#ST#

Schweizerisches Bundesblatt

30. Jahrgang. III.

Nr. 35.

# S T #

27. Juli 1878.

Bericht der

Minderheit der Kommission des Nationalrathes über die zwei Bundesbeschlussentwürfe betreffend erstens Genehmigung einer Zusazkonvention in Sachen der Gotthardbahn und zweitens eine Bundessubvention für dieselbe.

(Vom 25. Juli 1878.)

Tit.!

Wie Sie wissen, haben die Mißrechnungen, in welche die Förderer des Gotthardunternehmens verfielen, alle Voraussicht überschritten. Schon bevor der Bau der Zufahrtslinien zum großen Tunnel begonnen wurde, enthüllte die Gesellschaft die Unzulänglichkeit ihrer Geldmittel und sah sich zu dem Geständnisse genöthigt, daß ihr zur Ausführung ihres Programmes die enonne Summe von hundert und zwei Millionen Franken fehle.

Diese Mißrechnung, kolossal wie das Unternehmen selbst, giug sogar über die pessimistischesten Voraussichten der Bekämpfer des Vertrags vom Jahr 1869 weit hinaus. Sie hinterließ im Volke ein bis zur Gereiztheit gesteigertes Mißtrauen. Man fragt sich voll Unruhe, wie es kommen konnte, daß Männer, die sich vom öffentlichen Zutrauen getragen sahen, mit dem Vollgewichte ihres Ansehens dem Volke so mangelhaft durchstudirte Entwürfe aufdrängten ; Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. III.

27

364

ja man ging selbst so weit, das bedenkliche Dilemma aufzustellen : entweder befandet ihr euch bei den groben Irrthümern eurer Voranschläge in Unwissenheit, und in diesem Falle haben wir uns über eure Fähigkeiten getäuscht ; oder aber ihr kanntet dieselben, und was sollen wir alsdann von eurer Loyalität und eurem Patriotismus sagen ?

An Warnungen hat es incleß denselben keineswegs gefehlt.

Vor der Ratifikation des Vertrages von 1869 wurde durch zahlreiche Protestatiouen, ausgehend von der Presse, von den Regierungen und aus dem Volke selbst, Alarm erhoben und auf die Gefahren hingewiesen, die der Vertrag mit sich bringe.

,,Die Vertragsparteien, sagte die waadtländische Regierung in der Zuschrift, die sie am 24. Juni 1870 an den Bundesrath richtete, scheinen den Fall nicht vorgesehen zu haben, wo es der Gesellschaft, die man für das Gotthardunternehmcn bilden will, mit ihren Hülfsmitteln und den zugesagten Subventionen nicht gelingen sollte, die Linie zu vollenden. Und doch scheint uns, es wäre ein Gebot der Vorsicht gewesen, diesen B'aü vorauszusehen, um festzustellen, wie weit die auswärtigen Staaten auf die in der Schweiz begonnenen Arbeiten Anrechte haben, und besonders damit deutlich erklärt werde, daß die Eidgenossenschaft, ungeachtet der vorherrschenden Rolle, die der Bundesrath in dieser ganzen Angelegenheit übernommen , in keiner Weise und in keinem Falle verpflichtet sei, das Unternehmen zu Ende zu führen. tt In derberer Sprache sagte der Kleine Rath des Kantons Graubünden, indem er in einer Zuschrift vom 4. Juli 1870 der Bundesversammlung die Besorgnisse kundgab, die der Vertrag von 1869 ihm einflößte, Folgendes: ,,Unsere diesfälligen Beweggründe sind zunächst folgende: In dem Umstand, daß der Vertrag mit Italien vom 15. und resp. das Schlußprotokoll der Gotthardkonferenz vom 13. Oktober 1869 den mehr wahrscheinlichen als nur möglichen Fall, wo die festgesezten Subventionen von 85 Millionen Franken, d. h. das überhaupt in Aussicht genommene Baukapital, uicht ausreichen sollten, in keiner Weise vorsieht, zusammengehalten mit der onerosen Stellung , welche der Schweiz in Bezug auf die Ausführung des Unternehmens überhaupt augewiesen ist, scheint uns die augenscheinliche Gefahr finanzieller Konsequenzen zum Nachtheile der Schweiz, als solcher, zu liegen, deren Tragweite dermalen noch außer die Grenzen jeder Berechnung fällt. "

365

Die Zuschrift fügt bei : ,, Der Kanton Graubünden entschlägt sich ferner in bündigster Weise aller Konsequenzen, welche in finanzieller Beziehung aus dem Vertrag für die Schweiz und die Kantone erwachsen könnten, und weist seinerseits zum Voraus jede diesfällige, direkte oder indirekte, Mitleidenschaftspflicht aufs Entschiedenste von der Hand Und weiterhin ,,es lehnt der Kanton Graubünden jede diesfällige Verantwortlichkeit in feierlichster Weise ab, indem er dieselbe mit ihrem vollen Gewicht Denjenigen überläßt, welchen die Schuld allein beizumessen sein würde."

In der -Bundesversammlung fanden diese Befürchtungen überzeugungsvolle Vertreter. Herr Landammann A e p l i hatte beantragt, in den Beschluß, durch welchen der 1869er Vertrag ratifizirt werden sollte, folgendes Amendement aufzunehmen: ,,Sollte der Fall eintreten, daß die Gesellschaft den Bau oder den Betrieb der Bahn nicht mehr fortsezen könnte, so darf für die Fortsezung in der einen oder andern Beziehung der Bund, so wenig als es gegenwärtig geschieht, in finanzielle Mitleidenschaft gezogen werden. (S. 69 des Gotthardbulletin.

Die Minderheit der Kommissionen, im Ständerathe vertreten durch Herrn R o g u i n , im Nationalrathe durch Herrn P e r r i n , hatte diesem Antrage eine so abgeschwächte Form gegeben, daß sie als ein Minimum von Konzessionen erschien, welche man der so vielseitig obwaltenden Beängstigung hätte gewähren können. Es verlangte nämlich diese Minderheit nur eine einfache Erwägung, lautend : ... ,,In Betracht, daß in Vollziehung der genannten Verträge der Eidgenossenschaft keine finanzielle Mitwirkung auferlegt werden kann für den Fall, wo die konzessionirte Gotthardbahngesellschaf außer Stand wäre die Arbeiten zu vollenden oder den Betrieb fortzusezen."

Welche Aufnahme ist diesen Anträgen zu Theil geworden?

Wie weit hat man den Befürchtungen, die in denselben Ausdruk fanden , Rechnung getragen ? D a s ist uns in frischer Erinnerung geblieben. Eine hochtönende Vertrauensseligkeit antwortete unsern Zweifeln ; unsere Berechnungen waren lauter Phantasmagorien, unsere Befürchtungen lediglich Phantome oder Gespensterseherei.

Eine allgemeine Verblendung schien die schlichten Magistrate unseres Landes, welche erstaunt waren, sich die Rolle von Helden eines großen Unternehmens zugetheilt zu sehen, hinzureißen und sie um ihre gewöhnliche Umsicht zu bringen.

366

Eines Tages wird man vielleicht fragen, ob nicht mehr als e i n Staatsmann, der an dem Taumel von 1870 einen großen Antheil hatte, bereits damals vorausgesehen habe, daß die Voranschläge ungenügend seien. Man wird sich fragen, ob nicht etwa ein abgekarteter Plan bestand, dahiuzielend, eine Zeitlang das Unzulängliche der Geldmittel zu maskiren, um dann nachher einen Bundesbeitrag unter dem Druke vollendeter Thatsachen herauszupressen.

Wir verwerfen diese Muthmaßung; unsere Ansicht über das befremdliche Vertrauen, mit welchem die Bundesbehörden die betreffenden Studien und Projekte, die es so wenig verdienten, beehrten, geht dahin, daß man einer unbedachtsamen Strömung nachgab. Die Verblendung war so groß, daß man für einen schlechten Bürger galt, wenn man über die von den Gotthardförderern vorgelegten Voranschläge einen Zweifel äußerte.

Die Illusion hat in der offiziellen Welt sich lange behauptet.

Sie scheint sogar am längsten bei der Bundesbehörde vorgewaltet zu haben. Indessen kam auch für die Vertrauensvollsten der Moment der Beunruhigung. Man sah, wie die Gesellschaft an ihren Arbeiten einen nuzlosen Luxus bemerklich machte; die tessinischen Thalbahnen, veranschlagt zu Fr. 14,566,250, hatten ü b e r 38 Millionen gekostet. Die Gesellschaft suchte diesen enormen Unterschied zu rechtfertigen ; allein ihre Verteidigung diente nur dazu, die absolute Unzulänglichkeit, um nicht zu sagen Leichtfertigkeit, ihrer Studien zu verrathen.

Endlich sah sich der Bundesrath, gedrängt durch die bei ihm anklopfenden öffentlichen Besorgnisse, veranlaßt, einen Bericht abzuverlangen. Man befand sich bereits im Jahre 1875. Die Botschaft des Bundesrathes sagt diesfalls : ,,Im Laufe des Jahres 1875 begannen im Publikum die Besorgnisse sich zu regen, daß der Bestand der Gesellschaft in Folge außerordentlichen Mehrbedarfs an Geldmitteln gefährdet sei, und die in diesem Sinne umlaufenden Gerüchte gewannen nach und nach eine derartige Konsistenz, daß der Bundesrath es für geboten hielt, mit Schi'eiben vom 3/4. Dezember 1875 die Gotthardbahngesellschaft amtlich zur Berichtgabe über ihre finanziellen Verhältnisse einzuladen. a Und die Botschaft fügt bei: ,,Dieser Bericht enthüllte eine Sachlage der allerbedenklichsten Art. "· Es war dies eben seit langem für Niemand mehr ein Ge heimniß.

Doch wir wollen hier nicht Geschichte darüber schreiben, da uns dies zu weit über unsere Schranken hinaus führen würde. Ihre

367

Erinnerungen, meine Herren, sind diesfalls noch lebhaft, und sollte es nöthig sein, sie aufzufrischen, so brauchen Sie nur die Aktenstüke jener Epoche nachzuschlagen; sie sind in Ihren Händen.

Diese Dokumente und Ihre Erinnerungen werden Ihnen gestatten, jedem seine Stelle bei der Verantwortlichkeitszumessung anzuweisen.

Indem wir diese Yergangenheit in großen Zügen in Erinnerung riefen, wollten wir nur daraus eine Lehre für die Zukunft schöpfen.

Durch Erfahrung gewizigt, werden wir uns vor einem unbesonnenen Vertrauen und vor unbekannten Verpflichtungen hüten, wie es den Vertretern eines Volkes geziemt, welches stets die Umsicht in seinen Berathungen und die Sorge für die Zukunft ü b e r den Ruhmesschimmer gestellt hat.

Wir gedenken in diesem Berichte die folgenden Punkte einer gedrängten Prüfung zu unterwerfen : 1. Ist die Eidgenossenschaft durch internationale Verpflichtungen gebunden, welche sie nöthigen, an der Vollendung der Gotthardlinie sich selbst zu betheiligen ?

2. Ist es im Einklänge mit unsern Antecedentien und mit der gebotenen Vorsicht, den Art. 23 der Bundesverfassung auch auf Eisenbahn Unternehmungen anzuwenden und die eidgenössischen Finanzen in dieselben hineinzuziehen?

3. Muß die Finanzrekonstruktion des Unternehmens nicht von den betheiligen Kantonen statt von der Eidgenossenschaft aus bewerkstelligt werden?

4. Ist dieselbe nicht auf dem Wege eines den Aktionären und Obligationären aufzuerlegenden Opfers zu suchen?

5. Warum hat man die Gotthardgesellschaft nicht dem gemeinen Gcseze unterworfen, welches auf die Ligne d'Italie, die Bern-Luzern-Bahn, die Nationalbahn angewendet wurde, d. h. dein Konkurs?

6. Werden die durch die Luzerner Konferenz vorgenommenen Abänderungen an der Gotthardbahn derselben nicht den Werth einer großen Transitlinie benehmen, und verlezen sie nicht schweizerische politische Interessen, besonders durch die Weglassung der Monte Cenere-Bahn ?

7. Hat man die Gewißheit, daß die verlangte Subvention zur Vollendung der Arbeit genügen wird ? oder ist es nicht vielmehr sehr wahrscheinlich, daß neue, unabsehbare Opfer dem Bunde noch werden zugemuthet werden, sei es zur Vollendung der Bahn, sei es zur Offenhaltung derselben für den Betrieb ?

368 8! Endlich und was speziell den Vertrag vom 12. März 1878 betrifft. -- legt derselbe der Eidgenossenschaft nicht Verpflichtungen gegenüber Deutschland und -Italien auf, welche für unser Land sehr onerös werden könnten?

Nach diesem Programm werden wir-in gedrängter Weise die o O ~ betreffenden Fragen prüfen, indem wir es Korn potenteren überlassen , dieselben vor dem Rathe des Weitern zu erörtern und die Luken unseres Berichtes auszufüllen.

I.

Die erste Frage, die sich den Landesvertretern aufdrängen muß, ist diese: Hat die schweizerische Eidgenossenschaft durch den Vertrag von 1869 die Verpflichtung übernommen, an der Vollendung der Linie mitzuwirken für den Fall, wo dies der Gesellschaft mit ihren eigenen Mitteln nicht möglich wäre ?

Es scheinen in der lezten Zeit Einige geneigt gewesen zu sein, dies zu bejahen, oder vielmehr anzudeuten. Da dies aber geschehen sein kann, um die Berathungen der Räthe zu beeinflussen, so lassen wir ihre Behauptungen bei Seite und suchen unsern Führer vielmehr in dem Protokolle der internationalen Konferenzen, aus denen der Vertrag von 1869 hervorging, und in den Commentaren, welche darüber im Jahr 1870 vor der BundesversammlungO von Seite der diesfalls maßgebendsten Persönlichkeiten & gegeben wurden.

· Während der Konferenzen von 1869 hat die politische Sektion folgenden Antrag gestellt: ,,Im Falle eine Gesellschaft die Ausführung oder den Betrieb der Linie nicht mehr fortseien könnte und die Eidgenossenschaft die Sache nicht übernehmen wollte, wird sich der Bundesratfa rechtzeitigO an die Vertragsstaaten wenden .i um sich mit ~ , ihnen über die Fortsezungo des Baues oder des Betriebes zu verständigen.tt Dieser ìser Antrag Antrag wurde in folgender Weise motivirt: f

J>,,Zum Schlüsse muß Ihnen die Sektion noch einen Fall unterbreiten, der allerdings sehr unwahrscheinlich ist, den mau aber der Vorsicht wegen nicht mit Stillschweigen übergehen darf.

Es kann in der That die Möglichkeit eintreten, daß eine Gesellschaft nicht mehr im Stande ist, den Bau oder den Betrieb einer Eisenbahn fortzusezen. Wenn es so kommen sollte, so würde die Bildung einer neuen Gesellschaft ohne Zweifel un-

369 schwer sein und die Eidgenossenschaft hätte das nächste Interesse an der Bildung einer solchen. Aber unser Antrag geht auf dem Felde der Vermuthungen noch weiter: er sieht auch jenen Fall voraus, wo keine Gesellschaft den Bau oder den Betrieb fortsezen könnte und wo die Eidgenossenschaft denselben ebenfalls nicht übernehmen wollte. Sollte sich die Lage der Dinge in dieser Weise gestalten , so läge gewissermaßen ein Fall höherer Gewalt vor und die Vertragsstaaten müßten sich über neue Maßregeln verständigen.a Wie man sieht, hatte die politische Sektion geglaubt, die Eventualität der Unzulänglichkeit der Gesellschaftsmittel erwähnen zu sollen. Sie umgibt diese Hypothese mit oratorischen Cautelen ; sie erklärt dieselbe für unwahrscheinlich; sie scheint sich über ihre Aeußerung selbst zu entschuldigen; aber immerhin formulirt sie diese Annahme. Dabei sezt sie, beiläufig gesagt, keineswegs den Fall voraus, daß man die Gesellschaft um jeden Preis retten werde; nur die Bahn selbst will sie retten , und spricht daher von der Bildung einer neuen Gesellschaft für den Fall, wo die alte nicht mehr im Stande wäre, die Bahn zu bauen oder zu betreiben.

Sagt nun die politische Sektion, nach Aufstellung dieser Hypothese, etwa : die Eidgenossenschaft werde für den Bau oder Betrieb der Bahn sorgen müssen? oder sie sei wenigstens zur Mitwirkung hiezu verpflichtet? Nein; sie sagt, die Vertragsstaaten werden sich mit einander zu verständigen haben.

Die Freiheit dieser Staaten ist also vorbehalten.

Noch mehr. Der Antrag der politischen Sektion wurde als unnöthig abgelehnt. Es sagt diesfalls das Protokoll: ,,Endlich beschließt die Konferenz, auf den Antrag der badischcn Abordnung, dem leztern Vorsehlage der Sektion nicht beizutreten, weil es ihr überflüssig scheine, schon jezt den Fall vorauszusehen, wo eine Gesellschaft den Bau oder den Betrieb der Bahn nicht mehr fortsezen könnte und auch die Eidgenossenschaft denselben nicht übernehmen wollte.'1 Diese Erklärungen enthalten offenbar keinerlei Verpflichtung zu Lasten der Eidgenossenschaft; im Gegentheil scheinen sie jeden Gedanken daran auszuschließen.

Als jedoch der Vertrag in der Bundesversammlung vorgelegt wurde, äußerten einige Abgeordnete Besorgnisse in dieser Richtung.

Herr R o g u i n , Berichterstatter der Minderheit im Ständerathe, sagte, unter Anführung der oben erwähnten Akten: ^Dieser Um-

370

stand ist bezeichnend : er kann verschieden ausgelegt werden. Die Einen können daraus den Schluß ziehen, daß die Eidgenossenschaft, durch die in den Art. l und 5 übernommenen Verpflichtungen, die Verantwortlichkeit für die vollständige Ausführung der Arbeiten der Bahn und ihre Inbetriebsezung auf sich geladen habe, selbst wenn die Gesellschaft mit ihren Geldmitteln oder ihrem Kredite zu Ende wäre. Die Andern dagegen sagen, die Eidgenossenschaft habe keinerlei finanzielle Verpflichtung übernommen, außer ihrer Zusage einer Subvention von 20 Millionen, und sie könne daher für die Lage der konzessionirten Gesellschaft nicht haftbar sein. Aus dieser Unentschiedenheit muß man, fügte der Berichterstatter der Minderheit bei, herauskommen und dasjenige klar proklamiren, was der Wille des Bundesrathes selbst zu sein scheint ...."· Daraufhin stellte die Minderheit diejenige Erwägung welche wir weiter oben berührt haben.

auf>

Herr Landammann A e p l i drükte den gleichen Wunsch aus : r/ Nun haben Sie aber, sagte er, auch aus der Botschaft selbst ersehen, daß der Bundcsrath, so scheint es mir wenigstens, der Meinung ist, auch für die Zukunft von diesen Prinzipien nicht abzugehen und daß, wenn neue Gelder, neue Subsidien nöthig sein sollten, sei es um den Bau auszuführen, sei es um den Betrieb fortzusezen, eine Verständigung mit denjenigen Staaten und Kantonen einzutreten hätte, welche bisher als die finanziellen Träger des Unternehmens dastanden. Nun wäre es eine außerordentliche Beruhigung, wenn man den Entschluß fassen könnte, das bei Gelegenheit der Annahme der Verträge mit runden und dürren Worten auszusprechen, sich zu einem Prinzip zu bekennen, von dem ja alle Welt behauptet, sie sei damit einverstanden, und von vornherein die Besorgniß abzuschneiden, daß man für den Fall, daß die Mittel unzureichend sein sollten, sich in die Lage bringen ließe, die ganze Geschichte dem Bunde aufzubürden." 1

Im Nationalrathe gleiche Präoccupationen, gleiche Begehren.

,,Warum also, sagte Herr P e r r i n , indem er von der Eventualität sprach, wo man die Eidgenossenschaft zu Opfern herbeiziehen wollte, -- warum also diesen Punkt nicht jezt regeln und sofort die besorgten Bevölkerungen beruhigen, indem man einfach die Wahrheit sagt, d. h. daß wohl verstanden der Schweiz keine finanzielle Verantwortlichkeit zufallen soll für den Fall der Einstellung der Arbeiten seitens der konzessionirten Gesellschaft ? Der Bundesrath behauptet, es verstehe sich dies von selbst, man sei allseitig darüber einverstanden. Ein Grund mehr, diesen Vorbehalt in den Vertrag aufzunehmen, da er Niemand stoßen kann."

371

Die Anhänger des Vertrags gaben sich Mühe, diese Besorgnisse zu zerstreuen, indem sie durch die feierlichsten und bestimmtesten Erklärungen versicherten, die Eidgenossenschaft habe für die Zukunft und für alle Eventualitäten freie Hand behalten.

Zunächst läßt sich Herr K a p p e l e r, der im Ständerathe den Bericht der Kommissionsmehrheit vortrug, dahin vernehmen : ,,Der Vertrag geht, wie wir schon oben aus § l und 18 desselben gezeigt haben, durchaus nicht von der Anschauung aus, daß einzelne Staaten der S c h w e i z Hülfsgelder geben, wogegen s i e , die S c h w e i z , verpflichtet sei, die Gotthardbahn selbst z u b a u e n , z u v o l l e n d e n u n d z u b e t r e i b e n . Vielmehr geben alle Staaten einer B a u g e s e l l s c h a f t Subsidien, damit d i e s e baue und später betreibe. Der Schweiz ist nur die Aufgabe anvertraut, die Güte des Baues und die Verwendung der Gelder zu diesem Zwek zu überwachen und zu sichern. Dies die Vertragsgrundlage, aus welcher klar zu folgern ist, daß kein subventionirender Staat, die Schweiz so wenig als die andern, sei es primitive, sei es subsidiäre Baupflichten übernommen hat."

Das ist nun wohl klar. Und doch, als ob dieß noch nicht präzis genug wäre, kommt der Berichterstatter auf dieses Thema zurük, um noch ein zweites Mal zu versichern, daß die Schweiz für den Fall des Stekenbleibens der Gesellschaft keinerlei Verpflichtung übernommen habe. Wir lassen hier eine Stelle desselben folgen, welche angesichts des nachherigen Verlaufes der Dinge sieh wie bittere Ironie ausnimmt: ,,Die Unsicherheit der Kostenberechnung ist dabei nicht so groß, als man sich im Schreken vormalen mochte. Die Erfahrungen beim Brenner und Mont Cenis geben hiefür eine ziemlich feste Grundlage. Staaten und Gesellschaften haben durch die im Eisenbahn bau experimentirtesten Techniker diese Frage für den Gotthard mit ungewöhnlicher Sorgfalt und Einläßlichkeit studirt.

Endlich muß die Sache so stehen, daß dann auch die Obligationäre, die den nächsten Anspruch an die Route haben, nicht Aktionäre werden wollen, überhaupt daß nicht nur Nordost- und Centralbahn ihr Kind und ihr Geld preisgeben, sondern überhaupt keine Gesellschaft mehr zu finden ist, die an ein Werk, an dem schon 187 Millionen Franken verbaut sind, welche Millionen dann in der Rendite wohl des eingetretenen
Fallimentszustandes natürlich zurükstehen müßten, mehr Geld wagen will ! Gestehe man, die Phantasie spielt da stark mit und man dürfte es fröhlich darauf ankommen lassen und annehmen, daß der Casus sich nicht präsentiren wird.

372

,,Sollte er. aber, aller menschlichen Berechnung zum Troz, sich doch präsentiren, so behaupten wir mit dem Bundesrath, die Schweiz ist zu nichts Weiterem durch den V e r t r a g engagirt.

Es folgt dann ein näherer Nachweis des Berichterstatters.

Herr B r u n n e r , Berichterstatter der Mehrheit der Kommission des Nationalraths führt den gleichen Nachweis und konkludirt wie sein ständeräthlicher Kollege dahin : ,,Sie sehen also, abgesehen davon, daß im Vertrage kein Wort von einer Verpflichtung sich findet, daß die Eidgenossenschaft den Bau zu vollenden habe, wenn die Subventionen verbaut sind und das Aktien- und Obligationenkapital darauf verwendet ist, -- hat mau sich klar und bündig in der Konferenzverhandlung dahin ausgesprochen , daß die schweizerische Eidgenossenschaft keine Spur von einer Verpflichtung habe."

Herr W e l t i , damals Bandespräsident, gab nicht minder positive Versicherungen als die beiden Berichterstatter. Es wird gut sein, hier an die betreffenden , aus so kompetentem Munde hergeflossenen Worte zu erinnern. Es drükte sich also der Vertreter des Bundesrathes folgendermaßen aus: ,,Es ist auch die Frage aufgetaucht, was geschehen sollte, wenn die Schweiz allfällig nicht mehr im Stande wäre, den Bau oder Betrieb der Gotthardbahn fortzuführen. Nach meiner Ansicht ist diese Frage unrichtig gestellt, denn die Schweiz baut und betreibt die Gotthardbahn nicht, und hat sich also durchaus nicht darum zu bekümmern, was geschehen werde, wenn jene Eventualität eintreten sollte; denn es steht fest, daß in dem Vertrage die Verpflichtung des Baues und Betriebes nicht der Schweiz, sondern einer Gesellschaft auferlegt wird."

Und weiterhin fügt Herr Welti noch bei: ,,Somit liegt es auf der Hand, daß wenn überhaupt jene Annahme möglich wäre, die s ä m m t l i c h e n kontrahirenden Staaten von diesem Falle zu sprechen die allererste Veranlaßung gehabt hätten. Dieser Fall wurde nun in Wirklichkeit besprochen und zwar in den Verhandlungen der sogenannten politischen Kommission, welche aus den diplomatischen Vertretern der betreffenden Staaten zusammengesezt war.

Dies wurde schon zehnmal gesagt und hundertmal geschrieben, und der Herr Berichterstatter hat in seinem vortrefflichen Rapporte es uns gestern schlagend auseinandergesezt. Gleichwohl, muß ich, da ich Augen- und Ohrenzeuge war, es nochmals Ihnen mittheilen. Es steht schwarz auf weiß geschrieben, daß sämmtliche diplomatische Vertreter im Einverständniß

373

erklärten, es liege im Falle, daß der Bau und Betrieb nicht weiter geführt werden könnte, für Niemanden eine Verpflichtung vor.a Diese so autorisirten Versicherungen entheben uns, die zahlreichen anderweitigen anzuführen. Indeß können wir Wunsche nicht widerstehen, hier auch dem Präsidenten der hardgesellschaft, Hrn. A. E s c h e r , eine Stelle einzuräumen.

ihm war daran gelegen, zu bezeugen, daß der Vertrag von der Schweiz volle Freiheit belasse:

auch dem GottAuch 1869

,,Ich behaupte nun aber ferner, sagt derselbe, daß man nicht deutlicher als durch diese Redaktion anerkennen konnte, daß man die Schweiz nicht als verpflichtet erachte, in einem solchen Falle das Werk zu Ende zu führen. Wenn man sagt, falls die Schweiz nicht die Fortführung des Werkes an die Hand nehmen will, so werden die kontrahirenden Staaten avisiren, so ist damit, wie ich denke, aufs Deutlichste erklärt, daß die Schweiz zur Fortführung des Werkes nicht verpflichtet ist, sondern daß es vielmehr ihrer freien Entschließung anheimgegeben bleibt, ob sie die Durchführung des Baues der Gotthardbabn übernehmen wolle oder nicht.tt Was läßt sich so klaren und sichern Behauptungen noch weiter beifügen? Nichts. Es wurden denn auch wirklich die Besorgnisse eines Theiles der Versammlung zerstreut; die von der Minderheit beantragte Erwägung wurde als überflüssig abgelehnt, und selbst diejenigen, welche dieselbe vorgeschlagen und unterstüzt hatten, fühlten sich entwaffnet und stimmten schließlich für Genehmigung des Vertrags. Nur wenige Abgeordnete, deren Mißtrauen damals als eine Verstoktheit erschien, beharrten auf der Weigerung, ihre Stimmen dem allgemeinen Enthusiasmus anzuschließen. Sie erblikten bereits am Horizonte die Bundessubvention.

Das Vorgebrachte scheint uns hinlänglich festzustellen, daß die Bundesversammlung auch heute noch in ihren Berathungen eben so frei ist, als sie es vor dem Vertrage von 1869 war. Wir können also ohne Hintergedanken die wahren Interessen des Landes zu Rathe ziehen und uns von jeder andern Präoccupation frei machen.

Wir werden im Laufe dieses Berichtes zu untersuchen haben , ob der Vertrag vom 12. März 1878 uns nicht besorgnißerregende Verpflichtungen für die Zukunft auferlegt ; hier wollen wir nur konstatiren, daß bei demjenigen vom Jahr 1869 dieses nicht der Fall ist.

Wir haben uns vielleicht zu lange bei der Bekämpfung der im Ja.hre 1870 so genannten Phantome aufgehalten. Indeß schien es uns nicht unnöthig zu sein, gleich im Anfange der Debatten die vollständige Freiheit unserer Berathungen zu betonen, da von ver-

374

schiedenen Seiten verlauten wollte, offenbar um die Schüchternen damit zu schreken : die Schweiz sei gebunden und wir seien weder rechtlich noch moralisch frei, die Gesellschaft ihrem Schiksale zu überlassen. Das diesfails in Erinnerung Gebrachte beruhigt uns aber. Wir können also mit aller Gemüthsruhe uns fragen, ob die Bundesverfassung, unsere Antecedentien und das Interesse der Schweiz uns gestatten, den Weg einzuschlagen, der sich vor uns öffnet, nämlich die Subventionirun einer Eisenbahnunternehmung von Seite der Eidgenossenschaft.

II.

Der Art. 23 der Bundesverfassung, welcher den Art. 21 der 1848er Verfassung reproduzirt, sagt: ,,Dem Bunde steht das Recht zu , im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines großen Theiles derselben, auf Kosten der Eidgenossenschaft öffentliche Werke zu errichten oder die Errichtung derselben zu unterstüzen."

Allerdings schließt der Wortlaut dieser Bestimmung nicht positiv den Gedanken einer Eisenbahnsubventionirung aus. Es ist jedoch zu bemerken, daß der Ausdruk ,, ö f f e n t l i c h e Werke" auf Unternehmungen, welche der P r i v a t industrie konzedirt werden, nicht anwendbar erscheint.

Ebenso ist zu bemerken, daß wenn man in der Diskussion vom Jahr 1848 anläßlich des alten Art. 21 von Straßen gesprochen, man dabei die Eisenbahnen nicht erwähnt hat.

Aber -- und dieß ist wichtiger, als die Diskussion eines Textes, den Jeder zu Gunsten der eigenen Meinung anrufen kann -- es läßt sich behaupten, daß bisher dem Art. 23 niemals eine solche Auslegung gegeben wurde, welche gestatten würde, denselben auch auf Eisenbahnunternehmungen anzuwenden; es bestand diesfails wie ein allgemeines Einverständniss, ihm einen ganz andern Sinn anzuweisen.

Der Art. 23 wurde zur Anwendung gebracht zum Schuze von überschwemmungsbedrohten Gegenden, für Entsumpfungen, für Erstellung strategischer Straßen. Im leztern Falle erfüllt die Eidgenossenschaft nur die erste der ihr obliegenden Pflichten, diejenige, über die Verteidigung ihres Gebietes zu wachen; in den andern Fällen repräsentirt sie den Geist bundesbrüderlichen Beistandes zu Gunsten von Gegenden, welche von der Plage der Ueberschwemmungen bedroht sind.

375

Handelt es sich dagegen um materielle Interessen dieses oder jenes Theiles der Eidgenossenschaft, um Werke, bei denen die Verkehrsbedürfnisse, die geschäftlichen Reibungen, bisweilen der Konkurren/.- oder Rivalitätsgeist in's Spiel kommen, dann enthält .sich die Eidgenossenschaft; sie sieht dem Interessenkampf neutral zu und bleibt ihm gegenüber in der Stellung eines im betheiligten und unparteiischen Richters.

Heute macht man nun aber den Versuch, sie von dieser hohen Stellung heruntersteigen zu lassen und ihre Hand und ihr Geld in eine Eisenbahnunternehmung zu engagiren. Diese Thatsache ist neu ; sie ist ernst; sie bricht mit der Tradition. Unsere Pflicht ist es, uns hier einen Augenblik aufzuhalten, um noch einen Blik auf die nun verleugnete Vergangenheit zu werfen und die am Horizont emporsteigende neue Theorie ins Auge zu fassen.

Als das Eisenbahngesez vom Jahr 1852 ausgearbeitet wurde, beantragte der Bundesrath den Bau von Eisenbahnen durch den Bund. Allerdings hatte man damals nur ein' sehr beschränktes Eiseribahnnez im Auge, indem damals Niemand voraussah , was wir heute vor uns haben. Die Bundesversammlung theilte jedoch die Auffassung des Bundesrathes nicht; sie lehnte den Entwurf desselben ab und substituirte ihm jenes Gesez, dessen Art. l besagte : ,,Der Bau und. Betrieb von Eisenbahnen im Gebiete der Eidgenossenschaft bleibt den Kantonen, beziehungsweise der Privatthätigkeit überlassen."· Der Artikel der Bundesverfassung, welcher von Bundesbeiträgen spricht, existirte damals wie heute. Es hatte der Bundesrath eben im Namen dieses Artikels den Antrag auf eidgenössischen Eisenbahnbau gestellt und ebenso erfolgte angesichts dieses Artikels und unter einer Auslegung desselben, wie sie dem Lnndeswohle am meisten entspricht, von Seite der Bundesversammlung die Antwort: Nein, die Eisenbahnen bleiben Sache der Kantone und der Privatindustrie.

Es ist von Interesse, heute den Bericht der Kommissionsfraktion des Nationalraths nachzulesen, deren Entwurf den Sieg davon trug und zu dem 1852er Geseze erhoben wurde. Man sieht daraus, daß die Bundesbeiträge vorausgesehen und schon damals bekämpft ·wurden. Es heißt also dort : ,,Gegen die Betheiligung des Bundes mittelst Uebernahme einer gewissen Anzahl von Aktien sprechen vor Allem die Verlegenheiten , in welche die eidgenössischen Behörden geriethen,

376

wenn es sich um die Ausmittlung des Maßes dieser Betheiligung auf die einzelnen Bahnen, und um immer wiederkehrende gleiche Begünstigungen bei rechts und links auftauchenden neuen Eisenbahnunternehmungen handeln würde. Ein schlagendes Beispiel, wohin solche Unterstüzungen, einmal angefangen, in einem Bandesstaat führen, bieten die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Kaum hatte sich hier die Unionsregierung in einem Fall verleiten lassen, das. Eisenbahnwesen im Staate Illiuois durch Abtretung von Staatsland zu unterstüzen, so lag bald nachher eine Unzahl Gesuche um ähnliche Unterstüzung aus andern Staaten auf dem Kongreßtisch in Philadelphia, welche der Union Schwierigkeiten bereiteten."

Der Bericht spricht dann auch von eigentlichen Subventionen, und gelangt auch hier zu dem Rathe, sich derselben zu enthalten.

Seither ist man von dieser Richtschnur niemals abgewichen.

Selbst im. Jahr 1'870, wo die Eidgenossenschaft zum ersten Male sich von der hohen Rolle entfernte, die das Gesez von 1852 ihr anwies, hielt man darauf, mehrseitig zu versichern, daß niemals von eidgenössischen Subventionen für eine Eisenbahn die Rede sein werde.

Allerdings kosteten diese Erklärungen wenig; das Vertrauen, das man damals in Voranschläge sezte, über deren Unrichtigkeit seither Europa erstaunte, ließ für den Gotthard nicht den Tag der Nöth voraussehen. Indem man durch positive Erklärungen die Bundeskasse den Eisenbahnen verschloß, konnte man dabei möglicherweise andere Al penü bergänge im Auge haben, die man für zu schwach ansah, um ohne Bundesbeihülfe lebensfähig zu sein.

Gleichwohl sind diese Erklärungen feierlich. Die Botschaft des Bundesrathes vom 30. Juni 1870 erklärt, derselbe gehe von d e m Grundsaze aus, d a ß d e r B u n d i n k e i n e m F a l l e sich f i n a n z i e l l am G o t t h a r d u n t e r n e h m e n bet h e i l i g e n solle.

Der Berichterstatter der Mehrheit der ständeräthlichen Kommission, Herr K a p p e l er, dessen Ansicht bereits angeführt wurde, sagt: ,,Die Eidgenossenschaft hätte bundesrechtlich das formelle Recht, für ein solches Unternehmen ökonomische Verpflichtungen einzugehen, der Wortlaut des § 21 der Bundesverfassung läßt hierin keinem Zweifel Raum. Aber gleich dem Bundesrath hält die Kommission mit Rüksicht auf unsere bundesstaatlichen Verhältnisse und mit Rüksicht auf die g r o ß e T r a g w e i t e der hiermit hervorgerufenen Konsequenzen fest an dem Saze, daß der Bund nicht selbst ökonomisch sich betheiligen soll.

Und diesen Grundsaz, wie ihn damals dur Bundesrath und die Kommission nannte, verleugnet mau heute, auf die Gefahr hin, in die Einigkeit und in unsere Finanzen Störung zu bringen, und warum ? um einer Gesollschaft zu Hülfe zu kommen, welche ihre Voranschläge schlecht berechnete.

Wir unserseits halten an diesem Grundsaze fest. Unsere Ansicht ist, daß man von demselben nicht abgehen darf. Es wäre dieß mit wirklichen Gefahren verbunden, von denen wir nur z\vei anführen wollen: Die erste besteht darin, daß dadurch die Eidgenossenschaft aus ihrer Unparteilichkeit heraustreten würde. In dem Kampfe zwischen den ökonomischen Interessen, bei denen die Eisenbahnen einen Hauptfaktor bilden, wird jeder Landeslheil natürlicherweise dahin geführt, für das eigene Haus zu kämpfen, und bisweilen geschieht dieß mit jener Hize, wie sie den Konflikten materieller Interessen eigen ist. Es ist daher nothwendig, daß in der Eidgenossenschaft ü b e r diesen Wettkämpfen eine unbetheiligte, neutrale Behörde bestehe, deren Unparteilichkeit den Argwohn von ihr fernhält, und welche die Gesellschaften wie Jedermann anhält, die Geseze und die Konzessionen zu beobachten und innerhalb der Schranken ihres Rechtes zu bleiben.

Kann nun die Eidgenossenschaft ihr Geld in ein Unternehmen steken und dabei neutral bleiben? Neutral und unparteiisch selbst gegenüber solchen Unternehmungen, welche dem Gegenstande ihrer Vergünstigungen direkte Konkurrenz macheu? Niemand wird dieß glauben, und alle Erklärungen vom Gegentheile, sowie selbst der beste Wille, werden sich an der Macht der Dinge brechen.

Glaubt man , im Osten und Westen der Schweiz habe man.

mit Vergnügen im Jahre 1869 den He.rrn Bundespräsidenten seine Befriedigung darüber äußern gehört, daß die Mächte sich endlich über die Wahl d e s Alpenpasses ve^tändig-t hätten, welcher sie über die Schweiz hinwesO mit einander verbinden sollte.i -- da doch diese Bevorzugung des einen Alpenpasses den Umsturz der an einen andern geknüpften Hoffnung bedeutete? Wie wird es erst werden, wenn die Finanzen der Eidgenossenschaft für eine Eisenbahnlinie kompromittirt sein werden? Kann man dann noch annehmen, daß die Träger der Macht und der Hülfsmittel der Eidgenossenschaft die O ~ Erstellung einer andern Linie gern sehen werden, welche der von ihnen gewählten Konkurrenz machen würde und daher
Vergünstigungen für sie als übel angebracht erscheinen ließe?

Das Betreten der Bahn eidgenössischer Subventionirung von Eisenbahnen bietet sodann noch eine andere, wo möglich noch

378

größere Gefahr, welche keine Phrase wird beschwören können.

Einmal in diese Bahn eingelenkt, wird man nicht mehr stillestehen können. Der Rükkauf der Eisenbahnen und der Staatsbau sind es, wozu es schließlich käme. Wollte man aber liiez u greifen, so müßte man damit beginnen, die erforderlichen Kapitalien von langer Hand zusammenzubringen, und nicht die eidgenössischen Finanzen durch Subsidien zu erschöpfen.

Die Zahl der verschuldeten Eisenbahnen ist in der Schweiz beträchtlich. Man hat berechnet, daß ihr mittlerer Ertrag nur Fr. 7400 per Kilometer ist, während er Fr. 17,300 sein sollte.

Dieß ergibt einen jährlichen Manco von mehr als 20 Millionen Franken. Ist es angesichts solcher schreiender Bedürfnisse klug, die eidgenössische Kasse zu öffnen ?

Man gewähre dem Gotthard eine Subsidie, und nach wenigen Jahren wird eine Fluth ähnlicher Begehren den Bund bestürmen.

Da man heute sich auf einige Flußkorrektionen beruft, um die eidgenössische Einmischung in die Gotthardangelegenheit zu rechtfertigen, wie wird das erst kommen, wenn einmal ein Vorgang für eine Eisenbahn geschaffen sein wird? Bereits in diesem Augenblike muß man, um dem beantragten Schritte einige Anhänger zuzuwenden und um ein Zeugniß der Unparteilichkeit zu geben, auch andern Alpenpässen Subventionen versprechen, und später werden noch andere folgen. Bald wird jede Gegend ihren Theil wollen; die Zahl der Aspiranten wird mit der unbeschränkten Entwikelung der Bedürfnisse anwachsen, und während die eidgenössischen Finanzen bei dieser allzu schweren Aufgabe sich erschöpfen, wird der Bund nur die Zahl der Unzufriedenen zunehmen sehen angesichts der Unmöglichkeit, allen Begehren zu entsprechen.

Wir bitten Sie, meine Herren, diese Perspektive mit aller der Reiflichkeit zu prüfen, die sie erheischt. Wenn wir sie nicht übertrieben haben, so werden Sie, »igen die gegenwärtigen Schwierigkeiten noch so groß sein, Anstand nehmen, unser Vaterland in dieser RichtungO zu engagiren.

Sie werden nicht leichten Herzens O a -- -- die sichere und friedliche Situation, in der wir uns befinden, gegen eine Zukunft voll Mißrechnungen und Gefahren vertauschen wollen.

Kaum befestigen sich unsere neuen Institutionen, so erregen bereits die finanziellen Opfer, die sie von uns erheischen, Gemurre.

Man hat bereits aus Allem Geld herausschlagen müssen, mit
der Post, mit dem Telegraphen, mit Erhöhung der Militärtaxe, des Zolltarifs.

Das Volk, welches diese Fiskalität, an welche die frühern glüklichen Tage dasselbe nicht gewöhnt haben, mit dem Auge verfolgt, äußert seine Unzufriedenheit durch die Art, wie es unsere Geseze auf-

379 nimmt,. Was wird erst werden, wenn einmal die Bedürfnisse der Bundeskasse um alle unsere Eisenbahnmiseren vermehrt sein werden?

Wollen Sie dieß wohl bedenken, meine Herren, und einhalten, bevor der erste Schritt auf einer unheilvollen Bahn gethan ist.

Diese Gründe veranlaßen uns, Ihnen den Antrag zu stellen, grundsäzlich jede Bundessubvention für irgend eine Eisenbahn abzulehnen und diese Last vielmehr den direkte dabei betheiligten Kantonen und Gesellschaften zu überlassen.

III.

Wenn wir nun diese allgemeinen Betrachtungen verlassen, um die besondern Verumständungen des Gotthardunternehmens zu prüfen, so stehen wir nicht an, die Behauptung aufzustellen, daß wenn demselben eine Subvention verschafft werden muß, dieselbe durch die betheiligten Kantone und nicht durch die Eidgenossenschaft zu leisten ist.

Es ist dieß ein Punkt, über den noch vor kaum einem Jahre Alle einig gingen. Herr Bundesrath Heer, damals Bundespräsident, eröffnete die Konferenz der Kantone am 27. Juli 1877 mit der Bemerkung : ,, Die Sache kann nicht untergehen, wenn a l l s e i t i g das aufrichtige und ernste Bestreben obwaltet, sie nicht untergehen zu lassen. " Als sodann die Diskussion gezeigt hatte, daß die meisten Abgeordneten gekommen waren, um ihre kantonalen Interessen zu verfechten, viel eher, als um an dem gemeinsamen Werke, mitzuwirken, so daß sie im Begriffe waren, un verrichteter Dinge a.useinanderzugehen, rief Herr Bundesrath S c h e n k ihnen mit folgenden Worten ihre Stellung ins G-edächtniß: ,,Ich glaube nicht, sagte er, daß die Kantone sich trennen werden und daß sie sich so leicht trennen können von der Gotthardvereinigung, welche den Bund veranlaßt hat, die beiden andern Staaten zu dem Vertrage zu vermögen ; welche das Projekt vorlegte, dessen Fehler die Veranlaßung zu der jezigen schlimmen Lage der Gotthardbahn sind."

Aus dieser Zusammenkunft ging bekanntlich der Beschluß hervor, eine Kommission damit zu beauftragen, den Gesammtbetrag von acht Millionen, den man von der schweizerischen Gruppe verlangte, unter die betreffenden Kantone und Gesellschaften zu vertheilen. Niemand hatte damals daran gedacht, diese Summe oder einen Theil derselben vom Bunde zu fordern. Erst im Schooße der Kommission tauchte die Idee auf, zunächst unbestimmt, schüchtern; mit Besorgniß aufgenommen, wurde sie sofort auch wieder von der Kommission selbst verworfen.

Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. III.

28

380

Es ist von Interesse, hier die betreffende Stelle des Kommissionsberichtes in Erinnerung zu rufen, denn sie enthält den Keim des Projektes, das gegenwärtig unser Land spaltet.

Sie lautet : r Angesichts dieser Erwägungen ist in der Kommission die Ansicht ausgesprochen worden, es sollte der B u n d in Mitleidenschaft gezogen und um die Uebernahme eines, " w e n n a u c h n u r m ä ß i g e n A n t h e i l s an der Nachtragssubvention angegangen werden. Es dürfe wohl als zweifellos angesehen werden, daß der Artikel 23 der Bundesverfassung in dieser Hinsicht jedes K o m p e t e n z - Bedenken beseitigen würde und bei der hohen Bedeutung, welche das Zustandekommen des Gotthard-Unternehmens für die Volkswirtschaft des gesammten Landes hat, dürfte sich auch sachlich eine Betheiligung des Bundes wohl rechtfertigen. Allein auf der andern Seite fand man, es sei nicht zu verkennen, daß die Herbeiziehung des Bundes zu einer Subsidie für die Gotthardunternehmung aus Gründen, welche nicht näher erörtert zu werden brauchen, auf sehr große Schwierigkeiten stoßen würde; die Kommission gelangte daher, wenigstens in ihrer Mehrheit, schließlich zu der Ueberzeugung, daß, w o i m m e r m ö g l i c h , die Bedachtnahme auf Bundeshilfe vermieden werden sollte, und daß es in hohem Maße vorzuziehen sei, wenn durch namhafte Anstrengung der bisherigen Glieder der Gotthardgruppe die Frage in gleicher Weise, wie im Jahr 1870, auch dieses Mal wieder gelöst werde."

Der Bundesrath hält eine ganz ähnliche Sprache. Indeß scheint er, wiewohl ungern, sich schneller als die Kommission selbst vor der angeblichen Nothwendigkeit einer Bundessubvention zu beugen.

Ihr Präsident, Herr H e e r , erklärt, daß ihm diese Subvention unerläßlich seheint; aber er konstatirt dies mit Bedauern und beeilt sich, beizufügen, daß es im höchsten Grade wünschbar gewesen wäre, der Eidgenossenschaft diese delikate und schwierige Frage zu ersparen.

Es ist zu bemerken, daß in diesem Augenblike noch Niemand daran dachte, dem Bunde die Gesammtlast der Kantone aufzubürden; im Gegentheil : man versicherte ganz kategorisch, daß das Unternehmen ohne die Mitwirkung der betheiligten Kantone nicht werde zu Stande kommen. Der Herr Bundespräsident fügt, nachdem er einige Vorbehalte zu Gunsten von Tessin und Zug angebracht hat, bei : ,,Allein die andern Kantone haben
durchaus keinen Grund, jede weitere Betheiligung abzulehnen ; sie müssen gern oder ungern noch ein Opfer bringen, um die Vortheile zu erlangen, welche deiBau der Gotthardlinie ihnen verheißt.a

381

Später erklärte dieser nämliche Magistrat noch, das Unternehmen werde nicht zu Stande kommen, wenn nicht a l l e Betheiligten ihre Kräfte vereinigen.

Herr W e 11 i unterstüztc diese Anschauungsweise, indem er die Konferenz mit den Worten schloß : Entweder wird die Gotthardbahn mit Hülfe der Kantone und der Eidgenossenschaft, oder dann gar nicht zu Stande kommen.

Aus dieser zweiten Konferenz ging das zweite Tableau über Répartition der 8 Millionen unter die schweizerischen Mitglieder der Gotthardvereinigung hervor. Dasselbe wird Ihnen durch die Botschaft des Bundesrathes mitgetheilt. In dieser Berathung, an welcher nur die dabei Interessirten Theil nahmen, welche also ein Interesse hatten, eine möglichst geringe Last auf sich selbst zu nehmen und die größte dagegen dem Bunde aufzubürden, anerkannten die Kantone der Gotthardvereinigung gleichwohl, daß sie ihren Theil von den 8 Millionen zu übernehmen hätten. Sie flxirten denselben auf Fr. 3,315,000, den Antheil der Gesellschaften auf Fr. 1,500,000, so daß auf die Eidgenossenschaft noch Fr. 3,185,000 fielen.

Der Bundesrath, wie man gesehen hat geneigt, sich vor der von ihm so genannten Notwendigkeit einer Bundessubvention zu beugen, glaubte jedoch nicht, daß die Ziffer derselben eine so hohe sei ; aber auch hier wieder unterwarf er sich den Anforderungen der Betheiligten, wie sein Kreisschreiben vom 19. Januar 1878 uns lehrt.

Wenn man diesem Kreisschreiben glauben wollte, so war dieß sein leztes Wort.

In diesem an alle Gotthardkantone gerichteten Aktenstüke liest man Folgendes : ,,Nach dem vorstehenden Repartitionstableau würden also die Kantone und Gesellschaften zusammen einen Betrag von Fr. 4,815,000 aufzubringen haben, und die Subsidie, welche beim Bunde nachzusuchen wäre, würde sich auf die Summe von Fr. 3,185,000 belaufen. Obgleich dieser Betrag bereits etwas jenseits der Limite liegt, welche sich der Bundesrath anfänglich vorgenommen hatte, einzuhalten, so will derselbe gleichwohl es auf sich nehmen , der Bundesversammlung unter gewissen , sofort vorzuführenden Bedingungen einen bezüglichen Antrag zu hinterbringen; aber er will auch nicht unterlassen, hinzuzufügen, daß er die Bereitwilligkeit zur Einbringung einer solchen Vorlage ganz bestimmt an die Voraussezung knüpfen muß, daß nun das neu entworfene Vertheilungstableau keiner

382

weitern Aenderung und Schmälerung unterzogen werde. Dasselbe stellt nach der, von der Kommission übrigens getheilten Auffassung des Bundesrathes den lezten und entscheidenden Versuch dar, die durch das Luzerner Protokoll gestellte Aufgabe schweizerischerseits zu lösen. Ein weiteres Markten würde nur zu neuen Zögerungen führen und, da die Zeit des definitiven Entschlusses gekommen ist, so wird sich jeder in dem Vertheilungstableau Benannte die Frage vorzulegen haben, ob er die ihm zugedachte Leistung übernehmen oder aber durch seine Weigerung die ganze Angelegenheit zum Scheitern bringen will.

Wir brauchen nicht besonders darauf aufmerksam zu machen, wie groß daher die Verantwortlichkeit Derer wäre, welche sich zu einer ablehnenden Haltung entschließen würden."

Was ist nun von diesen feierlichen Versicherungen, von diesen männlichen Worten übrig geblieben? -- ,, D i e s e s T a b l e a u w i r d k e i n e A b ä n d e r u n g erleiden. -- Diejenigen, welche es nicht annehmen, werden für den S t u r z d e s U n t e r n e h m e n s v e r a n t w o r t l i c h sein.

-- Die beth eiligten K a n t o n e m ü s s e n gern oder u n g e r n n o c h e i n O p f e r b r i n g e n . -- D e r G o 11 h a r d wird durch die M i t h ü l f e der K a n t o n e und des Bundes zu S t a n d e k o m m e n , oder d a n n gar nicht"? . .

-- Von alledem ist nichts geblieben. Es genügte die Ablehnung von Zürich, um die Kombinationen der Konferenz und die Schlußnahmen des Bundesrathes zu nichte zu machen.

Wir haben nicht die Mission, über die Abstimmung des Zürcher Volks ein Urtheil zu fällen. Ob dasselbe Recht oder Unrecht gehabt, nein zu sagen, unterliegt nicht unserer Würdigung. Wir haben hier nur die Haltung zu diskutiren, welche der Bundesrath nach der Abstimmung von Zürich eingenommen hat.

Ihm stand ein Weg offen : einfach die Abstimmung der Kantone abzuwarten, welche sich noch nicht ausgesprochen hatten (Schwyz, Luzern, Tessin, Bern) ; sodann Vertretungen aller Kantone der Gotthard Vereinigung einzuberufen, mit der Einladung, die geeignet erachteten Maßnahmen zur Beischaffung der von einigen derselben abgelehnten Subventionen zu treffen. Der Bundesrath wäre darauf bedacht gewesen, ihnen in Erinnerung zu bringen, daß das Schiksal der Angelegenheit in ihren Händen sei und daß die Verantwortlichkeit wem Rechtens
zufalle. Dieses so einfache, so natürliche Verfahren schien durch die Umstände geboten zu sein.

Allein der Bundesrath hat dasselbe nicht befolgt.

Wie es scheint angetrieben durch den unbeschränkten Wunsch, die Luzernkonvention, koste es was es wolle, zu retten, kam er

383 auf den Gedanken, den Subventionsantheil, der auf die ablehnenden Kantone fiel, dem Bunde zu überbinden. Einmal auf diesen falschen Weg getreten, konnte er dann nicht halben Wegs stehen bleiben ; so daß er also zu der Zumuthung gelangte, es solle der Bund selbst die Subvention derjenigen Kantone tragen, welche solche übernommen und zugesagt hatten !

Es wird am Plaze sein, bei dieser Schlußnahme, welche ein' excessives Entgegenkommen für die Gotthardgesellschaft verräth, ein wenig zu verweilen.

Man hat, zur Rechtfertigung der verlangten Subvention, vielfach an die für die Juragewässerkorrektion votirten Subsidien erinnert.

Nehmen wir nun an, das bernische Volk hätte bei diesem Unternehmen sich geweigert, seinen Antheil an den Arbeiten zu entrichten. Glaubt man, die Eidgenossenschaft hätte alsdann gesagt: Wohlan, ich werde nicht nur meinen Antheil, sondera auch noch denjenigen von Bern leisten?

Nehmen wir auch an, Waadt oder Freiburg oder Neuenburg hätten ihren Theil abgelehnt. Glaubt man, der Bund hätte dann gesagt: Ich werde, außer meinem Theil, auch denjenigen des ablehnenden Kantons übernehmen, da es nicht gerecht ist, daß der eine Kanton bezahlt und der andere nicht; ich nehme das ganze Unternehmen auf mich und befreie selbst den Kanton Bern, der schon seinen Antheil zugesagt hat' Es ist nicht uothwendig, diese Fragen zu beantworten. Sie stellen, heißt sie beantworten. Wohlan, was man für gar keine andere Unternehmung in Vorschlag gebracht hätte, das verlangt man nun zu Gunsten des Gotthard.

Die Zukunft wird mit Recht über einen Bundesrath staunen, welcher der Bundeskasse Subventionen überbinden will, welche die Kantone selbst zu bezahlen anbieten, und der also Geld zurükweist, das sich ihm darbietet. Wir geben zu, daß es schwierig war, den Antheil der refüsirenden zu übernehmen, ohne denjenigen der bereitwilligen Kautone abzulehnen. Aber es beweist dies eben wieder, daß man auf einen falschen Weg gerathen ist.

Konnten die Kantone der Gotthardvereinigung sich über ein zu hohes Subventionsbetreffniß beklagen? Hier ist zu bemerken, daß sie selbst, durch ihre Kommission, dieses Repartitionsprojekt aufstellten, welches später bei dem Volke von Uri, Zug und Zürich keine Gnade gefunden hat. Da diese Operation in der Familie vorgenommen wurde, so können die Kantone der Union dieselbe nicht beanstanden. Es bleibt daher festgestellt, daß gewisse beim

384

Gotthard betheiligte Kantone sich geweigert haben, den Antheil zu übernehmen, der nach ihrem eigenen Geständniß ihren besonderu Interessen am Gotthard entspricht.

Ist es nun am Bunde, denselben zu bezahlen? Das hieße vergessen, daß es in der Schweiz 22 Kantone gibt.

Zug lehnte die Subvention ab, weil man die Streke Zug-Arth verzögert ; Tessin verschob seine Abstimmung, weil man die Monte Cenere-Linie auf später vertröstet; Luzern ebenso wegen Verzögerung des Baues der Luzern-Immensee- Linie. Bern äußerte eine lebhafte Unzufriedenheit wegen der Hinausschiebung dieses leztern Theilstüks, und Solothurn selbst erklärte aus dem gleichen Grunde, es sei kein Gotthardkanton mehr.

Es gibt also Kantone der Gotthard Vereinigung, welche ihren Antheil beanstanden oder ablehnen, weil man sie nicht sofort mit der großen Verkehrsader verbindet; und man wollte die Subvention dem Bunde überbinden, d. h. entfernten Kantonen, denen der Gotthard weiter von keinem Nuzen ist und von denen einzelne sogar in ihm den Ruin theurer Hoffnungen erbliken!

Wir stehen keinen Augenblik an, zu erklären, daß der Versuch, das den Kantonen der Gotthard-Union zugedachte Subsidienbetreffniß dem Bunde zu überbinden, weder gerecht noch vernünftig ist. Es ist dieß nichts als ein unglüklicher Nothbehelf, aus dem Wunsche hervorgegangen, um jeden Preis aus einer falschen Stellung herauszukommen, in welche gewisse Personen sich unbesonnener Weise hineingestürzt haben.

Wenn man darauf hält, das Protokoll der Luzerner Konferenz auszufuhren, und es daher nothwendig erscheint, in der schweizerischen Gruppe 8 Millionen aufzutreiben, so ist es an den 13 Kantonen der Union und an den zwei Gesellschaften, Nordost- und Centralbahn, sie im ganzen Betrage zu beschaffen, ohne daß der Bund sich daran zu betheiligen hat.

Der Kanton St. Gallen hat seiner Zeit eine Subsidie von 2 Millionen, Graubünden eine solche von 4 Millionen für einen östlichen Alpenpaß dekretirt. Der Kanton Freiburg allein hat 12 Millionen geopfert, um seine Eisenbahn zu erstellen. Genf hat zu gleichem Zweke mehr als 2 Millionen verausgabt. Das waadtländische Eisenbahnnez kostete den Kanton Fr. 9,300,000, und es ist bekannt, daß die Regierung von Waadt dem Großen Rathe eine Subsidie von 4 Millionen für den Simplon beantragt hat. Was die Gesellschaften betrifft, so hat die Suisse Occidentale, zu einer Zeit, als die Nordost- und die Centralbahn noch sozusagen im Wohlstande

385 schwammen, für die Durchbohrung des Simplon eine Subsidie von 5 Millionen zugesagt.

Mögen die Kantone der Union und die zwei dazu gehörigen Eisenbahngesellschaften diesem Beispiele folgen. Es wird ihnen nicht schwer sein, die heute ihnen zugemutheten 8 Millionen zu leisten, und vielleicht werden sie sogar, wenn auch mit mehr Mühe, im Stande sein, noch weitere später etwa nothwendig werdende Millionen herzugeben.

"> Wenn diese Kantone in diesem Augenblik nicht das erforderliche Geld haben ; wenn sie vielleicht davor scheuen, selbst an den öffentlichen Kredit zu appelliren, um dasselbe herbeizuschaffen, mit andern Worten, wenn sie der Entrichtung ihres gebührenden Betreffnisses ein non possumus entgegenhalten, so kommt zu ihrer Erleichterung der Antrag des Hrn. Nationalrath Moïse Vautier, eines Mitgliedes der Kommissionsminderheit, zur Hülfe.

Hr. Vautier, und mit ihm die andern Mitglieder der Minderheit, halten dafür, daß der Bund den Kantonen, deren Hülfsmittel beschränkt sind, beispringen kann, nicht durch Uebernahme ihrer Schuld, was gegenüber den andern Kantonen nicht gerecht wäre, sondern durch Beschaffung, des Mittels einer allmäligen Tilgung derselben.

Es lautet der Antrag des Hrn. Vautier wie folgt : Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft des Bundesrathes vom 25. Juni 1878, betreffend die Gotthardgesellschaft ; nach Einsicht des Luzerner Vertrags vom 12. Juni 1877, demzufolge die Schweiz sich an einer neuen Subvention mit 8 Millionen betheiligen soll; mit Rüksicht auf die Nüzlichkeit der Gotthardbahnunternehmung von dem Wunsche beseelt, die Einzahlung der den Kantonen zur Vollendung derselben überbundenen Summe von Fr. 6,500,000 zu erleichtern ; im Hinblike auf die Gefahren einer direkten Bundessubvention, welche noch weitere nach sich ziehen und die Eidgenossenschaft auf einen sowohl für ihre politische als ihre finanzielle Zukunft unheilvollen Weg hinführen würden ;

386

im Hinblik auf die von einigen Kantonen erfolgte Ablehnung der ihnen nach der Skala des Luzerner Vertrags vom 12. Juni 1877 zutreffenden Subvention, beschließt: Art. 1. Es wird auf den Art. l des bundesräthlichen Beschlußentwurfs vom 25. Juni 1878, welcher die Betheiligung des Bundes an der Gotthardbahnunternehmung mit einer Subvention von Fr. 6,500,000 ausspricht, nicht eingetreten.

Art. 2. Um den Kantonen die Einzahlung der ihnen durch den Luzerner Vertrag vom 12. Juni 1877 auferlegten Beträge zu erleichtern, wird ihnen die schweizerische Eidgenossenschaft die erforderlichen Summen zur vollen Einbezahlung des Betrags von Fr. 6,500,000 anleihensweise vorstreken.

Art. 3. Durch ein Gesez sind die Mittel, durch welche der Bund die Summen sich zu verschaffen hat, die den mit diesfälligen Begehren einlangenden Kantonen vorzuschießen sind, sowie die Bedingungen dieser Darleihen und die Rükzahlungsfristen zu bezeichnen.

(Die Ziffern l, 2, 3 und 4 von Art. I, sowie Art. II werden beibehalten.)

IV.

Wenn eine industrielle Unternehmung infolge Unzulänglichkeit ihrer Hülfsmittel zu Grunde zu gehen im Begriffe ist und zu ihrer Rettung eine finanzielle Kombination aufgesucht wird, so ist der erste sich aufdrängende Gedanke der, den bei der Unternehmung am meisten Betheiligten ein Opfer aufzuerlegen. Es sind dies die Aktionäre.

In solchen Fällen sieht man die Gesellschaften privilegirte Aktien schaffen, welche durch verlokende Vortheile, immer auf Kosten der alten Aktien, neue Kapitalien an sich ziehen.

Wenn das Defizit beträchtlich ist, so kann man dahin geführt werden, sich an die Inhaber von Obligationen zu wenden, um ihnen Zinsreduktionen oder die Zeichnung neuer Obligationen oder andere Opfer zuzumuthen, welche zur Rettung ihres Guthabens erforderlich scheinen. Bisweilen veranlaßt sie ihr Interesse selbst zur Umwandlung ihrer Obligationen in Aktien, um neuen Anleihen Plaz zu machen.

387 i

Von solchen Kombinationen finden sich Beispiele und Muster in der Geschichte unserer Eisenbahnen.

Es war eine natürliche Sache, zu einem solchen Mittel Zuflucht zu nehmen, um der Gotthardgesellschaft die geforderten 48 Millionen oder wenigstens einen Theil derselben zu verschaffen. Aus den uns vorgelegten Akten ist aber nicht ersichtlich, daß eine solcheKombination versucht oder auch nur studirt worden wäre. Es ist dieß eine auffallende Unterlassung.

"oSie ist es um so mehr, als der gänzliche Verlust des Aktienkapitals bereits im Jahre 1870 als die Folge bezeichnet wurde, welche die Unzulänglichkeit der Voranschläge nach sich zöge; und zwar bezeichnet durch wen ? durch den Präsidenten der Gesellschaft selbst, Hrn. Alfred E s e h e r.

Nachdem er sein Erstaunen ausgedriikt über die Phantasmagorie (sie), zu welcher die Gegner Zuflucht genommen hätten, um finanzielle Gefahren vorzuspiegeln , fügte Hr. E s c h e r in seiner berühmt gebliebenen Rede vom 21. Juli 1870 bei: ,,Sie werden nun vielleicht fragen, welchen Gang denn nach meiner Anschauung im Falle eines unglüklichen Verlaufes der Gotthardunternehmung die Dinge nehmen müßten ich stehe nicht an, es zu erörtern: Stellen Sie sich ein Kapital " von 85 Millionen Subventionen und ein Kapital von 102 Millionen, zusammengesezt aus Aktien und Obligationen, vor. Im Falle des Stekenbleibens der Unternehmung würden die Subventionen und die Aktien verloren gehen und die Inhaber der Obligationen würden einfach zu Aktionären. Glauben Sie nun, daß, wenn eine so kolossale Summe schon auf das Werk verwendet worden wäre, die Aktionäre gewordenen Obligationäre große Schwierigkeit fänden, sich die nöthigen Gelder zu verschaffen, um das Unternehmen zum Ziele zu führen ? So stelle ich mir den Verlauf vor für den mir indessen nicht vorschwebenden Fall . des Stekenbleibens der Unternehmung, und es mag sich daraus ergeben, daß eine Inanspruchnahme des Bundes zur Vollendung des Baues auch für den ungünstigsten Fall nicht in Aussicht zu nehmen ist."

So sprach Hr. Escher. Indeß verliefen die Dinge eben nicht so, wie er sich vorstellte. Der nach ihm so unwahrscheinliche Fall ist eingetreten, und was noch befremdlicher ist, derselbe hat nicht zu der vorgesehenen und natürlichen Folge, nämlich dem Verluste der Aktien, geführt.

388

Die internationale Konferenz hat wahrscheinlich die Erklärungen vom Jahr 1870 aus dem Auge verloren. Für die Gotthardaktionäre hat der Staat eben seine besondern Gnaden.

Die Konferenz beschränkte sich darauf, neue Subventionen zu verlangen und die Linie zu degradiren. Dagegen befaßte sie sich nicht mit dem in solchen Fällen am meisten üblichen Rekonstruktionsmodus.

Es werden also die Fr. 20,400,000 in Aktien und die Fr. 68,000,000 in Obligationen, welche sich unbesonnener Weise in dieses Abenteuer eingelassen haben, im Glauben an die bekannten Programme und Devise, einer ausnahmsweisen Vergünstigung sich erfreuen. Man kümmert sich nicht um das in andern Unternehmungen , Banken, Werkstätten oder Eisenbahnen, vergrabene Geld; aber dasjenige des Gotthard protegirt man. Sind das nicht, wie die Botschaft sagt, schweizerische Kapitalien?

Gott bewahre uns davor, denselben Tage der Prosperität und schöne Dividenden zu mißgönnen. Wir würden ihnen solche anwünschen, selbst wenn es nicht schweizerische Kapitalien wären, und thun dieß von Herzen für alles Geld, welches seit zwanzig Jahren in die zahlreichen Unternehmungen unseres Landes gestekt wurde.Soll damit aber gesagt sein, man müsse für sie die Schleusen des Bundessehazes öffnen? Wir denken nicht. Die Schwierigkeiten des Augenbliks verbieten uns Freigebigkeiten; sie diktiren uns vielmehr strenge Sparsamkeit, welche allein uns gestatten wird, unsere öffentlichen Dienstzweige, Posten, Telegraphen, Zölle u. s. f., in einen Stand zurükzuführen, von dem man leider abgehen mußte.

In jedem Falle wird man uns eine Wahrheit nicht bestreiten, daß nämlich die Bundessubsidien niemals herbeigezogen werden dürfen, um Kapitalien oder Kapitalisten zu retten , so theilnahmswerth dieselben auch sein mögen ; zunächst weil dieß kein eigentlich öffentliches Interesse ist, und sodann weil man a l l e retten müßte.

Wir haben nicht die Mission, eine Kombination, wie die eben gedachte, ausfindig zu machen und zu studiren. Es genügt uns, zu sagen, daß eine solche gefunden werden konnte, wie Jeder dies zugeben wird, und den Schluß daraus zu ziehen, daß das Heil des Unternehmens · anderswo als in Bundessubsidien gesucht werden muß. Was den Plan dieser Kombination betrifft, so besizt die Gesellschaft genug Financiers, denselben zu entwerfen und weiter zu verfolgen.

389 Man war allgemein erstaunt darüber, daß, weit davon entfernt, ·den Aktionären ein Opfer zuzumutheu, die schweizerische Abordnung an die internationalen Konferenzen sich vielmehr Mühe gegeben hat, den Aktien einen Zins von 6 °/o zu wahren, den sie sich für die Zeit des Baues der Linie vorbehalten haben.

Es ist diese Klausel der Gesellschaftsakten bekannt. Während des Baues muß den Aktionären ein Zins von 6 °/o ausbezahlt werden.

Es braucht nicht gesagt zu werden, daß derselbe vom Kapital genommen werden muß, und daß man daher dieses um so viel mehr vergrößern mußte. Diese ziemlich ungebräuchliche Klausel ist ein weiterer Zeuge für das excessive Zutrauen, welches im Anfange des Unternehmens die Voranschläge des Gotthardkomite umgab ; man mußte sich sehr reich dünken, um sich Zinsen zuzuschreiben zu einer .Zeit, wo man noch nichts verdiente.

Als die schlechten Tage kamen und die Illusionen verschwinden mußten, hätten die Aktionäre sofort auf diese Zinsen verzichten sollen. Diese erste Abänderung ihrer Statuten war ihnen durch die Lage der Gesellschaft geboten. Es geschah aber nichts.

In den internationalen Konferenzen jedoch wurde dies von Seite der italienischen Delegation beantragt. Man liest auf Seite 14 des Protokolls : ,,Herr Kommandeur V a l s e c c h i legt eine Berechnung vor, welche, basirt auf den Wegfall aller Zinsen während des Baues, für das einbezahlte Aktienkapital, und auf die Reduktion des den Inhabern von Obligationen zu bezahlenden Zinses von 5 auf 4 °/o, dazu gelangt, den Totalbetrag der während der Bauperiode zu entrichtenden Zinse von 29 auf 20 Millionen ungefähr zu reduziren.* Was sagte die schweizerische Delegation dazu? ,,Die deutsche und die schweizerische Delegation, fügt das Protokoll bei, sind der Ansicht, daß es nicht im Interesse des Unternehmens selbst läge, so weit zu gehen, und daß eine Reduktion von ungefähr 2 J /2 Millionen auf den während des Baues den Aktionären zu bezahlenden Zinsen genügen sollte"1 Und der Herr Bundespräsident fügt bei, daß diese Meinungsdivergenz auf die definitive Lösung der hängenden Fragen keinen großen Einfluß haben könne. Und doch handelte es sich um eine Differenz von 6 Va Millionen, gerade so viel als man von der Schweiz verlangt.

Die italienische Delegation ließ sich durch diesen ersten Mißerfolg nicht entmuthigen. Sie scheint das Gefühl gehabt zu haben, daß man in gewissen Kreisen weniger für die Linie als für die

390

Gesellschaft Sorge trug. Um dieser Tendenz zu widerstehen, trat sie in der dritten Konferenz nochmals auf, mit einer Combination, welche gestatten sollte, das Programm von 1869 ganz auszuführen; mit Reduzirung des Zinses für die Aktien auf 2 % während des Baues und desjenigen für die Obligationen auf 4 °/o.

Auch die deutsche Delegation ließ sich auf Zinsenreduktion ein, jedoch nur äußerst schüchtern. Sie beantragte, den Aktionären 4 % statt 6 °/o zu verabfolgen; den Obligationen sprach sie immer noch 5 °/o zu.

Machte nun die Schweiz ähnliche Anträge ? Wir finden keine solche. Hat sie aber wenigstens die von den andern Delegationen gestellten unterstüzt? Es scheint vielmehr, daß sie ein wenig gekünstelt hat.> denselben auszuweichen.

Den Vorschlägen auf Zinsenreduk· O tion antwortet die schweizerische Delegation mit dem Verlangen, daß die Subsidien erhöht werden , oder daß man zu solchen Behelfen Zuflucht nehme, wie Zahnradsystem, schwimmende Eisenbahnen, einspuriger Goldau-Tuanel.

Mittlerweilen trat die technische Kommission mit präzisen Anträgen auf. Sie scheute sich, wir wissen nicht warum, den Wegfall der Zinsen für die Aktionäre vorzuschlagen, wollte aber doch wenigstens dieselben auf 3 °/o reduziren. Die deutsche Delegation trat diesem. Antrag bei ; die italienische auch. Was that nun die Schweiz? Sie widersezte sich dem! (Protokoll, Seite 44 und 45).

Die beantragte Reduktion wurde indeß von der Mehrheit angenommen. Sie gehört zum neuen Programm. Dank derselben konnte das erforderliche Kapital um neun Millionen reduzirt werden. Hätte man die Zinsen ganz in Wegfall gebracht, was eben so leicht als gerecht gewesen wäre, so würde sich das aufzubringende Kapital noch weiter reduzirt haben.

Was die Gesellschaft betrifft, so scheint sie dieser Reduktion um 3 °/0 sich nicht fügen zu wollen. Ihr Finanzplan hält an den 6°/0 fest, troz den Schlußnahmen von Luzern. Im Weitern verfiel sie auf eine ziemlich sinnreiche Kombination, um den Aktionären zu gestatten, sich zu liberiren, ohne die Börse allzu.veit zu öffnen. Sie autorisirt nämlich die Aktionäre, die künftigen Einzahlungen durch a n t i z i p i r t e Z i n s e n zu leisten.

Darnach wird die vierte Einzahlung, welche nicht vor Ende des Jahres eingefordert werden kann, mit Fr. 52. 22 statt mit Fr. 100 geleistet und vollends die fünfte ganz mit
den antizipirten Zinsen kompensirt, wenn die Linie nicht vor 1882 vollendet werden kann.

, Das ist nun allerdings eine mindestens originelle Art, die Aktien zu liberiren. Sie ist sehr sinnreich, um das Gesellschaftskapital

391

anzuschwellen ; sie ist es aber minder, um das für die Arbeiten erforderliche Geld zu beschaffen.

Wird der Bundesrath diese Kombination gutheißen, entgegen dem Luzerner Protokoll ? Die Gesellschaft scheint es zu glauben.

Wir unserseits können es nicht ; doch müssen wir gestehen, daß wir in dieser Angelegenheit auf alle Ueberraschungen gefaßt sind.

V.

Bei den Debatten, welche der Ratifikation des Vertrages von 1869 vorausgingen, erklärten die kompetentesten Stimmen, daß wenn die Voranschläge ungenügend seien, die Gotthardgesellschaft in Konkurs werde gesezt werden. Man findet dies sowohl im Berichte des Hrn. K a p p e I e r an den Ständerath, als in demjenigen des Hrn. B r u n n e r an den Nationalrath.

Der leztere drükte sich wie folgt aus : ,,Früher, als der Mont Cenis und der Brenner angefangen wurden, hatte man diese Erfahrungen noch nicht, man konnte nicht mit solcher Sicherheit Berechnungen aufstellen, wie jezt ; aber heute, wo man diese Erfahrungen hat, scheint mir wirklich die Furcht, daß man sich geirrt haben könnte, daß man ungenaue oder falsche Berechnungen aufgestellt habe, eine ziemlich müßige zu sein.

Die Möglichkeit kann indessen allerdings nicht bestritten werden; allein glauben Sie nun wirklich, daß, wenn die 85 Millionen Subvention, sowie das Aktien- und Obligationskapital von 102 Millionen, also im Ganzen 187 Millionen, verbaut sind, s i c h d a n n k e i n e G e s e l l s c h a f t f i n d e n wird, welche die Fortsezung übernähme?

Ich bin der Meinung, wir brauchen darüber nicht besorgt zu sein, daß die Privatindustrie, welche dannzurnal noch viel entwikelter sein wird, als jezt (denn damit geht es crescendo), nicht einen solchen Einfluß ausüben werde, daß sich eine Privatgesellschaft f i n d e n würde, d i e a u f d e n T r ü m m e r n d e r e r s t e n G e s e l l s c h a f t fortbaue.

Nehmen wir aber auch an, daß sich diese Gesellschaft nicht finden wird, daß die alte Gesellschaft, wenn sie in's Stoken kommt, keinen Ersaz findet, wie geht es dann ? N u n , d a n n wirdeben dieFallite ausbrechen, dann wird, w e n n m a n der Sac h e den o r d e n t l i c h e n Lauf l ä ß t , das G o 11 h a r d u n f e r ne. h me n f a l l i t w e r d e n . "

392 War diese Auffassung unüberlegt ? oder waren das nur Worte,, um die Versammlung mit sich fortzureißen ? Wir wollen es nicht glauben.

Als die Finanzmisere der Gesellschaft ausbrach, sah man den Gedanken des Konkurses kaum anderswo als in der öffentlichen Meinung auftreten.

Herr Bundesrath H e e r allein hat davon gesprochen, aber nur um ihn zu bekämpfen. Die Fallite hätte, sagte er, nur den Verlust der Aktien zur Folge, wenn die Zufahrtslinien gebaut wären ; da sie aber erst noch zu bauen sind, so hätte eine neue Gesellschaft, selbst nach dem Verluste aller Aktien und Obligationen, eine immerhin noch so schwere Last zu tragen, daß wahrscheinlich kein Erwerber sich präsentiren würde.

Diese Argumentation ist nicht geeignet, zu überzeugen. Der gesunde Verstand sagt einem, daß der Wegfall von Fr. 68,400,000,, die an Aktien und Obligationen einbezahlt sind, eine Unternehmung außerordentlich erleichtern muß. Die Geschichte der Ligne d'Italie liefert hiefür ein frappantes Beispiel.

Was die internationale Konferenz betrifft, so hat dieselbe, wie die Botschaft des Bundesrathes uns sagt, die Frage des Konkurses nicht einmal berührt.

Wir können diesem delikaten Verfahren die Achtung nicht versagen, welche man einem generösen Gefühle schuldet. Es ist immer peinlich, Männer von Initiative fallen und die Hoffnungen vertrauensvoller Aktionäre verschwinden zu sehen, und es ist begreiflich, daß man sich versucht fühlt, ihnen die Hand zu reichen, selbst wenn man in der Stellung eines Magistrats ist und zunächst die Pflicht auf sich hat, das öffentliche Interesse zu wahren.

Allein diese gute Regung muß in gehörigen Schranken gehalten werden. Sie ist einigen Regeln unterworfen.

Die erste besteht darin, daß man nicht die Sache opfern darf, um die Person zu retten. Diese Regel wurde nicht beobachtet.

Wir werden sofort nachweisen, daß, um den Konkurs zu vermeiden, man sich entschlossen hat, eine Linie von schwierigem Betriebe zu erstellen und die Interessen mehrerer Kantone zu opfern.

Die zweite Regel ist, daß man nicht zweierlei Maß und Gewicht anwende; daß man nicht die Einen rette, während man die Andern zum Falliment treibt. Diese Regel wurde nicht besser als die andere beobachtet. Als die Gesellschaft der Ligne d'Italie konzessionsverlustig erklärt wurde, als Bern-Luzern, als die National-

393 bahn in Konkurs gesezt wurden, da hat man das Gesez ohne Zaudern zur Anwendung gebracht. Ist es mm zuläßig, daß die Eidgenossenschaft dazwischentrete, um die Gotthardgesellschaft demselben zu entziehen?

Lassen wir, meine Herren, bei uns nicht die Meinung aufkommen, daß das Gesez nicht für Alle das gleiche sei !

Sollte die Gotthardgesellschaft Ansprüche auf ausnahmsweise Vergünstigung haben? Wir kennen solche nicht. Die Gesellschaften, die wir soeben anführten, haben auch muthvolle Männer gehabt; das Geld der Einen ist so gut wie das der Andern. Die Gotthardgesellschaft behauptet allerdings, sie sei das Schlachtopfer des Bundesrathes. Auf der gleichen Seite, sagt sie in ihrer Botschaft von 1876, von welcher der Irrthum gekommen ist, muß man auch auf Abhülfs-Mittel und Wege bedacht sein.

Diese keke Behauptung kann ihr nur die Sympathien entfremden, welche sich sonst an das Unglük heften. Die Voranschläge für den Gotthard wurden nicht durch internationale Konferenzen festgestellt; es geschah von Seite der Gotthardförderer; ihnen allein fällt die gartee Verantwortlichkeit zu. Die Schweizerbehörde und die internationalen Konferenzen haben sich diesfalls nichts vorzuwerfen, als ihr übermäßiges Vertrauen. Die Schweiz hat das Recht, sich darüber zu beklagen; die Gesellschaft nicht.

Der Art. 13 des Eisenbahngesezes bestimmt, daß, wenn während des Baues einer Linie der Finanzausweis ungenügend geworden isttinfolge Erhöhung der Voranschläge, die Gesellschaft für Dekung des Mehrbedarfs sorgen müsse. Die Gotthardgesellschaft möge also diesen Ausweis beibringen, oder dann das gemeine Gesez über sich ergehen lassen.

Wir unserseits wünschen ganz aufrichtig, daß sie denselben leiste, sei es mit Hülfe der betheiligten Kantone, sei es dank einer finanziellen Kombination. Kann sie es nicht, so wird der Konkurs einer neuen Gesellschaft die Pforte öffnen, die dann die Linie vollenden wird. Wir haben die Ueberzeugung, daß dieß möglich ist, ohne Inanspruchnahme der Bundessubsidie. Unser Geld wird die Gotthardbahn nicht retten; der Bau derselben ist durch die Summen gesichert, die sie bereits absorbirt hat. Was unsere Subvention vor dem Sturze bewahren sollte, das ist die gegenwärtige Gesellschaft.

Nun glauben wir aber nicht, daß im Interesse einiger Männer, so hochgestellt dieselben auch seien, oder einiger Kapitalien, wir von einer Regel, die wir immer als einen Grundsaz beobachtet

394

haben, abgehen, in unser Finanzwesen eine unheilbare Zerrüttung bringen und eine gerechte Unzufriedenheit bei einem Theile unserer Miteidgenossen säen dürfen.

VI.

Eine aufmerksame Prüfung der amtlichen Akten über die Rekonstruktion des Unternehmens zeigt, daß man zur Rettung desselben oder richtiger der Gesellschaft viele nationale Interessen und in gewissem Maße auch das Interesse der Bahn selbst, als einer großen Verkehrslinie, geopfert hat.

Stellen wir uns zunächst auf den internationalen Standpunkt: man hat das angenommene Maximum für die Steigungen, ebenso das Minimum der Krümmungsradien, die Zweispurigkeit preisgegeben.

Für die Steigungen hatte die internationale Vereinigung von 1869 25 %o als Maximum aufgestellt, mit der einzigen Ausnahme, daß wenn dasselbe nur mit allzugroßen Schwierigkeiten sollte festgehalten werden können, man alsdann auf dem ersten Theile der Streke Biasca-Airolo auf 26 °/oo gehen dürfe, m i t R ü k s i c h t . a u f d e r e n s ü d l i c h e L a g e (Protokoll d e r internationalen Konferenzen von 1869, Seite 29 und 30). Zwar hatte schon damals die schweizerische Abordnung, zum Zweke der Abkürzung der Linie, die Zulassung einer Steigung von 27 °/oo statt 26 °/oo finden südlichen Theil verlangt; während Hr. B i g l i a eine Herabsezung dei- Maximalsteigung auf 24 %o für den südlichen Theil wie für den andern wollte. Diese beiden extremen Anträge wurden abgelehnt; man adoptirte den von Hrn. Welti vorgeschlagenen Mittelweg, demzufolge die Gesellschaft vom Bundesrathe die Bewilligung erlangen sollte, 25 °/'oo zu überschreiten und bis zum äußersten Maximum von 26 °/oo zu gehen. Diese Toleranz war übrigens auf die Sektion Dazio-Grande bis Biasca beschränkt.

Heute befindet man sich von diesen Ziffern weit entfernt. Das .neue Projekt nimtnt 26 °/oo und selbst 27 °/oo auf Streken in Aussicht, wo zahlreiche Tunnel sind. Man braucht nicht Ingenieur zu sein, um zu wissen, daß solche Steigungen für einen großen Verkehr und besonders für einen billigen Betrieb nicht geeignet sind.

Was den Krümmungsradius betrifft, so wurde das anfänglieh auf 300 Meter ancesezte Minimum auf 280 Meter herabaesezt.

Es O O ist dieß ein neues Hinderniß für guten Betrieb und bedeutenden Verkehr.

395 Das Doppelgeleise anbelangend, so ermächtigte die Luzerner Konferenz die Gesellschaft, dasselbe wegzulassen, mit dem Vorbehalte jedoch, daß die Arbeiten für ein zweites Geleise ausgeführt werden, überall wo diese Erweiterung später nicht mehr thunlich oder mit beträchtlichen Mehrkosten verbunden wäre. Die Expertise Bridel, Dapples und Kohler sagt, daß die Gottharddirektion in ihrem neuen Projekt einen a u s g e d e h n t e n G e b r a u c h v o n d i e s e r B e f u g n i ß gemacht habe (Expertenbericht Seite 47).

Sollen wir auch noch sprechen von diesen Kehrtunneln von mehr als 1500 Meter mit Steigungen von 27 °/oo, von den zahlreichen Tunneln auf den Zufahrtslinien, welche zusammengenommen, nur schon zwischen Amsteg und Giornico, also auf einer Streke mit starkem Gefalle, beinahe den Umfang des großen Tunnels erreichen? Wir überlassen die Prüfung dieser Punkte fachkundigeren Leuten. Es genügt uns und es wird uns erlaubt sein, zu sagen, daß das neue Projekt den Anforderungen einer großen Kommunikationslinie nicht mehr entspricht. Man darf wohl sagen, daß der Zwek des Werkes dem Wohle der Gesellschaft untergeordnet worden ist.

Sodann wurden durch das neue Projekt den schweizerischen Interessen zahlreiche Opfer auferlegt. Hr. Bundesrath H e e r hat dieselben mit der Bemerkung empfohlen: ,, Danach wird von dem Neze von 1869 nur diejenige Stammlinie beibehalten, welche den Grundgedanken des Unternehmens ausmacht : d a s d e u t s c h e E i s e n b a h n n e z m i t d e m italienischen zu verknüpfen."

Es stellte sich aber heraus, daß dieser Grundgedanke nur sehr unvollkommen festgehalten wurde, wiewohl man ihm zuliebe viele schweizerische Interessen gefährdet hat.

Zunächst hat man, wenigstens für einstweilen, die Streke Zug" Arth weggelassen. Diese Beseitigung verlezt den Nordosten, die Kantone Zürich und Thurgau und besonders Zug. Lezterer Kanton fühlte sich dadurch so sehr gekränkt, daß er seither an den interkantonalen Konferenzen nicht mehr theilnehmen wollte und sein Betreffniß an der neuen Subsidie zu bezahlen sich weigerte. Wenn wir schon diesen dem Gotthard so nahe liegenden Kanton so unzufrieden sehen, so denken wir unwillkürlich an St. Gallen, welchen Kanton man durch das Mittel der Bundeskasse mit in Anspruch nehmen will für eine Subsidie, welche Zug und andere Kantone verweigern.

Man beseitigte auch die Streke Luzern - Immensee, wodurch Luzem, Bern, Solothurn · und die Centralbahn tief verlezt wurden.

Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. III.

29

396

Hört man ihre Klagen, so müssen wir uns vollends fragen, wie erst diejenigen der Westkantone lauten dürften ?

Luzern hat bei den Konferenzen eine ablehnende Haltung angenommen, nicht bloß weil man ihm seine Streke Immensee vorenthielt, sondern auch, weil dieser Kanton seit Erstellung der aargauischen Südbahu nicht mehr der Verkehrsmittelpunkfc sei ! Und Genf, und Lausanne, und Freiburg, und Neuenburg, -- werden diese etwa das Centrum des Gotthard Verkehrs sein, daß man ihrem Patriotismus Subventionen zumuthet, welche der luzernische nicht zu bewilligen weiß?

Auch Bern protestirte gegen die unbestimmte Verschiebung der Streke Luzern-Immensee; ebenso Solothurn; beide Kantone sagten, die schweizerischen Interessen seien geopfert.

Allein diese Verstümmelungen des ursprünglichen Planes erblassen ganz vor der Beseitigung der Monte Cenere-Linie.

Die Cenerelinie gehörte, wie die zwei soeben besprochenen Streken, zum Programme von 1869. Ohne diese drei Anschlußlinien , sagte damals die technische Sektion, vermöchte das Gotthardunternehmen seine internationale Mission nicht zu erfüllen.

Die Cenerelinie sichert die Verbindung mit Mailand. Es hat denn auch Italien bei den lezten Verhandlungen darauf gedrungen, daß sie auch im neuen Programm beibehalten werde.

Die schweizerische Delegation hat sich diesem Verlangen nicht angeschlossen.

Um diejenigen schweizerischen Gegenden zu trösten , welche durch die Beseitigung dieser drei Streken verlezt werden, wurde in die Nachtragskonvention vom 12. März 1878 folgendes Alinea aufgenommen : ,,Der Bau der Linien Luzern - Immensee, Zug-Arth und Giubiasco-Lugano (Cenerelinie) wird bis zu dem Zeitpunkt verschoben, wo die Linie Immensee-Pino dem Betrieb übergeben sein wird.

Wenn in der Zwischenzeit die Gotthardbahngesellschaft sich in der Lage befinden würde, die eine oder andere diesel1 Linien zu bauen, so hätte sie dem schweizerischen Bundesrathe einen Finanzausweis zu leisten, welcher die für die Hauptlinie Immensee-Pino bestimmten Hülfsmittel gänzlich unberührt läßt.a . Als dieser Artikel diskutirt wurde, verlangte die italienische Delegation, daß dem Cenere die Priorität vor den beiden andern

397

Streken eingeräumt werde, wenn eines Tages die Hülfsmittel der Gesellschaft es gestatten würden, das Nez auszudehnen. Auch hier war es die schweizerische Abordnung, welche sich gegen die Interessen der Cenerelinie erhob und bewirkte, daß jede Priorität zu ihren Gunsten fallen gelassen wurde.

Praktisch ist diese Schlußnahme gleichgültig; denn die Jahre, welche uns von dem Momente trennen, wo die Gesellschaft die Seitenstreken wird ausführen können, sind noch sehr zahlreich.

Gleichwohl ist die durch unsere Abordnung eingenommene Stellung bedauerlich, denn der Monte Cenere-Paß hat für die Schweiz eine ganz besondere Bedeutung. Es ist dies diejenige Linie, welche die Hälfte des Kantons Tessin, diese lachende Gegend des riotto Cenere, die wie ein Winkel nach Italien vorspringt, mit den übrigen Theilen der Eidgenossenschaft verbindet. Sie ist im Besi/e einer Eisenbahn, welche von Lugano über Como nach Mailand geht. Jezt handelt es sich darum, sie mit der übrigen Schweiz zu verbinden, mittelst einer Bahn, die über den Monte Cenere nach Bellinzona führt.

Dieß ist die Streke, deren Hinausschiebung, gleichbedeutend mit der Beseitigung, man votirt hat. Die große Verkehrsader wird von Bellinzona weg bis zum Langensee laufen, wo sie bald darauf die italienische Grenze bei Pino findet, indem sie in dieser Weise den Sotto Cenere ausweicht und isolirt.

Als man seiner Zeit die Verdienste der Gotthardlinie rühmte, ermangelte inun nicht, hervorzuheben, daß dieselbe den Tessin mit der übrigen Schweiz verbinden würde -- und es war dies allerdings ein Hiiuptverdienst derselben.*) Das neue Programm aber involvirt die Ausschließung und Isolirung des halben Kantons Tessin und damit von scchszig und.

einigen Tausenden unserer Mitbürger.

Diese Gegend ist, wie bereits gesagt, mit Italien verbunden.

Die schweizerische Streke, welche von Lugano bis zur italienischen Grenze (Chiasso) und von da nach Mailand läuft, kann einem eigenen Eisenbahnbetriebe nicht genügen. Man wird dahin geführt werden, sie einer Gesellschaft, die sich mit dem Betrieb befassen mag, zu *) Ja einer Note des Bundesrathes vom 1. Juli 1863 kommt folgende Stelle vor: ,,Bei diesem Anlaße erlaubt er (der Bundesrath) sich, den Wunsch auszuspreclien, daß man ihm von den Linien, die man dem Studium unterwirft und auf welche die Wahl der köuigl. Regierung
fallen könnte, Kenntniß gebe, damit man sich nicht allzusehr in eine Richtung einlasse, welche von der Schweiz von vornherein verworfen werden müßte, wie z. B. eine Linie, welche nicht den Kanton Tessin durchschreiten würde."

398 verkaufen; es kann dies keine andere sein als die oberitalische Eisenbahn, welche in naher Zukunft ihrerseits von Italien angekauft werden wird. Die Augestellten dieses Staates werden also zur Verwaltung und zum Betriebe der Eisenbahn permanent bis ins Herz des Sotto Cenere kommen.

Diese Eventualität ist in der Luzerner Konferenz von Seite der deutschen Abordnung vorausgesehen worden. n Auf den Fall hin, erklärte sie, daß die Streke Lugano-Chiasso an eine andere Gesellschaft veräußert würde, verlangt die deutsche Abordnung, daß das Ergebniß dieses Verkaufs vor Allem aus auf den Bau der Hauptstreke Immensee-Pino verwendet werde. a Die schweizerische Abordnung hat diesen Antrag gehört; sie hat keine Protestation dagegen erhoben!

Umsonst ließ der Kanton Tessin energische Reklamationen hören ; umsonst erklärte der Kanton Solothurn, er verweigere eine neue Subvention h a u p t s ä c h l i c h wegen Preisgebung der Monte Cenere-Linie, auf welche man aus politischen Gründen niemals hätte verzichten sollen. Der Bundesrath beharrte in seiner Haltung. Er widmete dem aufgegebenen Kinde freilich einiges Bedauern ; er erklärte, dieses Opfer sei ihm schmerzlich, und er würde mit Dank jede Lösung annehmen, die dasselbe ersparen könnte. Allein das Opfer wurde vollbracht und man versuchte es nicht, die gewünschte Lösung sei es mit einer Finanzkombination, sei es durch eine neue Gesellschaft herbeizuführen.

Die delikate Natur dieser Frage legt uns hier die äußerste Zurükhaltung auf. Die Minderheit der Kommission kann sich aber nicht davon dispensiren , Ihneu, Herr Präsident, Herren Nationalräthe, zu sagen, daß die Preisgebung der Monte Cenere-Linie ihr eine Thatsache von hoher politischer Tragweite und von der alierernstesten Bedeutung zu sein scheint. In ihren Augen muß die Linie bis Lugano oder dann gar nicht gebaut werden ; dagegen den Norden des Tessin verbinden und den Süden preisgeben, dieß schiene ihr "einer jener politischen Fehler zu sein, welche die Zukunft büßen läßt.

VU.

Im Jahr 1870 erklärte man urbi et orbi, daß die Gotthardvoranschläge unanfechtbar seien. Ihre Richtigkeit in Zweifel zu ziehen, schien kleinlich. Heute nun wird die Richtigkeit der neuen Ziffern nur mit einer sehr bemerkbaren Zurükhaltung behauptet.

399 Wir wissen nicht, bis auf welchen Punkt die Bundesbehörde daran glaubt; das Publikum seinerseits aber hat kein Vertrauen.

Die Minderheit der Kommission ist der Ansicht, die verlangte Summe werde nicht genügen ; nach ihr werde man später weitere verlangen.

Wir wollen kurz darlegen, woher wir diese Ueberzeugung schöpfen.

Zunächst ist es keineswegs gewiß , daß man die erwarteten Kapitalien zusammenbringen wird.

Die Kantone haben den Saldo ihrer alten Subventionen noch nicht entrichtet. Es würde ihnen eine Verweigerung allerdings schlecht anstehen, selbst wenn sie hiezu infolge der Preisgebung einzelner Partien des Programms von 1869 berechtigt wären.

Immerhin haben einige Kantone mit der Vorenthaltung dieses Saldos gedroht. Man muß gestehen, daß sie hiezu durch die Gefügigkeit ermuntert worden sind, mit welcher der Bundesrath die lezte Subvention ganz der Eidgenossenschaft auflud , nachdem er zuerst erklärt hatte, er werde nichts thun.

Man wird ihnen vielleicht sagen, daß wenn sie ihre erste Subvention zu bezahlen sich weigern, man das Unternehmen seinem Schiksale überlassen werde. Allein sie werden, wie auch wir, nicht daran glauben.

Unter diesen Kantonen befindet sich einer, dessen muthmaßlich erfolgende Weigerung sich auf Motive stüzt, denen man leider einige Berechtigung nicht absprechen kann. Es ist dieß Tessili.

Dieser wird uns sagen, daß die Cenerebahn ihm am Herzen liege und daß er keine Subsidie für eine Unternehmung gebe, welche den Kanton entzwei schneidet. Was wird der Bundesrath darauf antworten ?

In dieser Hinsicht sollte uns durchaus Sicherheit gegeben werden, denn Tessin schuldet noch 2 Millionen Franken von seiner alten Subvention.

Nach den Kantonen kommen die Gesellschaften, die Nordostund die Centralbahn. Dieselben haben, zwar ungern und nach langem Sträuben, eine neue Subvention von Fr. 1,500,000 zugesagt.

Werden sie aber im Falle sein, dieselbe einzuzahlen? Wir hoffen es, aber ganz sicher ist es nicht.

Vor einigen Jahren wäre dieses bloße Zweifeln eine Injurie gewesen. Aber auch für diese Gesellschaften sind die schlimmen

r " 400

Tage gekommen , und ihre eigenen Erklärungen rechtfertigen nur zu sehr unsere Besorgnisse.

·/

So sagte die Centralbahn unterm 27. Juli 1877: Wenn sie in der Sache die vollständigste Zurükhaltuug beobachte, so weiche sie dem Gebote der äußersten Notwendigkeit.

Die Verpflichtung, an die alte Subvention noch etwa 2 Mili. Franken zu leisten und noch für etwa l lk Mili. Franken Obligationen zu übernehmen, sei bei ihrer dermaligen Lage eine so starke, daß sie tille Mühe haben werde, derselben gerecht zu werden. Man hoffe, sie auf die strikteste Weise erfüllen zu können; aber in weitere Verbindlichkeiten sich einzulassen, sei unmöglich, wenn man nicht dem gerechten Vorwurf einer leichtsinnigen Geschäftsführung sich aussezen wolle.

Bis zum 5. Januar 1878 scheint sich die Lage dieser Gesellschaft nicht gebessert zu haben, denn der Präsident derselben erklärte damals : ,,Die Siebnerkominisston, wenn sie zu dem Schlüsse kommt, die der Central- und Nordostbahn zugetheilte Nachsubvention von \ lk Mili. Fr. sei, selbst bei ihrer jezigen Lage, kein unerschwingliches Opfer, hat die finanzielle Lage der Gesellschaft kaum genügend geprüft und gewürdigt." -- Und der Abgeordnete der Centralbahn fügt bei: Zur Beschaffung der für solche nöthigen Gelder wäre die Centralbahn auf ihren Kredit angewiesen. Nun aber versage dieses Mittel in der gegenwärtigen Zeit gänzlich.

Alles das ist kaum beruhigender Natur. Und auch die Erklärungen der Nordostbahn sind es nicht in höherm Grade.

Am 27. Juli 1877 erklärte der Präsident derselben, daß in einem Augenblike, wo die Nordostbahn an ihrer eigenen Reorganisation arbeite und darauf sinnen müsse, sich von ihrer Verpflichtung zum Baue neuer Linien frei zu machen, es ihr unmöglich sei, noch schwerere Lasten zu übernehmen.

Am 5. Januar 1878 ließ die Direktion der Nordostbahn diese Erklärung mit folgenden Worten bestätigen : ,,Die Direktion wird beauftragt, durch ihre Abordnung bei der in Aussicht stehenden abermaligen Konferenz der an der Gotthardbahn betheiligten Kantone und ßahngesellschaften die früher abgegebene Erklärung zu erneuern, daß die Gesellschaft der schweizerischen Nordostbahn mit Rüksicht auf ihre gegenwärtige finanzielle Situation sich nicht in der Lage befinde, bei Aufbringung der auf die Schweiz fallenden Nachtragssubvehtion von Fr. 8,000,000 sich zu betheiligen.a Man sagt, seither hätten diese Gesellschaften die Zusage eines Beitrags von llk Millionen unterzeichnet. Welche Sicherheit kann

401 uns aber diese Zusage geben, nach den soeben gehörten Erklärungen ?

Es erübrigt noch die Gotthardgesellschaft und ihr Finauzprogramm. Darüber haben wir nichts zu sagen, außer daß dasselbe ungewiß ist wie alle Programme. Zu einer Zeit, wo sie auf dem Gipfel des öffentlichen Vertrauens stand, kostete es sie Kommissionsgeb ühren, deren Höhe vielfaches Murren erregte. Wie wird dies vollends jezt sein ?

Es ist zu bemerken, daß die Gesellschaft selbst nicht behauptet, daß sie die Einzahlung des Saldos der ersten Aktien erlangen werde; über diesen Punkt scheint sie noch einige Zweifel zu hegen.

Wir haben also nicht übertrieben, wenn wir sagten, das Zusammenbringen der von der internationalen Konferenz vorgesehenen Hülfsmittel sei noch ungewiß.

Wenn aber auch nur e i n Zufluß zum allgemeinen Reservoir seinen Tribut versagt, so wird man nicht ermangeln, sich an die Schweiz zu wenden, -um von daher Ersaz zu bekommen, und wird eben wieder wie es heute geschieht eine angebliche Notwendigkeit anrufen.

Nehmen wir indeß an, daß alle von den Luzerner Konferenzen in Aussicht genommenen Geldmittel zur Realisirung gelangen, so haben wir hier noch eine zweite Frage zu stellen. Werden dieselben zur Vollendung des Baues der Linie hinreichen ?

Niemand wird dies zu behaupten wagen.

Wir anerkennen zwar, daß der Bundesrath die neuen Voranschläge mit aller möglichen Sorgfalt prüfen ließ, und daß er diejenigen Vorsichtsmaßregeln traf, die man im Jahr 1869 so unglüklicherweise versäumte. Eine Kommission von Fachmännern, unter denen wir mit Befriedigung einen Namen finden, der allein schon eine Garantie ist, fällt über die neuen Voranschläge der Kommission ein günstiges Urtheil. Allein selbstverständlich können alle diese Vorsichtsmaßregeln, diese Studien, diese Kontrole, bei all ihrer unbestrittenen Nüzlichkeit, niemals zur Gewißheit führen; man bleibt auf dem Gebiete bloßer Wahrscheinlichkeiten. Das Höchste, was .sich da erlangen läßt, ist, wie Hr. Bundesrath Heer sagt, diejenige Gewähr, wie man sie von Berechnungen, die auf menschlicher Voraussicht beruhen fordern kann.

402

Damit ist man aber von einer Gewißheit noch weit entfernt, wenn es sich um eine Alpenbahn handelt, die mit zahlreichen und durch wenig bekannte Schichten hindurch zu erstellenden Tunnels übersäet ist.

Ferner ist zu bemerken, wie es bereits ganz richtig an den Luzerner Konferenzen von Seiten der italienischen Delegation geschah, daß die Kosten des Baues vom Voranschlage bedeutend abweichen können, wenn die Grundlagen und die Gesichtspunkte des Erbauers mit denjenigen der Experten nicht übereinstimmen.

Man darf daher -- und wir stehen nicht an, es zu tlum -- behaupten, daß die Hinlänglichkeit der in Aussicht genommenen Hülfsmittel nicht gewiß ist.

Es ist vielmehr gestattet, bereits jezt es für sehr wahrscheinlich zu halten, daß diese Mittel nicht genügen.

Wir beschränken uns hier darauf, einige Ziffern aufzustellen, indem wir es Andern, die im Bauwesen bewanderter sind, überlassen, diese von vielen Ingenieuren getheilte Ansicht des Weitern zu rechtfertigen.

Das Programm der internationalen Konferenzen hat angenommen, d e r B a u koste .

.

.

.

. 2 0 8 Blillionen die Zinsen während des Baues .

.

.

20 ,, Total wovon abzuziehen der Ertrag der Tessiner Bahnen

228 Millionen l ,,

Verbleiben

227 Millionen

Das technische Bureau der Gesellschaft hat die zur Verzinsung bestimmte Summe auf Fr. 23,639,237 erhöht, und um so viel mußte es dann die für die Arbeiten angesezte Summe reduziren. Diese Operation läßt sich auf dem Papier leicht machen, viel weniger aber auf dem Terrain. Wir wären weit beruhigter gewesen, wenn man in der Verzinsung hätte Reduktionen eintreten lassen und bei den Arbeiten dagegen einen guten Theil für Unvorhergesehenes vorbehalten hätte.

Die Ziffern des technischen Bureau lauten also : Summarischer Devis für die Linie .

.

. Fr. 205,051,623 Verzinsung ,, 23,639,237 Total Fr. 228,690,860 wovon abzuziehen der Ertrag der Tessiner Bahnen ,, 1,000,000 Verbleiben

Fr. 227,690,860

403

Die Direktion der Gesellschaft hat diese Ziffern abgeändert. Durch neue Reduktionen sezt sie dieselben herunter auf Fr. 225,932,900.

Es ist zu bemerken, daß auch diese Reduktionen wieder die Arbeiten selbst und nicht die Verzinsung beschlagen. Im Gegentheil hat man in diesem Voranschlag den Ansaz für die Zinsen noch erhöht.

Es ist wahrscheinlich, daß die Gesellschaft ihren Finanzplan auf die Voraussicht einer Totalausgabe von Fr. 225,932,900 basirt hat. Der Bericht der Experten erhöht diesen Betrag auf Fr. 232,060,000.

Bei Vergleichung dieser Ziffern sieht man , daß in den Annahmen der internationalen Konferenzen . . . . Fr. 5,060,000 und in denjenigen der Gesellschaft ,, 6,127,100 fehlen.

Wir haben also hier bereits heute ein bekanntes Deficit vor uns, das selbst beim günstigsten Verlaufe eintreten zu müssen scheint und zwar als ein bloßes Minimum angesehen werden kann.

Das von den Experten angegebene Totale zerfällt wie folgt: Totalkosten, ohne Zinsen Fr. 203,980,000 Verzinsung während des Baues (bei Annahme der Arbeitsbeendigung auf 1. Oktober 1881) ,, 24,080,000 Nachtragssumme für Zinsen und Kosten, wenn die Eröffnung des Betriebes sich bis zum 1. Juli 1882 verzögert ,, 4,000,000 Total

Fr. 232,060,000

Halten wir uns an die erste dieser Ziffern. Die Experten sagen Fr. 203,980,000, während die Luzerner Konferenz von Fr. 208,000,000 sprach.

Ueber diese leztere Ziffer äußern sich die Experten wie folgt : ,,Unter Voraussezung der Richtigkeit der von der Gotthardbahngesellschaft gemachten Terrainaufnahmen, ferner unter Voraussezung einer von den gegebenen Projektirungsgrundsäzen nicht abweichenden streng ökonomischen Bauführung, endlich unter Voraussezung einer Bauzeit von 4 Sommern und 3 Wintern, halten wir dafür, daß das Projekt, so wie es nach den vorliegenden Plänen, beziehungsweise Devisen, der Gotthardbahndirektion sich darstellt, um die von der Luzerner Konferenz angenommene · Totalsumme von 208 Millionen Franken (unsere Rechnung ergibt sogar eine geringere Ziffer) ausgeführt werden kann. a

404

Man sieht also, daß die Experten die Ziffer von 208 Millionen nur mit einer Menge von Vorsichtsklauseln annehmen.

Die zweite und dritte der andern Ziffern, welche die Gesammtschäzung der Experten bilden , gehen von der Voraussezung aus, daß die Linie mit dem 1. Juli 1882 dem Betriebe übergeben werden könnte Allein dieß ist nicht wahrscheinlich. Der Expertenbericht hält dieß nur unter zwei Bedingungen für möglich : erstens wenn die Verträge mit den Unternehmern vor Ende 1878 definitiv genehmigt sind, und zweitens, wenn energisch Hand angelegt wird vom 1. Oktober nächsthin bis zum 1. April 1879. Schon jezt läßt sich voraussehen, daß die erste dieser zwei Bedingungen sich nicht verwirklichen wird, so daß die Linie erst im Jahre 1883 wird eröffnet werden können. Dieser Umstand wird die Gesellschaft 4 Millionen kosten, die noch ausfindig zu machen sind.

Das Vorgebrachte genügt, um zu zeigen, daß es zu einer Ueberschreitung der Voranschläge der Gesellschaft kommen wird, und daß die verlangte Subsidie die Vollendung des Baues der Linie Immensee-Pino nicht sichern wird.

Sollten nun aber die in Aussicht genommenen Hülfsmittel fehlen, oder neuerdings ihre Unzulänglichkeit an den Tag treten, an wen wird man sieh dann wenden, um neue Subsidien zu erlangen? Ist es nothwendig, es zu sagen? An die Eidgenossenschaft. Umsonst würden wir heute sagen : diese Subsidie ist die lezte. Umsonst würden wir beifügen : in Zukunft werden die Kantone ihren Theil leisten müssen. Es genügt, daß das Volk eines Kantons nein sagt, und man wird wieder bei der Bundeskasse anklopfen, deren unerschöpfliche Gefälligkeit den üblen Willen der Betheiligten ersezt. Dies ist die gefährliche Bahn, auf welcher man uns nun den ersten Schritt will thun lassen.

Wir glauben, daß die Schweiz dieselbe nicht betreten darf.

VIII.

Es erübrigen uns noch, meine Herren, einige Worte über die Zusazkonvention vom 12. März 1878.

Als man der Bundesversammlung die Ratifikation des 1869er Vertrags beantragte, wurde erklärt, dieselbe engagire in nichts unsere künftigen Entschließungen. Heute aber behauptet man, unsere Ehre gebiete uns, die Subvention zu votiren.

Wir sind nicht dieser Meinung. Die Ehre gebietet uns, keine Gegend der Schweiz in ungerechter Weise hintanzusezen ; die Ein-

405 tracht unter den Eidgenossen dein Ruhme vorzuziehen, der darin liegen mag, in internationalen Konferenzen zu sizen ; unsere Institutionen durch gute Finanzen zu konsolidiren. Sie gebietet denjenigen, welche im Jahre 1870 Versprechungen gemacht haben, dieselben im Jahr 1878 zu respektircn. Diese Ehre ist es, welche wir im Auge behalten werden.

Die heutigen Versuche, mittelst des Vertrags von 1869 die Subvention durchzusezen, wiewohl derselbe davon nicht spricht, gebietet uns, mit verdoppelter Umsicht die Supplementarkonvention von 1878 zu prüfen.

Durch sie werden der Schweiz neue Verpflichtungen auferlegt.

Ein erstes Mal irre geführt, haben nun die subventionireuden Staaten ihre neuen Subsidien mit Bedingungen umgeben, die ihrerseits sehr umsichtig, für die Schweiz aber um so bedenklicher sind.

Sie haben die Eidgenossenschaft zur Uebernahme zahlreicher Verpflichtungen vermocht, von denen wir als die gefährlichsten folgende nennen : a.. Sie hat die Vorschriften der Konvention in Bezug auf den Bau der Bahn vollziehen zu lassen ; b. sie hat die Pläne und Voranschläge zu genehmigen; c. sie hat sich mindestens alle drei Monate zu vergewissern, daß die Verwendung der Gesellschaftsgelder den Plänen und Voranschlägen gemäß stattfinde.

Allerdings war es nothwendig, daß diese Kompetenz irgendwein ertheilt werde. Man konnte hiezu die Schweiz oder eine internationale Kommission wählen. Wir haben gegen die getroffene Wahl nichts zu sagen ; allein die Vorsicht hätte erheischt, daß der Umfang der Verantwortlichkeit, die unsern Verpflichtungen zur Seite steht, in präziser Weise, um ihn einzuschränken, bestimmt würde.

Wir müssen einen zweiten Punkt zur Sprache bringen, über den die Zusazkonvention ein Stillschweigen bewahrt, das uns beunruhigt. Wenn die Linie einmal gebaut ist, so ist es möglich, daß sie ohne neue Subsidien nicht betriebsfähig ist. Die Weglassung des Doppelgeleises, die Steigungen von 27 %o in Tunneln, die Krümmungen mit kleinem Radius, gestatten den gehofften Verkehr nicht mehr, so daß das Programm der Rendite über den Haufen geworfen ist. Was wird man thun und was wird geschehen, wenn der Betrieb noch lange Zeit die Kosten nicht deken kann?

406

Die Nachtragskonvention sagt hierüber nichts, und wir fragen uns besorgt, ob man jedes Jahr wieder im Namen der Ehre des Landes uns mit der Zumuthung kommen wird, die Kosten dieses Betriebes zu bezahlen.

Es darf die Versammlung die Zusazkonvention vom 12. März 1878 nicht ratiflziren, ohne genau zu wissen, wohin sie uns führen wird.

Die Minderheit der Kommission findet daher, daß dieselbe einer Revision unterworfen werden muß, um der schweizerischen Eidgenossenschaft ernste Garantien zu geben.

Zu diesem Zweke beantragt sie Nichteintreten auf den Beschlußentwurf, der die Ratifikation jenes Vertrags vorschlägt.

Dieß sind die Gründe, Herr Präsident, Herren Nationalräthe, aus welchen die Minderheit der Kommission dem Nationalräthe beantragt, weder auf den einen noch den andern der Ihnen unterbreiteten Beschlußentwürfe einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 25. Juli 1878.

Die Minderheit der Kommission des Nationalrathes : L Ruchonnet.

Thoma.

Moïse Vautier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Minderheit der Kommission des Nationalrathes über die zwei Bundesbeschlussentwürfe betreffend erstens Genehmigung einer Zusazkonvention in Sachen der Gotthardbahn und zweitens eine Bundessubvention für dieselbe. (Vom 25. Juli 1878.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1878

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

35

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.07.1878

Date Data Seite

363-406

Page Pagina Ref. No

10 010 046

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.