03.445 Parlamentarische Initiative Öffentliches Beschaffungswesen Ausbildung von Lehrlingen als Kriterium Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 14. Mai 2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB). Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

14. Mai 2013

Im Namen der Kommission Der Präsident: Christophe Darbellay

2013-1347

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Übersicht Der vorliegende Erlassentwurf geht auf eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Ruedi Lustenberger vom 20. Juni 2003 (03.445) zurück, welche die Berücksichtigung der Lehrlingsausbildung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen fordert. Entsprechend sieht der Gesetzesentwurf eine Änderung von Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) vor. Dieser legt die Zuschlagskriterien fest, welche bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zur Anwendung kommen dürfen. Neu wird hier zusätzlich die Ausbildung von Lernenden der beruflichen Grundbildung aufgeführt.

Damit geht die Vorlage über die Revision der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB) hinaus, welche am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist und welche die Bewertung von Ausbildungsplätzen nur bei gleichwertigen Angeboten schweizerischer Anbieterinnen und Anbietern ermöglicht.

Mit dem Gesetzesentwurf bekennt sich die Kommissionsmehrheit zum dualen Bildungssystem der Schweiz. Sie erachtet die berufliche Grundbildung als Erfolgsmodell, welches es langfristig zu erhalten und zu fördern gilt.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Die parlamentarische Initiative wurde am 20. Juni 2003 von Nationalrat Ruedi Lustenberger eingereicht. Sie fordert eine Anpassung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB, SR 172.056.1), damit die Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung durch einen Anbieter oder eine Anbieterin bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen positiv gewichtet wird.

Im Mai 2004 beantragte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) mit 15 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben. Der Nationalrat folgte diesem Antrag im März 2005 mit 126 zu 49 Stimmen, gemäss dem Verfahren, welches im damals geltenden Geschäftsverkehrsgesetz vorgesehen war. Im April 2005 beschloss die WAK-N mit 12 zu 12 Stimmen bei Stichentscheid des Präsidenten, mit der Ausarbeitung einer Vorlage abzuwarten, bis der Bundesrat eine Botschaft über eine Revision des BöB vorlegt. Da die Revision des BöB noch hängig war, verlängerte der Nationalrat in den Jahren 2007 und 2009 und letzlich in der Frühjahrsession 2011 die Frist zur Ausarbeitung einer Vorlage um jeweils zwei Jahre.

An ihren Sitzungen vom 17. Januar und 5. Juli 2011 liess sich die WAK-N von der Verwaltung u.a. darüber informieren, dass das Projekt einer Totalreform des BöB nach der durchgeführten Vernehmlassung erst nach der Revision des WTO-Übereinkommens vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA, SR 0.632.231.422) weiterverfolgt werde und dass das Anliegen der parlamentarischen Initiative 03.445 inzwischen auf Verordnungsstufe umgesetzt worden sei, soweit die aktuelle Gesetzesgrundlage dies erlaube (siehe unten Ziff. 2.1.3.2). Die WAK-N begrüsste die Ergänzung der Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB, SR 172.056.11) um Abs. 3 von Art. 27. Dieser sieht vor, dass bei gleichwertigen Angeboten schweizerischer Anbieter oder Anbieterinnen berücksichtigt wird, inwieweit diese Ausbildungsplätze anbieten. Eine Mehrheit betrachtete diese neue Bestimmung aber lediglich als Etappenziel. Mit 19 zu 4 Stimmen wurde entschieden, die Arbeiten weiterzuführen und eine Gesetzesänderung auszuarbeiten, die das Ziel der Initiative vollkommen umsetzt. Sie beauftragte die Verwaltung, einen Vorentwurf
mit erläuterndem Bericht auszuarbeiten.

An ihrer Sitzung vom 12./13. November 2012 hat die WAK-N einen entsprechenden Vorentwurf geprüft und genehmigt. Da zudem die Eröffnung eines Vernehmlassungsverfahrens beschlossen wurde, beantragte die Kommission eine abermalige Verlängerung der Frist zur Erarbeitung eines Entwurfs, welche der Nationalrat in der Wintersession 2012 genehmigt hat.

Die WAK-N hat den Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens an Ihrer Sitzung vom 13./14. Mai 2013 zur Kenntnis genommen und zur Publikation freigegeben. Ebenso hat sie sich über den positiven Mitbericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N) informieren lassen.

Schliesslich hat die Kommission den Gesetzesvorentwurf ein letzes Mal beraten und in der Gesamtabstimmung mit 19 zu 6 Stimmen definitiv angenommen. Der Erlass5443

entwurf wird dem Nationalrat und gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet. Der Nationalrat wird die Vorlage voraussichtlich in der Herbstsession 2013 behandeln.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Geltendes Recht

2.1.1

Grundsatz

Das Beschaffungsrecht dient dazu, die Vergabe öffentlicher Aufträge transparent, nicht diskriminierend, wirtschaftlich und wettbewerbsfördernd zu gestalten (Art. 1 BöB).

2.1.2

Internationales Recht

Das öffentliche Beschaffungsrecht ist stets im internationalen Kontext zu betrachten.

Die Regelungen für das Bundes-Beschaffungsrecht in Gesetz und Verordnung (BöB, VöB) setzen die Verpflichtungen der Schweiz und die Vorgaben aus den internationalen Verträgen um. Massgebend sind das GPA, das Abkommen vom 21. Juni 1999 der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (bilaterale Abkommen, SR 0.172.052.68) und verschiedene Freihandelsabkommen, die im Rahmen der EFTA oder direkt mit der Schweiz abgeschlossen wurden.

Das internationale Beschaffungsrecht beruht auf Reziprozität. Dies bedeutet, dass einzelne Liberalisierungsschritte nur gegenüber jenen Vertragsstaaten Wirkung entfalten, die gegenüber der Schweiz ein Gegenrecht gewähren. Die Unterstellung von Beschaffungsstellen und der Marktzugang schweizerischer Unternehmungen zu öffentlichen Aufträgen im Ausland wird im Rahmen des GPA mit den jeweiligen Vertragsstaaten individuell ausgehandelt. Die Nicht-Diskriminierungsbestimmungen der internationalen Beschaffungsübereinkommen ermöglichen es der Schweiz, den Zugang der schweizerischen Anbieter im Ausland zu sichern und im Falle von Marktzugangsproblemen erfolgreich zu verteidigen.

Öffentliche Aufträge, die eine bestimmte Grösse bzw. einen sogenannten Schwellenwert erreichen, sind für den Wettbewerb von Anbietenden aus den Vertragsstaaten zu öffnen. Das Verfahren für öffentliche Aufträge des Bundes, die diesen Schwellenwert erreichen, wird im BöB geregelt: Die Aufträge sind öffentlich auszuschreiben und Anbietende der durch die völkerrechtlichen Verträge verbundenen Staaten sind zur Angebotseinreichung zuzulassen und gegenüber inländischen Anbietenden nicht zu diskriminieren. Regelungen zum Verfahren betreffend die übrigen, unterhalb der Schwellenwerte liegenden öffentlichen Aufträge des Bundes finden sich im 3. Kapitel der VöB.

Die Schwellenwerte im internationalen Bereich unterstehen Währungsschwankungen und werden alle zwei Jahre neu festgelegt, letztmals im November 2011. Für Aufträge des Bundes betragen sie aktuell Fr. 8,7 Mio. für Bauwerke, Fr. 230 000 für Dienstleistungen und Lieferungen sowie Fr. 700 000 für Aufträge, welche durch die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen Organisationen, die in der Schweiz 5444

Tätigkeiten in den Bereichen der Wasser-, der Energie- und der Verkehrsversorgung sowie der Telekommunikation ausüben, oder zwecks Personentransport durch die Automobildienste der Schweizerischen Post vergeben werden (Art. 6 Abs. 1 BöB). Ähnliche Schwellenwerte finden sich im kantonalen Beschaffungsrecht (siehe www. simap.ch).

2.1.3

Bundesrecht

Aufgrund der verfassungsmässigen Kompetenzaufteilung und aufgrund der unterschiedlichen Verpflichtungen, insbesondere aus dem GPA und dem bilateralen Abkommen mit der EU, wird das internationale Beschaffungsrecht bei Bund und Kantonen in eigenen Erlassen umgesetzt. Die Vorgaben für die Beschaffungsstellen des Bundes sind im BöB und der VöB geregelt.

Kriterien und Verfahrensgrundsätze Art. 8 Abs. 1 des BöB hält gewisse Teilnahmevoraussetzungen für Anbieter fest, welche bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch den Bund berücksichtigt werden müssen. In diesem Sinne müssen Anbietende die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen und Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen am Ort der Leistung gewährleisten (Bst. b) und für Leistungen in der Schweiz zudem die Gleichbehandlung von Frau und Mann in Bezug auf die Lohngleichheit sicherstellen (Bst. c).

Sind diese Teilnahmevoraussetzungen gegeben, erhält das wirtschaftlich günstigste Angebot eines geeigneten Anbietenden den Zuschlag. Es wird aufgrund der von der Vergabestelle festgelegten Eignungs- und Zuschlagskriterien ermittelt.

Eignungskriterien dienen dem Nachweis der finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit des Anbietenden in Bezug auf die nachgefragte Leistung (BöB Art. 9 und VöB Art. 9). Die Eignungskriterien müssen von allen Teilnehmenden im konkreten Verfahren erfüllt werden, andernfalls wird der Anbietende und das Angebot vom Verfahren ausgeschlossen.

Zuschlagskriterien dienen der Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots.

Nicht primär das billigste, sondern dasjenige Angebot mit dem besten PreisLeistungsverhältnis soll den Zuschlag erhalten, so dass Steuergelder wirtschaftlich eingesetzt werden. Art. 21 des BöB erwähnt exemplarisch die Kriterien Termin, Qualität, Preis, Wirtschaftlichkeit, Betriebskosten, Kundendienst, Zweckmässigkeit der Leistung, Ästhetik, Umweltverträglichkeit und technischer Wert als mögliche Zuschlagskriterien. Ergänzt wird dieser Katalog in Art. 27 Abs. 2 der VöB durch die Kriterien Nachhaltigkeit, Innovationsgehalt, Funktionalität, Servicebereitschaft, Fachkompetenz, Effizienz der Methodik und die während der gesamten Lebensdauer zu erwartenden Kosten. Weitere Kriterien sind möglich, solange sie einen Bezug zur nachgefragten Leistung haben, hinreichend klar
umschrieben sind, nicht diskriminierend wirken und der Differenzierung der Angebote und letztlich der Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen.

Die genannten Zuschlagskriterien werden unterschiedlich gewichtet. Diese Gewichtung ist je nach Komplexität des Auftrags bei Beginn des Verfahrens festzulegen und bekannt zu geben. In Präzisierung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel legte die Rechtsprechung (z.B. BGE 129 I 313) jedoch 5445

gewisse Richtwerte für die Beurteilung zumindest der monetären Kriterien (Preis und Betriebskosten) fest.

Lernende in der beruflichen Grundbildung im geltenden Beschaffungsrecht Die Bewertung der Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung als Zuschlagskriterium ist nach geltendem BöB nicht vorgesehen. Der Bundesrat berücksichtigte jedoch das Anliegen der parlamentarischen Initiative 03.445 ­ im Rahmen der geltenden Gesetzesordnung ­ auf Verordnungsstufe (VöB), indem er per 1. Januar 2010 den neuen Art. 27 Abs. 3 einführte: «Bei gleichwertigen Angeboten schweizerischer Anbieter oder Anbieterinnen berücksichtigt sie [die Auftraggeberin], inwieweit diese Ausbildungsplätze anbieten.» Der Bundesrat hielt in den Erläuterungen zur revidierten VöB dazu Folgendes fest: «Sind zwei Angebote von schweizerischen Anbieterinnen, d.h. von Anbieterinnen mit Sitz oder Niederlassung in der Schweiz, gleichwertig, ist der Zuschlag derjenigen Anbieterin zu erteilen, die mehr Ausbildungsplätze anbietet und damit gesamtwirtschaftliche Verantwortung trägt. Als gleichwertig gelten Angebote mit gleicher Punktzahl. Bei den Ausbildungsplätzen können (je nach Branche) neben Lehrlingen etwa auch Praktikanten- und Doktorandenplätze berücksichtigt werden. Die Auftraggeberin stellt zur Bewertung des Ausbildungsangebotes in der Regel auf die Zahl der Ausbildungsplätze im Verhältnis zum gesamten Personalbestand ab, um eine Benachteiligung von kleinen gegenüber grossen Betrieben zu verhindern.

Die Berücksichtigung der Anzahl der zur Verfügung gestellten Ausbildungsplätze eignet sich hingegen weder als Eignungs- noch als Zuschlagskriterium, da ansonsten leistungsbezogene und leistungsfremde Kriterien vermischt würden. Eine solche Vermischung würde den Wettbewerb einschränken und sich verzerrend auf die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes auswirken. Die Bestimmung ist nur auf in der Schweiz niedergelassene Anbieterinnen anwendbar. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ausländische Anbieterinnen aus einem GPA-Mitgliedsstaat oder aus anderen Staaten, mit denen die Schweiz ein internationales Abkommen abgeschlossen hat, diskriminiert würden. Die meisten dieser Staaten kennen keine mit dem schweizerischen Ausbildungswesen vergleichbare Berufsausbildung.» (Erläuternder Bericht zur Änderung der VöB vom 1. Januar 2010, S. 20)

2.1.4

Kantonales Recht

In der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. März 2001 (IVöB) sind die Grundsätze des Beschaffungsrechts der Kantone festgelegt. Die Vergabestellen jedes Kantons und jeder Gemeinde unterstehen der auf diesem Konkordat beruhenden jeweiligen kantonalen Beschaffungsordnung.

Eine Übersicht über die kantonalen Erlasse findet sich auf der Ausschreibungsplattform von Bund, Kantonen und Gemeinden (www.simap.ch).

Das Recht und die Praxis der meisten Kantone lassen ein Zuschlagskriterium «Lehrlingsausbildung» mit untergeordneter Gewichtung bei Vergaben zu, jedoch nur 5446

unterhalb der internationalen Schwellenwerte (vgl. z.B. § 22 Submissionsverordnung des Kantons Zürich vom 23. Juli 2003, LS 720.11). In nur gerade vier Kantonen fand das Kriterium keine Aufnahme in die gesetzlichen Grundlagen zum öffentlichen Beschaffungswesen; ein Kanton führt «besondere Leistungen zu Gunsten der Berufsbildung» im Katalog der möglichen Eignungskriterien auf.

Dieses Kriterium steht im Einklang mit den Vorgaben der Kommission für das Beschaffungswesen Bund-Kantone (KBBK), da es nur bei Verfahren im sogenannten «Nicht-Staatsvertragsbereich», d.h. unterhalb der Schwellenwerte des GPA, des bilateralen Abkommens und der Freihandelsabkommen, zur Anwendung kommt und bei denen sich das mögliche Problem der Diskriminierung von ausländischen Anbietenden deshalb nicht stellt.1 Der Bereich der unterschwelligen Vergaben ist auf kantonaler Ebene wesentlich grösser als auf Bundesebene, sowohl in Bezug auf die Anzahl Aufträge als auch den totalen Beschaffungswert. Derzeit existiert keine verlässliche Statistik weder zur Anzahl noch zum Beschaffungswert der Vergaben im Nicht-Staatsvertragsbereich.

In einzelnen Kantonen gibt es eine differenzierte Rechtsprechung zum Zuschlagskriterium «Lernende in der beruflichen Grundbildung». So gilt bspw. im Kanton Zürich, dass das Kriterium nicht allzu stark gewichtet werden darf, konkret höchstens 10 Prozent (Verwaltungsgericht Zürich: VB.2001.00215 E. 6, bestätigt in VB 2005.00526 E. 6). In anderen Kantonen wurde festgelegt, dass das Kriterium der Lehrlingsausbildung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nur bei annähernd gleichwertigen Angeboten zur Anwendung kommen soll (siehe z.B. Verwaltungsgericht Aargau: Urteil BE.99.00179 vom 15. September 1999, E. 3, nicht publiziert; Obergericht Uri: Urteil OG V 07 45 vom 07. April 2008, E. 6 b; BGE 129 I 313 in Bestätigung des Entscheids des Kantonsgerichts Wallis). Zudem muss die Anzahl der Lehrlinge gemäss verschiedenen kantonalen Gerichtsentscheiden im Verhältnis zur Anzahl Mitarbeitender einer Unternehmung bewertet werden (siehe z.B. Verwaltungsgericht Zürich: VB.2001.00215 E. 6, bestätigt in VB.2005.00526 E. 6; Obergericht Uri: Urteil OG V 07 45 vom 07. April 2008, E. 6 b). Andernfalls würden kleine Firmen gegenüber grossen diskriminiert.

2.2

Europäisches Recht

Das europäische Recht lässt soziale Erwägungen im Beschaffungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen zu. Der Bezug zum Beschaffungsgegenstand muss gegeben sein, die Umsetzung im Vertrag soll verhältnismässig sein, der Grundsatz der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel darf nicht verletzt werden und der freie Zugang für alle EU-Lieferanten muss gewahrt bleiben (EU-Richtlinie 2004/18/EG; EU-Richtlinie 2004/17/EG; S. 5, Sozialorientierte Beschaffung ­ Ein Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Beschaffungswesen, EU, 2011).

1

Zwar sind auch bei öffentlichen Aufträgen unterhalb der internationalen Schwellenwerte ausländische Anbietende zum Bewerbungsverfahren zugelassen. Im Gegensatz zum Staatsvertragsbereich haben sie jedoch kein Anrecht darauf, gleich wie inländische Anbietende behandelt zu werden. Dasselbe gilt analog für Schweizer Unternehmen, die sich im Ausland um unterschwellige, öffentliche Aufträge bewerben. Zudem kommt im NichtStaatsvertragsbereich in der Regel das Einladungsverfahren zur Anwendung. In solchen Fällen werden je nach Markt häufig nur inländische Anbieter eingeladen.

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Die europäische Gesetzgebung und Rechtsprechung anerkennt derzeit nur soziale Kriterien, die einen materiellen Bezug zum Beschaffungsgegenstand haben. Soziale Kriterien, die diesen Bezug nicht herstellen, können aber als «zusätzliche Vergabekriterien» bei gleichwertigen Angeboten (nach der Bewertung aufgrund der gewichteten Zuschlagskriterien) zur Ausübung des Ermessens herangezogen oder als Vertragsklauseln eingefügt werden (Ausführungsphase). Die Frage, ob eine Vertragsklausel mit Bezug auf die Ausbildung von Lehrlingen diskriminierend wirkt, ist noch offen. Die Verwendung solcher zusätzlicher Vergabekriterien bedarf weiterer Klärung durch die Rechtsprechung (zum Ganzen siehe Erwägungen 1, 46 und Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 114 und Erwägung 38 und Art. 1 der Sektorenrichtlinie 2004/17/EG für Aufträge von Auftraggebern aus dem Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. L 134 vom 30.4.2004, S. 1 sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes CJCE, 17. September 2002, Concordia Bus Finland, Rechtssache C-513/99 , I-7213 und CJCE, 4. Dezember 2003, EVN und Wienstrom, Rechtssache C-448/01, I-14527, S. 38­40 des vorgenannten Dokuments).

2.3

Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt

Zahlen des zweimal jährlich erhobenen Lehrstellenbarometers des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI, ehemals Bundesamt für Berufsbildung und Technologie) zeigen, dass in der beruflichen Grundbildung in den letzten Jahren leicht positive Tendenzen zu vermerken sind. Seit 2004 interessieren sich stets zwischen 55 bis 60 Prozent aller Jugendlichen, die vor der Ausbildungswahl stehen, für eine Lehrstelle. Davon gelingt es den meisten auch, sich einen Ausbildungsplatz zu sichern. Konkret verringerte sich beispielsweise die «Warteschlange» ohne Zusage ­ Jugendliche, die für das nächste Jahr eine Lehrstelle suchen und keine Zusage haben ­ von 16 bis 17 Prozent in den Jahren 2003 bis 2007 auf 10 Prozent im Jahr 2012. In absoluten Zahlen entspricht dies einer Reduktion von rund 20 000 auf 15 500 Jugendliche. Zudem haben gemäss der August-Erhebung des Lehrstellenbarometers 2012 rund 77 Prozent der Jugendlichen, die im April 2012 Interesse an einer beruflichen Grundbildung hatten, eine solche im August 2012 begonnen. Dieser Anteil ist gegenüber den Vorjahren leicht gestiegen.

Der Grund dafür, weshalb nicht alle Jugendliche eine Lehrstelle finden, ist weniger die mangelnde Verfügbarkeit von Ausbildungsplätzen als die Inkompatibilität von Angebot und Nachfrage in geographischer Hinsicht und in punkto Interessen und Fähigkeiten der Lernenden. So zeigt sich in den letzten Jahren insgesamt eher ein Überangebot an Ausbildungsplätzen. Seit 2003 können in der Regel rund 5 bis 10 Prozent aller angebotenen Lehrstellen nicht besetzt werden. Dabei lassen sich aber auch grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen feststellen. Während es insbesondere im Dienstleistungssektor, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Verkauf mehr interessierte Jugendliche als Lehrstellen gibt, überwiegt das Angebot in den technischen Berufen und im Bereich «Architektur und Baugewerbe» die Nachfrage deutlich.

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Im Allgemeinen hat sich die Lage auf dem Lehrstellenmarkt seit Einreichung der parlamentarischen Initiative 03.445 im Jahr 2003 also verbessert. Dies ist auch auf diverse staatliche Massnahmen auf Bundes- und kantonaler Ebene zurückzuführen.

Beispiele sind die intensivierte Berufsinformation und -beratung, der Einsatz von Lehrstellenförderinnen und -förderern, die Bereitstellung von staatlichen Übergangslösungen (vor allem Brückenangeboten) und Mentoringprogrammen oder der Aufbau von Lehrbetriebsverbünden.

2.4

Anträge der Kommission

2.4.1

Antrag der Mehrheit

Die Mehrheit der Kommission schlägt vor, die Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung in den Katalog der Zuschlagskriterien von Art. 21 Abs. 1 des BöB aufzunehmen. Dieser Entwurf geht weiter als die geltende Regelung auf Verordnungsebene, wonach nur bei gleichwertigen Angeboten schweizerischer Anbieter oder Anbieterinnen berücksichtigt wird, inwieweit diese Ausbildungsplätze anbieten. Mit dem Entwurf wird dagegen die Möglichkeit eingeräumt, die Ausbildung von Lehrlingen generell als Zuschlagskriterium zu verwenden. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soll sie somit nicht erst in einem zweiten Schritt, sondern auf der gleichen Stufe wie alle anderen Zuschlagskriterien berücksichtigt werden und sowohl für Schweizer als auch ausländische Anbietende gelten. Im Vergleich zur revidierten VöB ist die Vorlage jedoch in dem Sinne eingeschränkter, als dass sie konkret auf die berufliche Grundbildung und nicht Lernende im Allgemeinen ausgerichtet ist.

Die Kommissionsmehrheit ist sich bewusst, dass im Gegensatz zu 2003 heute kein akuter Lehrstellenmangel mehr besteht. Sie begründet ihre positive Haltung zum Gesetzesentwurf deshalb nicht unbedingt mit der Notwendigkeit, neue Lehrstellen zu schaffen, sondern mit einem grundsätzlichen Bekenntnis zum dualen Bildungssystem der Schweiz. Die Kommissionsmehrheit ist der Auffassung, dass die Berufsbildung nach Schweizer Vorbild ein Erfolgsmodell ist, welches es zu unterstützen und auch international zu fördern gilt. Mitunter sei es der Lehrlingsausbildung zu verdanken, dass die Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eine sehr tiefe Arbeitslosigkeit aufweist, gerade unter Jugendlichen. Allerdings stellt die Mehrheit der Kommission fest, dass der Stellenwert der Berufslehre im Gegensatz zum tertiären Bildungsweg in jüngster Zeit abnimmt. Aus diesem Grund erachtet sie es als wichtig, Massnahmen zur Stärkung des dualen Bildungssystems zu ergreifen und damit ein Zeichen zu setzen. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen einerseits Unternehmen im öffentlichen Beschaffungswesen honoriert werden, die sich bereits in der Berufsbildung engagieren. Andererseits sollen Anreize geschaffen werden, um die Bereitstellung neuer Ausbildungsplätze in der Privatwirtschaft zu begünstigen.

Das Problem der Unvereinbarkeit der vorgeschlagenen Massnahme
mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz, namentlich dem GPA, bzw. die Gefahr der Diskriminierung von Anbieterinnen und Anbietern aus jenen Ländern, die kein duales Bildungssystem aufweisen, hält die Mehrheit der Kommission aus verschiedenen Gründen für gering: So geht die Mehrheit der Kommission davon aus, dass der überwiegende Anteil der öffentlichen Aufträge nicht den Staatsvertragsbereich betrifft. In diesen Fällen gilt das Gleichbehandlungsgebot gemäss GPA nicht, und es 5449

sind in der Regel nur Schweizer Unternehmen beteiligt. Ausserdem wird angenommen, dass die meisten ausländischen Firmen, welche sich in der Schweiz um öffentliche Aufträge bewerben, eine Niederlassung im Land haben. Diese können also ebenfalls Lehrlinge ausbilden und wären somit nicht diskriminiert. Des Weiteren würde das Zuschlagskriterium der Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung ebenso wie die anderen weichen Kriterien gemäss Art. 21 Abs. 1 des BöB und Art. 27 Abs. 2 der VöB nur mit einer sehr niedrigen Gewichtung (z.B. 1 bis 3 Prozent) in die Vergabe öffentlicher Aufträge einfliessen. Entsprechend sollte es Firmen aus Ländern, welche keine als gleichwertig zu betrachtende Form der beruflichen Grundbildung kennen, in ausreichendem Masse möglich sein, das Fehlen von Ausbildungsplätzen durch andere Zuschlagskriterien zu kompensieren.2 Schliesslich ist es denkbar, das Kriterium der Berufsbildung bei ausländischen Firmen so anzuwenden, dass es auch äquivalente Formen der Ausbildung umfasst (z.B. Praktikumsplätze).

Auch das Risiko einer möglichen Ungleichbehandlung von Unternehmen im Inland, welche Ausbildungsplätze nicht besetzen oder anbieten können, besteht laut der Mehrheit der Kommission nicht. Bei öffentlichen Ausschreibungen stehen Anbietende in der Regel in Konkurrenz mit Firmen aus der gleichen Branche. Deshalb dürften für alle Teilnehmer die gleichen Bedingungen und Voraussetzungen gelten.

Im Weiteren trifft es nach der Mehrheit der Kommission nur bedingt zu, dass es sich bei der Ausbildung von Lehrlingen um ein leistungsfremdes Kriterium handle und sie sich deshalb nicht als Zuschlagskriterium eigne. Es wird argumentiert, dass die Sicherstellung der Ausbildung des beruflichen Nachwuchses unabdingbar für die längerfristige, fachgerechte Erbringung von Leistungen aller Art ist. Die Förderung der Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung leistet deshalb einen Beitrag zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit.

2.4.2

Antrag der Minderheit

Eine Minderheit der Kommission (Noser, Fischer Roland, Germanier, Maier Thomas, Müller Philipp, Pelli) beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten, da sie ein Problem aufgreife, welches die Wirtschaft bereits selber gelöst habe. Die Komissionsminderheit verweist darauf, dass sich die gravierende Situation auf dem Lehrstellenmarkt seit Einreichung der parlamentarischen Initiative im Jahr 2003 markant verbessert habe, auch dank der guten Arbeit des zuständigen Bundesamtes. So könne man heute nicht mehr von einem generellen Mangel an Lehrstellen sprechen. Vielmehr sei es so, dass es in gewissen Branchen an Ausbildungsplätzen fehle, während es anderen nicht gelinge, genügend Lehrlinge zu finden. Letzteres trifft gemäss der Kommissionsminderheit vielfach gerade auf jene Branchen zu, die auf öffentliche Aufträge angewiesen sind (z.B. das Bauwesen) und für die die neue Bestimmung 2

Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Zuschlags- und Eignungskriterien gemäss BöB.

Eignungskriterien müssen von allen Teilnehmenden am konkreten Verfahren erfüllt werden, andernfalls wird der Anbietende vom Verfahren ausgeschlossen. Würde die Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung als Eignungskriterium definiert, würden alle Anbietenden, die keine Lernenden ausbilden können, von Aufträgen des Bundes ausgeschlossen, unabhängig davon, ob sie finanziell, wirtschaftlich und technisch in der Lage gewesen wären, den Auftrag zu erfüllen. Allen ausländischen Anbietenden, deren Berufsausbildung nicht auf einem dualen System beruht, wäre der Zugang zu Aufträgen des Bundes verwehrt.

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deshalb nicht zweckdienlich wäre. Zudem befürchtet die Minderheit, dass die Umsetzung der Vorlage zu einer Benachteiligung von Schweizer Firmen führen könnte.

Da andere Staaten das duale Ausbildungssystem nicht kennen, müssten z.B. Praktikumsstellen als äquivalent angesehen werden, damit das neue Zuschlagskriterium mit dem GPA vereinbar wäre. Oder anders gesagt, Schweizer Firmen müssten mit der Pflicht, Lehrlinge im engeren Sinne auszubilden, strengere Anforderungen erfüllen als ausländische Konkurrenten. Auch wird darauf hingewiesen, dass nicht alle Betriebe Lehrlinge ausbilden können, namentlich Klein- und Kleinstunternehmen oder neu gegründete Firmen (meist innovative Start-ups). Es würde eine Ungleichbehandlung zu grösseren Unternehmen oder etablierten Firmen entstehen, was den Bestrebungen, einerseits KMU und andererseits Innovation zu fördern, klar zuwider läuft. Im Weiteren argumentiert die Kommissionsminderheit, dass neue Kontroll- und Rekursmechanismen eingeführt werden müssten, um überprüfen zu können, ob Firmen das Kriterium der Lehrlingsausbildung auch tatsächlich einhalten, wenn sie dies angeben. Dies wäre mit einem grossen bürokratischen Mehraufwand verbunden. Abschliessend führt die Minderheit aus, dass mit der Aufnahme der Lehrlingsausbildung als Kriterium ein politischer Präzedenzfall für die Aufnahme weiterer sachfremder Kriterium geschaffen wird (z.B. Integration von behinderten Menschen, Beschäftigung älterer Arbeitnehmenden, Vertretung von Frauen im Verwaltungsrat, Beschäftigung von Menschen mit Migrationshintergrund, etc.).

2.5

Vernehmlassungsverfahren

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 11. Dezember 2012 bis zum 18. März 2013. Insgesamt gingen 63 Stellungnahmen ein, welche vom Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) ausgewertet und in einem Bericht zuhanden der WAK-N zusammengefasst wurden. Summarisch stehen 17 Kantone der Vorlage positiv gegenüber, während sie von dreien abgelehnt wird. Zwei Kantone nehmen keine eindeutige Haltung ein. Bei den Parteien können vier als Befürworter und eine (FDP) als Gegnerin bezeichnet werden, wobei sich wiederum eine Partei (SVP) nicht klar zuordnen lässt. Schliesslich positionieren sich von den teilnehmenden Verbänden und weiteren interessierten Organisationen 19 für und 14 gegen die Vorlage.3

2.6

Umsetzung

Neben der Aufhebung von Art. 27 Abs. 3 der VöB ist eine Präzisierung auf Verordnungsebene nicht erforderlich.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Es wird das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB, SR 172.056.1) geändert.

3

Eine Liste aller Vernehmlassungsteilnehmenden sowie auch deren Positionen und Argumente sind dem Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zu entnehmen. Dieser ist verfügbar unter: www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2012.html.

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Ingress Die Teilrevision des BöB wird zum Anlass genommen, den Ingress so zu ändern, dass sich das Gesetz neu auf den entsprechenden Artikel in der Bundesverfassung von 1999 abstützt.

Art. 21 Abs. 1 Durch die Erwähnung im Katalog der Zuschlagskriterien wird die Berücksichtigung der Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots möglich.

Bei der Verwendung dieses Zuschlagskriteriums können Anbietende, die Lehrlinge ausbilden, einen Punktevorteil erlangen. Andererseits können Anbietende, die über keine Lehrstellen verfügen, am Verfahren teilnehmen und den Zuschlag erhalten, wenn die Bewertung der anderen Zuschlagskriterien den Punkteverlust aufwiegt.

Anhand der Übung und der Rechtsprechung zu den Zuschlagskriterien kann davon ausgegangen werden, dass dieses Kriterium nur mit untergeordneter Gewichtung in Bezug auf die anderen Zuschlagskriterien verwendet wird. Konkret wäre ein Gewichtungsfaktor von 1 bis 3 Prozent denkbar. Durch die Verwendung des Begriffes «insbesondere» ist gewährleistet, dass die Vergabestelle das Zuschlagskriterium Ausbildung von Lernenden weglassen kann, wenn die Verwendung nicht angebracht ist (z.B. bei Vergabe in Branchen, die keine Ausbildung von Lernenden kennt).

Als Ausbildung von Lernenden gilt das durch den Lehrvertrag eingegangene Ausbildungsverhältnis für die berufliche Grundbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (BBG, SR 412.10). Damit wird eine engere Definition gewählt als in Art. 27 Abs. 3 der VöB, wo von Ausbildungsplätzen ohne nähere Spezifizierung die Rede ist (siehe Ziff. 2.1.3.2).

Im Weiteren wäre das Zuschlagskriterium analog zu Art. 27 Abs. 3 der VöB so anzuwenden, dass die Zahl der Ausbildungsplätze, nicht der effektiv beschäftigten Lehrlinge ausschlaggebend ist. Es besteht die Möglichkeit, dass Unternehmen ihre angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzen können, weil keine oder nur unpassende Bewerbungen eingehen.

Schliesslich ist die Anzahl Lehrstellen nicht absolut, sondern im Verhältnis zum gesamten Personalbestand zu bewerten, um eine Benachteiligung von kleinen gegenüber grossen Betrieben zu verhindern.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Der Umfang der finanziellen Auswirkungen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau bezifferbar. Die Einführung des zusätzlichen Kriteriums wird für den Bund einen erhöhten Arbeitsaufwand in der Auswertungsphase zur Folge haben.

5452

4.2

Vollzugstauglichkeit

Die Bewertung der Angebote durch die Beschaffungsstellen geschieht in der Regel durch interne Fachleute im Bereich der nachgefragten Leistung. Als Bewertungshilfen stehen den Beschaffungsstellen des Bundes u.a. auch elektronische Hilfsmittel zur Verfügung, die entsprechend angepasst werden müssen. Für die detaillierte Handhabung des neuen Zuschlagskriteriums kann auf die Erfahrungen der kantonalen und kommunalen Vergabestellen bzw. auf die umfangreiche Rechtsprechung der kantonalen Verwaltungsgerichte Bezug genommen werden.

Offen bleibt ob eine Bestätigung der für die Zulassung als Ausbildungsbetrieb zuständigen Stelle eingereicht werden muss. In jedem Fall soll der Vollzug für die Unternehmen so wenig zusätzlichen Aufwand wie nötig bedeuten.

4.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die internationalen Bestimmungen im öffentlichen Beschaffungsrecht werden von den Kantonen autonom umgesetzt. Die Aufnahme der Ausbildung von Lehrlingen in den Katalog der Zuschlagskriterien des Bundes hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden und bedeutet in diesem Bereich sogar eine Harmonisierung mit den Bestimmungen der meisten Kantone, die ein solches Zuschlagskriterium im Nicht-Staatsvertragsbereich bereits kennen (siehe Ziff. 2.1.4).

4.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Es wird ein Anreiz geboten, mehr Ausbildungsplätze für die berufliche Grundbildung zu schaffen, was mehr gut ausgebildete Lehrabgänger und eine Reduktion der Anzahl arbeitsloser Schulabgänger hervorbringen dürfte. Langfristig wird damit eine positive Wirkung auf die Volkswirtschaft und eine Senkung der Sozialausgaben angestrebt.

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Das BöB stützt sich auf die inhärente Kompetenz des Bundes, Organisations- und Verfahrensvorschriften zu erlassen. Formale Verfassungsgrundlage ist Art. 173 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV). In diesem Rahmen kann der Bund im BöB auch vorsehen, dass die Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung ein weiteres Kriterium für den vergaberechtlichen Zuschlag bildet. Vorschriften über die Ausbildung von Lernenden als solche stützen sich auf Art. 63 Abs. 1 der BV (Berufsbildung). Indem die vorgeschlagene Massnahme einen Anreiz setzt, verstärkt Lernende auszubilden, trägt sie auch dazu bei, das Sozialziel, wonach «Erwerbsfähige ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können» (Art. 41 Abs. 1 Bst. d BV), zu erreichen.

5453

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das BöB dient der Umsetzung der Verpflichtungen der Schweiz aus dem GPA, dem bilateralen Abkommen mit der EU und den EFTA-Freihandelsabkommen in nationales Recht. Die Grundsätze der Nicht-Diskriminierung, der Transparenz der Vergabeverfahren und der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Gelder sind das Rückgrat der geltenden internationalen Regeln und sind in der nationalen Rechtsetzung uneingeschränkt abzubilden.

Die Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung an sich hat keinen direkten Bezug zur nachgefragten Leistung und könnte deshalb im internationalen Zusammenhang ­ d.h. oberhalb der internationalen Schwellenwerte ­ gegenüber Staaten, die kein duales Ausbildungssystem kennen, möglicherweise als diskriminierendes Kriterium betrachtet werden. Die Kommission ist jedoch aus verschiedenen Gründen der Meinung, dass die Gefahr der Diskriminierung ausländischer Anbieterinnen und Anbietern gering ist (siehe Ziff. 2.4.1).

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Es erfolgt keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen.

5.4

Erlassform

Die Erfüllung der parlamentarischen Initiative 03.445 erfolgt in Form einer Teilrevision des BöB.

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