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Bundesblatt 98. Jahrgang.

Bern, den 29. Mai 1941.

Band I.

Erscheint in der Hegel alle 14, läge. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.

(Vom 21. Mai 1941.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns hiermit, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen mit folgender Botschaft vorzulegen.

A. Entstehungsgeschichte.

1. Als im Zusammenhang mit der Eevision des Obligationenrechts von 1881 dem Normalarbeitsvertrag und dem Gesamtarbeitsvertrag Eingang in die schweizerische Gesetzgebung verschafft wurden, tauchte auch schon die Frage auf, ob und wieweit solchen vertraglichen Eegelungen des Dienstverhältnisses zwingender Charakter gegeben werden könnte. Der Bundesrat führte in seiner Botschaft vom 3.März 1905 folgendes aus: Nun würde es sich bei solchen Typen und Normalverträgen doch immer nur um dispositives Recht handeln, während es Verhältnisse gibt, bei denen gewisse zwingende Massregeln nicht zu entbehren sind. Wir haben uns gefragt, ob nicht der Erlass solcher Vorschriften, soweit sie erforderlich sind, den Verordnungen der Vollziehungsbehörden zugewiesen werden könnte, die den wechselnden Umständen leichter Rechnung tragen und immer wieder die unumgänglichen, den Verhältnissen sich anpassenden Modifikationen vornehmen würden, unter Mitwirkung der gleichen Organe wie bei der Aufstellung jener Vertragstypen. Allein in diesen Fragen handelt es sich zumeist um Ordnungen, die teils dem öffentlichen Becht und teils der Spezialgesetzgebung zuzuweisen sind, so dass es uns richtiger schien, von einer solchen weiteren Neuerung im Entwurfe abzusehen (Bundesblatt 1905, II, S. 36).

Bundesblatt. 93. Jahrg. Bd. I.

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Der Bundesrat wies hier also zwingende Eegelungen über die einzelnen Dienstverhältnisse auf den Weg der Spezialgesetzgebung, zeigte aber anderseits bereits, dass schon damals die Frage solcher allgemeinverbindlicher Verträge aufgetaucht war. In seiner Nachtragsbotschaft vom 1. Juni 1909 sodann schlug er der Bundesversammlung folgende Bestimmung vor: Art. 1871teY Abs. 2.

öffentlich bekanntgemachte Tarifverträge gelten auch für die nicht darauf verpflichteten Arbeitgeber und Arbeiter desselben Berufszweiges und derselben Gegend, soweit diese in ihren Dienstverträgen nicht etwas anderes vereinbaren.

Damit sollte, wie der Bundesrat erklärt, «zum Ausdruck kommen, dass in dem genannten Umfange Tarifverträge als die normale Ordnung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen seien» (Bundesblatt 1909, III, S. 746). In der nationalrätlichen Kommission wurden Stimmen laut, die noch einen Schritt weitergehen und die Allgemeinverbindlichkeit der Gesamtarbeitsverträge in ausgedehntester Form einführen wollten.

Die oben angeführte Bestimmung wurde dann dem revidierten Obligationenrecht nicht einverleibt. Der Vorschlag des Bundesrates zeigt aber wiederum, dass schon von allem Anfang an die Frage bestand, ob nicht der neuen in die Gesetzgebung eingeführten Eechtsfigur des Gesamtarbeitsvertrages ein erweiterter Geltungsbereich zu geben sei. Die Gesamtarbeitsverträge, als eine Quelle für das, was in einem gewissen Berufszweige von den hier bestehenden Verbänden als Eechtens anerkannt wird, haben seither in der Kechtsprechung in steigendem Masse als Auskunftsmittel dafür gedient, was üblich ist -- denn bekanntlich verweist das Obligationenrecht in seinen Bestimmungen über den Dienstvertrag an verschiedenen Stellen auf die Übung --, oder sie dienen dem Eichter als Handhabe für die Ausfüllung von Lücken im Gesetz bzw. in den einzelnen Dienstverträgen. Die sogenannte Fernwirkung solcher Gesamtarbeitsverträge gibt diesen eine über die Vertragsparteien hinausgehende Bedeutung. Das Gewerbegericht der Stadt Bern hat z. B. in einem Entscheide ausgeführt : «Der Gesamtarbeitsvertrag ist das Instrument, das im Gewerbe die gute Ordnung zu schaffen berufen ist; die Bestrebungen gehen deshalb mehr und mehr auf eine möglichst allgemeine Wirkung desselben hin.» Jahresbericht 1929, Nr. 18, S. 28.

Die Bedeutung der Gesamtarbeitsverträge
ist aber namentlich auch insofern gestiegen, als deren Zahl in den letzten Jahren ganz erheblich zugenommen hat. Grundsätzliche Widerstände gegen die kollektive Eegelung der Arbeitsverhältnisse, die früher etwa auf Arbeitgeberseite bestanden hatten, dürften heute kaum mehr eine entscheidende Eolle spielen. Häufiger stösst die gesamtarbeitsvertragliche Eegelung noch auf Bedenken technischer Natur. Trotzdem darf der Gesamtarbeitsvertrag als ein den andern Vertragstypen ebenbürtiges

323 Instrument bezeichnet werden, wenn er in vernünftigen Grenzen gehalten ist und der Anpassung an die Verhältnisse des Einzelfalles genügenden Spielraum lässt.

Die Gesamtarbeitsverträge entspringen namentlich dem Bedürfnis, in den gewerblichen Kreisen mit gleichartigen Verhältnissen die Arbeitsbedingungen, besonders in den wichtigen Punkten wie Arbeitszeit und Lohn, im Interesse der Ordnung und der Erhaltung des sozialen Friedens in einheitlicher Weise zu regem. Insofern diese Verträge in ihren Bedingungen den berechtigten Ansprüchen der Vertragsparteien entsprechen und der allgemeinen Wirtschaftslage des Landes Eechnung tragen, sind sie eine wertvolle Stütze unserer demokratischen Einrichtungen, welche auf der einträchtlichen Zusammenarbeit aller Volksteile beruhen. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit ist heute, angesichts der allgemeinen politischen Lage, noch ausgesprochener als früher.

Die Ausdehnung des Tarifvertragssystems auf das ganze Land hat in die Arbeitsbedingungen mancher Berufsgruppen, so namentlich des Baugewerbes, Ordnung gebracht. Die Herbeiführung gleicher Arbeitsbedingungen, soweit dies möglich und angängig ist, trägt nicht wenig zur Überwindung der Klassengegensätze und zur aufrichtigen Zusammenarbeit bei.

Es hat sich nun immer mehr gezeigt, dass das Abseitsstehen eines Teils der Berufsangehörigen ein starkes Hindernis für die Entfaltung der Gesamtarbeitsverträge bildet, denn bei Nichtbeteiligung eines Teils der Berufsangehörigen an den Vereinbarungen besteht die Möglichkeit, dass die Aussenseiter die loyale Einstellung der an einerVereinbarung Beteiligten zu Konkurrenzzwecken ausnützen. Diese Erwägungen haben das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Grundlage für die behördliche Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zweifellos gesteigert. Seit Kriegsbeginn mehren sich denn auch die Stimmen, die früheren Bestrebungen wieder aufzunehmen und den Gesamtarbeitsverträgen einen über die Verbandsangehörigen hinausgehenden Wirkungsbereich zu geben. Die Milderung des uneingeschränkten Konkurrenzkampfes unter den Unternehmern ist eine Zielsetzung, die gerade heute sicher im Interesse aller steht.

2. Wenn heute die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen ermöglicht und damit ein schon bei der Eevision des Obligationenrechts gestelltes Postulat
verwirklicht werden soll, so kann sich der Bundesrat zur Eechtfertigung dieses Vorgehens einmal auf die Stimmen in den eidgenössischen Eäten berufen, die ihn immer wieder zur Anhandnahme dieser gesetzgeberischen Arbeit aufgefordert haben. Er kann aber auch darauf hinweisen, dass die Institution der Allgemeinverbindlicherklärung seit dem Kriege 1914/18 in der Schweiz da und dort bereits ihre Verwirklichung gefunden hat, eine gesetzgeberische Erfahrung also schon besteht. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist nicht mehr gänzliches Neuland. Nachstehend seien einige kurze Hinweise auf die Entwicklung gegeben, an welche die heute vorliegende Vorlage anknüpft.

324 Die Verallgemeinerung des Wirkungsbereiches einer kollektiven Willenserklärung ist vom eidgenössischen Gesetzgeber wohl erstmals in Art. 708 des Zivilgesetzbuches verwirklicht worden. Darnach sind bei Bodenverbesserungen alle Grundeigentümer zum Beitritt zu einer solchen gemeinschaftlichen Aktion verpflichtet, wenn zwei Dritteile der beteiligten Grundeigentümer, denen zugleich mehr als die Hälfte des beteiligten Bodens gehört, dem Unternehmen zugestimmt haben.

An einer besondern Gesetzgebung für das in Frage stehende Gebiet wurde unmittelbar nach Kriegsende 1914/18 gearbeitet. Das in der Volksabstimmung verworfene Bundesgesetz vom 27. Juni 1919 betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses bezweckte die Schaffung einer einheitlichen Grundlage für die Allgemeinverbindhcherklärung von Gesamtarbeitsverträgen. Im Jahre 1920 kam es hierauf im Volkswirtschaftsdepartement zu einem Entwurfe für ein besonderes Bundesgesetz betreffend die Verbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen, der aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Institution der Allgemeinverbindlicherklärung von Kollektivverträgen fand dann Eingang in den von den eidgenössischen Bäten am 13. Oktober 1922 erlassenen Bundesbeschluss betreffend staatliche Hilfeleistung für die schweizerische Stickereiindustrie.

Die Erkenntnis, dass die Gesamtarbeitsverträge als Maßstab dafür herangezogen werden können, was in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern üblich ist, fand auch ihren Ausdruck im Bundesratsbeschluss vom 4. März 1924 betreffend die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen durch die Bundesverwaltung. In dieser für die Bundesverwaltung heute noch geltenden Submissionsordnung wurde ausdrücklich erklärt, dass «als üblich gelten vor allem die Arbeitsbedingungen, die in Gesamtarbeitsverträgen oder in Vereinbarungen zwischen bedeutenden Arbeiter- oder Angestellten- und Unternehmer-Organisationen aufgestellt sind» (§ 10, lit. 6).

Das Jahr 1928 brachte zwei vom Nationalrat erheblieh erklärte Postulate, die den Bundesrat einluden, zu prüfen, ob nicht zur Vermeidung von Konflikten der Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen begünstigt und nicht solche Verträge, die zwischen der Mehrheit der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingeführt wurden, obligatorisch erklärt werden sollten (Grospierre.

Nr. 1293), bzw. ob nicht ein neuer
Entwurf zu einem Gesetz betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses vorzulegen sei, der unter anderem den Ausbau des Gesamtarbeitsvertrages vorsieht (von Arx, Nr. 2278). Eine Beihe weiterer darauf folgender Postulate sprach sich sodann auch für die Allgemeinverbindhcherklärung von Verbandsbeschlüssen bzw. von Verbandsvereinbarungen aus.

In dieser Bichtung bewegt sich die Vollziehungsverordnung vom 11. Juni 1934 zum Bundesgesetz über die wöchentliche Buhezeit, wo es ermöglicht wird, dass Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden über die wöchentliche Buhezeit für den betreffenden Wirtschaftszweig zur allgemeinverbindlichen Begelung erklärt werden können, sofern sie den allgemeinen Interessen entsprechen (Art. 28, Abs. 2). Auch der Entwurf von Herrn Direktor Pfister zu einem Bundesgesetz über die Arbeit im Handel

325 und in den Gewerben vom Jahre 1935 sah die Allgemeinverbindlicherklärung von Verbandsvereinbarungen vor. Im gleichen Jahre ermächtigte die Bundesversammlung mit Beschluss vom 5. April 1935 über die Fortsetzung der Hilfsmassnahmen für das schweizerische Hotelgewerbe den Bundesrat, die Bestimmungen eines Vertrages zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden des Hotelgewerbes über Trinkgelder allgemeinverbindlich zu erklären (Art. 3), was dann auch geschehen ist. Der über die Weiterführung dieser Hilfsmassnahmen am 28. Dezember 1940 erlassene Bundesratsbeschluss sieht die Möglichkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen ebenfalls vor.

Mit Botschaft vom 10. September 1937 hat der Bundesrat den eidgenössischen Eäten die Eevision der Wirtschaftsartikel beantragt und hiebei auch die Schaffung einer besondern verfassungsmässigen Grundlage für die kommende Bundesgesetzgebung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Vereinbarungen und Beschlüssen der Berufsverbände Vorgesehen. Der Art. 31ter, wie er von der Bundesversammlung am 21. September 1939 beschlossen wurde, lautet : 1 Der Bund ist befugt, Bestimmungen zu erlassen über die AHgemeinverbindlichkeit von Vereinbarungen und Beschlüssen der Beruf s verbände und ähnlicher Wirtschaftsorganisationen.

2 Die Sachgebiete, für welche der Bund oder die Kantone solche Vereinbarungen und Beschlüsse allgemeinverbindlich erklären dürfen, sind durch Bundesgesetze zu bezeichnen.

3 Die Allgemeinverbindlicherklärung ist nur zulässig, wenn sie von unabhängigen Sachverständigen begutachtet ist und wenn die Vereinbarungen und Beschlüsse begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Eechnung tragen, dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen und die Rechtsgleichheit sowie die Verbandsfreiheit nicht beeinträchtigen. Abweichungen vom Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit sind dabei zulässig.

Aus der neusten Zeit sind zwei weitere gesetzgeberische Erlasse der Bundesversammlung, in denen sie sich zu der Frage der Allgemeinverbindlicherklärung durchaus positiv einstellte, zu erwähnen, nämlich der Art. 17, Abs. 3, des Bundesbeschlusses vom 30. September 1938 über den Transport von Personen und Sachen mit Motorfahrzeugen auf öffentlichen Strassen und der Art. 12 des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit. In beiden
Bestimmungen erhält der Bundesrat die Ermächtigung, unter gewissen Voraussetzungen die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen anzuordnen.

Endlich sei hier noch angeführt der Art. 31, Abs. 3, des Bundesratsbeschlusses vom 29. Dezember 1939 über die Ordnung der Arbeit in der nicht fabrikmässigen Uhrenindustrie, wonach die Klein- und Familienbetriebe der Uhrenindustrie allfällig für einen Zweig dieser Industrie gesamtarbeitsvertraglich oder durch Schiedsspruch festgelegte Lohnansätze anzuwenden haben.

326 Eine ähnliche Wirkung hat auch Art. 5, Abs. 4, lit. /, des Bundesratsbeschlusses vom 29. Dezember 1939 zum Schutz§ der schweizerischen Uhrenindustrie.

3. Anschliessend ist zu bemerken, dass von kantonaler Seite bekanntlich ebenfalls verschiedentlich versucht wurde, der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen Baum zu schaffen. Der Kanton Genf hat schon am 26. März 1904 ein Gesetz erlassen («Loi fixant le mode d'établissement des tarifs d'usage entre ouvriers et patrons et réglant les conflits collectifs pouvant naître entre eux»), in welchem gewisse Anfänge für die Ausbreitung des Geltungsbereiches von Tarifverträgen über die ursprünglichen Vertragsparteien hinaus enthalten sind. Es sei sodann erinnert an die Genfer Loi donnant force obligatoire aux contrats collectifs de travail, vom 24. Oktober 1936 (sogenannte Loi Duboule), an das Freiburger Gesetz vom 2. Februar 1938 über die Kollektivverträge und an die Neuenburger Loi concernant les contrats collectifs de travail, vom 17. Mai 1939, von denen namentlich das erstgenannte erhebliche Beachtung gefunden hat. Wir geben den Text der drei kantonalen Gesetze im Anhang wieder. In diesem Zusammenhang ist auf die Motion Malche vom 21. Oktober 1937 hinzuweisen, welche das Vorgehen Genfs zum Anlass nahm, auf eine gesamtschweizerische Eegelung hinzudringen, und die wie folgt lautet: Der Bundesrät wird eingeladen, die Vorbereitungsarbeiten aufzunehmen für die Einführung des Obligatoriums der kollektiven Arbeitsverträge in der Schweiz (siehe genferisches Gesetz vom 24. Oktober 1936) und eventuell der Bundesversammlung die erforderlichen Massnahmen zur Verwirklichung dieser Eeform auf dem Wege der Gesetzgebung vorzuschlagen.

Die Motion liegt zurzeit vor dem Nationalrat.

Auf Grund von gegen die kantonalen Gesetze eingereichten Beschwerden hat das Bundesgericht zu dreien Malen übereinstimmend sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Kantone nicht befugt sind, über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zu legiferieren (Entscheide vom 4. März 1938 über das Genfer Gesetz, amtliche Sammlung der bundesgerichtlichen Entscheidungen, Bd. 641, S. 16; vom 15. Dezember 1939 über das Neuenburger Gesetz, ebendort Bd. 65 1, S. 248; vom 21. Februar 1941 über das Freiburger Gesetz).

Auch im Grossen Rat von St. Gallen ist, wie
hier beiläufig angeführt sei, schon im Februar 1938 eine Motion eingebracht worden, mit welcher der Regierungsrat eingeladen wurde, die Einführung der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zu prüfen. Sie wurde aber im Hinblick auf die derzeitige Rechtslage von der Tagesordnung gestrichen.

K-.vfNoch in anderer Weise haben gesamtarbeitsvertragliche Regelungen in der kantonalen Gesetzgebung Berücksichtigung gefunden. So erklärt z. B.

der § 108 des zürcherischen Gesetzes vom 21. Mai 1939 über das Gastwirtschaftsgewerbe und den Klein- und Mittelverkauf von alkoholhaltigen Ge-

327 tränken, dass in der Vollziehungsverordnung dieses Gesetzes zu erlassende Bestimmungen über das Arbeitsverhältnis im Wirtschaftsgewerbe «für die Angestellten nicht ungünstiger sein sollen als die Bestimmungen eines zwischen den massgebenden Berufsverbänden bestehenden Gesamtarbeitsvertrages».

Direkt die Allgemeinverbindlicherklärung, allerdings mit der Beschränkung auf Arbeitszeitregelungen, vorgesehen hat schon das baselstädtische Arbeitszeitgesetz vom 8. April 1920 (§ 13, Abs. 1).

4. Den unmittelbaren Anstoss zur Ausarbeitung der heutigen Vorlage, die an die Stelle von Stückwerk eine einheitliche Bechtsgrundlage setzen soll, gab einerseits der Umstand, dass offenbar der baldige Erlass der in den erst noch der Volksabstimmung zu unterbreitenden revidierten Wirtschaftsartikeln vorgesehenen einschlägigen Gesetzgebung nicht erwartet werden kann, dass aber anderseits die gegenwärtige Zeitlage es gebietet, alles vorzukehren, was zur Vermeidung von Arbeitskonflikten beiträgt. Es darf angenommen werden, dass die Gesamtarbeitsverträge im allgemeinen das in den Eechtsbeziehungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern unter den gegebenen Verhältnissen überhaupt Mögliche und Tragbare richtig wiedergeben. Dieses von den Beteiligten selbst geschaffene Berufsrecht unter Umständen auch auf von solchen Verträgen nicht erfasste Betriebe und Arbeitnehmer auszudehnen und damit sachlich ungerechtfertigte Verschiedenheiten in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen aus der Welt zu schaffen, kann heute mehr denn je geboten sein. Die Erfahrungen .der letzten Zeit haben wiederholt gezeigt, dass die Unternehmerkreise öfters gewillt wären, Gesamtarbeitsverträge abzuschliessen, wenn sie nicht befürchten müssten, dass Aussenseiter dem nicht folgen und damit eine bessere Position im wirtschaftlichen Wettbewerb erringen würden.

Die Allgemeinverbindlicherklärung kann in solchen Fällen nicht nur im Interesse des Personals, sondern mindestens ebensosehr im Interesse der Prinzipalschaft gelegen sein. Es sei nicht unerwähnt, dass verschiedene Gesuche um Allgemeinverbindlicherklärung von Landesverträgen tatsächlich vorliegen.

Auf diese Begehren konnte indessen wegen des Fehlens einer generellen Eechtsgrundlage einstweilen nicht eingetreten werden.

Es sei im weitern noch bemerkt, dass bei Anlass der Verhandlungen einer
vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement eingesetzten Kommission für Wirtschaftsgesetzgebung, die am 4. und 5. März 1941 stattfanden, von keiner Seite bestimmt und grundsätzlich von der Einführung der Institution der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen abgeraten wurde. Ebensowenig ist die verfassungsmässige Zuständigkeit des Bundes zu einschlägigen legislatorischen Massnahmen bestritten worden.

Der Vorentwurf ist vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ausgearbeitet worden. Zu dessen Beratung wurde eine Expertenkommission ernannt, die wie folgt zusammengesetzt war: > Dr. G. Willi, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern (Vorsitzender);

328 H. A. Dolde, I. Sekretär des Arbeitgeberverbandes schweizerischer Maschinenund Metallindustrieller, Zürich; Ch. Duboule, Direktor des Office cantonal des contrats collectifs de travail, Genf; Prof. Dr. A. Hornberger, Bern; Bundesrichter Dr. H. Huber, Lausanne; Prof. Dr. J. Lorenz, Freiburg; Ständerat Dr. J. Piller, Staatsrat, Freiburg; Nationalrat Dr. Max Weber, Präsident des Bau- und Holzarbeiterverbandes der Schweiz, Bern.

An den Beratungen der Kommission nahmen auch Herr Dr. E. Alexander, als Vertreter des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, sowie Herr Dr. J. L. Cagianut, Delegierter für Arbeitsbeschaffung, teil.

Die Vorlage ist vor ihrer endgültigen Festlegung den Kantonsregierungen sowie den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwecks Vernehmlassung unterbreitet worden. Die eingegangenen Bemerkungen, Vorschläge und Kritiken wurden einlässlich geprüft.

Beim Aufbau der Vorlage wurde aus den vorliegenden gesetzgeberischen Erlassen des In- und Auslandes manche Anregung geschöpft. Noch mehr aber liess man sich von den Gesichtspunkten der praktischen Durchführbarkeit und Tragbarkeit leiten.

B. Richtlinien des Entwurfes.

Die legislatorische Aufgabe der Ordnung der Allgemeinverbindlicherklärung von kollektiven Willenserklärungen führte zu verschiedenen grundsätzlichen Fragen.

1. Als erste dieser Fragen stand im Vordergrund, ob sich die Vorlage auf die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen beschränken oder auf das Gebiet der Allgemeinverbindlicherklärung von Verbandsvereinbarungen und Verbandsbeschlüssen übergreifen solle. Es hätte nahegelegen, der Vorlage einen solch weitreichenden Umfang zu geben, und ein derartiges Vorgehen wurde denn auch ernstlich in Erwägung gezogen. Wenn man sich schliesslich dahin entschied, für einmal nur die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zu ordnen, so sprachen hiefür nicht zuletzt Gründe technischer Natur. Eine gleiche Eegelung für Verbandsvereinbarungen und -beschlüsse einzuführen, ist nach verschiedenen Seiten hin schwieriger als die Aufgabe, die der Bundesrat sich mit dem hier vorliegenden Entwurf stellte.

Es soll mit der Vorlage und ihrem Vorstoss auf das Terrain der Allgemeinverbindlicherklärung einmal ein Versuch gemacht werden, der die Sammlung praktischer Erfahrungen ermöglicht. Die
Frage der Allgemeinverbindlicherklärung von Verbandsvereinbarungen und -beschlüssen ist rechtlich nicht genügend abgeklärt und muss daher zurückgestellt werden.

2. Wir hatten uns sodann mit der Frage der rechtlichen Grundlage des Beschlussesentwurfes auseinanderzusetzen.

329 Wie bereits angeführt, ist die Institution der Allgemeinverbindlichkeit in dem mit den übrigen revidierten Wirtschaftsartikeln der Volksabstimmung harrenden Art. 31ter der Bundesverfassung vorgesehen. Da diese verfassungsmässige Grundlage bis auf weiteres noch nicht Kechtskraft hat, musste nach andern Grundlagen" gesucht werden.

Der beiliegende Entwurf zu einem Bundesbeschluss stützt sich auf die Art. 64 und 34ter der Bundesverfassung, also auf die Zivilrechtshoheit des Bundes und auf den sogenannten Gewerbeartikel. Dass insbesondere der Art. 64 mit Fug herangezogen werden darf, geht aus den erwähnten bundesgerichtlichen Entscheidungen hervor. Wir haben es bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen in erster Linie um die Ausweitung der im Obligationenrecht niedergelegten, einstweilen sehr kurz gehaltenen Kodifikation des Gesamtarbeitsvertragsrechts zu tun. Übrigens beruhte auch das Bundesgesetz vom 27. Juni 1919 betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses auf den Art. 34ter und 64. Nachdem diese Verfassungsbestimmungen bereits für eine Eeihe in Kraft bestehender Gesetzeserlasse, welche die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen ausdrücklich vorsehen, als rechtliche Grundlage unbestritten in Anspruch genommen worden sind, können sie ohne Bedenken auch für den vorhegenden Entwurf als ausreichende verfassungsmässige Grundlage betrachtet werden.

Der Sachlage entsprechend, schlagen wir vor, den Beschluss als dringlich zu erklären. Er soll ja insbesondere dazu beitragen, während den gegenwärtigen ausserordentlichen Zeitverhältnissen den Arbeitsfrieden zu erhalten.

8. Von den grundsätzlichen Fragen ist weiter diejenige zu erörtern, ob die Eegelung dem Obligationenrecht, d. h. dessen Titel über den Dienstvertrag einzuverleiben sei. In dem hier vorhegenden Entwurf ist dieser Weg nicht beschritten worden. Eine unmittelbare Verbindung mit dem Obligationenrecht erscheint nicht als wünschbar, weil einmal die Gültigkeitsdauer der neuen Eegelung befristet werden soll, anderseits mit der Inangriffnahme einer Ergänzung der Dienstvertragsbestimmungen des Obligationenrechts fast zwangsläufig auch andere legislatorische Probleme auf diesem Gebiete in Fluss kämen.

Es ist klar, dass über den Weg der Eevision des Obligationenrechts die hier vorgesehene Eegelung nur
verzögert würde. Unter diesen Verhältnissen erwies sich als gangbarster Weg die Ausarbeitung eines Sondererlasses. Übrigens ist auch im Ausland die Materie weitaus überwiegend der Spezialgesetzgebung zugewiesen worden. Von der gleichen Auffassung haben wir uns bei der Eegelung des Anstellungsverhältnisses der Handelsreisenden leiten lassen, für welche ebenfalls dem Erlass eines Spezialgesetzes der Vorzug gegeben wurde.

Im Hinblick auf den Umstand, dass die Lösung durch Sondererlass sich aufdrängt, erscheint es geboten, in diesen Erlass einzig solche Bestimmungen aufzunehmen, die für die Erreichung des gesteckten Zieles unerlässlich sind.

Man hat sich dabei gefragt, ob nicht die Gelegenheit benützt werden sollte, um den Entwurf auch mit gewissen Bestimmungen über die Gesamtarbeitsverträge als solche auszustatten und ihm überdies noch einige Vorschriften über

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das Verbandsrecht, d. h. insbesondere über die Verbandsfähigkeit und die statutarischen Voraussetzungen zum Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen durch die Verbände, aufzunehmen. Wie aus Anhang I und III hervorgeht, hatten das Genfer und Neuenburger Gesetz (Art. 2 bzw. Art. 6) gewisse Vorschriften über den Inhalt der Verträge gebracht. Nach reiflicher Überlegung ist man davon abgekommen, hierüber eine Sonderregelung zu treffen. Es haben daher hier die gemeinrechtlichen Bestimmungen Geltung. Der Entwurf enthält ausschliesslich Bestimmungen, welche die Allgemeinverbindlicherklärung selbst betreffen. Er geht also auch in dieser Beziehung viel weniger weit als das Genfer Gesetz (Anhang I), das noch die Möglichkeit des Erlasses unabdingbarer Normalarbeitsverträge (Art. 5) schuf und die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit bei Kollektivkonflikten vorsah (Art. 6).

4. Von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung ist sodann die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung nur der Bundesbehörde vorbehalten bleiben, oder ob und nach welchen Gesichtspunkten hier auch den Kantonen gewisse Kompetenzen eingeräumt werden sollen.

Dass bei einzelnen Kantonen ein aktives Betätigungsinteresse auf diesem Gebiet besteht, ergibt sich aus den in Abschnitt A, Ziffer 8, gemachten Angaben. Es wiederholt sich hier die Erscheinung, dass eine neue Institution in gewissen Kantonen Wurzel geschlagen hat und dann in das Bundesrecht übergeführt werden soll. Nun bestehen allerdings Bedenken, dass durch kantonale Allgemeinverbindlicherklärungen die Aufteilung des einheitlichen schweizerischen Wirtschaftsgebietes begünstigt werden könnte und dass die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen die zivilrechtliche Eechtseinheit zerstöre. Diese Bedenken sind in der Tat keineswegs leicht zu nehmen. Es kann sich zum vorneherein nicht darum handeln, einen so weitgehenden Einbruch in die Zivilrechtshoheit des Bundes zuzulassen, dass die Kantone vorbehaltlos und in völliger Unabhängigkeit von der Institution der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen Gebrauch machen. Anderseits kann man die Kantone auf diesem Gebiete nicht gänzlich auf die Seite stellen. Die Betätigungsmöglichkeiten der Kantone waren und sind im Bereiche des Arbeitsrechtes sehr ausgedehnt. Der Vollzug der Arbeiterschutzgesetze des Bundes ist ihnen,
unter Oberaufsicht des Bundes, überlassen ; sie können, soweit solche Gesetze nicht bestehen, im Arbeiterschutz nach wie vor gesetzgeberisch vorgehen. Ferner ist die Eegelung des Einigungswesens und der Arbeitsgerichtsbarkeit ihnen überantwortet. Auch sind die Kantone auf Grund des Obligationenrechts, Art. 324, ohne weiteres befugt, Normalarbeitsverträge aufzusetzen. Man bleibt auf dieser Linie, wenn man ihnen auch im Eahmen der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen gewisse Befugnisse gibt, in einer Weise immerhin, durch welche die Interessen des Bundes gewahrt bleiben. Es ist in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen, dass auch in rev. Art. 31ter BV Abs. 2 davon ausgegangen wird, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Kantone sich des Instrumentes der Allgemeinverbindlicherklärung bedienen können.

331 Von Obigem abgesehen ist schon hier darauf hinzuweisen, dass die Vorlage befristet ist (siehe Art. 26 Abs. 1) und ihr somit naturgemäss die Aufgabe zukommt, es zu ermöglichen, dass während einer Probezeit Erfahrungen für die künftige Gesetzgebung gesammelt werden können. Es ist daher nicht unangebracht, während dieser Probezeit die Allgemeinverbindlicherklärung in einem gewissen Sinne zu erleichtern, was dadurch geschehen kann, dass man die Kantone, die auf diesem Gebiet zum Teil initiativ vorgegangen sind, mit gewissen Befugnissen ausstattet. Durch das in Art. 4 vorgesehene Genehmigungsrecht bleibt es trotzdem völlig in der Hand der Zentralbehörde, darüber zu wachen, dass durch etwaige kantonale Allgemeinverbindlicherklärungen die gesamtschweizerischen Belange in keiner Weise verletzt werden. Infolge der Überprüfung jedes Entscheides der Kantone durch die Bundesbehörde kann unbedenklich der Versuch gemacht werden, auf diesem Gebiete die Kantone unter gewissen Voraussetzungen zur Mitwirkung heranzuziehen.

5. Zum Umfang des Beschlussesentwurfes ist zu sagen, dass er absichtlich kurz gehalten ist, und dass es die Meinung hat, alle blossen Ausführungsvorschriften seien dem Bundesrat zur Eegelung auf dem Verordnungswege zu überlassen.

In seinem System ist der Entwurf so einfach wie möglich aufgebaut. Die allgemeinen Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung sind an den Anfang gesetzt, worauf die Verfahrensbestimmungen kommen, denen sich die Vorschriften betreffend den Entscheid über die Allgemeinverbindlicherklärung anschliessen. Es folgen Grundsätze über die Wirkungen der Allgemeinverbindlicherklärung, dann Vorschriften über die Ausserkraftsetzung, Änderung, Ausdehnung oder Verlängerung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen.

Am Schlüsse sind noch Strafbestimmungen, einige Grundsätze über die Zuständigkeiten bei Streitigkeiten und Inkrafttretensvorschriften zu finden.

6. Ein Wort ist noch beizufügen über den Eechtscharakter der Allgemeinverbindlicherklärung.

Der rechtliche Charakter der Allgemeinverbindlicherklärung ist umstritten. Allgemeinverbindliche Verträge sind durch zwei Elemente bestimmt: durch den rechtsgeschäftlichen Willen des Verbandes bzw. der Kollektivvertragsparteien und durch die Verfügung einer Behörde, welche gestützt auf einen ermächtigenden Eechtssatz
diesem Privatwillen die Geltung objektiven Bechts auch für Aussenseiter verleiht. Die Verfügung, durch welche die Allgemeinverbindlicherklärung ausgesprochen wird, ist ein Verwaltungsakt, dem jedoch ähnliche Wirkungen wie einer Eechtsverordnung zukommen. Je nachdem d'as Schwergewicht auf den Vertrag oder die behördliche Verfügung gelegt wird, hat die Eechtswissenschaft entsprechende Konstruktionen entwickelt.

Es sind hier die Gesetzestheorie und die Vertragstheorie zu nennen. Die verschiedenen Theorien, von denen keine vollständig zu befriedigen vermag, bringen im Grunde nur zum Ausdruck, dass die Allgemeinverbindlicherklärung ein neues Verfahren der Eechtsetzung ist, das sich weder der zivilistischen noch der publizistischen Begriffswelt restlos einfügen lässt.

332 Der Gesetzgeber kann diesen dogmatischen Streit auf sich beruhen lassen.

Man hat sich bei der Ausarbeitung der Vorlage denn auch nicht von vorgefassten theoretischen Lehrmeinungen, sondern von dem Bedürfnis nach einer einfachen, klaren, dem Bestreben nach Eechtssicherheit genügenden und praktischen Ausgestaltung des Institutes leiten lassen.

7. Mit Nachdruck sei betont, dass von der Vorlage, nach erfolgter Annahme, in zurückhaltender Weise und nur nach sorgfältiger Prüfung Gebrauch gemacht werden soll. Es ist nicht daran gedacht, das bisherige System der Eechtsetzung aufzuheben; der Schaffung objektiver Rechtsnormen auf dem normalen Gesetzgebungswege soll auch im Gebiete des Arbeitsrechtes nach wie vor die Prärogative gehören. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen soll nur in Wirtschaftszweigen zur Anwendung gelangen, in denen bei Arbeitgebern sowohl als Arbeitnehmern dafür ein Bedürfnis besteht.

C. Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen.

Titel: Keine Bemerkungen.

Ingress.

Wir weisen auf die im Abschnitt B, Ziffer 2, gemachten Darlegungen über die rechtlichen Grundlagen des vorgesehenen Bundesbeschlusses hin. Den Art. 64 haben wir mit Absicht an die erste Stelle gerückt, da durch das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung in der Hauptsache Privatrecht geschaffen werden soll. Im Hinblick darauf, dass auf Grund der gegenwärtigen Fassung des Art. 34*er keine Bestimmungen erlassen werden könnten, die auch auf die Landwirtschaft oder auf die Krankenpflege anwendbar wären, empfiehlt es sich wohl erst recht, den Art. 64 als Eechtsgrundlage in den Vordergrund zu rücken.

Art.l.

Den Ausgangspunkt bildet die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen. Man hat jedoch absichtlich zu erkennen gegeben, dass einerseits zwar alle der dienstvertraglichen Vereinbarung vorbehaltenen Verhältnisse, wie sie in Gesamtarbeitsverträgen geordnet sind, für die Allgemeinverbindlicherklärung in Betracht kommen, dass man sich anderseits aber nicht eng an die Gesamtarbeitsverträge im herkömmlichen Sinne klammern will. Diese Begrenzung auf Gesamtarbeitsverträge im Sinne von Art. 322 OE könnte sich bald als lästige Fessel herausstellen. Es gibt Vereinbarungen aus dem Gebiete des Arbeitsverhältnisses, die keine Gesamtarbeitsverträge sind oder bei denen es zum mindesten fraglich
ist, ob man es mit einem solchen Vertrag zu tun habe. Wir erwähnen hier nur die bekannte Vereinbarung in der Maschinenindustrie vom 19. Juli 1937; aber auch Abmachungen, die sich darauf beschränken, eine Lohnerhöhung oder soziale Nebenleistungen herbeizuführen, können wohl kaum als eigentliche Gesamtarbeitsverträge betrachtet werden.

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Angesichts des Wortlautes des Art. l, der Vereinbarungen, die nur eine einzelne Firma betreffen, nicht berücksichtigt, kommen für die Allgemeinverbiadlicherklärung auf alle Fälle nur die Arbeitsbedingungen in Betracht, die für einen ganzen Berufszweig festgelegt wurden, nicht aber rein betriebliche Arbeitsbedingungen. Die letztern wären schon ihrer Natur nach für die Allgemeinverbindlicherklärung nicht geeignet, da sie nur auf konkrete Verhältnisse zugeschnitten sind.

Mit dem Worte «können» wird zum vorneherein zumAusdruck gebracht, dass eine Verpflichtung der Behörde, zur Allgemeinverbindlicherklärung zu schreiten, keineswegs aufgestellt werden soll. Siehe im übrigen auch Art. 2, Abs. 4.

Art. 2.

Im ersten Absatz werden aus dem Bundesbeschluss vom 21. September 1939 über eine Eevision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung zum Teil die Elemente übernommen, die dort unter Art. 31ter als Voraussetzung für die Allgemeinverbindlicherklärung aufgestellt sind.

Von grosser Wichtigkeit ist der -zweite Absatz, der Eichtlinien dafür aufstellt, welches zahlenmässige Verhältnis zwischen den an einem Vertrag Beteiligten und der Gesamtheit der Berufsangehörigen bestehen muss, um die Allgemeinverbindlichkeit aussprechen zu können. Es ist klar, dass der Vertrag für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen des Berufskreises in dem Vertragsgebiet überwiegende Bedeutung erlangt haben, für den betreffenden Erwerbszweig irgendwie repräsentativ sein muss, um dessen Allgemeinverbindlicherklärung in Berücksichtigung ziehen zu können.

Um die Bedeutung der gesuchstellenden Verbände innerhalb eines bestimmten Erwerbszweiges feststellen zu können, sind von ihnen der entscheidenden Behörde genaue zahlenmässige Unterlagen zur Verfügung zu halten (siehe auch Art. 8).

Selbstverständlich können nur solche Vertragsbestimmungen für die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit in Betracht kommen, die inhaltlich» den bestehenden zivil- und öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bundes und allenfalls der Kantone und Gemeinden nicht entgegenstehen (Abs. 3).

Aus Abs. 4 ergibt sich, dass eine Verpflichtung zur Allgemeinverbindlicherklärung selbst dann nicht besteht, wenn an sich alle materiellen und formellen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind.

Art. 3.

Wir haben uns in Abschnitt B, Ziffer 4, über die grundsätzliche Frage geäussert, ob der Bund allein befugt sein-solle, die Allgemeinverbindlichkeit auszusprechen, oder ob auch den Kantonen gewisse Befugnisse überbunden werden können, und sind zum Schlüsse gelangt, letzteres sei unter bestimmten Bedingungen zu bejahen. Der Art. 3 bewegt sich im Eahmen dieser Über-

334

legungen. Im Gesetzesentwurf von 1920 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen war vorgesehen, dass der Kanton vorbehaltlos zuständig sei, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung nur innerhalb Seines Gebietes Geltung haben solle. In allen andern Fällen sollte die Zuständigkeit beim Bundesrat liegen. Diese Lösung wird wieder aufgegriffen, aber mit der Einschränkung, dass die Entscheide der Kantonsregierungen über die Allgemeinverbindlicherklärung nicht ohne weiteres rechtsgültig sind, sondern, wie bereits früher gesagt, der Genehmigung durch den Bundesrat bedürfen (siehe Art. 4). Dieses Bequisit ist sachlich durchaus begründet; man darf in ihm nicht etwa ein Misstrauensvotum gegenüber den Kantonen erblicken. Es wird dadurch eine gleichmässige Durchführung gesichert und den Stimmen Bechnung getragen, welche die Handhabung des Instrumentes der Allgemeinverbindlicherklärung überhaupt nur in die Hände des Bundes gelegt sehen möchten.

Art. 4.

Siehe hiezu das zu Art. 3 Ausgeführte. Es sei an dieser Stelle insbesondere noch auf den dritten Absatz des Art. 4 aufmerksam gemacht, der es ermöglicht, eine ausgesprochene Genehmigung unter Umständen nachträglich zurückzuziehen.

Art. 5.

Wie aus Abs. l ohne weiteres hervorgeht, kommt eine von Amtes wegen erfolgende Allgemeinverbindlieherklärung nicht in Betracht ; diese hat vielmehr immer zur Voraussetzung die Einreichung eines Begehrens beteiligter Verbände.

Durch Abs. 2 und 3 wird festgelegt, welchen Inhalt solche Gesuche haben müssen.

Es wird gegeben sein, dass die gesuchstellenden Verbände in ihrem Antrag ihre Vertragsfähigkeit bzw. das rechtskräftige Zustandekommen des in Betracht fallenden Gesamtarbeitsvertrages nachweisen. Ferner ist es angezeigt, dass ^ie diesen in Urschrift oder beglaubigter Abschrift einreichen.

Über die Verfahrensvorschrift dieses Artikels hinaus ist zu bemerken, dass Voraussetzung für die Allgemeinverbindlicherklärung natürlich ist, dass der Vertrag rechtsgültig und noch in Kraft befindlich sei. Im übrigen werden die allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen von der zuständigen Behörde so entgegengenommen, wie sie von den Parteien festgelegt wurden.

Art. 6/7.

Selbstverständlich muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Interessenten vor dem Entscheid über die Allgemeinverbindlicherklärung sich hiezu äussern können ; der Entscheid soll nicht fallen, ohne dass die von ihm betroffenen Kreise Gelegenheit gehabt hätten, ihren Standpunkt zur Geltung zu bringen.

335 Art. 8.

Dieser Artikel ist im Zusammenhang mit Art. 2, Abs. 2, zu würdigen.

Die vorgesehene Auskunftspflicht ist durch die in Art. 28, lit. a, aufgestellten Strafsanktionen verschärft.

Art. 9.

Die Begutachtung durch unabhängige Sachverständige ist aus rev. Art. 31ter BV, Abs. 8, übernommen. Immerhin soll dieses Zwischenverfahren nur als Eegel, nicht als in jedem Falle obligatorisch aufgestellt werden. Es sind bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Bestimmungen der Gesamtarbeitsverträge im Gegensatz zur Allgemeinverbindlicherklärung von Verbandsbeschlüssen sehr wohl Fälle denkbar, wo eine solche Begutachtung nicht notwendig ist.

Art. 10.

Grosses Gewicht ist darauf zu legen, dass die Tragweite der Allgemeinverbindlicherklärung in jedem einzelnen Falle auf das Genaueste abgesteckt wird, damit Unklarheiten über den Geltungsbereich nach Möglichkeit ausgeschaltet sind (Abs. 1). Auch in Art. 12, Abs. 3, des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit ist die zeitliche Begrenzung und die Möglichkeit der Abstufung nach Landesgegenden ausdrücklich vorgesehen. Da einer der Zwecke der Allgemeinverbindlicherklärung in der Erhaltung des Friedens zwischen den Beteiligten liegt, so wird vor allem auch die Festsetzung einer Mindestdauer dieser Massnahme erforderlich sein, wobei jedoch Art. 18, Abs. l, immer vorbehalten bleibt.

Die zuständige Behörde ist nicht gezwungen, den ganzen normativen Teil des Gesamtarbeitsvertrages allgemeinverbindlich zu erklären. Wird hievon abgesehen, so ist darin nicht etwa eine Änderung des Vertragsinhaltes zu erblicken. Jedoch wird eine solche Einschränkung wohl nur angezeigt sein, wenn sie ohne Beeinträchtigung des Sinnes und Zweckes des Gesamtarbeitsvertrages erfolgen kann. Für die dem Gesamtarbeitsvertrag direkt angeschlossenen Verbandsmitglieder hat eine derartige Einschränkung ohnehin keine Bedeutung. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist im übrigen als ein Verwaltungsakt anzusehen. Der Verwaltungsakt kann keine Änderungen am Vertrag vornehmen (Abs. 2).

Hinsichtlich der Festlegung des zeitlichen Geltungsbereiches ist darauf hinzuweisen, dass die zuständige Behörde hier selbstverständlich nicht über den in Art. 26, Abs. l, festgelegten Ablaufstermin des Beschlusses hinausgehen kann.

Art. 11.

Die Entscheide sind --· selbstverständlich mit Inbegriff des Wortlautes der allgemeinverbindlich erklärten Abmachungen -- in gleicher Art zu publizieren wie gesetzliche Erlasse, da sie diesen gleichgestellt werden. Dazu soll aber unter Umständen noch die Veröffentlichung in der Fachpresse und auf andere geeignete Weise kommen. Die Veröffentlichung ist auch für die All-

336

gemeinheit von Interesse und es wird durch sie die Bedeutung der Allgemeinverbindlicherklärung hervorgehoben.

Art. 12.

Die Publikation hat konstitutive Bedeutung. Vorher kann der die Allgemeinverbindlicherklärung aussprechende oder sie ablehnende Verwaltungsakt zurückgenommen und abgeändert werden. -- Einen Sonderfall regelt der zweite Absatz.

Art. 13.

Eine Beschwerdemöglichkeit ist einzig gegen ablehnende Entscheide, und zwar nur gegen solche der Kantonsregierungen gegeben. Bei Gutheissung der Beschwerde ist der Fall zur erneuten Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. -- Gegen zustimmende Entscheide der Kantonsregierungen ist eine Beschwerde nicht vorgesehen, weil diese Entscheide der Genehmigung des Bundesrates bedürfen (Art. 4) und dabei das Einspruchsverfahren des Art. 7 möglich ist.

Art. 14.

Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen einer Verbandsvereinbarung sollen entgegenstehenden Bestimmungen privater Abmachungen vorgehen. Die letztern sind nichtig; die nichtigen Bestimmungen werden durch diejenigen der Verbandsvereinbarung ersetzt (siehe die ähnliche Bestimmung des Art. 12, Abs. 4, des Bundesgesetzes über die Heimarbeit).

Die entscheidende Behörde soll immerhin die Möglichkeit haben, in ihrem Beschluss eine hievon abweichende Begelung zu treffen, also der freien Übereinkunft noch Baum zu lassen. Ferner wird häufig die Allgemeinverbindlicherklärung der Natur der in Betracht fallenden Bestimmungen nach sich nur auf die Aufstellung von Mindestanforderungen beziehen.

Art. 15/16.

Die Friedenspflicht bildet die logische Ergänzung der Allgemeinverbindlich erklärung. Sie ist auch im Bundesgesetz über die Heimarbeit festgelegt und war im Bundesgesetz vom 27. Juni 1919 betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses sowie im Gesetzesentwurf von 1920 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vorgesehen. Dem Ansehen des Staates entspricht es, dass, wenn seine Unterstützung in Anspruch genommen wird, die Beteiligten auf das Mittel der Selbsthilfe verzichten. Jedoch soll das nur hinsichtlich derjenigen Verhältnisse gelten, auf deren vertragliche Begelung sich die Allgemeinverbindlich erklärung erstreckt.

Auch die in Art. 16 vorgesehene Schweigepflicht der Personen, die Kraft amtlichen Auftrages Einblick in die geschäftlichen Verhältnisse der Beteiligten erlangen konnten, ist gegeben. Diesen Personen wird nur dann Zutrauen und Offenheit entgegengebracht werden, wenn für sie die genannte Verpflichtung besteht.

337

Der Einhaltung der Art. 15 und 16 ist durch Aufstellung der in Art. 23, lit. b und c, vorgesehenen Strafandrohungen Nachdruck verschafft.

Art. 17.

Es ist begreiflich, dass man von den Vertragsparteien durch die Allgemeinverbindlicherklärung nicht ohne weiteres die Übernahme erweiterter Kontrollaufgaben über den im Vertrag vorgesehenen Umfang hinaus verlangen kann, sondern dass hier die Zustimmung der Parteien vorausgesetzt wird. Wir halten im übrigen diese Kontrollvorschrift als sehr wichtig für die praktische Durchführung der allgemeinverbindlich erklärten Vereinbarungsbestimmungen. Es sei ferner darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit geschaffen wird, hiebei neben den kantonalen Behörden auch die Berufsverbände zur Mitwirkung heranzuziehen (Abs. 2).

Art. 18.

Es muss damit gerechnet werden, dass die der Allgemeinverbindlicherklärung zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen oder der ganze Vertrag vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Allgemeinverbindlicherklärung wegfallen.

In diesem Falle soll auch die Allgemeinverbindlicherklärung grundsätzlich dahinfallen. Zur Vermeidung einer ordnungslosen Übergangszeit und eines Zustandes der Bechtsunsicherheit wird auch für die Vertragsparteien bestimmt, dass die einmal getroffene Allgemeinverbindlicherklärung in Kraft bleibt, bis deren Ausserkraftsetzung amtlich veröffentlicht ist (Abs. 2).

Art. 19.

Die Vertragsparteien behalten die Verfügungsfreiheit über den von ihnen abgeschlossenen Gesamtarbeitsyertrag. Sie können diesen durch gegenseitige Verständigung vorzeitig aufheben, kündigen, nach seinem Ablauf erneuern, nicht erneuern oder abändern. Die Ausserkraftsetzung ist aber der zuständigen Behörde rechtzeitig zu melden, sofern ihr Zeitpunkt der ursprünglich festgelegten Gültigkeitsdauer der Allgemeinverbindlichkeit nicht entspricht.

Art. 20/21.

Grundsätzlich ist für etwaige Abänderungen der allgemeinverbindlich erklärten Vertragsbestimmungen das nämliche Verfahren einzuschlagen wie für die ursprüngliche Allgemeinverbindlicherklärung. Dies gilt im wesentlichen auch für eine nachträgliche Verlängerung der Geltungsdauer der verfügten Allgemeinverbindlicherklärung (Art. 21).

Art. 22.

Die zeitliche Begrenzung der Allgemeinverbindlicherklärung soll selbstverständlich nicht hindern, dass die entscheidende Behörde auf ihren Beschluss Bundesblatt. 93. Jahrg. Bd. I.

28

338

zurückkommt, falls es irgendwie erforderlich wird. Es ist geboten, dies ausdrücklich zu erklären. Die Allgemeinverbindlicherklärung schafft zwingendes Becht. Wird eine Änderung der Bestimmungen von den Beteiligten wegen eingetretener besonderer Umstände gewünscht, so steht ihnen der Antrag an die zuständige Behörde zu.

Art. 23.

Es erhob sich die Frage, ob neben den hier aufgeführten Straftatbeständen, die an sich zu keinen weiteren Erörterungen Anlass geben, auch die Verletzung der allgemeinverbindlich erklärten Vereinbarungsbestimmungen unter Strafe gestellt werden müsse. Nach reiflicher Überlegung ist man hievon abgekommen.

Weder das Bundesgesetz betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses noch der Gesetzesentwurf von 1920 sahen eine solche Strafbestimmung vor. Die durch die Allgemeinverbindlicherklärung geschaffenen Normen sollen gegenüber dem Privatrecht keinen erhöhten Schutz erhalten. Auch das Heimarbeitsgesetz ermöglicht die Bestrafung der Übertretung einer allgemeinverbindlich erklärten Lohnfestsetzung nicht ohne weiteres, vielmehr nur dann, wenn ein über die ausbezahlte Löhnung hinaus geschuldeter Lohnbetrag innerhalb einer bestimmten Frist nicht nachträglich entrichtet wird.

Art. 24.

Die für den Entscheid über die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Behörde soll die Klarstellung der Bedeutung ihrer Allgemeinverbindlicherklärung nach Möglichkeit erleichtern, und zwar auch noch nach deren Inkrafttreten.

Sie wird unter Umständen authentische Interpretationen zu geben haben (vgl.

auch Art. 24 des Bundesgesetzes betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses).

Art. 25.

Geht ein Streit über blosse Auslegungsfragen hinaus, so soll er vor den Zivilrichter gezogen werden können.

Die einzelnen Rechtsstreitigkeiten zwischen zwei Parteien über die Anwendung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen sind bezüglich des Gerichtsstandes gleich zu behandeln wie entsprechende Streitigkeiten über die Anwendung gemeiner privatrechtlicher Gesetzesnormen. Durch den Art. 25 wird deshalb die schiedgerichtliche Erledigung von Zivilstreitigkeiten auf Grund von diesbezüglichen Parteivereinbarungen nicht ausgeschlossen.

Indessen kann dies nur im Eahmen der jeweils geltenden zivilprozessualen Vorschriften geschehen. Ebenso ist die Einschaltung eines Einigungsverfahrens durch vertragliche Abrede möglich.

Art. 26.

Die Ausstattung des Bundesbeschlusses mit der Dringlichkeitsklausel (Abs. 1) erscheint, wie bereits erwähnt, durch die Umstände gerechtfertigt.

Wir wiederholen an dieser Stelle, dass für die Aufnahme der Dringlichkeits-

339 klausei das Bestreben wegleitend war, während der heutigen ausserordentlichen Zeit im Interesse des innern Friedens den Wirtschaftszweigen, in welchen ein Bedürfnis für die AHgemeinverbindlicherklärung besteht, das nötige Instrument bald zur Verfügung stellen zu können. Die Dringlicherklärung hat im weitern den Vorteil, dass der Beschluss zeitlich befristet wird (wir haben als Datum für sein Ausserkrafttreten den 81. Dezember 1943 vorgesehen), und dass damit ein Übergangszustand geschaffen wird, während welchem, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit besteht, Erfahrungen für eine etwaige endgültige Dauerlösung zu sammeln.

Der zweite und der dritte Absatz bedürfen keiner besondern Erörterung; ihr Zweck und Sinn dürfte klar sein.

Unter Berufung auf die vorstehend gemachten Darlegungen empfehlen wir Ihnen, den nachstehend abgedruckten Entwurf für einen Bundesbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. Mai 1941.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Wetter.

Der Bundeskanzler: G. Boret.

340

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 64 und 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. Mai 1941, beschliesst:

I. Allgemeine Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung.

Grundsatz.

Voraussetzungen.

Art. 1.

Vereinbarungen zwischen Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Fragen des Arbeitsverhältnisses (Gesamtarbeitsverträge und ähnliche Abmachungen) können nach Massgabe der nachstehenden Vorschriften allgemeinverbindlich erklärt werden.

Art. 2.

Die Allgemeinverbindlichkeit darf nur angeordnet werden, wenn dafür ein Bedürfnis besteht, die in Betracht fallenden Bestimmungen den betrieblichen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen, dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen sowie die Rechtsgleichheit und die Verbandsfreiheit nicht beeinträchtigen.

2 Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages dürfen, unter dem Vorbehalt des Vorhandenseins besonderer Umstände, nur dann allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn die Mehrzahl der Arbeitnehmer, die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden sollen, sowie der Arbeitgeber, bei denen überdies die Mehrzahl aller in Frage kommenden Arbeitnehmer beschäftigt sein muss, durch den Vertrag gebunden oder mit den allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen einverstanden sind. Die Zustimmung eines Verbandes gilt als Zustimmung der sämtlichen diesem Verbände angeschlossenen Mitglieder.

3 Die Allgemeinverbindlicherklärung ist zu verweigern, wenn die hiefür in Betracht kommenden Bestimmungen des Gesamtarbeits1

341 Vertrages den zwingenden Vorschriften der Gesetzgebung des Bundes oder der beteiligten Kantone widersprechen.

4 Im übrigen entscheidet die Behörde über die Allgemeinverbindlicherklärung nach freiem Ermessen.

u. Verfahren.

Art. 8.

1 Sollen die allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen nur für einen Kanton oder für ein bestimmtes Gebiet desselben Geltung haben, so ist zum Entscheid über die AllgemeinVerbindlicherklärung die Kantonsregierung zuständig.

2 In allen übrigen Fällen ist der Bundesrat zuständig. Im Entscheid des Bundesrates wird jeweilen bestimmt, ob und wieweit bereits bestehende kantonale Allgemeinverbindlicherklärungen aufgehoben sind.

Zuständige Behörde.

Art. 4.

Entscheide der Kantonsregierungen, welche die Allgemeinver- Genehmigung bindlichkeit aussprechen, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung Entscheide, durch den Bundesrat.

2 Die Genehmigung ist zu verweigern, falls die für die Allgemeinverbindlicherklärung in diesem Beschlüsse oder in den Ausführungsbestimmungen aufgestellten Voraussetzungen sachlicher oder formeller Art nicht erfüllt sind.

3 Die Genehmigung kann jederzeit rückgängig gemacht werden, falls der Entscheid sich als den Interessen der schweizerischen Gesamtwirtschaft zuwiderlaufend erweisen sollte.

1

Art. 5.

Zur Stellung eines Antrages auf Allgemeinverbindlicherklärung Einreichung und berechtigt sind beide Parteien des Gesamtarbeitsvertrages sowie alle träges auf AUandern Verbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der gj^j£[j£u'n3d~ AUgemeinverbindlicherklärung betroffen würden.

2 Der Antrag ist der zuständigen Behörde in schriftlicher Form und mit einer Begründung versehen einzureichen.

3 Im Antrag sind die Teile des Gesamtarbeitsvertrages zu nennen» die allgemeinverbindlich erklärt werden sollen. Ferner hat er sich über den räumlichen, beruflichen, betrieblichen und zeitlichen Geltungsbereich der allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen zu äussern.

Art. 6.

Die Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamt- öffentliche arbeitsvertrages, falls sie sich nicht zum vorneherein als aussichtslos ^el Antrages.

1

342 erweisen, sind im Schweizerischen Handelsamtsblatt und, nach dem Ermessen der zuständigen Behörde, in andern Publikationsorganen unter Ansetzung einer Einsprachefrist zu veröffentlichen, und zwar in den Amtssprachen der Gegenden, für die er Geltung haben soll.

Einsprachen.

Auskunftsplllcht.

Art. 7.

Wer ein Interesse glaubhaft macht, kann gegen die Allgemeinverbindlicherklärung Einsprache erheben.

2 Die Einsprachen sind der zuständigen Behörde in schriftlicher Form und mit einer Begründung versehen einzureichen.

1

Art. 8.

Die antragstellenden Verbände sowie die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden sollen, sind verpflichtet, der zuständigen Behörde die Auskünfte zu geben, die für die Feststellung der Zahl der von einem Gesamtarbeitsvertrag und seiner Allgemeinverbindlichkeit erfassten Arbeitgeber und Arbeitnehmer notwendig sind.

Art. 9.

Begutachtung Vor dem Entscheid über die Allgemeinverbindlicherklärung hat ^«ständige." die zuständige Behörde in der Eegel das Gutachten unabhängiger Sachverständiger einzuholen.

m. Entscheid Über die Allgemeinverbindlicherklärung.

Inhalt.

Veröffentlichung.

Art. 10.

In einem zustimmenden Entscheid über die Allgemeinverbindlicherklärung sind die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages, die allgemeinverbindlich erklärt werden sollen, wiederzugeben, und eä ist deren räumlicher, beruflicher, betrieblicher und zeitlicher Geltungsbereich festzulegen. Von der Allgemeinverbindlicherklärung können, beim Vorliegen besonderer Verhältnisse, bestimmte Landesgegenden, Betriebsarten oder Personengruppen ausgenommen werden.

2 Die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages dürfen durch die Allgemeinverbindhcherklärung nicht abgeändert werden. Der Art. 17 bleibt vorbehalten.

Art. 11.

1 Die zustimmenden Entscheide sind mit den allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages nach den für die Publikation von Gesetzesvorschriften geltenden Bestimmungen des Bundes bzw. der Kantone zu veröffentlichen und auch ins Schwei1

343

zerische Handelsamtsblatt sowie nach dem Ermessen der entscheidenden Behörde in andere Publikationsorgane aufzunehmen.

2

Zustimmende Entscheide der Kantonsregierungen dürfen erst nach ihrer Genehmigung durch den Bundesrat (Art. 4) veröffentlicht werden.

Art. 12.

1 Sofern der Entscheid es nicht anders bestimmt, tritt die Allgemein- Inkrafttreten.

Verbindlicherklärung mit der amtlichen Veröffentlichung in Kraft.

2

Ist die Eechtsgültigkeit eines allgemeinverbindlich zu erklärenden Gesamtarbeitsvertrages auf dem zivilrechtlichen Wege angefochten, so entscheidet die für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Behörde über die vorläufige Inkraftsetzung nach freiem Ermessen.

Art. 13.

Gegen ablehnende Entscheide kantonaler Eegierungen können die Antragsteller innert 30 Tagen nach der Mitteilung beim Bundesrat wegen unrichtiger Anwendung der Bestimmungen über die Voraussetzungen zur Allgemeinverbindlicherklärung oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde führen.

Anfechtung kantonaler Entscheide.

IV. Wirkungen der Allgemeinverbindlicherklärung.

Art. 14.

Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen eines Gesamt- Geltung für die arbeitsvertrages sind, in ihrem räumlichen und sachlichen Geltungs- Entgegen^' bereich, auch für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer der betreffenden Abmachungen.

Berufsgruppe unabdingbar, die den vertragschliessenden Verbänden nicht angehören.

2 Soweit und solange eine Allgemeinverbindlicherklärung zu Eecht besteht, sind anderslautende Abmachungen zwischen Arbeitgeber und" Arbeitnehmer nichtig, es sei denn, dass es im Entscheid anders bestimmt wird oder dass die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen ihrem Wesen nach ohnehin nur Mindestvorschriften sind.

1

Art. 15.

Während der Gültigkeitsdauer der Allgemeinverbindlicherklärung Friedenspflicht, besteht für die Beteiligten Friedenspflicht hinsichtlich der in den allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages geordneten Verhältnisse. Die Parteien dürfen daher keine Kampfmittel anwenden oder weiterführen, sofern solche schon ergriffen wurden.

344

Schweigepflicht.

Kontrollen.

Art. 16.

Die Personen und Sachverständigen, die im Vollzuge dieses Beschlusses, so insbesondere im Sinne des Art. 8 oder bei Kontrollen (Art. 17) tätig werden, sind verpflichtet, über ihre in Ausführung ihrer Obliegenheiten gemachten Wahrnehmungen Verschwiegenheit zu bewahren.

Art. 17.

Bestimmungen von Gesamtarbeitsverträgen, die eine Kontrolle über die Einhaltung von allgemeinverbindlich erklärten Vorschriften des Gesamtarbeitsvertrages oder die Fällung von Ordnungsbussen betreffen, dürfen nur dann allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn die vertragschliessenden Parteien der von der Behörde zu erlassenden Verfügung über die Durchführung dieser Kontroll- und Bussenvorschriften und über die Kostentragung zustimmen.

2 Der Bundesrat kann für die Durchführung der Kontrollvorschriften die kantonalen Behörden und beteiligten Berufsverbände zur Mitwirkung heranziehen.

1

V. Ausserkraftsetzung, Abänderung, Ausdehnung oder Verlängerung der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen.

Art. 18.

Beim Wegfall des Gesamtarbeitsvertrages ist auch die Allgemeinverbindlicherklärung ausser Kraft zu setzen. Verlieren nur einzelne Teile des Gesamtarbeitsvertrages, die allgemeingültig erklärt wurden, ihre Gültigkeit, so bleibt die Allgemeinverbindlicherklärung für die übrigen Teile in Kraft.

2 Die Ausserkraftsetzung allgemeinverbindlich erklärter Bestimmungen tritt sowohl für die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände als auch für andere Berufsangehörige erst mit der amtlichen Veröffentlichung ein. Für die Veröffentlichung gelten sinngemäss die Vorschriften des Art. 11.

Art. 19.

1 AnzeigepfUcht.

Die vertragschliessenden Parteien sind verpflichtet, der zuständigen Behörde rechtzeitig von der Aufhebung allgemeinverbindlich erklärter Bestimmungen von Gesamtarbeitsverträgen Kenntnis zu geben, wenn der Zeitpunkt der Aufhebung der behördlich vorgesehenen Gültigkeitsdauer der Allgemeinverbindlicherklärung nicht entspricht. Insbesondere ist der Behörde von der erfolgten Kündigung oder Nichterneuerung solcher Verträge ohne Verzug Mitteilung zu machen.

a Sind die vertragschliessenden Parteien über die Ausserkraftsetzung nicht einig, so findet Art. 12, Abs. 2, entsprechende Anwendung.

Ausserkraftsetzung der Allgemeinverbindlicherklärung.

1

345 Art. 20.

Auf die Abänderung einer allgemeinverbindlich erklärten Bestim- Änderung und der mung eines Gesamtarbeitsvertrages und auf die Ausdehnung der All- Ausdehnung Allgemeingemeinverbindlicherklärung auf neue Bestimmungen finden alle Vor- verbindlicherklärung.

schriften dieses Beschlusses sinngemässe Anwendung.

2 Bei Abänderung bestehender Bestimmungen bleiben die früheren Bestimmungen bis zur amtlichen Veröffentlichung der Abänderung in Kraft.

Art. 21.

Die Verlängerung der Geltungsdauer einer Allgemeinverbindlich- Verlängerung Geltungserklärung kann auf Begehren der beteiligten Verbände durch die zu- der dauer der Allgemeinständige Behörde nach Durchführung des Einspruchsverfahrens verfügt verbindlichwerden. Der Entscheid ist gemäss Art. 11 zu veröffentlichen. Eine neue erklärung.

Überprüfung der Voraussetzungen zur Allgemeinverbindlicherklärung gemäss Art. 2 ist nicht erforderlich. Art. 18, Abs. l, bleibt vorbehalten.

1

Art. 22.

Ändern sich die Voraussetzungen, die für die Allgemeinverbindlicherklärung massgebend waren, so kann die zuständige Behörde diese auf Ersuchen beteiligter Verbände oder von sich aus räumlich, sachlich oder zeitlich einschränken bzw. ausdehnen oder gänzlich aufheben.

Änderung der Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung.

VI. Straîbestimmungen.

Art. 28.

Wer gegen die Auskunftspflicht (Art. 8) verstösst, wer die Friedenspflicht (Art. 15) verletzt, wer die Schweigepflicht (Art. 16) missachtet, wer der Anzeigepflicht (Art. 19, Abs. 1) nicht nachkommt, wird mit Busse bis zu Fr. 1000 bestraft.

2 Die allgemeinen Bestimmungen des schweizerischen Strafgesetzbuches und dessen Art. 826 finden sinngemässe Anwendung.

3 Die Verfolgung und Beurteilung von Zuwiderhandlungen ist Sache der Kantone.

a

Strafen.

Vu. Zuständigkeit bei Streitigkeiten.

Art. 24.

Streitigkeiten über den Geltungsbereich der Allgemeinverbindlicherklärung schlichtet die für den Entscheid zuständige Behörde endgültig, soweit nicht der Art. 25 zur Anwendung gelangt. Die Behörde erlässt gegebenenfalls über den Geltungsbereich eine erläuternde Verfügung.

1

Befugnisse der über die Allgemeinverbindllcherklärung entscheidenden Behörde.

346 2

Für Fälle von untergeordneter Bedeutung kann die entscheidende Behörde ihre Befugnis auf andere Amtsstellen übertragen.

Art. 25.

Wirkungsbereich Bei Einzelstreitigkeiten zivilrechtlicher Natur über die Anwendung gerichtsb'arkeit. der allgemeinverbindlich erklärten- Gesamtarbeitsverträge richtet sich die Zuständigkeit der Gerichte nach den geltenden zivilprozessualen Vorschriften.

vm. Schiassbestimmungen.

Art. 26.

Inkrafttreten.

i Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort btaümmimgen. in Kraft. Er gilt bis zum 81. Dezember 1943.

2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt. Er erlässt ergänzende Verfahrensvorschriften sowie die erforderlichen Ausführungsbestimmungen. Dabei kann er die Vollstreckbarkeit von Kostenverfügungen im Sinne von Art. 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs anordnen.

2660

347 Anhang I.

Loi genevoise donnant force légale obligatoire aux contrats collectifs de travail.

Du 24 octobre 1936.

Article premier. -- Le Conseil d'Etat décrétera obligatoires pour l'ensemble d'une profession ou d'un métier les contrats collectifs acceptés par la majorité des patrons et la majorité des ouvriers de cette profession et qui satisfont à l'intérêt général.

Art. 2. -- Ces contrats collectifs devront contenir notamment des dispositions réglant sans équivoque les matières suivantes: a. droits et obligations principales des parties contractantes; b. montant du salaire, y compris les heures supplémentaires et autres prestations ; c. durée, horaire du travail, vacances, service militaire, maladie, etc.; d. durée minimum de l'engagement et temps d'essai; e. conditions et délais de résiliation individuelle; /. clauses d'arbitrage en cas de conflits individuels et collectifs; g. clauses relatives à la procédure de renouvellement du contrat collectif.

Aucune disposition contraire à la liberté d'association ne pourra figurer dans un contrat collectif.

Art. 3. -- Pour pouvoir être soumis au Conseil d'Etat, aux fins d'être déclarés obligatoires, les contrats collectifs proposés devront avoir recueilli l'adhésion de la majorité des employeurs et de la majorité des employés de la profession.

Art. 4. -- Toute disposition d'un contrat de travail privé qui restreindrait les avantages ou garanties conférés à l'ouvrier ou à l'employé par le contrat collectif obligatoire applicable au même rapport de travail sera réputée nulle de plein droit et remplacée par les dispositions correspondantes du contrat collectif obligatoire.

Art. 5. -- Si dans un délai de 18 mois dès l'entrée en vigueur de la présente loi, les membres d'une profession (employeurs et salariés) n'ont pas conclu entre eux un contrat collectif de travail, le Conseil d'Etat devra promulguer pour cette profession un contrat type obligatoire si l'intérêt général le justifie. Ce contrat type devra être préalablement approuvé par une cour arbitrale présidée par un juge à la Cour de justice, assisté de trois représentants des employeurs et de trois représentants des employés ou ouvriers de la profession en cause.

348

Les dispositions de l'article 5 ne s'appliquent pas à l'agriculture.

Art. 6. -- Tout conflit collectif qui n'aurait pas été liquidé par- les voies de conciliation et d'arbitrage selon les lois fédérales et cantonales en la matière, ou exceptionnellement convenues par les parties en vue de la liquidation d'un conflit déterminé, dans un délai de deux mois au maximum dès la dénonciation du litige, sera porté par la partie la plus diligente ou, à défaut, par le Conseil d'Etat, devant un tribunal constitué par un juge à la Cour de justice, assisté de deux juges patronaux et de deux juges ouvriers. Un patron et un ouvrier, ainsi qu'un suppléant pour chacun d'eux, étant désignés de façon permanente par le Conseil d'Etat. Les deux autres juges seraient désignés par chacune des parties en litige. Ce tribunal devra prendre sa décision, qui sera sans appel, dans un délai de trois mois au maximum.

Au cas où la durée normale du contrat collectif expirerait en cours de procédure, les anciennes conditions continueront à être valables jusqu'à droit jugé.

Art. 7. -- Dans les trois mois qui suivront la promulgation de la présente loi, le Conseil d'Etat édictera le ou les règlements nécessaires à son application.

349 Anhang II.

Freiburgisches Gesetz über

die Kollektivverträge.

Vom 2. Februar 1988.

Art. 1. -- Die Verträge zwischen Arbeitgebern und Angestellten oder Arbeitern zur Eegelung der Arbeitsbedingungen sowohl für einen Teil oder auch die Gesamtheit des Kantonsgebietes können, auf Verlangen der Beteiligten, vom Staatsrat für eine ganze Berufsgruppe verbindlich erklärt werden, sofern sie von der Mehrheit der Beteiligten angenommen worden sind und nichts enthalten, das gegen das Gesamtinteresse verstösst.

Art. 2. -- Die Übertretungen von allgemein verbindlich erklärten Verträgen werden durch Verfügung des kantonalen Einigungsamtes mit einer Busse von Fr. 50 bis 5000 geahndet, unter Vorbehalt des Rekursrechtes an den Staatsrat innert zehn Tagen. Die Fehlbaren werden ausserdem während eines Zeitraumes von drei Jahren von der Beteiligung an Arbeiten, die der Staat unternimmt oder durch Beiträge fördert, ausgeschlossen.

Art. 8. -- Der Staatsrat ist mit dem Vollzug dieses Gesetzes, das nach seiner Promulgierung in Kraft tritt, beauftragt.

350 Anhang m.

Loi neuchâieloise concernant les contrats collectifs de travail.

(Du 17 mai 1939.)

Article premier. -- Sont soumis à la présente loi les contrats collectifs de travail au sens du Code fédéral des obligations et les ententes collectives sur certains éléments du contrat de travail.

Art. 2. -- Tout contrat collectif de travail ou entente collective conclu entre des groupements ou des associations d'employeurs et des groupements ou des associations d'employés exerçant leur activité sur le territoire du canton, doit être déposé par les intéressés en double exemplaire, dont l'original, au département de l'Industrie, dans les quinze jours qui suivent la date de sa signature.

Art. 3. -- Pour être enregistré par le département de l'Industrie, un contrat collectif de travail déposé ne doit rien contenir de contraire à l'intérêt général, ni à la liberté d'association; il doit au minimum régler les conditions générales de travail (durée du travail, taux de rémunération, etc.), la durée et le paiement des vacances, le versement de tout ou partie des salaires durant les périodes de service militaire, les clauses relatives à la conciliation et à l'arbitrage de conflits et à la procédure de renouvellement du contrat.

Art. 4. -- Lorsque des difficultés empêchent de régler la totalité des objets fixés à l'article 3 de la présente loi et qu'une entente collective n'en règle qu'une partie, elle peut cependant être enregistrée.

Art. 5. -- Les décisions du département de l'Industrie peuvent faire l'objet d'un recours au Conseil d'Etat; le recours doit s'exercer dans les 20 jours dès la communication de la décision attaquée.

Art. 6. -- A la demande des intéressés, le Conseil d'Etat peut rendre obligatoire pour l'ensemble d'une profession les dispositions des contrats collectifs de travail et des ententes collectives enregistrées, concernant: a. la durée du travail; b. les taux minima de rémunération; c. la durée et le paiement des vacances; d. le versement de tout ou partie du salaire durant les périodes de service militaire ; e. d'autres mesures d'ordre social.

351 Art. 7. -- Pour que les dispositions qu'il contient soient rendues obligatoires, un contrat collectif de travail ou une entente collective doit avoir recueilli, dans le canton, l'adhésion des deux tiers des employeurs et des deux tiers des employés de la profession.

Pour être valablement acquise la majorité des deux tiers des employeurs doit occuper le 50 % des employés de la profession.

Art. 8. -- Le département de l'Industrie fait procéder aux votations nécessaires chaque fois que les majorités prévues à l'art. 7 de la présente loi ne sont pas évidentes.

Art. 9. -- Lorsqu'elles sont réglées par un contrat collectif de travail ou une entente collective liant dans plusieurs cantons les employeurs et les employés d'une même profession, les dispositions visées à l'art. 6 de la présente loi ne peuvent être rendues obligatoires que pour autant qu'elles sont obligatoires dans tous les cantons en cause.

Art. 10. -- Le Conseil d'Etat suscite et soutient les initiatives dont le but est de régler les rapports et obligations réciproques des employeurs et employés.

Le Conseil d'Etat est chargé d'édicter les mesures d'application de la présente loi.

Art. 11. -- Les contraventions aux dispositions et aux mesures d'exécution de la présente loi sont punies de l'amende jusqu'au maximum fixé par le contrat collectif de travail de la profession à laquelle appartient le contrevenant ou, à défaut, jusqu'à mille francs. En cas de récidive, le montant de l'amende peut s'élever jusqu'à fr. 2000.

Art. 12. -- Le Conseil d'Etat est chargé de pourvoir, s'il y a lieu, après les formalités du referendum, à la promulgation et à l'exécution de la présente loi.

Selon arrêt du 15 décembre 1939 de la Section de droit public du Tribunal fédéral suisse, l'article 6, en liaison avec l'article 7, a été annulé.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen.

(Vom 21. Mai 1941.)

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