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Schweizerisches Bundesblatt.

30. Jahrgang. I.

Nr. 9.

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23. Februar 1878.

Bundesgesez betreffend

Handhabung der Bahnpolizei.

(Vom 18. Körnung 1878.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung von Art. 31, Absaz 6 des Bundesgesezes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Christmonat 1872; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 3. Christmonat 1877, beschließt:

Art. 1.

Es ist allen nicht zum Bahndienst gehörigen Personen verboten, ohne Erlaubniß der Bahnverwaltung oder ohne eine auf privatrechtlichem Titel beruhende Berechtigung an andern als an den ihrer Bestimmung nach dem Publikum geöffneten Stellen das Gebiet einer dem Betriebe übergebenen Eisenbahn oder ihrer Zubehörden zu betreten.

Bundesblatt. 30. Jahrg. Bd. I.

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262 Von diesem Verbote werden die mit der Beaufsichtigung der Eisenbahnen und ihres Betriebes betrauten Inspektionsbeamten, sowie die Polizei-, Gerichts-, Zoll-, Post- und Telegraphen-, Forst-, ^Bau- und Kataster-Beamten insoweit nicht betroffen, als ihnen zur Ausübung ihres Dienstes der Zutritt zu der Bahn und ihren Anlagen nothwendig ist. Zu ihrer Legitimation sind sie, soweit nicht Dienstkleidung,, Dienstzeichen u. dgl. sie ohnedies kenntlich machen, auf Verlangen ihrer Oberbehörde von der Bahnverwaltung mit einem Ausweis zu versehen.

Art. 2.

Es ist verboten, auf der Bahn oder ihren Zubehörden,, soweit sie nicht (wie Bahnhofpläze, Verladungsräume, Wegübergänge) hiefür geöffnet sind, zu reiten, zu fahren, Thiere auf dieselbe zu treiben oder einzulassen.

Die Wagen, welche"Reisende zur Bahn bringen oder von daher abholen, müssen an den von der Ortspolizei dazu bestimmten Stellen auffahren.

Art. 3.

Bei Wegübergängen dürfen Fußgänger, Reiter, Fuhrwerke und Thiere die Bahn beim Herannahen eines Zuges, nicht überschreiten. Bei bewachten Uebergängen gilt dieses Verbot, so lange die Schranken geschlossen sind und nicht von Bahnbediensteten geöffnet werden.

Die Barrieren von Privatübergängen für Fuhrwerke und Fußgänger sind in der Regel geschlossen und werden von den Berechtigten zur Benuzung des Ueberganges unter eigener Verantwortlichkeit geöffnet und wieder geschlossen.

Zehn Minuten vor dem Eintreffen eines Bahnzuges darf keine Herde mehr über die Bahn getrieben werden.

Art. 4.

Auf den Wegübergängen dürfen Fußgänger, Reiter Thiere und Wagen nicht länger als zum Ueberschreitennöthig ist, verweilen.

263 Fuhrwerke dürfen nur im Schritte über die Bahn gefahren werden.

Treibvieh, Fuhrwerke, Reiter, welche an einem Bahnübergange, während er gesperrt ist, anlangen, sollen in einer Entfernung von wenigstens 10 Metern vor den Schranken halten.

Pflüge, Eggen, Baumstämme und andere schwere Gegenstände, wodurch die Bahn beschädigt oder der Verkehr auf derselben gehemmt werden könnte, dürfen nur auf Wagen oder untergelegten Schleifen über die Bahn gefahren werden.

Art. 5.

Es ist verboten, die Bahn oder ihre Zubehörden (Dämme, Gräben, Gebäulichkeiten, Transportmaterial, Einfriedigungen, Signale, Telegraphenleitungen, Warnungstafeln, Gradientenzeiger u. s. w.) zu beschädigen oder daran etwas zu verändern, Wasserabzüge zu verstopfen, eigenmächtig die von den Bahnangestellten bedienten Wegübergangsschranken zu öffnen, Steine, Holz u. dgl. auf die Bahnebene zu werfen oder zu legen, Signale nachzuahmen, falschen Alarm zu erregen, Weichen oder Signalscheiben unbefugt zu handhaben, überhaupt irgend welche den Betrieb störende oder gefährdende Handlungen vorzunehmen.

Art. 6.

Wer auf Bahnhöfen oder in Bahnzügen oder mit Bezug auf die Beförderung von Personen, Gepäk, Thieren oder Waaren sich ein Verhalten zu Schulden kommen läßt, welches durch bundesräthlich genehmigte und veröffentlichte Réglemente verboten ist, soll mit Buße belegt werden, wenn eine Abmahnung seitens eines Bahnangestellten ohne Erfolg geblieben ist, oder auch, wenn zwar eine Abmahnung nach den Umständen nicht erfolgen konnte, der Fehlbare aber nach den Verhältnissen die Unzuläßigkeit seiner Handlungsweise kennen mußte.

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Art. 7.

Verlezungen obiger Bestimmungen sind bei der Polizeioder Gerichtsstelle einzuklagen, welche nach dem am Orte der Begehung der Uebertretung geltenden Rechte zuständig ist.

Kann sich der Fehlbare über seine Person, seinen Stand und Wohnort nicht glaubwürdig ausweisen, oder hat derselbe in der Schweiz keinen festen Wohnsiz, so ist von ihm eine angemessene Kaution gegen Empfangsbescheinigung zu verlangen und dieselbe mit der Anzeige zu übermitteln. Wird diese Kaution nicht geleistet, so erfolgt persönliche Zuführung des Betreffenden an die nächste Ortspolizeibehörde, welche den Bericht entgegennimmt und als Strafantrag behandelt.

Art. 8.

Unter Artikel 5 fallende Uebertretungen werden mit einer Buße bis auf 100 Franken, die übrigen mit einer solchen bis auf 20 Franken bestraft.

Unerhältliche Bußen sind in Gefängniß umzuwandeln, wobei ein Tag zu 3 Franken zu berechnen ist.

Art. 9.

Die unter die Artikel l--6 fallenden Polizeiübertretungen sind drei Monate nach der Begehung verjährt.

Art. 10.

Wenn eine durch die Artikel l--6 mit Buße bedrohte Handlung oder Unterlassung gemäß eidgenössischem oder kantonalem Rechte als ein Vergehen oder eine schwerere Polizeiübertretung, insbesondere gemäß Art. 67 des Bundesstrafrechtes vom 4. Hornung 1853, als absichtliche oder fahrläßige Gefährdung von Eisenbahnzügen erscheint, so ist sie nach ihrer schwereren Qualifikation zu verfolgen.

265 Vorbehalten bleibt auch in allen Fällen die Greltendmachung der zivilrechtlichen Ansprüche für den durch Polizeiübertretungen zugefügten Schaden.

Art. 11.

Die kantonalen Behörden beurtheilen die Uebertretung gemäß den Strafbestimmungen dieses Gesezes, im Uebrigen, was das Verfahren, die Kompetenz, die Rechtsmittel, den Anfall der Geldbußen'u. s. w. anbetrifft, nach den jeweilen bestehenden kantonalen Vorschriften. Nach leztern richtet sich auch die Strafverjährung.

Art. 12.

Jede Bahngesellschaft bezeichnet diejenigen Beamten und Angestellten, welche zur Ausübung der Bahnpolizei berechtigt sind, unter Anzeige an den Bundesrath und an die betreffenden Kantonsregierungen.

Diese Beamten und Angestellten stehen innerhalb des ihnen durch gegenwärtiges Gesez angewiesenen polizeilichen Geschäftskreises hinsichtlich ihres amtlichen Charakters den kantonalen Polizeibediensteten gleich, und sind- auch in gleicher Weise wie diese amtlich in Pflicht zu nehmen.

Der kantonalen Polizei bleiben die mit der Ausübung ihres Aufsichtsrechtes verbundenen Befugnisse in vollem Umfang vorbehalten.

Art. 13.

Die Bahnverwaltungen haben durch Anschlag an geeigneten Stellen (auf Bahnhofpläzen, in Wartsälen, bei Weg"ubergängen u. s. w.) das Publikum an die nach der Oertlichkeit besonders in Betracht fallenden Bestimmungen dieses Gesezes und der durch dasselbe mitumfaßten Réglemente (Art. 6) zu erinnern und dafür zu sorgen, daß die Bahnpolizeibeamten bei Ausübung ihres Dienstes mit einem Abzug des Gesezes versehen seien.

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Art. 14.

Durch das Inkrafttreten dieses Gesezes werden sämmtliche demselben widersprechenden Bestimmungen der kantonalen Geseze und Verordnungen und der Réglemente der Bahn Verwaltungen aufgehoben.

Art. 15.

Der Bundesrath wird beauftragt,' auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesezes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesezes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusezen.

Also beschlossen vom Ständerathe, B e r n , den 15. Körnung 1878.

Der Präsident: Hoffmann.

Der Protokollführer : J. L. Lutscher.

Also beschlossen vom Nationalrathe, B e r n , den 18. Körnung 1878.

Der Präsident : Marti.

Der Protokollführer: Schiess.

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Der schweizerische Bundesrath beschließt: Aufnahme des vorstehenden Bundesgesezes in das Bundesblatt.

B e r n , den 21. Hornung 1878.

Der Bundespräsident : Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

N o t e . Datum der Publikation : 23. Hornung 1878.

Ablauf der Einspruchsfrist: 24. Mai 1878.

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Nachtragsgesez betreffend

Abänderung von Art. 9 des Gesezes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Dezember 1872.

(Vom 14. Februar 1878.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 29. Januar 1878, bes c h i ießt: Art. 1. Der neunte Artikel des Gesezes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 23. Dezember 1872, erhält folgende Faßung : ,,Art. 9. Den Bahnbeamten und Angestellten ist wenigstens je der dritte Sonntag freizugeben.

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Bundesgesez betreffend Handhabung der Bahnpolizei. (Vom 18. Hornung 1878.)

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Jahr

1878

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1

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09

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.02.1878

Date Data Seite

261-268

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10 009 870

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