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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Eingabe der ,,Société intercantonale des industries du Jura."

(Vom 29. März 1878.)

Tit.!

Unterm 6. vorigen Monat haben Sie uns beiliegende Eingaben der ,,Société intercantonale des industries du Jura", welche das Gesuch einer Abänderung von Art. 19 des Posttaxengesezes vom 23. März 1876 (Amtl. Samml. n. F. II, 339) enthalten, zur Berichterstattung überwiesen.

Die nachgesuchte Abänderung würde darin bestehen, daß für Fahrpoststüke, welche weder an angegebenem Werth Fr. ÌOO, noch an Gewicht l Kilogramm übersteigen, folgende Taxen bezogen würden : 15 Centimes in einem Rayon von 10 Kilometern, 20 ,, auf eine Entfernung von mehr als 10 bis 100 Kilometer, 40 ,, für Entfernungen über 100 Kilometer, während die dermaligen gesezlichen Taxen für Fahrpoststüke bis 100 Franken Werth und 5 Kilogramm Gewicht betragen : in einem Rayon von 25 Kilometern in gerader Linie 20 Centimes, außerhalb dieses Rayons .

. . . .

40 ,,

469 Nach der vom Präsidenten der petitionirenden Gesellschaft eingeholten nähern Auskunft (Schreiben vom 18. v. Mts.) wären die von ihr angegebenen Distanzen in g e r a d e r L i n i e verstanden.

Wir müssen Ihnen vor Allem aus Klarheit darüber verschaffen, welche finanziellen Folgen die nachgesuchte Gesezesabänderung hätte. Nach dem uns zur Verfügung stehenden statistischen Material würden diese Folgen darin bestehen, daß jährlich a. zirka 500,000 Stüke je 5 Centimes weniger (15 statt 20) und b. ,, 1,150,000 ,, ,, 2 0 ,, ,, (20 statt 40) Taxe abwerfen würden als bisher.

Also ein j ä h r l i c h e r Minderertrag: ad a. von Fr. 25,000 ad b. ,, ,, 230,000 Total

Fr. 255,000

Bei dieser Berechnung haben wir als Durchschnitt angenommen, daß 100 Kilometer in gerader Linie einer wirklichen (nach der kürzesten Poststraße bemessenen) Entfernung von 150 Kilometern entsprechen, ein Verhältniß, welches, bei der topographischen Beschaffenheit unseres Landes eher zu niedrig als zu hoch erscheint.

Wir haben zur annähernden ErmittlungO des Verhältnisses zwischen der geradlinigen und der wirklichen Distanz diese Entfernungen zwischen 40 Bureaux aus allen Theilen der Schweiz berechnet und dabei folgende Zahlen erhalten : Total aller geradlinigen Entfernungen 37,299 (Stunden) ,, ,, wirklichen ,, 59,146 oder 60% mehr als die geradlinigen.

Die berechneten 255,000 Fr. jährlicher Minderertrag sind daher jedenfalls nicht zu hoch.

Wäre nun eine solche Einbuße gerechtfertigt, zumal bei der jezigen Finanzlage des Bundes ? Wir antworten mit Entschiedenheit N e i n .

Bereits in unserer Botschaft vom 28. Februar 1876 (Bundesblatt 1876, Band I, Seite 467) haben wir darauf hingewiesen, daß eine Taxe von 15 Centimes für ein Fahrpoststük mit den bezüglichen Leistungen der Post, sowie mit den Taxen der andern Postgegenstände, z. B. der rekommandirten Briefe, durchaus nicht im richtigen Einklang steht, und die h. Bundesversammlung hat unserer

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Ansicht beigestimmt. Es wäre nun im höchsten Grade zu bedauern,, wenn ein unrichtiges Verhältniß, das man glüklich beseitigt hat, wieder eingeführt würde.

Kein einziges Land hat auch bei der Fahrpost so kleine Minimaltaxen wie die Schweiz. In Deutschland kostet z. B., abgesehen von der Bestellgebühr, auf die kleinste Entfernung das kleinste Paket ohne Werth 25 Pfennig (= 311/2 Centimes), mit der kleinsten Werthangabe 35 Pfennig oder 431/a Centimes, während in der Schweiz l Paket bis 5 Kilogramm Gewicht und Fr. 100 Werthangabe innerhalb eines Rayons von 25 Kilometern in gerader Linie bloß 20 Rp. kostet. In dieser Beziehung müssen wir hervorheben, daß die h. Bundesversammlung bei Erlaß des neuen Posttaxengesezes zu Gunsten der kleinen Entfernungen, namentlich mit Rüksicht auf die Uhrenindustrie, bereits eine weitgehende, nach angestellten Berechnungen eine Mindereinnahme von mehr als Fr. 100,000 per Jahr veranlaßende Konzession gemacht hat, als sie den Lokalrayon der Fahrpost auf 25 Kilometer in g e r a d e r Linie festsezte, entgegen dem Antrage des Bundesrathes, welcher für den genannten Rayon die wirkliche Entfernung annehmen wollte. Es kann nämlich nach angestellten Berechnungen angenommen werden, daß zirka die Hälfte der Stüke des frühern zweiten Rayons (wirkliche Entfernung von über 25 bis 50 Kilometer), welche nach der anläßlich unserer Botschaft vom 28. Februar 1876 aufgenommenen Statistik eine Zahl von zirka 1,320,000 ausmachten, in den geradlinigen Lokalrayon von 25 Kilometern gefallen sind, was eine Taxdifferenz von 132,000 Franken

/i'320^000

x 20

Centimes )

ausmacht.

In denjenigen Ländern, wo die Paketbeförderung (Fahrpost) nicht Staatssache ist, wie z. B. in Frankreich, Italien, Englandj Amerika, sind die Taxen (inklusive aller Art Nebengebühren) noch viel höher als in Deutschland. Das schweizerische Publikum ist daher bezüglich der Fahrposttaxen w e i t a u s a m g ü n s t i g s t e n g e s t e l l t , und in den Taxverhältnissen liegt es sicherlich nicht, wenn die schweizerische Uhrenindustrie Mühe hat, die Konkurrena des Auslandes mit Erfolg zu bekämpfen.

Die beiliegende Tabelle bietet eine Vergleichung zwischen den schweizerischen und ausländischen Taxen für kleine Pakete mit und ohne Werthangabe.

Außer der Billigkeit der Kahrposttaxen genießt die schweizerische Uhrenindustrie auch bei der Briefpost eine Begünstigung, welche sie in keinem Lande auch nur annähernd hat, nämlich die Mög-

Zur Seite 470.

Taxen für eine Sendung Ms l Kilogramm.

Beförderungsstreke..

Kilom.

Ohne Werthangabe.

100

300

500

1000

Ct.

Fr, Ct.

Fr. Ct.

Fr. Ct.

Fr. Ct.

8 ,, ,, ,,

20

20

30

44 60 45

35

32 60 45

44 60 45

44 60 45

.

Chaux-de-Fonds-Travers Deutscher Tarif Französischer Tarif P.-L.-M.

.

Italienischer Tarif A. I. . . .

22

20

20

30

,, ,, ,,

32 60 45

44 60 45

44 60 45

Chaux-de-Fonds-Biel Deutscher Tarif Französischer Tarif P.-L.-M.

Italienischer Tarif A. I. .

32

40

40

,, ,,

32 60 45

44 60 45

.

Chaux-de-Fonds-Pruntrut Deutscher Tarif Französischer Tarif P.-L.-M.

Italienischer Tarif A. I. ...

40

40

,, ,, ,,

32 60 45

.

Chaux-de-Fonds-Delsberg Deutscher Tarif .· Französischer Tarif P.-L.-M.

Italienischer Tarif A. I. ...

60

2500

3000

Fr. Ct.

Fr. Ct.

Fr. Ct.

Fr. Ct.

50

60

60

65

70

50 60 45

57 85 50

69 85 50

75 15 70

82 15 70

35

50

60

60

65

44 60 45

50 60 45

57 85 50

70

69 85 50 !

75 15 70

82 15 70

50

55

70

80

80

44 60 45

44 60 45

50 60 45

69 85 50

85 75 15 70

90

57 85 50

40

50

55

70

44 60 45

80

44 60 45

50 60 45

80 57 85 50

85 75 15 70

90

44 60 45

40

40

50

70

44 60 45

44 60 45

50 60 45

80 57 85 75

80 69 85 75

85

90

75 15

82 15

,,

44 60 45

55

32 60 45

76

40

40

50

55

70

75 60 45

75 60 45

82 60 45

80 88 85 75

85 75

85 07 15

90

,, ,,

75 60 45

80

63 60 45

124

40

40

50

55

70

75 75 05

82 75 05

85 07 30 10

90

75 75 05

80

,,

75 75 05

80

63 75 45

,,

Chaux-de-Fonds-Lausanne Deutscher Tarif Französischer Tarif P.-L.-M.

Italienischer Tarif A. I. ...

.

Chaux-de-Fonds-Genf

Deutscher Tarif Französischer Tarif P.-L.-M.

Italienischer Tarif A. I. .

.

1500

2000

Fr.

Chaux-de-Fonds-Locle Deutscher Tarif Französischer Tarif P.-L.-M.

Italienisoher Tarif A. I. ...

Mit Werthangabe bis Franken

45

69 85 50

45

82 15 70

82 : 15 l 70

13 15

13 30 10

Bemerkungen.

a. In den Taxen des schweizerischen Tarifs ist die Bestellung in die Wohnung für Stüke bis Fr. 1000 in begriff en. lieber Fr. 1000 beträgt die Gebühr 15 Centimen per Stük.

b. Den Taxen des d e u t s c h e n Tarifs tritt ein Bestellgeld hinzu, welches je nach der Art der Sendung und je nach dem Bestimmungsort 5 bis 10 Pfennig betrügt.

c. Der f r a n z ö s i s c h e T a r i f umfaßt die eigentlichen Transporttaxen, die statistische Gebühr von 10 Centimen, sowie die obligatorische Empfangscheingebühr von 85 Centimen. Verlangt der Aufgeber, daß der Sendung ein Frachtbrief beigegeben werde, so ist für diesen noch eine weitere Gebühr von 35 Centimen zu entrichten. Für die Bestellung in's Haus, wenn dieselbe verlangt wird, ist ebenfalls noch eine Extragebühr zu bezahlen, welche je nach der Art der Sendung und je nach dem Bestimmungsort 20 bis 50 Centimen beträgt.

d. Im i t a l i e n i s c h e n T a r i f sind alle Gebühren Inbegriffen mit Ausnahme derjenigen für die Bestellung in's Haus; diese Gebühr beträgt je nach der Art der Sendung und je nach dem Bestimmungsort 10 bis 70 Centimen.

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lichkeit, Uhrenbestandtheile von Werth in offenen, der Verifikation zugänglichen Schachteln mit einem Begleitzedel (ohne Werthangabe) bis zum Gewichte von 250 Gramm auf alle Entfernungen im Innern der Schweiz für 10 Centimes zu versenden.

Wir glauben daher, es dürfe der schweizerischen Postverwaltung eine weitere Herabsezung der Fahrposttaxen und eine neue finanzielle Einbuße von wenigstens Fr. 255,000 per Jahr billigerweise nicht zugemuthet werden, um so weniger, als bei Entsprechung des Gesuches der Petenten zum Geldverlust noch der weitere Uebelstand hinzutreten würde, daß die Einheit und Einfachheit des internen Fahrposttarifs, welche auch hoch anzuschlagen ist, vollständig gestört würde.

Wir stellen demnach den A n t r a g : es sei auf das beiliegende, unterm 31. Januar d. J. den h. eidgenössischen Käthen eingereichte Gesuch der ,,Société intercantonale des industries du Jura" um weitere Herabsezung der internen Fahrposttaxen nicht einzutreten.

Wir benuzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 29. März 1878.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Eingabe der ,,Société intercantonale des industries du Jura." (Vom 29. März 1878.)

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1878

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15

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.04.1878

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468-471

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10 009 912

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