einheitspreisgeschäften und Filialgeschäften (A. S. 60, 902).

In ähnlicher Weise wie bei den Massnahmen zum Schutze des Schuhrnachergewerbes hatten wir auch zu prüfen, ob die einschränkenden Bestimmungen für die Eröffnung und Erweiterung von Warenhäusern und Filialgeschäften .nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses vom 11. Dezember 1941 beizubehalten seien oder nicht. Auch'hier gelangten wir zu der Auffassung,
Die Begelung im neuen Bundesratsbeschlusä entspricht im wesentlichen dem früheren Bundesbeschluss, ist jedoch in verschiedener Richtung gelockert -worden. Für die Übernahme eines fremden Filialgeschäftes durch eine Grossunternehmung des Detailhandels oder durch eine industrielle Unternehmung ist keine Bewilligung mehr erforderlich, und auch die Beschränkungen für die Benützung von Schaufenstern fallen dahin. In einigen Spezialfällen sind Be-wilhgungen ohne weiteres, d. h. ohne Nachweis eines Bedürfnisses zu erteilen, so z. B. für die Einführung neuer Warenkategorien, sofern sie der gleichen Branche angehören oder ausserordentliche Verhältnisse die Verweigerung der Bewilligung als unbillig erscheinen lassen, ferner in Ergänzung der früheren .Regelung auch für die Verlegung eines Betriebes bei wesentlicher Entwertung der bisherigen Geschäftslage.
Das Verfahren ist dadurch vereinfacht und beschleunigt worden, dass in .Zweifelsfällen an Stelle eines Entscheides des Volkswirtschaftsdepartementes über die Unterstellungsfrage nur noch eine gutachtliche Stellungnahme eingehölt werden muss. Gegen die Entscheide der Kantonsregierungen ist wie bisher die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat vorgesehen. Die Beschwerdefrist für die Berufs- und Wirtschaftsverbände ist auf zehn Tage abgekürzt, damit der Betriebsinhaber, dem eine Bewilligung erteilt worden ist, möglichst rasch darüber Klarheit erhält, ob der Entscheid in Rechtskraft erwächst oder nicht.

Hinsichtlich des Geltungsbereiches erwähnen wir, dass nunmehr alle ·Genossenschaften, die schon vor dem 1. Oktober 1944 im Detailhandel tätig

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waren -- zu diesen gehören auch die Mitgliedgeuossenschaften des MigrosGenossenschafts-Bundes --, von den bundesrechtlichen Vorschriften dos Filialverbotes befreit sind, während früher auf den 1. Mai 1935 abgestellt wurde.

Diese Sonderstellung wurde den Genossenschaften eingeräumt, weil sowohl der Schweizerische Ausschuss für zwischengenossenschaftliche Beziehungen als auch der Migros-Genossenschafts-Bund mit dem Schweizerischen Gewerbeverband je ein Abkommen über die Begutachtung der Projekte zur Eröffnung und Erweiterung von Filialgeschäften durch eine konsultative Kommission abgeschlossen haben. Eine weitere Neuerung besteht darin, dass durch Vereinbarungen nicht nur besondere Schiedsstellen eingesetzt, sondern auch materiellrechtliche Fragen geregelt werden können. Solche Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

14. Bundesratsbeschluss vom 9. Januar 1945 über v o r ü b e r gehende, ausserordentliche Massnahmen zur B e k ä m p f u n g der H i n d e r t u b e r k u l o s e (A. S. 59, 215).

Dieser Erlass ersetzt den Bundesratsbeschluss vom 16. März 1943, dessen Gültigkeit Ende Dezember 1944 erloschen ist. Er unterscheidet sich vom frühern Beschluss insofern, als er den Bundesbeitrag an die Kosten der Ausmerzung ·tuberkulöser Tiere für Gebirgsgegenden auf 65 % der Auslagen der Kantone (statt wie bisher 76 %) beschränkt. Diese Herabsetzung musste aus finanziellen Gründen vorgenommen werden: Eine gänzliche Einstellung der Bundeshilfe konnte nicht in Betracht fallen, weil sie den Erfolg der bisherigen Massnahmen in Frage gestellt hätte; 15. Bundesratsbeschluss vom 16. Januar 1945 über die Abänderung des Bundesratsbeschlusses b e t r e f f e n d die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung (A. S. 61, 43).

Der durch den Bundesratsbeschluss vom 16. Januar 1945 erweiterte Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung unterstellte in Art. l, lit. a, die "Warenpreise, Miet- und Pachtzinse sowie Tarife jeder Art, ausgenommen solche für konzessionierte Transportunternehmungen, der behördlichen Überwachung. Zahlreiche Klagen, die seit 1942 bei verschiedenen eidgenössischen und kantonalen Amtsstellen einliefen und übereinstimmend spekulative Preissteigerungen, namentlich bei Bauland
und Kohlenbergwerkskonzessionen zum Gegenstand hatten, liessen eine Ausdehnung der Preiskontrolle wünschbar erscheinen. Nach der Ausarbeitung des Vorentwurfs zu einem Bundesratsbeschluss stellte sich heraus, dass der beabsichtigte Zweck zu einem grossen Teil auf Grund der geltenden Bestimmungen verwirklicht werden konnte. Denn soweit es sich um bereits überbaute Grundstücke handelt, verhindert die Mietzinskontrolle nachteilige Auswirkungen überzahlter Liegenschaftskäufe auf die Konsumentenschaft. Die Spekulation wird sich in der Tat weitgehend fernhalten, solange eine Möglichkeit zur Uberwäleung über-

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setzter Gestehungskosten in Form von Mietzinserhonungeii nicht besteht.

Daruni haben -wir uns darauf beschränkt, das Volkswirtschaftsdepartement zur Festsetzung der Grundstückpreise zu ermächtigen, anstatt, wie ursprünglich, beabsichtigt, den Liegenschaftenhandel zu ordnen.

In erster Linie war die Ausdehnung der Preisüberwachung auf die Preise für Bauland sowie ganz bestimmte Entgelte vorgesehen. Wenn dennoch eine umfassendere Formulierung gewählt wurde, so geschah es im Bestreben, die rechtliche Handhabe zur Ausdehnung der Kontrolle zu besitzen, sofern sich dies..

aus der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu gegebener Zeit als nötig erweisen sollte.

Was die Baulandpreise anbelangt, klaffte tatsächlich eine Lücke in den Preisvorschriften. Solange Bauplätze unbebaut bleiben, wirken sich Preistreibereien bei Grund und Boden auf die Lebenshaltungskosten allerdings praktisch nicht aus. Sobald aber eine Überbauung und anschliessend Vermietungen stattfinden, fallen die Mietzinse unter die Genehmigungspflicht gemäss Verfügung Xr. 7 des Volkswirtschaftsdepartementes vom I.Mai 1941.

Die Mietemsfestsetzung der Preiskontrollstellen ging dabei zunächst von den.

effektiven Gestehungskosten aus, wobei ein wesentlicher Bestandteil jeweils auf den Kaufpreis für den Grund und Boden entfiel. Um eine nutzlose Aufwendung der staatlichen Mittel zur Förderung des Wohnungsbaus zu verhüten, ist eine Kontrolle der Baulandpreise nicht zu umgehen.

Ausser für die Grundstückpreise wird durch den Bundesratsbeschlus» vom 16. Januar 1945 auch die Kontrolle von «Entgelten jeder Art» ermöglicht.

Diese neue Befugnis geht jedoch nicht so weit, wie nach dem Texte angenommen werden könnte. Die meisten für die Lebenshaltungskosten massgeblichen Entgelte unterstanden schon bisher als Warenpreise, Miet- oder Pachtzinse oder tarifierte Leistungen der Preisüberwachung. Lückenhaft ist die bisherige Begelung lediglich hinsichtlich der Vergütungen, woi'ür eine Tarifierung nicht festzustellen ist. Darunter fallen insbesondere Bergwerkskonzessionen, Boyalties (Vergütung pro Tonne geförderter Ware bei Kohlenbergwerken) und gewisse Lizenzen. Die eingangs erwähnten Klagen wegen enormer Preissteigerungen betrafen vor alleni Kohlenminen, mit welchen in, den Jahren 1941 und 1942 ein schwungvoller Kettenhandel betrieben wurde. Da die Entgelte
für Bergwerksverkäufo oder -pachten und bezügliche Abbaurechte in engster Beziehung zur Preisfestsetzung für die in diesen Werken produzierten Waren stehen, hat eine wirksame Kontrolle der Kostenfaktoren bereits an der Quelle anzusetzen. Dazu kommt der weitere 'umstand, dass zufolge der kriegswirtschaftlichen Natur dieser Bergwerksbetriebe die Abschreibung der Anlagen innert kurzer Zeit gestattet werden musste. In vielen Unternehmen sind sie denn auch zum grössten Teil, in einzelnen sogar schon vollständig amortisiert, so dass beispielsweise bereits Senkungen der Kohlenpreise verfügt werden konnten und weitere bevorstehen. Da der Eealwert dieser Werke heute aber höher denn je steht, ist unter allen Umständen zu verhindern, dass bei Hand-

529 Änderungen solcher Bergwerke die Anlagen wieder aufgewertet und Preisabschläge dadurch verunmöglicht werden. Diesem Zwecke dient die dem Volkswirtßchaftsdepartement erteilte Überwachungskoinpetenz.

16. Bundesratsbeschluss vom 9. Februar 1945 über U n f a l l versicherung (Erhöhung der anrechenbaren Lohnbeträge) (A. S.

61, 69).

Durch Bundesgesetz vom 9. Oktober 1920 wurde der für die Berechnung des Krankengeldes und der Prämien in Betracht fallende Höchstlohn der obligatorisch Versicherten auf Fr. 21 im Tag und Fr. 6000 im Jahr erhöht. Eine von der Direktion der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt inLuzernvom 1. Januar bis Ende Oktober 1948 durchgeführte Statistik ergab, dass von 107 188 Schadensfällen 4300, also 4 Prozent der Fälle, das anrechenbare Lohnmaximum ·überschritten hatten. Schon immer war eine Gruppe von Versicherten vorhanden, deren Gehalt die genannten anrechenbaren Höchstbeträge überschritt.

Zufolge der auf den gegenwärtigen Weltkrieg zurückzuführenden Goldentwertung waren nachgewiesenermassen gegen 22 400 weitere Versicherte bei der Anstalt nur ungenügend versichert. Auf Antrag des Verwaltungsrates der Unfallversicherungsgesellschaft beschlossen wir daher, die Art. 74, 78 und 112 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung abzuändern. Eine Verschlechterung der Finanzlage der Anstalt tritt dadurch nicht ein, da der Erhöhung des anrechenbaren Verdienstes entsprechend von den Prämienzahlern höhere Prämien zu leisten sind.

Die Schweizerische Unfalldirektorenkonferenz gab die Erklärung ab, dass sie auch ohne Aufnahme einer besondern Bestimmung im Bundesratsbeschluss die bestehenden privaten Zusatzversicherungen der neuen Sachlage anpassen werde.

17. Bundesratsbeschluss vom 16. Februar 1945 über den Fähigkeitsausweis für die E r ö f f n u n g von Betrieben im Gewerbe (A. S. 61, 93)..

Es ist Tatsache, dass gewisse Teile des gewerblichen Mittelstandes unter schwierigsten Verhältnissen leben. Nach Erhebungen, die bei der Anwendung der Verdienstersatzordnung gemacht werden konnten, besitzen sehr viele Selbständigerwerbende des Gewerbes ein reines Monatseinkommen ohne Abzug der Haushaltkosten, das unter Fr. 240 liegt, und zwar in Landesteilen und Kantonen mit ganz verschiedener wirtschaftlicher Struktur. In Basel-Stadt beträgt z. B. der
Prozentsatz dieser Personen 22,8 %, in Genf 28,1 %, im Tessili SO % und in Appenzell I.-Bh. 36,3 % aller Gewerbetreibenden. Wenn auch einzelne Ursachen dieser Verhältnisse, deren soziale Bedeutung nicht übersehen werden darf, in einem gewissen Umfange schon vor dem Krieg bestanden haben mögen, so lässt sich doch nicht bestreiten, dass sie in manchen Gebieten vorwiegend auf die Auswirkungen der Kriegswirtschaft zurückzuführen sind oder dass sich die Lage infolge des Krieges erheblich verschlechtert hat. Die gewerblichen Erwerbszweige sind durch den mengenmässigen Umsatzrückgang

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als Folge der immer knapper werdenden Vorräte und der dadurch notwendig gewordenen Rationierung und Kontingentierung sowie der Teuerung und schwindenden Kaufkraft empfindlich getroffen worden. Dazu kommt, dass die Vermehrung der Betriebe, die in der Zeitspanne 1929/1939 bei einer Bevölkerungsvermehrung um nur 3,4% nicht weniger als 28000 Betriebe oder. 18 % betrug, auch seither angehalten hat. Das zusammengeschrumpfte Umsatzvolumen muss deshalb auf .eine stets wachsende Zahl von Betrieben verteilt werden, wodurch auch den an sich lebensfähigen Betrieben das Durchhalten während der Kriegszeit erschwert worden ist.

Unter diesen Umständen erachten wir es als notwendig, dass ein Instrument für wirksame Hilfsmassnahmen zugunsten von Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen geschaffen wird, die sich infolge solcher Verhältnisse in ihrer Existenzbedroht sehen. Das Problem stellte sich namentlich deshalb, weil zu befürchten ist, dass wie in den Krisenjahren 1931 bis 1936 im Falle einer Arbeitslosigkeit wiederum viele zum Teil ungenügend ausgebildete und für eine selbständige Berufsausübung ungeeignete Personen versuchen würden, sich als Selbständigerwerbende im Gewerbe zu betätigen, was eine weitere Übersetzung vieler Erwerbszweige mit ihren volkswirtschaftlich ungesunden Auswirkungen zur Folge hätte.

Gestützt auf diese Überlegungen haben wir nach Einholung der Vernehmlassungen der Kantonsregierungen und der Spitzenverbände den vorliegenden.

Bundesratsbeschluss über den Fähigkeitsausweis für die Eröffnung von Betrieben erlassen. Der Entwurf hiezu wurde von der durch Vertreter der Industrie, der Genossenschaften und der Arbeitnehmer ergänzten eidgenössischen Gewerbekommission in verschiedenen Sitzungen behandelt und schliesslich auch den Vollmachtenkommissionen beider Bäte zur Begutachtung unterbreitet.

Der Bundesratsbeschluss vom 16. Februar 1945 bedeutet nicht die Einführang der allgemeinen Bewilligungspflicht für alle Betriebe des Gewerbes.

Er stellt vielmehr einen Rahmenerlass dar, der das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, in einzelnen Zweigen des Gewerbes unter bestimmten Voraussetzungen durch besondere Verfügung einen Fähigkeitsausweis als Voraussetzung für die Eröffnung, Übernahme oder Umwandlung von Betrieben einzuführen.

Anlässlich der konsultativen Begutachtung des Entwurfes hatte die
Vollmachtenkommission des Nationalrates mit 12 gegen 11 Stimmen beschlossen,.

dem Bundesrat zu beantragen, die Vorlage nicht weiter zu verfolgen, wogegen die Vollmachtenkommission des Ständerates ihr mit 12 gegen l Stimme unter Vorbehalt einiger Abänderungen zustimmte. Ausgehend von den Gründen, die wir einleitend zur sachlichen Rechtfertigung der Einführung eines Fähigkeitsausweises anführten, haben wir uns der Auffassung der ständerätlicheii Vollmachtenkommission angeschlossen und die Vollmachtenkommission des Nationalrates eingeladen, auf die materielle Behandlung des Entwurfes einzutreten. Diese ist unserem Wunsche nachgekommen, ohne damit jedoch, auf ihren grundsätzlichen Beschluss zurückzukommen. Angesichts der Stellung-

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nähme der fast einstimmigen ständerätlichen Vollmachtenkommission und der fast genau in zwei Hälften geteilten Vollmachtenkommission des Nationalrates glaubte es der Bundesrat verantworten zu dürfen, den beschrittenen Weg zu Ende zu gehen. Von seinen Befugnissen wird das Volkswirtschaftsdepartement einen zurückhaltenden Gebrauch machen.

18. Bundesratsbeschluss vom 28. Februar 1945 b e t r e f f e n d Gewährung von T e u e r u n g s z u s c h l ä g e n in der N o t h i l f e für A r b e i t s lose (A. S. 61, 113).

Die für die Bemessung der Nothilfe massgebenden Ansätze sind festgelegt in Art, 20 bis 23 des Bundesratsbeschlusses vom 28. Dezember 1942 über die Nothilfe für Arbeitslose. Seit dem Erlass dieses Beschlusses, sind die Lebenskosten fühlbar in die Höhe gegangen. Für die Arbeitslosen ist diese Entwicklung um so spürbarer, als die Keallöhne im allgemeinen nicht entsprechend gestiegen, sind und die Arbeitslosenunterstützung ja immer nur einen Teil des Verdienstausfalles deckt. Aus diesem Grunde haben wir schon am 11. Januar 1944 in.

der Arbeitslosenversicherung eine Erhöhung der Taggeldansätze beschlossen.

Eine analoge Massnahme erwies sich auch in der Nothili'e als unumgänglich.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hatte gewünscht, es seien die festen Ansätze heraufzusetzen und auch die prozentualen Höchstgrenzen entsprechend zu erhöhen. Bei einer solchen Lösung wären aber die Unterstützungen aus der Nothilfe in recht zahlreichen Fallen über die Taggelder der Arbeitslosenversicherung hinausgegangen. Dieses System liess sich nicht rechtfertigen, weil die Arbeitslosen an die Aufwendungen der Nothilfe keine direkten Beiträge in Form von Prämien leisten. Ausserdem hätte sich die nach diesen Vorschlägen eintretende Verbesserung der Unterstützungen vornehmlich zugunsten der Angehörigen der höheren Lohnkategorien statt zugunsten der Arbeitnehmer mit niedrigeren Verdiensten oder einer relativ grössern Zahl von Angehörigen ausgewirkt. Um diesen Nachteilen zu begegnen, haben wir uns für die Gewährung fester Teuerungszuschläge entschieden. Die Unterstützungen werden wie bisher auf Grund der Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 28. Dezember 1942 berechnet. Zu diesen Unterstützungsansätzen kommen die im neuen Beschluss vorgesehenen festen Zulagen hinzu. Auch nach der von uns beschlossenen Regelung
lassen sich die Falle, in denen die Unterstützungen der Nothilfe über die Taggelder der Arbeitslosenversicherung hinausgehen, nicht ganz vermeiden. Indessen handelt es sich um ganz vereinzelte Fälle ohne praktische Bedeutung.

Über die Mehrbelastung von Bund und Kantonen sind noch keine genauen Angaben möglich, weil die Aufwendungen von der Lage des Arbeitsmarktes abhängen.

19. Bundesratsbeschluss vom 27. Februar 1945 b e t r e f f e n d die Abänderung der V e r o r d n u n g über die A r b e i t s d i e n s t p f l i c h t (A. S. 61, 122).

.£32 Nachdem die Kosten, die sich durch die Gewährung von Zuschüssen aus -öffentlichen Mitteln beim Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft ergeben, teilweise dem Lokriausgleichsfonds belastet worden waren, zeigte es sich, dass er für die Kosten, die beim Arbeitseinsatz zugunsten anderer Wirtschaftszweige · entstehen, nicht herangezogen werden konnte. Es war deshalb nicht nötig, die . Art der Kostentragung für jedes Anwendungsgebiet der Arbeitsdienstpflicht durch einen besonderen Bundesratsbeschluss zu regeln. Wir haben daher · durch unseren Beschluss vom 27. Februar 1945 die Neuerung vom 9, Juni 1944 aufgehoben und die frühere Ordnung wieder eingeführt.

20. Bundesratsbeschluss vom 26. März 1945 über die Abänderung der Lohiiersatzordnung >und der A u s f ü h r u n g s v e r - " Ordnung zur Lohnersatzordnung (A. S, 61, 160).

Während bisher nach Art, 6, Abs. l, der Lohnersatzordnung grundsätzlich alle Leistungen aus Dienstverträgen der Beitragspflicht unterlagen, wurde nunmehr auf Grund der gemachten Erfahrungen und der Praxis der eidgenös.sischen Aufsiahtskommission für die Lohnersatzordnung in Abs. 2 die Möglichkeit geschaffen, gewisse Zuwendungen der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, so insbesondere noch näher zu bezeichnende Sozialleistungen, von der Beitragspflicht auszunehmen. Der neue Art. 8, Abs. 7, der Lohnersatzordnung stellt entsprechend der bisherigen Praxis ausdrücklich die Unabtretbarkeit und Unverpfändbarkeit der Ansprüche der Wehrmänner und ihrer Angehörigen .auf Lohnausfallentschädigungen fest.

Die Verantwortlichkeit der Träger der Ausgleichskassen (Kantone und Verbände) und die Geltendinachung ihrer Haftung wurde in den Artikeln 15 und 15blB der Ausführungsverordnung zur Lohnersatzordnung neu umschrieben.

Die Straftatbestände der Art. 18 und 19 der Ausführungsverordnung · wurden erweitert und genauer gefasst.

21. Bundesratsbeschluss vom 26. März 1945 über die Abänderung der Verdienstersatzordnung (A. S. 61, 165).

Einem Begehren des Schweizerischen Bauernverbandes entsprechend, " haben wir die in Art. 8 der Verdienstersatzordnung enthaltenen Ansätze in der Landwirtschaft für ledige männliche Familienmitglieder und die Kinder. Zulagen angemessen erhöht. Mit dieser Erhöhung wurde neu bestimmt, dass der ^Rechtsnachfolger des wegen Tod oder dauernder Arbeitsunfähigkeit ausgeschiedenen
Betriebsleiters in seine Eechte und Pflichten eintritt, so dass . nunmehr ein Sohn, der den Betrieb des Vaters übernimmt, für seine unter 15 Jahre alten Geschwister Kinderzulagen erhalten kann.

Im übrigen ändert dieser Beschluss in gleicher Weise die Bestimmungen der Verdienstersatzordnung wie der vorerwähnte Bundesratsbeschluss die . Lohnersatzordnung und die Ausführungsverordnung dazu.

533 22. Bundesratsbeschluss vom 29. März 1945 über die Ausrichtung von Studienausfallentschädigungen an militärdienstleistende Studierende an höheren Lehranstalten (A. S. 61, 189).

Da die Studenten an sich weder Arbeitnehmer noch Selbständigerwerbende aind, konnten bisher nur diejenigen Studierenden, die neben ihren Studien noch einer bezahlten Tätigkeit nachgingen (sogenannte Werkstudenten), sowie die Absolventen höherer Lehranstalten, die wie die Lehrlinge mit abgeschlossener Lehrzeit als Unselbständigerwerbende betrachtet werden, aus den Mitteln der Lohnersatzordnung entschädigt werden. Wenn demnach ihre Dienstleistungen auch nicht einen Lohnausfall zur Folge haben, so bewirkte doch die lange Dauer der Mobilmachung im Verein mit der starkenmilitärischenBeanspruchung -·- mehr als die Hälfte der Studierenden sind Offiziere und Unteroffiziere -- einen beträchtlichen Studienausfall. Dieser verursacht nicht nur vermehrte Studienkosten, sondern kann insofern auch zu einem Erwerbsausfall führen, als dadurch der Eintritt ins Erwerbsleben wesentlich verzögert wird.

Wir haben daher am 29. März 1946 die Ausrichtung einer Studienausfallentschädigung für jeden soldberechtigten Aktivdiensttag an diejenigen Studierenden an. höheren schweizerischen Lehranstalten beschlossen, die mindestens 120 Tage Militärdienst bestanden haben.

Für die Auszahlung der Studienausfallentschädigungen kann im Jahr mit etwa 900 000 Diensttagen gerechnet werden. Die Gesamtaufwendungen betragen demnach rund Fr. l 400 000. Der Bund hat davon rund Fr. 467 000 auf sich zu nehmen. Die Beiträge der Studenten werden eine jährliche Summe von Fr. 300 000 ergeben. Der zentrale Ausgleichsfonds der Lohnersatzordnung hätte also jährlich noch Fr. 240 000 an die Auslagen, die infolge des Bundesratsbeschlusses entstehen, beizutragen, während auf die zentralen1 Ausgleichsfonds der Landwirtschaft und des Gewerbes je Fr. 80 000 entfallen würden.

Gestützt auf unsere Ausführungen beantragen wir Ihnen, Sie möchten von den getroffenen Massnahmen in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen und beschliessen, dass sie weiter in Kraft bleiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 27. April 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident :

Ed. v. Steiger.

Der Bundeskanzler:

-----s+o^ Bundesblatt. 97. Jahrg. Bd. I.

Leimgruber.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Zwölfter Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergriffenen Massnahmen. (Vom 27. April 1945.)

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