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Bundesblatt 98. Jahrgang.

Bern, den 26. Juni 1941.

Band I.

Erscheint in der Segel alle 14 Tage. Preis Franken im Jahr, Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- and ; 60 Happen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli £ de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Art. 27 und 38 bis 43 der Verfassung des Kantons Appenzell I.-Rh.

(Vom 18. Juni 1941.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

An der Landsgemeinde vom 27. April 1941 haben die stimmberechtigten Bürger des Kantons Appenzell I.-Rh. beschlossen, im Hinblick auf die Beorganisation des Gerichtswesens und die Anpassung der kantonalen Strafgesetzgebung an das schweizerische Strafgesetzbuch die Bestimmungen der Kantonsverfassung über die Begnadigungsbehörde und die richterlichen Behörden, soweit nötig, einer Eevision zu unterziehen. Es handelt sich um eine Änderung der Art. 27 und 88 bis 43. Mit Schreiben vom 8. Mai 1941 suchen Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I.-Eh. für diese Verfassungsänderung die eidgenössische Gewährleistung im Sinne des Art. 6 der Bundesverfassung nach.

Die bisherigen und die neuen Bestimmungen lauten wie folgt: Bisheriger Text.

Neuer Text.

Art. 27.

Der Grosse Eat übt nach einem ergangenen Todesstrafurteile das Begnadigungsrecht aus; er entscheidet im weitern über Strafnachlasse nach den Bestimmungen des Gesetzes und erledigt Rehabilitationsgesuche auf Bericht der Gerichte hin, welche das Entsetzungsurteil ausgesprochen haben.

Art. 27.

Der Grosse Bat entscheidet über Gesuche um Begnadigung und bedingte Entlassung in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen, .

Bundesblatt.

93. Jahrg.

Bd. I.

39

506

Bisheriger Text.

Neuer Text.

6. Abschnitt.

Richterliche Behörden.

6. Abschnitt.

Richterliche Behörden.

1. Allgemeine Bestimmungen.

1. Kantonsgericht.

Art. 38.

Das Kantonsgericht entscheidet : 1. über alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, auf die nach Vorschrift ergriffene Appellation hin; 2. es erlässt erst- und letztinstanzlich alle Urteile in Polizei- und Straffällen, die eine Geldstrafe von über 50 Pranken, eine Freiheitsstrafe von über einem halben Jahre oder das Leben betreffen.

Art. 38.

Es ist den Gerichten unbenommen, aus ihrer Mitte Ausschüsse zu gütlicher Vermittlung von Zivilstreitigkeiten zu bestellen.

Art. 89.

Art. 89.

Zur gültigen Beschlussfassung wird die Anwesenheit von wenigstens neun Mitgliedern erfordert.

Allfällige Ergänzungen bis auf diese Zahl sollen aus den Bezirksgerichten vorgenommen werden.

Durch Gesetz oder Verordnung kann in besonderen Fällen die Beurteilung von Zivil- und Strafrechtsfällen (Übertretungen) auch nicht richterlichen Behörden oder Amtsstellen übertragen werden.

2. Bezirksgericht.

Art. 40.

Das Bezirksgericht besteht als Gericht erster Instanz für den innern Landesteil aus den in den innern Bezirken, dasjenige für Oberegg aus den in diesem Wahlbezirke gemäss Art. 83 gewählten Mitgliedern.

Dasselbe wählt den Präsidenten und dessen Stellvertreter aus seiner Mitte.

Art. 40.

Die Mitglieder der verwaltenden Behörden des Kantons und der Bezirke können den Gerichten nicht angehören. Auch schliesst die Zugehörigkeit zum Bezirksgericht diejenige zum Kantonsgericht aus.

2. Kantonsgericht.

Art. 41.

Das Bezirksgericht erledigt erstinstanzlich alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten; ferner entscheidet es

Art. 41.

Das Kantonsgericht ist die einzige kantonale Instanz für die Beurteilung von Verbrechen.

507

Bisheriger Text.

Neuer Text.

erst- und letztinstanzlich über alle Polizei- und Straffälle nach Massgabe des Art. 38, Ziff. 2, ebenso in allen Injurienklagen.

Zur gültigen Beschlussfassung ist im innern Landesteil die Anwesenheit von neun, in Oberegg von wenigstens fünf Mitgliedern erforderlich.

Das Kantonsgericht ist die Berufungsinstanz gegen Entscheide des Bezirksgerichts.

Zur gültigen Beschlussfassung ist die Anwesenheit von wenigstens n cm n Mitgliedern erforderlich. Allfällige Ergänzungen bis auf diese Zahl sollen aus den Bezirksgerichten vorgenommen werden.

Das Kantonsgericht wählt den Vizepräsidenten aus seiner Mitte.

Art. 41b">.

Durch Gesetz oder Verordnung kann der Erlass von Urteilen in Polizeistraffällen auch andern verfassungsmässigen Behörden übertragen werden.

Art. 42.

Die Mitglieder der verwaltenden Behörden und des Kantonsgerichts sind nicht wählbar.

Art. 43.

Dem Bezirksgericht ist es unbenommen, eine Abordnung zu gütiger Vermittlung der Parteisachen zu bestellen.

3. Bezirksgericht.

Art. 42.

Das Bezirksgericht ist das Gericht erster Instanz in den seiner Beurteilung unterstellten Straf- und Zivilfällen (mit Einschluss der Verwaltungsstreitigkeiten, soweit private Bechtsansprüche in Frage stehen).

Art. 43.

Das Bezirksgericht besteht für den innern Landesteil aus den in den innern Bezirken und für Oberegg aus den in diesem Bezirk gemäss Art. 33 gewählten Mitgliedern.

Es wählt den Präsidenten und dessen Stellvertreter aus seiner Mitte.

Zur gültigen Beschlussfassung ist im innern Landesteil die Anwesenheit von wenigstens neun, in Oberegg von wenigstens fünf Mitgliedern erforderlich. Allfällige Ergänzungen bis auf diese Zahl sollen aus dem Bezirksgericht des andern Landesteils vorgenommen werden.

508

Die von der Landsgemeinde angenommene Verfassungsrevision ist sowohl formeller wie materieller Natur. In formeller Hinsicht wurde eine neue Gliederung durchgeführt, indem aus den bisherigen zwei Unterabschnitten (Kantonsgericht und Bezirksgericht) die allgemeinen Bestimmungen herausgehoben und vorangestellt wurden. Dem Sinne nach entsprechen die neuen allgemeinen Artikel 38, 39 und 40 den alten Artikeln 43, 41Ws und 42, während die neuen speziellen Artikel 41, 42 und 43 aus den früheren Artikeln 88, 39, 40 und 41 hervorgingen. In materieller Hinsicht wird in Art. 27 dem Grossen Bat entsprechend der Terminologie des neuen StGB allgemein die Kompetenz zur Begnadigung und bedingten Entlassung zugewiesen, während er früher das allgemeine Eecht zur Gewährung von Strafnachlass, sowie das Begnadigungsrecht bei Todesurteilen und das vom StGB dem Eichter zugewiesene Eehabilitationsrecht besass. Weiter wird in Art. 41 in Anpassung an das StGB dem Kantonsgericht die allgemeine erst- und letztinstanzliche Kompetenz zur Beurteilung von Verbrechen übertragen, während seine Kompetenz bisher anders abgegrenzt war. Neu wurde für alle andern, dem Bezirksgericht erstinstanzlich unterstellten Straffälle die Appellationsmöglichkeit an das Kantonsgericht aufgenommen. Art. 39 in seiner neuen Fassung sieht vor, dass durch Gesetz oder Verordnung in besondern Fällen die Beurteilung von Zivil- und Strafrechtsfällen, von den letztern aber nur Übertretungen, auch nicht richterlichen Behörden oder Amtsstellen übertragen werden kann. Dies stimmt mit Art. 345 StGB überein, aus dessen Wortlaut zu schliessen ist, dass Verbrechen und Vergehen durch richterliche Behörden beurteilt werden müssen.

Die Organisation der richterlichen Behörden und die Umschreibung ihrer Befugnisse ist gemäss Art. 64, letzter Absatz, und Art. 64Ws, Abs. 2 BV, Sache der Kantone. Die vorliegende Verfassungsrevision hält sich im Eahmen der kantonalen Zuständigkeit. Die neuen Vorschriften enthalten nichts, was mit der Bundesverfassung in Widerspruch stehen würde, und sie tragen auch dem schweizerischen Strafgesetzbuch Eechnung. Wir beantragen Ihnen deshalb, diesen Vorschriften durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 18. Juni 1941.

Im Namen des Schweiz.- Bundesrates, Der Bundespräsident: Wetter.

Der Bundeskanzler:

G. Boret

509 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Gewährleistung der abgeänderten Art. 27 und 38 bis 43 der Verfassung des Kantons Appenzell l.-Rh.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Juni 1941 über die Gewährleistung der Abänderung der Art. 27 und 88 bis 48 der Verfassung des Kantons Appenzell I.-Eh., in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts enthalten, das der Bundesverfassung zuwiderläuft, beschliesst : Art. 1.

Den von der Landsgemeinde am 27. April 1941 beschlossenen Änderungen der Art. 27 und 88 bis 43 der Verfassung des Kantons Appenzell I.-Eh. wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährleistung der abgeänderten Art. 27 und 38 bis 43 der Verfassung des Kantons Appenzell I.-Rh. (Vom 18.

Juni 1941.)

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1941

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4158

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.06.1941

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505-509

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