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Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 28. November 1878.)

Der Bundesrath hat beschlossen, an die Regierungen der Kantone Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Zug, Freiburg, Appenzell I./Rh., Tessin und Wallis wegen dein in der Kapelle von Chêne-Bourg (Genf) Geschehenen das nachstehende Kreisschreiben zu richten : ,,Getreue, liebe Eidgenossen !

,,Kurze Zeit nach Veröffentlichung des Schreibens, mit welchem wir die von Papst Leo XIII. anläßlich seines Amtsantritts an uus gerichtete Zuschrift beantworteten, und unmittelbar auf die von öffentlichen Blättern berichteten Vorgänge, welche bei Gelegenheit einer gerichtlichen Untersuchung in der Kapelle von Chêne-Bourg stattgefunden haben sollten, kamen uns von den Regierungen der Kantone Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Zug, Freiburg, Appenzell Inner-Rhoden, Tessin .und Wallis im Wesentlichen übereinstimmende Eingaben zu, in welchen über die in verschiedenen Kantonen von Seite ihrer Regierungen der römisch-katholischen Kirche bereitete Lage Beschwerde geführt und an den Bundesrath das Ansuchen gestellt wurde, er wolle behufs Beseitigung dieser von den römischen Katholiken der Schweiz schwer empfundenen Zustände, unter Wiederaufnahme der s. Z. abgebrochenen Verbindungen mit dem päpstlichen Stuhle, bei den Regierungen der betreffenden Kautone seine Intervention eintreten lassen.

,,Diesen Kundgebungen der Regierungen folgte eine große Menge von Petitionen aus allen katholischen Kantonen, bedekt mit zahlreichen Unterschriften, welche sich über Verfolgungen und Schmälerungen, denen die römisch-katholische Kirche in mehreren Kantonen ausgesezt sei, beklagten, und namentlich gegen die flagrante Verlezung der Kultusfreiheit, welche in Chêne-Bourg den dortigen römischen Katholiken widerfahren sei, auf das Lebhafteste protestirten.

,,Nachdem leztere Vorgänge schließlich Gegenstand einer direkten und förmlichen Beschwerde der dabei Betheiligten geworden waren, befanden wir uns in der Lage, in eine nähere Untersuchung derselben einzutreten.

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,,Nach Abschluß derselben erledigten wir die Beschwerde durch den von uns unterm 26. d. M. gefaßten Beschluß, welchen wir, mit Rüksicht darauf, daß ihre Eingabe wesentlich durch eben jene Vorgänge in Chêne-Bourg veranlaßt worden, beiliegend mitzutheilen die Ehre haben. (Siehe Seite 416 hienach.)

,,Was sodann die allgemeinen Beschuldigungen betrifft, welche gegen mehrere Kantone bezüglich ihrer Gesezgebung und Verwalo O O Ö tung in Kirchensachen erhoben werden, sowie das an uns gerichtete Begehren, bei diesen Kantonen behufs Aufhebung oder Abänderung gewisser Geseze und Verordnungen zu interveniren, so ist ganz abgesehen von dem Inhalt der Begehren, die von der Bundesverfassung dem Bundesrathe auf diesem Gebiete angewiesene Stellung eine solche, welche ein Eintreten in jene allgemeinen Klagen und ein Vorgehen in dem von Ihnen angedeuteten Sinne nicht zuläßig erscheinen läßt.

Es liegt in der konstitutionellen Befugniß der Kantone, auf ihrem Gebiete das äußere Verhältniß des Staates zu den verschiedenen Kirchen und Glaubensgenossenschaften so zu ordnen, wie sie es für angemessen erachten, und der Bund ist nur darüber zu wachen berufen, daß die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewahrt und die freie AusübungO gottesdienstlicher Handlungen innerhalb Ö den Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung für alle gesichert bleibe.

,,Diesen Standpunkt hat der Bundesrath in den zahlreichen Rekursen, welche in den lezten Jahren aus dem staatskirchlichen Gebiete vor sein Forum gelangten, und welche eben die in den Eingaben der Kantonsregierungen jezt im Allgemeinen als verfassungswidrig angefochtenen Geseze und Maßnahmen betrafen, bei seinen daherigen Entscheiden wiederholt dargelegt, und das Festhalten an demselben ist ebensosehr durch die Achtung vor der Bundesverfassung, als durch die Sorge für die Aufrechthaltung des Friedens in der Eidgenossenschaft aufs Unzweideutigste geboten.

,,Was endlich die permanente diplomatische Vertretung des päpstlichen Stuhles anbetrifft, sind wir zu der Bemerkung veranlaßt, daß wir nicht gesonnen sind, in dieser ausschließlich den eidgenossischen Behörden zustehenden Frage zu einer Aenderung der bestehenden Verhältnisse Hand zu bieten, daß es aber den Kantonen nichts desto weniger freisteht, im einzelneu Fallefür den Verkehr mit dem päpstlichen Stuhle unsere Vermittlung in Anspruch zu nehmen.

,,Wir henuzen den Anlaß, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns dem Machtschuze Gottes zu empfehlen. a

408 (Vom 6. Dezember 1878.)

Der Bundesrath hat den von der Bundesversammlung am 22. Dezember v. J. bewilligten Bundesbeitrag von Fr. 15,000 an schweizerische Hüfsgesellschaften im Auslaude vertheilt.

Das Tableau über die stattgefundene Vertheilung wird in der nächsten Bundesblattnummer erscheinen.

Nachdem die Referendumsfrist für das Bundesgesex betreffend Abänderung des Gesezes über die Besoldung der eidgenössischen Beamten, vom 21. August 1878*), am 29. November abhin abgelaufen ist, ohne daß von jenem Volksrechte Gebrauch gemacht worden wäre, hat der Bundesi-ath dieses Gesez auf den 1. Januar 1879 als vollziehbar erklärt.

*) Siehe Bundesblatt vom Jahr 1878, Band III, Seite 648.

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Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathes.

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1878

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54

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07.12.1878

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406-408

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