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Botschaft des

Bundesraths an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Grenzregulirung bei Konstanz.

(Vom 4. Juni 1878.)

ü Tit.

Indem wir Ihnen die mit dem Großherzogthum Baden abgeschlossene Uebereinkunft, betreffend die Grenzregulirung bei Konstanz sammt zudienendem Schlußprotokoll., zur Genehmigung unterbreiten, beehren wir uns, diese Vorlage mit nachstehendem Berichte zu begleiten.

Die Grenze zwischen dem Territorium des Großlverzogthums Baden bei Konstanz und der Schweiz läuft laut Art. l der Uebereinkunft, welche am 28. März 1831 zwischen Baden und dem Kanton Thurgau abgeschlossen worden ist, ,,von da an, wo auf der Ostseite der Stadt der ehemalige äußere Festungsgraben in den Bodensee einmündet, bis dahin, wo er westlich in den Rhein ausmündet, an dem äußern Rande der Grabenwand hin." Ueber die Grenze beider Länder auf der in östlicher Richtung anstoßenden Seefläche enthält diese Uebereinkunft keinerlei Bestimmungen.

Im Jahre 1872 erlitt die Uebereinkunft vom 28. März 1831 eine kleine Modifikation, als die schweizerische Nordostbahn in den Bahnhof in Konstanz eingemündet und der leztere auf Schweizergebiet erweitert wurde. Da bei den hiedurch veranlaßten Terrassirungen der alte Festungsgraben in jener Gegend zugeworfen, die

1038 Grenzmarke Nr. l (Rauheeck) bei der östlichen Ausmündung des Festungsgrabens entfernt uud ein kleines Stük Strandboden aufgefüllt und mit dem erweiterten Bahnhof verbunden werden mußte, wurde die Visirliriie von dem vormaligen Grenzstein Nr. l nach Grenzstein Nr. 2 bis zur neuen Ufermauer in gerader Richtung verlängert und in die Dekplatte der Ufermauer eine neue Grenzmarke eingegraben. Es wurde sonach lediglich die in der Uebereinkunft von 1831 festgesezte Grenzlinie auf eine kleine Streke in gerader Richtung über das neugewonnene StUkchen Festland bis zum See vorgestrekt und auch bei diesem Anlaße über die Grenz Verhältnisse O auf der anstoßenden Seefläche keine Bestimmung getroffen.

Zwischen dem auf dem schweizerischen Gebiete erweiterten Bahnhofe und dem See fand sieh ein Streifen Festland, welcher in der Folge in den Privatbesiz übergegangen war und dessen Eigenthümer den Wunsch äußerten, Theile des anliegenden Sfrandbodens zu erwerben, um dieselben aufzufüllen und mit ihrem übrigen Besizthum zu verbinden. Die thurgauische Regierung ging auf diese Gesuche ein , und es verkaufte die dortige Finanzverwaltung 1 im Jahr 1872 10,950 D' und im Jahr 1873 82,500 D' Strandboden, unter der Bedingung, daß derselbe mit einer zusammenhängenden Quaimaucr gegen den See abgeschlossen werde. Dieser verkaufte Strandboden lehnt sich nördlich genau an die oben erwähnte äußerste östliche Landmarke an und besizt in gerader Linie eine Länge von zirka 220 Metern. Außer diesen fanden unter ähnlichen Bedingungen weitere an jene sich anlehnende Strandbodenverkäufe statt, welche ebenfalls zu Auffüllungen und zur Erstellung einer fortlaufenden Quaimauer führten.

Da gelangte sehr unerwarteter Weise im Mai 1874, nachdem großenteils die gedachten Auffüllungen auf dem "verkauften Strandboden bereits ausgeführt und die Quaimauern erstellt waren, eine Note der großherzoglich badischen Regierung an den Bundesrath, des Inhalts: T),,daß nach BerichterstattungO des Ogroßherzog'lichen BeO , zirksamtes Konstanz, am Bodensee in dem dieser Stadt zunächst gelegenen Theile, welcher der diesseitigen Hoheit unterstellt, Auffüllungen und Anlagen vom thurgauischen Gebiete aus vorgenommen sind und werden." Damit wurde das Gesuch verbunden, die thurgauischen Behörden zur Achtung der bestehenden Grenzund Vertragsverhältnisse anzuweisen
und insbesondere Fürsorge dafür zu treffen, daß jede künstliche Veränderung des natürlichen Ufers des Bodensees auf der Streke, welche durch den am 24. April 1786 zwischen Kaiser Joseph II. und den im Thurgau regierenden Kantonen abgeschlossenen Vertrag über die Hoheit und Grenze des an Konstanz stoßenden Theiles des Bodensees festgestellt sei,

1039 unterbleibe, beziehungsweise die im Gange befindlichen Neuerungen unverweilt eingestellt werden.

Dem Begehren um sofortige Einstellung der Arbeiten wurde zwar nicht entsprochen, wohl aber zunächst auf dem Korrespondenzwege in eine Erörterung der erhobenen Einsprachen eingetreten. Es ergab sich aus derselben, daß Baden, gestüzt auf den obgenannten Vertrag vom 24. April 1786, den Damianischen, sowie auch den demselben vorausgehenden vom 5. Dezember 1685, den Raßler'scben, die Landeshoheit über ein Seebeken in Anspruch nahm, welches durch eine Linie eingeschlossen wird, die sich von einem Punkte aus, der 1500 geometrische Schritte von der alten Hafenluke entfernt in der Mitte zwischen beiden Ufern liegt, senkrecht nach dem schweizerischen Ufer beim Hörnli und von da an auf 1500 bis 1600 Meter Länge dem Gestade entlang bis zur ersten östlichen Landmarke (Rauheeck) hinzieht. Die badische Regierung berief sich darauf, daß sie niemals Hand zur Abänderung der damals konstituirten Grenzverhältnisse geboten, sich vielmehr auf dieselben noch bei der in den Fünfzigerjahren gepflogenen, diese Grenze beschlagenden Korrespondenz berufen habe. Die schweizerische Hoheit an diesem Gestade würde demnach da aufhören, wo der Seespiegel beginnt, und der leztere ausschließlich als badisches Staatsgebiet zu betrachten sein. Die bei diesem Streite zunächst betheiligte thurgauische Regierung bestritt die von Baden gemachten Ansprüche durchaus, indem sie zunächst geltend zu machen suchte, die Verträge, auf welche sich dieselben berufen, haben Baden, beziehungsweise der damaligen österreichischen Herrschaft die Rechte niemals eingeräumt, welche jezt geltend gemacht werden wollen, jedenfalls seien diese Verträge längst obsolet geworden, und endlich lasse sich- aus einer Reihe der neuern Zeit angehörigen Thatsachen der Nachweis leisten, nicht nur daß Thurgau Hoheitsrechte in fraglichem Seebeken ausgeübt, sondern daß dies mit voller Kenntniß der badischen Behörden in Konstanz und sogar theilweise unter ihrer Mitwirkung geschehen sei.

Da diese Korrespondenz zu keiner Verständigung führte, so wurde in gegenseitigem Einverständniß der Weg der Konferenz beschritten, in der Hoffnung, bei mündlicher Erörterung der Streitfragen eher zu einem Ausgleiche zu gelangen.

Bei Feststellung der den schweizerischen Delegirten zu ertheilenden
Instruktion lag es begreiflich am nächsten, vor Allem die Anerkennung der gegenwärtigen faktischen Zustände zu erlangen zu suchen und in Uebereinstimmung mit denselben vorzuschlagen, die Grenze auf fraglichem Seebeken von der Grenzmarke Nr. l (Rauheeck) nach der Mitte des Sees zu ziehen, so daß aller ver-

1040 kaufte Strandboden nebst dein anliegenden Seetheile unzweideutig als schweizerisches Gebiet zur Anerkennung gekommen wäre. Um diesem Antrage leichtern Eingang zu verschaffen, war die thurgauische Regierung bereit, zu einigen kleinen Territorialabtretungen an Baden zwischen den Grenzmarken 3 und 5 und 13 und 18 Hand zu bieten, wodurch eine zvvekmäßige Arrondirung des badischen Gebiets hätte erzielt werden können.

Die Konferenzverhandlungen begannen im Januar 1877. Baden zeigte sich nicht ungeneigt, zu einem Abkommen Haud zu bieten, ging aber in seinen Compensationsforderungen weit über das Maß hinaus, das unsererseits allfällig angeboten werden konnte. Es wurde für die als schweizerisches Gebiet anzuerkennende Seefläche die Abtretung von schweizerischem Festland an der Grenze der Stadt Konstanz in annähernd gleichem Flächenmaße und der Austausch des ausgedehnten auf schweizerischem Gebiete liegenden Tägernmooses gegen ein badisches Areal von ähnlicher Große an irgend einem andern Theile der schweizerisch-badischen Grenze oder eine theilweise Abtretung des Tägernmooses verlangt. Insbesondere aber ließ sich den Verhandlungen unschwer entnehmen, daß ein großer Werth auf Gewinnung des auf schweizerischem Gebiete liegenden Theiles des Konstanzerbahnhofes gelegt werde.

Für den weitern Verlauf der Verhandlungen mußte für uns nun zunächst in Betracht fallen, daß die Ansprüche, welche Baden auf ^enes Seebeken erhob, im Grunde bis in die neuere Zeit von der Schweiz offiziell anerkannt worden waren. In die alte offizielle Sammlung Bd. 3, 1. 1849, und ebenso in die revidirte thurgauische Gesezessammlung von 1865 (Bd. I, S. 103) sind die oben zitirten Verträge von 1685 und 1786 unter diejenigen Verträge aufgenommen worden, welche die einzelnen Theile der Staatsgrenze zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dorn Großherzogthum Baden längs dem Kanton Thurgau bestimmen, was doch wohl nicht hätte geschehen können, wenn diese Verträge als dahingefallen angesehen worden wären. Und nachdem in Folge einer Anregung des Nalionalratb.es bei Gelegenheit der Genehmigung des zwischen der Schweiz und Baden abgeschlossenen Grenzbereinigungsvertrages vom 20./3l. Oktober 1854 Unterhandlungen mit Baden über A b ä n d e r u n g der Verträge von 1685 und 1786 angehoben waren, Baden aber, unter Berufung auf diese
Verträge, keine Geneigtheit zum Eintreten an den Tag gelegt hatte, wurde zufolge besonderer Schlußnahme des Bundesrathes vom 9. September 1857, die weitere Verfolgung der Sache aufgegeben und in den Geschäftsbericht über dieses Jahr folgende Erklärung niedergelegt:

1041 ,,Nach einer neuen Prüfung der Sache habe der Bundesrath die Ueberzeugung erlangt, daß der Raßler'sche Vertrag vorn 5.

Dezember 1685 die Gebietsgrenze südöstlich von Konstanz in genauer Weise bestimme; . . . daß ausnahmsweise auf dieser Strecke in der That nicht die Mitte des See's die Grenze bilde; . . . daß hier keine zweifelhafte Grenzlinie festzustellen sei ; ... daß der Bundesrath für angemessen erachte, der Sache keine weitere Folge zu geben.tt Sie wurde denn auch wirklich seither fallen gelassen.

Diese Auffassung der Verträge stimmte übrigens, wie eine genaue historische Untersuchung nachgewiesen, mit der Entstehung, dem Sinne und dem Wortlaute derselben überein, und es konnte daher kein Zweifel darüber walten, daß das oft erwähnte Seebeken der schweizerischen Hoheit nicht unterworfen sei. Damit erschienen aber begreiflich die Fragen noch nicht erledigt, welche zu Gunsten der Sehweiz aus der Thatsache entsprangen, daß die Verträge in neuester Zeit in Vergessenheit gerathea und unter Wissen und theilweiser Mitwirkung der badischen Behörden in Konstanz von thurgauischer Seite Hoheitsrechte über das Seebeken ausgeübt worden waren. Mußte man sich sonach zwar zu einigen Compensationen vertsehen, so durften dieselben doch niemals die Höhe erreichen, welche Baden von der Schweiz glaubte verlangen zu können.

Glücklicherweise lagen bezüglich des Hauptobjektes der badischen Forderung, des schweizerischen Theiles des Konstanzer Bahnhofes, die Verhältnisse so vor, daß, wenn einmal auf dieser Abtretung durchaus bestanden werden wollte und mit deren Gewährung weitergehende Forderungen abgewiesen werden konnten, ohne zu große Bedenken auf dieselbe eingegangen werden durfte.

Schon beim Abschluß des Staatsvertrages vom 10. Dezember 1870, betreffend die Verbindung der thurgauischen Seethalbahn (Nordostbahn) mit der großherzoglich badischen Staatsbahn, mußte der schweizerische Theil d.es badischen Bahnhofes zum größern Theile der schweizerischen Hoheit entzogen werden. Einmal durfte er laut Art. 5 keinerlei Besteuerung unterworfen werden, sodann wurde laut Art. 8 die Handhabung der Bahnpolizei in seinem ganzen Umfange der badischen Eisenbahn Verwaltung überlassen, und endlich wurde laut Art. 11 die Grenze des Konstanzer Bahnhofes auf dem Schweizergebiet als beidseitige Zollgrenze erklärt, d. h. der
schweizerische Theil des Bahnhofes aus dem schweizerischen Zollgebiete ausgeschieden und dem deutschen einverleibt.

Daß auch damals schon, wie in den Verhandlungen über den vorliegenden Vertrag badischerseits behauptet wurde, die territoriale Abtretung dieses schweizerischen Theiles des Bahnhofes zur Sprache

1042 gekommen, läßt sich einer wichtigen Bestimmung der bald nachher, nämlich am 3./24. April 1871, zwischen der badischen Staatseisenbahnverwaltung und der schweizerischen Nordostbahnverwaltung getroffenen Vereinbarung, dem Betriebsvertrage, entnehmen, laut welcher der Fall einer territorialen Abtretung des schweizerischen Bahnhoftheiles bereits vorgesehen ist und auf diese Eventualität hin die Rechtsstellung der Nordostbahn bestimmt wird.

Um die Stellung der Nordostbahn sowohl als der Nationalbahn für den Fall einer Cession ihrer Bahnhoftheile zu wahren, wurde den beiden Verwaltungen von dem Sachverhältniß Kenntniß gegeben und deren Wünsche, soweit solche geltend gemacht wurden, in der Folge auch gehörig berüksichtigt.

Da es gewissermaßen in der Natur der Sache lag, daß mit der Abtretung der schweizerischen Bahnhoftheile auch der zwischen denselben und dem See liegende schmale Streifen Boden, welcher theils aus Festland, theils aus ausgefülltem Strandboden besteht, an Baden abgetreten werde, so entstand die Frage, wer aufzukommen hätte, wenn die Eigenthümer dieser Grundstüke berechtigt erklärt wurden, dafür Schadenersaz zu beziehen, daß sie ohne ihr Zuthun unter eine andere Hoheit gestellt werden Die thurgauische Regierung wünschte dafür eine Garantie zu erlangen, daß sie unter keinen Umständen hiezu angehalten werden könne. Eine genauere Untersuchung der mit dieser Territorialabtretung verbundenen Konsequenzen ergab, daß, sofern sich.die badische Regierung bereit erkläre, die s. Z. von der thurgauischen Finanzverwaltung bewerkstelligten Strandbodenverkäufe anzuerkennen und damit die civilrechtliche Gewähr für Aufrechthaltung der Kaufverträge zu übernehmen von irgend einer andern Art von Haftbarkeit für sie nicht mehr die Rede sein könne, und zwar um so weniger, als für alle andern aus dem abzuschließenden Vertrage möglicherweise hervorgehenden Folgen nur derjenige Theil einzutreten hätte, welcher ihn abschließt, nämlich der B u n d .

Wie oben angedeutet worden, war man schon bei Beginn der Verhandlungen schweizerischerseits geneigt, zu einigen Territorialabtretungen Hand zu bieten, welche sich empfahlen, um die seit theilweiser Ausfüllung der Befestigungsgräben und Verkauf des gewonnenen Bodens au Privaten an einzelnen Stellen unklar oder ungeeignet gewordene Grenzlinie in beidseitigem
Interesse besser zn gestalten. Es wurde demnach, möglichst in Anschließung an die Eigenthumsgrenze, zwischen den Grenzmarken 3 und 5 die Abtretung einiger schweizerischer, zwischen den Grenzmarken 6 und 8 und dann wieder zwischen 12 und 13 die Abtretungeiniger badischer Parzellen in Aussicht genommen.

1043 · Eine etwas wichtigere Korrektur der Grenze zwischen den Marken 13 bis 18 war ferner Gegenstand häufiger Besprechungen.

Die beim ehemaligen Emmishofen-Thor vom Thurgau her ein-fließenden und vereinigten Bäche, Sau- und Schoderbach genannt, hatten wegen mangelhafter Ableitung häufig Ueberschwemmungen veranlaßt und am 17. Juli 1876 zu einem Vertrage zwischen der Stadt Konstanz und den anliegenden thurgauischen Gemeinden geführt, zu Folge dessen dieses Bachwasser von Grenzmarke 13 an nicht mehr in dem den ehemaligen Bastionen folgenden Befestigungsgraben, sondern in einem neuen, in gerader circa 450 Meter langen Linie, nach Grenzmarke Nr. 18 zu ziehenden Kanal abgeleitet werden sollte. Die thurgauischen Gemeinden wurden dabei verpflichtet, einen Beitrag von Fr. 7000 an diese Bachkorrektion zu leisten. Man war nun Schweizerischerseite geneigt, das auf das rechte Ufer dieses projektirten Kanals zu liegen kommende, circa 8 Juchart umfassende (bereits im Privateigentum der Stadt Konstanz befindliche) Areal unter badische Hoheit abzutreten, in der Meinung also, daß in Zukunft der Kanal auf die angegebene Streke die natürliche Grenze zwischen beiden Ländern bilden werde. Dabei empfahl es sich, auf alle Entschädigung für die Einbußen an Staats- und Gemeindesteuern für diese und die übrigen Territorialabtretungen Verzicht zu leisten, wenn sich die badische Regierung herbeilassen wollte, den thurgauischen Gemeinden den ihnen obliegenden Beitrag an die Korrektion abzunehmen.

Endlich war es eine der wesentlichsten Aufgaben der Unterhandlungen, auf dem streitigen Seebeken eine rationelle, leicht erkennbare Grenzlinie auszumitteln, als deren Ausgangspunkt selbstverständlich das Ende der Grenzlinie auf dem festen Lande und als deren Visirpunkt ein am nahen jenseitigen Ufer liegendes, leicht sichtbares Wahrzeichen anzunehmen war.

Das waren die theils auf bestimmten Instruktionen beruhenden, theils aus den ziemlich langen und schwierigen Verhandlungen hervorgehenden Hauptgesichtspunkte, nach welchen ein Ausgleich für uns empfehlenswerth schien, zumal die Anheimgabe der Entscheidung an ein internationales Schiedsgericht, wovon, als von einem lezten Auskunftsmittel, beiläufig in den Konferenzen gesprochen wurde, weder von der einen noch von der andern Seite lebhaft gewünscht wurde, da man darüber einig war,
daß sich ein Schiedsspruch auf gewisse prinzipielle Fragen beschränken müßte und nach dessen Fällung zu seiner Ausführung doch wieder Negotiationen nöthig geworden wären. Nach Maßgabe dieser Hauptgesichtspunkte konnte der Vertrag abgeschlossen werden.

Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. II.

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1044 Der Art. I desselben bestimmt die Grenze über den Strandboden und den See. Da dieselbe in die Eigenthumsgrenze von zwei anstoßenden Grundbesizern gelegt ist, diese Eigenthumsgrenze aber verschiedene Winkel bildet und überdies durch die Scheidewand zweier aneinander gebauter Schuppen läuft, so ist im Schhißprotokoll für den Fall, daß durch Bodenaustausch eine geradere Eigenthumsgrenze erzielt werden kann, diese vorbehalten, immerhin in dem Verständniß, daß der im Vertrage selbst angegebene Endpunkt derselben, der einspringende Winkel in der Seemauer, derselbe ·bleibt.

In Art. II folgen die verschiedenen schweizerischen Territorialabtretungen, nämlich: 1) die kleinen Parzellen Festland zwischen dem Bahnhof und dem Strandboden, 2) der schweizerische Theil des Bahnhofes, 3) einige Parzellen zwischen Grenzmarken 3 und 5 und 4) die Abtretung zwischen Grenzmarken 13 bis 19.

Im Schlußprotokoll wurde der Stadt Konstanz die Berechtigung vorbehalten, die Bachkorrektion in gerader Linie von Grenzmarken 13 bis 22 auszudehnen, wodurch noch etwas Boden auf badische Seite fiele. Der diesfällige Verlust würde aber reichlich aufgewogen durch die technisch noch vollständigere Korrektion des Baches und die längere gerade Grenzlinie, welche auf dieser Streke gewonnen würde.

Schließlich enthält dieser Artikel auch die Verzichtleistung auf Entschädigung wegen Steuereinbuße.

Art. TTT enthält die Gegenleistungen Badens, nämlich : 1) die Abtretung einiger kleinen Parzellen und die Verzichtleistung auf Entschädigung wegen Steuereinbuße; 2) die Anerkennung der Strandbodenverkäufe von 1872 und 1873; 3) die Uebernahme des Unterhaltes der auf dortiges Gebiet fallenden neuen zollfreien Straße und 4) die Uebernahme der den thurgauischen Gemeinden laut Vertrag von 1876 auffallenden Beiträge an die Korrektion desSaubaches.

Art. IV enthält einen Vorbehalt über fortdauernde Gültigkeit der zwischen der badischen Staatsbahnverwaltung und der schweizerischen Nordostbahn und der schweizerischen Nationalbahn in den Jahren 1871 und 1874 abgeschlossenen Betriebsverträge und Art. V die Empfehlung beförderlicher Ratifikation-

1045 Durch diesen Vertrag wird sonach der von Baden in Anspruch genommen gewesene Strand in einer Länge von 1300 bis 1400 Meter und das anstoßende Seebeken gegen Ueberlassung des Strandes in der Länge von zirka 220 Metern nebst dem anliegenden Seetheil, ferner gegen Ueberlassung des schweizerischen Theiles des Bahnhofes und den zwischen diesem und dem See liegenden Streifen Festland, als schweizerisches Gebiet anerkannt und im Uebrigen an einigen andern Stellen in beidseitigem Interesse die Landgrenze regulirt.

Diesen kurzen Auseinandersezungen über Entstehung wie Inhalt der Uebereinkunffc haben wir nur noch beizufügen, daß der Große Rath des Kantons Thurgau, soviel an ihm lag, der Uebereinkunft die Genehmigung ertheilt hat.

Gestüzt auf das Angebrachte beehren wir uns, Ihnen den nachstehenden Bundesbeschlußentwurf zur Annahme zu empfehlen und ergreifen auch diesen Anlaß, Sie unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 4. Juni 1878.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes : Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

1046 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

die Uebereinkunft zwischen der Schweiz und dem Grossherzogthum Baden über die Grenzregulirung bei Konstanz.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t nach Einsicht der unterm 28. April 1878 abgeschlossenen Uebereinkunft zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Großherzogthum Baden betreffend Grenzregulirung bei Konstanz und des dieser Uebereinkunft beigefügten Schlußprotokolls vom gleichen Datum ; eines Berichtes des Bundesrathes vom 4. Juni 1878, beschließt: Der Bundesrath wird ermächtigt, die erwähnte Uebereinkunft sammt Schlußprotokoll im Namen der Eidgenossenschaft zn genehmigen und die zur Vollziehung dieses Beschlusses weiter nöthigen Verfügungen zu treffen.

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Uetoereinkunft wegen

Regulirung der Grenze bei Konstanz.

Der schweizerische Bundesrath und die großh. badische Regierung haben in der Absicht, die in Betreff der Grenze an und auf dem Bodensee bei Konstanz waltenden Anstände in freundnachbarlicher Weise auszugleichen und im Zusammenhange damit auch an einigen andern Stellen den Grenzzug bei Konstanz in zwekmäßiger Weise zu reguliren, Bevollmächtigte ernannt :

Der schweizerische Bundesrath: den Nationalrath Arnold Otto A e p l i in St. Gallen, den Oberst Hermann Siegfried, Chef des eidgenössischen Stabsbüreau's, in Bern, und den Regierungsrath Konrad H a f f ter in Frauenfeld,

Seine Künigl. Hoheit der Grossherzog von Baden: den Geheimen Legationsrath Dr. Friedrich H a r d e c k , in Karlsruhe, und den Ministerialrath und Landeskommissär Carl H a a s , in Konstanz, welche, nach gegenseitiger Mittheilung und Anerkennung ihrer Vollmachten und unter Vorbehalt der Ratifikation, über ende Punkte überein gekommen sind :

1048 Art. I.

Die Grenze zwischen beiden Staaten über den Strandboden und das Seegebiet südlich von Konstanz liegt in der gegenwärtigen Eigenthumsgrenze von J. Butz und K. Eberle bis zu dem einspringenden Winkel der Seemauer und von da ab in der Richtung auf den südlichsten Punkt des nördlichen Ufers des Konstanzer Tritters bis zu dem Punkte, wo diese Richtungslinie mit der geraden Linie sich schneidet, welche von der Mitte des Thurmes des Konstanzer Bahnhofgebäudes nach dem Mittelpunkte einer Geraden, zwischen dem vorgedachten Uferpunkte und der gegenüber liegenden Spize des südlichen Ufers bei der obern Bleiche gezogen wird. Von jenem Schnittpunkte bis zu diesem Mittelpunkte bildet im Tritter die sie verbindende gerade Linie und von dem leztern Punkte ab die Mitte desselben die Grenze.

Art. II.

A. Von Seiten der Schweiz wird an Baden abgetreten und für die Zukunft der badischen Staatshoheit unterstellt: 1) der ö s t l i c h von dem in Art. I erwähnten, unter badische Hoheit fallenden Strandboden, w e s t l i c h vom dermaligen schweizerischen Theile des Konstanzer Bahnhofes und s ü d l i c h von der Privateigenthumsgrenze zwischen J. Butz und K. Eberle e i n g e s c h l o s s e n e , zur Zeit den Gebrüdern Ferdinand und Leopold Waiser und dem J. Butz gehörige Streifen Landes; 2) der Theil des Konstanzer Bahnhofes, welcher auf schweizerischem Gebiet w e s t l i c h von dem bei Ziffer I dieses Artikels bezeichneten Bodenstreifen, n ö r d l i c h von dem südlichen Rande der seewärts ziehenden neuen zollfreien Straße und ö s t l i c h von dem östlichen Rande der in der Richtung zwischen der neuen und der alten zollfreien Straße planirten Querstraße gelegen ist; 3) die Bestandteile der zur Zeit im Besiz badischer Angehöriger befindlichen Grundstüke, welche längs der

1049 Streke zwischen den Grenzmarken 3 bis 5 auf schweizerischem Gebiete liegen und durch eine den Eigenthumsgrenzen sich anschließende Grenzlinie zum badischen Staatsgebiet geschlagen werden sollen; 4) das zwischen den Grenzmarken 13 bis 19 liegende Areal, welches südlich durch den laut Uebereinkunft über die Regelung der Abflußverhältnisse des Schoderund Saubaches, vom 17. Juli 1876, vereinbarten Korrektionsplan in gerader Linie herunter zu leitenden Saubach begrenzt werden soll.

B. Schweizerischerseits wird auf jede Entschädigung für die Einbußen an Staats- und Gemeindesteuern Verzicht geleistet, welche aus diesen Territorialabtretungen sich ergeben.

Art. III.

Dagegen übernimmt Baden folgende Verbindlichkeiten: 1) Von dem westlichen Endpunkte der in Art II A, Ziff. 3 bestimmten Grenzlinie soll die Grenze künftighin längs der bestehenden Einfriedung des Gartens des Bierbrauers Schmid bis zur Kreuzlinger Landstraße und von da ab in gerader Linie über diese Straße bis zu dem Punkte laufen, wo die Gerade zwischen den Grenzmarken 8 und 9 die Grenze zwischen der Straße und dem Garten des Kaufmanns Rossat schneidet.

Ferner soll in Zukunft zwischen den Marksteinen 12 und 13 die Grenze an dem östlichen Rande des zwischen denselben hinziehenden Straßenkörpers liegen.

Die durch die vorgedachten neuen Grenzlinien abgetrennten badischeu Parzellen werden von Baden an die Schweiz zur Vereinigung mit dem schweizerischen Staats- und Hoheitsgebiet und ohne Anspruch auf Entschädigung wegen Staats- und Gemeindesteuern abgetreten.

2) Die großherzoglich badische Regierung anerkennt die zwischen der thurgauisehen Finanzverwaltung als Verkäuferin einestheils und C. Widmer-Hirzel in Kreuz-

1050 lingen und Ferdinand Waiser in Konstanz als Käufern anderntheils unterm 10. März 1872 und 29. April 1873 abgeschlossenen Kaufverträge.

3) Baden übernimmt die Fürsorge für den Unterhalt der neuen zollfreien Straße, insoweit derselbe seither dem Kanton Thurgau, beziehungweise der Gemeinde Kreuzungen obliegt und die Straße auf badisches Gebiet zu liegen kommt.

4) Badischerseits wird dafür gesorgt werden, daß der Beitrag, welchen die thurgauischen Gemeinden laut oberwähnter Uebereinkunft vom 17. Juli 1-876 zu den Kosten der Korrektion des Saubaches zu leisten hätten, Denselben abgenommen werde.

Art. IV.

Die zwischen der badischen Staatseisenbahnverwaltung und den den Bahnhof Konstanz benuzenden schweizerischen Eisenbahngesellschaften abgeschlossenen Verträge, insbesondere die Vereinbarung der badischen Staatsbahn mit der schweizerischen Nordostbahn, vom S./24. April 1871, und der Vertrag zwischen der badischen Staatsbahn, der schweizerischen Nordostbahn und der Winterthur-Singen-KreuzlingerBahn, vom 3. Juli 1874, bleiben vorbehalten.

Art. V.

Diese Uebereinkutift soll ratifizirt und die Auswechslung der Ratifikationsurkunden sobald als thunlich vorgenommen werden.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten die gegenwärtige Uebereinkunft unterschrieben und besiegelt.

So geschehen zu B e r n , den acht und zwanzigsten April achtzehnhundert acht und siebenzig (28. April 1878).

(L. S.) (Gez.) A. 0. Aepli.

H. Siegfried.

r, ,, C. Haffter.

(L. S.) (Gez.) Hardeck.

,, Haas.

1051

Schluss-Protokoll.

Bei Unterzeichnung der Uebereinkunft wegen der Regulirung der Grenze bei Konstanz haben die beiderseitigen Bevollmächtigten für angemessen erachtet, im gegenwärtigen Protokoll noch folgende Bestimmungen niederzulegen.

1.

Die Bevollmächtigten sind darin einverstanden, daß, soweit durch die Uebereinkunft neue Grenzlinien festgesezt werden, nach der Ratifikation unter ihrer Mitwirkung und auf gemeinsame Kosten eine entsprechende Vermarkung vorzunehmen und ein Grenzbeschrieb zu erstellen sein wird.

2.

Zu Art. I und II A, Ziffer l der Uebereinkunft, insoweit dadurch der Grenz/ug zwischen dem einspringenden Winkel der Seemauer und der zollfreien Straße bestimmt wird, war man darüber einig, daß derselbe in gerader Linie von jenem Winkelpunkte zum gegenüberliegenden Biegungspunkte der zollfreien Straße geführt werden soll, wenn bis zur Vornahme der Vermarkung eine entsprechende Veränderung der Eigenthumsgrenze des K. Eberle erfolgt.

3.

Auch zu Art. II A, Ziffer 4 war man darüber einig, daß, falls die Stadtgemeinde Konstanz die in der dort genannten Uebereinkunft vorgesehene durchgreifende Korrektion des Saubachs bis zu der Höhe der Grenzmarke 22 ausführen · will, die Grenze in die gerade Linie von Grenzmarke 13 nach Grenzmarke 22 verlegt werden soll. Vor der Ausführung der Korrektion zwischen den Grenzmarken 13 und 19, beziehungsweise 13 und 22, soll der Korrektionsplan den beiderseitigen Regierungen zur Genehmigung vorgelegt werden.

1052 4.

Das gegenwärtige Protokoll soll gleiche Verbindlichkeit; wie die Uebereinkunft haben und mit derselben ratifiziii werden, beziehungsweise als ratifiziii gelten.

Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten dieses Protokoll unterschrieben und besiegelt.

So geschehen zu B e r n , den acht und zwanzigsten April achtzehnhundert acht und siebenzig (28. April 1878).

(L. S.) (Gez.) A. 0. Aepli.

,,

H. Siegfried.

C. Haffter.

(L. S.) (Gez.) Hardeck.

,,

Haas.

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Botschaft des Bundesraths an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Grenzregulirung bei Konstanz. (Vom 4. Juni 1878.)

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