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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die Motion des Herrn Ständerath Brosi, betreffend Sicherstellung der Eisenbahnkrankenkassen u. s. w.

(Vom 6. Juni 1878.)

Tit.!

Der Ständerath hat am 12. Dezember 1877 auf Grund einer Motion nachfolgenden Beschluß gefaßt: ,,Der Bundesrath wird eingeladen, beförderlich Bericht und Antrag einzubringen, auf welche Weise das Vermögen der Kranken-, Unterstüzungs- und Pensionskassen der schweizerischen Eisenbahngesellschaften, sowie die Baarkautione ihrer Angestellten für den Fall der Zwangsliquidation einer Gesellschaft zu Gunsten der Angestellten sicher gestellt werden kann."

Diese Anregung wurde begründet unter Hinweisung auf die bedenkliche ökonomische Lage einzelner Bahngesellschaften und die daraus drohende Gefährdung des denselben anvertrauten Vermögens der Kranken-, Unterstüzungs- und Pensionskassen und der von einzelnen Beamten oder Beamtenklassen deponirt Baarkautionen und mit Rüksicht darauf, daß vorausgegangene Schritte der Interessirten bei den obersten Verwaltungs- und Gerichtsbehörden nicht zu dem angestrebten Ziele geführt hätten.

'

1101 Es ist richtig, daß schon am 20. Juni 1877 der Verein schweizerischer Lokomotivführer mit einer Eingabe ans Eisenbahn- und Handelsdepartement gelangte, worin aufmerksam gemacht wurde auf ,,einen sehr fühlbaren Mangel im Bundesgesez über die Verpfändung und die Zwangsliquidation schweizerischer Eisenbahnen vom 24. Juni 1874.tt Die Eingabe führte aus, daß bei den verschiedenen Eisenbahngesellschaften sowohl die Baarkautionen der Beamten und Angestellten, als auch die Gelder der Kranken-, . Unterstüzungs- und Pensionskassen gezwungenermaßen bei den Gesellschaftskassen in Verwaltung liegen. Nun begründe aber die Thatsache, daß im Artikel 38 des zitirten Gesezes diese Einlagen nicht als privilegirt aufgeführt werden, die Befürchtung, daß dieselben im Falle einer Zwangsliquidation als Currentforderung behandelt werden könnten, obschon sie in Wahrheit Depositen seien und zudem der lezte Saz des § 25 wenigstens das Vermögen der Kranken-, Unterstüzungs- und Pensionskassen ausdrüklich von der Liquidation ausnehme und überhaupt alle Gründe der Billigkeit gegen eine Gefährdung desselben sprechen.

Auf diese Eingabe wurde den Petenten unterm 22. Juni erwidert, daß das Departement eine so dringende Gefahr nicht überall zu erkennen vermöge, da seines Wissens wenigstens die Kranken-, Unterstüzungs- und Pensionskassen in der Regel separat verwaltet werden und deren Vermögen von dem der Bahngesellschaft ausgeschieden sei, in der Art, daß dessen Vindikation nach § 25, Lemma 3 des Gesezes statthaft sein dürfte. Eventuell könnte bei Eintritt einer Zwangsliquidation ein Masseverwalter eine Ausscheidung noch vornehmen, vorausgesezt allerdings, daß die erforderlicher. Aktiven disponibel seien. Immerhin werde viel auf die Umstände ankommen, unter denen der einzelne Fall stehe, und es könne allerdings eine für alle Voraussezungen befriedigende Antwort nicht und um so weniger gegeben werden, als, wenn das Bundesgericht nicht derselben Ansicht wäre, eine vom Bundesrath ausgehende Interpretation des Gesezes nichts nüzen würde. Für alle Fälle aber werde das Departement die Bahn Verwaltungen auf die angeregte Frage aufmerksam machen und sie zu einem die Interessen ihrer ArigesteHten möglichst sichernden Verfahren zu bestimmen suchen.

Der Verein schweizerischer Lokomotivführer ersuchte nun das Bundesgericht um seine Ansicht
über die Bedeutung und Tragweite des Gesezes, erhielt aber von diesem die Antwort, daß es zu authentischer Interpretation von Gesehen nicht berechtigt sei und nur in speziellen Streitfällen nach Anhörung beider Parteien Recht sprechen könne. Eine Interpretation des Gesezes müßte auf dem Wege der Gesezgebung gesucht werden.

1102 Hierauf folgte am 22. Oktober 1877 eine Eingabe des mehrgenannten Vereins an den Bundesrath, und es wurde dieser angegangen, den eidgenössischen Käthen eine Ergänzung des Gesezes in dem Sinne vorzuschlagen, daß ,,die unbedingte Sicherstellung der bei den schweizerischen Eisenbahnen Seitens der Eisenbahnangesleilten deponirten Baarkautionen, sowie der Kranken-, Unterstüzungs- und Pensionskassen staatlich garantirt werde."

Davon ausgehend , daß der Anregung des Vereins schweizerischer Lokomotivführer eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen sei und daß die finanziellen Verhältnisse einzelner Bahngesellschaften ein Aufsehen der Behörden wohl rechtfertigen , hatte unser Eisenbahn- und Handelsdepartement schon am 14. Juli 1877 die Eisenbahnverwaltungen um Auskunft darüber angegangen, wie hinsichtlich der Verwaltung der Kranken-, Unterstüzungs- und Pensionskassen und der Baarkautionen verfahren werde und durch welche Maßregeln für die Zukunft die Gesellschaften einer Gefahrdung dieses Vermögens vorzubeugen gedenken. Am 23. Januar 1878, nachdem inzwischen die eingangsgenannte Motion gestellt worden war, wurde eine Aktenvervollständigung angeordnet, indem nun die Bahngesellschaften mittelst Zirkulars zu einer bestimmten Erklärung darüber eingeladen wurden, ob , bis zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise sie sich entschließen könnten, die ihren Angestellten oder den bestehendeu Krankenkassen u. dgl.

schuldigen Summen, soweit dies noch nicht geschehen sei, aus dem Gesellschaftsvermögen auszusondern und selbstständig anzulegen.

Dieses Zirkular, von welchem wir ein Exemplar den Akten beischlieiion, ging ausdrüklich davon aus, daß eine befriedigende Lösung der aufgeworfenen Frage auf dem Wege der Interpretation von § 38 des Gesezes nicht zu finden sein dürfte ; daß man also, falls geholfen werden wolle, zu einer Gesezes an der u n g, beziehungsweise E r g ä n z u n g schreiten müßte, daß aber nach den auf das Kreisschreiben vom 14. Juli 1877 eingegangenen Mittheilungen der Bahngesellschaften die Möglichkeit vorläufig nicht als ausgeschlossen erscheine, daß diese sich bereit finden hissen möchten, die Angelegenheit von sich aus und aus freien Stüken in zureichender Weise zu ordnen , wodurch dann den Bundesbehörden die Nothwendigkeit neuer Reglementirung erspart bleiben würde.

Und in der That
gewann es den Anschein, als sollte es gelingen, die Angelegenheit in dieser einfachen Weise, unter eigener Mitwirkung der Bahnen, zur Erledigung zu bringen. Die Antworten der Bahnverwaltungen ergaben zunächst folgendes Bild über den Stand der Dinge:

1103 1) Bei den V e r e i n i g t e n S c h w e i z e r b a h n e n (inbegriffen die Toggenburgerbahn und Wald-Rüti) bestehen: a. eine Unterstüzungskasse, deren § 24 bestimmt, daß die vorhandenen Gelder entweder der Kasse der Bahngesellschaft übergeben oder vom Verwaltungsrath der leztern in soliden Werthpapieren angelegt werden sollen. Die Verwaltung selbst wird unter Mitwirkung eines Komite der Bahnangestellten durch die Hauptkasse unter Oberaufsicht des Verwaltungsraths geführt. Von dem dermaligen Kapitalbestand dieser Kasse sind Fr. 450,000 schon früher in Pfandbriefen und Staatsobligationen angelegt worden ; Fr. 26,000 schuldet noch die Bahngesellschaft; b. eine Arbeiterkrankenkasse mit dermalen zirka Fr. 6000 Vermögen. Diese Kasse wird unter Aufsicht der Generaldirektion von der Hauptkasse der Vereinigten Schweizerbahnen verwaltet und verzinst; c. eine Depositen- und Ersparnißkasse, deren Benuzung den Bahnangestellten freisteht, und die gegenwärtig einen Kapitalbestand von Fr. 150,000 aufweist; d. ein Conto für die von einzelnen Beamten und Angestellten oder Kategorien derselben geleisteten Baarkautionen. Diese Baarkautionen liegen verzinslich in der Hauptkasse der Gesellschaft. Die Generaldirektion erklärt übrigens, daß eine Verpflichtung zur Leistung von Baarkautionen für keinen ihrer Angestellten bestehe, sondern denselben vielmehr als Vergünstigung das Recht eingeräumt worden sei, durch Rükläße auf dem monatlichen Gehalt einen Theil ihrer Kaution zu deken, anstatt dieselbe von Anfang an voll zu leisten.

Jedem derselben stehe der Rükzug seiner Baarkaution im Austausch gegen Personal- oder Realkaution in Werthschriften frei.

Die Generaldirektion der Vereinigten Schweizerbahnen weigert sich, nicht, die noch in ihren Händen liegenden Gelder der Unterstüzungs- und der Krankenkasse und die Baarkautionen in dritte Hand zu legen, sofern ihre Angestellten dagegen nichts einwenden.

Sie hält indessen dafür, daß dies nicht nothwendig wäre, wenn man sich entschließen könnte, den § 38 des Verpfändungsgesezes in dem Sinne abzuändern, daß auch das Vermögen jener Kassen und die Baarkautionen privilegirt würden.

Die Depositen- und Ersparnißkasse dagegen könne um ihrer Grundlagen willen nicht behandelt werden wie die oben genannten, andern Kassen.

1104 2) Die N o r d o s t b a h n hat für ihr sätnmtliches Personal a. eine Unterstüzungskasse, deren Verwaltung eine unter Aufsicht der Direktion stehende Kommission der interessirten Beamten besorgt. Diese Unterstüzungskasse hatte pro Ende 1877 ein Guthaben an die Hauptkasse von 22,644. 03; das übrige Vermögen (circa 700,000 Fr.) sei in Werthschriften angelegt, welche, genau ausgeschieden von denjenigen der Gesellschaft, im Werthschriftenarchiv liegen. Die Kommission ist von der Direktion eingeladen worden, auch das noch bei der Hauptkasse liegende Restguthaben zurükzuziehen und anderweitig anzulegen; b. eine Arbeiterkrankenkasse mit Fr. 38,927. 50 Vermögen, welches, wie auch die weitern Eingänge, bei soliden Bankinstituten zinstragend werde angelegt werden. Die Verwaltung dieser Kasse steht bei der Direktion ; indessen existirt auch hier eine Kontroi-Kommission, welche von den betheiligten Arbeitern gewählt wird ; c. Baarkautionen im Betrag von Fr. 167,418. 20 vom Lokomotivund Datnpfbootpersonal und den Güterarbeitern, Fr. 11,150 von andern Angestellten.

Die leztern sind zur Auswechslung ihrer Kautionen gegen andere Real- oder Personalkaution eingeladen worden; die übrigen Kautionen will die Direktion wiederum durch Anlage bei soliden Bankinstituten sicher stellen.

3) N a t i o n a l b a h n . Die Verwaltung der Unterstüzungskasse ist einer von den Bahnangestellten zu wählenden Kommission übertragen. Die Gelder sollen in Papieren mit pupillarischer Sicherheit angelegt werden. Am 2. Februar 1878 waren Fr. 28,000 in Werthschriften angelegt; Fr. 3545. 35 lagen in der Kasse der Bahngesellschaft.

Die Mittel der Krankenkasse werden von der Hauptkasse verwaltet und haben am soeben genannten Tage Fr. 7056. 51 betragen.

Die Baarkautionen sind bei der Bank in Winterthur deponirt.

4) Die T ö ß t h a l b a h n hat eine ungetheilte Kranken- und Unterstüzungskasse, welche der Betriebsverwaltung unterstellt ist, deren Mittel aber (am 3. April 1878 Fr. 10,606. 66) bei der Hypothekarbank in Winterthur deponirt sind und statutengemäß ihrem Zwek nicht entfremdet werden dürfen.

Baarkautionen werden nicht gefordert, und es wurden auch keine geleistet.

1105 5) Die Direktion der G o t t h a r d b a h n , die zurzeit auch keine Baarkautionen von Angestellten in Händen hat, würde solche bei Eingang an drittem Orte deponiren. Hinsichtlich der Unterstüzungs- und Krankenkassen bemerkt dieselbe, daß solche noch nicht organisirt seien ; es bestehe aber die Absicht, zu bestimmen, daß das Vermögen derselben vom Gesellschaftsvermögen ausgeschieden und separat verwaltet werde.

6) E m m e n t h a l b a h n , R o r s c h ach - H e i d e n , L u z e r n Ri g i b a h n , A p p e n z e l l e r b a h n undA r t h - R i g i b a h n legen statutengemäß die disponibeln Mittel ihrer Unterstüzungskassen an sicherem Orte an, ebenso allfällige Baarkautionen.

7) Die Unternehmungen L a u s a n n e - E c h a l l e n s und U e t l i b e r g b a h n , ebenso W ä d e n s w e i l - E i n s i e d e l n , führen z. Z. noch keinerlei Kranken- oder Unterstüzungskassen.

Dagegen haben die leztern zwei Gesellschaften, wie übrigens auch die Lüzern-Rigibahn und die Gotthardbahn, ihr Personal auf Gesellschaftskosf.cn bei Unfallsversicherungsanstalten versichert.

8) Die S u i s s e O c c i d e n t a l e berichtete, daß im Interesse ihres Personals folgende Hilfskassen organisirt seien : a. eine gegenseitige Unterstüzungs- (Kranken-) Kasse, die von den betheiligten Angestellten geäufnet wird und deren Betrag (Fr. 61,045) bei der Kantonalbank in Lausanne deponirt liege; b. eine ausschließlich von der Biihnverwaltung dotirte Invalidenkasse. Die darin geäufneten Fonds bleiben Eigenthum der Bahngesellschai't, und es werden eventuell ihre Erträgnisse dem laufenden Betriebsausgäben-Conto überwiesen, welcher dagegen für alle fällig werdenden Unterstüzungen und Pensionen aufzukommen hat.

An Kautionen haben auf Ende 1877 annähernd Fr. 400,000 in der Hauptkasse gelegen. Aus formellen Gründen lehnt es die Direktion der Suisse Occidentale ab, diese Summe als solche an drittem Ort zu deponiren ; denn, führt sie aus, damit würde das Motiv untergehen, welches dem System der Baarkautionen zu Grunde liege, die Möglichkeit nämlich, bei vorkommenden Schadensverpfliclitungen des Personals den Schadenersaz ohne weitläufige Exekution einzuheben; dagegen wolle sie dafür Sicherheit leisten. Schon jezt habe die Gesellschaft 640 Obligationen des Franco-Suisse im Kurswerth von Fr. 211,400 bei der Waadtländer Kantonalbank deponirt; den Rest werde sie soweit möglich theils sofort durch Hinterlage weiterer Titel (für .Fr. 59,600) und theils im Laufe des

1106 Jahres 1878 entweder durch Vermehrung des Titeldepots oder dann durch Baarschaft an demselben Orte deken.

Das Vermögen der Invalidenkasse glaubt die Direktion mit Rüksicht auf dessen Herkunft und das von der Bahngesellschaft vorbehaltene Eigenthum daran nicht deponir zu müssen.

9) Am längsten ließen die definitiven Antworten der J u r a B e r n - L u z e r n - B a h n u n d d e r Schweiz. C e n t r a l b a h n auf sich warten. Sie trafen von jener erst am 20., von dieser am 21. Mai 1878 ein und zerstörten, soweit dies nicht schon die Ansicht der Suisse Occidentale über die Behandlung des Vermögens der Invalidenkasse gethan leider durch ihren Inhalt vollends die Hoffnung, daß die ganze Angelegenheit durch einfache Aufnahne von befriedigenden Erklärungen der Bahnen ihre Lösung finden könne.

Es meldet nämlich die J u r a - B e r n - L u z e r n - B a h n : Hinsichtlich der Unterstüzungs- und Krankenkasse sei zwar statutengemäß vorgesehen, daß die verfügbaren Gelder in Staatsobligationen angelegt werden sollen. Davon -- und von den Baarkautionen -- waren Ende 1877 rund Fr. 253,000 demgemäß ausgeschieden; für den R.est aber, worunter u. A. Fr. 88,630. 40 aus Baarkautionen stehen, sei die Gesellschaftskasse Schuldnerin.

Was die Bödelibahn anbetreffe, so liegen sämmliche Gelder der Beamten und Angestellten in der Betriebskasse dieser Gesellschaft.

Auch die Direktion der Jura-Bern-Luzernbahn würde die beste Lösung der Frage in der Schaffung eines Konkursprivilegiums finden ; sie wird aber, wie sie beifügt, allen Anordnungen nachkommen, welche die Staatsbehörden allenfalls in anderer Richtung aufstellen mögen.

Das Direktorium der Schweiz. C e n t r a l b a h n sagt, die gegenwärtig bestehenden Statuten schreiben sowohl für die Hilfs wie für die Krankenkassen vor, daß die vorhandenen Gelder von der Kasse der Bahngesellschaft verwaltet und verzinset M'erden.

Die Hilfs- (Unterstüzungs- und Pensions-) Kasse zeigte pro Ende 1877 einen Bestand von zirka Fr. 950,000; die drei verschiedenen Krankenkassen haben ein Vermögen von zirka Fr. 32,000.

An Baarkautionen in Verwaltung des Direktoriums waren Fr. 496,000 vorhanden.

Das Direktorium erklärt, zu einer Ausscheidung dieser Beträge aus dem Gesellschafts vermögen sich, wenigstens zur Zeit, nicht

1107 entschließen zu können. Dieselben seien im vertragsmäßigen Besiz der Bahngesellschaft, welche überdem die Hilfs- und Krankenkasse mit jährlichen großen Beiträgen geäufnet habe. /Eine solche Ausscheidung würde zunächst die Beamten und Angestellten selbst schädigen, da eine besondere Verwaltung mit Kosten verbunden wäre und eine geringere Verzinsung zur Folge haben müßte.

Die Ausscheidung würde aber auch um der finanziellen Verhältnisse der Bahngesellschaft willen dermalen nicht thunlich sein, da dieselbe die Aufnahme eines Anleihens im Betrag der obgenannten Summen nöthig machen würde. Bei dem gegenwärtigen Stand des Geldmarkts und den schlechten Betriebseinnahmen dürfte ein solches Anleihen kaum zu negoziren sein; die vorhandenen Mittel seien zur Dekung eingegangener Bauverbindlichkeiten bestimmt. Unter allen Umständen aber könnte eine Ausscheidung nur successive und erst von 1882 an stattfinden.

Die angestrebte Sicherung der fraglichen Gelder dürfte nach der Ansicht auch dieser Gesellschaft am ehesten durch Schaffung eines Konkursprivilegiums zu erreichen sein, bei welchem Anlaß dann auch dem im Verpfändungsgesez vorgesehenen Bedürfniß Rechnung getragen werden könnte, den Forderungen aus Vorfrachten und für Benuzung von Bahnanlagen anderer Gesellschaften ein Vorrecht zu gewähren.

Bei dieser Sachlage muß nun allerdings die Frage aufgeworfen werden, ob man sich bei dieser ablehnenden Haltung wenigstens einiger Bahnverwaltungen beruhigen oder aber nunmehr im Sinne der gestellten Motion gesezgeberisch vorgehen will. Wir neigen uns vorläufig auf die leztere Seite, und zwar um so mehr, als es uns scheinen will, es sei bereits durch Art. 25, Absaz 4 des Gesezes über die Verpfändung und die Zwangsliquidation der Eisenbahnen: ,,Das Vermögen der Kranken-, Unterstüzungs-und Pensionskassen ist von der Liquidation ausgenommen", der Weg nach dieser Richtung vorgezeichnet, und es wäre eigentlich nur die Ergänzung einer auffälligen Luke, wenn man jener Bestimmung als Korrelat die andere an die Seite gestellt hätte, daß die Bahnverwaltungen -- unter Aufsicht des Bundesratb.es -- verpflichtet seien, die fraglichen Kassen und Beträge aus ihrem allgemeinen Vermögen dermaßen auszuscheiden, daß im Falle eines Konkurses die Trennung von dem der Liquidation unterliegenden Massegut ohne Anstand und Schwierigkeiten vollzogen werden kann und die Berechtigten (Angestellten, Arbeiter etc.) nicht als Gläubiger der Gesellschaften, sondern als Vindikanten erscheinen.

1108 Fraglich kann es sein, ob neben einer hierauf bezüglichen Bestimmung auch noch im Art. 38 des Bundesgesezes ein Konkurs privilegium aufgestellt werden soll. Bei der nahe liegenden Möglichkeit, daß troz jener Vorschrift hie und da derselben doch entgegengehandelt und daß namentlich z e i t w e i s e einzelne Beträge kleinern Umfangs, etwa bis sich eine größere, zur Kapitalanlage geeignete Summe zusammengefunden hätte, lediglich als Schuld auf den Büchern der Gesellschaft vorgetragen werden könnten, scheint es nicht überflüssig, für derartige Fälle durch Gewährung eines angemessenen Vorrechts im Konkurse die Interessen vor der Gefahr einer Schädigung zu bewahren.

Sind wir nach dem soeben Gesagten durchaus geneigt, der Idee, wie sie in dem ständeräthlichen Auftrag enthalten ist, vollinhaltlich gerecht zu werden, und scheint uns auch die Art und Weise, wie dies zu geschehen hätte, ziemlich klar vorgezeichnet und sehr einfach zu sein, so müssen wir doch vorschlagen, für e i n m a l nicht in die Sache einzutreten.

Es würde sich, nach dem Angebrachten, um eine Revision der Art. 25 und 38 des Bundesgesezes betreffend die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen handeln; nun ist aber namentlich mit Bezug auf den leztgenannten Artikel (38), d. h. auf die Kollokationsordnung im Konkurse der Eisenbahnen, gestuft auf neueste Erfahrungen, vielfach der Wunsch laut geworden, daß auch noch in anderer Hinsicht, namentlich in Betracht der Forderungen anderer Eisenbahnen aus Vorfrachten u. dgl., Aenderungea am bestehenden Recht vorzunehmen seien, und endlich ist von sehr kompetenter Seite die Ansicht ausgesprochen worden, das ganze Gesez habe sich in der Anwendung wenig bewährt und bedürfe einer eingreifenden Umgestaltung.

Angesichts dieser Sachlage schiene es uns kein zwekmäßiges Vorgehen, wenn man sofort die Art. 25 und 38 des Gesezes lediglich mit Rüksicht auf die Frage der Pensionskassen u. s. w. abändern und dann vielleicht innerhalb Jahresfrist wegen anderer Fragen nochmals an dem Gesez ändern wollte; durch solche Flikarbeit wird selten Gutes geleistet. Vielmehr halten wir es für gerathen, etwas genauer die Frage anzusehen, ob und in welchen Beziehungen das betreffende Gesez überhaupt revisionsbedürftig sei und alsdann, wenn die Frage bejaht werden muß, die Revisionsarbeit ernstlich und umfassend
an die Hand zu nehmen.

Hievon ausgehend, haben wir das h. B u n d e s g e r i c h t , als die konkursleitende Behörde im Falle von Liquidationen, um einen gutachtlichen Bericht auf Grund der bisher bei Zwangsliquidationen

1109 gemachten Erfahrungen ersucht, und wir würden gern vor jedem weitern Vorgehen den Eingang dieses Berichts abwarten. Wir glauben auch, daß in einer etwelchen Verzögerung nach der Ihnen vorgeführten Aktenlage eine drohende Gefahr nicht liegt.

Wir werden demnach die Einbringung einer definitiven Vorlage auf den Zeitpunkt versparen, wo wir Seitens des Bundesgerichts die erbetenen Mittheilungen erhalten haben werden.

Genehmigen Sie, Tit., bei diesem Anlaß die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 6. Juni 1878.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die Motion des Herrn Ständerath Brosi, betreffend Sicherstellung der Eisenbahnkrankenkassen u.s.w. (Vom 6.

Juni 1878.)

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15.06.1878

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1100-1109

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