13.009 Aussenpolitischer Bericht 2012 vom 9. Januar 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Aussenpolitischen Bericht 2012 und ersuchen Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Januar 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-1935

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Übersicht Der aussenpolitische Bericht 2012 gibt einen Gesamtüberblick über die schweizerische Aussenpolitik im Berichtsjahr. Er richtet sich in seiner Form und Ausgestaltung nach dem Beschluss des Bundesrates vom 3. Mai 2011, der das EDA beauftragt, dem Bundesrat einen Rechenschaftsbericht zu den aussenpolitischen Aktivitäten der Schweiz über den Zeitraum des jeweiligen Kalenderjahres zu unterbreiten. Der Bericht ist gemäss Auftrag des Bundesrates ergänzt durch ein Schwerpunktthema, das dieses Jahr den Beziehungen zu den Nachbarstaaten gewidmet ist. Entsprechend dem Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (06.3417), das eine Zusammenfassung aller periodisch erscheinenden Berichte zur Aussenpolitik fordert, umfasst der Bericht zudem einen Anhang zu den Aktivitäten der Schweiz im Europarat.

In Erfüllung der Motion 10.3212 («Klare strategische Ausrichtung der Aussenpolitik») hat der Bundesrat im Februar 2012 den Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur (aussenpolitische Strategie 2012­2015) verabschiedet.

Der Bericht legt die folgenden strategischen Stossrichtungen fest: Beziehungen zu den Nachbarstaaten, Beziehungen zur Europäischen Union (EU), Stabilität in Europa und der Welt, strategische Partnerschaften ausserhalb Europas und globale Gouvernanz. Der Aussenpolitische Bericht 2012 orientiert sich in seiner Struktur an diesen strategischen Stossrichtungen und zeigt auf, in welcher Weise sie im Berichtsjahr umgesetzt worden sind.

Schwerpunkt-Thema: Beziehungen der Schweiz zu den Nachbarstaaten und Auswirkungen auf das Verhältnis zur EU (Ziff. 1) Gute Beziehungen zu den Nachbarstaaten sind ein zentrales Element einer erfolgreichen und wirkungsvollen Aussenpolitik. Drei der fünf Nachbarländer der Schweiz sind G-8-, G-20- und NATO-Mitglieder und gleichzeitig wichtige Entscheidungsträger innerhalb der EU. Entsprechend hat der Bundesrat die Pflege der guten Beziehungen zu den Nachbarn als eine der strategischen Stossrichtungen für die laufende Legislatur definiert. In ihrer Umsetzung im Berichtsjahr drückt sie sich aus durch eine Besuchsdiplomatie von hoher Intensität und durch das Engagement, offene Fragen mit den Nachbarstaaten aktiv anzugehen und konstruktiv zu lösen. Namentlich im Fiskalbereich und bei Verkehrsfragen konnten dabei Fortschritte erzielt werden:
Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang das Quellensteuerabkommen mit Österreich, der Staatsvertrag mit Deutschland im Zusammenhang mit dem Flughafen Zürich-Kloten sowie die Vereinbarung mit Frankreich über das am Flughafen Basel-Mülhausen anwendbare Arbeitsrecht. Die Beziehungen der Schweiz mit Italien und Frankreich konnten im Berichtsjahr massgeblich verbessert werden. Die Intensivierung der diplomatischen Kontakte mit den Nachbarländern auf allen Ebenen hat überdies die Entwicklung der Diskussionen mit der EU entscheidend beeinflusst.

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Europapolitik (Ziff. 2.1) Neben der unmittelbaren Nachbarschaft sind für die Schweiz als Land im Zentrum Europas die Beziehungen zu den europäischen Partnern von fundamentaler Wichtigkeit. Dies gilt sowohl für die Partnerschaft mit der EU wie für das Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten. Die Schweiz hat ein grundlegendes Interesse daran, die Pflege der Beziehungen mit der EU und den Staaten Europas als aussenpolitischen Schwerpunkt zu gewichten, da sie entscheidend dazu beiträgt, den politischen Handlungsspielraum und die wirtschaftlichen Interessen des Landes langfristig zu wahren. Die Beziehungen zur EU waren auch im Berichtsjahr intensiv und insgesamt gut, wenn auch geprägt von teils komplexen Sachthemen wie der Steuerproblematik, den institutionellen Fragen oder der Anwendung der Ventilklausel bei der Personenfreizügigkeit. Daneben wurden laufende Verhandlungen beispielsweise in den Bereichen öffentliche Gesundheit, Elektrizität und Treibhausgasquoten fortgesetzt. Im bilateralen Bereich wurde in den Beziehungen zu den Ländern Europas die Identifizierung von Potenzial für einen verstärkten Austausch und eine vertiefte Zusammenarbeit weitergeführt. Gleichzeitig wurden die bilateralen Beziehungen genutzt, um die europapolitischen Positionen der Schweiz auch in den Hauptstädten der EUMitgliedstaaten darzulegen. Die Nachbarländer der Schweiz haben denn auch eine besonders aktive Rolle gespielt bei der Ausarbeitung der Schlussfolgerungen des EU-Rates zu den Beziehungen mit den EFTA-Ländern, inklusive der Schweiz. Die Tatsache schliesslich, dass die Schweiz 2014 die OSZE-Präsidentschaft wahrnehmen wird, gibt ihr ein zusätzliches Profil und ruft Interesse hervor in zahlreichen Hauptstädten.

Stabilität in Europa und der Welt (Ziff. 2.2) Im Zeitalter der Globalisierung hängen Sicherheit und Wohlstand der Schweiz massgeblich von einem stabilen internationalen Umfeld ab. Deshalb ist das Engagement zugunsten von Stabilität in der Welt ein Schwerpunkt der schweizerischen Aussenpolitik. Dieses Engagement umfasst einerseits die internationale Zusammenarbeit mit ihren vier Pfeilern Entwicklung, Ostzusammenarbeit, humanitäre sowie wirtschaftliche Kooperation und andererseits Aktivitäten zur Förderung von Frieden und Menschenrechten, aber auch die schweizerischen Beiträge zu einer stabilen Weltordnung in den
Bereichen Finanz und Wirtschaft, nachhaltige Entwicklung und Völkerrecht. Ein wichtiger Meilenstein im Berichtsjahr war in diesem Zusammenhang die Bestätigung, dass die Schweiz 2014 den OSZE-Vorsitz übernehmen wird, gefolgt 2015 von Serbien. Von hoher Bedeutung war auch die Verabschiedung der mit der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 beantragten Kreditbeschlüsse durch das Parlament. Dies verschafft der Schweiz den strategischen und finanziellen Rahmen, um wirksame Beiträge zur Reduktion weltweiter Armut, zur Förderung nachhaltiger Entwicklung und zur Bewältigung globaler Risiken zu leisten. Im Berichtsjahr ist auch der Bundesbeschluss über den Rahmenkredit zur Weiterführung der Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit in den Jahren 2012­2016 verabschiedet worden. Die damit bereitgestellten Mittel erlauben es der Schweiz, ihr Engagement zugunsten von Frieden und Menschenrechten sowie ihre humanitäre Politik und ihre Migrationsaussenpolitik weiterzuführen und gezielt zu verstärken. Im Bereich der globalen

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Finanz- und Steuerfragen hat die Schweiz 2012 weitere Anstrengungen unternommen, um zur Stabilisierung des Euro und zur Abschwächung der negativen Konsequenzen für die schweizerische Wirtschaft beizutragen. Sie hat sich überdies für einen ausgewogenen und gerechten Ansatz im Nahen Osten engagiert und unterstützt weiterhin eine Zwei-Staaten-Lösung. Im Menschenrechtsbereich hat sie sich, zusammen mit ihren fünf Nachbarländern sowie im UNO-Rahmen gezielt für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt. Sie hat zudem ihre Bemühungen im Kampf gegen Terrorismus-Finanzierung fortgesetzt, namentlich im Rahmen des Global Counterterrorism Forum und im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Memorandums von Algier. Die Schweiz hat sich auch aktiv engagiert zu Gunsten des humanitären Völkerrechts, besonders im Rahmen einer Inititative zur Achtung des humanitären Völkerrechts, die im Juli 2012 der Anlass war für ein Staatentreffen in Genf. Sie spielte schliesslich eine aktive Rolle in die Frage der Rückführung illegaler Gelder und hat in diesem Zusammenhang im Berichtsjahr zahlreiche bilaterale Treffen sowie ein internationales Symposium organisiert.

Strategische Partnerschaften und globale Themen (Ziff. 2.3) Auch ausserhalb Europas hat die Schweiz in der globalisierten Welt von heute ein Interesse daran, ihre strategischen Partnerschaften auszubauen und zu stärken. Die traditionellen Machtverhältnisse verschieben sich, und Regionen wie Ostasien, Lateinamerika oder die Golfstaaten nehmen an geopolitischer Bedeutung zu. Auch auf multilateraler Ebene finden Verschiebungen statt; aufstrebende Akteure aus dem aussereuropäischen Raum wollen in die Entscheidungsprozesse der globalen Gouvernanz einbezogen werden, entsprechend ihrem wachsenden wirtschaftlichen und demografischen Gewicht. Im bilateralen Bereich ist die Schweiz diesen Entwicklungen dadurch begegnet, dass sie die Beziehungen mit ihren strategischen Partnern in Asien, auf dem amerikanischen Kontinent, im Mittleren Osten und in Afrika weiter ausgebaut und intensiviert hat. Zu nennen ist dabei namentlich der Aufbau institutioneller Kontakt mit Australien, Brasilien und Indien im Finanzbereich, die Aufnahme der Schweiz in das europäisch-asiatische Dialogforum ASEM, das bis anhin auf europäischer Seite EU-Mitgliedstaaten vorbehalten war, die Stärkung der
Beziehungen zum Golf-Kooperationsrat und die Vertiefung der institutionellen Kontakte mit Südafrika. Im multilateralen Bereich konnte die Schweiz im Berichtsjahr das zehnjährige Jubiläum ihres UNO-Beitritts feiern und in diesem Zusammenhang UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon in Genf und Bern empfangen. Sie hat darüber hinaus ihr Engagement für UNO-Reformen weitergeführt und sich namentlich für die Reform des Sicherheitsrates eingesetzt, die einen breiten Konsens unter den Mitgliedstaaten findet, von den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern indessen blockiert wird. Die Schweiz hat sich, zusammen mit den Genfer Behörden, dafür eingesetzt, dass Genf trotz wachsender Konkurrenz auch künftig ein attraktiver Standort für internationale Organisationen bleibt. Zudem hat sie ihre Bemühungen fortgesetzt, durch zielgerichtete internationale Zusammenarbeit und eine aktive Wissenschaftsdiplomatie den schweizerischen Bildungs- und Forschungssektor im Ausland besser bekannt zu machen und zu fördern.

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Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland und internationale Zusammenarbeit im Bereich konsularische Dienstleistungen (Ziff. 2.4) Die zunehmende Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer und die sich vergrössernde Auslandschweizergemeinde, die Ende 2011 erstmals mehr als 700 000 Personen umfasste, führt zu einer steigenden Nachfrage nach konsularischen Dienstleistungen im Ausland. Das EDA begegnet diesen Bedürfnissen unter anderem mit der «Helpline», die seit Mai 2012 im 24-Stunden-Betrieb verfügbar ist und pro Jahr bis zu 30 000 Anfragen bearbeiten kann. Ein weiteres Instrument ist das Krisenmanagementzentrum, das in Krisenfällen Schweizer Staatsbürgerinnen und -bürgern im Ausland Hilfeleistung bietet und mit Präventionsarbeit auf potenzielle Gefahren hinweist, unter anderem mittels der Reisehinweise des EDA. Bei den Visa war im Berichtsjahr eine erneute Zunahme der Anträge zu verzeichnen, namentlich von Besucherinnen und Besuchern aus China, Indien und den Golfstaaten; übers Jahr hinweg wurden weltweit mehr als eine halbe Million Visa beantragt. In der Schengenzusammenarbeit vertreten Schweizer Botschaften und Konsulate inzwischen an 17 Standorten andere Schengenstaaten, während die Schweiz an 19 Standorten von Schengenpartnern vertreten wird.

Information und Kommunikation (Ziff. 2.5) In der globalen Informationsgesellschaft spielt die Kommunikation im Ausland eine zunehmend grössere Rolle für die Interessenwahrung eines Landes. Dies gilt namentlich für den internationalen Standortwettbewerb. Das Bild der Schweiz im Ausland ist zwar generell positiv, im Kontext der Finanz- und Steuerthemen, der öffentlichen Debatten um Ausländerfragen und der anhaltenden Frankenstärke sind indessen namentlich in den Nachbarländern und in den USA kritischere Untertöne spürbar. Um diesem Kommunikationsbedarf Rechnung zu tragen, hat der Bundesrat im Berichtsjahr die Strategie der Landeskommunikation 2012­2015 verabschiedet, die auf einem themenbezogenen Kommunikationsansatz beruht. Entsprechend war 2012 eines der zentralen Kommunikationsthemen die Finanzplatzstrategie der Schweiz. Daneben wurde, namentlich in den USA, Schweizer Exzellenz in den Bereichen Wissenschaft und Innovation kommuniziert. Bedeutende Plattformen für die Landeskommunikation waren 2012 das «House of Switzerland» an den Olympischen
Spielen in London und der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Yesou, Südkorea.

Ressourcen und Aussennetz (Ziff. 2.6) Das Aussennetz der Schweiz wird laufend an die Entwicklung verschiedener aussenpolitischer Faktoren angepasst: die globale Machtverschiebung, die Entstehung neuer Wachstumsmärkte, die der Schweiz neue Chancen eröffnen, neue Anforderungen bei der Unterstützung von Schweizerinnen und Schweizern im Ausland, Effizienzgewinne aufgrund technologischer Fortschritte, aber auch Sparmassnahmen, die vom Parlament beschlossen wurden. So hat der Bundesrat im April 2012 eine Optimierung der Ressourcenzuteilung im Aussennetz beschlossen und gleichzeitig seinen Willen bekräftigt, ein starkes und universelles Netz weiterzuführen, das die prioritären Kriterien erfüllt, die im Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte 2012­2015 festgelegt wurden. Vor diesem Hintergrund ist vorgesehen, 2013 die

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Botschaft in Guatemala und das Generalkonsulat in Chicago und 2014 das Generalkonsulat in Toronto zu schliessen. Dafür hat die Schweiz im Jahr 2012 zwei neue Botschaften in Katar und Myanmar eröffnet, und das Kooperationsbüro in Kirgisistan wurde in den Rang einer Botschaft erhoben.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Beziehungen der Schweiz zu den Nachbarstaaten und Auswirkungen auf das Verhältnis zur Europäischen Union

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2 Aussenpolitische Aktivitäten der Schweiz im Berichtsjahr 2.1 Europapolitik 2.1.1 Europäische Union 2.1.2 Beziehungen zu den Staaten in Europa und in Zentralasien 2.2 Stabilität in Europa und der Welt 2.2.1 OSZE und Europarat 2.2.2 Internationale Sicherheit 2.2.3 Internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe 2.2.4 Friedensförderung und Achtung von Menschenrechten und Rechtstaat 2.2.5 Internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik 2.2.6 Nachhaltige Entwicklung 2.2.7 Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht, internationale Strafgerichtsbarkeit 2.3 Strategische Partnerschaften und globale Themen 2.3.1 Strategische Partnerschaften zu aussereuropäischen Staaten 2.3.2 UNO und internationales Genf 2.3.3 Globale Themen 2.4 Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland und internationale Zusammenarbeit im Bereich konsularische Dienstleistungen 2.5 Information und Kommunikation 2.6 Ressourcen und Aussennetz Anhang: Ergänzende Angaben zum Europarat

995 995 996 999 1002 1002 1005 1008 1016 1028 1032 1033 1036 1036 1047 1053

1060 1063 1065 1067

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Abkürzungsverzeichnis APK

Aussenpolitische Kommission(en)

ASEAN

Südostasiatische Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations)

ASEM

Asien-Europa-Treffen (Asia-Europe Meeting)

ASO

Auslandschweizerorganisation

AU

Afrikanische Union

BIH

Bosnien und Herzegowina

BIZ

Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

BNUB

Büro der Vereinten Nationen in Burundi

BRICS

Gruppe der folgenden fünf grossen Schwellenländer: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika

CDDH

Lenkungsausschuss für Menschenrechte (Comité directeur pour les droits de l'homme)

CDPPE

Lenkungsausschuss für Bildungspolitik und Praxis (Comité directeur pour les politiques et pratiques éducatives)

CEB

Entwicklungsbank des Europarats (Council of Europe Development Bank)

CELAC

Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribeños)

CERN

Europäische Organisation für Teilchenphysik (Organisation européenne pour la physique des particules)

CFS

Ausschuss für Welternährungssicherheit (Committee on World Food Security)

COPUOS

Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (Committee on the Peaceful Uses of Outer Space)

DAC

Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD (Development Assistance Committee)

DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

DCAF

Genfer Zentrum für demokratische Kontrolle von Streitkräften (Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces)

DEZA

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

EAP

EuroAirport Basel-Mülhausen

EBDD

Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht

ECOFIN

Rat für Wirtschaft und Finanzen der EU (Economic and Financial Affairs Council)

ECOSOC

Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (Economic and Social Council)

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ECOWAS

Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States)

ECSR

Europäischer Ausschuss für soziale Rechte (Comité européen des droits sociaux)

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EKR

Eidgenössische Kommission gegen Rassismus

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention (SR 0.101)

ESA

Europäische Weltraumorganisation (European Space Agency)

EU

Europäische Union

EUFOR

EU-geführte Einsatzkräfte (European Union Force)

EULEX

Rechtsstaatlichkeitsmission der EU

EUPM

Polizeimission der EU (European Union Police Mission)

Euratom

Europäische Atomgemeinschaft (European Atomic Energy Community)

EVD

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement

EZB

Europäische Zentralbank

FARC

Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia)

FATCA

Foreign Account Tax Compliance Act der USA

FATF

Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Financial Action Task Force)

FIPOI

Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (Fondation des immeubles pour les organisations internationales)

FSB

Financial Stability Board

FZA

Abkommen Schweiz-EG über die Personenfreizügigkeit (SR 0.142.112.681)

G-20

Gruppe der 20 (USA, Japan, Deutschland, China, Grossbritannien, Frankreich, Italien, Kanada, Brasilien, Russland, Indien, Südkorea, Australien, Mexiko, Türkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien, Europäische Union)

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G-8

Gruppe der 8 (USA, Deutschland, Japan, Grossbritannien, Kanada, Frankreich und Italien [G-7] + Russland)

GCSP

Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (Geneva Centre for Security Policy)

GRECO

Staatengruppe gegen Korruption (Groupe d'États contre la corruption)

IAEA

Internationale Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency)

ICC

Internationaler Strafgerichtshof (International Criminal Court)

ICTR

Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda

ICTY

Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

IEA

Internationale Energie-Agentur

IFAD

Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development)

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

IWF

Internationaler Währungsfonds (auch IMF, International Monetary Fund)

KFOR

Kosovo-Truppe der NATO (Kosovo Force)

KGRE

Kongress der Gemeinden und Regionen Europas

MDG

Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals)

MERCOSUR Gemeinsamer Markt Südamerikas (Mercado Común del Sur) MONUSCO

Mission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (Mission de l'Organisation des Nations Unies en République Démocratique du Congo)

MoU

Absichtserklärung (Memorandum of Understanding)

NATO

Nordatlantisches Bündnis (North Atlantic Treaty Organisation)

NGO

Nichtregierungsorganisation (Non-Governmental Organisation)

NPT

Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Non-Proliferation Treaty)

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten (Organisation of American States)

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OCHA

UNO-Büro für die Koordination der Humanitären Hilfe (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

OIF

Internationale Organisation der Frankophonie (Organisation internationale de la Francophonie)

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SKH

Schweizerisches Korps für Humanitäre Hilfe

SNF

Schweizerischer Nationalfonds

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch

TAP

Transadriatische Pipeline

UNASUR

Union Südamerikanischer Nationen (Unión de Naciones Suramericanas)

UNCAC

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (United Nations Convention against Corruption)

UNCSD

Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung, Rio+20 (United Nations Conference on Sustainable Development)

UNDP

Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Program)

UNEP

Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Program)

UNFCC

Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change)

UNHCR

Hochkommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation)

UNODC

Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime)

UNRWA

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief Agency for Palestine Refugees in the Near East)

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

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WEF

Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum)

WEOG

Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten (Western European and Others Group)

WFP

Welternährungsprogramm (World Food Programme)

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organisation)

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Bericht 1

Beziehungen der Schweiz zu den Nachbarstaaten und Auswirkungen auf das Verhältnis zur Europäischen Union

Übersicht Mit der rasch fortschreitenden Globalisierung hat sich die Rolle der Landesgrenzen verändert. Zwar stecken sie nach wie vor das Gebiet ab, auf dem die hoheitlichen Rechte eines bestimmten Staates gelten. Ihre Bedeutung als Barriere für den Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital nimmt jedoch tendenziell ab.

Dies gilt in besonderem Mass für den Personenverkehr unter den Mitgliedstaaten des Schengen-Raumes und somit für die Schweiz und all ihre Nachbarländer.

Die Pflege der Beziehungen zu den Nachbarstaaten und im Besonderen zu deren Regionen, die an die Schweiz grenzen, ist entsprechend einer der Schwerpunkte der Schweizer Aussenpolitik in der Legislaturperiode 2011­20151. Diese strategische Ausrichtung widerspiegelte sich im Berichtsjahr einerseits in der äusserst intensiven Besuchsdiplomatie auf bilateraler und regionaler Ebene und andererseits in den Bemühungen, offene Fragen mit den Nachbarstaaten anzugehen und nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Namentlich in den Bereichen der Fiskal- und der Verkehrsfragen konnten dabei Fortschritte erzielt werden. Speziell zu erwähnen sind das Quellensteuerabkommen mit Österreich, der Staatsvertrag mit Deutschland für das Anflugregime auf den Flughafen Zürich-Kloten sowie die Vereinbarung mit Frankreich im Bereich des anwendbaren Arbeitsrechts für die im Schweizer und im gemeinsamen Sektor des Flughafens Basel-Mülhausen tätigen Unternehmen. Neben diesen Bereichen der bilateralen und regionalen Zusammenarbeit arbeitet die Schweiz auch in multilateralen Fragen eng mit den Nachbarstaaten zusammen.

Einen besonderen Stellenwert in den Beziehungen zu den Nachbarn nimmt die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit ein. Der Bund engagiert sich zusammen mit den Grenzkantonen für die regionale Zusammenarbeit, namentlich in den Agglomerationsräumen Basel und Genf. Die im Sommer 2012 durch den Bundesrat erfolgte Ernennung eines Botschafters für grenzüberschreitende Fragen erfolgte mit dem Ziel, den Austausch mit den Kantonen und deren Unterstützung zu fördern, und entspricht der aussenpolitischen Priorisierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Alle Nachbarstaaten sind mit Ausnahme von Liechtenstein bedeutende Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU). Die Schweiz hat deshalb ein grosses Interesse, mit diesen Staaten einen
ständigen Dialog über ihr Verhältnis zur EU zu pflegen.

Die Beziehungen zu den Nachbarstaaten werden auch im Jahr 2013 im Zentrum der schweizerischen Aussenpolitik stehen, was sich insbesondere in der Besuchsplanung niederschlagen wird. Im nächsten Jahr müssen wichtige Abkommen umgesetzt und ratifiziert werden, namentlich das Quellensteuerabkommen mit Österreich sowie der

1

Vgl. die Botschaft vom 25. Jan. 2012 zur Legislaturplanung 2011­2015 (BBl 2012 481) und den Bundesbeschluss vom 15. Juni 2012 über die Legislaturplanung 2011­2015 (BBl 2012 7155).

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Vertrag über die An- und Abflüge auf den Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet.

Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten allgemein Die Bemühungen der Schweiz, ihr Verhältnis zu den Nachbarstaaten im Berichtsjahr weiter zu vertiefen und offene Fragen in einem konstruktiven und pragmatischen Austausch anzugehen, haben positive Resultate gebracht: Die Beziehungen zu Österreich und zum Fürstentum Liechtenstein können als hervorragend qualifiziert werden. Die Beziehungen zu Deutschland wurden insbesondere im Verkehrs- und im Fiskalbereich intensiv gepflegt; die Resultate dieser Bemühungen bleiben teilweise weiterhin offen. Bezüglich Frankreich und Italien ist eine neue Dynamik in den Beziehungen feststellbar: Mit Italien konnten gemeinsame Zusammenarbeitsbereiche, etwa im Rahmen der in Mailand stattfindenden Weltausstellung im Jahre 2015, definiert werden. Dies wurde namentlich möglich, nachdem es im Jahre 2012 gelungen war, mit Italien Verhandlungen über Fiskalfragen aufzunehmen. Dieses Thema hatte die bilateralen und die regionalen Beziehungen in den letzten Jahren belastet. Wie sich die gegenwärtigen Entwicklungen in Italien und die Ankündigung von Wahlen für anfangs 2013 in dieser Beziehung auswirken werden, ist derzeit schwierig voraussehbar. Auch mit Frankreich konnten im Berichtsjahr die Beziehungen ausgebaut werden, namentlich auf Stufe Aussenminister. Zur neuen Regierung, die im Mai die Amtsgeschäfte übernommen hat, wurden konstruktive Kontakte aufgebaut, die es erlauben, einen freundschaftlichen und pragmatischen Austausch mit Paris zu pflegen. Das Treffen der Bundespräsidentin mit dem französischen Präsidenten vom 7. Dezember 2012 in Paris fand in einer freundschaftlichen und konstruktiven Atmosphäre statt und erlaubte es, die bilaterale Zusammenarbeit in zahlreichen Bereichen wieder zu intensivieren.

Diese erfreulichen Resultate sind nicht zuletzt das Ergebnis einer regen Besuchsdiplomatie auf allen Ebenen: So hat die Bundespräsidentin im Berichtsjahr die Staatsoberhäupter oder Regierungschefs der Nachbarstaaten getroffen. Sie war auch Gastgeberin des Vierertreffens der deutschsprachigen Staatsoberhäupter, das in ihrem Heimatkanton Graubünden durchgeführt wurde. Darüberhinaus hat sie den Ministerpräsidenten Italiens mehrmals getroffen, um über Fiskalfragen zu diskutieren. Schliesslich
hat sie Ende Jahr dem neuen französischen Präsidenten einen Besuch abgestattet. Der Vorsteher des EDA seinerseits knüpfte wichtige Kontakte zu sämtlichen Aussenministern und Regierungschefs der Nachbarstaaten und führte mit allen offizielle Arbeitsgespräche. Daneben fand ein intensiver Austausch zwischen Fachministern statt, und es gab verschiedene wichtige Treffen auf Parlamentsebene. Besonders zu erwähnen ist der offizielle Besuch des deutschen Bundestagspräsidenten Norbert Lammer, der vom Nationalratspräsidenten in der Schweiz empfangen wurde. Angesichts der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung, welche die beiden an die Schweiz grenzenden deutschen Bundesländer haben, sind im Berichtsjahr auch die Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg in Bern zu Arbeitsgesprächen empfangen worden. Zudem weilte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz mit einer Delegation im September zu einem Besuch in der Schweiz.

Thematisch dominieren in der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten die Verkehrs- und Steuerfragen sowie Fragen betreffend die Umsetzung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sowie

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ihren Mitgliedstaaten2. Zudem stellen die Energiezusammenarbeit und die Zusammenarbeit im Alpenraum wichtige Themen in den Beziehungen zu den Nachbarstaaten dar. Im Übrigen war die Schweiz bestrebt, mit ihren Nachbarn Kooperationsprojekte ­ auch auf multilateraler Ebene ­ auszuarbeiten. Beispiele hierfür sind die Zusammenarbeit beim Problem der Terrorismusfinanzierung mittels Geiselnahme (Diskussionen zum Memorandum von Algier) oder das gemeinsame Engagement im weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe.

Verkehr: Nachdem das Dossier «Fluglärmstreit» die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland über Jahrzehnte belastet hat, konnte die Vorsteherin des UVEK am 4. September 2012 einen Vertrag über die An- und Abflüge auf den Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet unterzeichnen. Der Ratifikationsprozess wurde in beiden Ländern begonnen. Im November 2012 verlangte Verkehrsminister Ramsauer, noch offene Fragen zur Interpretation des Abkommens zu klären. Die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) und der von der Schweiz geplante Ausbau der Gotthard-Eisenbahnachse auf vier Meter Eckhöhe können ihren vollen Nutzen nur dann entfalten, wenn das Streckenprofil auch auf italienischer Seite angepasst wird. Zu diesem Zweck haben Italien und die Schweiz mit einem Memorandum of Understandig (MoU) im Dezember 2012 erneut den gemeinsamen Willen bekräftigt, die nötigen Ausbauten zeitgerecht zu tätigen.

Fiskalbereich: Während die Schweiz mit Deutschland, Frankreich und Österreich über revidierte Doppelbesteuerungsabkommen gemäss OECD-Standard verfügt, hat das Abkommen zwischen der Schweiz und Italien von 1976 keine Anpassungen erfahren. Nachdem Fiskalfragen die bilateralen und regionalen Beziehungen zu Italien in den letzten Jahren dominierten und zum Teil blockierten, konnte im Jahr 2012 ein Dialog über Finanz- und Steuerfragen aufgenommen werden. Dabei ist vorgesehen, parallel über sämtliche offenen Fragen zu sprechen, damit ein ausgewogenes Gesamtergebnis für beide Seiten erzielt werden kann. Mit dem Fürstentum Liechtenstein wird erstmals über ein umfassendes Doppelbesteuerungsabkommen verhandelt, welches das Abkommen von 1995 ablösen soll. Mit Frankreich wurde im Juli 2012 das revidierte Erbschaftssteuerabkommen paraphiert, das aufgrund verschiedener Neuerungen zu Kritik in der Schweiz
geführt hat. Die Schweiz hat daraufhin gegenüber Frankreich ihr Interesse an Zusatzdiskussionen signalisiert. Im Frühjahr 2012 konnte ein Quellensteuerabkommen mit Österreich unterzeichnet werden. Während das im Jahre 2011 unterzeichnete Quellensteuerabkommen mit Deutschland vom schweizerischen Parlament gutgeheissen wurde, lehnte der deutsche Bundesrat das Abkommen ab. Nachdem die Quellensteuerabkommen in dem Vereinigten Königreich und Österreich sowie in der Schweiz ratifiziert wurden, wird das Jahr 2013 im Zeichen von deren Umsetzung stehen.

Energiezusammenarbeit und Zusammenarbeit im Alpenraum: Eine enge Zusammenarbeit im Energiebereich hat im Jahr 2012 insbesondere mit Deutschland, Österreich und Italien stattgefunden. Mit dem gemeinsamen Ziel, die Nutzung der Pumpspeichertechnologie im zukünftigen Energiesystem zu optimieren, haben die Schweiz, Deutschland und Österreich eine gemeinsame Erklärung zur vertieften Zusammenarbeit auf diesem Gebiet unterzeichnet. Die Unterzeichnung eines Memorandum of Understandig (MoU) mit Italien über die Vertiefung und Strukturierung 2

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681).

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der Energiebeziehungen ist vorgesehen. Die Schweiz und Italien unterstützen gemeinsam das Projekt Trans Adriatic Pipeline (TAP), das den Transport von Gas aus Aserbaidschan via Georgien, die Türkei, Griechenland und Albanien nach Italien vorsieht. Angesichts dessen, dass alle Länder des Alpenraums Mitglieder der Alpenkonvention sind, ist eine intensive Zusammenarbeit der Schweiz mit ihren Nachbarn zu Fragen der Alpen eine Selbstverständlichkeit. Ein Höhepunkt bildete die im September 2012 in Poschiavo von der Schweiz organisierte «Alpenwoche».

In diesem Rahmen fand auch die Alpenkonferenz 2012 statt, während der die Vorsteherin des UVEK den Schweizer Vorsitz der Alpenkonvention an Italien weitergab. Am Rande dieser Veranstaltung haben die Umweltminister der Schweiz und Italiens eine gemeinsame Erklärung zur verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des Umweltschutzes unterzeichnet. Im Rahmen des «Suivi-de-Zurich»-Prozesses haben sich die Transportminister der Alpenländer am 2. Mai 2012 in Leipzig getroffen.

Anlässlich dieses Treffens, bei dem die Schweiz den Vorsitz innehatte, wurden Schlussfolgerungen namentlich zu Systemen der Steuerung des Schwerverkehrs und zum Ereignis-Management im Alpenraum verabschiedet.

Multilaterale Themen: Neben den sektoriellen Bereichen pflegt die Schweiz einen intensiven Austausch mit den Nachbarstaaten über multilaterale Fragen. Ziel ist es dabei, gemeinsame Initiativen zu lancieren und Unterstützung für schweizerische Projekte, Anliegen und Kandidaturen zu erhalten. Speziell kann die Zusammenarbeit mit dem Fürstentum Liechtenstein innerhalb der «Small Five Group» (bestehend aus der Schweiz, Costa Rica, Jordanien, Liechtenstein und Singapur) im Rahmen der UNO-Sicherheitsratsreformen erwähnt werden. Zudem haben die Nachbarstaaten die Schweiz bei ihrer Initiative unterstützt, den UNO-Sicherheitsrat aufzufordern, die Urheber von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft zu ziehen. Darüber hinaus sind die Nachbarstaaten wichtige Partner bei der Vorbereitung und Durchführung des OSZE-Vorsitzes, den die Schweiz 2014, gefolgt von Serbien 2015, übernehmen wird. In der zweiten Hälfte des Schweizer OSZE-Vorsitzjahres wird Italien die EU-Präsidentschaft innehaben, weshalb der regelmässige Austausch
mit Italien, auch angesichts seiner Bedeutung als Mittelmeeranrainerstaat, bereits heute von Belang ist. Die Schweiz setzte sich in den Debatten über das Memorandum von Algier betreffend Terrorismusfinanzierung und Geiselnahmen sehr engagiert ein. In dieser Frage sind Länder wie Grossbritannien, seit Kurzem aber auch Italien und Frankreich aktiv. Das Memorandum von Algier wurde im Mai 2012 in Istanbul und dann erneut im Dezember in Abu Dhabi besprochen, beide Male in Anwesenheit des Departementschefs EDA. Die Schweiz hatte zudem die Federführung bei einem gemeinsamen Appell der vier deutschsprachigen Länder sowie Italiens und Frankreichs für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe, der anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Internationalen Tages gegen die Todesstrafe am 10. Oktober 2012 lanciert wurde. Dieser Appell, unterzeichnet von den Aussenministern der sechs Staaten, soll die erste Etappe einer Reihe gemeinsamer Aktionen mit diesen Ländern zu diesem Thema sein, insbesondere auch im Rahmen der UNO.

Schliesslich hat die Schweiz, zusammen mit Luxemburg, Ende 2012 von Italien die Präsidentschaft der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) übernommen. Sie wird diese Präsidentschaft auch dazu nutzen können, ihre Beziehungen mit den drei grossen Nachbarstaaten auszubauen. Deutschland, Frankreich und Italien sind die wichtigsten Beitragszahler der ESA.

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Grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit Die Grenzregionen wachsen immer mehr zu eigentlichen Agglomerationen zusammen. Die Suche nach geeigneten Lösungen für solche Agglomerationen bewegt sich im Spannungsfeld von nationaler, regionaler und lokaler Politik. Die Situation der regionalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit präsentiert sich je nach Grenzregion unterschiedlich. Während regionale Partner aus drei beziehungsweise vier Staaten in der Oberrhein-Region und der Bodensee-Region zusammenarbeiten, sind in anderen Regionen regionale Partner aus lediglich zwei Staaten involviert, so in der Region Genf und bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Südschweiz. Die Rolle der Zentralregierung ist je nach Staatsform des jeweiligen Nachbarstaates stärker oder weniger stark ausgeprägt. Während die Zusammenarbeit im Norden und Osten des Landes vor allem von den Grenzkantonen wahrgenommen wird, ist bei der Zusammenarbeit mit den Partnern in Frankreich und Italien der Bund vermehrt einbezogen. Mit den beiden letztgenannten Ländern finden jährliche Dialogrunden statt, an denen unter Leitung des Bundes und der Zentralregierungen auch Vertreterinnen und Vertreter aus den grenznahen Regionen teilnehmen. Das Engagement der Schweizer Generalkonsulate in Stuttgart, Strassburg, Lyon und Mailand ist für die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit in jedem Fall von hoher Wichtigkeit.

Besonders aktiv war der Bund im Berichtsjahr in der Oberrhein-Region: Mit dem Treffen vom Mai 2012 in Sissach hat die Schweiz ihren Vorsitz in der trinationalen Regierungskommission des Oberrheins erfolgreich beendet und den Vorsitz turnusgemäss an Frankreich übergeben. Gemäss den gesteckten Prioritäten während der eineinhalbjährigen Präsidentschaft hat der Bund in enger Zusammenarbeit mit den Nordwestschweizer Grenzkantonen verschiedene Veranstaltungen organisiert.

Speziell zu erwähnen ist die vom VBS mit den lokalen und regionalen Partnern im Frühjahr 2012 organisierte Katastrophenübung «SEISMO 12», bei der ein Erdbeben im Raume Basel simuliert wurde. Ein weiteres Thema von Bedeutung für die Region ist der binationale Flughafen Basel-Mülhausen, der sich vollständig auf französischem Staatsgebiet befindet. Nach einem Urteil des französischen Kassationshofes wurde die auf der Schweizer Gesetzgebung basierende
Arbeitsrechtspraxis für Unternehmen, die im Schweizer und im gemeinsamen Sektor des Flughafens tätig sind, in Frage gestellt, was zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führte. Es gelang dem Bund, mit den verantwortlichen Stellen in Paris eine pragmatische Lösung für das auf die genannten Unternehmen anwendbare Arbeitsrecht auszuhandeln, in enger Zusammenarbeit mit den direkt betroffenen Kantonen Basel-Stadt und BaselLandschaft sowie den betroffenen Unternehmen. Mit dem sogenannten «Accord de méthode» wurde die langjährige und bewährte Praxis des geltenden Arbeitsrechts bestätigt. Die Vereinbarung wurde im Frühjahr 2012 vom Vorsteher des EDA und dem französischen Arbeitsminister sowie dem französischen Minister für Gebietskörperschaften unterzeichnet. Mitunterzeichnende waren Kantonsvertreter und Vertreter der Region Elsass sowie Vertreter der Gewerkschaften und fast aller betroffenen Unternehmen. Im Interesse der langfristigen Entwicklung des Flughafens und der Sicherung der Arbeitsplätze bemüht sich der Bund, wiederum in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kantonen und den Unternehmen, die noch offenen Fragen im Fiskalbereich möglichst rasch mit den französischen Partnern zu regeln. In diesem Zusammenhang erwägt die Schweiz, sich an der Finanzierung des Bahnanschlusses an den Flughafen zu beteiligen, unter der Voraussetzung, dass die noch offenen Fragen vor allem im Steuerbereich gelöst werden können.

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In der Region Genfersee stand im Berichtsjahr die Unterzeichnung des Agglomerationsprojektes «Grand Genève» für den Zeitraum 2015­2018 im Vordergrund. Es geht dabei um Infrastrukturvorhaben, namentlich auch im Verkehrsbereich. Dabei ist die Realisierung der Bahnverbindung zwischen Cornavin, Eaux-Vives und Annemasse (CEVA) für die Region von zentraler Bedeutung. Der Bund unterstützte die Arbeiten der Kantone Genf und Waadt und begleitete die Verhandlungen mit den französischen Behörden. Das Agglomerationsprojekt bezweckt eine ausgeglichene Entwicklung der Region bezüglich Produktionsstandorte, Arbeitsmarkt und Siedlungspolitik. Fragen wie die Entschärfung der Wohnungsnot in Genf, die Verkehrsströme und der Brain Drain aus Frankreich müssen in den kommenden Jahren im Interesse sowohl Frankreichs als auch der Schweiz thematisiert werden, um mögliche Probleme zu antizipieren.

Zwei Ereignisse in der ersten Hälfte 2012 haben wesentlich dazu beigetragen, die Situation in der Grenzregion mit Italien zu entspannen und der grenzüberschreitenden regionalen Zusammenarbeit eine neue Dynamik zu verleihen: einerseits die Aufnahme eines Dialogs über Fiskalfragen zwischen der Schweiz und Italien sowie andererseits die Überweisung des Restbetrags für das Steuerjahr 2010 durch den Kanton Tessin an Italien, den die Schweiz aufgrund der Grenzgängerbesteuerungsvereinbarung schuldete. Der Bund wird den Kanton Tessin auch künftig darin unterstützen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit institutionell zu verbessern und das Gespräch darüber mit der Zentralregierung in Rom suchen.

Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten im Rahmen der Europapolitik der Schweiz Nicht nur auf bilateraler Ebene, sondern auch im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU spielen die Nachbarstaaten eine überaus wichtige Rolle: Mit Deutschland, Frankreich und Italien sind drei davon Gründungsmitglieder der Union und haben aufgrund ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung für Europa in Brüssel (und insbesondere im EU-Rat) einen gewichtigen politischen Einfluss. Zudem besitzen sie die nötigen Verwaltungsressourcen, um über die dortigen Entwicklungen orientiert zu sein und diese substanziell beeinflussen zu können.

Zusammen mit Österreich kennen diese drei EU-Mitgliedstaaten die Schweizer Verhältnisse am besten und zeigten
sich in der Vergangenheit wiederholt offen für pragmatische Lösungsansätze, die den hiesigen Besonderheiten (wie beispielsweise der direkten Demokratie und dem Föderalismus) Rechnung tragen.

Naturgemäss sind die Nachbarstaaten am direktesten von der Umsetzung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU und somit von der schweizerischen Europapolitik betroffen: Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich erzielen beispielsweise rund 70 % des bilateralen Warenhandels zwischen der Schweiz und der EU und nehmen einen Anteil von über 60 % an der rund 1,1 Millionen Menschen umfassenden in der Schweiz wohnhaften EU-Bevölkerung ein.

Dazu kommen zirka 250 000 Grenzgänger und Grenzgängerinnen, die täglich aus diesen Ländern in die Schweiz zur Arbeit kommen. Auch in den zentralen Bereichen der Verkehrs- und Energiepolitik und im Migrationsbereich (Schengen/Dublin) sind die Zusammenarbeitsinteressen gross. Daraus lässt sich folgern, dass die Nachbarstaaten noch stärker als andere EU-Mitglieder an einem gut funktionierenden Verhältnis Schweiz-EU interessiert sind. Zudem scheinen diese Staaten, namentlich Deutschland und Österreich, auch bereit zu sein, gewisse Schweizer Lösungsansätze als Inspiration für die EU zu betrachten (beispielsweise Schuldenbremse oder Bankenaufsicht).

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Die langjährige Anwendung der bilateralen Abkommen sowie die Intensität des daraus erwachsenden Austausches erzeugen jedoch auch Friktionen, von denen die Grenzregionen zur Schweiz besonders betroffen sind. Als Beispiel hierfür sind das seit 2002 in Kraft befindliche Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) sowie die von der Schweiz dazu eingerichteten (und kontinuierlich ausgebauten) flankierenden Massnahmen zu nennen. Im Zentrum der Diskussion stehen die schweizerische Meldepflicht (8-Tage-Regel) sowie die Kautionspflicht. Die Einschätzung, dass diese Massnahmen das FZA verletzen würden, wird via Hauptstädte auch nach Brüssel transportiert. So sind nicht nur die EU-Institutionen, sondern auch die traditionell wohlgesinnten Nachbarländer zunehmend zur Auffassung gelangt, dass ein neuer institutioneller Rahmen für die Übernahme des für die bilateralen Abkommen relevanten EU-Binnenmarktrechts durch die Schweiz, für die einheitliche Überwachung und Auslegung dieser Vorschriften sowie für die Streitbeilegung notwendig ist (s. dazu Ziff. 2.1.1).

Diese Ausführungen zeigen, dass die Kontakte zu den Nachbarstaaten auch aus europapolitischer Sicht wichtig sind: Umsetzungsprobleme im Rahmen bestehender bilateraler Abkommen sind möglichst frühzeitig anzugehen und auf lokaler und regionaler Ebene pragmatisch und konkret zu lösen. Im Bereich des FZA wird dies mit der Trinationalen Arbeitsgruppe Schweiz-Deutschland-Österreich sowie mit der Arbeitsgruppe Schweiz-Frankreich getan. Mit Italien gibt es kein entsprechendes Gefäss. Bezüglich der übergeordneten institutionellen Fragestellungen war es der Schweiz ein besonderes Anliegen, den Nachbarstaaten ihre Vorschläge, die im Juni 2012 der EU-Kommission übermittelt wurden, detailliert zu erläutern. Davon zeugen die intensive Besuchsdiplomatie auf allen Ebenen in der zweiten Jahreshälfte sowie die zahlreichen von den schweizerischen Vertretungen in Berlin, Paris, Rom und Wien unternommenen Demarchen. Die Nachbarländer haben sich nachweislich besonders stark involviert in die Ausarbeitung der Schlussfolgerungen über die Beziehungen zu den EFTA-Staaten, darunter die Schweiz, die im Dezember 2012 vom EU-Rat verabschiedet wurden.

2

Aussenpolitische Aktivitäten der Schweiz im Berichtsjahr

2.1

Europapolitik

Neben der unmittelbaren Nachbarschaft sind für die Schweiz als Land im Zentrum Europas die Beziehungen zu den europäischen Partnern von fundamentaler Wichtigkeit. Dies gilt sowohl für die Partnerschaft mit der EU wie für das Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten. Mit der EU ist die Schweiz wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich aufs engste verflochten, Entwicklungen in der Union haben direkte und oft unmittelbare Auswirkungen auf die Schweiz. Gleichzeitig ist die EU das Produkt ihrer Mitgliedsländer. Die Schweiz hat daher ein grundlegendes Interesse daran, die Pflege der Beziehungen mit der EU und den Staaten Europas als aussenpolitischen Schwerpunkt zu gewichten, da diese Beziehungen entscheidend dazu beitragen, den politischen Handlungsspielraum und die wirtschaftlichen Interessen des Landes langfristig zu wahren.

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2.1.1

Europäische Union

Entwicklungen innerhalb der EU und Auswirkungen auf die Schweiz Im Jahr 2012 zeigte sich einmal mehr, dass der Aufbau Europas ein langwieriger Prozess ist und dass ein gemeinsamer politischer Wille der Mitgliedstaaten erforderlich ist, um die Herausforderungen, mit denen die EU konfrontiert ist, anzupacken.

Diesbezüglich prägten mehrere ­ im Folgenden kurz beschriebene ­ Prozesse das Berichtsjahr. Sie alle dürften auf die eine oder andere Weise Konsequenzen für die Schweiz haben.

Als erstes ist die schwere Krise des Euro-Raums und seiner Mitgliedsländer zu nennen: Sie stellt nach wie vor eine gravierende Bedrohung für die Zukunft dieses Währungsraums ­ wenn nicht gar der EU selbst ­ dar. Die Herausforderung ist gewaltig, und es sind schon ungeheure Anstrengungen unternommen worden. Zu nennen sind insbesondere die Finanzhilfemechanismen (der Europäische Stabilitätsfonds und die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität als temporäre Rettungsschirme, die ab 2013 durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus abgelöst werden), die Verschärfung der gemeinsamen wirtschaftlichen Überwachungs- und Gouvernanz-Vorschriften (Verstärkung des Stabilitätspakts, Einführung eines Fiskalpakts und Entwurf einer gemeinsamen Bankenaufsicht durch die EZB, dies ein erster Schritt hin zu einer Bankenunion) sowie eine Reform der Finanzmarktregulierung. Noch ist schwer zu sagen, ob der Euro-Raum die Krise überwunden hat. Die Folgen für die Schweiz sind beträchtlich: Auswirkungen der schrumpfenden Nachfrage in Europa auf die Exportindustrie, Aufwertungsdruck auf den Schweizerfranken und Aussicht auf neue Hürden beim Marktzugang für Schweizer Finanzdienstleister im Zusammenhang mit den neuen Regulierungen, die derzeit in der EU erarbeitet werden.

Fragen im Zusammenhang mit der Migration, insbesondere der Umgang mit der Krise in Syrien und den dadurch ausgelösten Flüchtlingsströmen in die Nachbarstaaten wie auch die anhaltenden Folgen der Migrationsströme im Zusammenhang mit den Umwälzungen in Nordafrika im Jahr 2011 sind ebenfalls wichtige Themen sowohl für die EU als auch für die Schweiz, die Mitglied des Schengen-Raums ist.

Das gleiche gilt für die laufenden oder in Betracht gezogenen Dialoge über die VisaLiberalisierung mit mehreren Ländern, u.a. dem Kosovo und der Türkei.

Auf institutioneller Ebene war die Umsetzung
neuer Regelungen aufgrund des Lissaboner Vertrags, der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat, von einem Machtkampf zwischen dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament (EP) geprägt. Letzteres scheut nicht davor zurück, gewisse Dossiers in Beschlag zu nehmen, um Konzessionen zu erzwingen, die ihm eine Ausweitung seines Zuständigkeitsbereichs ermöglichen. Die Schweiz sollte daher unbedingt ihr Lobbying beim EP fortsetzen, da dieses nun berechtigt ist, sich zu sämtlichen internationalen Abkommen der EU zu äussern. Entsprechende Massnahmen sind bereits ergriffen worden. Insbesondere ist in der schweizerischen Mission bei der EU in Brüssel die Stelle einer Kontaktperson für das PE geschaffen worden, und es sind Bemühungen im Gang, die Kontakte zwischen der Delegation des eidgenössischen Parlaments für die Beziehungen zum EP und der entsprechenden Delegation des Europäischen Parlaments zu vertiefen.

Überdies hat das eidgenössische Parlament vor Kurzem Massnahmen verabschiedet, mit denen die Effizienz und die Koordination der internationalen Aktivitäten der Bundesversammlung verbessert werden sollen, und eines der Ziele ist eben gerade die Stärkung der Beziehungen zum EP.

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Insgesamt führen die Entwicklungen von 2012 zu einer Vertiefung der europäischen Integration im Zusammenhang mit der Krise. Allerdings sind die Mitgliedstaaten nicht alle willens oder in der Lage, die erforderlichen Schritte zu tun. Dies fördert die Tendenz zu einer unterschiedlich ausgestalteten EU: Die verstärkten Kooperationen und die nur für einen Teil der Mitgliedstaaten anwendbaren Regelungen vervielfachen sich, was die Führung einer EU der 27 und bald 28 Mitglieder natürlich noch schwieriger macht.

Was die Erweiterung betrifft, so hat Kroatien seine Beitrittsverhandlungen abgeschlossen und sollte per 1. Juli 2013 EU-Mitglied werden. Für die Schweiz hat das Verhandlungen über die Ausweitung des Personenfreizügigkeitsabkommens (FZA) auf dieses Land zur Folge. Der Bundesrat hat das Verhandlungsmandat in dieser Angelegenheit am 7. Dezember 2012 in Konsultation gegeben.

Entwicklung der Beziehungen Schweiz/EU Auch im Jahr 2012 waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU intensiv und im Allgemeinen gut, trotz einiger schwieriger Dossiers (Steuerrecht, institutionelle Fragen) und einiger von der EU als Ärgernis eingestufter Dinge, vor allem im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit (flankierende Massnahmen, Anwendung der Ventilklausel des FZA gegenüber den EU-8). Auch im Aussenhandelsbereich besteht weiterhin Friktionspotenzial (z.B. mit Italien). Die EU ist und bleibt die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. Derzeit sind in mehreren Bereichen Verhandlungen im Gang (Landwirtschaft und Gesundheit, Strom, Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten, Beteiligung der Schweiz am Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen, Galileo/EGNOS [GNSS]). Die Schweiz und die EU führen ausserdem einen Dialog über bestimmte Aspekte der Unternehmensbesteuerung. Darüber hinaus wurden 2012 die Vorbereitungen für die Erneuerung von Verträgen über die Teilnahme der Schweiz an EU-Rahmenprogrammen (Medien, Bildung, Forschung, Euratom) bzw. für den Abschluss neuer solcher Verträge (Kultur) im Zeitraum 2014­2020 in Angriff genommen. Im Dezember 2012 trat ein Abkommen in Kraft, mit dem sich die Schweiz in den Jahren 2012 und 2013 an das Euratom-Programm anschliesst. Es handelt sich um ein Übergangsprogramm, das den Zeitraum vor der Einführung der neuen Rahmenprogramme ab 2014 abdeckt.
Im Juni 2012 wurde ein Abkommen zur Erleichterung der Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden der Schweiz und der EU paraphiert. Beiderseits sind die internen Verfahren zu seiner Unterzeichnung im Gang. Eine nicht verbindliche Rahmenvereinbarung (Framework for Cooperation) über die Zusammenarbeit der Schweiz und der Europäischen Verteidigungsagentur wurde am 16. März 2012 unterzeichnet.

Im Fiskalbereich gab es im Berichtsjahr nur beim Dossier der Unternehmensbesteuerung konkrete Entwicklungen. Der Bundesrat verabschiedete am 4. Juli 2012 das Mandat für den Dialog mit der EU über Unternehmenssteuerregimes, das von den zuständigen Kommissionen der eidgenössischen Räte und von den Kantonen gutgeheissen worden war. Behandelt werden in diesem Dialog bestimmte kantonale Steuerregimes, die von der EU als diskriminierend betrachtet werden, sowie Fiskalmassnahmen von EU-Mitgliedstaaten, die die Schweiz betreffen. Mit der Aufnahme dieses Dialogs strebt die Schweiz eine Lösung an, die international akzeptiert wird, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz sowie die finanziellen Ressourcen des Bundes und der Kantone bewahrt. Die Schweiz setzt 997

alles daran, dass in diesem Bereich rasch eine Lösung gefunden werden kann: Im Rahmen des erwähnten Dialogs mit der EU haben schon mehrere Treffen stattgefunden.

Das Betrugsbekämpfungsabkommen ist von Irland noch nicht ratifiziert worden und daher immer noch nicht in Kraft getreten. Jedoch wird es mit bestimmten EUMitgliedstaaten provisorisch angewandt. 2008 hat die EU mit einer Überarbeitung ihrer Zinsbesteuerungsrichtlinie begonnen, welche die Grundlage des Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und der EU bildet. Die Schweiz ist zu Verhandlungen über eine Aktualisierung dieses Abkommens bereit, aber bisher hat die EU noch kein entsprechendes formelles Gesuch eingereicht. Aus Schweizer Sicht müsste sich eine Revision des Abkommens auf einen allgemeinen Ansatz stützen, wie er in den Quellensteuerabkommen vorgesehen ist, um so eine wirksame Umsetzung der Strategie des Bundesrats für einen steuerlich konformen Finanzplatz zu gewährleisten.

Das Jahr 2012 war jedoch auch geprägt durch die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten zwischen der Schweiz und der EU über die Frage, ob gewisse flankierende Massnahmen, welche die Schweiz in Bezug auf die Personenfreizügigkeit ergriffen hat (insbesondere 8-Tage-Regel, Kautionspflicht), rechtens seien. Ein weiterer Streitpunkt kam noch hinzu, als der Bundesrat am 18. April 2012 beschloss, die im FZA vorgesehene Ventilklausel auf die Aufenthaltsbewilligungen von Staatsangehörigen der acht Mitgliedstaaten anzuwenden, die der EU im Jahr 2004 beigetreten waren. Dieser Beschluss löste etliche negative Reaktionen aus, sowohl seitens der europäischen Institutionen als auch seitens der betroffenen Länder. Er bestärkte überdies den Europäischen Auswärtigen Dienst in seiner Forderung nach einer neuen institutionellen Architektur, welche die Verträge zwischen der Schweiz und der EU im Bereich des Marktzugangs regeln soll. Die Schweiz ist in Brüssel, in Bern und in den Hauptstädten der betroffenen Staaten diplomatisch sehr aktiv geworden, um den Kontext und die Tragweite dieses Beschlusses zu erklären. In den meisten Hauptstädten stiess sie auf ein gewisses Verständnis, wobei jedoch in aller Deutlichkeit der Wunsch geäussert wurde, dass die Ventilklausel 2013 nicht reaktiviert werde. Ebenfalls im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit hat die EU am 17. Oktober
2012 der Schweiz einen formellen Antrag auf Verhandlungen über die Ausweitung des Abkommens auf Kroatien zugestellt. Am 7. Dezember 2012 hat der Bundesrat den Entwurf eines entsprechenden Verhandlungsmandats verabschiedet, unter dem Vorbehalt der Konsultation der aussenpolitischen Kommissionen, der Kantone und der Sozialpartner. In diesem Zusammenhang ist es möglich, dass die EU in den kommenden Wochen um einen Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU zugunsten Kroatiens ersuchen wird, wie das schon beim Beitritt Rumäniens und Bulgariens im Jahr 2007 der Fall war. Generell dringt die EU immer stärker darauf, dass die einschlägigen Regeln von sämtlichen Akteuren eingehalten werden, die Zugang zu ihrem Binnenmarkt haben. Ihrer Ansicht nach bedeutet dies nicht nur die Übernahme des einschlägigen EU-Rechts für einen Vertrag, sondern auch die systematische Anpassung der Verträge an die späteren Weiterentwicklungen des besagten EU-Rechts. Die Anwendung der Verträge sei überdies einer unabhängigen Überwachung zu unterstellen, die derjenigen gleichwertig ist, die für die Mitgliedstaaten gilt, und die über ähnliche Streitbeilegungsmechanismen verfügt. Diesbezüglich hat sich ein intensiver Dialog auf höchster Ebene entwickelt. Am 18. Juni 2012 hat der Bundes-

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rat nach einem breit abgestützten Konsultationsverfahren im Inland der EU konkrete Vorschläge für die Behandlung dieser Fragen übermittelt.

Am 20. Dezember 2012 verabschiedete der Rat der EU seine Schlussfolgerungen zu den Beziehungen mit der Schweiz. Der Rat unterstreicht die Intensität und Wichtigkeit dieser Beziehungen sowie seinen Wunsch, die zahlreichen Bereiche dieser fruchtbaren Zusammenarbeit fortzusetzen, zu konsolidieren und auszubauen. Er wiederholt seine Haltung, dass neue Marktzugangsabkommen von einer Lösung der offenen institutionellen Fragen abhängen. Diesbezüglich hebt der Rat die Anstrengungen der Schweiz in Bezug auf die institutionellen Vorschläge hervor, kritisiert gewisse Punkte und weist auf seine Bereitschaft hin, die laufenden Gespräche fortzuführen.

Insbesondere dank einer intensiven diplomatischen Tätigkeit bei den Mitgliedstaaten sollten die Antworten der EU auf die institutionellen Vorschläge des Bundesrats daher die Aufnahme von Gesprächen mit der EU ermöglichen, mit denen in diesem Bereich Lösungen angestrebt werden, die sowohl die gemeinsamen Ziele der Erneuerung der institutionellen Architektur des bilateralen Wegs als auch die Souveränität und Autonomie der Schweiz berücksichtigen. Somit sollten auch in den anderen Verhandlungsbereichen, insbesondere bei den Abkommen über Marktzugang, Fortschritte erzielt werden.

2.1.2

Beziehungen zu den Staaten in Europa und in Zentralasien

West- und Mitteleuropa Wie bei den Nachbarländern der Schweiz (s. Ziff. 1) besteht auch im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der EU eine Wechselwirkung zwischen den bilateralen Beziehungen der Schweiz zu den einzelnen Ländern und zur EU als Institution.

Entsprechend nutzt die Schweiz ihre Kontakte zu west- und mitteleuropäischen Staaten regelmässig auch zur Darlegung ihrer europapolitischen Positionen. Gleichzeitig werden in den Beziehungen zu diesen Ländern Bereiche mit Potenzial für verstärkten Austausch identifiziert, in denen die Zusammenarbeit intensiviert werden kann. Zusätzlich zu den erwähnten Besuchen in den Nachbarstaaten haben offizielle Arbeitsbesuche auf Aussenministerebene mit dem Vereinigten Königreich, Ungarn, Belgien, Spanien und Slowenien stattgefunden. Zudem stattete der Präsident der Slowakei, begleitet von seinem Aussenminister, der Schweiz einen offiziellen Besuch ab. Weiter fanden zwei Staatsbesuche statt: Die Bundespräsidentin besuchte ihren tschechischen Amtskollegen Vaclav Klaus und empfing den Präsidenten Polens Bronislaw Komorowski in Bern. Am Rande internationaler Konferenzen fanden überdies zahlreiche Arbeitsgespräche auf Ministerebene statt. Im Übrigen schloss die Schweiz mit Polen, dem wichtigsten Partner der Stimmrechtsguppe in den Bretton Woods-Institutionen, eine Vereinbarung zur künftigen Vertretung im Entscheidrat des IWF ab.

Das Vereinigte Königreich gehört zu den prioritären Partnern der Schweiz. Die bilateralen Kontakte haben sich im Berichtsjahr weiter intensiviert. Im Juni wurde David Lidington, Minister für Europa, in Bern vom Chef des EDA empfangen.

Dieser wiederum stattete anlässlich der Olympischen Spiele in London im August dem britischen Aussenminister William Hague einen offiziellen Arbeitsbesuch ab.

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Mehrere Bundesrätinnen und Bundesräte nutzten die Olympischen und Paralympischen Spiele 2012 für einen Besuch in London. Diese Kontakte sind Teil der aussenpolitischen Strategie 2012­2015 des Bundesrats, die insbesondere einen verstärkten politischen Austausch mit dem Vereinigten Königreich vorsieht. Auch gelang es der Schweiz, mit dem «House of Switzerland» in London einen vielbeachteten Auftritt zu gestalten, der unser Land mit zahlreichen seiner Facetten präsentierte. Im März 2012 schliesslich vervollständigten die Schweiz und das Vereinigte Königreich das Quellensteuerabkommen, das sie im Vorjahr unterzeichnet hatten. Dieses tritt am 1. Januar 2013 in Kraft.

Die Beziehungen zu den mitteleuropäischen Staaten wurden weiterhin durch den Schweizer Kohäsionsbeitrag mitgeprägt. Mitte Jahr lief die Verpflichtungsperiode aus. Die Gelder waren am 14. Juni 2012 vollständig einzelnen Projekten zugeteilt, welche die formellen und inhaltlichen Bedingungen erfüllen. Das Ziel der schweizerischen Unterstützung ist es, zum Abbau wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten in der erweiterten EU beizutragen. Die Aktivierung der Ventilklausel im April 2012 stiess bei den betroffenen mitteleuropäischen Staaten auf Unverständnis. Dies erforderte eine Intensivierung der Kontakte auf allen Ebenen.

Südosteuropa Die Länder des westlichen Balkans (Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Albanien) bleiben eine Schwerpunktregion für die schweizerische Aussenpolitik. Aufgrund enger persönlicher Bindungen ­ fast 400 000 in dieser Region geborene Menschen leben in unserem Land ­ hat die Schweiz ein grosses Interesse an Frieden, Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität auf dem Balkan. Die Schweiz beteiligte sich durch die Entsendung von maximal 220 Armeeangehörigen an friedenserhaltenden Einsätzen im Rahmen der SWISSCOY in Kosovo; am 1. Januar 2012 hat die Schweiz zudem das Kommando über die Beobachterteams im Norden des Landes übernommen. Im Weiteren sind im Rahmen der Stabilisierungsmission der EUFOR ALTHEA zwei Schweizer Beobachtungsteams mit maximal 20 Armeeangehörigen in Bosnien-Herzegowina stationiert. Im Februar 2011 entschied der Bundesrat, das militärische Engagement zugunsten der EUFOR mit maximal sechs Kleinwaffen- und Munitionsexperten der Armee aufzustocken, um zusammen
mit Experten aus der österreichischen und der schwedischen Armee im Rahmen eines «Mobile Training Teams» den Kapazitätsaufbau zur Bewirtschaftung von Munitions- und Waffenlagern innerhalb der bosnischen Streitkräfte zu unterstützen. Damit einher ging auch ein verstärktes Engagement bei der Transitionszusammenarbeit mit den Ländern im Westbalkan und im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kosovo.

Die OSZE entschied im Februar 2012, ihren Vorsitz im Jahr 2014 der Schweiz und im Jahr 2015 Serbien zu übertragen. Die bilateralen Beziehungen mit Serbien wurden durch die enge Zusammenarbeit bezüglich der aufeinanderfolgenden Vorsitze vergangenes Jahr merklich belebt. Im September 2012 beendete die internationale Gemeinschaft die Überwachung der Unabhängigkeit des Kosovos durch das International Civilian Office (ICO), an dem sich auch die Schweiz aktiv beteiligte. Der EUBeitrittsprozess bringt jedem Land der Region sozioökonomische Perspektiven und politische Stabilität. Dies liegt auch im Interesse der Schweiz. Im vergangenen Jahr erhielten Montenegro und Serbien je den EU-Kandidatenstatus; Kosovo verfügt nun über eine Perspektive für die Visa-Liberalisierung und ein mögliches Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU, und Kroatiens Bevölkerung ent1000

schied, 2013 der EU beizutreten. Diese Fortschritte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Fall von Albanien und Mazedonien der EU-Beitrittsprozess ins Stocken geraten ist.

Mit der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2012 unterhielt die Schweiz regelmässige Kontakte, die es erlaubten, die bilateralen Beziehungen zu vertiefen. Die Bundespräsidentin wie auch der Chef des EDA statteten ihren zypriotischen Amtskollegen Arbeitsbesuche ab. Die Schweiz hat in den letzten Jahren ihre bilateralen Beziehungen zur Türkei gezielt vertieft und verbessert. Regelmässige Konsultationen auf hohem Niveau ­ ins Berichtsjahr fielen ein Besuch des EVDVorstehers, ein Arbeitsgespräch des Vorstehers EDA mit dem türkischen Aussenminister am Rande einer internationalen Konferenz, die Teilnahme des Vorstehers EDA an einer internationalen Konferenz in Istanbul und ein Arbeitsbesuch des Staatssekretärs EDA in der Türkei ­ erlauben auch kontroverse Themen kontinuierlich und konstruktiv anzugehen. Fragen der Meinungsäusserungsfreiheit, der Rechtshilfe und der Zusammenarbeit in Migrationsfragen wurden 2012 ebenso besprochen. Zudem regelt seit 2012 ein Memorandum of Understanding die polizeiliche Zusammenarbeit. Ebenfalls im Jahr 2012 konnte die Schweiz einen bilateralen Finanzdialog mit der Türkei aufnehmen. Die Schweiz rangiert auf Platz 14 der ausländischen Investoren in der Türkei: 600 schweizerische Firmen unterhalten über 15 000 Arbeitsplätze in diesem Land.

Osteuropa und Zentralasien Im Jahr der russischen Präsidentschaftswahlen 2012 konnte der Bundesrat die Beziehungen mit Russland weiter vertiefen. Sämtliche Departemente pflegten oft hochrangige und institutionalisierte Kontakte, dies vermehrt auch in Finanz- und Energiefragen. Der Vorsteher des EDA hat im Oktober 2012 seinem Amtskollegen in Moskau einen offiziellen Arbeitsbesuch abgestattet. Die vertraglichen Bindungen und die Rechtssicherheit wurden weiter gestärkt in den Bereichen Doppelbesteuerung, Zoll, Handel (WTO, EFTA), Strassentransport, Wissenschaft (Unterzeichnung eines Abkommens über die wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit durch den Vorsteher EDI am 17. Dezember 2012) und Kulturgüter. Die Zusammenarbeit mit anderen osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern ist wegen deren wachsender Bedeutung für Politik und
Wirtschaft sowie hinsichtlich Ressourcen, namentlich Energie, ihrer Mitgliedschaft in internationalen Organisationen ­ insbesondere in den Bretton Woods Institutionen ­ sowie aufgrund von Sicherheits- und Migrationsfragen zunehmend wichtig für die Schweiz. Das DEZA- und das SECOEngagement sind in einigen dieser Länder beträchtlich, beispielsweise in den Bereichen Wasserversorgung, Gesundheit, Förderung der Privatwirtschaft sowie humanitäre Hilfe. Überdies setzte die Schweiz ihre Unterstützung zur Verstärkung der Umweltschutzkapazitäten in den fünf Ländern Zentralasiens und in Aserbeidschan fort. Diese Länder teilen sich mit der Schweiz eine Stimmrechtsgruppe und werden von ihr im Exekutivrat des Globalen Umweltfonds (GEF) vertreten. In Kirgisistan wurde im Herbst eine Botschaft eröffnet. Diese verstärkt und ergänzt das Schweizer Vertretungsnetz in Zentralasien.

Im Südkaukasus steht neben der politischen, wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit das friedenspolitische Engagement im Vordergrund. Im März 2009 wurde der Schweiz die Vertretung der Interessen Russlands in Georgien und jene Georgiens in Russland anvertraut. Ende 2010 wurde die Schweiz von Moskau und Tiflis auch mit der Vermittlung in der Frage des russischen WTO-Beitritts betraut.

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Der nahezu einjährige Verhandlungsprozess fand mit der Unterzeichnung eines georgisch-russischen Abkommens über die Zollverwaltung und die Überwachung von Handelsgütern am 9. November 2011 in Genf seinen erfolgreichen Abschluss.

Das Abkommen, in dessen Umsetzung die Schweiz als neutrale Drittpartei involviert ist, ebnete den Weg für den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO).

Die Schweiz unterstützt weiterhin vertrauensbildende Massnahmen zwischen der Türkei und Armenien. Angesichts der bisherigen Vermittlerrolle der Schweiz wurde der Südkaukasus in der Botschaft des Bundesrates zur Weiterführung der Friedensförderung 2012­2016 als Schwerpunktregion des friedenspolitischen Engagements definiert. Schliesslich bot die Schweiz ihre guten Dienste im Fall der inhaftierten ehemaligen ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und mehrerer ehemaliger Minister an, sollte dies von den involvierten Parteien gewünscht werden.

2.2

Stabilität in Europa und der Welt

Im Zeitalter der Globalisierung hängen Sicherheit und Wohlstand der Schweiz massgeblich von einem stabilen internationalen Umfeld ab. Dies zeigte sich nicht zuletzt in der jüngsten globalen Finanzkrise oder bei den Umwälzungen in Nordafrika und im Nahen Osten. Deshalb ist das Engagement der Schweiz zugunsten von Stabilität in der Welt der dritte Schwerpunkt der schweizerischen Aussenpolitik.

Dieses Engagement umfasst einerseits die internationale Zusammenarbeit mit ihren vier Pfeilern Entwicklung, Ostzusammenarbeit, humanitäre sowie wirtschaftliche Kooperation und andererseits Aktivitäten zur Förderung von Frieden und Menschenrechten, aber auch die schweizerischen Beiträge zu einer stabilen Weltordnung in den Bereichen Finanz und Wirtschaft, Umwelt und Völkerrecht.

2.2.1

OSZE und Europarat

OSZE Die Schweiz wird 2014 als erstes Land zum zweiten Mal nach 1996 den Vorsitz der OSZE übernehmen, der weltweit grössten regionalen Sicherheitsorganisation mit gegenwärtig 56 Teilnehmerstaaten. Das eröffnet die Chance, die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz an prominenter Stelle einzubringen und zur Stabilität in Europa beizutragen. Die OSZE bleibt das einzige transatlantischeurasische Format, in dem sich Staaten, die sich zwar zu gemeinsamen Werten und Prinzipien bekannt haben, aber politisch nicht als gleichgesinnt gelten, mit Sicherheitsfragen in ihrer ganzen Breite auseinandersetzen. Dass in der OSZE vier von fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern sowie sieben von acht G-8-Staaten vertreten sind, macht den Vorsitz zusätzlich interessant.

Anfang Mai 2012 setzte der Vorsteher des EDA eine ihm direkt unterstellte Task Force OSZE-Vorsitz ein, die den Vorsitz in enger Zusammenarbeit mit dem VBS inhaltlich vorbereitet und begleiten wird. Die Erarbeitung der Schwerpunkte ist angelaufen. Im Juni 2013 wird die Schweiz die Umrisse dieser Schwerpunkte im Ständigen Rat der OSZE in Wien, dem Gremium der Botschafter der 56 Teilnehmerstaaten, präsentieren. Begonnen haben auch die Vorbereitungen für das jährliche Treffen der 56 Aussenminister, das im Dezember 2014 in der Schweiz stattfinden

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wird. Der Bundesrat hat entschieden, das Treffen mit Unterstützung der Kantonsbehörden in Basel durchzuführen.

Bereits ab Anfang 2013 wird die Schweiz zwei Aufgaben übernehmen: Zum einen wird sie als Vorsitzende des Managements- und Finanzkomitees für die ordentliche Verabschiedung des OSZE-Budgets zuständig zeichnen, zum andern die Gruppe der OSZE-Mittelmeerstaaten (Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Marokko, Tunesien) leiten. Die durch den arabischen Frühling entstandene neue Dynamik in der Region könnte mithelfen, dieser Mittelmeerpartnerschaft neue Bedeutung zu geben.

Die Schweiz hat sich gemeinsam mit Serbien für den OSZE-Vorsitz 2014 (Schweiz) und 2015 (Serbien) beworben und wird Schwerpunkte und Arbeitsplan zusammen mit Serbien ausarbeiten. Eine solche gemeinsame Kandidatur ist ein Novum in der Geschichte der OSZE und kann ein Mittel sein, um der Organisation mehr Kontinuität zu verleihen. Die Schweiz und Serbien werden ihre Aktivitäten im Rahmen eines zweijährigen Arbeitsplanes für die Jahre 2014 und 2015 koordinieren. Mit dem Ziel einer institutionellen Stärkung der OSZE befassen sich gegenwärtig fünf aufeinanderfolgende OSZE-Vorsitzländer: Der 2012 unter irischem Vorsitz gestartete Verhandlungsprozess «Helsinki plus vierzig» soll bis zum 40-jährigen Gründungsjubiläum von KSZE/OSZE neue inhaltliche und institutionelle Impulse geben. Dieser Prozess kann ebenfalls dazu beitragen, der Organisation zu mehr inhaltlicher Kontinuität zu verhelfen. Mit Blick auf die Zukunft muss es der OSZE gelingen, ihre Bedeutung nicht nur als Forum für den politischen Dialog, sondern auch als Akteurin bei der Krisenverhinderung und -bewältigung zu erhöhen und ihre Instrumente zu verbessern.

Am Ministerrat der OSZE vom 6. und 7. Dezember in Dublin haben sich die 57 OSZE-Minister unter anderem auf einen Fahrplan für einen Dialog über die Zukunft der OSZE geeinigt. Dadurch soll die OSZE bis 2015, dem 40. Geburtstag der Helsinki Schlussakte, revitalisiert werden. Die anwesenden Minister betonten, dass die OSZE für sie nach wie vor hohe Relevanz habe. Die Erklärungen der Minister und die Verhandlungen über Entscheidungen auf Ministerebene zeigten jedoch, dass die Meinungsunterschiede zwischen Ost und West wieder grösser werden. Die Schweiz betonte am Treffen ihre Rolle als Brückenbauerin. Sie rief die
Teilnehmerstaaten dazu auf, sich konstruktiv auf den Reformprozess einzulassen, der folgende Themen beinhalten müsse: konventionelle Rüstungskontrolle und neue Verpflichtungen für vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen im Militärbereich, verbesserte Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen der Teilnehmerstaaten und Stärkung der überwachenden Institutionen sowie im Bereich Wirtschaft und Umwelt Fokussierung der OSZE auf Themen, bei denen sie anerkannte Expertise hat. In Dublin haben die OSZE-Minister auch eine Intensivierung der Zusammenarbeit bei der Korruptionsbekämpfung und bei der Bekämpfung von transnationalen Gefahren wie Terrorismus und Drogenschmuggel sowie eine Verbesserung der Polizeizusammenarbeit vereinbart. Der Ministerrat hat zudem die Mongolei als neuen Teilnehmerstaat begrüsst. Das Land hatte bis anhin Beobachterstatus und ist das erste Mitglied, das ausserhalb des traditionellen OSZE-Raums liegt.

Abgesehen von den Vorbereitungen für den Vorsitz hat sich die Schweiz auch an den laufenden Geschäften aktiv beteiligt: Im politisch-militärischen Bereich konnten im Wiener Dokument über vertrauens- und sicherheitsbildende Massnahmen Ende 2011 gewisse Abläufe der Inspektionen und Überprüfungsbesuche erleichtert werden und der Weg für Verhandlungen zur regelmässigen Anpassung des Dokuments an die politisch-militärischen Realitäten des 21. Jahrhunderts und die militärtechno1003

logischen Entwicklungen in den Streitkräften geebnet werden. Weitere Verbesserungen sollen laufend erfolgen, unter anderem tiefere Schwellenwerte für die vorherige Ankündigung von bestimmten militärischen Aktivitäten, Informationsaustausch über Marinestreitkräfte und ausgewählte Nichtkombattanteneinheiten sowie die Durchführung von speziellen OSZE-Inspektionen zur Klärung ausserordentlicher militärischer Aktivitäten. Die Schweiz koordiniert diese Arbeiten im Forum für Sicherheitskooperation seit Herbst 2010. Des Weiteren engagierte sie sich für die bessere Umsetzung und Verbreitung des Verhaltenskodex über politisch-militärische Aspekte von Sicherheit und unterstützte Projekte zur besseren Lagerverwaltung und Lagersicherheit von Klein- und Leichtwaffen sowie Munition mit Expertise und finanziell. Demgegenüber ist es der OSZE seit der Suspendierung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (2007) nicht gelungen, mittels eigener Anstrengungen Bewegung in die europäische Rüstungskontrolle zu bringen.

2012 präsidierte die Schweiz zum zweiten Mal in Folge das Komitee der menschlichen Dimension. Gemeinsam mit dem irischen OSZE-Vorsitz war sie massgebend daran beteiligt, Planung und Ausrichtung von Veranstaltungen wirksamer und effizienter zu gestalten. Schliesslich befasste sie sich vor dem Hintergrund ungelöster Konflikte im OSZE-Raum auch 2012 mit spezifischen Fragen zu Südosteuropa, Südkaukasus und Zentralasien.

Europarat Die Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stand während des britischen Ministerkomitee-Vorsitzes von November 2011 bis Mai 2012 im Vordergrund der Debatten. Die am 20. April verabschiedete Erklärung von Brighton hält den an der Konferenz von Interlaken im Februar 2010 angestossenen Prozess in Schwung und macht konkrete zeitliche Vorgaben für eine Reihe von Anpassungen am Text der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Schweiz wirkte aktiv an den britischen Reformbestrebungen mit. Der Beitritt der EU zur EMRK war auch im Berichtsjahr Gegenstand komplexer Verhandlungen. Die Schweiz begrüsst diesen Beitritt, ist jedoch zusammen mit anderen Nicht-Mitgliedstaaten der EU der Auffassung, dass die Gleichbehandlung aller Staaten und die Integrität des Gerichtshofs gewahrt werden müssen.

Im Februar 2012 stattete der Menschenrechtskommissar des
Europarats, Thomas Hammarberg, der Schweiz kurz vor seiner Ablösung durch den Letten Nils Muiznieks einen Besuch ab. Im Zentrum des Interesses standen Fragen zum Diskriminierungsschutz, dem Schutz der Rechte von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern, der institutionellen Ausgestaltung des Menschenrechtsschutzes sowie dem Beitritt der Schweiz zu gewissen Menschenrechtsvereinbarungen. Der Kommissar hielt seine Eindrücke und Empfehlungen in einem Schreiben an den Vorsteher des EDA fest. Dieser nahm detailliert zu den Einschätzungen des Kommissars Stellung und erläuterte das Vorgehen der Schweiz bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen.

Die Einschätzungen des Besuchers und die Reaktionen der Schweiz wurden auf der Website des Menschenrechtskommissars veröffentlicht.

Im Juni wählte die Parlamentarische Versammlung die Italienerin Gabriela Battaini Dragoni, zur neuen Stellvertretenden Generalsekretärin des Europarats. Die Schweiz hatte sich aktiv für die Kandidatur von Gérard Stoudmann eingesetzt. Der Entscheid zwischen den beiden Kandidaten fiel in der Parlamentarischen Versammlung sehr knapp aus. Stoudmann hat als Sonderberater des Generalsekretärs die laufende Reform des Europarats massgeblich mitgeprägt.

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Die Umsetzung der beschlossenen Reformen geniesst für das Ministerkomitee hohe Priorität. Diese sollen den Europarat bei der Wahrnehmung seiner Kernaufgaben ­ Schutz der Menschenrechte, Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Förderung der Demokratie ­ stärken. Damit soll die politische Relevanz des Europarats erhöht werden.

Die Parlamentarische Versammlung verabschiedete 2012 eine Reihe von Berichten und Resolutionen. Aus schweizerischer Sicht erwähnenswert ist eine Resolution über Gouvernanz und Ethik im Sport. Sie ruft die Regierungen dazu auf, gemeinsam mit den Sportorganisationen auf einen wirksamen Schutz insbesondere junger Sportlerinnen und Sportler sowie verbesserte Gouvernanzmechanismen innerhalb der Sportverbände hinzuarbeiten. Erstmals seit 2005 verabschiedete die Versammlung wieder einen Bericht über die Einhaltung der Verpflichtungen Russlands gegenüber dem Europarat, der erheblichen Widerhall fand.

Von Mai bis November 2012 wurde der Vorsitz des Ministerkomitees von Albanien wahrgenommen. Albanien legte dabei den Schwerpunkt auf die Förderung der Toleranz und des Dialogs zwischen den Kulturen. Daneben bleiben die Prioritäten der vorhergehenden Vorsitze und insbesondere die Weiterführung der Reform des Europarats und die Sicherung der Zukunft des Gerichtshofs von Bedeutung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Berichtsjahr 7 Urteile in Schweizer Fällen gefällt. Sie betreffen Fragen im Zusammenhang mit dem Recht auf ein faires Verfahren, der Meinungsäusserungsfreiheit, der Religionsfreiheit und dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Weitere Angaben zum Europarat finden sich im Anhang zu diesem Bericht.

2.2.2

Internationale Sicherheit3

Die Schweiz setzte sich auch im Berichtsjahr für eine Neuausrichtung der nuklearen Abrüstungsdebatte ein, indem sie humanitäre Anliegen in den Mittelpunkt der Diskussionen rückte. Auf Vorschlag der Schweiz wurde diese Dimension 2010 in das Überprüfungsverfahren des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen (NPT) aufgenommen. An der ersten Sitzung des Vorbereitungsausschusses für die NPT-Überprüfungskonferenz 2015 (Wien, April­Mai 2012) lancierte die Schweiz zusammen mit 16 Staaten eine gemeinsame Erklärung. An der Sitzung der Ersten Kommission der UNO-Generalversammlung im Oktober 2012 wurde diese Gruppe auf 35 Staaten erweitert, was die zunehmende Bedeutung der Thematik belegt. Sie wurde ausserdem durch eine von der Schweiz finanzierte Studie gestützt, die konkret zeigt, welche Negativauswirkungen selbst ein begrenzter Einsatz von Nuklearwaffen auf das globale Klima und somit auf die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit hätte. Ausserdem wies die Schweiz 2012 am Gipfel über nukleare Sicherheit in Seoul und am NATO-Gipfel in Chicago darauf hin, dass atomare Abrüstung ein humanitäres Gebot ist.

3

Der Bericht des Bundesrates vom 30. November 2012 über die Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik der Schweiz 2012 informiert ausführlich über die Themen Rüstungskontrolle und Abrüstung. Der Bericht kann unter www.eda.admin.ch/eda/de/home/recent/media/single.html?id=46940 abgerufen werden.

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Die Schweiz setzte zudem ihr Engagement zur Herabsetzung der hohen Einsatzbereitschaft zahlreicher Kernwaffen fort. Wie bereits 2010 und in den Jahren zuvor reichte sie 2012 zusammen mit Chile, Malaysia, Nigeria und Neuseeland in der UNO-Generalversammlung eine entsprechende Resolution ein. Diese Resolution wurde auch dieses Jahr breit unterstützt, was das Interesse der Nicht-Kernwaffenstaaten an der Frage bestätigt. Die Schweiz ist überzeugt, dass für die nukleare Abrüstung rechtlich verbindliche, wirksame und verifizierbare Verträge notwendig sind. Die Blockierung der Abrüstungsmechanismen der UNO erschwert eine solche Entwicklung. Deshalb bemüht sich die Schweiz um eine Wiederbelebung der Abrüstungskonferenz und um die Aufnahme multilateraler Abrüstungsverhandlungen. Mit Südafrika und den Niederlanden setzte sie im Dezember 2011 in der UNO-Generalversammlung per Konsens eine Resolution durch, welche die Mitgliedstaaten auffordert, Möglichkeiten für eine solche Wiederbelebung zu prüfen. Die Schweiz wird ihre Bemühungen in diesem Bereich auch an den künftigen Tagungen der Generalversammlung fortführen.

Bei der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen unterstützt die Schweiz die Anstrengungen zur Errichtung einer kern- und massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten. Sie übernahm zudem eine aktive Rolle am Gipfel über nukleare Sicherheit in Seoul (März 2012), einem Folgetreffen zum Gipfel von Washington, zu dem Präsident Obama 2010 eingeladen hatte. Der Vorsteher des EDA vertrat die Meinung, dass sich die Veranstaltung nicht nur mit der besseren Sicherung zivilen Kernmaterials beschäftigen müsse, sondern auch jenes militärischen Ursprungs. Die Schweiz vertrat die Auffassung, dass die beste Massnahme zur Verhinderung der Weiterverbreitung ein Abbau der eigenen Waffenarsenale durch die Atommächte selbst sei.

Beim Übereinkommen über biologische Waffen und Toxinwaffen (BTWC) setzte sich die Schweiz anlässlich der Überprüfungskonferenz im Dezember 2011 für eine Stärkung des Umsetzungsprozesses ein. Das Übereinkommen weist aufgrund fehlender Kontrollmassnahmen diesbezüglich Schwächen auf. Deshalb hat die Schweiz Vorschläge zur Förderung vertrauensbildender Massnahmen formuliert. Die Überprüfungskonferenz beschloss ausserdem, 2012­2015, das heisst zwischen den Konferenzen, einen Prozess
durchzuführen, für den die Schweiz 2012 den stellvertretenden Vorsitz übernahm.

Die Schweiz hat sich auch 2012 aktiv in die Diskussionen im Rahmen der Organisation für das Verbot von chemischen Waffen (OPCW) eingebracht, insbesondere zur Fragestellung der künftigen Ausrichtung der Organisation und zum Thema der nicht tödlich wirkenden, handlungsunfähig machenden chemischen Agenzien. Mit Fachexpertise und materiell unterstützte die Schweiz zudem die Inspektorenausbildung sowie den nationalen und regionalen Kapazitätssaufbau im Bereich Schutz vor Chemiewaffen und Hilfeleistung. Zudem ist der Chef des Fachbereiches Chemie des Labor Spiez, das in vielfacher Weise eine aktive Rolle bei der Unterstützung der OPWC spielt, derzeit Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirates des OPWC.

Obwohl Massenvernichtungswaffen aufgrund ihres hohen Zerstörungspotenzials im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sind es die konventionellen Waffen, allen voran Kleinwaffen und leichte Waffen, welche die meisten Opfer fordern. Die Schweiz engagiert sich deshalb für eine bessere Reglementierung der Weitergabe solcher Waffen. Sie spielte bei der Vorbereitung eines Vertrags über den Waffenhandel eine aktive Rolle. An der UNO-Konferenz über einen Waffenhandelsvertrag (Juli 2012) hatte die Schweiz den Vizevorsitz inne und setzte sich für einen starken 1006

Vertrag ein, der sämtliche konventionellen Waffen abdeckt und strenge Exportbestimmungen vorsieht. Da keine Einstimmigkeit zustande kam, scheiterte die Konferenz. Dennoch unterstützte die Schweiz gemeinsam mit rund hundert Staaten den Vertragsentwurf des Vorsitzenden der Konferenz, und sie wird sich auch bei der Fortsetzung der Verhandlungen im Jahr 2013 dafür starkmachen.

Bei Waffen, die besonders gravierende humanitäre Probleme verursachen, setzt sich die Schweiz für ein Verbot ein. So hat sie z.B. den Ratifikationsprozess für das Übereinkommen von Oslo über Streumunition im Juli 2012 abgeschlossen. Die Schweiz tritt diesem Übereinkommen am 1. Januar 2013 bei und wird sich weiterhin für dessen Umsetzung engagieren, namentlich für die Schaffung einer «Implementation Support Unit» im internationalen Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf. Die Verhandlungen für einen Vertrag der Vereinten Nationen über Streumunition im Rahmen des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) wurden im November 2011 ohne Ergebnis beendet. Die Schweiz, die sich auf der Basis ihrer humanitären Tradition und ihrer Friedensförderungspolitik für ein Verbot von Streumunition einsetzt, hat sich zugunsten des rüstungskontrollpolitischen Mehrwertes eines solchen Protokolls im multilateralen UNO-Rahmen für eine ausbalancierte und insbesondere mit Blick auf die Oslo-Konvention völkerrechtlich kohärente Lösung eingesetzt. Was die schweizerischen Aktivitäten im Bereich Kleinwaffen und leichte Waffen betrifft, s. Ziffer 2.2.4.

Neben der EU und der OSZE gehört die NATO zu den drei wichtigsten institutionellen Pfeilern, auf denen die Sicherheit in Europa aufbaut. Die Beziehungen der Schweiz zur NATO finden im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat und in der Partnerschaft für den Frieden statt. Diese beiden Institutionen sind für die Schweiz besonders nützliche und effiziente Instrumente für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit: Sie tragen zur Sicherheit der Schweiz und zur Stabilisierung in Europa und im Mittelmeerraum bei und bieten auch für die Schweizer Armee Möglichkeiten zur militärischen Weiterentwicklung durch Erfahrungs- und Wissensaustausch.

2012 war durch die Reform der NATO-Partnerschaften, die im Vorjahr beschlossen worden war, sowie die Wiederaufnahme des politischen Dialogs geprägt. In diesem
Zusammenhang nahm der Vorsteher des EDA am Gipfel der NATO-Staaten und der 13 Partnerländer in Chicago teil. Dieses Treffen ermöglichte es, gemeinsame Herausforderungen anzusprechen, auf wichtige Sicherheitsanliegen der Schweiz und auf Schwerpunkte der schweizerischen Aussenpolitik wie die Abrüstungsinitiativen oder die Regulierung privater Militär- und Sicherheitsunternehmen hinzuweisen. Diese Bemühungen in Absprache mit den Vereinigten Staaten und mit Grossbritannien veranlassten die Militärstruktur der NATO, Massnahmen zur Regulierung privater Militär- und Sicherheitsunternehmen zu ergreifen. Auf bilateraler Ebene erlaubte der Besuch des NATO-Generalsekretärs bei den Vorstehern des VBS und des EDA im November 2012 eine Vertiefung dieses Dialogs.

Die Umsetzung der 2011 beschlossenen Partnerschaftsreform verlief im Berichtsjahr nicht reibungslos, weshalb auch die Zusammenarbeit ins Stocken geriet. Trotz dieser Schwierigkeiten setzte sich die Schweiz für eine Stärkung des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats als inklusive Plattform und für die Erhaltung des hohen Qualitätsniveaus der Programme in der Partnerschaft für den Frieden ein. Gleichzeitig engagiert sich die Schweiz für neue Formen der Kooperation zwischen einer flexiblen Anzahl Partner. Diese neuen Ansätze eignen sich für den Umgang mit neuen Herausforderungen, namentlich mit solchen, die geografisch nicht eingrenzbar sind, wie z. B. dem Schutz vor Cyber-Risiken. Gleichzeitig führte die Schweiz ihre Unterstüt1007

zung für Aktivitäten in Bereichen weiter, in denen sie über besondere Kompetenzen verfügt, wie militärische und sicherheitspolitische Ausbildung, Reform des Sicherheitssektors, humanitäres Völkerrecht und ­ über die Fonds für spezielle Verwendungszwecke ­ Abrüstung und Munitionssicherheit. Im Gegenzug profitierte sie von Ausbildungsangeboten und multilateralen Übungen im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden.

Im Berichtsjahr intensivierte sich die internationale Debatte zu Cyber-Risiken, was die Bedeutung dieses Themas für die Zukunft unterstreicht. Es wurden mehrere internationale Prozesse angestossen, nicht zuletzt in der UNO und der OSZE. Die Schweiz unterstützt aktiv die Bemühungen der OSZE zur Schaffung von Transparenz und Vertrauen und setzt sich verstärkt auch bei anderen multilateralen Prozessen ein. Zudem hat sie im Rahmen der vom Bundesrat im Sommer 2012 verabschiedeten nationalen Strategie bilaterale Konsultationen aufgenommen. Im Sinne der Wahrung der Schweizer Interessen soll in Zukunft die nationale Strategie durch die Nutzung von Möglichkeiten der Zusammenarbeit konsolidiert werden, die im Moment identifiziert werden.

2.2.3

Internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe

Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz verbindet Interessen und Werte.

Die Klimakonferenz in Durban vom Dezember 2011 und die UNO-Konferenz über nachhaltige Entwicklung in Rio vom Juni 2012 haben verdeutlicht, dass die Armutsbekämpfung mit globalen Zukunftsfragen (Klimawandel, Umweltbelastung, Ernährungssicherung, umweltverträgliche Energiesysteme, Schuldenmanagement und Finanzstabilität, Sicherheit und Entwicklung in schwachen Staaten) eng zusammenhängt. Entsprechend erhalten die gemeinsamen Interessen und eine enge Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern vermehrt an Gewicht. Die Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren des öffentlichen und privaten Sektors spielt auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene eine immer stärkere Rolle. Das Parlament hat im September die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 verabschiedet, die dieser Entwicklung gebührend Rechnung trägt. Damit verfügt die Schweiz über den strategischen und finanziellen Rahmen, um wirksame Beiträge zur Reduktion weltweiter Armut, zur Förderung einer nachhaltigen globalen Entwicklung sowie zur Bewältigung globaler Risiken zu leisten. Die Schweiz verstärkt ihr Engagement in Konflikt- und Post-Konfliktländern und nimmt stärkeren Einfluss auf die Aushandlung internationaler Regelungen, welche die Entwicklungschancen armer Länder betreffen. Im Rahmen der «DAC Peer Mid-Term Review» hat der OECD-Entwicklungshilfeausschuss im März die Ausrichtung und die thematische Stossrichtung der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz positiv beurteilt.

lm September 2000 verabschiedete die UNO-Generalversammlung die Millenniumserklärung über die vordringlichsten Herausforderungen der internationalen Staatengemeinschaft, mit dem Ziel, unter anderem Milliarden Menschen aus bitterster Armut zu befreien und die Friedenseinsätze der Vereinten Nationen zu verbessern. Daraus sind acht Millenniumsentwicklungsziele (MDG) abgeleitet worden. Sie bilden bis 2015 den internationalen Referenzrahmen der Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit.

1008

lm vergangenen Jahr setzte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon eine UNO-interne Arbeitsgruppe unter der gemeinsamen Leitung des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) und der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (UN DESA) ein. Diese Arbeitsgruppe koordiniert die Arbeiten für den zukünftigen Post-2015-Zielrahmen, zusammen mit einer ebenfalls durch den UNO-Generalsekretar eingesetzten Begleitgruppe politischer Persönlichkeiten (u.a.

mit David Cameron, Premierminister des Vereinigten Königreichs). lm September 2013 wird der offizielle politische Prozess im Rahmen einer hochrangigen Plenartagung der UNO-Generalversammlung gestartet.

An der UNO-Konferenz für nachhaltige Entwicklung im Juni 2012 (Rio+20) wurde beschlossen, im Rahmen der UNO-Generalversammlung umfassende Ziele für eine globale nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) auszuarbeiten. Es wurde festgelegt, dass der Prozess zur Schaffung von SDG mit demjenigen zur Findung einer MDG-Nachfolgelösung kohärent sein und mit diesem koordiniert werden soll.

Die Schweiz hat ein fundamentales Interesse daran, diese beiden Prozesse aktiv mitzugestalten. Die Schweiz vertritt das Anliegen, die SDG- mit der Post-MDGAgenda zu einem Prozess und Zielrahmen zusammenzuführen. Sie stützt sich dabei auf Resultate und gezogene Lehren der MDG und anderer international verabschiedeter Ziele, auf die Millenniumserklärung, die Schlusserklärung der Rio+20-Konferenz 2012 sowie auf wissenschaftliche Expertise. Sie setzt sich für eine Agenda von Zielen ein, welche der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit sowie der Dimension Frieden und Sicherheit gebührend Rechnung trägt. Die Ziele sollen universelle Gültigkeit erlangen, zugleich jedoch länderspezifischen Umständen Rechnung tragen. Wichtig ist für die Schweiz die Berücksichtigung entwicklungsrelevanter Finanzflüsse, die über die offizielle Entwicklungshilfe hinausgehen. In diesem Sinn will die Schweiz eine brückenbildende Rolle in der Verständigung über die globalen Ziele spielen.

Neue globale Entwicklungspartnerschaft: Das internationale entwicklungspolitische System ist im Umbruch. Die Dominanz der Geber, die dem OECD-Entwicklungsausschuss angehören, nimmt ab. Ein weltweit akzeptiertes neues Regelwerk ist bislang nicht
erkennbar. Aufstrebende Mächte wie China, Indien oder Brasilien engagieren sich zwar verstärkt in Entwicklungsländern. Sie sind aber nicht bereit, die Standards des OECD-Entwicklungsausschusses zu übernehmen. Einen Fortschritt in diesem Zusammenhang bildet die Gründung der «Global Partnership for Effective Development» im Juni 2012, welche die Regierungen grosser Schwellenländer vor dem Hintergrund ihrer Mitwirkung in der sogenannten Süd-SüdZusammenarbeit mittragen.

Globale Themen und strategische Partnerschaften In Umsetzung der Botschaft vom 15. Februar 2012 über die Weiterführung der technischen Zusammenarbeit und der Finanzhilfe zugunsten von Entwicklungsländern leistet die Schweiz einen Beitrag zu einer entwicklungsförderlichen Globalisierung. Der vom Parlament im September 2012 verabschiedete Bundesbeschluss über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 baut den Beitrag der Schweiz zur Armutsminderung und Bewältigung globaler Risiken weiter aus. Die in der aussenpolitischen Legislaturstrategie 2012­2015 skizzierten strategischen Partnerschaften mit ausgewählten Ländern sind für die Einflussnahme der Schweiz in der Aushandlung internationaler Regelungen wichtig. Entsprechend baut die Schweiz ihre Glo1009

balprogramme in den Bereichen Klimawandel, Wasser, Ernährungssicherheit und Migration aus.

Klimawandel: Die Schweiz realisiert in ausgewählten Ländern und Regionen (Indien, China, ASEAN-Region, Südafrika, Peru/Andenregion) Projekte in Bereichen wie umweltfreundliche Technologien sowie Vernetzung von Wissenschaft mit Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft. Sie bringt dabei Knowhow ein und baut die Zusammenarbeit im Sinne des gegenseitigen Lernens aus. Die klimabezogenen Massnahmen der Entwicklungszusammenarbeit verstärken zudem die Glaubwürdigkeit der Schweiz in den internationalen Klimaverhandlungen. Die Zusammenarbeit ist auf diejenigen Schwellenländer und fortgeschrittenen Entwicklungsländer fokussiert, die eine starke Zunahme der CO2-Emissionen aufweisen. In China, Indien und Peru sind die Gletscher ein wichtiger Bestandteil des Programmes. In Indien stehen Energie-Effizienz und erneuerbare Energien im Vordergrund. Die vom Parlament im Februar 2011 bewilligte Erhöhung der Entwicklungshilfe-Mittel ermöglicht ein zusätzliches klimabezogenes Engagement im Umfang von 72 Millionen Franken, das auf 45 Projekte aufgeteilt wird.

Der internationale Verhandlungsprozess ist massgeblich geprägt von unterschiedlichen Auffassungen über die Verantwortlichkeiten der Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer. Mit dem «Green Climate Fund» wurde 2011 ein neuer multilateraler Finanzierungsmechanismus für Klimamassnahmen in Entwicklungsländern lanciert. In einer Partnerschaft mit Russland ist die Schweiz seit August 2012 im Exekutivrat dieses neuen Fonds vertreten. Dieser wird nun im Detail konstituiert und soll ab 2014 seine ersten Projekte und Programme finanzieren.

Wasser: Das Wassermanagement sowie der Zugang zu Trinkwasser und die Abwasserentsorgung sind globale Herausforderungen. Ohne ein beherztes Vorgehen wird es in den kommenden Jahrzehnten unweigerlich zu einer beispiellosen Zunahme an Spannungen und Konflikten kommen. 2012 konnte die Schweiz dank ihres bisherigen Engagements in verschiedenen Bereichen politischen Einfluss geltend machen, der weltweit auf Anerkennung stösst. Die Aktivitäten im Rahmen des «Blue Peace»Projekts im Nahen Osten konnten trotz der politischen Wirren in der Region fortgesetzt und auf andere grenzüberschreitende Einzugsgebiete ausgedehnt werden (Mekong, Nil). Die Schweiz
will das Thema Wasser zu einem Schwerpunktthema ihrer Entwicklungspolitik machen. Die Initiativen in diesem Bereich decken sich auch mit den Bemühungen anderer Staaten. Dank der Unterstützung der Vereinigten Staaten konnte die Schweiz im September 2012 ein informelles Treffen am Rande der UNO-Generalversammlung mitorganisieren mit dem Ziel, Wasser und Sicherheit auf die globale Tagesordnung zu setzen . Das Engagement der Schweiz galt auch der Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser und Abwasserentsorgung: Sie leitete am Weltwasserforum in Marseille die Diskussionsrunde zu diesem Thema.

Ein weiteres Zeichen für das Engagement der Schweiz ist die im Oktober 2012 unter ihrer Schirmherrschaft durchgeführte GLAAS-Sitzung, eine Initiative der UNO zur Beurteilung der Fortschritte in den Bereichen Trinkwasser und Siedlungshygiene.

Die globale Tragweite des Themas verdeutlichen zudem neuartige Initiativen wie Ökozahlungen für Wasserdienstleistungen in sieben Ländern des Südens, die nun auch das Interesse von China und Brasilien geweckt haben, oder Instrumente im Zusammenhang mit dem «Wasserfussabdruck» (Water Footprint), zu denen sich ein Dutzend multinationale Konzerne in der Schweiz und in Lateinamerika verpflichtet haben. Diese Dynamik wird auch durch Initiativen im Inland unterstützt, so z. B. die im Frühling 2012 lancierte Swiss Water Partnership, die das Wissen und die Erfah1010

rung der Schweiz im Bereich Wasser international verbreitet, oder die Gründung eines schweizerischen NGO-Konsortiums in den Bereichen Wasser und sanitäre Grundversorgung, in dem zum ersten Mal bestimmte Tätigkeiten der schweizerischen Hilfswerke koordiniert werden, um die Millenniumsziele zu Wasser und Abwasserentsorgung zu erreichen. Die Zuteilung zusätzlicher Mittel in der Höhe von 197 Millionen Franken für den Wassersektor im Rahmen der vom Parlament genehmigten Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe ermöglichte die Realisierung von 76 weiteren Projekten und somit eine Konkretisierung der strategischen Stossrichtung der Schweiz. Gleichzeitig wurde dadurch die Basis für ihr Bestreben nach Einflussnahme und ihre Suche nach Bündnispartnern gefestigt.

Ernährungssicherheit: Die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel sind ab Mitte 2012 wieder stark angestiegen. Grund dafür sind Dürren in den USA und in Russland, die insbesondere die Preise von Mais und Soja beeinflussen und damit indirekt auch Fleischprodukte verteuern. Der Preisanstieg für Futtermais führt dazu, dass Weizen als Ersatz für die Tierfütterung verwendet und damit als Grundnahrungsmittel weniger verfügbar ist. Zudem hat auch die Zunahme der Biotreibstoff-Produktion die Verfügbarkeit und die Preisentwicklungen von Nahrungsmitteln beeinflusst. Aufgrund des häufig wiederkehrenden starken Anstieges der Weltmarktpreise für Nahrungsmittel fördert die Schweiz in Entwicklungsländern die Massnahmen zur nachhaltigen Steigerung der kleinbäuerlichen Produktion. Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang den Schweizer Beitrag an den Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) ab 2013 von jährlich 7,1 auf 9,5 Millionen Franken erhöht.

An der UNO Konferenz über nachhaltige Entwicklung im Juni 2012 hat sich die Schweiz daher auch für nachhaltige Landwirtschaft und bessere Ernährungssicherheit eingesetzt. Das von Regierungen sowie privat- und zivilgesellschaftlichen Organisationen gebildete «Committee on World Food Security» (CFS) wurde zur Verhandlung von verantwortungsvollen Investitionen in der Landwirtschaft mandatiert. Die Schweiz konnte sich bei der Ausarbeitung der «Freiwilligen Richtlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern» im Ausschuss wie auch bei
zivilgesellschaftlichen Organisationen Glaubwürdigkeit verschaffen. Die ausgehandelten Richtlinien bilden eine nützliche Grundlage für Entscheidungsträger, um Land-, Fisch- und Forstrechte im Interesse der am meisten betroffenen ländlichen Bevölkerungen zu gestalten. Die Schweiz begleitet die Umsetzung dieser Richtlinien und fördert damit die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen und Langfristperspektiven bei der Ernährungssicherheit.

Migration: Der Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung ist in den letzten Jahren in der internationalen und nationalen Politik stärker in den Blick gerückt. Die Botschaft vom 15. Ferbruar 2012 über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 trägt diesem Ansatz Rechnung und schafft den Rahmen, um die entwicklungspolitische Perspektive in der Migrationsaussenpolitik zu verstärken und das Potenzial der Migration für Entwicklungsprozesse zu nutzen. Migrantinnen und Migranten tragen mit Wissens- und Geldtransfers zur Armutsreduktion und zur lokalen Entwicklung bei. Migrationspartnerschaften und regelmässige Migrationsdialoge sind dabei wichtige Instrumente in der Umsetzung.

Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen: Die Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen ­ der Weltbank, den regionalen Entwicklungsbanken sowie dem UNO-System ­ stellen einen bedeutenden Pfeiler der schweizerischen 1011

Entwicklungszusammenarbeit dar. Die Schweiz bringt ihre Erfahrungen aus der bilateralen Kooperation in die multilaterale Zusammenarbeit ein und nimmt damit Einfluss auf die strategische Ausrichtung der multilateralen Organisationen. Umgekehrt kann sie die kritische Masse und das Fachwissen multilateraler Organisationen für ihre Anliegen nutzen. Die Durchführung multi-bilateraler Projekte stärkt die Komplementarität zwischen bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit. Um eine optimale Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten, konzentriert die Schweiz ihre politischen und finanziellen Beiträge auf prioritäre Themen (Klimawandel, Ernährungssicherheit, Migration, Wasser, Gesundheit, Finanzen und Förderung des Privatsektors) in einer begrenzten Anzahl Organisationen. Die Steigerung der Wirksamkeit multilateraler Organisationen ist eine Priorität der Schweiz. Um die Leistungen der Organisationen beurteilen zu können, engagiert sie sich im «Multilateral Organizations Performance Assessment Network», einem Netzwerk aus 16 Geberländern. 2012 übernahm die Schweiz die Koleitung bei den Evaluationen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) und der Afrikanischen Entwicklungsbank sowie bei den Evaluationen von Niger und Honduras.

Die Wirksamkeit multilateraler Organisationen hängt stark von ihrer Koordination vor Ort ab. Die Schweiz setzt sich deshalb für eine Reform des operativen UNOSystems ein. Im September 2012 beschäftigte sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der alle vier Jahre fälligen Überprüfung der Reform und verabschiedete eine Resolution, welche die Schweiz zur Fazilitatorin im Reformprozess ernennt. Darüber hinaus engagierte sich die Schweiz für eine bessere Zusammenarbeit zwischen UNO und Weltbank, namentlich mit konkreten Initiativen wie der Finanzierung eines UNO-/Weltbank-Fonds zugunsten fragiler Kontexte.

Bilaterale Zusammenarbeit mit Schwerpunktländern und Schwerpunktregionen Die bilaterale Zusammenarbeit mit Schwerpunktländern und Schwerpunktregionen, die zur Gruppe der ärmsten und strukturschwachen Länder («Least developed countries») gehören, bildet den Kern des Schweizer Beitrags zur Erreichung der «Millennium Development Goals» und zur Stabilität der betroffenen Regionen. Rund 50 Prozent der für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit eingesetzten
Mittel werden für diese Programme aufgewendet. Durch ihre langfristig angelegte Zusammenarbeit kann die Schweiz mit operationellen Erfahrungen und Innovationen nationale wie auch internationale Politikprozesse mitgestalten. Die bilateralen Schwerpunktprogramme tragen auf nationaler Ebene zur Bewältigung globaler Risiken bei. In Lateinamerika wurden in diesem Zusammenhang der Klimaschutz und in Afrika und Asien die Initiativen zur Verbesserung der Ernährungssicherheit verstärkt. Der im Februar 2011 gesprochene Zusatzkredit zum Rahmenkredit für Programme in den Bereichen Klima und Wasser sowie für die multilateralen Aufgaben wurde bis Ende 2012 vollständig verpflichtet. Der Bundesrat wird dem Parlament 2013 einen entsprechenden Bericht vorlegen.

Der im Rahmen der Botschaft vom 15. Ferbruar 2012 über die internationale Zusammenarbeit veröffentlichte Bericht «Was die Schweiz bewirkt ­ Die internationale Zusammenarbeit der DEZA 2006­2010» gibt Rechenschaft über die erreichten Entwicklungsresultate. So hat die Schweiz in Tansania und Mozambik dazu beigetragen, dass die Kindersterblichkeit in den letzten zehn Jahren um ein Drittel zurückgegangen ist; das von der Schweiz initiierte Programm der «imprägnierten Moskitonetze» zeigt Wirkung.

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In den Bereichen Arbeit und Einkommen investierte die Schweiz zwischen 2006 und 2010 297,2 Millionen Franken. Gemäss Schätzungen wurden damit 900 000 Bauern und Kleinunternehmer unterstützt, 200 000 Personen erhielten eine berufliche Bildung, und es wurden 800 000 Arbeitsplätze geschaffen. 2012 wurden zwölf Kooperationsstrategien der Schweiz (total 20 Schwerpunktländer/-regionen) überarbeitet und auf die Vorgaben der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­ 2016 ausgerichtet. Die Management-Instrumente legen ein stärkeres Gewicht auf die Wirkungsorientierung der Massnahmen und ermöglichen eine verbesserte Rechenschaftslegung. Entsprechend der genannten Botschaft wurde am Horn von Afrika ein neues Programm lanciert, das regionale Programm im Mekong-Becken wurde auf die Länder Kambodscha und Myanmar ausgeweitet.

Die Schweiz engagiert sich auch stärker in fragilen Kontexten. Im Jahr 2012 wurden in Haiti, im Hindukusch, am Horn von Afrika sowie in Myanmar Programme lanciert oder erweitert. In den Schwerpunktländern der Entwicklungszusammenarbeit ist eine zunehmende Fragilität spürbar. Anpassungen des Programms waren beispielsweise in Mali und in Honduras nötig. In fragilen Kontexten sind umsichtige Kontextanalyse, konfliktsensitives Programm-Management und angepasste Sicherheitsdispositive vordringlich. Zielführend ist zudem der kombinierte Einsatz der Humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. Beispiele hierfür sind das Engagement der Schweiz in Haiti, in Nordafrika, in Palästina und in Myanmar.

Ostzusammenarbeit Transitionsunterstützung: Die Schweiz unterstützt im Westbalkan und in acht Ländern der ehemaligen Sowjetunion die Transition zu demokratischen und marktwirtschaftlichen Systemen. Im Westbalkan ist die EU-Beitrittsperspektive der Antrieb für Reform- und Transitionsprozesse. Bei Verfassungsfragen sowie in den Beziehungen zwischen ethnischen Gruppen und Staaten bestehen weiterhin politische Spannungen, welche die regionale und internationale Stabilität gefährden. Seit 2011 wächst die Wirtschaft in der Region wieder leicht. Die meisten Staaten haben im Justizwesen wichtige Verbesserungen vorgenommen, die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien bleibt jedoch ungenügend. Organisierte Kriminalität und Korruption sind weit verbreitet. Gute Regierungsführung, Rechtstaatlichkeit
und Demokratisierung bilden deshalb weiterhin wichtige Schwerpunkte des Engagements der Schweiz in den fünf Partnerländern. Die Kooperationsstrategien Kosovo, Bosnien und Herzegowina sowie Mazedonien wurden 2012 überarbeitet. Stärker gewichtet werden künftig die Berufsbildung, das Zusammenspiel verschiedener Staatsebenen in den laufenden Dezentralisierungsprozessen sowie das Thema Gesundheit.

Der markt- und praxisorientierte Ansatz in der Privatsektorförderung und die Reformen des Berufsbildungswesens verbessern die soziale Teilhabe und mindern indirekt ethnische Konflikte sowie den Migrationsdruck. Die Kooperation mit den von besonders hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Ländern Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo umfasst Projekte, welche die Arbeitsmarktfähigkeit Jugendlicher fördern. Die Schweiz unterstützt weiterhin auch die Gesundheitsreform in Bosnien und Herzegowina. Ein ähnliches Programm ist im Kosovo in Vorbereitung und wird für Albanien und Serbien geprüft. Weitere Schwerpunkte bilden die Integration und Ausbildung für marginalisierte Roma-Gemeinden und andere Minderheiten sowie der Aufbau und die Instandhaltung einer nachhaltigen öffentlichen Wasser- und Elektrizitätsversorgung. Ergänzend zur Entwicklung vor Ort werden auch Migrationspartnerschaften umgesetzt und Wege zur Einbindung der Schweizer 1013

Diaspora in die Transitionsunterstützung im Partnerland gesucht. Zusätzlich zu den bilateralen Programmen werden Regionalprogramme in den Bereichen Polizeikooperation sowie Förderung von Forschung und Wissenschaft umgesetzt.

In den GUS-Ländern entstehen grosse Unterschiede zwischen den Ländern, denen der Übergang zur Demokratie mit transparenten Wahlen und reibungslosen Machtübergaben gelingt, und Ländern, die immer noch an Regierungen mit autokratischen Tendenzen und wenig Veränderungsbereitschaft festhalten. Die wirtschaftliche Situation verbessert sich langsam, aber ohne dass wirklich Branchen mit Mehrwert und langfristigen Erwerbsmöglichkeiten entstehen. In Zentralasien wurde Anfang 2012 eine neue regionale Kooperationsstrategie verabschiedet. Kirgisistan und Tadschikistan wurden als Schwerpunktländer definiert, und mit Usbekistan wurde ein bilaterales Programm beschlossen, das sich nur auf den Zugang zu Trinkwasser konzentriert. Nach einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Tadschikistan und Usbekistan wurde beschlossen, das regionale Programm für Wassermanagement neu auszurichten und den Schwerpunkt stärker auf die Entwicklung nationaler Kapazitäten, die Stärkung des politischen Dialogs auf nationaler Ebene, die Stärkung unserer Partnerschaft mit der Weltbank und die Lancierung neuer grenzüberschreitender Projekte zwischen Kirgisistan und Tadschikistan und zwischen Usbekistan und Kasachstan zu legen. Die Schweiz setzt ausserdem ihre Unterstützung der Gesundheitsreform in Kirgisistan und Tadschikistan fort. Es wurden neue Studienpläne für das Medizinstudium getestet und rund hundert Arzt- und Pflegepersonen weitergebildet. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung in diesen beiden Ländern verbessert sich stetig, was sich positiv auf die Sterblichkeitsrate auswirkt. Die schweizerische Zusammenarbeit trägt zur politischen Stabilisierung in Kirgisistan bei: Die Schweiz unterstützt ein Programm der OSZE, wirkt bei der Vorbereitung eines Beschäftigungsprojekts für junge Menschen in Südkirgisistan mit, fördert in schwierigen Gebieten des Pamirgebirges und des Raschttals (Tadschikistan) Projekte und entwickelt in Tadschikistan ein neues Programm «Zugang zur Justiz».

Ende 2012 wurde eine neue integrierte Kooperationsstrategie für den Südkaukasus ausgearbeitet. Die thematischen Schwerpunktbereiche
sind: Wirtschaftsförderung und Schaffung von Arbeitsplätzen, gute Regierungsführung und Friedensförderung sowie Prävention von Naturkatastrophen. In Georgien hat die Schweiz ein Programm zur wirtschaftlichen Entwicklung ländlicher Gebiete lanciert. In Moldawien engagiert sie sich weiterhin für den Zugang zu Trinkwasser und für die Gesundheit von Müttern und Kindern. Die Ende 2012 eröffneten pädiatrischen Notfallzentren decken das gesamte Land ab. In der Ukraine unterstützt die schweizerische Zusammenarbeit die Anstrengungen für einen besseren Zugang zu dezentralen Dienstleistungen. Dank der Qualität und der Zweckmässigkeit der von der Schweiz entwickelten Modelle gilt unser Land als wichtiger Partner der Regierung in Fragen der Dezentralisierung. Das auf die Gesundheit von Müttern und Kindern ausgerichtete Gesundheitsprogramm bezweckt die Ausbildung von medizinischem Personal und die Bereitstellung von Ausrüstung, integriert sich jedoch gleichzeitig in die allgemeine Reform des ukrainischen Gesundheitssystems.

Erweiterungsbeitrag: Der Beitrag an die zehn Länder, die 2004 der EU beitraten, konnte bis Juni 2012 fristgerecht und vollständig verpflichtet werden. Insgesamt wurden 210 Projekte genehmigt, welche sich auf fünf Zielbereiche beziehen. Das bei Weitem bedeutendste Empfängerland ist Polen. Bei der Projektauswahl wurde darauf geachtet, dass solide Institutionen für die Umsetzung verantwortlich sind. Die Mittel des Erweiterungsbeitrags für Bulgarien und Rumänien (257 Mio. CHF) 1014

sollten bis Dezember 2014 ebenfalls vollständig verpflichtet sein. Der Erweiterungsbeitrag stösst in den neuen EU-Mitgliedsländern auf grosses Interesse und trägt zu den guten bilateralen Beziehungen bei. Kontakte und Zusammenarbeit zwischen Behörden und Fachinstitutionen haben sich intensiviert. Die Umsetzung der Projekte wird von der Schweiz eng begleitet. Ein besonderes Augenmerk gilt der Erreichung der erwarteten Resultate, mit denen die Schweiz aufzeigen kann, wie ihr Engagement zum Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten EU beiträgt.

Humanitäre Hilfe Die humanitäre Hilfe des Bundes ist Ausdruck der Solidarität der Schweiz mit Menschen, die von Krisen, Konflikten und Katastrophen betroffen sind. Die Schweiz trägt damit zur Minderung von Risiken, Prävention von Zerstörung, Schutz und Rettung von Leben sowie Linderung von Leiden bei. Nach dem schweren Erdbeben im Iran vom 11. August 2012 hat die Schweiz 40 Tonnen Hilfsgüter ins Katastrophengebiet geschickt: medizinische Basisversorgung für 10 000 Menschen über 3 Monate, winterfeste Familienzelte und Zubehör für 200 Familien. Als einziges westliches Land war die Schweiz mit einem Sofort-Einsatz-Team von den Behörden eingeladen, um vor Ort aktiv zu werden. In Nordkorea unterstützte die Schweiz nach den verheerenden Überschwemmungen im Sommer 2012 den Wiederaufbau: Errichtung von 100 Häusern; Wiederinstandsetzung der Trinkwasserversorgung für 75 000 Menschen.

Prävention und Bewältigung von Krisen und Konflikten: Die Krise am Horn von Afrika dauert an. Zwar konnten Regenfälle und internationale Hilfe das Hungerproblem verringern, doch leben in Somalia weiterhin 2,5 Millionen Menschen von der Nothilfe. Wegen den andauernden Auseinandersetzungen zwischen den Kriegsparteien in Süd- und Zentralsomalia bilden der Zugang zu den Opfern und deren Schutz besondere Herausforderungen. An der Internationalen Somalia-Konferenz in London Ende Februar 2012 wies der Vorsteher EDA vor 40 Staatenvertretern auf die Chancen einer föderalistischen Lösung für Somalia hin, welche ihrerseits die Aussichten auf eine Verankerung der Demokratie verbessern kann. Für die Schweiz, die in dieser Region im humanitären Bereich mit einem Budget im Jahr 2012 von 29 Millionen Franken aktiv war, ist die Koordination der internationalen Hilfe eine
Priorität, um die regionale Stabilität zu verstärken. Die Humanitäre Hilfe des Bundes setzte ihre Mittel des weiteren für lebensrettende Massnahmen und die Nahrungssicherheit ein sowie für den Schutz der über 2 Millionen Flüchtlinge, intern Vertriebenen und Migranten am Horn von Afrika. Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) unterstützten UNO-Organisationen und lokale Behörden.

Ende 2011 kündigte sich im Sahelgürtel eine neue Ernährungskrise an. Im Gegensatz zur Krise am Horn von Afrika reagierte die Gebergemeinschaft rasch, und die Nothilfe konnte die Bedürftigen rechtzeitig erreichen. Der Militärputsch in Mali vom März 2012 und die Besetzung des Nordens des Landes durch islamische Gruppen brachte gegen eine Million Menschen in Hungergefahr. Die Humanitäre Hilfe des Bundes leistete in Mali, Burkina Faso und Niger via ihre Partner (IKRK, WFP, UNHCR, NGO) Nothilfe. Die besondere Herausforderung liegt dabei bei der Stärkung der lokalen Selbsthilfe, damit auf Krisen eigenständig und erfolgreich reagiert werden kann.

1015

In Nordafrika hat die Schweiz ihr Engagement auf die Schwerpunktthemen demokratische Transition und Menschenrechte, wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung sowie Migration fokussiert. Trotz zahlreicher Unsicherheiten, welche die Transitionsprozesse in Ägypten, Libyen, Tunesien und Marokko prägen, konnte ein substanzielles Unterstützungsprogramm aufgebaut werden, das erste Resultate zeigt.

Die Schweiz hat in Ägypten und in Tunesien mit Wahlbeobachtung und Lieferung von Wahlurnen die Durchführung demokratischer Wahlen unterstützt. In Syrien spitzte sich die humanitäre Lage im Berichtsjahr dramatisch zu. Die Schweiz leistete Nothilfe an die betroffene Bevölkerung, gemeinsam mit UNO-Agenturen und dem IKRK. Sie unterstützte zudem Zehntausende von syrischen Flüchtlingen in den Nachbarländern Jordanien, Libanon und Irak.

Stellvertretend für die «Länder mit vergessenen Konflikten», in denen die Schweiz humanitäre Hilfe leistet, sei Kolumbien angeführt. Der Gewaltkonflikt dauert seit mehr als 50 Jahren. Heute gibt es weiterhin rund vier Millionen intern Vertriebene und die weltweit grösste Zahl an Minenopfern. Die humanitären Aktivitäten verbesserten den Schutz und die Lebensbedingungen der vom Konflikt am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen. In Lateinamerika engagiert sich die Humanitäre Hilfe des Bundes überdies beim Aufbau von institutionellen Strukturen zur Prävention und Bewältigung von Naturkatastrophen.

Partnerschaften und internationale Vernetzung: Eine vordringliche Herausforderung für die internationale humanitäre Hilfe stellt der Zugang zu den Opfern und eine wirkungsvolle Unterstützung für Meistbedürftige dar. Vor diesem Hintergrund arbeitet die Humanitäre Hilfe des Bundes gemeinsam mit dem EU-Büro für humanitäre Hilfe (ECHO) an einem Projekt zur nachhaltigen humanitären Präsenz in Krisensituationen. Die Schweiz verfügt bei der Katastrophenvorsorge und beim Katastrophenschutz über wegweisende Modelle und Grundsätze des «Integralen Risikomanagements». Diese Erfahrungen konnten im Rahmen der UNO-Konferenz für nachhaltige Entwicklung (Rio+20) genutzt werden, indem in verschiedenen Rahmen Veranstaltungen zur Katastrophenvorsorge und zu den Auswirkungen von Umweltkatastrophen organisiert wurden.

2.2.4

Friedensförderung und Achtung von Menschenrechten und Rechtstaat

Zivile Friedensförderung Am 1. Mai 2012 trat der Bundesbeschluss vom 22. Dezember 2011 über einen Rahmenkredit zur Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit in den Jahren 2012­2016 in Kraft. Die bereitgestellten Mittel von 310 Millionen Franken, wovon 50 Millionen Franken für ein Sonderprogramm für Nordafrika und den Nahen Osten vorgesehen sind, erlauben es der Schweiz, ihre Bemühungen um die Förderung von Frieden und Menschenrechten sowie ihre humanitäre Politik und ihre Migrationsaussenpolitik weiterzuführen und gezielt zu verstärken.

2012 investierte die Schweiz rund drei Viertel ihrer für die zivile Friedensförderung vorgesehenen Mittel für Programme in Schwerpunktregionen und -ländern. Die Bemühungen konzentrierten sich insbesondere auf Südosteuropa, West- und Zentralafrika, den Sudan und das Horn von Afrika, die Region der Grossen Seen, Nepal 1016

und Kolumbien. Angesichts der Volksaufstände, die seit Anfang 2011 mehrere Länder Nordafrikas erfasst hatten, beschloss die Schweiz, in diesen Ländern Programme zur Unterstützung der Demokratisierung einzuleiten. Die übrigen Mittel, die für die zivile Friedensförderung vorgesehen waren, wurden für punktuelle Interventionen namentlich in Thailand, Myanmar und dem Kaukasus verwendet.

Westbalkan: Mit ihrer friedenspolitischen Arbeit trägt die Schweiz zur Vertrauensbildung zwischen Bevölkerungsgruppen und Staaten im Westbalkan bei: Sie erleichtert politische Dialoge und entwickelt Aktivitäten, die zu einer verstärkten Mitwirkung der Minderheiten in den politischen Institutionen beitragen sollen. So unterstützt das EDA den politischen Dialog zwischen serbischen Entscheidungsträgern aus Kosovo und aus Serbien, in den auch albanische Persönlichkeiten einbezogen werden. In der Überzeugung, dass Konfliktursachen bei den Wurzeln angegangen werden müssen, engagiert sich die Schweiz zudem für die Vergangenheitsarbeit.

Sie unterstützt Aktivitäten des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des bosnischen Gerichtshofs sowie der Regierungen und der Zivilgesellschaften, die zur Versöhnung beitragen. Zudem beteiligt sich die Schweiz an zivilen Einsätzen der EU in Kosovo (EULEX, ICO).

Naher Osten: Angesichts des anhaltenden bewaffneten Konflikts und der gravierenden Verschlechterung der humanitären Lage in Syrien hat sich die Schweiz für die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts seitens aller Konfliktparteien stark gemacht und mit eigenen Militärbeobachtern zugunsten der UNO Präsenz gezeigt. Um den Zugang aller Betroffenen zu humanitärer Hilfe zu erleichtern und die Kapazitäten der syrischen Zivilgesellschaft zur Selbsthilfe zu vergrössern, hat die Schweiz ferner lokale Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Die internationale Gemeinschaft hat Israel und die PLO nicht zu einer Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen bewegen können. Die Schweiz hat sich ihrerseits weiterhin aktiv für eine Zwei-Staaten-Lösung eingesetzt. Vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel, den Friedensprozess wiederzubeleben, hat der Bundesrat entschieden, das Begehren der Palästinensischen Autonomiebehörde bezüglich Beobachterstatus in der UNO zu unterstützen. Die
UNO-Generalversammlung hat dem Anliegen am 29. November 2012 mit grosser Mehrheit zugestimmt. Die Schweiz unterstützt eine Zwei-Staaten-Lösung auch mittels der Genfer Initiative.

Letztere regelt alle Streitpunkte in umfassender Weise und hat in der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten kontinuierlich an Zustimmung gewonnen. Die desaströse wirtschaftliche Lage in den besetzten Gebieten hat derweil zu weitverbreiteten Protesten geführt. Der innerpalästinensische Versöhnungsprozess bleibt zudem weiterhin blockiert. Vor diesem Hintergrund hat die Schweiz sich unter Einbezug aller Konfliktparteien für die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts eingesetzt.

Nordafrika: Anfang 2011 reagierte die Schweiz rasch auf die politischen Umwälzungen in Nordafrika. Sie hat ein grosses sicherheits- und migrationspolitisches, aber auch wirtschaftliches Interesse an stabilen demokratischen Verhältnissen in dieser Region und will darum den demokratischen Transitionsprozess aktiv begleiten und unterstützen. Am 11. März 2011 verabschiedete der Bundesrat eine Nordafrikastrategie, die ihrerseits zu einem departementsübergreifenden Unterstützungsprogramm führte, mit dem die Herausforderungen koordiniert, kohärent und komplementär angegangen werden können.

Am Unterstützungsprogramm für Nordafrika beteiligen sich das EDA (Politische Direktion PD, Direktion für Völkerrecht DV und Direktion für Entwicklung und 1017

Zusammenarbeit DEZA), das EJPD (Bundesamt für Migration BFM) und das EVD (Staatssekretariat für Wirtschaft SECO). Das Schweizer Engagement konzentriert sich auf drei Schwerpunktländer (Ägypten, Libyen, Tunesien), umfasst jedoch auch ein regionales Engagement in folgenden Schlüsselbereichen: ­

Unterstützung einer demokratischen Transition und Stärkung der Menschenrechte

­

Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und Schaffung von Arbeitsplätzen

­

Migrationsfragen und Schutz besonders gefährdeter Personen.

Für die Umsetzung des Bundesratsbeschlusses wurden insgesamt Mittel in der Höhe von rund 57 Millionen Franken jährlich reserviert: 4 Millionen für demokratische Transition, 47 Millionen für wirtschaftliche Entwicklung und 6 Millionen für Migration und Schutz.

Inzwischen wurden zahlreiche Projekte aufgegleist, beispielsweise zur Stärkung der Zivilgesellschaft und zu deren aktiver Beteiligung an Wahl- und Verfassungsprozessen, zur Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen oder zur Stützung nationaler Initiativen zur Vergangenheitsarbeit.

West- und Zentralafrika: Im Rahmen ihres friedenspolitischen Programms in Westund Zentralafrika unterstützt die Schweiz Initiativen zur Friedenskonsolidierung in Mali, im Niger und im Tschad (politischer Dialog, Mediation, Prävention und Konfliktlösung). Seit der De-facto-Teilung Malis zwischen dem Süden und dem von Rebellen besetzten Norden, welche die Schweiz nicht anerkennt, konzentrieren sich die politischen Aktivitäten auf die Mediation. In diesem Zusammenhang hat die Schweiz auf Anfrage der malischen Behörden entschieden, den regionalen Mediationsprozess der ECOWAS (Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten) zu unterstützen, die formell Burkina Faso zum Vermittler in der doppelten Krise Malis bestimmt hat (Verfassungskrise und bewaffneter Konflikt im Norden des Landes). Der UNO-Sicherheitsrat verabschiedete am 12. Oktober 2012 eine Resolution, in der er seine Bereitschaft erklärt, auf das Ersuchen der Übergangsbehörden betreffend eine internationale Militärtruppe zur Unterstützung der malischen Streitkräfte bei der Rückgewinnung der besetzten Regionen im Norden Malis einzutreten.

Gleichzeitig fordert er die Übergangsbehörden Malis, die malischen Rebellengruppen und legitime Vertreter der lokalen Bevölkerung im Norden Malis nachdrücklich auf, glaubwürdige Verhandlungen über eine tragfähige politische Lösung aufzunehmen, welche die Souveränität, die Einheit und die territoriale Unversehrtheit Malis respektiert.

Sudan, Südsudan und Horn von Afrika: Nach Erlangung der Unabhängigkeit durch den Südsudan unterstützte die Schweiz unter Berücksichtigung der offenen wirtschaftlichen Fragen aufgrund der Zweiteilung des Sudans die beiden Staaten bei Währungsfragen, bei der Aufteilung von Staatsvermögen und -schulden sowie bei der Entschuldung und
leistete punktuell fachliche Beratung bei der Erarbeitung neuer Verfassungen. Im Sudan schulte sie die Mitglieder der neuen Menschenrechtskommission und finanzierte Initiativen zur Friedensförderung in Darfur. Im Südsudan half die Schweiz der Regierung beim Aufbau föderaler und dezentraler staatlicher Strukturen, die namentlich traditionelle Würdenträger in die politischen Prozesse einbinden und eine Plattform zur Konfliktprävention und Friedensförderung schaffen sollen. Sie stellte auch Unterstützung für die Gründung der neuen 1018

Zentralbank des Südsudans bereit und hilft ausserdem bei der Minenräumung. In Somalia verfolgte die Schweiz einen zweigleisigen Ansatz: Sie unterstützte zum einen die Föderale Übergangsregierung Somalias (TFG) in Mogadischu und zum anderen die regionalen Körperschaften (Somaliland, Puntland, Galmudug, Himan und Heeb, die Region, die von der Gruppe Ahlu Sunna wal Jamaa kontrolliert wird, sowie die neu entstandenen Körperschaften im Süden Somalias) bei ihren Bemühungen zur Förderung des Dialogs und des Friedens, beim Verfassungsprozess und bei der Einrichtung stabilisierender Institutionen. In Äthiopien unterstützte die Schweiz den Vermittlungsprozess zwischen der äthiopischen Regierung und den Rebellen der Ogaden National Liberation Front (ONLF).

Region der Grossen Seen: In Burundi fanden die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit in einem politisch gespannten Klima statt. Dennoch konnte die Schweiz dank ihres ausgezeichneten Beziehungsnetzes und mithilfe von Dialogplattformen zur Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den politischen Akteuren beitragen. Nach der Krise in Nordkivu in der Demokratischen Republik Kongo unterstützte die Schweiz die Durchführung von Treffen der sozialen und politischen Entscheidungsträger im Hinblick auf eine friedliche Lösung des Konflikts. In Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten der MONUSCO leistete sie einen Beitrag zur Revision der Stabilisierungsstrategie in Ostkongo. Sie setzte sich ausserdem für die Achtung der Menschenrechte ein, namentlich im Rahmen des Frankophoniegipfels, der im Oktober 2012 in Kinshasa stattfand.

Kolumbien: In Kolumbien setzte die Schweiz ihre Tätigkeit als Brückenbauerin zwischen den Hauptakteuern fort, um den bewaffneten Konflikt im Land durch die gemeinsame Erarbeitung von Vorschlägen und Massnahmen zur Friedensförderung im Dialog zu beenden. In diesem Sinne begleitet die Schweiz weiterhin den Friedensprozess. Zur Unterstützung der Gespräche in Havanna und in Oslo im September bzw. im Oktober 2012 zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC stellte die Schweiz einen Mediationsexperten zur Verfügung, der an Seminaren zur Förderung des Friedensprozesses mitwirkte. Ausserdem konzentriert sich das Friedensförderungsprogramm insbesondere auf folgende drei Bereiche: Vergangenheitsarbeit, Förderung der Menschenrechte
und Stärkung der Zivilgesellschaft im Hinblick auf eine friedliche Konfliktbewältigung.

Nepal: Die verfassungsgebende Versammlung und das Parlament wurden im Frühjahr 2012 aufgelöst, ohne dass eine neue Verfassung verabschiedet wurde. In der Folge konzentriert die Schweiz ihr Engagement auf die Unterstützung des Dialogs unter den Parteien, um die strittigen Punkte in der Verfassungsdebatte auszuräumen und Neuwahlen anzusetzen. Zudem werden landesweit Informationszentren zur Verfassungsdebatte unterstützt, die den Informationsfluss zur Bevölkerung sicherstellen sollen.

Punktuelle Interventionen in Myanmar, in Thailand und im Kaukasus: In Myanmar baut die Schweiz derzeit ein Programm der menschlichen Sicherheit auf, das die Transformationsbemühungen der Behörden in den Bereichen Menschenrechte und Demokratisierung unterstützt und die Verhandlungen mit den ethnischen Minderheiten durch Expertise befördert. In Thailand hat die Schweiz die Anstrengungen der Behörden und der Opposition für eine nationale Versöhnung durch verschiedene Experteneinsätze unterstützt. Im Konflikt im Süden Thailands wurden vertrauensbildende Seminare durchgeführt, an denen die Konfliktparteien und die Zivilgesellschaft teilnahmen. Im Südkaukasus wurde eine Kooperationsstrategie 2013­2016 erarbeitet, die Engagements in den Bereichen Demokratie und Wahlen vorsieht.

1019

Gleichzeitig wurden das Projekt «Humanitärer Dialog im Nordkaukasus» weitergeführt und vertrauensbildende Massnahmen zwischen Armenien und der Türkei umgesetzt.

Friedenssichernde Aufgaben Die Programme der zivilen Friedensförderung umfassen Aktivitäten zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit von Friedensprozessen, für die die Schweiz anerkanntermassen besonderes Fachwissen mitbringt: Mediation, Vergangenheitsarbeit und Genozid-Prävention, Fragen im Zusammenhang mit Frieden und Gerechtigkeit, Stärkung des Rechtsstaats, Föderalismus, Machtteilung, Unterstützung bei Wahlprozessen und Einbezug von politischen Akteuren mit religiöser Motivation.

Mediation, Unterstützung von Mediation und «Fazilitation»: 2012 nahm die Schweiz an mehr als einem Dutzend Mediationsverfahren teil. Dazu gehören beispielsweise Workshops, um Konfliktparteien auf Friedensverhandlungen vorzubereiten und Mediationsprozesse als Instrument der Konfliktlösung zu verankern (so in Mali und in Indonesien). Die Schweiz unterstützt auch Friedensbemühungen der UNO: Zwei Schweizer Experten arbeiten zum Beispiel im Team des UNO-Vermittlers für die Westsahara, und die Friedensbemühungen in Syrien durch den ehemalige UNO-Sondergesandten Kofi Annan und dessen Nachfolger Lakhdar Brahimi werden durch Schweizer Experten unterstützt. Die Schweiz hat sich zudem stark in der Weiterentwicklung der Mediation engagiert und eine wesentliche Rolle bei der Ausarbeitung der neuen Wegleitung für die Mediation («Guidance for effective mediation») gespielt, welche die UNO erarbeitet hat.

Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten: Die Task Force für Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten stellte 2012 auf Anfrage von Regierungen und mehreren Akteuren und Institutionen methodologische Beratung und Begleitung zur Verfügung, um nationale Programme zur Vergangenheitsarbeit zu erarbeiten, dies namentlich in Tunesien, Libyen, Tschad, Kolumbien, Guatemala, im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina und im Kaukasus. Auf multilateraler Ebene reichte die Schweiz im September im Menschenrechtsrat eine Resolution zur Justiz in Transitionsprozessen ein. Sie brachte sich zudem in der UNO-Debatte zur Rechtsstaatlichkeit ein, um dort die Justiz in Transitionsprozessen als Querschnittsthema zu verankern. Das gemeinsam vom EDA, dem Bundesarchiv und swisspeace
initiierte Projekt «Menschenrechtsarchiv» trug dazu bei, dass Sicherheitskopien des Archivs der Zivilen Nationalpolizei von Guatemala erstellt werden konnten. Aufgrund dieses Archivs konnte ein guatemaltekisches Gericht 2012 ein erstes Urteil im Zusammenhang mit Verbrechen während des Bürgerkriegs in Guatemala fällen. Bei der Prävention von Gräueltaten spielt die Schweiz eine führende Rolle und setzt sich für die Erstellung eines Pflichtenhefts für Verantwortliche für die Prävention von Gräueltaten ein (Focal Points for Atrocities Prevention). Im November fand in Tansania ein Forum der wichtigsten Akteure im Bereich Verhütung von Völkermord und Schutzverantwortung statt. Dort wurde auch ein Entwurf eines Pflichtenhefts mit solchen «Focal Points» erarbeitet.

Unterstützung von Wahlprozessen: Speziell nach Konflikten sind Wahlen eine wichtiges Element des Friedensprozesses und der politischen Stabilisierung. Gleichzeitig können Wahlen in diesen Kontexten, wie auch in fragilen Staaten oder Entwicklungsländern, von Spannungen begleitet sein und zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen. Daher hat die Schweiz 2012 namentlich in Nordafrika Projekte unterstützt, die zur Stabilisierung von Wahlen in Transitionskontexten beitragen.

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Darüberhinaus hat sie sich mit technischer Expertise für die Transparenz und Glaubwürdigkeit von Wahlprozessen engagiert.

Der religiöse Faktor bei der Beilegung von Konflikten: Im Rahmen ihrer begleitenden Tätigkeit bei der politischen Transition in Nordafrika, im Nahen Osten und in der Golfregion hilft die Schweiz, neue politische Akteure mit religiösem Hintergrund in den demokratischen Prozess zu integrieren, um so die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen abzubauen, den Dialog zwischen den politischen Entscheidungsträgern zu fördern und neuen Spannungen vorzubeugen, welche die laufende Transformation in den Staaten des arabischen Frühlings blockieren könnten. Zudem begleitet sie den Dialog zwischen Behörden und muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz auch weiterhin.

Erhöhung der Sicherheit der Bevölkerung Auf bilateraler und multilateraler Ebene setzt sich die Schweiz für mehr weltweite Sicherheit ein. Sie bemüht sich namentlich um die weltweite Eindämmung der bewaffneten Gewalt, insbesondere der Gewalt, die durch Antipersonenminen, explosive Kriegsmunitionsrückstände sowie Kleinwaffen und leichte Waffen verursacht wird. Diese Waffen fordern zahlreiche Opfer, vor allem in der Zivilbevölkerung.

Dadurch verschärfen sie Konflikte und führen zu einer massiven Beeinträchtigung der Entwicklung der betroffenen Gesellschaften.

Antipersonenminen, Streumunition und explosive Kriegsmunitionsrückstände: Im Dezember 2012 fand wiederum in Genf die zwölfte Versammlung der Mitgliedsstaaten der Ottawa-Konvention statt. Die Schweiz übernahm das Generalsekretariat der Versammlung. Sie plädierte für einen integrierten Ansatz, der sowohl humanitäre als auch entwicklungsspezifische Aspekte umfasst und die Diskriminierung einzelner Opfergruppen vermeidet. Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die eine Strategie für die humanitäre Minenräumung entwickelt haben, welche nicht nur die Beseitigung von Antipersonenminen, sondern auch von Streubomben und anderen explosiven Kriegsmunitionsrückständen festlegt. Ihre Strategie für die Periode 2012­2015 sieht einen Betrag von 16 Millionen Franken pro Jahr für humanitäre Minenräumung vor, wobei rund die Hälfte an das Genfer Zentrum für humanitäre Minenräumung geht.

Die Schweiz hat ausserdem den Ratifikationsprozess für das Übereinkommen von Oslo vom 3. Mai 2008
über Streumunition im Juli 2012 abgeschlossen. Sie tritt diesem Übereinkommen am 1. Januar 2013 bei und wird sich weiterhin für dessen Umsetzung engagieren, namentlich für die Schaffung einer «Implementation Support Unit» im internationalen Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf.

Bewaffnete Gewalt und Entwicklung: Die Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung ist eine diplomatische Initiative, die von der Schweiz gemeinsam mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) lanciert wurde und deren Ziel es ist, bis 2015 einen messbaren Rückgang der bewaffneten Gewalt und ihrer schädlichen Auswirkungen auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen. Die Schweiz leitet die Lenkungsgruppe des Prozesses der Genfer Erklärung, in der vierzehn Regierungen vertreten sind und die sich für eine Vertiefung dieses Themas in der UNO einsetzt. Bei der Thematisierung der schwerwiegenden Auswirkungen des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen und ihrer missbräuchlichen Verwendung spielt die Schweiz international eine Vorreiterrolle. Gerade auf regionaler Ebene hat die Schweiz durch Projekte 1021

zum lokalen Kapazitätsaufbau zugunsten der Sicherheit von Waffen und Munition nachhaltige und international anerkannte Beiträge geleistet und wird dieses Engagement fortsetzen.

Die Umsetzung und Effizienz des UNO-Aktionsprogramms zur Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung des unerlaubten Handels mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten und des Internationalen Instruments zur raschen und verlässlichen Identifizierung und Rückverfolgung illegaler Kleinwaffen und leichter Waffen wurde vom 27. August bis 7. September 2012 in New York überprüft. Die Konferenz war ein Erfolg. Themen wie die Rückverfolgung und Zusammenarbeit wurden im Schlussdokument verstärkt. In einem Follow-up-Prozess wurde das Monitoring der Arbeiten für die nächsten 6 Jahre festgelegt und das Konzept der «armed violence» (d.h. die Anerkennung, dass der illegale Handel mit kleinen und leichten Waffen die bewaffnete Gewalt fördert, die wiederum der Entwicklung schadet4) wurde in der Schlussdeklaration gleich dreimal erwähnt.

Die drei Genfer Zentren: Gemäss Bundesratsbeschluss vom 24. Februar 2010 ist das EDA seit Januar 2011 zuständig für die gesamte Finanzierung und Verwaltung des Beitrags des Bundes für die drei Genfer Zentren: das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), das Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) und das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF). Dieser Beitrag beläuft sich für die Jahre 2012­2015 auf 119,9 Millionen Franken.

Mit ihren Aktivitäten wirken die drei Genfer Zentren als wichtige Multiplikatoren für die Aussenpolitik der Schweiz und erweitern ihr Nischenwissen, insbesondere in Bereichen wie der Ausbildung von Expertinnen und Experten für internationale Friedensmissionen, Abrüstung und Reform des Sicherheitssektors.

Das GCSP unterstützte im Berichtsjahr die laufenden Transitionsprozesse im Nahen Osten und in Nordafrika. Es verstärkte sein Engagement bei der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen und der Abrüstung, insbesondere im Hinblick auf den Schweizer Beitrag zugunsten bestimmter «Track two»-Initiativen zur Abrüstung im Nahen Osten. Das GCSP hat seine Aktivitäten vor Kurzem in drei umfassenden Programmen konsolidiert und konzentriert sich künftig auf Leadership in der Konfliktbearbeitung, auf neue Sicherheitsrisiken und auf die
Entwicklung regionaler Kapazitäten.

Das GICHD bietet Ländern, die von Minen und Kriegsmunitionsrückständen betroffen sind, weiterhin fachliche Unterstützung und Beratung an. Mit seinem erhöhten Engagement in Nordafrika und im Nahen Osten will das GICHD darauf hinwirken, dass sich die Regierungen in der Region mit dem Schutz der Zivilbevölkerung vor Minen und anderen Munitionsrückständen befassen.

2012 konzentrierten sich die Aktivitäten des DCAF schwerpunktmässig auf die Förderung der Reform und der Gouvernanz des Sicherheitssektors (SSR/SSG) in Staaten, die politische Reformen eingeleitet haben. Der Schwerpunkt ­ nicht zuletzt mit Blick auf den OSZE-Vorsitz der Schweiz im Jahr 2014 ­ lag dabei auf dem Westbalkan, dem Nahen Osten und Nordafrika, sowie auf internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, die sich für SSR/SSG engagieren. Ein weiteres 4

Die Schweiz hat in dieser Hinsicht zusammen mit UNDP die politische Initiative Genfer Erklärung zu bewaffneter Gewalt und Entwicklung (Geneva Declaration on Armed Violence and Development) lanciert. Mittlerweile haben 112 Staaten die Initiative unterschrieben.

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Schwerpunktthema war die Unterstützung der schweizerischen Initiative zur Regulierung privater Militär- und Sicherheitsunternehmen.

Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse und Rollen von Frauen und Männern und Förderung der Rechte der Frauen im Kontext der Friedenspolitik: Eine besondere Aufmerksamkeit des EDA gilt dem Schutz von Frauen in Konfliktund Postkonfliktsituationen sowie der Stärkung ihrer Rechte und der Förderung ihrer aktiven Mitwirkung in Friedensprozessen. Das strategische Grundlagendokument zur Integration einer Gender-Perspektive in die Friedens- und Sicherheitspolitik ist der Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit (NAP 1325), der 2010 vom Bundesrat zur Kenntnis genommen wurde. Dieses Jahr wurde der erste interdepartementale Fortschrittsbericht zum NAP 1325 verfasst. Die Schweiz setzt sich sowohl auf bilateraler wie auch auf multilateraler Ebene regelmässig für das Anliegen ein, zum Beispiel im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in der «Group of Friends of 1325». Die Schweiz ist zudem ein Mitglied des multilateralen Stand-by-Mechanismus «Justice Rapid Response» und stellt in diesem Rahmen Expertinnen und Experten für internationale Untersuchungen von sexueller Gewalt als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verfügung. Sie trägt damit auf innovative und effektive Weise zur Umsetzung der UNO Sicherheitsratspolitik bei.

Engagement von Schweizer Expertinnen und Experten im Bereich menschliche Sicherheit: Im Bereich der menschlichen Sicherheit haben sich der kontinuierliche Einsatz und die regelmässige Detachierung von Schweizer Expertinnen und Experten in internationale Organisationen als wirksames und profiliertes Instrument der schweizerischen Friedens- und Menschenrechtsförderung bewährt. Die Fachkenntnisse und die Professionalität der Schweizer Expertinnen und Experten werden sehr geschätzt und gewährleisten die anhaltende Sichtbarkeit des Schweizer Engagements. Im Laufe des Jahres 2012 wurden 193 Expertinnen und Experten der zivilen Friedens- und Menschenrechtsförderung in kurzen oder längeren bilateralen und multilateralen Missionen in 48 Ländern eingesetzt. Im Schnitt waren 96 Personen, davon 48 % Frauen, gleichzeitig im Einsatz, darunter 24 Beraterinnen und Berater für menschliche
Sicherheit auf bilateraler Ebene. Die Beteiligung an Wahlbeobachtungen der OSZE, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist ein traditioneller Schwerpunkt des Schweizer Engagements. 2012 wurden 62 der 193 Expertinnen und Experten bei Wahlbeobachtungen in 13 Missionen in 13 Ländern eingesetzt.

Die Auswahl der multilateralen Organisationen, der Länder sowie der Stellen für die Entsendung von Schweizer Expertinnen und Experten orientiert sich an den geografischen und thematischen Schwerpunkten der Schweiz im Bereich der menschlichen Sicherheit. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf Themen wie Stärkung der staatlichen Strukturen, Rechtsstaatlichkeit, Vergangenheitsarbeit, Menschenrechte und humanitäres Recht sowie Wahlbeobachtung.

Menschenrechtspolitik Die zweite allgemeine regelmässige Überprüfung (UPR) der Schweiz im Oktober 2012 war ein wichtiger Meilenstein für die Menschenrechte in der Schweiz. Die Einhaltung der Menschenrechte kann als gut bezeichnet werden. Die Schweiz verstärkt ihre Anstrengungen zur Achtung der Menschenrechte im Wissen, dass weiterhin etliche Herausforderungen bestehen, insbesondere bei der koordinierten Umsetzung internationaler Empfehlungen. Die Vorbereitung auf den zweiten Über1023

prüfungszyklus führte zu neuen Denkanstössen und förderte den Dialog aller Parteien. Die Schweiz beobachtet indessen mit Sorge, dass die Überprüfung der Umsetzung verschiedener UNO-Menschenrechtsübereinkommen durch die Vertragsorgane der UNO mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert ist, insbesondere die Verzögerung bei der Prüfung der Länderberichte oder Ressourcenmängel, die seine Effizienz untergraben. Sie unterstützte daher den von der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte im Jahr 2009 lancierten Konsultationsprozess zur Stärkung der Vertragsorgane. Der Schlussbericht der Hochkommissarin wurde am 22. Juni 2012 veröffentlicht. Er enthält mehrere konkrete Vorschläge, wie das aktuelle System effizienter gemacht, wie die erforderlichen Mittel zugeteilt, wie Redundanzen eliminiert und wie die Mechanismen der Vertragsorgane zur Auftragserfüllung effizienter eingesetzt werden können. Der Prozess wird insbesondere auf der zwischenstaatlichen Ebene im Jahr 2013 in der UNO-Generalversammlung weitergeführt.

Diplomatische Initiativen: Die Jahreskonferenz der Abteilung Menschliche Sicherheit des EDA im September 2012 war eine gute Gelegenheit, die Initiativen der Schweiz zum Thema «Wirtschaft, Menschenrechte und Frieden» zu präsentieren.

Die Schweiz ist seit 2011 Vollmitglied bei den «Freiwilligen Grundsätzen für Sicherheit und Menschenrechte» (Voluntary Principles on Security and Human Rights) und hat einen nationalen Aktionsplan umgesetzt, um die Grundsätze bei im Ausland tätigen Schweizer Unternehmen des Rohstoffsektors sowie in der Bundesverwaltung bekannt zu machen. Der internationale Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen, der auf Initiative der Schweiz in Zusammenarbeit mit Branchenverbänden und mit Unterstützung der wichtigsten Abnehmerregierungen ausgearbeitet worden war, wurde mit der Einsetzung eines Lenkungsausschusses weiterentwickelt, der sich mit der Ausarbeitung der Grundlagen eines Gouvernanzund Kontrollmechanismus befassen soll. Bisher haben über 460 private Sicherheitsunternehmen den Kodex unterzeichnet.

Mit ihrem Engagement gegen die Todesstrafe ­ ein Schwerpunkt der schweizerischen Menschenrechtspolitik ­ ermutigte die Schweiz Länder, die die Todesstrafe noch immer praktizieren, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu stärken mit dem Ziel, die Todesstrafe gesetzlich
abzuschaffen. Auf multilateraler Ebene arbeitete die Schweiz aktiv in der Task Force mit, die zuhanden der UNO-Generalversammlung 2012 eine neue Resolution für ein weltweites Moratorium verfasste. Sie spielt weiterhin eine zentrale Rolle in der Begleitgruppe der Internationalen Kommission gegen die Todesstrafe, beherbergt das Sekretariat der Kommission in Genf und hatte für ein Jahr den Vorsitz dieser Gruppe inne. Aus Anlass des zehnten Welttags gegen die Todesstrafe veröffentlichte der Vorsteher des EDA am 10. Oktober 2012 gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus den Nachbarländern der Schweiz einen Aufruf. Der von der Schweiz initiierte Text, der in mehreren Tageszeitungen in der Schweiz und im Ausland erschien, rief zu einer Stärkung des internationalen Engagements für ein universelles Moratorium bzw. für eine Abschaffung der Todesstrafe auf.

Mit ihrer 2011 im Menschenrechtsrat lancierten Initiative will die Schweiz die Einhaltung der Menschenrechte bei friedlichen Demonstrationen fördern. An der achten Jahreskonferenz von Wilton Park über die Menschenrechte, welche die Schweiz im Januar 2012 gemeinsam mit Norwegen organisierte, wurde auf die unterschiedlichen Verhältnisse und die unterschiedlichen Menschenrechte hingewiesen, die an friedlichen Demonstrationen eine Rolle spielen, und die Notwendigkeit

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eines völkerrechtskonformen rechtlichen Rahmens und die Rolle der internationalen Politik betont.

Bilaterale Aktivitäten: Das Thema Menschenrechte ist ein wichtiger Bestandteil zahlreicher bilateraler politischer Gespräche, die die Schweiz führt. In den Aktivitäten und Programmen der Friedensförderung und der menschlichen Sicherheit spielen sie eine zentrale Rolle, insbesondere wenn dabei Expertinnen und Experten ausgetauscht oder Projekte in Zusammenarbeit mit andern Ländern durchgeführt werden.

So werden in China, Kuba, Nigeria, Russland, Senegal, Tadschikistan und Vietnam umfassende Kooperationsprojekte zur Stärkung laufender Reformprozesse durchgeführt.

Multilaterale Aktivitäten: Die Aktivitäten der Schweiz im UNO-Menschenrechtsrat und im dritten Ausschuss der Generalversammlung werden ausführlich unter Ziffer 2.3.2 beschrieben.

Innerstaatliche Umsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen Das Übereinkommen von 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen schützt als erster universeller Menschenrechtsvertrag alle Menschen davor, mit Unterstützung oder Billigung eines Staates der Freiheit beraubt und in der Folge durch Verschleierung ihres Schicksals dem Schutz des Rechts entzogen zu werden.

Das Übereinkommen entspricht damit der Haltung der Schweiz, wonach es sich beim Verschwindenlassen um ein schwerwiegendes Verbrechen handelt, das bekämpft werden muss. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 19. Januar 2011 unterzeichnet. Das Vernehmlassungsverfahren wurde im Dezember 2012 eröffnet.

Das Übereinkommen von 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist das erste internationale Übereinkommen, das spezifisch die Rechte von Menschen mit Behinderung aufführt. Für den Bundesrat ist das Übereinkommen von zentraler politischer Bedeutung. Das Vernehmlassungsverfahren, das bis am 15. April 2011 dauerte, ergab, dass eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen vollumfänglich oder im Grundsatz ebenfalls begrüsst. Mehrere Akteure äusserten hingegen erhebliche Kritik. Im Berichtszeitraum wurden verschiedene Aspekte vertieft, um den in der Vernehmlassung geäusserten Kommentaren gebührend Rechnung zu tragen.

Die internationale Glaubwürdigkeit der Schweiz hängt nicht zuletzt davon ab, wie sie die von ihr ratifizierten Menschenrechtsnormen
landesintern umsetzt. Illustrativ zeigt sich dies im Rahmen der regelmässigen Berichterstattung an die jeweils zuständigen Kontrollorgane der einzelnen Menschenrechtsübereinkommen. So hat die Schweiz im Juli 2012 dem UNO-Kinderrechtsausschuss ihren kombinierten zweiten, dritten und vierten Folgebericht zur Umsetzung des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes zugestellt. Bereits zuvor hat der Bundesrat am 25. Januar 2012 dem Europarat den dritten Bericht zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten unterbreitet. Im Kontext dieser Überprüfungsrunde hat im November 2012 eine Delegation des Beratenden Ausschusses für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten die Schweiz besucht. Für den Berichtszeitraum ebenfalls zu erwähnen ist die Unterbreitung des 7.­9. Folgeberichts an die UNO über die Umsetzung des UNO-Übereinkommens von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD). Der Bericht schildert die Massnahmen, welche die Schweiz getroffen hat, um jede Form von Rassendiskriminierung zu bekämpfen.

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Das 2011 eröffnete Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte führte seine Arbeit erfolgreich weiter. Insbesondere veröffentlichte es erste Studien und führte mehrere Beratungen durch. Mit seinen Follow-up-Studien zur ersten allgemeinen Überprüfung der Schweiz oder zur Umsetzung der internationalen Empfehlungen trägt das Zentrum aktiv zur öffentlichen Debatte bei. Das Zentrum erhält vom EDA und EJPD einen jährlichen Grundbeitrag von einer Million Franken. 2012 übernahm das Zentrum zudem erste Zusatzmandate, die von den Auftraggebern finanziert werden.

Humanitäre Politik Grundlage der Aktivitäten im Bereich der humanitären Politik ist die EDA-Strategie für den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten 2009­2012, dank der die Schweiz in diesem Bereich kohärenter arbeiten und ihre internationale Positionierung konsolidieren konnte.5 Diese Strategie wurde im Laufe des Jahres 2012 unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen der Schweiz und neuer Herausforderungen aktualisiert.

Bewaffnete Gruppen: Die Schweiz und die Genfer Akademie für humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte erarbeiten im Moment ein Handbuch über den völkerrechtlichen Status bewaffneter Gruppen, das die Bemühungen, diese Gruppen zur Einhaltung der Normen zu bewegen, vereinfachen soll. Die Schweiz unterstützt zudem ein Forschungsprojekt der Harvard Law School über die Auswirkungen der Antiterrorgesetzgebung auf die humanitären Organisationen (s. Ziff. 2.2.7).

Humanitärer Zugang: Die Schweiz hat in Zusammenarbeit mit Conflict Dynamics International, dem IKRK und dem OCHA ein Merkblatt über die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie ein praktisches Handbuch zur Verbesserung des operationellen Schutzes der Zivilbevölkerung herausgegeben (s. Ziff. 2.2.7).

Ermittlung von Sachverhalten: Die Schweiz unterstützt ein Projekt des Program on Humanitarian Policy and Conflict Research der Universität Harvard, dessen Ziel die Ausarbeitung von Richtlinien für Untersuchungskommissionen und ähnliche Mandate ist.

Vertriebene: Die Schweiz unterstützt die Arbeit des Sonderbeauftragten des UNOGeneralsekretärs für Binnenvertriebene (IDP) sowie anderer Partner wie der Brookings Institution und des Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC).

Zusammen mit Norwegen lancierte die Schweiz die «Nansen-Initiative», einen zwischenstaatlichen
Prozess, der eine internationale Agenda für den Schutz von Menschen anstrebt, die infolge von Naturkatastrophen ins Ausland fliehen müssen.

Migrationsaussenpolitik Der nachfolgende Absatz fokussiert gemäss Bericht über die internationale Migrationszusammenarbeit auf die schweizerische Migrationsaussenpolitik gegenüber Ländern ausserhalb der EU oder der EFTA6.

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Ein Beispiel dafür ist der Bericht 2010 des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über den Schutz von Zivilpersonen, S/2010/579, Abs. 32.

Die Migrationsaussenpolitik der Schweiz betreffend die EU/EFTA-Länder wird primär durch das Freizügigkeitsabkommen, die Assoziierungsabkommen zu Schengen und zu Dublin und das EFTA-Übereinkommen geregelt.

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Migrationspartnerschaft mit Tunesien: Am 11. Juni 2012 hat die Schweiz ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das eine Migrationspartnerschaft mit Tunesien vorsieht, sowie ein Abkommen über den Austausch von jungen Berufsleuten und ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Migrationsbereich, das Fragen in Zusammenhang mit der Rückübernahme und der Reintegration regelt. Diese Migrationspartnerschaft berücksichtigt die Interessen aller Partner auf ausgewogene Weise und erlaubt konstruktive Lösungen für die Herausforderungen der Migration (z. B. Rückkehr, irreguläre Migration).

Programm zum Schutz von Flüchtlingen in Jordanien, im Libanon, in Syrien sowie im Jemen und am Horn von Afrika: Die rasche Verschlechterung der Lage in Syrien veranlasste die Schweiz, ihr Programm zum Schutz von Flüchtlingen in der Herkunftsregion zu erweitern, um die Nachbarländer Syriens, insbesondere Libanon und Jordanien, bei der Aufnahme und beim Schutz syrischer Flüchtlinge zu unterstützen.

Die Schweiz entschied zudem 2012, ihr Engagement für Flüchtlinge vom Horn von Afrika zu verstärken, die Schutz in den Erstaufnahmeländern benötigen (z.B. Jemen, Sudan, Äthiopien).

Internationaler Migrations- und Entwicklungsdialog: Die Schweiz nahm 2012 am Globalen Forum für Migration teil und engagierte sich namentlich im Rahmen der Evaluationskommission, wo sie die Notwendigkeit einer solchen informellen Plattform für den globalen Dialog und den Erfahrungsaustausch im Migrations- und Entwicklungsbereich betonte. Die Schweiz engagierte sich ausserdem an der 67. UNO-Generalversammlung 2012 bei den Verhandlungen zur Resolution über die Modalitäten des für 2013 geplanten hochrangigen Dialogs zum Thema Migration und Entwicklung.

Bekämpfung des Menschenhandels: Als Antwort auf eine Schweizer Initiative erstellt das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) ein Referenzdokument für die Anwendung der Schlüsselkonzepte des Zusatzprotokolls vom 15. November 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zum Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. In Zusammenarbeit mit der OSZE und interessierten Staaten hat die Schweiz zudem das Thema der Ausnutzung von
Haushaltsangestellten in diplomatischen Haushalten aufgenommen. Auf nationaler Ebene wurde am 18. Oktober 2012 zur Sensibilisierung von Regierungs- und Nichtregierungsakteuren erstmals der Tag gegen Menschenhandel in der Schweiz durchgeführt. Konkret wurde dieser Anlass als Plattform für die Lancierung des ersten Schweizer Nationalen Aktionsplanes gegen Menschenhandel genutzt.

Militärische Friedensförderung Auch via militärische Friedensförderung leistet die Schweiz einen Beitrag zur internationalen Stabilität und Sicherheit. Dabei entscheiden der Bundesrat oder das Parlament, wo die Schweiz mit welchen und wie vielen Mitteln militärische Friedensförderung betreibt. Das personelle Engagement der Schweiz in der militärischen Friedensförderung blieb in den vergangenen Jahren stabil. 2012 waren rund 280 Armeeangehörige ständig im Einsatz, die meisten davon in Kontingenten in Kosovo (KFOR) und in Bosnien und Herzegowina (EUFOR) oder als UNO-Militärbeobachter. Daneben leisteten einzelne Angehörige der Armee Beiträge zur humanitären Minenräumung, zur sicheren Lagerung oder Vernichtung leichter Waffen und Munition sowie zur Reform des Sicherheitssektors. Gemäss dem Sicherheitspoliti1027

schen Bericht 2010 soll das Engagement in der militärischen Friedensförderung in den nächsten Jahren in quantitativer und qualitativer Hinsicht ausgebaut werden. Die zivile und militärische Friedensförderung sind komplementäre Instrumente, deren Einsätze aufeinander abgestimmt werden.

2.2.5

Internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik

Internationale Finanz- und Steuerfragen Im Berichtsjahr hat die Schweiz weitere Anstrengungen unternommen, um zur Eindämmung der Eurokrise und zur Abschwächung der negativen Konsequenzen für die schweizerische Wirtschaft beizutragen. Die Schweiz hat ihre Strategie zur Stärkung der Integrität und der internationalen Akzeptanz des Finanzplatzes weiter umgesetzt. Zudem hat sie konkrete Schritte unternommen, um ihre Position im IWF zu stärken. Schliesslich hat die Schweiz ihre Bemühungen in der Korruptionsbekämpfung fortgesetzt.

Eurokrise und Konjunkturentwicklung Die Verunsicherung in der Eurozone hat im Verlaufe des Jahres angehalten. Hohe Staatsschulden und Risiken in den Bankenbilanzen gefährden weiterhin das Wirtschaftswachstum und die Stabilität in Europa. Die Probleme im Banken- und Immobiliensektor setzen den Finanzsektor in verschiedenen europäischen Ländern weiterhin unter Druck. Die schleppende Konjunkturerholung in den USA sowie die konjunkturelle Abschwächung in Europa trüben die Aussichten auf eine baldige Überwindung der Schulden- und Eurokrise. Jede weitere Verunsicherung der Eurozone dürfte die Schweiz insbesondere durch den Rückgang der wirtschaftlichen Nachfrage in der EU treffen sowie den Aufwertungsdruck auf den Schweizerfranken, der als «sicherer Hafen» gilt, verstärken. Trotz des von der Nationalbank festgelegten Euro-Mindestkurses bleibt der Schweizerfranken hoch bewertet. Diese Währungssituation stellt insbesondere für die Exportwirtschaft, deren Ausfuhren zu 57 % in die EU gehen, und die Tourismusindustrie eine schwierige Situation dar.

Die direkten Risikopositionen Schweizer Finanzinstitute gegenüber Griechenland, Irland und Portugal fallen relativ moderat aus. Sollte sich die Krise auf systemische Euroländer und deren Bankensysteme ausweiten, wären die Folgen aber auch für den Schweizer Finanzsektor gravierend. Die Schweiz hat zur Überwindung der EU-Schuldenkrisen mittels ihrer Beiträge im Rahmen der IWF-Unterstützung von Griechenland, Irland und Portugal beigetragen.

Bilaterale Steuerpolitik Quellensteuerabkommen: Nach dem im Vorjahr unterzeichneten und im Frühjahr 2012 ergänzten Quellensteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich wurde im April 2012 ein ähnliches Abkommen mit Österreich unterzeichnet. Die Abkommen wurden von den Parlamenten der Schweiz und der
Partnerstaaten genehmigt. Das im Jahre 2011 unterzeichnete Quellensteuerabkommen mit Deutschland, welches vom schweizerischen Parlament gutgeheissen wurde, wurde vom deutschen Bundesrat abgelehnt. Gespräche zum Abschluss von Quellensteuerabkommen mit weiteren Staaten wurden fortgesetzt. Mit Griechenland ist ein Abkommen in Verhandlung.

Die neuen Abkommen sehen vor, dass Personen mit Wohnsitz in einem Partnerstaat ihre bestehenden Bankvermögenswerte in der Schweiz regularisieren können, indem 1028

sie entweder eine einmalige Steuerzahlung leisten oder ihre Konten offenlegen.

Künftige Kapitalerträge und -gewinne von Kunden aus einem Partnerstaat unterliegen in der Schweiz einer Quellensteuer, deren Erlös die Schweiz an die Behörden des Wohnsitzstaates überweist. Die Besteuerung erfolgt zu den im jeweiligen Partnerstaat anwendbaren Steuersätzen und hat dort abgeltende Wirkung. Alternativ kann der Kunde die Meldung seiner Kapitalerträge und -gewinne an die Steuerbehörde seines Wohnsitzstaates wählen. Zudem konnte die Schweiz regulatorische und administrative Hürden für die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen und das Anbieten von Finanzprodukten nach Österreich abbauen. Hinsichtlich des Marktzugangs von Schweizer Finanzdienstleistern ins Vereinigte Königreich konnte die Schweiz gewisse Unklarheiten beheben.

Die Möglichkeit eines Quellensteuerabkommens mit Italien wird im Rahmen des 2012 lancierten bilateralen Dialogs in Finanz- und Steuerfragen erörtert. Dieser Dialog wird zudem dazu genutzt, über den Marktzutritt, die Verbesserung des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA), die Streichung der Schweiz von den schwarzen Listen sowie die Grenzgängerbesteuerung zu sprechen. Im August 2012 hat der Bundesrat das entsprechende Verhandlungsmandat verabschiedet.

Steuerfragen mit den USA: Mit den USA gingen im Berichtsjahr die Bemühungen zur Lösung der offenen Steuerfragen weiter. Mit der Anklage gegen eine Schweizer Bank anfangs 2012 haben die USA den Druck erhöht. Die Schweiz strebt weiterhin eine Globallösung an. Im Rahmen dieser Lösung ist es an den Banken, gegen welche die amerikanische Justiz Ermittlungen führt, Vergleiche mit den US-Behörden abzuschliessen. Die Schweizer Behörden unterstützten diese Banken, indem sie ihnen die Bewilligung erteilten, unter Einhaltung der zivilrechtlichen Verantwortung ihre Interessen vor der US-Justiz zu vertreten und, falls nötig, Daten über ihr Geschäftsgebaren im grenzüberschreitenden US-Geschäft an die USA zu übermitteln. Die Schweizer Behörden sind zudem bereit, zur Steigerung der Effizienz der steuerlichen Amtshilfe eine Task Force zu schaffen. Amtshilfe kann basierend auf dem geltenden und, sobald in Kraft, dem revidierten DBA erfolgen. Das revidierte Abkommen, das ab September 2009 Anwendung findet und neu auch einfache Steuerhinterziehungsfälle
erfasst, wurde in der Schweiz im Frühling 2012 parlamentarisch genehmigt, ist jedoch im US-Senat noch hängig und deshalb noch nicht in Kraft getreten. Die Globallösung soll schliesslich auch den übrigen Schweizer Banken Rechtssicherheit in Bezug auf Altlasten bringen. Sie würde zudem eine Geldzahlung von schweizerischen Banken an die US-Behörden involvieren.

Auch die Umsetzung des amerikanischen Steuerkonformitätsgesetzes «Foreign Account Tax Compliance Act» (FATCA) in der Schweiz stand weiterhin im Fokus.

Dieses Gesetz, welches ab 2013 schrittweise eingeführt wird, schreibt ausländischen Finanzintermediären vor, zur Vermeidung einer Quellensteuer von 30 Prozent auf bestimmten Zahlungen aus US-Quellen einen Vertrag mit der US-Steuerbehörde IRS abzuschliessen, in welchem sie sich verpflichten, Informationen über US-Personen zu liefern, die direkt oder indirekt eine Kontobeziehung zum Institut unterhalten. Die Schweiz und die USA haben im Sommer 2012 eine gemeinsame Erklärung über die Umsetzung der US-Steuergesetzgebung FATCA veröffentlicht. In dem von der Schweiz und Japan ausgearbeiteten Modell soll eine vereinfachte Umsetzung von FATCA erreicht und Rechtssicherheit für die betroffenen Finanzintermediäre erzielt werden. Anders als beim Umsetzungsmodell von fünf grossen EU-Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Vereinigtes Königreich) soll der Daten-

1029

austausch nicht über eine zentrale Datensammlung des Staates, sondern direkt von den Finanzinstituten zur US-Steuerbehörde erfolgen.

Unternehmenssteuer: Der Bundesrat hat im Berichtsjahr das Mandat für den Dialog mit der EU über Unternehmenssteuerregimes verabschiedet. Im Zentrum dieser Gespräche stehen gewisse Steuerregimes in den Schweizer Kantonen und Steuermassnahmen von EU-Mitgliedern, die gegen die Schweiz gerichtet sind. Ziel des Dialogs ist es, bei der Unternehmensbesteuerung eine dauerhafte und international akzeptable Lösung zu finden. Für die Schweiz stehen folgende drei Ziele im Vordergrund: Die steuerliche Attraktivität des Unternehmensstandortes Schweiz soll gewahrt und weiterentwickelt werden; die internationale Akzeptanz der schweizerischen Unternehmenssteuerordnung soll gefördert werden; und die Einnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden zur Finanzierung staatlicher Tätigkeiten sollen sichergestellt sein.

Multilaterale Steuer- und Finanzpolitik OECD-Steuerfragen: Auch auf multilateraler Ebene bleibt die Schweiz im Steuerdossier unter Druck. Die OECD hat im Sommer 2012 Gruppenanfragen als internationalen Amtshilfestandard anerkannt. Im Auftrag des Bundesrats hat auch die Schweiz dieser Änderung zugestimmt. In der Schweiz hat das Parlament im Rahmen des Erlasses des Steueramtshilfegesetzes einer entsprechenden Regelung zugestimmt. Ab 2013 gewährt die Schweiz Amtshilfe zu Steuerzwecken nicht nur im Einzelfall, sondern auch gestützt auf Gruppenanfragen, in denen die betroffenen Personen durch spezifische Suchkriterien identifiziert werden. Sogenannte Fishing Expeditions, also Gesuche ohne konkrete Anhaltspunkte, sind auch bei Gruppenersuchen ausdrücklich ausgeschlossen. Die Zahl der unterzeichneten DBA mit OECDAmtshilfeklausel stieg bis Ende Oktober 2012 auf 39.

Weiter wurde 2012 die Umsetzung der Empfehlungen der Länderüberprüfung (Peer Review) des Global Forums über die Transparenz und den Informationsaustausch zu Steuerzwecken fortgesetzt. Die Schweiz hat 2011 die erste Prüfphase absolviert. Um nun zur zweiten Peer Review Phase zugelassen zu werden, muss eine der folgenden Empfehlungen, die von der Schweiz nur teilweise oder nicht erfüllt sind, vollständig erfüllt sein: Zulassung der Datenübermittlung in Ausnahmefällen ohne Information der betroffenen Person, Herstellung der
Transparenz bei Inhaberaktien oder eine genügende Anzahl von DBA mit Amtshilfe nach OECD-Standard.

Financial Action Task Force (FATF): Seit April 2012 laufen die interdepartementalen Arbeiten zur Anpassung des schweizerischen Dispositivs an die internationalen Empfehlungen der FATF zur Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sowie neu auch der Proliferationsfinanzierung. Die entsprechenden FATF-Empfehlungen wurden im Februar 2012 revidiert. Die für die Schweiz wichtigsten Neuerungen, die Gesetzes- oder Regulierungsanpassungen mit sich bringen könnten, sind die Einführung von schweren Steuerdelikten als Vortaten zur Geldwäscherei, die Erweiterung der Befugnisse der Financial Intelligence Units im Bereich internationale Kooperation und Informationsbeschaffung, die Erhöhung der Transparenz von Unternehmen, welche Inhaberaktien emittieren, und die Anpassung der Sorgfaltspflichten im Falle von inländischen politisch exponierten Personen (PEP) sowie PEP internationaler Organisationen. Eine Vernehmlassungsvorlage zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der FATF soll anfangs 2013 vorliegen.

Auch hat der Bundesrat dem Parlament am 27. Juni 2012 eine Gesetzesvorlage unterbreitet, die der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) erlauben soll, künftig 1030

mit ihren Partnerstellen im Ausland Finanzinformationen auszutauschen. Des Weitern sollen unter anderem auch ihre Kompetenzen in der Informationsbeschaffung gegenüber Finanzintermediären ausgeweitet werden.

Internationaler Währungsfonds (IWF): Im Berichtsjahr konnte die Schweiz das zwanzigjährige Jubiläum ihres Beitritts zu den Bretton-Woods-Institutionen feiern.

Im Rahmen der Quoten- und Gouvernanzreform des Internationalen Währungsfonds setzte sich die Schweiz aktiv für eine Stärkung ihrer Stimmrechtsgruppe ein. Die 2010 verabschiedete Reform, die noch von mehreren Staaten (auch von den USA) ratifiziert werden muss, sieht den Abbau von zwei Exekutivdirektoriumssitzen der europäischen Industrieländer zum Zweck der verbesserten Vertretung der Entwicklungs- und Schwellenländer vor. Die Schweiz hat die Reform im Juli 2012 ratifiziert. Ausserdem hat sie mit Polen ein Memorandum of Understanding über eine stärkere Zusammenarbeit in der Stimmrechtsgruppe unterzeichnet. Die Schweiz behält den Vorsitz der Gruppe auf Ministerebene bei der Vertretung im Internationalen Währungs- und Finanzausschuss sowie im Entwicklungsausschuss, teilt sich hingegen mit Polen im Zweijahresrhythmus den Sitz im IWF-Exekutivdirektorium.

Dieser Turnus tritt mit der Umsetzung der Reform in Kraft, voraussichtlich 2014.

Bei der Weltbank finden keine Reformen statt, die Führungsstruktur bleibt vorerst unverändert.

Im Hinblick auf die Stabilisierung der Weltwirtschaft und der Lage an den Finanzmärkten hat der IWF eine ausserordentliche Aufstockung seiner Mittel auf 461 Milliarden US-Dollar beschlossen. Die Schweiz hat unter dem Vorbehalt der Zustimmung der eidgenössischen Räte einen Beitrag von 10 Milliarden US-Dollar zugesagt.

Financial Stability Board (FSB): Aufgrund der wachsenden Bedeutung des FSB laufen seit Beginn 2012 Arbeiten zur Stärkung seiner Gouvernanz und seiner Ressourcen. Ziel dieser Reform ist die institutionelle Stärkung des FSB durch Schaffung einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Die Schweiz hat sich aktiv an diesen Arbeiten beteiligt. Bereits steht fest, dass das FSB mit eigener Rechtspersönlichkeit seinen Sitz bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und somit weiterhin in Basel haben wird. Die Gouvernanzreform wird voraussichtlich 2013 abgeschlossen sein.

Korruptionsbekämpfung UNCAC
Länderexamen der Schweiz: Im Berichtsjahr lag ein wichtiger Fokus der schweizerischen Korruptionsbekämpfung auf dem UNCAC-Länderexamen der Schweiz. Die Schweiz hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption (United Nations Convention Against Corruption; UNCAC) im September 2009 ratifiziert. Im selben Jahr wurde im Rahmen der UNCAC ein Überprüfungsmechanismus geschaffen, mit dem Ziel, die Staaten in der effizienten Implementierung der Konvention zu unterstützen und zu prüfen. Im Rahmen dieses Mechanismus wird momentan die Implementierung der Kapitel III (Kriminalisierung und Strafverfolgung) und IV (internationale Kooperation) der UNCAC überprüft. Ende Juni 2012 konnte das UNCAC-Länderexamen der Schweiz, das von den Examinatoren Algerien und Finnland durchgeführt wurde, erfolgreich abgeschlossen werden. Sowohl bezüglich des Verlaufs des Verfahrens wie auch der Resultate kann ein positives Fazit gezogen werden. Die wenigen Kritikpunkte der Examinatoren enthalten keine Überraschungen und decken sich mit den Resultaten zu internationaler Kooperation und Strafverfolgung anderer Schwei1031

zer Überprüfungsverfahren im Bereich Korruptionsbekämpfung. Das positive Resultat des Länderexamens erklärt sich einerseits dadurch, dass die Bestimmungen der UNCAC genereller sind als jene anderer Konventionen, weshalb das Schweizer Recht den Anforderungen eher genügen kann. Andererseits ist das schweizerische Antikorruptionsdispositiv, insbesondere im Bereiche der von der Evaluation abgedeckten Themenbereiche, tatsächlich sehr umfassend und effizient.

2.2.6

Nachhaltige Entwicklung

Vom 21.­23. Juni 2012 fand in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (UNCSD, Rio+20) statt. Die Vorsteherin des UVEK vertrat dabei die Schweiz. Hauptthemen waren «Grüne Wirtschaft» im Kontext der nachhaltigen Entwicklung und der Armutsreduktion sowie Stärkung der institutionellen Rahmenbedingungen für die nachhaltige Entwicklung.

Die Rio+20-Konferenz hat erstmals auf globaler Ebene die «Grüne Wirtschaft» als ein wichtiges Instrument der nachhaltigen Entwicklung anerkannt. In einer Grünen Wirtschaft werden Güter und Dienstleistungen ressourceneffizient produziert, um die Umweltauswirkungen zu minimieren. Die Verhandlungen fanden für jene Staaten (Schweiz, EU, Norwegen, Neuseeland), die diesbezüglich ein ambitioniertes Resultat anstrebten, in einer schwierigen Konstellation statt: Einerseits standen viele Entwicklungsländer dem Konzept grundsätzlich skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Sie befürchten v. a. einen «grünen Protektionismus». Andererseits lehnten auch Industrienationen wie die USA, Kanada und Australien jegliche Verbindlichkeit des Konzeptes ab. Vor diesem Hintergrund ist das in Rio erzielte Resultat als befriedigend zu werten.

Die Schweiz wird sich auch weiterhin aktiv in die internationale Prozesse zur Grünen Wirtschaft einbringen. Zudem trägt sie in ausgewählten Entwicklungsländern aktiv zu deren Transition Richtung Grüne Wirtschaft bei. Gemäss der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­20167 unterstützt die Schweiz den Aufund Ausbau innovativer Infrastruktur und die Steigerung der Ressourceneffizienz sowie die Erschliessung erneuerbarer Energiequellen.

Konkrete Reformvorschläge zur globalen Nachhaltigkeitsarchitektur sind ein weiteres wichtiges Ergebnis der Rio+20-Konferenz: Die nachhaltige Entwicklung mit ihren drei Dimensionen (Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft) soll zu einer Querschnittsaufgabe werden und in allen Politikbereichen Eingang finden. Die beschlossene Schaffung eines hochrangigen politischen Forums für nachhaltige Entwicklung mit universeller Mitgliedschaft wird von der Schweiz ausdrücklich begrüsst. Das Forum wird die einflusslos gebliebene Kommission über nachhaltige Entwicklung (CSD) des ECOSOC ersetzen. Dessen Ausgestaltung wurde der UNO-Generalversammlung übertragen. Das Forum soll zu Beginn der
Generalversammlung im Herbst 2013 erstmals tagen. Der ökologischen Dimension soll mittels einer wirkungsvolleren internationalen Umweltgouvernanz besser Rechnung getragen werden: In diesem Sinne wird auch das UNO-Umweltprogramm UNEP gestärkt, indem u.a. alle Staaten durch eine universelle Mitgliedschaft in dessen Arbeiten einbezogen werden. Auch soll künftig eine Umweltstrategie für das gesamte UNO-System erarbeitet werden. Ebenfalls positiv zu werten in diesem Zusammenhang ist die 7

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explizite Aufforderung, die Synergien zwischen den Sekretariaten der verschiedenen Umweltabkommen zu verbessern.

Der Beschluss zur Schaffung von Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals SDG) war ein weiteres wichtiges Ergebnis der Konferenz.

Diese Ziele sollen so ausgestaltet werden, dass sie den Handlungsbedarf in Ländern aufzeigen und Fortschritte mess- und vergleichbar machen. Die Ausarbeitung der Nachhaltigkeitsziele soll im Rahmen eines multilateralen Prozesses erfolgen. Es wird eine offene Arbeitsgruppe mit Vertretungen aus 30 Ländern eingesetzt. Die Rio+20-Konferenz hat festgelegt, diesen Prozess der SDG mit dem Post-2015Prozess (Prozess zur Bestimmung der Nachfolge der Millennium Development Goals, die Ziele für 2015 setzen) kohärent und mit ihm koordiniert zu gestalten. Die Schweiz setzt sich dabei für die Ausgestaltung von globalen Zielen ein, welche die unterschiedlichen nationalen Realitäten sowie die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ausreichend berücksichtigen.

2.2.7

Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht, internationale Strafgerichtsbarkeit

Es ist im ureigenen Interesse der Schweiz, dass die internationalen Beziehungen dem Recht gehorchen und nicht der Macht und der Gewalt. Das Völkerrecht stellt den internationalen Rechtsrahmen dar, in dem Handel betrieben, Investitionen getätigt und elementare Rechte und Werte geschützt werden. Das Engagement der Schweiz für die Weiterentwicklung und Stärkung des Völkerrechts ist äusserst vielfältig. Dabei geht es zum Beispiel um Staatsverträge, das Recht zu unseren Nachbarländern (s. Ziff. 2.1.2), die Regulierung von Waffen (s. Ziff. 2.2.2), die Terrorismusbekämpfung (s. Ziff. 2.2.2), Menschenrechte (s. Ziff. 2.2.4) oder Immunitäten. Das Völkerrecht ist für die Schweiz und ihre Aussenpolitik ein Schlüssel.

Die nachfolgenden Abschnitte konzentrieren sich neben den bereits genannten Aktivitäten auf einige besonders wichtige Initiativen im Bereich des Völkerrechts.

Rückführung illegaler Gelder politisch exponierter Personen Die Sperrung und Rückgabe allfällig unrechtmässig erworbener und in der Schweiz deponierter Vermögenswerte politisch exponierter Personen (PEP), die sogenannte Asset Recovery, ist für die Schweiz ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der internationalen Wirtschaftskriminalität und zum Schutz ihres Finanzplatzes. Im Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den Arabischen Frühling blockierte der Bundesrat Anfang 2011 gestützt auf die Bundesverfassung unverzüglich Vermögenswerte zahlreicher PEP sowie ihnen nahestehender Personen. Es ist ein zentrales Anliegen der Schweiz, die betroffenen Regierungen in ihrem Bestreben, die blockierten Vermögenswerte zurückzuerhalten, aktiv zu unterstützen. In diesem Zusammenhang organisierte sie 2012 neben mehreren bilateralen Treffen auch eine internationale Fachtagung, die sich mit der Rückgabe solcher Gelder sowie mit Fragen der internationalen Zusammenarbeit befasste. Inzwischen haben Länder wie Tunesien und Ägypten Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gestellt, von denen sich einige im Vollzug befinden, beziehungsweise bereits vollzogen werden konnten. In der Schweiz sind bezüglich dieser Länder zudem eigene Strafverfahren eröffnet worden. Kein anderer Finanzplatz ist in seinen Bemühungen, gestohlene Gelder rasch in die Länder des Arabischen Frühlings zurückzuschicken, so weit fortge1033

schritten wie die Schweiz. Im Mai 2011 erteilte der Bundesrat den Auftrag, eine neue Gesetzesgrundlage zur Sperrung von Vermögenswerten ausländischer PEP zu Sicherungszwecken auszuarbeiten. Im Rahmen der laufenden Gesetzesarbeiten werden die Voraussetzungen und Modalitäten für den Erlass solcher Blockierungen festgelegt.

Humanitäres Völkerrecht Das humanitäre Völkerrecht ist unverändert aktuell und für die bewaffneten Konflikte der heutigen Zeit nach wie vor relevant. In manchen Bereichen sind Klarstellungen nützlich. Im Bereich humanitärer Zugang hat die Schweiz beispielsweise zusammen mit dem IKRK, dem UNO Büro für die Koordination der humanitären Hilfe und Conflict Dynamics International ein juristisches Handbuch mit den einschlägigen völkerrechtlichen Regeln verfasst (s. auch Ziff. 2.2.4). Auch im Rahmen der EDA-Strategie zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten wird an der Klärung und Stärkung des normativen Rahmens gearbeitet, der Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten Schutz bietet (s. auch Ziff. 2.2.4). Die Schweiz unterstützt zudem ein Forschungsprojekt der Harvard Law School über die Auswirkungen der Antiterror-Gesetzgebung auf die humanitären Organisationen. Das zentrale Problem bleibt aber nach wie vor die mangelnde Einhaltung der Regeln des humanitären Völkerrechts durch die Konfliktparteien.

Im Weiteren führte das VBS im Jahr 2012 vier dezentrale Kurse zu Fragen des humanitären Völkerrechts im Zusammenhang mit der Luft- und Raketenkriegführung durch. Diese Thematik ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil dieser Kriegführung für die Zivilbevölkerung ein hohes Schadenspotenzial inhärent ist.

Initiative zur Verbesserung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts: Das Jahr 2011 stand ganz im Zeichen der 31. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, an der die Schweiz ihre Initiative zur Stärkung der Achtung des humanitären Völkerrechts offiziell lancierte. An dieser Konferenz unterstrichen die anwesenden Staaten erneut, dass eine verstärkte Achtung des humanitären Völkerrechts eine grundlegende Voraussetzung für die Verbesserung der Situation der Opfer ist.

Am 13. Juli 2012 organisierte die Schweiz zusammen mit dem IKRK ein Staatentreffen zur Stärkung der Achtung des humanitären Völkerrechts. Es war die erste Phase eines Prozesses, der
Anspruch auf Transparenz, Offenheit und eine breite Mitwirkung stellt. Bei diesem Treffen ging es in erster Linie um die Sensibilisierung der Staaten für die Schwierigkeiten bei der Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie um die Schaffung einer positiven Dynamik und eines gegenseitigen Vertrauens, um diese Initiative erfolgreich umzusetzen. Aus den Diskussionen geht hervor, dass ein Treffen im Rahmen der alle vier Jahre stattfindenden Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds nicht ausreicht. Die Staaten möchten den Dialog über Fragen zur Stärkung der Achtung des humanitären Völkerrechts intensivieren. Sie sind der Ansicht, dass das Nichtfunktionieren der im humanitären Völkerrecht vorgesehenen Mechanismen zur Sicherstellung der Einhaltung dieses Rechts durch die Konfliktparteien auf dessen schwache institutionelle Strukturen zurückzuführen ist. Das Treffen hat der Schweiz und dem IKRK zudem Anhaltspunkte geliefert, auf welche Weise die Mechanismen zur Umsetzung des humanitären Völkerrechts verstärkt werden können.

1034

Private Militär- und Sicherheitsfirmen: Die Schweiz setzt sich weiterhin dafür ein, dass nichtstaatliche Akteure das humanitäre Völkerrecht besser einhalten (s. auch Ziff. 2.2.4). Zu diesem Zweck engagiert sie sich für eine breite Unterstützung des 2008 publizierten Dokuments von Montreux als Referenztext. Dieses Dokument, das derzeit von 43 Staaten unterstützt wird, wurde zusammen mit dem IKRK verfasst; es bietet einen Überblick über das geltende Recht und regt konkrete Massnahmen an, welche die Staaten zur einschlägigen Regulierung der Militär- und Sicherheitsfirmen treffen können. Das Montreux-Dokument ist thematisch eng verwandt mit dem Internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister (s. Ziff. 2.2.4).

Im Juli 2012 hat die EU als erste internationale Organisation offiziell ihre Unterstützung für das Montreux-Dokument erklärt. Die EU will dabei die einschlägigen Regeln einhalten, wenn sie selbst private Militär- und Sicherheitsunternehmen anstellt. Im Jahr 2012 konzentrierten sich die Bemühungen der Schweiz auf die aktive Unterstützung einer internationalen Konferenz zum Thema der privaten Militär- und Sicherheitsfirmen am renommierten Internationalen Institut für humanitäres Recht in San Remo, an welcher neben Staatenvertretern auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der wichtigsten Militär- und Sicherheitsunternehmen teilnahmen.

Internationale Strafgerichtsbarkeit Die Schweiz hat sich im Jahr 2012 mit Nachdruck für die internationale Strafgerichtsbarkeit, insbesondere den ständigen Internationalen Strafgerichtshof (ICC), eingesetzt und wird dies auch weiterhin tun. Der Schweizer Botschafter in Den Haag amtet als Vizepräsident der ICC-Mitgliedsstaatenversammlung und oberster Vertreter der Mitgliedstaaten in Den Haag. Die Schweiz kann sich dadurch aktiv dafür einsetzen, dass der ICC sein Mandat zur Bekämpfung der Straflosigkeit wahrnehmen kann. Konkret engagiert sie sich etwa dafür, dass sich die Zusammenarbeit unter den Staaten und zwischen Staaten und ICC verbessert oder dass weitere Staaten dem Statut des ICC beitreten. Die Schweiz hat 2012 auch die Arbeiten zur Ratifikation der sogenannten Änderungen von Kampala in Angriff genommen, die vorsehen, dass der ICC in Zukunft Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression (Einleitung eines völkerrechtwidrigen Krieges)
und zusätzliche Formen von Kriegsverbrechen hat. Schliesslich bot das Jahr 2012 die Gelegenheit, das zehnjährige Jubiläum des ICC mit zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen zu begehen. Was den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) betrifft, hat die Schweiz ihre Gesetzgebung per Juli 2012 angepasst, damit sie mit der Nachfolgeinstitution dieser beiden Ad-hoc-Strafgerichtshöfe, dem Internationalen Residualmechanismus, zusammenarbeiten kann.

Das Engagement der Schweiz gegen die Straflosigkeit geht über die Unterstützung gerichtlicher Institutionen hinaus (s. auch das Thema Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten unter Ziff. 2.2.4). So setzt sie sich beispielsweise dafür ein, dass im Rahmen der UNO Untersuchungskommissionen geschaffen werden, die in der Lage sind, Menschenrechtsverletzungen zu identifizieren und zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang hat das EDA eine Studie der Genfer Akademie für humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte finanziert, die sich mit dem Thema des Beweismasses in internationalen Ermittlungsmissionen befasst.

1035

2.3

Strategische Partnerschaften und globale Themen

Auch ausserhalb Europas hat die Schweiz in der globalisierten Welt von heute ein Interesse daran, ihre strategischen Partnerschaften auszubauen und zu stärken. Die traditionellen Machtverhältnisse verschieben sich, und Regionen wie Ostasien, Lateinamerika oder die Golfstaaten nehmen an geopolitischer Bedeutung zu. Auch auf multilateraler Ebene finden Verschiebungen statt; aufstrebende Akteure aus dem aussereuropäischen Raum wollen in die Entscheidungsprozesse der globalen Gouvernanz einbezogen werden, entsprechend ihrem wachsenden wirtschaftlichen und demografischen Gewicht. Die Schweiz muss sich aufgrund dieser Entwicklungen neu ausrichten, ihre Beziehungen zu strategischen Partnern vertiefen und ihr multilaterales Engagement verstärken. Für Letzteres verfügt sie mit dem internationalen Genf über komparative Vorteile, die es entsprechend zu nutzen gilt.

2.3.1

Strategische Partnerschaften zu aussereuropäischen Staaten

Amerikanischer Kontinent Entwicklungen in der Region Auf dem amerikanischen Kontinent hat sich im Berichtsjahr die bipolare Entwicklung mit den USA als dominierender Weltmacht im Norden und zunehmend selbstbewusster agierenden Ländern in Lateinamerika bestätigt. Brasilien positioniert sich immer klarer als weltpolitischer Akteur und zeigt dezidierten Willen zur Einflussnahme im globalen Kontext. Ähnliches gilt in etwas geringerem Ausmass für Mexiko, das 2012 die G-20-Präsidentschaft innehatte.

Für die USA stand das vergangene Jahr stark im Zeichen der Präsidentschaftswahl, die vom amtierenden Präsidenten Barack Obama gewonnen wurde. Die vorherrschenden Themen in der Kampagne waren die Wirtschaftslage, das Haushaltsdefizit, die Gesundheitspolitik und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Aussenpolitisch blieben der Nahe und der Mittlere Osten im Fokus, mit Syrien und dem Iran als Brennpunkte. Ebenfalls im Zentrum der Aufmerksamkeit waren die Entwicklungen in Afghanistan. Daneben bleiben die Beziehungen zu China und zu Russland zentrale Themen der amerikanischen Aussenpolitik.

In Lateinamerika haben sich die verschiedenen Entwicklungstrends der vergangenen Jahre akzentuiert. Im Vordergrund steht dabei der Wille zur Schaffung einer regionalen Identität unter Führung von Ländern wie Brasilien, Mexiko und Venezuela, die im Bestreben um Einflussnahme bei Fragen der globalen Gouvernanz und um verstärkte Autonomie gegenüber den USA ihren Ausdruck findet. Gleichzeitig hat sich die Polarisierung zwischen Ländern mit autoritären Tendenzen und interventionistischen Wirtschaftssystemen einerseits und Staaten mit liberalen Ansätzen verschärft. Diese Polarisierung zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Haltung gegenüber dem nördlichen Nachbar USA, sondern führt auch zu einer zunehmenden Politisierung regionaler Organisationen wie MERCOSUR, UNASUR und CELAC.

Damit einher geht eine teils willentliche Schwächung der regionalen Instrumente zum Schutz von Menschenrechten und Rechtsstaat, die von der Organisation amerikanischer Staaten OAS verfügbar gemacht werden. Eine positive Entwicklung

1036

zeichnet sich in Kolumbien ab, wo die Regierung von Präsident Santos und die FARC-Bewegung die Lancierung von Friedensverhandlungen bestätigt haben.

Im Wirtschaftsbereich führt der Drang Chinas auf die lateinamerikanischen Märkte, befördert durch ein nachlassendes Interesse der USA an der Region, zu einer Aufweichung der traditionell engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Lateinamerika und Europa. Gleichzeitig ist Armut weiterhin ein Problem in zahlreichen Ländern des Subkontinentes. Grosse Einkommensunterschiede und fehlende Chancengleichheit sind in der ganzen Region weit verbreitet. In Zentralamerika stehen namentlich die nördlichen Staaten vor grossen Herausforderungen im Sicherheitsbereich: Das rigorose Vorgehen der Regierung Calderon gegen die organisierte Kriminalität in Mexiko führte dazu, dass die Drogenkartelle zunehmend in die zentralamerikanischen Nachbarländer ausweichen und mancherorts die staatlichen Strukturen unterwandern, was zu erheblichen Defiziten bei Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten führt.

Aktivitäten der Schweiz Die Beziehungen zwischen der Schweiz und den Ländern des amerikanischen Doppelkontinents gründen auf gemeinsamen Werten, die auf der historischen Prägung der Region durch Europa basieren, und werden traditionell getragen von gut vernetzten Auslandschweizer-Kolonien, sowohl im anglophonen Norden wie auch in Lateinamerika. Vor diesem Hintergrund und mit Hilfe ihres zweckdienlich ausgerichteten Vertretungsnetzes entwickelt die Schweiz ihre aussenpolitischen Aktivitäten und nimmt ihre Interessen gegenüber den Ländern der Region wahr. In der Entwicklungszusammenarbeit setzt sie verstärkt auf die Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und auf die Armutsreduktion in den ärmsten Ländern.

Die Beziehungen der Schweiz zu den USA sind seit je durch wirtschaftliche Interessen dominiert. Die Vereinigten Staaten sind ausserhalb Europas mit Abstand der wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz, sowohl was den Handelsaustausch betrifft als auch bezüglich gegenseitiger Direktinvestitionen. Das Verhältnis war allerdings auch im Berichtsjahr belastet durch die weiterhin offenen Steuerfragen und das Vorgehen der amerikanischen Behörden gegen Schweizer Banken. Hier gilt es, möglichst rasch eine abschliessende Lösung zu finden, die der bestehenden Rechtslage genügt.
Die politischen Kontakte mit den USA waren auch im Berichtsjahr zahlreich. Auf Aussenministerebene ergab sich am Rande multilateraler Veranstaltungen wiederholt Gelegenheit für den bilateralen Austausch. Den hohen Kontaktrhythmus auf oberster Ebene gilt es auch künftig weiterzuführen. Die regelmässigen Konsultationen auf Verwaltungsebene bieten zudem Gelegenheit, Zusammenarbeitsprojekte in Bereichen gemeinsamen aussenpolitischen Interesses zu fördern und damit das Kontaktnetz und den Zugang zu amerikanischen Entscheidungsträgern auszuweiten.

Eine wichtige Plattform sind auch die parlamentarischen Kontakte, die der «Parlamentarische Verein Schweiz-USA» gemeinsam mit seiner amerikanischen Schwesterorganisation «Friends of Switzerland Caucus» sicherstellt.

Mit Brasilien, das im Berichtsjahr Gastland für die Umweltkonferenz «Rio+20» war, hat die Schweiz im Rahmen ihrer strategischen Partnerschaft die Zusammenarbeit weiter intensivieren können. Zusätzlich zu den Dialog-Gefässen im politischen und wirtschaftlichen Bereich wurden Mechanismen geschaffen für institutionalisierte 1037

Kontakte im Finanzbereich. Zudem sind in der Entwicklungszusammenarbeit Bestrebungen für gemeinsame schweizerisch-brasilianische Projekte im Gang, beispielsweise in Nicaragua und Haiti; eine erste Zusammenarbeitsvereinbarung zur Thematik der Wasserbewirtschaftung konnte im Berichtsjahr unterzeichnet werden.

Zusammenarbeitspotenzial, das es verstärkt zu nutzen gilt, besteht auch im Bereich Bildung, Wissenschaft und Innovation.

Neben den USA und Brasilien liegt der Fokus der schweizerischen Aktivitäten bei den G-20-Ländern Kanada und Mexiko sowie bei gleichgesinnten Partnern wie Kolumbien, Chile, Uruguay, Peru und Costa Rica. Mit Kanada beispielsweise fand 2012 ein vertiefter Austausch zu Fragen der menschlichen Sicherheit statt, und mit Costa Rica arbeitete die Schweiz im UNO-Rahmen in der Gruppe der «Small Five» zusammen. Allgemein wurden die Beziehungen mit gleichgesinnten Partnern auf dem amerikanischen Kontinent im Berichtsjahr weiter verstärkt, namentlich durch den Ausbau institutionalisierter Kontakte und regelmässiger politischer Dialoge.

Dies erlaubte es einerseits, die bilateralen Agenden voranzubringen, und andererseits, multilaterale Angelegenheiten gemeinsamen Interesses zu identifizieren und mittels gleichgesinnter Allianzen Einfluss auf globale Themen zu nehmen. Mit ihrem Engagement im Menschenrechtsrat, namentlich im Rahmen der «Universal Periodic Review», aber auch durch ihre Unterstützung der OAS-Menschenrechtsmechanismen und von Friedens- und Menschenrechtsprogrammen in Kolumbien, hat die Schweiz ihre Bemühungen um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Lateinamerika weitergeführt.

In Zentralamerika schliesslich ist die Schweiz daran, ihr entwicklungspolitisches Engagement strategisch neu auszurichten und den sich verändernden Gegebenheiten anzupassen. Während in Nicaragua die Zusammenarbeit im bisherigen Rahmen weitergeführt wird, wird das Engagement in Honduras zugunsten von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit verstärkt.

Den Auswirkungen des Klimawandels und den damit verbundene Naturrisiken wird in ganz Zentralamerika vermehrt Rechnung getragen. In Guatemala wird im Rahmen der Ressourcenoptimierung die schweizerische Vertretung Mitte 2013 geschlossen; die laufenden Projekte in den Bereichen Entwicklung und menschliche Sicherheit werden indessen weitergeführt. In
Haiti hat die Entwicklungszusammenarbeit ihr Engagement erhöht und arbeitet mit der Humanitären Hilfe des Bundes am nachhaltigen Wiederaufbau nach dem Erdbeben von 2010.

Asien und Pazifik Entwicklungen in der Region Das relative Gewicht der Region Asien-Pazifik auf der Weltbühne nahm 2012 politisch und wirtschaftlich weiterhin zu. Trotz bescheideneren Wachstums der Giganten China und (vor allem) Indien blieb die Region der Motor der Weltwirtschaft. Auf Asien und Ozeanien entfallen rund 35 Prozent des Weltbruttosozialprodukts8, und die Region stellt eines der fünf permanenten UNO-Sicherheitsratsmitglieder (China) und sechs G-20-Staaten (China, Indien, Japan, Südkorea, Indonesien, Australien).

8

Quelle: Internationaler Währungsfonds.

1038

In der sehr heterogenen, durch grosse historische, soziale, politische und ökonomische Vielfalt geprägten Region zwischen Hindukusch und pazifischen Inseln fehlt es indessen nicht an Problemfeldern und Spannungslinien. Eine regionale Sicherheitsarchitektur ist im Vergleich mit Europa und Nordamerika praktisch nicht existent.

Seit Längerem bestehende offene und latente Konflikte schwelten im Berichtsjahr weiter und wurden teils akut. Territorialstreitigkeiten in den Meeren Ost- und Südostasiens, bei denen es auch um Zugang zu Rohstoffen und Kontrolle von Handelsströmen geht, flammten auf. Vor dem Hintergrund eines neuen Wettrüstens zwischen den Staaten der Region kündigten die USA an, dass sie dem asiatischindopazifischen Raum erhöhte strategische Aufmerksamkeit schenken wollen. Viele Staaten der Region sehen die USA wieder vermehrt als Gegengewicht zum erstarkenden China und als unverzichtbaren Stabilitätsgaranten.

Aktivitäten der Schweiz Der Ausbau der Beziehungen zur dynamischsten Region der Welt ist im ureigensten Interesse der Schweiz, eines global vernetzten Landes mit unabhängiger und universaler Aussenpolitik und weltweit tätigen Unternehmen. Die Bedeutung der Region Asien/Pazifik für die Schweiz nimmt in jeder Beziehung zu: Asien ist die zweitwichtigste wirtschaftliche Partnerregion für unser Land, nach Europa, aber vor dem amerikanischen Kontinent. 15 % des Schweizer Aussenhandels entfällt auf die Region Asien-Pazifik, 2011 wuchsen die Schweizer Exporte in die Region um 11,6 %. Viele Beispiele zeigen ausserdem, dass globalen Herausforderungen politischer Art wie z.B. die Verhandlungen um ein internationales Klimaregime nach dem Ablauf des Kyoto-Protokolls ohne konstruktiven Beitrag der grossen asiatischen Staaten nicht mehr begegnet werden kann.

Die Schweiz baute angesichts dieser Gewichtsverschiebung auch 2012 ihr vielfältiges Engagement in der Region weiter aus. Die drei Pfeiler der schweizerischen Strategie Asien/Pazifik wurden dabei weiter gestärkt: Intensivierung der bilateralen politischen Kontakte auf allen Ebenen inklusive sinnvoller Ausbau des vertraglichen Netzwerks und verstärkte Zusammenarbeit in den multilateralen Gremien mit den Staaten der Region, Annäherung ­ wo möglich ­ an die Regionalorganisationen sowie solidarisches Handeln zur Unterstützung von Entwicklung, Frieden
und Menschenrechten inklusive humanitäre Hilfe in Notlagen.

Neben der Pflege ihrer Beziehungen zu den drei grossen Partnern China, Indien und Japan baute die Schweiz ihre Beziehungen mit den mittelgrossen und kleineren Staaten gezielt aus. Diese Länder sind zunehmend wichtige Partner in Wirtschaft und Politik, auf regionaler wie auf globaler Ebene, nicht zuletzt auch in multilateralen Organisationen. Die alle vier Jahre stattfindende regionale Botschafterkonferenz Asien/Pazifik, welche diesmal im November in Bangkok stattfand, diente dazu, das gemeinsame Verständnis der Chefs aller schweizerischen Vertretungen in der Region für die schweizerische Strategie zu schärfen.

Ostasien: Der politische Dialog mit China, in dessen Rahmen auch Menschenrechtsfragen thematisiert werden, wurde auf Stufe Staatssekretär/Vizeminister weitergeführt; die 2011 lancierten Freihandelsverhandlungen konnten 2012 im Hinblick auf einen baldigen Abschluss substanziell vorangetrieben werden; in zahlreichen sektoriellen Bereichen wurde die Zusammenarbeit weiter vertieft und teilweise formalisiert (Unterzeichnung von Memoranda of Understanding u. a. in den Bereichen Energie, Umwelt, Wissenschaft). Die Aufnahme eines bilateralen Finanzdialogs mit China wird voraussichtlich im kommenden Jahr erfolgen. Mit Japan wurden auf 1039

Arbeitsebene politische Konsultationen durchgeführt, und es gab Kontakte auf Ministerebene. Das Inselreich zeichnet sich in multilateralen Foren durch eine grosse Nähe zu den Positionen der Schweiz aus, wie eine Studie der Universität Genf im April 2012 zeigte9. Der Vorsteher des EDA reiste im April 2012 nach Südkorea, wo er am Nuklearsicherheitsgipfel teilnahm und mit seinem Amtskollegen politische Gespräche führte; politische Konsultationen fanden auch auf Arbeitsebene statt; die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung im südkoreanischen Yeosu fand dank ihres preisgekrönten Pavillons viel Beachtung. Das positive Ansehen der Schweiz wird nicht zuletzt durch ihre fast sechzigjährige ungebrochene Präsenz in der Neutralen Überwachungskommission in Panmunjom gefördert. Mit Nordkorea führte die Schweiz die 10. Runde des seit 2003 bestehenden politischen Dialogs durch. Mit der Mongolei wurde ebenfalls eine Runde des politischen Dialogs durchgeführt mit einer Themenagenda, die unter anderem Demokratisierung und OSZE umfasste.

Südasien: Mit bundesrätlichen Reisen nach Indien wurde der breit angelegte Austausch mit diesem Land in den Bereichen Wissenschaft, Ausbildung und Umwelt/ Klima ausgebaut. Auf Arbeitsebene wurden die Gespräche im Migrations- und Justizbereich weitergeführt. Zudem fand eine erste Runde des 2011 vereinbarten Finanzdialogs statt. Der Vorsteher des EDA traf den Premierminister von Pakistan im Rahmen des WEF in Davos; der jährliche politische Dialog mit Pakistan fand im Mai in Islamabad statt. Im Februar besuchte die Aussenministerin von Bangladesch die Schweiz und markierte so das 40-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die Schweiz bekräftigte ihre Solidarität und ihr Engagement in Afghanistan, unter anderem in der internationalen Kontaktgruppe ICG und anlässlich des Treffens der Partnerstaaten mit den NATO-Mitgliedern in Chicago sowie an der Afghanistan-Konferenz von Tokio. Zum Engagement der Schweiz in Sri Lanka und Nepal wurden im Berichtsjahr neue mehrjährige Strategien verabschiedet.

Südostasien: Im Zuge der politischen Veränderungen in Myanmar hat die Schweiz eine Intensivierung der Beziehungen mit dem südostasiatischen Land beschlossen.

Auf ihrer ersten Reise ausserhalb Asiens seit vielen Jahren besuchte Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi die Schweiz,
wo sie neben den politischen Gesprächen mit Mitgliedern des Bundesrates unter anderem auch dem Nationalrat einen Besuch abstattete. Im November reiste der Vorsteher des EDA zum ersten Besuch auf Ministerebene nach Myanmar und eröffnete in Yangon die neue Schweizer Botschaft. Die Bundespräsidentin und der Chef des EDA besuchten auch Laos, wo sie am Rande des ASEM-Gipfels im November bilaterale Kontakte mit der laotischen Regierung pflegten. Bei dieser Gelegenheit wurde ein bilaterales MoU über die politische Zusammenarbeit unterzeichnet. Am Rand des Demokratieforums in Bali fand auch ein bilaterales Treffen zwischen den Aussenministern der Schweiz und Indonesiens statt, dem grössten Land der ASEAN, mit dem die Schweiz 2012 das 60-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen beging. Die diesjährige politische Dialogrunde mit Vietnam wurde in Bern durchgeführt, ergänzt durch ein Treffen auf Stufe Staatssekretär/Vizeaussenminister. Schliesslich besuchte der Chef der Abteilung Asien und Pazifik als erster Vertreter der EDA-Zentrale Osttimor, wo er u.a.

mit Präsident Ramos-Horta zusammentraf.

9

«In der UNO ist die Schweiz Japan am nächsten», Neue Zürcher Zeitung, 16.04.2012.

1040

Australien, Neuseeland und pazifische Inselstaaten: Der Vorsteher des EDA traf seine australischen Amtskollegen am Rande multilateraler Anlässe. Dabei wurde ein regelmässiger strategischer Dialog auf Ebene Aussenminister vereinbart. Erstmals fand im März auf Stufe Chef der Abteilung Asien/Pazifik zudem in Canberra ein politischer Dialog statt, der nun jährlich durchgeführt werden wird und zum Ziel hat, mit dieser wichtigen Regionalmacht im Pazifik die bilateralen Beziehungen auszubauen und zu vertiefen. Im Frühjahr unterzeichnete die Schweiz mit Australien ein Memorandum of Understanding über die Aufnahme eines Finanzdialogs; eine erste Runde wurde bereits in Bern durchgeführt. Der regelmässige politische Dialog mit Neuseeland bildet dazu eine wichtige Ergänzung mit einem befreundeten Partnerland in vielen internationalen Organisationen.

Regionale Integration: Die 2011 lancierte diplomatische Initiative der Schweiz für einen Beitritt zum Asia-Europe-Meeting ASEM konnte erfolgreich abgeschlossen werden: Die Schweiz wurde im November 2012 anlässlich des Gipfels von Vientiane (Laos) als Vollmitglied in dieses wichtige interkontinentale Forum aufgenommen, was bislang europäischerseits den EU-Staaten vorbehalten war. ASEM ist das wichtigste politische Dialogforum zwischen Europa und Asien/Pazifik. Es behandelt aktuelle regional- und weltpolitische Angelegenheiten und ist als Diskussionsplattform für Themen, die die Schweiz direkt betreffen (z.B. internationales Finanzsystem oder Klimathemen), wertvoll.

Mittlerer Osten und Nordafrika Die Protestbewegungen, die 2011 zum Sturz des tunesischen und des ägyptischen Präsidenten führten, überraschten durch ihre Intensität und durch das Ausmass der nachfolgenden Dynamik, die nicht nur Nordafrika, sondern den gesamten Nahen Osten erfasste. Sie beendeten ein Kapitel in der Geschichte dieses geografischen Raums, dessen politische Struktur häufig auf repressiven Regimes beruhte. Die politische Transition der Region ist ein längerfristiger Prozess mit zahlreichen Herausforderungen und noch ungewissem Ausgang. In diesem Zusammenhang gibt der Aufschwung extremistischer Bewegungen zu Besorgnis Anlass. Die Schweiz verfolgt die weiteren Entwicklungen sehr aufmerksam und will in Partnerschaft mit den betroffenen Ländern ihren Beitrag zu einer längerfristig erfolgreichen
Transition leisten.

Das Engagement der Schweiz in der Region, das seit Beginn der Aufstände intensiviert wurde, ist anspruchsvoll: Die Schweiz unterhält auf wirtschaftlicher, sozialer, politischer und sicherheitspolitischer Ebene enge Beziehungen zu den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens; ihre Interessen decken sich mit den Entwicklungsund Stabilitätsanliegen der gesamten Region.

Nordafrika Die Schweiz signalisierte in Nordafrika sehr rasch ihre Bereitschaft, die demokratische Transition dort, wo Bedarf besteht, zu unterstützen, zunächst durch technische Unterstützung bei der Vorbereitung der Wahlen und die Bereitstellung ihrer guten Dienste. Sie konzentrierte ihre Tätigkeit auf die Förderung institutioneller Reformen mit den Schwerpunkten Reform des Sicherheitssektors und des Justizsystems, Bekämpfung der Straflosigkeit und Vergangenheitsarbeit. Trotz zahlreicher Wechsel der Ansprechpartner im Zuge der politischen Umwälzungen ist es der Schweiz gelungen, alle ihre offiziellen Kontakte aufrechtzuerhalten. Dasselbe gilt für die

1041

Kontakte zu den verschiedenen Teilen der Zivilgesellschaft. Diese konzentrieren sich fortan auf die Kräfte, die im Sinne der Reformen wirken.

In wirtschaftlicher Hinsicht fokussiert die Schweiz ihre Anstrengungen auf die Entwicklung des Privatsektors und des Finanzsektors, insbesondere auf die KMU und auf die Unterstützung von Branchen mit hohem Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Ägypten und Tunesien sind zwei Schwerpunktländer dieser wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und dürften dies auch weiterhin bleiben, sofern politische Stabilität einkehrt. Andererseits misst die Schweiz der Ermittlung und der Rückerstattung gesperrter Vermögenswerte eine hohe Bedeutung zu. Dieses Thema stellt eine zentrale Herausforderung in ihren Beziehungen zu Ägypten, aber auch zu Tunesien und Libyen dar. Der Vorsteher des EDA trat anlässlich seines Besuchs in Ägypten im Oktober 2012 dafür ein, dass diese Frage mit grösster Aufmerksamkeit behandelt wird.

Im Migrationsbereich schliesslich wurden auf internationaler und nationaler Ebene verschiedene Massnahmen getroffen, um allfällige Ströme von Vertriebenen und Flüchtlingen zu bewältigen. In den betroffenen Ländern sind bereits konkrete Aktivitäten angelaufen, und es werden regelmässige Kontakte zu verschiedenen Partnern unterhalten, um die Entwicklung der Situation möglichst gut zu meistern und insbesondere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit der EU und mit verschiedenen internationalen Gremien unter der Ägide der UNO zu prüfen.

Naher Osten Das Engagement der Schweiz im Nahen Osten konzentrierte sich während der gesamten Volksaufstände auf die humanitäre Hilfe sowie auf die Förderung des Völkerrechts und der Menschenrechte, insbesondere durch die Unterstützung von Initiativen, die den Dialog und Verhandlungen fördern. Der israelisch-palästinensische Konflikt nimmt einen grossen Raum in den Tätigkeiten der Schweiz ein, die sich stets für die Förderung einer friedlichen Lösung in der Region einsetzt. Bezüglich der Frage der Schaffung eines palästinensischen Staates, der innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen Seite an Seite mit Israel lebt, besteht ein breiter Konsens in der internationalen Gemeinschaft, insbesondere bei den Mitgliedern des NahostQuartetts (USA, Russland, EU und UNO). Dieser deckt sich mit der Haltung der Schweiz und der
Stossrichtung ihres Engagements für den Frieden in der Region.

Mit dem Ziel, eine Zwei-Staaten-Lösung zu bekräftigen und der Absicht, zur Wiederbelebung des Friedensprozesses beizutragen, hat der Bundesrat entschieden, das Begehren der Palästinensischen Autonomiebehörde bezüglich Beobachterstatus in der UNO zu unterstützen. Die entsprechende Resolution enthielt in der Tat eine Reihe von konstruktiven Vorschlägen für eine gerechte und ausgewogene Lösung des Konfliktes. Die UNO-Generalversammlung hat die Resolution am 29. November 2012 mit 138 gegen 9 Stimmen mit 41 Enthaltungen angenommen.

Die Schweiz, die seit 1950 die UNRWA (das UNO-Hilfswerk für die Betreuung der Palästinaflüchtlinge in den Bereichen Bildung, soziale Dienste und Gesundheit) unterstützt und 1994 eine Vertretung bei der Palästinensischen Behörde eröffnete, verfolgte mit ihrer Tätigkeit mehrere Ziele: ­

humanitäre Hilfe für die geflüchtete oder vertriebene palästinensische Bevölkerung;

­

Förderung der Demokratisierung und Stärkung des Rechtsstaats im besetzten palästinensischen Gebiet;

1042

­

Förderung des Völkerrechts, insbesondere des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte;

­

Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ziel, die Schaffung eines palästinensischen Staates zu fördern;

­

Engagement der Schweiz zur Stärkung der Gouvernanzsysteme der Palästinensischen Behörde und der lokalen Körperschaften;

­

Engagement der Schweiz in Bereichen, in denen sie zur Förderung einer friedlichen Lösung in der Region beitragen kann.

Die bewaffnete Gewalt in Syrien forderte im letzten Jahr Tausende von Todesopfern, was die Entrüstung der internationalen Gemeinschaft hervorrief. Die Schweiz schloss sich den Protesten auf verschiedenen Ebenen an. Sie verschärfte ihre Massnahmen gegen Syrien und wandte die von der EU verhängten Sanktionen weiterhin an. Nachdem die Schweiz im August 2011 ihren Botschafter zu Konsultationen nach Bern zurückgerufen hatte, schloss sie zudem im Februar 2012 ihre Botschaft in Damaskus und erklärte im Mai 2012 die für die Schweiz akkreditierte Botschafterin Syriens mit Sitz in Paris zur «Persona non grata». Sie intervenierte ferner mehrmals im UNO-Menschenrechtsrat und verurteilte sämtliche Übergriffe in Syrien.

Im syrischen Kontext konzentrierte sich die Schweiz auf drei Schwerpunkte: Erstens setzte sie sich für eine politische Lösung des Konflikts ein, indem sie die beiden Sondergesandten der UNO unterstützte. Ausserdem beteiligte sie sich an der Organisation des Treffens der Aktionsgruppe für Syrien im Frühjahr 2012, an dem die Aussenminister der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder und der für das Syriendossier zuständigen Länder der Arabischen Liga teilnahmen. Zweitens unterstützte die Schweiz die humanitäre Hilfe vor Ort und in den Nachbarländern. Mit ihrem humanitären Programm, das vom DEZA-Kooperationsbüro in Amman koordiniert wird, unterstützt die Schweiz einerseits die Massnahmen der internationalen Gemeinschaft sowie die Arbeit des IKRK und des UNHCR und führt andererseits direkte Aktionen in Form von Projekten vor Ort durch. Das Schweizer Hilfsbudget für die Opfer der Syrienkrise belief sich Ende 2012 auf 13 Millionen Franken.

Drittens setzte sich die Schweiz stark für die Bekämpfung der Straflosigkeit ein. Sie lancierte eine Initiative in der UNO, mit der der Sicherheitsrat aufgefordert werden soll, den Fall Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen. Die Initiative, die zum Ziel hat, sämtliche Urheber schwerer Verbrechen vor Gericht zu bringen, wird von vielen Staaten (Ende 2012 bereits von gegen 50) unterstützt. Die Schweiz hat sich zudem für die Stärkung der vom UNO-Menschenrechtsrat eingesetzten Ermittlungskommission eingesetzt. Im September 2012 wurde die ehemalige Bundesanwältin Carla del Ponte als zusätzliches Mitglied in die Kommission berufen.

Golfstaaten Im
Golf war die Schweiz vor dem Hintergrund erhöhter regionaler Spannungen und in Übereinstimmung mit ihrer Neutralitäts- und Universalitätspolitik bestrebt, gute Beziehungen zu allen Ländern der Region aufrechtzuerhalten. Im März 2012 unterzeichnete sie ein Memorandum of Understanding mit Saudi-Arabien, mit dem regelmässige politische Konsultationen vereinbart wurden. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten sind Gespräche im Hinblick auf eine ähnliche Vereinbarung im Gange. Zudem schuf die Schweiz die Grundlagen für verstärkte Beziehungen mit dem Sekretariat des Golfkooperationsrats (GCC) mit Sitz in Riad. Die Schweiz 1043

verstärkte ferner ihre finanzielle Unterstützung für Jemen, damit dessen Regierung die zur Wiederherstellung von Frieden und Stabilität notwendigen politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Reformen durchführen kann. So beteiligte sich die Schweiz erstmals als Beobachterin am 4. Treffen der Staatengruppe der «Freunde Jemens», das im September 2012 in New York stattfand. Mit weiteren Ländern der arabischen Halbinsel fanden im Berichtsjahr Arbeitstreffen statt. Hochrangige Kontakte gab es schliesslich mit der Islamischen Republik Iran: Diese betrafen namentlich die neuen restriktiven Massnahmen, welche die Schweiz im April und Juli 2012 verabschiedete, sowie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der internationalen und unilateralen Sanktionen.

Subsahara-Afrika Zahlreiche Staaten in Subsahara-Afrika weisen positive Wachstumszahlen (BSP) auf und verfügen über beachtliches wirtschaftliches Potenzial. Trotz Fortschritten im Bereich der Armutsbekämpfung ist ein erheblicher Anteil der Bevölkerung vom wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen, lebt unter der Armutsgrenze oder ist bedroht von Arbeitslosigkeit, Armut und Ernährungsunsicherheit. Insbesondere in Regionen mit gewaltsamen Konflikten ist die Bevölkerung zudem Menschenrechtsverletzungen und humanitärer Not ausgesetzt. Herausforderungen bestehen aufgrund unausgeglichener Machtteilung, mangelnder staatlicher Rechenschaft mit fehlenden staatlichen Dienstleistungen sowie im Bereich der Rohstoffgewinnung. Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft wirken sich nachteilig auf die Bevölkerung in der Region aus.

Die Schweiz ist seit 1996 Mitglied der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF) und hatte von 2010 bis zum 14. Gipfel vom Oktober 2012 in Kinshasa den Vorsitz des Frankophoniegipfels inne. Der Vizebundespräsident vertrat die Schweiz am Gipfel in Kinshasa, während der Vorsteher des EDA an der Ministerkonferenz teilnahm. Der Vorsitz des Frankophoniegipfels verlieh der Schweiz eine besondere Verantwortung und Visibilität innerhalb der OIF und bot ihr Gelegenheit, durch die Organisation von französischsprachigen Koordinationstreffen, insbesondere im Bereich der Umwelt und der nachhaltigen Entwicklung (Rio+20), zur Stärkung der Rolle der Frankophonie in der Welt beizutragen. Allgemeiner betrachtet bietet
die Teilnahme an den Aktivitäten der Frankophonie der Schweiz einen geeigneten Rahmen, um ihre Diversität einzubringen und sich für die Förderung des Friedens und der Demokratie einzusetzen.

Thematisch konzentriert sich die Schweiz in Afrika südlich der Sahara auf die Unterstützung guter Regierungsführung, Stabilität und Sicherheit sowie auf die Friedensförderung, insbesondere in fragilen Ländern und Regionen des Kontinents.

Weitere Eckpunkte sind die Förderung von Grund- und Berufsbildung, von Gesundheit und Ernährungssicherheit. Im Rahmen ihrer regionalen Kooperationsstrategien fokussiert die Schweiz dieses Engagement auf Westafrika (Mali, Niger, Tschad), die Region der Grossen Seen (Burundi, Ruanda und Demokratische Republik Kongo), das Horn von Afrika sowie das südliche Afrika (SADC-Staaten). Aus wirtschaftlicher und politischer Sicht liegt der Schwerpunkt der bilateralen Zusammenarbeit auf Südafrika. Dieses ist Mitglied der G-20, ein BRICS-Staat und, basierend auf einem 2008 unterzeichneten Memorandum of Understanding, ein strategischer Partner der Schweiz.

1044

Im Berichtsjahr fanden mehrere bilaterale Treffen mit Südafrika statt, dem wichtigsten afrikanischen Zielland für Schweizer Exporte und Direktinvestitionen. Im Frühjahr 2012 einigten sich beide Länder auf eine Fortführung der Zusammenarbeit im Bereich Wissenschaft und Technologie, welche auf einem bilateralen Abkommen von 2007 beruht. Mit Südafrika hat im Juni 2012 ausserdem die dritte Sitzung der gemischten Wirtschaftskommission stattgefunden. Mitte Oktober 2012 fand die vierte Runde der politischen Konsultationen auf Niveau Staatssekretär statt. Beide Delegationen einigten sich auf eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen im wirtschaftlichen und im friedensfördernden Bereich zugunsten Dritter und auf eine Verstärkung in der multilateralen Zusammenarbeit.

Die Schweiz verfolgt seit 2005 ein Regionalprogramm Südliches Afrika, das auf die Nahrungssicherheit und die Prävention von HIV/Aids ausgerichtet ist. Das humanitäre Programm in Simbabwe wird allmählich in ein Entwicklungsprogramm überführt, aufgrund der instabilen politischen Lage aber nicht eingestellt. Mosambik und Tansania sind weiterhin Schwerpunktländer der Entwicklungszusammenarbeit. In Zusammenarbeit mit anderen Gebern unterstützt die Schweiz die Reform der nationalen Gesundheitssysteme. Im Bereich der ländlichen Entwicklung unterstützt sie die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität, den Zugang zu Finanzdienstleistungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Im Bereich der guten Regierungsführung unterstützt sie die Zivilgesellschaft und im Falle Mosambiks auch die Parlamente, um die demokratische Funktionsweise der begünstigten Länder zu stärken.

Im Rahmen ihres friedenspolitischen Programms in West- und Zentralafrika unterstützt die Schweiz Initiativen in Mali, Niger und Tschad und beteiligt sich an den Bemühungen um Friedenskonsolidierung in dieser Region, die immer wieder von Konflikten mit weitreichenden grenzübergreifenden und interregionalen Auswirkungen heimgesucht wird.

In Mali kam es im Januar 2012 zu einem bewaffneten Aufstand, auf den im März 2012 ein Staatsstreich folgte. Seither ist das Land de facto zweigeteilt, mit weitreichenden humanitären Konsequenzen für die ganze Region. Auf Ersuchen der malischen Regierung und einer der bewaffneten Oppositionsgruppen engagiert sich die Schweiz für die Mediation in Mali,
indem sie die Arbeit von Burkina Faso, dem von der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) beauftragten regionalen Vermittler, unterstützt. Nach monatelangem Stillstand ist die Krise in Mali an die Spitze der internationalen Agenda gerückt, vor allem wegen der damit verbundenen terroristischen Bedrohung. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete zwei Resolutionen zu Mali (am 7. Juli und 12. Oktober 2012): Darin werden die Konfliktparteien aufgerufen, einen glaubwürdigen Verhandlungsprozess zur Herbeiführung einer friedlichen Lösung aufzunehmen, und gleichzeitig wird der Weg für Vorbereitungen einer internationalen Militärintervention geebnet.

In Niger bemüht sich die Schweiz durch den politischen Dialog mit der Hohen Behörde für nationale Versöhnung, den nationalen Behörden und dem Regionalrat der Region Agadez im Norden von Niger um Verhinderung eines weiteren bewaffneten Aufstandes und um Versöhnung. In Tschad unterstützt die Schweiz die Dialoganstrengungen zwischen politischen Akteuren und Zivilgesellschaft, stärkt die Kapazitäten der in den Aussöhnungsprozess involvierten Netzwerke und jene der Behörden im Menschenrechtsbereich. Die Strategien der Entwicklungszusammenarbeit in Westafrika wurden im Lichte der politischen Entwicklungen angepasst. Die Schweiz ist in der Region namentlich in den Bereichen Grundschulbildung und Berufsbildung, Ernährungssicherheit und Stärkung der öffentlichen Verwaltung auf 1045

lokaler Ebene aktiv. Die Schweiz musste ihr Programm der Entwicklungszusammenarbeit der veränderten Lage anpassen.

Die nationalen Schwerpunktprogramme werden durch Initiativen zur Förderung der regionalen Integration (beispielsweise im Rahmen der ECOWAS) ergänzt. Im Rahmen der humanitären Hilfe leistete die Schweiz zusätzliche Beiträge in der Höhe von 18,9 Millionen Franken an IKRK, UNHCR, WFP und diverse NGO für den Schutz und zur Versorgung von Flüchtlingen und Vertriebenen, trotz erschwerten Zugangs im Norden Malis. Sie beteiligt sich zudem mit der Entsendung von Experten an der EU-Mission für Sicherheit und Stabilität in Niger (EUCAP) und unterstützt die Stärkung regionaler Kapazitäten im Kampf gegen den Terrorismus. Darüber hinaus konzentriert sie ihre Aktivitäten auf vier Länder der Mano River Union (Liberia, Sierra Leone, Côte d'Ivoire und Guinea Conakry). Ghana sticht in Westafrika als Pol der Stabilität, der Demokratie und des Wachstums heraus. Deshalb unterstützt die Schweiz Ghana in der Förderung einer effizienten Regierungsführung unter anderem durch Budgethilfe im Rahmen eines Zusammenarbeitsprogramms.

Mit Nigeria besteht eine Migrationspartnerschaft.

Die Länder in der Region der Grossen Seen, insbesondere Ruanda, Burundi und die beiden Kivu-Provinzen der Demokratischen Republik Kongo (RDC) sind historisch, geopolitisch und handelsmässig eng verflochten. Seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen zu Beginn des letzten Jahrzehnts wurden in Burundi und insbesondere in Ruanda Entwicklungs- und Stabilitätsfortschritte erzielt, während die Lage im Osten der Demokratischen Republik Kongo unsicher bleibt. Diese positive regionale Dynamik wurde durch die entgleisten Wahlen in Burundi 2010 und in der Demokratischen Republik Kongo 2011 sowie durch eine erneute Verschlechterung der Beziehungen zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo auf die Probe gestellt.

Seit Juli 2009 präsidiert die Schweiz zudem die «Burundi-Konfiguration» der UNOKommission für Friedenskonsolidierung, und unterstützt das Land bei der Umsetzung des Friedensprozesses und hinsichtlich nachhaltiger Entwicklung. Schweizer Expertinnen und Experten stehen in Burundi und der Demokratischen Republik Kongo für die UNO-Missionen BNUB und MONUSCO im Einsatz, namentlich auch im Bereich der humanitären Minenräumung. Innerhalb
der Region erfolgt ein koordinierter Einsatz der aussenpolitischen Instrumente zur friedlichen Lösung von Konflikten, zur Entwicklung tragfähiger staatlicher Institutionen, zur Reduktion der Armut sowie zur Linderung von Not für intern Vertriebene und Flüchtlinge im Rahmen der überarbeiteten Strategie für die Grossen Seen 2012­2016. Die Region wurde vom Departementsvorsteher des EDA im Anschluss an das FrankophonieMinisterratstreffen im Oktober 2012 in Kinshasa bereist.

Am Horn von Afrika gilt der Konflikt in Somalia zwischen den Islamisten der Al-Shabaab und der somalischen Übergangsregierung als zentrale Ursache für die vorherrschende Instabilität. Die anhaltenden Spannungen zwischen Äthiopien und Eritrea sowie Konflikte um Ressourcen im Norden Kenias und entlang der Grenze zwischen Sudan und Südsudan tragen zusätzlich zur Fragilität der Region bei. Eine Stabilisierung erfordert, dass künftig innerstaatliche Spannungen sowie Konflikte zwischen den Staaten ohne Gewaltanwendung und durch Dialog bewältigt werden und die gebietsweise chronische Unterversorgung überwunden werden kann. Die Schweiz unterstützt in der Region dialogfördernde Massnahmen und Versöhnungsprozesse auf nationaler und lokaler Ebene. Im Südsudan engagiert sie sich im Rahmen des Verfassungsgebungsprozesses für den Aufbau von Räten traditioneller 1046

Stammesautoritäten als Schnittstellen zu den modernen Regierungsstrukturen. Sie entsandte Experten in die Minenräumungsprogramme der UNO in Somalia und im Südsudan. Im Südsudan ist sie zudem mit Militärbeobachtern und Ausbildungsunterstützung im Bereich der Sicherheitssektorreform tätig. Im Sudan finanziert die Humanitäre Hilfe Aktivitäten von Hilfswerken und unterhält eigene Projekte im Nordwesten des Landes. Um das Engagement der Schweiz für Somalia zu unterstreichen und um ein koordiniertes Vorgehen der internationalen Gemeinschaft in Somalia zu fördern, nimmt die Schweiz regelmässig an internationalen Konferenzen über Somalia teil. So hat der Vorsteher des EDA die Schweizer Delegation an der Somalia-Konferenz in London vom Frühjahr 2012 angeführt.

2.3.2

UNO und internationales Genf

10 Jahre UNO-Mitgliedschaft der Schweiz Im Herbst 2002 ist die Schweiz als 190. Mitgliedstaat der UNO beigetreten, als erstes Land, dessen Beitritt in einer Volksabstimmung gutgeheissen wurde. Die UNO und die Schweiz verteidigen gleiche Werte und verfolgen dieselben Ziele: Demokratie, Förderung von Frieden und Sicherheit, nachhaltige Entwicklung, Schutz und Förderung der Menschenrechte und Nothilfe an Opfer von Krieg und Naturkatastrophen. Die direktdemokratische Abstützung und die Wertekongruenz geben dem schweizerischen Engagement in der UNO eine hohe Legitimität. Das UNO-Engagement ist auch innenpolitisch breit abgestützt. Das EDA pflegt die Beziehungen zu Schlüsselakteuren aus der Zivilgesellschaft mit den Schwerpunkten Jugend, Hochschulen und «Gesellschaft Schweiz-UNO».

Die Schweiz hat sich in den letzten zehn Jahren als aktives Mitglied der UNO profiliert. Oft Brückenbauerin in Verhandlungen, setzt sie sich für eine starke und effiziente UNO ein. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Schweizer Beitritts besuchte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon anfangs September die Schweiz. Er hielt eine vielbeachtete Rede vor der Vereinigten Bundesversammlung und würdigte das Schweizer Engagement in der UNO. Ferner nahm er an einer Konferenz in Genf und an einer offiziellen Feier aus Anlass dieses Jubiläums im Palais des Nations teil.

In den nächsten zehn Jahren wird die Schweiz ihr Engagement weiter ausbauen und vermehrt Verantwortung übernehmen. Ausdruck dafür sind die Kandidaturen für die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat für 2023/2024 und im Menschenrechtsrat für 2016­ 2018. Die Schweiz hat beschlossen, ihr zweites Jahrzehnt als UNO-Mitglied unter das Doppelthema «Reform und Sicherheit» zu stellen, indem sie sich vordringlich für die internationale Sicherheit und für die Reform der UNO einsetzt.

Frieden und Sicherheit Friedensoperationen: Mit rund 120 000 Personen in 16 Missionen sind die Friedensoperationen weiterhin ein zentraler Bereich der Tätigkeit der UNO. Im Jahr 2012 verschärften sich die Spannungen in den Diskussionen um die Friedensmissionen und verzögerten verschiedene Verhandlungen. Die Übereinstimmung von Mandat und Mitteln sowie die Höhe der Entschädigung für die entsandten Truppen sind die wichtigsten kontroversen Punkte. Die vom Sekretariat eingeleiteten Reformen zur Lösung eines
Teils dieser Probleme werden weitergeführt. Diese Bemühungen werden durch die Finanzkrise erschwert. Die Schweiz entsandte 2012 24 Armeeund Polizeiangehörige und liegt damit auf Rang 86 der Geberstaaten. Dazu kommt 1047

eine zivile Beteiligung an einzelnen Missionen. Der Bundesrat hat in seinem Armeebericht vom 1. Oktober 2010 die Absicht geäussert, mehr Schweizer Armeeangehörige für militärische Friedenseinsätze zur Verfügung zu stellen. Damit dürften sich auch die Chancen der Schweiz auf hochrangige politische Ämter bei Friedensoperationen verbessern.

Stärkung der «Civilian Capacities»: Der Bericht der hochrangigen Expertengruppe über zivile Kapazitäten in Post-Konflikt-Situationen (Civilian Capacities Review) von 2011 bildet die Grundlage für die intensivierten Anstrengungen der UNO, ihre zivilen Kapazitäten für die zivile Friedensförderung und insbesondere für den Aufbau von nationalen Institutionen in von Konflikten betroffenen Staaten zu stärken.

Dabei sollen nicht nur die Kapazitäten in den betroffenen Ländern gefördert werden, sondern auch die Reaktion des UNO-Systems als Ganzes effizienter und zeitgerechter werden. Die Schweiz unterstützt dieses Anliegen unter anderem durch die Förderung des Austausches zwischen Mitgliedstaaten, Vertretern der UNO und regionalen sowie anderen Organisationen.

Kommission für Friedenskonsolidierung: Die Schweiz setzt sich für ein koordiniertes und integriertes Vorgehen bei der Friedenskonsolidierung ein, namentlich für den Einbezug der Akteure der Entwicklungszusammenarbeit, der humanitären Hilfe und der Friedenssicherung. Zurzeit befasst sich die Kommission für Friedenskonsolidierung mit Burundi, Guinea-Bissau, der Zentralafrikanischen Republik, Sierra Leone, Liberia und Guinea Conakry. Seit 2009 hat die Schweiz den Vorsitz der BurundiKonfiguration inne. Ziel ist, Burundi bei der Umsetzung des Friedensprozesses und der Transition zu einer nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen. Im Oktober 2012 fand in Genf eine Konferenz zur nationalen Armutsbekämpfungsstrategie in Burundi statt.

UNO-Sicherheitsrat: Angesichts der anhaltenden Blockade in der Reform des Sicherheitsrats unterstützt die Schweiz eine Zwischenlösung, welche die Schaffung einer neuen Kategorie nichtständiger Sitze mit verlängerter Mandatsdauer vorsieht.

Eine Erweiterung des Rats soll den heutigen geopolitischen Realitäten Rechnung tragen, sich aus Effizienzgründen aber auf wenige neue Sitze beschränken. Das Interesse der Schweiz gilt weiterhin der Reform der Arbeitsmethoden des Rates. Die Schweiz hat im
Rahmen der «Small Five Group»10 darauf hingearbeitet, erhöhte Transparenz und einen verbesserten Einbezug der Gesamtheit der UNO-Mitgliedstaaten in die Arbeit des mächtigsten Entscheidungsorgans der UNO zu erwirken.

Nun soll die Basis erweitert und in einer neuen, grösseren Gruppe gleichgesinnter Staaten weitergearbeitet werden, um den Anliegen zusätzliches politisches Gewicht zu verleihen. Im Kampf gegen die Straflosigkeit hat die Schweiz eine Initiative lanciert, mit der der Sicherheitsrat aufgefordert werden soll, Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof zu überweisen.

Terrorismusbekämpfung: Die Schweiz gehört zu den stärksten Förderern der Globalen Strategie der UNO zur Bekämpfung des Terrorismus. Mit verschiedenen Initiativen trägt sie zu einer ausgewogenen Umsetzung der vier Pfeiler der Strategie bei: Verminderung der Ursachen, die zu Terrorismus führen können, Verhinderung und Bekämpfung des Terrorismus, Aufbau staatlicher Kapazitäten sowie Schutz der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit bei der Terrorismusbekämpfung. Als Anerkennung ihres Engagements nahm die Schweiz im Beratenden Ausschuss des 10

Costa Rica, Jordanien, Liechtenstein, Schweiz, Singapur

1048

neuen UNO-Zentrums für Terrorismusbekämpfung Einsitz, dem nur 22 Staaten angehören und der über Programme zur Umsetzung der Globalen Strategie beschliesst. Zusammen mit anderen Staaten hat die Schweiz ihre Unterstützung für die 2010 von der UNO gestarteten Initiative zur besseren regionalen Umsetzung der Globalen Strategie fortgesetzt. Seit September 2011 ist die Schweiz Gründungsmitglied des von den USA initiierten Globalen Forums zur Bekämpfung des Terrorismus (Global Counterterrorism Forum GCTF). Der Departementschef EDA hat die Schweiz im Berichtsjahr an zwei Ministertreffen des Forums vertreten, im Mai in Istanbul und im Dezember in Abu Dhabi, wo das Memorandum von Algier verabschiedet wurde. Das Memorandum von Algier enthält eine Reihe von Massnahmen für den Kampf gegen Terrorismusfinanzierung. Es behandelt überdies Fragen im Zusammenhang mit Geiselnahmen und verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, von Lösegeldzahlungen abzusehen. Um die Zusammenarbeit des GCTF mit den Tätigkeiten der UNO und anderen internationalen und regionalen Organisationen zu koordinieren und zu verbessern, organisierte die Schweiz im Februar 2012 in Interlaken eine internationale Konferenz zwischen den Mitgliedstaaten des Forums, der UNO, der EU und neun regionalen Organisationen.

Sanktionen gegen Al-Qaïda: Die Schweiz spricht sich für effektive Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates gegen Al-Qaïda aus. Zusammen mit gleichgesinnten Staaten setzt sie sich gleichzeitig seit mehreren Jahren dafür ein, dass im Rahmen dieser gezielten Sanktionen die Verfahrensrechte der von den Sanktionen betroffenen Personen besser eingehalten werden. Sie unterstützt dabei namentlich die 2009 geschaffene Ombudsstelle, an welche sich Betroffene für eine Streichung von der Sanktionsliste wenden können. Trotz dieser Ombudsstelle sind nach wie vor Beschwerden vor nationalen und europäischen Gerichten gegen diese Sanktionen hängig. Zusammen mit der Gruppe der gleichgesinnten Staaten hat die Schweiz dem Sicherheitsrat daher im November 2012 erneut Vorschläge unterbreitet, wie die Verfahrensrechte der Betroffenen sowie das Mandat der Ombudsstelle gestärkt werden können.

Menschenrechte UNO-Menschenrechtsrat: Die Schweiz bewertet die Arbeit des UNO-Menschenrechtsrats im Jahr 2012 positiv. Seit den Umwälzungen in Nordafrika und im Nahen Osten anfangs
2011 entwickelten sich die Diskussionen im Rat konstruktiv. Mit einer Sondertagung zu Syrien, der Schaffung zweier neuer Sonderberichterstatter zu Eritrea und Weissrussland und der Aufnahme von Diskussionen über Südsudan und Mali hat der Rat gezeigt, dass er in der Lage ist, auf schwere Menschenrechtsverletzungen rasch und angemessen zu reagieren.

Die Schweiz ist seit 2010 Mitglied des Menschenrechtsrats. Sie bemüht sich bei jeder ordentlichen und jeder ausserordentlichen Tagung, ihre prioritären Themen einzubringen und die Debatten zugunsten der Opfer zu beeinflussen. Die überregionale Natur der Schweizer Initiativen erweist sich als höchst vorteilhaft. Die Schweiz hat im Berichtsjahr zwei erfolgreiche Initiativen in den Rat gebracht: Einerseits unterstützte sie während der 19. Session die Malediven, Costa Rica, Uruguay, Marokko und Slowenien in der Schaffung eines neuen Sonderberichterstatters zu Menschenrechten und Umwelt. Anlässlich der 20. Session verabschiedete der Rat nach anfänglichem Widerstand im Konsens eine von der Schweiz, Costa Rica und der Türkei eingebrachte Resolution zum Schutz der Menschenrechte bei friedlichen Protesten. Der Sonderberichterstatter für friedliche Demonstrations- und Versamm1049

lungsfreiheit wird bis März 2013 einen Bericht verfassen, der Beispiele verschiedener Länder im Umgang mit friedlichen Demonstrationen aufzeigt. Während der 21. Session des Menschenrechtsrates wurde Carla del Ponte als Mitglied der internationalen Untersuchungskommission für Syrien ernannt. Die Schweiz präsentierte auch ihre Resolution zu «Human Rights and Transitional Justice». Dieses Jahr lag der Fokus der Resolution auf den unterschiedlichen Situationen und Bedürfnissen der Geschlechter in Transitionsprozessen. Diese Resolution beauftragte die Hochkommissarin und den im letzten Jahr von der Schweiz und Argentinien neu geschaffenen Sonderberichterstatter für Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantie der Nichtwiederholung, einen Bericht zur genannten Thematik zu unterbreiten. Schliesslich legte die Schweiz im Rahmen der zweiten allgemeinen regelmässigen Überprüfung im Oktober 2012 ihren zweiten Staatenbericht vor (s.

Ziff. 2.2.4).

3. Ausschuss der UNO-Generalversammlung: Die Schweiz setzte sich für ihre prioritären Themen ein und engagierte sich für die entsprechenden Resolutionen: Abschaffung der Todesstrafe (mit der Forderung eines weltweiten Moratoriums), Folterverbot, aussergerichtliche Hinrichtungen (mit der Frage der Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Personen als Bestandteil der entsprechenden Resolution), Menschenhandel, Rassismus, Religionsfreiheit, Kinderrechte sowie Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Ein besonderes Augenmerk galt der Verteidigung der Frauenrechte, die derzeit von verschiedener Seite unter Druck geraten.

UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte: Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte hat seit dem UNO-Weltgipfel 2005 eine Wachstumsphase hinter sich, während derer sich das reguläre Budget verdoppelte. Nach wie vor knapp zwei Drittel seines Budgets setzen sich jedoch aus freiwilligen Beiträgen der Mitgliedstaaten zusammen. Dies setzt das Hochkommissariat der Kritik aus, dass es im Sold der überwiegend westlichen Geldgeber steht. Gewisse Staaten des Südens setzen sich deshalb dafür ein, das Hochkommissariat einer stärkeren Kontrolle durch den Menschenrechtsrat unterzuordnen und so im intergouvernementalen Rahmen grösseren Einfluss auf thematische Prioritäten, Ländereinsätze und personelle Zusammensetzung des
Hochkommissariats zu nehmen. Die Schweiz als Gastland des Hauptsitzes und als einer der fünfzehn grössten Geldgeber befürwortet die Unabhängigkeit des Hochkommissariats vehement, bemüht sich aber auch darum, dieses zu einer transparenteren und strategischeren Kommunikation mit den Staaten zu bewegen.

Management und Finanzierung der UNO Im Rahmen der Reform des UNO-Sekretariats wurden in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bereichen Fortschritte erzielt. Das Sekretariat setzte ein neues UNOinternes Justizsystem, eine Ethikstelle und einen unabhängigen beratenden Ausschuss für Rechnungsprüfung ein. Dadurch konnten wichtige Aspekte des Personalmanagements im UNO-System harmonisiert werden. Diese Fortschritte sind zwar erfreulich, aber es bleibt noch viel zu tun, allein schon zur Umsetzung der bereits gefassten Beschlüsse. Die Schweiz ist sehr aktiv im 5. Ausschuss der UNO-Generalversammlung, der sich mit Management- und Budgetfragen der UNO befasst. Sie steht voll und ganz hinter den geplanten Managementreformen, die für die Bekräftigung einer starken, modernen und effizienten UNO unerlässlich sind. Die Schweiz ist seit Jahren bemüht, die Diskussion über moderne und effiziente Managementmethoden zu versachlichen und deren Vorteile aufzuzeigen. Sie strebt einen transparen1050

teren, strategiegeleiteten und ergebnisorientierten Budgetprozess der UNO an. Die Schweiz unterstützt auch die Vorhaben in den Bereichen UNO-interne Rechtspflege, Stärkung der internen Kontrollsysteme, Rechenschaftspflicht und Umsetzung der Personalverwaltungsreformen. Auch in der Genfer Gruppe, einem Koordinationsmechanismus der sechzehn wichtigsten Beitragszahler der UNO, setzt sich die Schweiz für diese prioritären Ziele ein. Die Schweiz achtet zudem darauf, dass die Finanzreformen die ausgewogene geografische Verteilung der UNO-Standorte nicht in Frage stellen, indem der Standort Genf über Gebühr gefährdet wird.

Mit einem Beitragssatz von 1,13 % gehört die Schweiz zu den grossen Beitragszahlern der UNO (Rang 16). 2011 beliefen sich die Pflichtbeiträge auf 130 Millionen Franken. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise besteht eine Tendenz zu einem verlangsamten Wachstum des UNO-Budgets. Im Dezember 2011 beschlossen die Mitgliedstaaten zum zweiten Mal in der Geschichte der Organisation eine Senkung des Zweijahresbudgets gegenüber dem Vorjahr (5,125 Mrd. Dollar für 2012­2013).

Die Schweiz als Gaststaat internationaler Organisationen Die Schweiz verfügt über eine langjährige Tradition als Gaststaat internationaler Organisationen. Von den 24 Organisationen, mit denen die Schweiz ein Sitzabkommen abgeschlossen hat, befinden sich einundzwanzig in Genf, zwei in Bern und eine in Basel. Genf ist neben New York eines der beiden grossen Zentren der multilateralen Zusammenarbeit. Die Zahl der in Genf vertretenen Staaten (170 ständige Missionen waren es 2012) belegt die Anziehungskraft des «internationalen Genf». Damit verleiht Genf der Schweiz ein ausserordentliches politisches Gewicht und spielt bei der Umsetzung der Ziele der Schweizer Aussenpolitik eine wesentliche Rolle.

Die Gaststaatpolitik der Schweiz stützt sich auf verschiedene Instrumente, insbesondere das Gaststaatgesetz vom 22. Juni 200711 und die Gaststaatverordnung vom 7. Dezember 200712 sowie die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) und den Gaststaatkredit.

Die Schweiz bleibt jedoch mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert, wie etwa zunehmende internationale Konkurrenz (wie der Fall des Green Climate Fund gezeigt hat, wo der Genfer Kandidatur kein Erfolg beschieden war), Universalität, angespannter
Immobilienmarkt und materielle Forderungen. Was die Renovationen anbelangt, ist die Schweiz mit neuen Erwartungen konfrontiert, da die grosse Mehrheit der internationalen Organisationen (IO) über unzureichende finanzielle Reserven verfügen. Angesichts dieser Situation sucht die Schweiz nach innovativen Lösungen.

Derzeit werden verschiedene Optionen geprüft. Die Schweiz wird nicht von ihrer Haltung abweichen, wonach der Gebäudeunterhalt Sache der Eigentümer (d.h. der entsprechenden IO) sind. Zur Verbesserung der Gaststaatpolitik haben der Bund und der Kanton Genf ein Memorandum of Understanding bezüglich Funktionsweise der «ständigen gemischten Arbeitsgruppe Bund­Kanton Genf über die Prioritäten des internationalen Genf» (GPC) unterzeichnet. Mit der Unterzeichnung dieser Absichtserklärung wird bekräftigt, dass die Entwicklung des internationalen Genf für den Bundesrat eine Priorität darstellt. Die Verschlechterung der Sicherheit des internationalen Genf im Berichtsjahr veranlasste den Bund und den Kanton Genf, diese Frage im Rahmen der GPC gemeinsam aufzugreifen. Im August 2012 sprach sich der Bundesrat für eine Erhöhung des finanziellen Beitrags des Bundes an den Kanton Genf für die 11 12

SR 192.12 SR 192.121

1051

Sicherheit des internationalen Genf aus. Die Beitragserhöhung kommt der Groupe diplomatique der Genfer Polizei zugute. Gleichzeitig sprach sich der Bundesrat auch für eine Neuverhandlung des Bundesbeitrags an den Kanton Genf für den Schutz der diplomatischen Einrichtungen auf dessen Kantonsgebiet aus.

Präsenz der Schweiz in den internationalen Organisationen Die Schweiz wurde seit ihrem Beitritt zur UNO in den repräsentativen Organen des UNO-Systems und in den anderen internationalen Organisationen immer respektiert.

Sie gilt allgemein als kompetent, engagiert und glaubwürdig. Im Jahr 2012 äusserte sich die Präsenz der Schweiz in den repräsentativen Organen insbesondere durch ihre Kandidatur für den Menschenrechtsrat für die Periode 2016­2018, die der Gruppe der westeuropäischen und anderen Staaten (WEOG) im Juli 2012 offiziell unterbreitet wurde, und durch ihr erstes Mandat als Aktivmitglied des Wirtschaftsund Sozialrats (ECOSOC). Bei den hohen Positionen, die neu von Schweizerinnen und Schweizern besetzt werden, sind die Aufnahme der Tätigkeit von Walter Kälin im UNO-Menschenrechtsausschuss und der Beginn des zweiten fünfjährigen Mandats von Luzius Caflisch in der UNO-Völkerrechtskommission zu erwähnen. Zwei weitere Schweizer wurden in hochrangige Ämter gewählt, die sie im Januar 2013 antreten werden: Hans-Jörg Bannwart wurde in den Unterausschuss zur Verhütung von Folter gewählt, und Pascal Clivaz wird das Amt des Stellvertretenden Generaldirektors des Weltpostvereins bekleiden.

Mit der Bereitstellung und Förderung qualifizierten Schweizer Personals verleiht die Schweiz nicht nur ihrem Engagement erhöhte Sichtbarkeit, sondern sie entspricht damit auch der Nachfrage des UNO-Sekretariats und anderer internationaler Organisationen nach leistungsfähigen und fachlich geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten. Die UNO unterscheidet dabei zwischen Stellen, die international ausgeschrieben werden und einen Universitätsabschluss voraussetzen (Professionals), und solchen, die durch Lokalpersonal vor Ort besetzt werden (General Service). Im Januar 2012 waren insgesamt 1801 Schweizerinnen und Schweizer bei internationalen Organisationen im Einsatz, davon 1229 im UNO-System. Der Frauenanteil lag insgesamt bei 47 %. Es gibt insgesamt 75 Schweizer Direktorinnen und Direktoren bei internationalen Organisationen
(+ 2 im Vergleich zum Vorjahr), was einem Gesamtanteil von 1,6 % entspricht. Dies ist gemessen an den Schweizer Beitragszahlungen und der Grösse des Landes überdurchschnittlich. Der Frauenanteil auf der Stufe der Direktoren liegt bei 21,3 %. Der Anteil der Schweiz am Gesamtbestand aller Stellen bei internationalen Organisationen liegt mit 1,1 % auf Vorjahresniveau und entspricht in etwa den finanziellen Beiträgen der Schweiz und der Grösse des Landes. Jedoch ist die Schweiz in den höchsten Kaderpositionen, das heisst auf Stufe Under-SecretaryGeneral und Assistent Secretary-General, unterrepräsentiert. Deshalb hat sie die feste Absicht, ihre Präsenz auf diesen Positionen zu erhöhen.

1052

Schweizer Personal in internationalen Organisationen13 alle Stellen

international rekrutiertes Personal

UNO-Sekretariat

742 2,1 % aller Stellen

119 75 Frauen, 44 Männer

6 0 Frauen, 6 Männer

UNO-System insgesamt

1229 1.0% aller Stellen

450 227 Frauen, 223 Männer

42 13 Frauen, 29 Männer

andere Organisationen

572 1,4 % aller Stellen

290 85 Frauen, 192 Männer

33 3 Frauen, 29 Männer

alle internationalen Organisationen

1801 1,1 % aller Stellen

740 312 Frauen, 415 Männer

75 16 Frauen, 58 Männer

2.3.3

Direktoren

Globale Themen

Bildung, Forschung, Innovation und Bereich Raumfahrt Als eines der fortschrittlichsten Länder in den Bereichen Forschung und Innovation trägt die Schweiz dazu bei, Lösungen für eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung und zur Bewältigung globaler Probleme zu entwickeln.

Der Sektor Bildung, Forschung und Innovation (BFI) hat im Rahmen der Zielerreichung in der Schweizer Aussenpolitik eine sehr hohe Bedeutung.

Die BFI-Botschaften 2008­2011 und 2012 des Bundesrates sowie die internationale Strategie der Schweiz im BFI-Bereich von 2010 sehen vor, die traditionell auf Europa und die USA konzentrierte bilaterale Zusammenarbeit mit spezifischen aussereuropäischen Ländern besonders zu festigen. Aktuell sind dies die BRICSLänder, Japan und die Republik Korea. Mit jedem dieser Länder wurden bilaterale Rahmenabkommen abgeschlossen. Das 2009 unterzeichnete Abkommen mit Brasilien ist nach seiner Ratifizierung durch Brasilien im Frühjahr 2012 in Kraft getreten.

Das Abkommen mit Russland wurde im Dezember 2012 vom Vorsteher des EDI unterzeichnet. Bei mehreren bilateralen Kooperationsprogrammen, die aus bilateralen Rahmenabkommen hervorgingen, läuft die erste Umsetzungsperiode aus. Verhandlungen über eine Weiterführung sind abgeschlossen oder noch im Gange.

Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ist die Schweiz aufgrund langfristiger Investitionen in Forschungspartnerschaften zwischen schweizerischen Institutionen und Partnerinstitutionen in den Entwicklungsländern wissenschaftlich weltweit gut vernetzt. Im Einklang mit der neuen Strategie der Schweiz für die internationale 13

Quelle: Erhebung der Abteilung Vereinte Nationen und internationale Organisationen des EDA, Daten vom 1.1.2012. Nicht alle Organisationen haben Angaben zur Geschlechterverteilung ihres Personals gemacht, deshalb können die Gesamtzahlen von der Summe der beiden geschlechtsspezifischen Zahlen abweichen.

1053

Zusammenarbeit 2013­2016 fokussiert die Forschungszusammenarbeit auf die Lösung globaler Probleme, die vor allem die armen Länder betreffen. Im Jahr 2012 haben die DEZA und der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) ein gemeinsames Programm für Forschung zu globalen Fragen (Swiss Programme for Research on Global Issues for Development) lanciert. Das Programm soll Forschung fördern, die partnerschafts- und exzellenzorientiert ist und eine inter- oder transdisziplinäre Ausrichtung hat. Im Zentrum steht die Entwicklung neuer Erkenntnisse und innovativer Lösungen in und mit Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika mit dem Ziel, diese für eine nachhaltige Entwicklung in den armen Ländern nutzbar zu machen. Das über die Eidgenössische Stipendienkommission für ausländische Studierende (ESKAS) abgewickelte Stipendienprogramm für diplomierte (postgraduierte) ausländische Studierende wurde 2012 geografisch stark erweitert. Das Angebot für das Studienjahr 2013­2014 richtet sich neu an über 160 Länder (vormals 78).

Auf multilateraler Ebene engagierte sich die Schweiz insbesondere für die Beachtung des Kriteriums der wissenschaftlichen Exzellenz im Selektionsprozess im Rahmen der Initiative der Europäischen Union im Bereich neuer und zukünftiger Technologien («FET­Flaggschiff-Initiative»), bei dem im Jahr 2013 unter sechs bereits vorselektionierten Projekten zwei Projekte für Forschungspartnerschaften ausgewählt werden. Schweizer Forschungsgruppen nehmen an fünf dieser sechs Projekte teil. Bei drei der Projekte haben die ETH die Gesamtkoordination bzw. die wissenschaftliche Koordination inne, was einen bemerkenswerten Erfolg auf europäischer Ebene darstellt. Für die beiden Projekte, die schliesslich das Rennen machen werden, wird ab 2013 eine Finanzierung von jährlich bis zu je 1 Milliarde Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren in Aussicht gestellt.

Die Schweiz ist an den Arbeiten und wissenschaftlichen Entdeckungen der Europäischen Organisation für Teilchenphysik (CERN) eng beteiligt. Die Meldung vom 4. Juli 2012, mit der die Beobachtung eines neuen Teilchens verkündet wurde, das mit dem Higgs-Boson-Teilchen konsistent ist, wird in die Annalen des CERN eingehen, auch wenn die formelle Identifizierung der genauen Eigenschaften des neuen Teilchens noch aussteht. Als
einer der Sitzstaaten des CERN trägt die Schweiz eine besondere Verantwortung für das gute Funktionieren der Organisation. In diesem Zusammenhang initiierte sie gemeinsam mit dem anderen Sitzstaat Frankreich einen Resolutionsentwurf, der dem CERN Beobachterstatus in der UNO-Generalversammlung zuweist.

Die Schweiz übernahm am 20./21. November 2012 anlässlich der Ministerratstagung in Neapel (Italien) gemeinsam mit Luxemburg das Co-Präsidium der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Das Co-Präsidium dieser zwischenstaatlichen Organisation mit 20 Mitgliedstaaten dauert bis 2015 und ist eine Premiere für unser Land. Die Schweiz unterstreicht damit ihr Engagement für die Unabhängigkeit Europas im Weltraum, für die Weltraumwissenschaften und -technologien und für die Entwicklung von Anwendungen mit Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Die Schweiz wird sich im Rahmen ihres Mandats dafür einsetzen, dass sich die an der Ministerratstagung in Neapel eingegangenen Verpflichtungen auf strategischer, finanzieller und programmatischer Ebene in Investitionen in diesen Sektor mit hoher Wertschöpfung für den europäischen Kontinent niederschlagen. Die Schweiz wird sich für den Fortbestand des zwischenstaatlichen Charakters der ESA einsetzen und ihre Beziehungen zu den europäischen Mitgliedstaaten der ESA intensivieren.

Schliesslich hat sie sich zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche Exzellenz und die 1054

technologische Innovation im Raumfahrtbereich zu fördern. Dies entspricht auch einem Anliegen der Universitäten und der schweizerischen Weltraumindustrie.

Im Ausschuss der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraums (UN COPUOS) beteiligt sich die Schweiz weiterhin aktiv an den Arbeiten, welche die langfristige Tragfähigkeit der Weltraumtätigkeiten garantieren sollen.

Umwelt Biodiversität Im Bereich der zahlreichen internationalen Instrumente und Übereinkommen zur Erhaltung und zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität ist es der Schweiz ein Anliegen, Synergien besser zu nutzen. So soll der Strategieplan 2011­2020, der im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) entwickelt wurde, als Masterplan für alle relevanten Instrumente und Übereinkommen gelten.

Diese Thematik war ein wichtiger Diskussionspunkt an der elften Vertragsstaatenkonferenz des CBD im Oktober 2012. Daneben hat die Schweiz wiederholt die Bedeutung eines raschen Inkrafttretens des 2010 beschlossenen Protokolls von Nagoya14 betont, da es die Rechtssicherheit bei der Verwendung von genetischen Ressourcen ermöglicht. Dabei ist es wichtig, die Entwicklungsländer bei der Umsetzung des Protokolls zu unterstützen. Umstrittenstes Thema bleibt die Strategie zur Mobilisierung der notwendigen Finanzmittel, damit die Ziele des Strategieplans 2011­2020 umgesetzt werden können. An der Vertragsstaatenkonferenz des CBD wurde entschieden, dass die internationale Finanzierung für die Biodiversität bis 2015 verdoppelt werden soll. Für die Schweiz ist dies ein Richtwert, sie verfolgt jedoch weiterhin das Ziel, ihre Beiträge bis 2020 zu erhöhen.

Im Berichtsjahr wurde zum ersten Mal in der über 60-jährigen Geschichte des Internationalen Übereinkommens zur Regelung des Walfangs dessen Organ, die Internationale Walfangkommission, von der Schweiz präsidiert. Die Diskussionen haben sich dabei unter dem Vorsitz der Schweiz versachlicht. Trotzdem verbleiben grosse Differenzen zwischen Staaten, die sich gegen den Walfang aussprechen, und jenen, die eine Nutzung der Walbestände befürworten.

Klimawandel Die Klimakonferenz in Durban (Südafrika) schloss im Dezember 2011 mit dem Beschluss, bis Ende 2015 ein neues Klima-Abkommen zu verhandeln, das ab 2020 für alle Staaten verbindliche Verpflichtungen vorsieht. Damit sollen fortan
auch die stark wachsenden Schwellenländer zu Emissionsreduktionen verpflichtet werden. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls galt dies, mit Ausnahme der USA, nur für die traditionellen Industriestaaten. Es handelt sich dabei um die grösste Herausforderung der internationalen Klimapolitik, da die bestehenden Instrumente keine konkreten Reduktionsverpflichtungen für alle Staaten vorsehen. Um dem Klimawandel effektiv zu begegnen, müssen jedoch alle Staaten verbindlich zu Reduktionen verpflichtet werden, dies unter Beachtung ihres Anteils an den Treibhausgasemissionen, ihren eigenen Kapazitäten zum Handeln sowie ihrem Vermögen, andere zu unterstützen.

14

Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile (NagoyaProtokoll).

1055

Für die Übergangsphase bis 2020 wurde neu ein unverbindliches Pledge & ReviewSystem etabliert. Dieses ist freiwillig und bietet den Ländern grosse Flexibilität bei der Verminderung ihrer Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig gewährleistet es gegenseitige Transparenz. Eine Grosszahl von Staaten (verantwortlich für ca. 80 % der Weltemissionen) haben bisher in diesem Rahmen Reduktionsmassnahmen bis 2020 angekündigt. Zudem wurde anlässlich der Klimakonferenz in Doha (Katar) vom Dezember 2012 für die Zeit bis 2020 eine zweite Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll beschlossen. Mit dieser gehen die Schweiz sowie Australien, die EU, Island, Kasachstan, Kroatien, Liechtenstein, Monaco, Norwegen, die Ukraine quantifizierte Reduktionsverpflichtungen ein. Die entsprechenden nationalen Ratifikationsverfahren werden möglichst schnell in Angriff genommen.

An der Klimakonferenz 2011 in Durban wurde auch die Operationalisierung des 2010 in Cancùn geschaffenen Grünen Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) beschlossen. Der GCF soll mittelfristig jährlich Gelder im Umfang eines zweistelligen Milliardenbetrags verwalten. Mit diesen Mitteln sollen Klimamassnahmen in den Entwicklungsländern finanziert werden. Die Schweiz hat im Frühjahr 2012 ihre Kandidatur zur Beherbergung des Sekretariats des GCF in Genf eingereicht. Konkurrenzofferten lagen vor aus Deutschland (Bonn), Mexiko (Mexico City), Namibia (Windhuk), Polen (Warschau) sowie der Republik Korea (Songdo bei Seoul). Die technische Bewertung der Kandidaturen bestätigte die ausgezeichnete Qualität des Genfer Dossiers, das in allen Punkten Höchstwerte erzielte. Die erste Sitzung des Exekutivrates des GCF fand Ende August 2011 auf Einladung der Schweiz in Genf statt. Dabei wurde auch ein Wahlverfahren bestimmt, das ­ zu Ungunsten der Schweiz ­ anschliessend ein regionalpolitisch bestimmtes Verhalten im Rat förderte.

An seiner zweiten Sitzung in Songdo (Republik Korea) sprach sich der Exekutivrat dafür aus, dass der Sitz künftig in dieser Stadt liegen soll. Der Sitzentscheid wurde an der Vertragsstaatenversammlung der UNO-Klimakonvention im Dezember 2012 in Doha formell bestätigt.

Chemikalien und Abfälle An der dritten internationalen Chemikalienkonferenz im September 2012 engagierte sich die Schweiz einmal mehr stark im Hinblick auf die Gestaltung und Umsetzung
einer globalen Chemikalienstrategie (Strategic Approach to International Chemicals Management, SAICM). SAICM soll bis 2020 einen sicheren und nachhaltigen Umgang mit Chemikalien gewährleisten. Die Schweiz verfolgt dabei einen sektorübergreifenden Ansatz und setzt sich weiter für den Einbezug von Privatsektor und Zivilgesellschaft ein. Bis 2013 soll überdies eine internationale Quecksilberkonvention ausgearbeitet werden. Diese soll den Umgang mit der hochtoxischen Substanz regeln. Zu diesem Zweck ist für Januar 2013 eine letzte und damit wichtige Verhandlungsrunde in Genf vorgesehen.

Gewässer und Wald Die Schweiz hatte den Vorsitz des Übereinkommens zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (Wasserkonvention der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa) inne. Sie verstärkte die Zahl der Vorstösse in den internationalen Foren (Weltwasserforum, Weltwasserwoche in Stockholm, EGF-Treffen in Afrika usw.), um dieses gesamteuropäische Übereinkommen und dessen zahlreiche Erfolge bekannt zu machen und damit auch über Europa hinaus Interesse zu erzeugen. Dank einem von der Schweiz eingebrach1056

ten Zusatzartikel dürfte das Übereinkommen 2013 zu einer globalen Konvention werden.

Im Zuge eines Entscheids der europäischen Forstminister von 2011 wurden die Arbeiten zur Aushandlung eines gesamteuropäischen Waldübereinkommens aufgenommen und eine Arbeitsversion diskutiert. Die Unterzeichnung der Konvention ist auf Ende 2013 geplant.

Verkehr Im Bereich Verkehr liegt die Priorität der schweizerischen Aussenpolitik bei den bilateralen Beziehungen mit den Nachbarstaaten und der EU.

Am 4. September 2012 konnte nach mehreren Verhandlungsrunden ein Vertrag über die An- und Abflüge auf den Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet unterzeichnet werden. Bei diesem Abkommen handelt es sich um einen Kompromiss, welcher die Gefahr von einseitigen Massnahmen durch Deutschland bannt. Der Vertrag setzt der jahrelangen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Schweiz in der Fluglärmfrage ein Ende und erlaubt es, die bilateralen Beziehungen zu unserem deutschen Nachbarn wieder zu verbessern. Der Ratifikationsprozess wurde in beiden Ländern begonnen. Im November 2012 verlangte Verkehrsminister Ramsauer noch offene Fragen zur Interpretation des Abkommens zu klären.

Mit dem Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) stellt die Schweiz eine leistungsfähige Infrastruktur bereit und treibt damit den Ausbau des Schienenkorridors Rotterdam-Genua voran. Die Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels ist auf Ende 2016 und jene des Ceneri für 2019 geplant. Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der nördlichen und südlichen NEAT-Zulaufstrecken arbeitet die Schweiz in gemeinsamen Planungsgremien eng mit Deutschland und Italien zusammen. Am 17. Dezember 2012 haben die Schweiz und Italien eine Absichtserklärung (MoU) zum Bahnverkehr unterzeichnet, in welchem vorgesehen ist, das Profil der Bahnstrecken zwischen Chiasso und Mailand sowie auf dem italienischen Teil der Luino-Linie zwischen Ranzo und Gallarate auf vier Meter auszubauen. Zudem haben die beiden Staaten vereinbart, für den Verlad von der Strasse auf die Schiene im Güterbahnhof von Mailand den Bau eines neuen Terminals zu unterstützen. Mit diesem MoU soll zudem der grenzüberschreitende Personenverkehr verbessert werden. Um die Anbindung der Schweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz zu gewährleisten, leistet die Schweiz Kostenbeiträge an
die Arbeiten auf benachbartem Gebiet, z.B. durch A-fonds-perdu-Beiträge (Frankreich) oder durch Vorfinanzierungsbeiträge (Elektrifizierung der Strecke Lindau-Geltendorf in Deutschland). Nach der Neueröffnung der Eisenbahnlinie Haut-Bugey zwischen Genf und Paris im Jahr 2010 nahm im Dezember 2011 der TGV Rhône-Rhin auf der Strecke Basel-Paris den Betrieb auf, mit dem sich die Reisezeit deutlich verkürzt.

Die Bahnanbindung des EuroAirport Basel-Mülhausen (EAP) ist ein gemeinsames Projekt von Frankreich, Deutschland, der Schweiz sowie des EAP und der lokalen Körperschaften. Ziel ist es, den Flughafen Basel-Mülhausen bis 2018 an die Schiene anzuschliessen. Dadurch sollen dessen landseitige Verkehrsanbindung deutlich verbessert und die Entwicklung im Einzugsgebiet des Flughafens vorangetrieben werden. Eine mögliche Beteiligung an der Finanzierung der Bahnanbindung ist vor allem von der Lösung der Frage des im Schweizer Sektor des EuroAirports gültigen Rechts abhängig, um den dort tätigen Schweizer Firmen eine ausreichende Rechtssicherheit zu garantieren. Die Arbeiten am Bahnprojekt CEVA (Cornavin-Eaux1057

Vives-Annemasse), dem Kernstück des künftigen schweizerisch-französischen S-Bahn-Systems im Raum Genf, kommen seit dem Spatenstich auf schweizerischem Gebiet im November 2011 gut voran. Die Inbetriebnahme der neuen Linie ist für 2017 vorgesehen und wird zum Ausbau eines kohärenten und umfassenden Nahverkehrsnetzes beidseits der Grenze beitragen.

Energie Bilaterale Beziehungen zu Nachbarstaaten: Die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten ist aufgrund einer engen Vernetzung (grenzüberschreitende Netze und Pipelinesysteme) sehr gross. Die Schweiz hat deshalb im Jahr 2012 die Zusammenarbeit namentlich mit Deutschland, Österreich und Italien weiter intensiviert. Mit dem Bundesland Bayern wurde der Austausch zu Energiefragen initiiert, derjenige mit Baden-Württemberg wurde weitergeführt. Zudem konnte mit Deutschland und Österreich eine gemeinsame Erklärung zur engeren Zusammenarbeit im Bereich der Stromspeichertechnologie unterzeichnet werden, deren Umsetzung im Jahr 2013 konkrete Formen annehmen soll. Mit Italien wurde eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit im Energiebereich erarbeitet. Die Unterzeichnung durch die Departementsvorsteherin des UVEK ist für Ende 2012 oder Frühjahr 2013 geplant.

Bilaterale Beziehungen zu ausgewählten Partnerstaaten: Mit Russland, Griechenland und Luxemburg hat die Schweiz im Jahr 2012 Absichtserklärungen zur Intensivierung der Energiezusammenarbeit unterzeichnet. Mit China hat die Departementsvorsteherin des UVEK anlässlich ihres Besuchs im Frühjahr 2012 die Konstituierung einer bilateralen Arbeitsgruppe vereinbart, die Zusammenarbeitsbereiche identifizieren soll. Für 2013 wird eine Entscheidung über die Transportinfrastruktur für die Eröffnung des südlichen Gaskorridors erwartet. Zur Auswahl stehen das Trans Adriatic Pipeline Projekt (TAP) sowie das Projekt Nabucco-West. Die Schweiz unterstützt offiziell das TAP-Projekt, an dem die Schweizer Firma AXPO namhaft (42,5 %) beteiligt ist, und hat im Berichtsjahr mit den betroffenen Staaten diesbezüglich Gespräche geführt (Türkei, Aserbaidschan, Albanien, Italien, Griechenland).

Multilaterale Zusammenarbeit: Die Schweiz setzt sich weiterhin dafür ein, dass die Internationale Energieagentur (IEA), die Internationale Atomenergieagentur (IAEA), die Energiecharta und die Internationale Organisation für erneuerbare
Energien (IRENA) als zentrale multilaterale Energieinstitutionen an Relevanz gewinnen und weiter gestärkt werden. Im Rahmen der IAEA engagierte sich die Schweiz 2012 insbesondere für die weltweite Verbesserung der nuklearen Sicherheit und fordert, dass die IAEA Peer Reviews für die Überprüfung der Sicherheit von Kernkraftwerken und der staatlichen Aufsicht obligatorisch werden. Auf Schweizer Seite haben alle Kernkraftwerke die EU-Stresstests für die Sicherheit von Kernkraftwerken erfolgreich bestanden. Die Schweiz engagiert sich ausserdem im Rahmen der Ländergruppe «Friends of Fossil Fuel Subsidies Reform» für die Abschaffung ineffizienter Subventionssysteme für fossile Energieträger.

Entwicklungszusammenarbeit: Die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit trägt dem Thema Energie verstärkt Rechnung. Im Rahmen multilateraler Programme der Entwicklungsbanken und bilateraler Projekte trägt die Schweiz dazu bei, dass in Transitions- und Entwicklungsländern die Energie effizienter genutzt, erneuerbare Energien verstärkt eingesetzt und klimaschädliche Energieproduktionsanlagen ersetzt werden. Ein wesentlicher Teil der im Februar 2011 bewilligten zusätzlichen 1058

Mittel von 125 Millionen Franken für die Anschubfinanzierung der Schweiz unter der Klimakonvention werden für entsprechende Programme der DEZA und des SECO eingesetzt. Im Rahmen der UNO-Initiative Sustainable Energy for All sieht die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit ein verstärktes Engagement im Zugang zu modernen Energiedienstleistungen für arme Haushalte vor.

Gesundheit Im März 2012 hat der Bundesrat die neue Gesundheitsaussenpolitik verabschiedet.

Sie ersetzt die Zielvereinbarung zwischen dem EDA und dem EDI von 2006. Die neue Gesundheitsaussenpolitik definiert Ziele, zu deren Erreichung die Schweiz im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Mittel einen wesentlichen Beitrag leistet. 2012 standen insbesondere folgende Themen im Vordergrund: Engagement in der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Die zunehmenden Aufgaben und Herausforderungen sowie die gewachsene Zahl von Akteuren im Gesundheitsbereich und die Schwierigkeit, eine nachhaltige Finanzierung zu sichern, macht eine Reform der WHO erforderlich. Die Schweiz setzt sich als Mitglied des Exekutivrates (2011­2014) für den Reformprozess ein, insbesondere für eine Stärkung der WHO sowie für deren nachhaltige Finanzierung, für eine Förderung der Gesundheitssysteme und für Genf als internationale Gesundheitshauptstadt. Die Ernennung 2012 von zwei Schweizern als Berater der Generaldirektorin der WHO, namentlich für Reformfragen, ist vor diesem Hintergrund positiv zu werten.

Entwicklungszusammenarbeit und UNO-Agenda post-2015: Die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) haben noch bis 2015 Gültigkeit. Bis dahin sollen die internationalen Anstrengungen intensiviert werden, um die gesetzten Ziele in möglichst vielen Ländern und Regionen erreichen zu können. Dies gilt insbesondere für die folgenden Ziele: Reduktion der Kinder- und Müttersterblichkeit, Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen schweren Krankheiten. Dementsprechend konzentriert sich die Schweiz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere auf die Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Kindern, die Bekämpfung der wichtigsten Infektionskrankheiten und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung auf nationaler und lokaler Ebene durch strukturelle Reformen. Für die Zeit nach 2015 engagiert sich die Schweiz für die Erarbeitung einer UNO-Agenda für eine nachhaltige Entwicklung
und setzt sich dafür ein, dass Gesundheitsziele auch nach 2015 eine zentrale Rolle einnehmen und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und deren finanzielle Absicherung, wie auch die Prävention und Gesundheitsförderung für alle als Hauptziel verfolgt wird.

Verhandlungen mit der Europäischen Union EU: Seit Herbst 2008 verhandeln die Schweiz und die EU über ein Abkommen in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Produktsicherheit und öffentliche Gesundheit. Zurzeit sind die Verhandlungen stark verlangsamt, da die Parteien nach geeigneten Lösungen bei den übergeordneten institutionellen Fragestellungen suchen.

1059

2.4

Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland und internationale Zusammenarbeit im Bereich konsularische Dienstleistungen

Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland Konsularische Aufgaben Die internationale Mobilität von Schweizerinnen und Schweizern ist weiterhin im Zunehmen begriffen. Dies führt dazu, dass die Service-public-Aktivitäten des EDA und der schweizerischen Aussenvertretungen immer wichtiger werden. Die Vertretungen im Ausland sind die Ansprechpartner der Schweizer Staatsangehörigen, die im betreffenden Land ihren Wohnsitz haben oder sich vorübergehend dort aufhalten.

Damit erfüllen sie ähnliche Aufgaben wie die Gemeindeverwaltungen in der Schweiz. Darüber hinaus stellen sie die Verbindung der Auslandschweizerinnen und -schweizer zu ihrem Heimatland sicher und fördern ihre Beziehungen untereinander.

Zu den konsularischen Aufgaben der Vertretungen gehören namentlich die Immatrikulation von Schweizer Staatsangehörigen, die sich im Ausland niederlassen, die Zustellung von offiziellen Informationen, das Ausstellen von Identitätsausweisen, die Bearbeitung von Zivilstandsangelegenheiten, Fragen zur schweizerischen Staatsangehörigkeit und Sozialhilfegesuchen sowie verschiedene weitere Dienstleistungen wie die Registrierung hinterlegter Dokumente, die Ausfertigung von Bescheinigungen oder die Beglaubigung von Unterschriften. Zudem stellen die Vertretungen Visa für ausländische Staatsangehörige aus, die in die Schweiz oder in den Schengenraum reisen wollen.

Das Netz der rund 140 diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Schweiz im Ausland wurden 2010 einer umfassenden Effizienzüberprüfung unterzogen, deren Resultat die Schaffung regionaler Konsularcenter war, die jeweils für mehr als ein Land zuständig sind. Zur Sicherung einer konstanten Leistungsqualität wurden gleichzeitig flankierende Massnahmen entwickelt: die Möglichkeit der Erfassung biometrischer Daten auf Aussenvertretungen und bei kantonalen Passbüros sowie der Einsatz von mobilen Stationen für die Erfassung biometrischer Daten, konsularische Sprechtage in den Botschaften ohne Konsularabteilung und der Ausbau der Onlinebetreuung für Auslandschweizer. Von dieser Reorganisation, deren Umsetzung im Jahr 2011 begann, sind etwa 14 000 Immatrikulierte (2 % aller Auslandschweizer) und etwa 1700 Visakundinnen und -kunden (0,34 % aller Visakunden im Jahre 2011) betroffen.

Zusätzliche Erleichterungen für Schweizerinnen und Schweizer im
Ausland bringt die «Helpline» des EDA, die anfangs 2011 den Betrieb aufgenommen hat und Anfragen zu konsularischen Fachbereichen beantwortet sowie in Krisensituationen Suchmeldungen besorgter Angehöriger entgegennimmt. Nachdem anfangs pro Monat rund 1000 Anfragen beantwortet wurden, ist die «Helpline» seit Mai 2012 im 24-Stunden-Betrieb verfügbar, und Hochrechnungen zeigen, dass künftig pro Jahr zwischen 30 000 und 35 000 Anfragen eingehen werden.

Auch der konsularische Schutz, das heisst die Hilfeleistung an Schweizerinnen und Schweizer bei Notlagen im Ausland, ist eine Aufgabe, die stetig an Bedeutung zunimmt. Statistiken zeigen, dass Schweizerinnen und Schweizer pro Jahr 16 Millionen Mal ins Ausland reisen. Mit den Reisehinweisen auf der Internet-Seite des EDA wird im Sinne der Prävention die Eigenverantwortung der Reisenden gefördert. Dennoch haben die vom Konsularschutz behandelten Fälle in den letzten 1060

Jahren stark zugenommen. Gab es 2007 noch 463 neue Fälle, waren es im Jahr 2011 mit 1004 bereits mehr als doppelt so viele.

Seit Anfang Juli 2012 steht den sich vorübergehend im Ausland aufhaltenden Schweizerinnen und Schweizern die Internetplattform «Itineris» zur Verfügung, die es ihnen erlaubt, ihre Reise- und Kontaktdetails dem EDA bekanntzugeben. Im Krisenfall können sie so durch das EDA rasch lokalisiert und mittels SMS beispielsweise über eine Verschlechterung der Sicherheitslage in einem spezifischen Land informiert werden. Seit der Einführung von «Itineris» haben sich rund 17 000 Mitbürgerinnen und Mitbürger registriert.

Krisenprävention und Krisenmanagement Angesichts der weiterhin unstabilen Lage in Nordafrika und im Nahen Osten lag auch im Berichtsjahr ein Fokus des Krisenmanagements auf dieser Region. Die bürgerkriegsähnliche Situation in Syrien führte dazu, dass die Schweiz Ende Februar ihre Botschaft in Damaskus schliessen musste. Die Schweizer Staatsangehörigen in Syrien wurden dazu aufgefordert, das Land vorübergehend zu verlassen. Für den Fall einer noch wesentlicheren Verschlechterung der Situation in der ganzen Region arbeitet die Schweiz gemeinsam mit anderen europäischen Staaten an möglichen Evakuationsszenarien. In Anbetracht der zunehmenden Spannungen zwischen Israel und Iran unternahm das EDA Krisenvorsorgemissionen nach Teheran, Tel Aviv, Abu Dhabi und Dubai und führte mit den Vertretungen vor Ort Krisenübungen durch zur Unterstützung von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern im Ernstfall.

Daneben beanspruchten im Berichtsjahr fünf Entführungen von Schweizer Staatsangehörigen das Krisenmanagement und die dafür eingesetzten interdepartementalen Taskforces: Am 14. März 2012 gelang zwei Schweizer Geiseln, die in Pakistan festgehalten wurden, die Flucht aus der Geiselhaft, und im April konnten zwei Entführungsfälle in Mali und im Niger gelöst werden, in allen Fällen, ohne dass die Schweiz ein Lösegeld bezahlt hätte. Die Entführung eines Schweizers auf den Philippinen im Februar und einer Schweizerin im Jemen im März beschäftigen das Krisenmanagementzentrum des EDA indessen weiterhin. Im Zusammenhang mit der Häufung von Entführungen in den letzten Jahren (zehn Fälle seit 2009) und den mit ihrer ressourcenintensiven Bearbeitung verbundenen hohen Kosten verstärkt der Bund die
Präventionsarbeit mit gezielten Massnahmen (beispielsweise Auftritte bei Ferienmessen, Vorträge von ehemaligen Entführungsopfern in Tourismusschulen, Beiträge in Reisemagazinen) und arbeitet darauf hin, dass die Reisehinweise des EDA noch vermehrt beachtet werden. Angesichts der starken Zunahme dieser Fälle 2012 ergab sich eine öffentliche Debatte über die individuelle Verantwortung der Reisenden und die Grenzen der staatlichen Tätigkeit in solchen Fällen. Der Bundesrat erachtet diese Debatte als wichtig, trägt sie doch zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die Risiken bei, die mit Reisen in instabile Regionen verbunden sind.

Bei der Weiterentwicklung der Instrumente des Krisenmanagements wurde im Berichtsjahr vermehrt auf die Zusammenarbeit mit privaten Partnern gesetzt (Unternehmen der Reisebranche, Versicherungen, Rettungsorganisationen, Grosskonzerne), wo ein grosses Synergiepotenzial verfügbar ist. Es geht dabei darum, den Informationsaustausch zwischen öffentlichem und privatem Sektor zu intensivieren und Netzwerke zwischen den jeweiligen Sicherheitsverantwortlichen zu etablieren, um Schweizer Staatsangehörigen, unabhängig davon, ob es sich um Privat- oder Geschäftsreisende oder um im Ausland wohnhafte Bürgerinnen und Bürger handelt, in einer Krise optimale Hilfeleistung bieten zu können.

1061

Auslandschweizerbeziehungen Die Auslandschweizergemeinschaft überschritt Ende 2011 erstmals die Grenze von 700 000 Personen (703 640, +1,23 % im Vergleich zum Vorjahr). Rund 60 % davon lebten in der EU (420 653), knapp die Hälfte ist in Frankreich (183 754), Deutschland (79 050) und in den USA (75 637) niedergelassen. Ende 2011 waren 143 288 (+5,45 %) Landsleute im Ausland in einem schweizerischen Stimmregister eingetragen; dies sind gut ein Viertel der Stimmberechtigten im Ausland. 2012 konnten Auslandschweizer Stimmberechtige in zwölf Kantonen elektronisch abstimmen. Das EDA arbeitet gemeinsam mit der Bundeskanzlei daran, um künftig einer Mehrzahl von Stimmberechtigten im Ausland für Abstimmungen auf Bundesebene eine «E-Voting»-Dienstleistung zur Verfügung stellen zu können.

Im Bereich der Fürsorge waren die schweizerischen Aussenvertretungen auch 2012 zugunsten von Sozialhilfe an bedürftige Bürgerinnen und Bürger im Ausland tätig.

Dank Bundesmitteln und Kantonsbeiträgen konnten zudem im Ausland ansässige schweizerische Hilfsgesellschaften finanziell unterstützt werden. Die Rechnung der Genossenschaft Solidaritätsfonds der Auslandschweizer (Soliswiss) schloss mit einem Verlust von 1,37 Millionen Franken (31.12.2011), welcher auf Wertschriftenverluste und hohe Abschreibungen zurückzuführen ist. Der Mitgliederbestand sank von 4300 (2010) auf 3888 (2011). In der Berichtsperiode gingen drei Entschädigungsgesuche wegen Existenzverlust aus dem Libanon und den Philippinen ein.

Im Rahmen der Leistungsvereinbarung zwischen EDA und der AuslandschweizerOrganisation (ASO) wurden im Berichtsjahr unter anderem sechs Nummern der «Schweizer Revue» publiziert. Die Zeitschrift kann inzwischen auch in einer iPadVersion gelesen werden. Der Chef EDA nahm Mitte August am Auslandschweizerkongress in Lausanne teil und wies auf die Wichtigkeit hin, die der Bundesrat der Fünften Schweiz in Rahmen der schweizerischen Aussenpolitik beimisst. Ausdruck davon ist die Ausarbeitung eines Auslandschweizergesetzes, an dem derzeit eine Subkommission der staatspolitischen Kommission des Ständerats, unterstützt durch das EDA, auf der Grundlage der parlamentarischen Initiative Lombardi (11.446) arbeitet.

Internationale Zusammenarbeit im Bereich konsularische Dienstleistungen Visa Seit 2010 ist eine deutliche Zunahme der Visumgesuche
festzustellen. Dieser Trend ist vor allem auf das wirtschaftliche und touristische Interesse an der Schweiz in den grossen Schwellenländern (China, Indien, Golfstaaten und andere) sowie auf gezielte Kampagnen von Schweiz Tourismus und Osec zurückzuführen. Deshalb hat das EDA seine Ressourcen und Verfahren im Visumbereich angepasst. Aufgrund des starken Wachstums 2011 (+10 %) wird für 2012 eine weitere Zunahme der Visumgesuche um fast 12 % erwartet (mit Spitzen von 40­60 % in China, Indien und Dubai), sodass insgesamt etwa 550 000 Gesuche zu erwarten sind (2011: 500 000). Um die Kohärenz zwischen den verschiedenen Akteuren sicherzustellen, wurde die Zusammenarbeit zwischen dem EDA, Schweiz Tourismus und dem EJPD weitergeführt. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war die Einführung von Abläufen, die die erleichterte Visumerteilung an gewisse genau definierte Touristengruppen ermöglichen, insbesondere in China, Indien und Indonesien.

Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der Weiterentwicklung der Schengenphilosophie der geteilten Verantwortung. Im Jahr 2012 wurden neue Vertretungsvereinbarungen 1062

abgeschlossen, dank denen die Ausstellung von Visa, die in die Zuständigkeit der Schweiz fällt, an einen anderen Staat delegiert werden kann, wenn die Schweiz in einem bestimmten Land nicht über einen konsularischen Dienst verfügt. Das System funktioniert dabei in beide Richtungen. Die Schweiz arbeitete per 31. August 2012 mit 10 Schengenländern zusammen und vertrat ihre Interessen an 17 Standorten, während sie sich an 19 Standorten vertreten liess. Angesichts der zahlenmässigen Zunahme und des zusätzlichen Arbeitsaufwands aufgrund der Einführung des biometrischen Visums hat das EDA beschlossen, einen Teil der administrativen Aufgaben im Visumverfahren zu externalisieren und private Partner zu suchen, mit denen die Schweiz in Zukunft zusammenarbeiten wird.

Migration/Grenzen Die Schweiz beabsichtigt, Spezialistinnen und Spezialisten für die Prüfung von Reisedokumenten, sogenannte Airline Liaison Officers (ALO), ins Ausland zu schicken. Es handelt sich um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Grenzwachtkorps, die Fluggesellschaften und Schweizer Vertretungen bei der Kontrolle von Dokumenten unterstützen, die von Flugpassagieren und Visumantragsstellern vorgelegt werden. Die ersten ALO werden wahrscheinlich in Dubai, Nairobi und Pristina eingesetzt werden.

Am 1. Juni 2012 hat der Bundesrat die von Bund und Kantonen gemeinsam erarbeitete Strategie der «Integrierten Grenzverwaltung» verabschiedet. Die Strategie bildet das Dach für alle Aktivitäten von Bund und Kantonen zur Bekämpfung der illegalen Migration, des gewerbsmässigen Menschenschmuggels und der grenzüberschreitenden Kriminalität. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass legale Einreisen möglichst reibungslos erfolgen. Die entsprechenden Massnahmen sollten ab 2014 umgesetzt werden.

Konsularische Zusammenarbeit Im Bemühen um eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern unterhält das EDA zahlreiche Kontakte zu Partnern wie Deutschland, Österreich, Slowenien, den Niederlanden und Polen. Ausserhalb des Schengenraums lag ein besonderes Augenmerk auf der Entwicklung strukturierter Beziehungen. So wurden mit der Türkei und Russland Konsultationen zu konsularischen Fragen organisiert, während mit Brasilien und China entsprechende Vorarbeiten im Gange sind.

2.5

Information und Kommunikation

Das Image eines Landes ist im internationalen Standortwettbewerb ein wichtiger Faktor. Will ein Land in diesem Wettbewerb bestehen, muss es sich mittels einer der aussenpolitischen Strategie angemessenen Kommunikation Gehör verschaffen und dadurch seine Wahrnehmung aktiv beeinflussen. Das Bild der Schweiz im Ausland ist generell positiv. Häufig sind es traditionelle Elemente wie die Schweizer Natur oder Qualitätsprodukte, die diese Wahrnehmung nachhaltig prägen. Gemessen an ihrer Grösse hat die Schweiz im Ausland aber auch eine vergleichsweise hohe mediale Präsenz, die im Kontext diverser Finanz- und Steuerthemen, öffentlicher Debatten um Ausländerfragen wie auch der anhaltenden Frankenstärke im Licht einer sich verschärfenden europäischen Schuldenkrise gerade in den Nachbarländern und in den USA spürbar kritischer geworden ist. Diese eher einseitige und kritische 1063

Berichterstattung droht das Gesamtbild der Schweiz im Ausland zu beeinträchtigen.

Um dem entgegenzuwirken, ist eine kontinuierliche Wahrnehmungspflege notwendig.

Strategie der Landeskommunikation 2012­2015 Entsprechend diesem Kommunikationsbedarf hat der Bundesrat am 1. Juni 2012 die Strategie der Landeskommunikation 2012­2015 verabschiedet. Die Strategie trägt dem zunehmenden Bedarf nach einer themenbezogenen Landeskommunikation Rechnung und beruht entsprechend auf einem thematischen Ansatz. Neben den diversen Akteuren aus der Bundesverwaltung soll bei der Strategie-Umsetzung auch das Potenzial privater Akteure im In- und Ausland intensiver genutzt werden.

Instrumente der Landeskommunikation Im Bereich Monitoring und Analyse wurde im Berichtsjahr namentlich das SocialMedia-Monitoring und die Erstellung von Studien zum allgemeinen Image der Schweiz verstärkt. Bei den Promotionsaktivitäten im Ausland nahm auch 2012 die Pflege der Beziehungen zu den Nachbarländern, zur EU und den EU-Mitgliedstaaten sowie zu strategischen Partnern ausserhalb Europas wie China und den USA einen hohen Stellenwert ein. Ein wichtiges Thema war dabei die Bekanntmachung der neuen Finanzplatzstrategie der Schweiz. In Deutschland, Österreich und Brüssel wurden Symposien zu Themen wie «Schuldenbremse» und «Verkehrsinfrastrukturfinanzierung» durchgeführt. Im Rahmen der Programmreihe «Think Swiss», welche in den USA innovative Schweizer Errungenschaften und Politikansätze kommuniziert, wurde unter anderem in der New York Public Library eine Podiumsdiskussion zum Thema «Occupy Rousseau: Inequality & Social Justice» durchgeführt. Aus Anlass des Gedenkjahres von Jean-Jacques Rousseau haben Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft das Phänomen «Occupy Wall Street» in den Kontext von Rousseaus Gedankengut gestellt. Auch verschiedene von den schweizerischen Vertretungen anlässlich der jährlich weltweit durchgeführten «Fête de la Francophonie» initiierte Projekte standen im Zeichen dieser Persönlichkeit. Auf die Wissenschaft fokussierte die Ausstellung «Albert Einstein» des Historischen Museums Bern, welche in Wuhan gezeigt wurde. Damit ging die zweijährige Chinatournee der Ausstellung mit wissenschaftlicher Vortragsreihe nach Stationen in Beijing, Guangzhou und Hong Kong zu Ende.

Dem nachbarschaftlichen Dialog mit Italien zu
den Themen Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Kultur war die erste Sitzung zur Gründung des «Forum per il dialogo italo-svizzero» gewidmet. Im Forum, das ab 2013 voraussichtlich jedes Jahr alternierend in der Schweiz und in Italien tagen wird, werden je 40 hohe Vertretungen der beiden Länder Einsitz nehmen. Diese werden sich mit aktuellen zwischenstaatlichen Themen auseinandersetzen und Vorschläge zur Intensivierung der bilateralen Beziehungen zuhanden der Politik ausarbeiten. Bedeutende Plattformen für die Landeskommunikation ergaben sich 2012 auch mit dem «House of Switzerland» an den Olympischen Spielen in London und dem Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Yeosu, Südkorea, in welchem sich die Schweiz als Wasserschloss Europas präsentierte. In London konnten 250 000, in Yeosu 500 000 Besucherinnen und Besucher empfangen werden, denen die Schweiz unter den Themen Kreativität, Innovation und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen vorgestellt wurde.

Neben den Aktivitäten im Ausland wurden im Berichtsjahr gegen 600 Medienschaffende, Fachleute, Politiker sowie Studierende im Rahmen thematischer Reisen in die 1064

Schweiz eingeladen und für Schweizer Themen sensibilisiert. Unter anderem besuchten Referenten des Deutschen Bundestages die Schweiz und führten Fachgespräche zu Themen wie direkte Demokratie, Aussen- und Europapolitik und Finanzplatz. Auf anhaltend grosses Interesse stösst das duale Berufsbildungssystem der Schweiz. Die zu diesem Thema empfangenen Delegationen, unter anderem aus Grossbritannien und Südafrika, besuchten neben offiziellen Kontakten in Bern und in den Kantonen auch Ausbildungsstätten in Betrieben wie Credit Suisse, Stadler Rail, Stryker oder Fraisa. Im Weiteren wurden im Januar 2012 erstmals die «Winter Days» in Gstaad durchgeführt. Parlamentarierinnen und Parlamentarier, hohe Beamte und Diplomaten aus der Schweiz und der EU trafen sich zu Gesprächen über Forschung und Innovation. Die Anliegen der Schweiz innerhalb der EU konnten so vertieft dargelegt und wichtige Kontakte zwischen den Entscheidungsträgern geknüpft werden.

Neben den gedruckten Informationsmitteln und der landeskundlichen Webseite wurde für den «Schweizer Pavillon» an der Weltausstellung in Yeosu sowie für das «House of Switzerland» an den Olympischen Spielen in London die sozialen Medien verstärkt genutzt, wodurch ein jüngeres Publikum mit einer breiten Palette von Schweiz-bezogenen Themen erreicht werden konnte. Im «House of Switzerland» in London wurde erstmal eine Game-Lounge eingerichtet, wo Schweizer Game-Design und Spiele mit Schweizer Inhalten gezeigt wurden.

2.6

Ressourcen und Aussennetz

Das Aussennetz der Schweiz wird ständig angepasst: Globale Machtverschiebungen, die Entstehung von Wachstumsmärkten, die der Schweizer Wirtschaft neue Chancen eröffnen, die wachsende Reiselust von Schweizerinnen und Schweizern, die Unterstützung an neuen Orten erfordert, die Bedürfnisse der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, Effizienzgewinne aufgrund technologischer Fortschritte, aber auch Sparmassnahmen des Parlaments sind Faktoren, die die Gestaltung des Aussennetzes beeinflussen.

Die strategische Ausrichtung des Aussennetzes der Schweiz wird ständig evaluiert.

Dabei geht es sowohl um die zweckmässige Gestaltung ihrer weltweiten Präsenz als auch um die Tauglichkeit des Dienstleistungsangebots der einzelnen Vertretungen.

Der Bundesrat bekräftigt seinen Willen, ein starkes und universelles Netz weiterzuführen, das die prioritären Kriterien erfüllt, die im Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte 2012­2015 festgelegt wurden. Der Bundesrat hat am 25. April 2012 ergänzend zu seinen Beschlüssen vom Frühling 2011 und vom Januar 2012 über die Schaffung regionaler Konsularcenter verschiedene Synergiemassnahmen beschlossen. Dank diesen Massnahmen erreicht das EDA das Ziel, das ihm der Bundesrat im Rahmen der Aufgabenüberprüfung des Bundes gesetzt hatte, und erzielt ab 2014 jährliche Nettoeinsparungen in der Höhe von 7,1 Millionen Franken und ab 2016 Einsparungen von 9,6 Millionen Franken.

Im Jahr 2012 eröffnete die Schweiz zwei neue Botschaften in Katar und Myanmar.

Zudem wurde das Kooperationsbüro in Kirgisistan in den Rang einer Botschaft erhoben. Im Jahr 2012 wurden keine Posten geschlossen, es wurde aber angekündigt, dass die Botschaft in Guatemala (im Sommer 2013) und die Generalkonsulate in Chicago und Toronto (bis Sommer 2014) geschlossen werden.

1065

Die Zusammenarbeit im «erweiterten» Aussennetz, sei dies mit andern Departementen, sei dies mit Organisationen, die dem Aussennetz angegliedert oder in dieses integriert sind, wie die Swiss Business Hubs und Swissnex, nimmt bei den laufenden Überlegungen des EDA zum Synergie- und Modernisierungspotenzial, mit dem die Tätigkeit der verschiedenen Akteure kohärenter gestaltet werden kann, einen wichtigen Platz ein. Einerseits möchten immer mehr Akteure mit ihren eigenen Flexibilitätsbedürfnissen von den Vorteilen und der erhöhten Sichtbarkeit profitieren, die sich aus der Zugehörigkeit zum offiziellen Aussennetz der Schweiz ergeben; andererseits möchte das EDA den Betrieb des Netzes vereinheitlichen. Ziel ist es, die Sichtbarkeit der Schweiz und ihre Wirkung im Ausland zu erhöhen und gleichzeitig unter Berücksichtigung der speziellen Aufgaben und Bedürfnisse der beteiligten Akteure Synergien bei den Betriebskosten zu realisieren.

Hier ist der Fall der neuen Botschaft in Myanmar zu erwähnen: Diese Vertretung gilt als Pilotprojekt für eine integrierte Botschaft. Die Aktivitäten der internationalen Zusammenarbeit sind voll in die Botschaft integriert, und der finanzielle und administrative Support für die internationale Zusammenarbeit und die traditionelle diplomatische Tätigkeit wird zusammengelegt, sodass unnötige und kostspielige Doppelspurigkeiten vermieden werden können.

Das EDA unternahm zudem grosse Anstrengungen beim Botschaftsschutz. Hier ist das Beispiel von Tripolis von Bedeutung. Die Schweizer Botschaft in Tripolis wurde nach Beendigung des Bürgerkriegs im Oktober 2011 wieder eröffnet. Das EDA war der Ansicht, dass eine aktive Präsenz der Schweiz in Libyen für die institutionelle Entwicklung des Landes wichtig ist. Angesichts der prekären Sicherheitslage und des Unvermögens der lokalen Behörden, den Schutz der Botschaft zu gewährleisten, schlugen das EDA und das VBS dem Bundesrat vor, Spezialkräfte der Armee mit dem Schutz der Botschaft zu betrauen. Mit Bundesbeschluss vom 15. März 2012 genehmigte die Bundesversammlung den entsprechenden Entscheid des Bundesrats vom 18. Januar 2012. Das Detachement ist seit Februar 2012 in Tripolis im Einsatz.

Es schützt das Botschaftspersonal in seinen Räumlichkeiten und bei Fahrten ausserhalb der Botschaft. Es unterstützt zudem die Botschaft bei der
Optimierung ihres Sicherheitsdispositivs.

Die Sicherheitslage in Libyen bleibt angespannt. Deshalb beschloss der Bundesrat am 24. Oktober 2012, dem Parlament eine Verlängerung des Mandats ab Februar 2013 vorzuschlagen (erneuerbar nach sechs Monaten, bis Ende Januar 2014). Die entsprechende Botschaft wurde vom Parlament in der Wintersession behandelt. Der Bundesrat bewertet die Erfahrungen mit dem Schutzdispositiv des ersten Jahres als gut. Es entspricht den Anforderungen und wird aufgrund der Lageentwicklung laufend angepasst.

Die Effizienz des Aussennetzes wird regelmässig überprüft, damit die Interessen der Schweiz gemäss der aussenpolitischen Strategie und unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklungen mit den vorhandenen Mittel möglichst optimal gewahrt werden können. Das EDA bemüht sich, mit Effizienzgewinnen die nötigen Mittel freizusetzen, um neue Bedürfnisse, die sich im Aussennetz abzeichnen, zu erfüllen. Er versucht, die Schliessung von Vertretungen so weit wie möglich zu vermeiden, aber je nach Entwicklung des Bundeshaushalts können solche Schliessungen nicht ausgeschlossen werden.

1066

Anhang

Ergänzende Angaben zum Europarat Vorbemerkung Die Schweizer Schwerpunkte im Europarat sowie die wichtigsten Herausforderungen, mit denen sich die Strassburger Organisation konfrontiert sieht, werden unter Ziffer 2.2.1 des Aussenpolitischen Berichtes 2012 behandelt. Dieser Anhang enthält Zusatzinformationen zu den Hauptaktivitäten der Schweiz in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern des Europarats.

1

Ministerkomitee

An der 122. Tagung des Ministerkomitees am 23. Mai 2012 in Strassburg übergab der britische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten und CommonwealthFragen, William Hague, das Präsidium des Europarats offiziell dem Aussenminister Albaniens, Edmond Haxhinasto. An der Session nahm das Ministerkomitee Kenntnis von den Massnahmen zur Umsetzung der Erklärungen von Interlaken und Izmir, die die langfristige Wirksamkeit des Kontrollsystems der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleisten sollen. Bei dieser Gelegenheit rief es alle Beteiligten auf, die in diesen Dokumenten festgelegten Fristen einzuhalten.

Des Weiteren befasste sich das Ministerkomitee mit der Erklärung von Brighton, die an der hochrangigen Konferenz vom 19. und 20. April 2012 zur Zukunft des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einstimmig angenommen worden war, und teilte mit, dass es dieses Dokument prioritär umsetzen will. Das Ministerkomitee beauftragte zudem den Lenkungsausschuss für Menschenrechte, ihm Vorschläge und zwei Protokollentwürfe mit Änderungen der Menschenrechtskonvention zu unterbreiten.

Das Ministerkomitee zeigte sich im Weiteren erfreut über die seit der 121. Tagung ergriffenen Massnahmen zur Umsetzung der Europaratspolitik bezüglich der Nachbarregionen und namentlich über die mit Jordanien, Marokko und Tunesien vereinbarten Prioritäten für die Zusammenarbeit.

2 2.1

Menschenrechte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Im Zentrum der Aktivitäten des Lenkungsausschusses für Menschenrechte (CDDH) standen nach wie vor die Reform des EMRK-Kontrollsystems sowie der geplante Beitritt der EU zur EMRK.

Die Arbeiten an der Reform haben durch die an der Konferenz von Interlaken (Conférence de haut niveau sur l'avenir de la Cour européenne des droits de l'homme, Interlaken, 18. und 19. Februar 2010) verabschiedete Erklärung bedeutende Impulse erhalten. Nachdem bereits die Türkei 2011 eine als Folgeveranstaltung konzipierte Ministerkonferenz durchgeführt hatte, hat im Berichtsjahr auch das 1067

Vereinigte Königreich der Reform erste Priorität eingeräumt und am 19. und 20. April 2012 in Brighton eine weitere Konferenz auf Ministerebene durchgeführt.

Als wichtigste Ergebnisse sind hervorzuheben: ­

Festhalten am uneingeschränkten Individualbeschwerderecht (Absage an Zugangsbeschränkungen, insbesondere Erhebung von Gerichtskosten);

­

Unterstreichen der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Konvention und die Strassburger Rechtsprechung auf innerstaatlicher Ebene zu befolgen und die Urteile des Gerichtshofs umzusetzen;

­

Vorgabe an das Ministerkomitee, bis Ende 2013 verschiedene Texte zur Änderungen der Konvention zu verabschieden (darunter: Verankerung des Subsidiaritätsprinzips und der Doktrin des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten; Reduktion der Beschwerdefrist von heute sechs auf vier Monate; Entscheidung, ob zusätzliche Richterstellen zu schaffen sind; neue Regelung betreffend Altersgrenze der Richter);

­

Unterstreichen der Bedeutung der Qualität der Richter und der Klarheit und Kohärenz der Rechtsprechung;

­

Kapitel über langfristige Reformüberlegungen (Stichworte: Gerichtshof als europäisches Verfassungsgericht; Beschränkung des Zugangs; Ermessen des Gerichtshofs, welche Beschwerden er behandeln will).

Verschiedene (von der Schweiz teilweise unterstützte) Vorschläge haben mangels Konsens keine Aufnahme in die an der Konferenz verabschiedete Erklärung gefunden, darunter: ­

die Verankerung eines neuen Zulassungskriteriums (Kodifizierung der bereits bestehenden Praxis, wonach der Gerichtshof keine vierte Instanz ist);

­

die Schaffung des Postens eines stellvertretenden Menschenrechtskommissars (zwecks Unterstützung der Staaten, die Probleme mit der innerstaatlichen Umsetzung haben);

­

die Einführung einer Art Abwesenheitsverfahren gegenüber Staaten, die sich konstant weigern, die Urteile des Gerichtshofs umzusetzen;

­

die Einführung von Sanktionen gegen solche Staaten.

Die Ergebnisse der Konferenz sind aus Schweizer Sicht gesamthaft gesehen als positiv zu bewerten: Die Erklärung stellt eine Weiterführung und Konkretisierung des in Interlaken eingeleiteten Reformprozesses dar, mit klaren Zeitvorgaben für die Verabschiedung verschiedener Änderungen des Konventionstexts. Gleichzeitig macht die Erklärung deutlich, welche Reformmassnahmen heute und auf absehbare Zeit hin unter den 47 Mitgliedstaaten konsensfähig sind und welche nicht.

Auf der Grundlage der Erklärung hat das Ministerkomitee verschiedene Mandate zuhanden des CDDH verabschiedet, unter dessen Leitung die Folgearbeiten an die Hand genommen wurden.

Das zweite Hauptthema war der Beitritt der EU zur EMRK. Die Verhandlungen werden in einem vom Ministerkomitee neu geschaffenen Gremium, dem CDDH + 1, stattfinden, in welchem die 47 Vertreter des CDDH auf der einen und die Vertreter der Kommission auf der anderen Seite Einsitz haben. 2012 haben drei Sitzungen stattgefunden, an denen der von der früheren informellen Arbeitsgruppe

1068

ausgearbeitete Entwurf einer Beitrittsvereinbarung (Accord d'adhésion) diskutiert wurde.15

2.2

Die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Am 6. November 2012 waren beim Gerichtshof 1183 Beschwerden gegen die Schweiz hängig. 2012 (Stichtag: 6. November 2012) wurden 263 neue Beschwerden gegen die Schweiz registriert und 287 Beschwerden für unzulässig erklärt oder aus der Geschäftsliste gestrichen. In 15 dieser Fälle war die Regierung vorher zur Stellungnahme eingeladen worden. Von 51 Gesuchen um Gewährung vorsorglicher Massnahmen wies der Gerichtshof 46 ab.

Insgesamt wurden der Regierung 2012 zwölf Beschwerden neu zur Stellungnahme zugestellt. Sie betreffen im Wesentlichen das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK), das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK), das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren (Art. 6 EMRK) und den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung (Art. 8 EMRK).

Im Berichtszeitraum fällte der Gerichtshof in Schweizer Beschwerdefällen sieben Urteile. In drei Urteilen wurde mindestens eine Verletzung der EMRK festgestellt.

Die sieben Urteile waren (in chronologischer Reihenfolge)16:

15 16

­

Chambaz contre Suisse (5.4.2012): Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 EMRK (Waffengleichheit und Verbot, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, in einem Steuerhinterziehungsverfahren);

­

Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (21.6.2012): Verletzung der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 10 EMRK) infolge Verweigerung der Drehbewilligung für ein Interview innerhalb eine Strafanstalt mit einer Gefangenen;

­

Mouvement raélien suisse (13.7.2012): Keine Verletzung der Religionsfreiheit oder der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 9 und 10 EMRK) durch Nichtbewilligen einer Plakatkampagne auf öffentlichem Grund (Bestätigung des Urteils der Kammer vom 31.1.2011);

­

Nada (12.9.2012): Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf eine wirksame Beschwerde durch Aufnahme des Beschwerdeführers in den Anhang der Talibanverordnung in Umsetzung der Resolutionen 1267 (1999) und 1333 (2000) des UNO-Sicherheitsrats;

­

Kissiwa Koffi (15.11.2012): Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) durch Ausweisung einer wegen schweren Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz Verurteilten, deren Gatte und Kind in der Schweiz leben;

Sieht dazu den Aussenpolitischen Bericht 2011, BBl 2012 2897, hier 3042.

Ausführlichere Zusammenfassungen der Schweizer Fälle (und wichtiger Fälle betreffend andere Staaten) werden seit 2008 in den Quartalsberichten des Bundesamtes für Justiz publiziert (www.bj.admin.ch/bj/de/home/themen/staat_und_buerger/ menschenrechte2/europaeische_menschenrechtskonvention.html).

1069

­

Shala (15.11.2012): Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatund Familienlebens (Art. 8 EMRK) durch Ausweisung des Beschwerdeführers, der als Siebenjähriger in die Schweiz gekommen, im Erwachsenenalter hier mehrere Delikte begangen hatte, für die er zu insgesamt fünfeinhalb Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, und über enge Beziehungen zu seinem Heimatstaat verfügt;

­

Joos (15.11.2012): Keine Verletzung von Artikel 6 Absatz 1 EMRK (Recht auf ein faires Gerichtsverfahren), weil das Bundesgericht dem Beschwerdeführer zwar die Stellungnahme des EDI lediglich zur Information zugestellt hatte, dieser aber genügend Zeit hatte, eine Stellungnahme abzugeben oder zu beantragen (unbedingtes Replikrecht).

2.3 2.3.1

Diskriminierung und Rassismus Besuch des Menschenrechtskommissars in der Schweiz

Vom 20.­23. Februar 2012 besuchte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, die Schweiz. Im Mittelpunkt seines Interesses standen Politik und Praxis im Kampf gegen Diskriminierung, insbesondere in den Bereichen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Der Kommissar traf sich mit dem Vorsteher des EDA, der Vorsteherin des EJPD, dem Staatssekretär im EDA, mit den Direktoren der Bundesämter für Justiz, Polizei und Migration, den Verantwortlichen der Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und die Gleichstellung von Mann und Frau, dem Leiter der Fachstelle für Rassismusbekämpfung sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der Eidgenössischen Kommissionen für Migrationsfragen und gegen Rassismus. Darüber hinaus führte der Menschenrechtskommissar Gespräche mit Mitgliedern der Eidgenössischen Räte sowie mit kantonalen und städtischen Ombudspersonen. Vor seinen ersten offiziellen Gesprächen tauschte sich der Kommissar zudem mit Vertreterinnen und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte aus.

Bei seinen Gesprächen sprach der Menschenrechtskommissar insbesondere die Lage verletzlicher Gruppen wie Migranten, Asylbewerber und Papierlose an. Diese Gruppen würden überdurchschnittlich stark Gefahr laufen, Opfer von Diskriminierungen und von Übergriffen zu werden. Der Menschenrechtskommissar erkundigte sich nach dem Stand der Arbeiten im Hinblick auf die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Volksinitiativen mit völkerrechtlichen Bestimmungen.

In einem öffentlichen Schreiben vom 12. März 2012 fasste der Menschenrechtskommissar an den Vorsteher des EDA seine Eindrücke und Erkenntnisse aus dem Besuch zusammen und richtete eine Reihe von Empfehlungen an die Schweiz. Er spricht sich für ein allgemeines Diskriminierungsverbot auf Gesetzesstufe, die Schaffung von Ombudspersonen in allen Kantonen sowie eine bessere Dotierung der auf Bundesebene mit der Umsetzung der entsprechenden Gesetze betrauten Amtsstellen aus. Auch ruft er zur Schaffung eines institutionellen Rahmens im Bereich Menschenrechtsschutz sowie zu einem Beitritt zu verschiedenen europäischen und internationalen Menschenrechtsvereinbarungen auf.

1070

Der Vorsteher des EDA nahm am 23. März detailliert Stellung zu den Empfehlungen des Kommissars. Er hielt fest, dass der Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels eine ständige Herausforderung ist und eine stetige Suche nach angemessenen Lösungen erfordert. Er betonte, dass die Schweiz die Umsetzung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen sehr ernst nimmt und dafür über ein gut ausgebautes Instrumentarium verfügt. Er wies darauf hin, dass verschiedene der aufgeworfenen Fragen gegenwärtig Gegenstand von Beratungen und Arbeiten sind, und unterstrich die Bedeutung der demokratischen Debatte, des Subsidiaritätsprinzips und einer liberalen Gesellschaftsordnung für einen wirksamen und nachhaltigen Schutz der Menschenrechte. Die Stellungnahme wurde gemeinsam mit dem Schreiben des Kommissars auf dessen Website veröffentlicht.

2.3.2

Minderheitenschutz

Am 25. Januar 2012 hat der Bundesrat den dritten Bericht der Schweiz über die Umsetzung des Europarats-Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten verabschiedet. Der Bericht zeigt die Lage der verschiedenen nationalen Minderheiten auf und stellt die Massnahmen vor, die seit 2009 basierend auf den Ergebnissen des letzten Überwachungszyklus von Bund und Kantonen ergriffen wurden. Vom 5. bis 7. November 2012 hat eine Delegation des Beratenden Ausschusses, des Kontrollorgans für die Umsetzung der Rahmenkonvention, der Schweiz einen dreitägigen Besuch abgestattet. Zweck dieses Besuchs war es, weitere Informationen einzuholen und alle Beteiligten, Behörden, Vertreterinnen und Vertreter von Minderheiten und NGO zu treffen. Neben den verschiedenen Treffen in Bern besichtigte der Beratende Ausschuss Plätze für Fahrende im Kanton Aargau und liess sich in Biel über das Konzept der «Filière bilingue» informieren, die die Stadt in einer ihrer Schulen eingerichtet hat. Es ist vorgesehen, dass der Beratende Ausschuss an seiner Vollversammlung im März 2013 sein Gutachten zur Schweiz verabschiedet, das anschliessend der Schweizer Regierung zur Stellungnahme weitergeleitet wird.

2.3.3

Rassismusbekämpfung

Die Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR nahm am Seminar der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats für unabhängige nationale Einrichtungen zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung teil. Das Seminar fand am 31. Mai und 1. Juni 2012 in Strassburg statt und war den Herausforderungen im Zusammenhang mit den in mehreren Mitgliedstaaten lancierten Reformen zur Schaffung einer einzigen nationalen Behörde zur Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung und allgemein zum Schutz der Menschenrechte gewidmet.

1071

2.3.4

Gleichstellung von Frau und Mann

Im Rahmen der Reform der Institutionen des Europarates wurde auch die Neustrukturierung des Comité directeur pour l'égalité entre femmes et hommes (CDEG) beschlossen. Die neue Commission pour l'égalité entre les femmes et les hommes (GEC) nahm ihre Tätigkeit am 1. Januar 2012 auf. Sylvie Durrer, Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG), wurde vom Comité directeur pour les droits de l'homme (CDDH) bis 31. Dezember 2014 als Vertreterin der Schweiz in diese 16-köpfige Kommission gewählt. Als zusätzliche Funktion stellt die Vertreterin der Schweiz auch die Verbindung zwischen dem Querschnittprogramm des Europarates und den auf allen innerstaatlichen Ebenen tätigen Akteuren und Mechanismen der Gleichstellung sicher. An der ersten Sitzung der GEC, die vom 6.­8. Juni 2012 stattfand, wurde die strategische Ausrichtung der neuen Gleichstellungskommission bestimmt. Als eine ihrer ersten Aktivitäten führt die Kommission eine Machbarkeitsstudie über den Zugang von Frauen zum Recht durch. Diese Studie betreffend die Schaffung eines neuen Rechtsinstruments soll den Erfahrungsaustausch der in der Kommission vertretenen Staaten fördern und auf der Ebene des nationalen und internationalen Rechts dazu beitragen, die Hindernisse für Frauen beim Zugang zum Recht zu identifizieren, Best Practices aufzuzeigen und Empfehlungen zur Verbesserung der Situation zu formulieren. Eine zweite Aktivität betrifft die Bekanntmachung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt; eine dritte bezieht sich auf die Bekämpfung von Geschlechterstereotypen in den Medien und in der Bildung.

2.3.5

Rechte von Menschen mit Behinderungen

Die Reform des Europarats hat zur Folge, dass das Thema «Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen» neu durch das Expertenkomitee für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CS-RPD) betreut wird. Dieses Gremium löst das Koordinationsforum für den Aktionsplan des Europarates zugunsten von Menschen mit Behinderungen (CAHPAH) ab und berichtet dem Komitee für Soziale Kohäsion (CDCS).

An seiner konstituierenden Sitzung im Juni 2012 wurde beschlossen, die begonnenen Tätigkeiten zur Umsetzung des Aktionsplans des Europarats fortzusetzen und einen Schwerpunkt auf die Rechte von Jugendlichen und Kindern mit Behinderungen zu legen. 2013 wird die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben im Zentrum der Aktivitäten des Komitees stehen. Da Gleichstellung und Kultur 2012­2013 ebenfalls ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen EBGB ist, besteht von Schweizer Seite ein grosses Interesse an einer Zusammenarbeit in diesem Bereich.

2.4

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

In ihrem Postulat vom 12. Januar 2010 ersuchte die Aussenpolitische Kommission des Ständerats (APK-S) den Bundesrat, einen Bericht über die Vereinbarkeit der revidierten Europäischen Sozialcharta mit der schweizerischen Rechtsordnung und 1072

über die Zweckmässigkeit einer möglichst raschen Unterzeichnung und Ratifizierung der Charta vorzulegen. Der Ständerat überwies dieses Postulat im März 2010.

Das EDA erhielt den Auftrag, in Absprache mit den anderen interessierten Departementen einen Bericht auszuarbeiten. Bereits im November 2010 wurde ein erster Entwurf vorgelegt. Eine fachtechnische Konsultation der Kantone fand 2010­2011 statt. Der aufgrund der Stellungnahmen der Kantone überarbeitete Bericht machte deutlich, dass weitere Präzisierungen und Punkte nötig waren, um die Fragen der Vereinbarkeit der revidierten Europäischen Sozialcharta mit der Schweizer Rechtsordnung und die Zweckmässigkeit einer Ratifikation zu beantworten. Zu diesem Zweck informierte das EDA im September 2011 den Bundesrat über seine Absicht, den Bericht durch einen Wirtschaftsteil zu ergänzen und die noch offenen Fragen zur Vereinbarkeit der Charta mit der Schweizer Rechtsordnung mit dem Europäischen Ausschuss für soziale Rechte (ECSR) zu klären. Der Bericht wird dem Parlament unterbreitet, sobald diese neuen Elemente und Erläuterungen eingearbeitet wurden.

2.5

Bioethik

Im Berichtszeitraum hat der leitende Ausschuss für Bioethik (vormals CDBI, jetzt DH-Bio) insbesondere folgende Projekte vorangetrieben: Highlight war das Symposium zu «Biobanks and biomedical collections» in Strassburg vom 19. und 20. Juni dieses Jahres. Die internationale Tagung mit hochkarätigen Fachleuten lieferte wesentliche Einblicke in die gegenwärtigen Debatten und Entwicklungen im Bereich des Biobanking. Dazu gehören die Ausweitung der Zweckorientierung der Biobanken über die blosse Forschung hinaus in den gesamten Bereich der medizinischen Versorgung; die enge und bleibende Verkoppelung der Spender mit ihren Proben, was Konzepte wie jenes des dynamischen Informed consent möglich macht wie auch die laufende Information der Spender über relevante sie betreffende Ergebnisse; zugleich wurde die Notwendigkeit eines «proper expectation managements» betont, angesichts eines gewissen Hypes über die vermeintlichen Hoffnungen der biobank-gestützten personalisierten Medizin. Ziel der Veranstaltung war, die Revision der Recommendation Rec(2006)4 of the Committee of Ministers to member states on research on biological materials of human origin vorzubereiten. Ein Vertreter des BAG konnte als Repräsentant einer Competent authority an der abschliessenden Podiumsdiskussion teilnehmen.

Wesentliche Themen der nachfolgenden Vollversammlung des DH-Bio waren u.a.

die Frage, wie Multiple Listing im Bereich der Transplantationsmedizin vermieden werden kann bzw. ob es dies soll. Menschen in unbekannter, weil sehr schwer zu erhebender Anzahl lassen sich gleichzeitig auf die Transplant-Listen mehrerer Länder setzen, um so ihre Chancen zu erhöhen. Das Phänomen ist mit schwierigen Fragen der Gerechtigkeit und gegebenenfalls noch schwierigeren des Vollzugs verbunden. Ausserdem wurde der Entwurf eines «Guide» betreffend den Entscheidungsprozess bei end-of-life-Situationen diskutiert, ein Informationsfaltblatt für Patienten über genetische Untersuchungen verabschiedet, und die Mitgliedsstaaten wurden eingeladen, für die nächste Arbeitsperiode 2013­2015 Themenvorschläge einzureichen.

1073

2.6

Medien und Informationsgesellschaft

Ein Vertreter des BAKOM wurde für die Schweiz in das Büro des Lenkungsausschusses Medien und Informationsgesellschaft (CDMSI-BU, früher CDMC) gewählt.

Am 15. Februar 2012 verabschiedete das Ministerkomitee die Erklärung und die Empfehlung über die Regulierung der öffentlich-rechtlichen Medien. Diese betont die Bedeutung der Meinungsfreiheit und der Existenz freier, pluralistischer Medien für eine echte Demokratie und erinnert daran, dass sich die Mitgliedstaaten des Europarats gemäss Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet haben, allen Menschen in ihrer Gerichtsbarkeit das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit zu garantieren.

Im März 2012 verabschiedete das Ministerkomitee eine Strategie zur Internetverwaltung, mit der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Internet geschützt und gefördert werden sollen. Die Strategie, eine der Prioritäten des britischen Vorsitzes, umfasst 40 Massnahmen in sechs Bereichen (Öffnung des Internet, Nutzerrechte, Datenschutz, Cyberkriminalität, Demokratie und Kultur sowie Kinder und Jugendliche). Die Schweiz hat diese Strategie voll unterstützt, aber darauf hingewiesen, dass ihre Wirkung maximiert werden muss, indem Doppelspurigkeiten bei der Behandlung des Themas sowohl innerhalb des Europarats als auch zwischen Europarat und EU vermieden werden.

Am 10. April 2012 verabschiedete das Ministerkomitee zwei Empfehlungen, eine zu den Suchmaschinen und eine zu den sozialen Netzwerken. Das Ministerkomitee fordert die Staaten auf, sich zusammen mit den Betreibern von Suchmaschinen für grössere Transparenz bei der Bereitstellung des Zugangs zu Informationen einzusetzen, es mahnt zu mehr Transparenz und stärkerer Achtung der Nutzerrechte bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und ruft die Staaten auf, sich zusammen mit den Anbietern dieser Dienste für die Sensibilisierung der Nutzer für allfällige Verletzungen ihrer Rechte zu engagieren. Die Empfehlung sieht auch den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor schädlichen Inhalten und Verhaltensweisen vor.

Innerhalb des Lenkungsausschusses Medien und Informationsgesellschaft (CDMSI) wurde eine Expertengruppe für Nutzerrechte (MSI-DUI) bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Regierungen, Privatsektor und Zivilgesellschaft eingesetzt, um die Rechte und Freiheiten
der Internetnutzenden maximal zu stärken.

Der CDMSI stellte fest, dass die Arbeit der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle die Forderung des Ministerkomitees nach einer Sammlung der Europaratsnormen im Bereich Medien, einschliesslich für Hassreden mindestens teilweise erfüllt. Er beschloss weiter, eine Empfehlung zu Geschlechtergleichstellung und Medien fertigzustellen, die vom CDMC zusammen mit einer informellen Redaktionsgruppe vorbereitet worden war.

Der Lenkungsausschuss beschloss, die Arbeiten über die Notwendigkeit internationaler Standards für die Wahl des Gerichtsstands bei Verleumdungsklagen (libel tourisme) einzustellen und den Entscheid des Ministerkomitees zum Entwurf des CDMC abzuwarten.

Er setzte die Vorbereitungsarbeiten zur 1. Europaratskonferenz der Minister für Medien und Informationsgesellschaft fort, die in der zweiten Hälfte 2013 in Serbien stattfinden wird. Die Schweiz unterstrich die Bedeutung der neuen Informations-

1074

technologien, der sozialen Medien usw. für die politische Debatte und wies auf die damit verbundene Notwendigkeit neuer Regeln hin.

Schliesslich verabschiedete die parlamentarische Versammlung die provisorische Fassung einer Resolution und Empfehlung über den Schutz der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit in Internet und Online-Medien.

3 3.1

Rechtsstaatlichkeit Völkerrecht

Die im Rahmen des Europarates organisierten halbjährlichen Treffen aller Rechtsberater der europäischen Aussenministerien erweisen sich weiterhin als wichtiges Forum zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Die Diskussionen im Ausschuss der Rechtsberater (Comité ad hoc des conseillers juridiques sur le droit international public, CAHDI) erlauben es, aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen zu besprechen und, wo nötig und gewünscht, die Reaktionen der Mitgliedstaaten zu koordinieren.

Als Beispiel kann das vom Europaratssekretariat betreute Europäische Observatorium für Vorbehalte zu internationalen Verträgen genannt werden, welches den Mitgliedstaaten erlaubt, die Rechtmässigkeit von völkerrechtlichen Vorbehalten zu multilateralen Übereinkommen zu diskutieren. Gemäss Völkerrecht können die anderen Vertragsstaaten während eines Jahres nach Anbringen eines Vorbehaltes Einwendungen anbringen, welche im Grundsatz zur Folge haben, dass die betreffenden Bestimmungen im Rahmen der angebrachten Vorbehalte im Verhältnis dieser Staaten keine Rechtskraft entfalten. Vorbehalte können insbesondere im Bereich der Menschenrechte wichtige Rechtsfragen aufwerfen. Gestützt auf Vorarbeiten im Rahmen des Europarates hat sich beispielsweise der Bundesrat im Jahr 2011 entschieden, Einwendungen gegen mehrere Vorbehalte Pakistans zum Internationalen Pakt der UNO über bürgerliche und politische Rechte und zum UNOFolterabkommen anzubringen, welche nach schweizerischer Auffassung klar gegen den Sinn und Zweck dieser Verträge verstiessen. Andere europäische Staaten brachten ihre Einwände ebenfalls dem UNO-Generalsekretär, dem Depositar der Verträge, zur Kenntnis. Als Folge dieser Entwicklung hat Pakistan die problematischsten seiner ursprünglichen Vorbehalte zurückgezogen.

Im Rahmen der Arbeiten im Zusammenhang mit der allgemeinen Reform des Europarats werden auch alle Europaratsübereinkommen einer Überprüfung unterzogen.

Diese soll insbesondere die Sichtbarkeit und die Anzahl Vertragsparteien der Übereinkommen erhöhen. Der Generalsekretär hat dazu den Vorentwurf eines Berichts verfasst, der ebenfalls vom CAHDI diskutiert wurde. Aus schweizerischer Sicht hat sich in der Berichtsperiode kein besonderer Handlungsbedarf mit Bezug auf diese Überprüfung ergeben.

1075

3.2 3.2.1

Strafrecht Auslieferung

Im Zuge der Modernisierung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens von 1957 hat der Expertenausschuss, der die Anwendung der europäischen Übereinkommen auf dem Gebiet der Strafrechtszusammenarbeit prüft, den Entwurf zu einem vierten Zusatzprotokoll zum Auslieferungsübereinkommen und den erläuternden Bericht erstellt und zuhanden des Lenkungsausschusses für Strafrechtsfragen (CDPC) verabschiedet. Das neue Instrument soll eine flexiblere Anwendung der Auslieferungsregeln ermöglichen und das Verfahren vereinfachen.

3.2.2

Bekämpfung des Menschenhandels und Zeugenschutz

Am 23. Dezember 2011 verabschiedete die Bundesversammlung den Bundesbeschluss zur Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Bekämpfung des Menschenhandels und zum Bundesgesetz über den ausserprozessualen Zeugenschutz. Um die Anforderungen der genannten Konvention zu erfüllen, war in der Schweiz eine rechtliche Regelung des ausserprozessualen Zeugenschutzes notwendig. Mit dem vom Parlament verabschiedeten Zeugenschutzgesetz wird diese Anforderung nun erfüllt. Das Zeugenschutzgesetz sieht den Betrieb einer nationalen Zeugenschutzstelle beim Bund vor, welche mit der einheitlichen Durchführung von Zeugenschutzprogrammen betraut ist. Zusätzlich berät und unterstützt diese Stelle die Kantone beim Schutz von Personen, welche nicht in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden können, aber trotzdem gefährdet sind.

Nach dem Inkrafttreten des Zeugenschutzgesetzes, welches auf den 1. Januar 2013 geplant ist, kann auch die Europaratskonvention gegen Menschenhandel ratifiziert werden.

Im Jahr 2012 nahm die Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel (KSMM) des Bundesamtes für Justiz an der 8. Sitzung der Vertragsparteien in Strassburg teil. An dieser Sitzung wurden die Berichte der Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) über die Umsetzung des Übereinkommens durch Georgien, die Republik Moldawien und Rumänien geprüft. Im Hinblick auf die bevorstehende Ratifizierung des Übereinkommens durch die Schweiz pflegte die KSMM am Rande des Treffens den bilateralen Austausch mit Petya Nestorova, der Exekutivsekretärin des Übereinkommens, um sich über die verschiedenen Etappen des Verfahrens zur Evaluation des Übereinkommens zu informieren.

3.2.3

Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch

Das Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutze von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention, SEV 201) ist das erste internationale Instrument, das die verschiedenen Formen sexuellen Kindsmissbrauchs umfassend für strafbar erklärt. Nebst den Straftatbeständen enthält die Konvention Bestimmungen über Prävention, Opferschutz und

1076

Strafverfahren sowie Regeln zur internationalen Zusammenarbeit. Ferner ist ein Überwachungsmechanismus vorgesehen.

Die Konvention ist innen- wie aussenpolitisch als bedeutsam einzustufen. Der Beitritt der Schweiz erfordert verschiedene Anpassungen des Strafgesetzbuchs im Bereich der Kinderprostitution und der Kinderpornografie. Künftig soll sich namentlich strafbar machen, wer sexuelle Dienste von 16- bis 18-Jährigen gegen Geld oder sonstige Vergütungen in Anspruch nimmt und wer mit finanziellen Gewinnabsichten die Prostitution Minderjähriger erleichtert oder begünstigt. Ferner soll der personelle Anwendungsbereichs des Pornografie-Artikels auf Kinder bis 18 Jahre erweitert werden. Ebenso ist die Strafbarerklärung des Anwerbens von Kindern für die Teilnahme an pornografischen Vorführungen sowie der Zuschauer solcher Vorführungen vorgesehen.

Die Bestimmungen über Prävention, Opferschutz und Interventionsprogramme fallen ausschliesslich oder teilweise in den Zuständigkeitsbereich der Kantone. Die im Vorfeld der Unterzeichnung durchgeführte Anhörung der Kantone hat ergeben, dass die Kantone die Unterzeichnung der Konvention ausnahmslos befürworten und der Beitritt zur Konvention keine oder nur geringe Änderungen der kantonalen Rechtsgrundlagen erfordert. In der anschliessend durchgeführten Vernehmlassung wurde die Ratifizierung der Konvention einschliesslich der vorgeschlagenen Revision des Strafgesetzbuches, mit kleinen Änderungsvorschlägen, durchwegs begrüsst.

Die Schweiz hat die Konvention, die am 1. Juli 2010 in Kraft trat, am 16. Juni 2010 unterzeichnet. Der Bundesrat hat die Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Konvention am 4. Juli 2012 zuhanden des Parlaments verabschiedet.

3.2.4

Cyberkriminalität

Das Übereinkommen des Europarates vom 23. November 2001 über die Cyberkriminalität ist am 1. Juli 2004 in Kraft getreten. Es ist die bisher einzige internationale Konvention, die sich mit Computer- und Netzwerkkriminalität befasst. Die Vertragsstaaten werden verpflichtet, ihre Gesetzgebung den Herausforderungen neuer Informationstechnologien anzupassen.

Die Konvention enthält in einem ersten Teil materielle Strafbestimmungen. Ziel ist eine Harmonisierung des Strafrechts zwischen den Staaten. In einem zweiten Teil werden Regelungen für das Strafverfahren getroffen. Es geht vorrangig um Fragen der Beweiserhebung und Sicherung elektronischer Daten für Strafuntersuchungen.

Schliesslich behandelt das Übereinkommen die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen unter den Staaten. Das Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Vertragsparteien soll in seinem Ablauf schnell und effizient gestaltet werden.

Das Übereinkommen ist für die Schweiz am 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Ein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf hat sich bezüglich des Straftatbestandes des unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem (Art. 143bis StGB, sog.

«Hacking»-Tatbestand) ergeben. Hier wurde eine Vorverlagerung der Strafbarkeit vorgenommen. Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit war für die Umsetzung der Artikel 30 und 33 der Konvention ebenfalls eine Anpassung (neuer Art. 18b des Rechtshilfegesetzes) erforderlich. Die schweizerischen Vollzugsbehörden werden unter gewissen Voraussetzungen ermächtigt, elektronische Verkehrsdaten vor Abschluss des Rechtshilfeverfahrens weiterzugeben.

1077

Das Übereinkommen sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten mindestens einmal jährlich treffen, um gemeinsam über die Implementierung und Weiterentwicklung der Konvention zu befinden. Die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) nahm 2012 erstmals als Vollmitglied an einem solchen Treffen des Convention Committee on Cybercrime(T-CY) in Strassburg teil.

3.2.5

Terrorismus

Der Europarat setzt sich für die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die pluralistische Demokratie ein und bekämpft ebenso entschlossen den Terrorismus, der diese drei Grundwerte bedroht. Der Europarat befasst sich seit den 1970erJahren mit diesem Problem, doch nach den Terroranschlägen von 2001 in den USA verstärkte er seine Bemühungen. Die Terrorismusbekämpfung des Europarats beruht auf drei Säulen: Verstärkung der gerichtlichen Bekämpfung des Terrorismus; Erhalt der Grundwerte; Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus.

Dieses Vorgehen beruht auf dem Grundsatz, dass der Terrorismus bekämpft werden kann und muss, ohne dabei die Menschenrechte, die Grundfreiheiten und die Rechtsstaatlichkeit zu verletzen. Der Europarat hat einen Expertenausschuss zum Terrorismus (CODEXTER) eingesetzt, der 2003 die Arbeit aufnahm. Er koordiniert die Antiterrormassnahmen des Europarats und leitet die Arbeiten, die schon zu verschiedenen internationalen Instrumenten geführt haben. Die Schweiz hat diesen Ausschuss in den Jahren 2010 und 2011 präsidiert. Das entsprechende Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus (SEV 196) ist durch die Schweiz am 11. September 2012 unterzeichnet worden.

3.2.6

Organhandel

Die Expertengruppe zur Bekämpfung des Organhandels und des Handels mit Geweben und Zellen, bestehend aus Vertretern aus 30 Ländern und einigen Beobachtern, hat bis Oktober 2012 den Entwurf für ein entsprechendes Europaratsübereinkommen erarbeitet. Die finalisierte Version des Übereinkommens mit nach wie vor zahlreichen offenen Punkten soll im Dezember 2012 durch den CDPC beraten werden. Die Verabschiedung durch das Ministerkomitee könnte somit im ersten Quartal 2013 erfolgen.

Die schweizerische Delegation hat jeweils auf eine Vereinfachung des Textentwurfes hingearbeitet und versucht, angesichts der bestehenden Differenzen und der bemerkenswerten schweizerischen Gesetzgebung in diesem Bereich eine vermittelnde Rolle zu spielen. Grundsätzliche Probleme im Hinblick auf eine spätere Umsetzung des Übereinkommens sind nicht ersichtlich. Eine Entscheidung über eine Unterzeichnung und Ratifizierung dieses Übereinkommens durch die Schweiz kann angesichts der noch nicht bereinigten Fragen zurzeit nicht getroffen werden.

1078

3.3

Drogen

Die Arbeiten der 1971 auf Initiative des damaligen französischen Präsidenten gegründeten Pompidou-Gruppe konzentrierten sich auf die Vorbereitung einer nach halber Amtszeit von der Präsidentschaft einberufenen Konferenz, die im November 2012 in Strassburg stattfand. Sie stand unter dem Motto «Möglichkeiten und Gefahren des Cyberspace bei der Reduzierung von Drogenangebot und -nachfrage» und «Vernetzung der Politik mit Forschung und Praxis».

Die Pompidou-Gruppe zählt heute 37 Mitgliedsländer. Für die Schweiz ist sie das einzige Gremium, an dem sie sich mit anderen europäischen Staaten über drogenpolitische Themen austauschen kann. Im Gegensatz dazu stehen der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Gruppe, darunter auch den Nicht-EU-Staaten Norwegen und Türkei, die Foren der Europäischen Union für den drogenpolitischen Austausch zur Verfügung.

Von Bedeutung ist hier insbesondere die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, EBDD (EMCDDA). Entsprechend laufen in einigen Mitgliedstaaten der Pompidou-Gruppe derzeit Abklärungen betreffend den konkreten Nutzen eines weiteren Verbleibs in der Gruppe. Verschiedene gleichgesinnte Staaten sind bereits aus der Pompidou-Gruppe ausgetreten oder haben ihren Austritt angekündigt (Deutschland, Grossbritannien, Dänemark, Niederlande, Spanien).

Von den drei Prioritäten des Arbeitsprogramms ­ Menschenrechte, kohärente Suchtpolitik und internationale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Polizei-, Zoll- und Grenzkontrollbehörden ­ wurde im Bereich der Menschenrechte kaum etwas unternommen, dafür sind die Arbeiten betreffend der für die Schweiz sehr interessanten Diskussion um eine kohärente Suchtpolitik gut voran geschritten.

Auch im Bereich der Zusammenarbeit der verschiedenen im Bereich der Angebotsreduzierung tätigen Behörden wurden einige Aktivitäten organisiert, die auf reges Interesse gestossen sind und sehr gut besucht waren.

Die Schweiz (fedpol) präsidiert seit dem 1. Januar 2011 die sogenannte «FlughafenGruppe». Diese besteht aus Zoll-, Grenzwacht- und Polizei-Vertretern aus 37 Ländern. Sie zielt auf die Harmonisierung sowie Verbesserung von Kontrollmassnahmen im Drogenbereich auf europäischen Flughäfen und die Verbesserung von Kontrollmassnahmen im Bereich des Luftverkehrs ab. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Einbezug der 12 Länder der
sogenannten medNET-Group (Mediterranean Network) in die Aktivitäten der Airports Group. Die im Arbeitsprogramm der Airports Group 2011­2014 vorgesehenen Aktivitäten und Konferenzen dienen dem Austausch von Informationen, Trends und Entwicklungen unter den Polizei-, Zollund Grenzwachtbehörden, internationalen Organisationen sowie Aufsichtsbehörden.

3.4

Raumplanung

Das Bundesamt für Raumentwicklung ARE beteiligte sich an den Arbeiten der Europaratskonferenz der Minister für Raumplanung (CEMAT). Die CEMAT wird von 2010­2013 von Griechenland präsidiert. Im Oktober 2012 fanden in Thessaloniki ein Treffen hochrangiger Beamter und ein internationales Symposium statt.

1079

3.5

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Das Protokoll Nr. 3 zum Europäischen Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden17 betreffend Verbünde für euroregionale Zusammenarbeit (VEZ) tritt am 1. März 2013 in Kraft (die Schweiz hat es im Oktober 2011 ratifiziert). Die andern Vertragspartner sind Deutschland, Slowenien und die Ukraine. Dieses Instrument des Europarats schafft einen rechtlichen Rahmen für die Gründung von Einrichtungen der grenzüberschreitenden und interterritorialen Zusammenarbeit, welche diese Form der Kooperation entlang unserer Grenzen fördern.

Die Erklärung der Konferenz der für lokale und regionale Gebietskörperschaften zuständigen Ministerinnen und Minister vom November 2011 in Kiew sieht eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Ministerkomitee, dem Kongress der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften (KGRE) und der Parlamentarischen Versammlung vor. Während seines halbjährigen Vorsitzes organisierte Grossbritannien daher am 13. Februar 2012 ein hochrangiges Treffen in London und stellte folgende Vorschläge zur Diskussion: Aufbau eines einheitlichen Programms, nur ein Budget, ein einziges, aber verstärktes Sekretariat, Aufsicht des Ministerkomitees. Einige Länder, darunter die Schweiz, äusserten grosse Vorbehalte gegenüber diesem allzu ehrgeizigen und realitätsfernen Vorhaben. Die Schweiz verlangte insbesondere, dass auf der Grundlage von Good Practices nach pragmatischen Lösungen gesucht wird.

Eine gewisse Übereinstimmung konnte bezüglich einer gemeinsamen Agenda der drei genannten Institutionen gefunden werden. Die Diskussionen werden unter dem albanischen Vorsitz weitergeführt.

3.6

Venedig-Kommission, CCJE, CEPEJ

Der gemeinsame Rat für Verfassungsgerichtsbarkeit (Venedig-Kommission) wurde bis Juni 2012 von der Schweizer Verbindungsbeamtin Juliane Alberini-Boillat präsidiert. Er führte seine Arbeit zur Verbreitung der Verfassungsgerichtsbarkeit fort, indem er das «Bulletin de jurisprudence constitutionnelle» und die Datenbank CODICES alimentierte.

Der Beirat der Europäischen Richter (CCJE) verabschiedete an seiner Plenarversammlung im November 2012 seine 15. Stellungnahme. Sie behandelt die Spezialisierung der Richter. Der Schweizer Vertreter im Beirat, Bundesrichter Bernard Corboz, war Mitglied der Arbeitsgruppe, die die Stellungnahme vorbereitete.

Die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) stellte im September 2012 ihren 5. Bericht über die europäischen Justizsysteme vor, der auf Daten von 2010 basiert. Das Bundesamt für Statistik und das Bundesgericht trugen in enger Zusammenarbeit die Daten der 26 Kantone und des Bundes zusammen und erstellten eine Übersicht für den Bericht der CEPEJ. Jacques Bühler, stellvertretender Generalsekretär des Bundesgerichts und Schweizer Vertreter in der CEPEJ, leitete die CEPEJ-Arbeitsgruppe über richterliche Fristen.

François Paychère, Richter am Genfer Kantonsgericht, leitete die Arbeitsgruppe Qualität der CEPEJ. Die CEPEJ verfolgte 2012 ihr Ziel weiter, in jedem Mitgliedstaat des Europarats ein Mustergericht einzusetzen, das die Managementmethoden 17

SR 0.131.1

1080

des CEPEJ verwendet. Beide Schweizer Vertreter waren unabhängig voneinander an einem Coaching für Gerichte in Albanien und Deutschland beteiligt und begleiteten die Justizreformen in Tunesien und Marokko als Experten.

4 4.1 4.1.1

Demokratie Gesundheit Pharmazeutische Produkte und Pflege

Die Schweiz engagierte sich bei verschiedenen Aktivitäten des Europäischen Komitees für pharmazeutische Produkte und Pflege (CD-P-PH) des «European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare» (EDQM) mit Sitz in Strassburg, sowie in den drei zugehörigen Expertenkomitees. Die Schweiz beteiligte sich im Berichtsjahr an Umfragen, Expertenmeetings, Erarbeitung von Empfehlungen und Resolutionen in den Schwerpunktthemen. Im Bereich der Qualitäts- und Sicherheitsvorschriften der pharmazeutischen Praxis und pharmazeutisch-medizinischen Betreuung wurde im Berichtsjahr eine Expertentagung zur Notwendigkeit spezifischer Zubereitungen für die Pädiatrie (Kinderarzneimittel) mit Beteiligung von Fachleuten aus der Schweiz durchgeführt. Ziel war es, das Bedürfnis für spezielle Monografien für solche Arzneimittel sowie bereits national vorhandene Erfahrungen und Formulare auszutauschen. In einem nächsten Schritt soll über die Ausarbeitung europäischer Monografien für spezielle Formulierungen für Kinder entschieden werden. Eine Expertengruppe des Lenkungsausschusses für pharmazeutische Pflege (CD-P-PH/PC) beschäftigte sich mit dem Einfluss traditioneller aussereuropäischer Arzneimittel auf die Patientensicherheit in Europa. Die Schweiz beteiligte sich an einer Initiative zur Definition des Curriculums für Personen, welche diese Arzneimittel und Therapien anbieten wollen.

Im Bereich der Aktivitäten zur Qualität der Versorgung wurden in Zusammenarbeit mit der Schweiz Indikatoren entwickelt, die der Qualitätsmessung im Gesundheitswesen dienen und auf die Verbesserung der Versorgungsleistung (medizinisches Outcome) zielen. Diese Indikatoren wurden im Rahmen einer Studie validiert. In Zusammenarbeit mit dem Patienten zeigt sich die Entwicklung, Umsetzung und Überwachung eines therapeutischen Plans, dessen Dokumentation die resultierende Beratung und Interaktion mit den Gesundheitsfachpersonen als wesentliches Element für das Therapieergebnis und der Vermeidung von Medikationsfehlern.

Im Expertenkomitee zur Reduzierung der Risiken für die öffentliche Gesundheit verursacht durch Arzneimittelfälschungen (CD-P-PH/CMED) stellt die Schweiz in der Amtsperiode von 2011­2013 weiterhin den Vize-Vorsitz. Die Schweiz engagierte sich aktiv bei den Projekten des Komitees wie Publikationen, der weiteren Verbreiterung
eines Behörden-Netzwerks, genannt «Single Points of Contact», und an der Erarbeitung einer zentralen Europäischen Datenbank zur Erfassung von Arzneimittelfälschungen. Eine Schweizer Expertin war Mitglied des Programmkomitees, das die Konferenz «Combatting Falsified Medical Products and Similar Crimes Through Legal Instruments and Practical Measures» zur Förderung der Umsetzung der Medicrime-Konvention18 vom Mai 2012 in Kopenhagen vorbereitete. Ausserdem trainierte die Schweizer Expertin als Teil einer Ausbildnergruppe 18

Übereinkommen des Europarats über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten.

1081

Behördenvertreter aus osteuropäischen Staaten in einem Seminar in Armenien im November 2012 in der Bekämpfung von Arzneimittelkriminalität.

Die Schweiz gehörte zu den ersten Ländern, die am 28. Oktober 2011 die sogenannte Medicrime-Konvention unterzeichneten. Es handelt sich dabei um das erste internationale Instrument zur Bekämpfung der Kriminalität im Heilmittelbereich.

Die zur Ratifizierung erforderlichen Schritte wurden schnell eingeleitet, weil es von Interesse ist, das Übereinkommen rasch in Kraft zu setzen und von der Wirkung auf die Bekämpfung der Kriminalität im Heilmittelbereich zu profitieren. Da das bestehende Recht weitgehend mit den Anforderungen des Übereinkommens vereinbar ist, sind im Hinblick auf die Ratifikation nur wenige Änderungen im Heilmittelgesetz sowie der Strafprozessordnung notwendig. Im November 2012 wurde den interessierten Kreisen die Vorlage des Bundesrates zur Ratifizierung der MedicrimeKonvention zur Stellungnahme unterbreitet. Die Vernehmlassung dauert bis Ende Februar 2013.

4.1.2

Pharmakopöe

Die Europäische Pharmakopöe (Ph.Eur.) ist eine unter der Ägide des Europarats erarbeitete Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln (einschliesslich Wirkstoffe), pharmazeutischen Hilfsstoffen und einzelnen Medizinprodukten. Die Vorschriften betreffen die unterschiedlichsten Arten von Arzneimitteln, wie beispielsweise Synthetika, biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, Impfstoffe, Blutprodukte, Radiopharmazeutika, Zubereitungen aus Arzneidrogen oder homöopathische Zubereitungen. Die Ph.Eur. stellt in den 37 Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Ausarbeitung einer Ph.Eur. (inklusive der Europäischen Union) ein rechtsverbindliches Werk dar.

Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, sich an den Arbeiten der Ph.Eur. zu beteiligen, die unter der Federführung des European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare (EDQM) in Strassburg stattfinden, und die beschlossenen Qualitätsvorschriften in nationales Recht zu überführen. Bei der Ausarbeitung der Ph.Eur.

werden ausserdem acht europäische Staaten, sechzehn aussereuropäische Staaten und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Beobachter einbezogen. Damit hat die Ph.Eur. Einfluss auf die Qualität von Arzneimitteln und Arzneistoffen, die weltweit verwendet werden.

Swissmedic, das Schweizerische Heilmittelinstitut, stellt mit der Abteilung Pharmakopöe die Nationale Pharmakopöebehörde der Schweiz. Im Berichtsjahr war diese Gastgeberin für das Annual Meeting of National Pharmacopoeia Secretariats, bei welchem sich das EDQM mit den Verantwortlichen der Nationalen Pharmakopöebehörden trifft. Das Meeting fand am 14. bis 15. Mai 2012 in Bern statt und bot den Teilnehmenden die gewünschte Plattform zum offenen Austausch von Meinungen und Erfahrungen zu übergeordneten Themen und zur Weiterentwicklung der Pharmakopöe. Die reibungslose Organisation des Anlasses und der gastfreundliche Empfang wurden von allen Teilnehmenden sehr geschätzt.

Die Schweizer Expertinnen und Experten aus Industrie, Hochschulen und Behörden nehmen in den Fachgremien zur Erarbeitung der Ph.Eur. über 90 Mandate wahr und tragen mit jährlich insgesamt etwa acht Personenjahren an Facharbeit wesentlich dazu bei, die Regulierungen im Arzneimittelsektor ständig weiter zu entwickeln.

Dieser Beitrag verdeutlicht einerseits den hohen Stellenwert der Pharmakopöe, 1082

andererseits die Expertise, welche die Schweiz als eines der weltweit wichtigsten Länder mit pharmazeutischer Industrie einbringen kann. 60 Prozent dieser Arbeiten erfolgten durch Swissmedic.

Zusätzlich zur Ausarbeitung von neuen Vorschriften werden bereits bestehende Vorschriften laufend überarbeitet. In diesem Zusammenhang wurde in der Berichtsperiode auch eine dringliche Änderung der Ph.Eur. in Kraft gesetzt. Diese hat zum Ziel, in Immunglobulinen zur intravenösen Anwendung aufgetretene gesundheitsgefährdende Verunreinigungen zu erkennen und zu beseitigen.

Die stete, nötigenfalls auch dringliche Anpassung der Pharmakopöe an den Stand von Technik und Wissenschaft gewährleistet eine angemessene Kontrolle der Rohstoffe und Präparate in einem globalisierten Markt und leistet einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen.

4.1.3

Gesundheitsschutz der Konsumentinnen und Konsumenten

Im Rahmen der Tätigkeit des Ausschusses für den Gesundheitsschutz der Konsumenten (CD-P-SC) wurden die Arbeiten der Ad-hoc-Gruppe zu den Verpackungstinten weitergeführt. Konkret wurde die Liste der für die Tintenherstellung verwendeten Substanzen zusammen mit der deutschen Delegation bereinigt. An der nächsten Sitzung des Ad-hoc-Ausschusses wird vorgeschlagen, im Rahmen der Revision der Resolution AP (2005)2 diese neue Liste zu berücksichtigen. Die Änderungen der Resolution zu den Arzneimittelverpackungen wurden an der letzten Sitzung der Gruppe P-SC-EMB diskutiert. Um den Vorschlägen der verschiedenen Delegationen Rechnung zu tragen, muss der Ad-hoc-Gruppe eine neue Version unterbreitet werden. Die Arbeiten bezüglich Analysemethoden für Metalle und Metallgegenstände wurden mit der Teilnahme an den Sitzungen der Arbeitsgruppe ebenfalls verfolgt.

Die Ad-hoc-Gruppe für Tätowierungen und Permanent-Make-up setzt ihre Arbeit an einem Leitfaden über Sicherheitskriterien für die Beurteilung der für Tattoos und Permanent-Make-up verwendeten Pigmente fort. Das Ministerkomitee verabschiedete im März 2012 die Resolution über Sicherheitskriterien für Kinder unter drei Jahren (CM/ResAP23012)1) sowie einen entsprechenden Leitfaden. Die in der Ad-hoc-Gruppe «offizielle Labore für die Kontrolle von Kosmetika (OCCL)» angewandte Eignungsprüfungen (PTS, Proficiency testing studies) wurde weitergeführt (Prüfung von Diethylenglycol in Zahnpasten und von Thioglycolsäure in Haarwassern).

4.2 4.2.1

Kultur, Erziehung, Jugend und Sport Kultur, kulturelles Erbe und Landschaft

Im Zuge der Reform der zwischenstaatlichen Strukturen des Europarats wurden die Lenkungsausschüsse für Kultur (CDCULT) und für das kulturelle Erbe und die Landschaft 2012 zusammengelegt. Der daraus entstandene neue Lenkungsausschuss für Kultur, kulturelles Erbe und Landschaft (CDCPP) tagte vom 14.­16. Mai 2012 zum ersten Mal. Die Sitzung war der Transversalität und der gegenseitigen Information der Vertreterinnen und Vertreter der ehemaligen Ausschüsse über ihre jeweili1083

gen Projekte gewidmet. Die Arbeit der Schweiz innerhalb des Ausschusses war 2012 geprägt vom Willen, die Reform umfassend zu realisieren, was namentlich anlässlich eines Meinungsaustauschs über die mittelfristigen Ziele des CDCPP und über seine Strukturen und Arbeitsmethoden zum Ausdruck kam.

Daher umfasste die Schweizer Delegation auch Vertreterinnen und Vertreter des Bundesamts für Kultur (BAK / Dienst für Internationales) und des Bundesamts für Umwelt (BAFU/Sektion Landschaft). Sie beteiligte sich an den Arbeiten des Ausschusses, ohne jedoch für das Büro zu kandidieren, das anlässlich dieser Plenarsitzung gewählt wurde.

Weiter wurde das Arbeitsprogramm 2012­2013 vorgestellt und im Zusammenhang mit den Bereichen Kulturpolitik und kulturelle Aktionen (Ministerkonferenz in Russland 2013, Revision des europäischen Übereinkommens über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen, erweitertes Teilabkommen über die Kulturwege), kulturelles Erbe (Folgearbeiten zu den Übereinkommen, Netzwerk HEREIN, technische Unterstützung und regionale Zusammenarbeit) und Landschaft (Landschaftsübereinkommen) ansatzweise diskutiert. Im Bereich Kultur ist zu erwähnen, dass die Schweiz ihre Unterstützung des Projekts COMPENDIUM sowie ihr Engagement im Bereich Film weiterführte.

Im Bereich Kulturerbe beteiligte sich die Schweiz in den letzten Jahren an der Entwicklung des Projekts «Europäisches Netzwerk für Kulturerbe» (HEREIN), dessen Hauptaufgabe darin besteht, die Umsetzung folgender Übereinkommen zu überwachen: Übereinkommen vom 3. Oktober 198519 zum Schutz des baugeschichtlichen Erbes in Europa, Europäisches Übereinkommen vom 16. Januar 199220 zum Schutz des archäologischen Erbes, Europäisches Landschaftsübereinkommen (Ratifikation der Schweiz im Gang), Rahmenübereinkommen des Europarats über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (von der Schweiz noch nicht ratifiziert).

Mit der neuen webbasierten Plattform HEREIN3, die im Moment entwickelt wird, werden strukturierte Daten direkt ausgewertet werden können.

4.2.2

Film

Der Lenkungsausschuss von Eurimages unterstützt europäische Koproduktionen, Filmverleihe und Kinos. 2012 wurden fünf Projekte mit Schweizer Beteiligung für beitragsberechtigt befunden und dem Ausschuss unterbreitet. In einem Projekt war die Schweizer Beteiligung ausschlaggebend. Insgesamt wurden fünf Projekte mit 2 080 000 Euro zugunsten von Schweizer Produzenten unterstützt.

Der Bundesbeitrag an Eurimages belief sich 2012 auf 531 963 Euro (664 954 Franken).

4.2.3

Erziehungs- und Hochschulwesen

Im Zuge der anstehenden Strukturreform hat der Europarat die beiden bislang bestehenden Gremien für die Bereiche Hochschulbildung und Forschung und allgemeine Bildung unter dem Namen Lenkungsausschuss für Bildungspolitik und Praxis 19 20

SR 0.440.4 SR 0.440.5

1084

(CDPPE) zu einem Gremium zusammengelegt. Das neue Gremium trat zum ersten Mal im März 2012 zusammen. Bei der Bestellung des Büros wurde der Schweizer Delegierte Bernard Wicht als Berichterstatter für Gleichstellungsfragen eingesetzt.

Durch seine Arbeiten unterstützt der CDPPE weiterhin die Entwicklung des BolognaProzesses im Hinblick auf den Ausbau des Europäischen Hochschulraums (EHR). Er spielt eine wesentliche Rolle bei der Politikentwicklung und der Formulierung guter Praktiken im Bereich der Anerkennung der Qualifikationen sowie bei der Erarbeitung und Umsetzung der Qualifikationsrahmen. Damit beteiligt sich der Europarat aktiv an der Koordination der Arbeiten zu den Qualifikationsrahmen im EHR und setzt seine Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission fort, um eine kohärente Umsetzung des allgemeinen Qualifikationsrahmens des EHR und des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen sicherzustellen.

Aus Anlass des 15-jährigen Bestehens der Lissabonner Konvention über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich wurde im Juni 2012 eine Tagung durchgeführt, an der die Verbindung zwischen Ankerkennungspolitik und -praxis und den Qualifikationsrahmen zum Ausdruck gebracht wurde.

Der CDPPE genehmigte die Entwürfe zu Empfehlungen zur Verantwortung der öffentlichen Hand für die akademische Freiheit und die institutionelle Autonomie und zu einer Empfehlung zum Recht auf eine Bildung von guter Qualität. Im Rahmen seiner Tätigkeiten in den Bereichen demokratische Bildung und Recht auf eine gute Bildung will er seine Überlegungen auf die zu unterstützenden Entwicklungen richten. Er sprach sich ausserdem für die Erarbeitung von Richtlinien aus, mit denen die öffentliche Hand bei der Umsetzung der wichtigsten Dimensionen der interkulturellen Bildung im Schulbereich unterstützt werden soll. Schliesslich erarbeitete er ein Konzept für die Durchführung der 1. Konferenz zur Umsetzung der in der Charta des Europarats zur demokratischen Bildung vorgesehenen Massnahmen und beschloss spezifische Tätigkeiten zur Förderung der Jurisprudenz über die Europäische Menschenrechtskonvention an den europäischen Hochschulen.

4.2.4

Jugend

Im März 2012 verabschiedete das Ministerkomitee seine Empfehlung21 an die Mitgliedstaaten über die Partizipation von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.

Es wurden drei Arbeitsgruppen gebildet, die Vorschläge für das neue Programm 2014­2015 formulieren sollen. Die vier aktuellen Schwerpunktthemen bleiben weiterhin gültig:

21

­

Umgang mit Post-Konflikt-Situationen

­

Förderung einer nachhaltigen Gesellschaft mit sozialem Zusammenhalt

­

kulturelle Vielfalt und interkultureller Dialog

­

demokratisches staatsbürgerliches Engagement durch Bildungs-, Kultur- und Jugendpolitik.

Rec (2012) 2

1085

Die regionale und subregionale Zusammenarbeit sollte allgemein verstärkt werden.

Angesichts der neuen Strukturen für Bildung, Jugend und Sport, die nach der Reform des Europarats eingerichtet wurden, sollten eine enge Zusammenarbeit sowie ein gemeinsames Vorgehen mit dem Bereich Erziehungs- und Bildungsfragen die Regel sein.

Die 9. Jugendministerkonferenz fand am 24. und 25. September 2012 in St. Petersburg statt. Hauptthema war der Zugang der Kinder und Jugendlichen zu ihren Rechten mit den Unterthemen soziale Integration der Jugendlichen, Demokratie und Partizipation sowie Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften. Die Schweizer Delegation wurde von Peter Gomm, Solothurner Regierungsrat und Präsident der Sozialdirektorenkonferenz, geleitet. Am Ende der Konferenz gelang es den Ministerinnen und Ministern allerdings nicht, einen Konsens zu finden. Stein des Anstosses war eine Bezugnahme auf die Rechte im Zusammenhang mit sexueller Orientierung und Geschlechteridentität. Infolge dieser Divergenz konnte die vorgesehene Erklärung nicht verabschiedet werden.

4.2.5

Sport

Bis Ende 2012 haben sich 34 Staaten dem erweiterten Teilabkommen über Sport (EPAS) angeschlossen; die Schweiz trat am 1. Januar 2008 bei. 24 Sportorganisationen sind im Beratungskomitee des EPAS vertreten. Wichtigstes Ereignis im Jahr 2012 war die 12. Sportministerkonferenz in Belgrad im März, an der die Schweiz mit einer Delegation des Bundesamtes für Sport BASPO vertreten war.

Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten die Sportministerinnen und -minister mehrere Resolutionen. Die beiden wichtigsten sehen die Ausarbeitung eines neuen internationalen Übereinkommens gegen die Manipulation von Sportresultaten und vor allem gegen manipulierte Spiele sowie die Prüfung neuer Zusammenarbeitsformen zwischen der EU und dem Europarat vor. Diese Themen werden 2013 prioritär behandelt. Im Übrigen wurde die Organisation der nächsten Sportministerkonferenz 2014 der Schweiz übertragen. Sie wird vom BASPO in Magglingen organisiert.

Die Schweiz arbeitet in verschiedenen Arbeitsgruppen mit, die im Rahmen der Europaratskonvention gegen Doping geschaffen wurden. Sie kann so ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des Welt-Anti-Doping-Programms leisten. Einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der Europaratskonvention leistet die Schweiz in dem sie im Rahmen des Programms «respect des engagements» bei der Evaluation der Erfüllung der Verpflichtungen aus der Konvention anderer Staaten mitwirkt. Der Direktor von Antidoping Schweiz wurde 2010 als Vorsitzender der Arbeitsgruppe «Wissenschaft» gewählt und im Sommer 2012 in dieser Funktion für weitere zwei Jahre bestätigt. Im Rahmen des Comité ad hoc européen pour l'Agence mondiale antidopage werden die Positionen der Staaten des Europarates abgestimmt, um gegenüber der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) einheitlich aufzutreten. Im Herbst 2012 steht die bevorstehende Revision des WADA-Code erneut im Zentrum der Aktivitäten. Die Schweiz konnte ihre Vorstellungen erfolgreich einbringen. Die Staaten des Europarates haben ihre Haltung zum ersten Draftvorschlag der WADA im November 2012 den Gremien der WADA zur Kenntnis gebracht.

Der Ständige Ausschuss, welches die Umsetzung des Übereinkommens vom 19. August 1985 über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen überwacht, hat seine Aktivität hauptsächlich auf den Kampf gegen 1086

und die Vorbeugung von Gewalt in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen fokussiert. Die Schweiz ist dem Übereinkommen im November 1990 beigetreten und wird vom Bundesamt für Polizei (fedpol) vertreten.

Das 34. Meeting des Ständigen Ausschusses fand im Juni 2012 in Torun, Polen statt.

An diesem Meeting wurde ein Vertreter von fedpol zum zweiten Vize-Vorstand des Ständigen Komitees von den Ländervertreterinnen und -vertreter gewählt. Daneben reichte fedpol die jährlichen Berichte über das Länderprofil und der Trends ein. Der Ständige Ausschuss verabschiedete auch die Empfehlung Dialogue and interaction with fans. Diese wurde von fedpol stark mitgeprägt, leitete doch der Schweizer Vertreter die Arbeitsgruppe, welche die Empfehlung erarbeitete.

4.3

Sozialpolitik

Die zweite Konferenz der Minister für soziale Kohäsion über den «Aufbau einer sicheren Zukunft für alle» fand am 11. und 12. Oktober 2012 in Istanbul statt. Zwei Unterthemen wurden behandelt: Schutz und Stärkung von verletzlichen Gruppen, namentlich in Krisenzeiten, und gesellschaftliche Nachhaltigkeit durch intergenerationelle Solidarität. Die Schweizer Delegation wurde vom Berner Regierungsrat Philippe Perrenoud geleitet. Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten die Ministerinnen und Minister eine Erklärung, in der sie sich insbesondere dazu verpflichten, eine kohärente, auf den jeweiligen nationalen Kontext zugeschnittene Politik zugunsten des sozialen Zusammenhalts zu fördern und die diesbezügliche Zusammenarbeit innerhalb des Europarats weiterzuführen.

Am 15. Februar 2012 verabschiedete das Ministerkomitee die neue Strategie zu den Kinderrechten 2012­2015. Es umfasst die Neulancierung des 2006 gestarteten Querschnittprogramms «Ein Europa für und mit Kindern bauen». Das wichtigste Ziel besteht darin, dafür zu sorgen, dass die bestehenden Normen im Bereich Kinderrechte effektiv umgesetzt werden. Zu diesem Zweck liefert die Strategie politische Orientierungshilfen und unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Normen von UNO und Europarat, fördert einen ganzheitlichen und integrierten Ansatz bei den Kinderrechten und sieht Massnahmen vor, um neue und bestehende Probleme in diesem Bereich zu bewältigen. Das Programm verfolgt vier strategische Ziele: 1. Förderung von kinderfreundlichen Angeboten und Systemen, 2. Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Kinder, 3. Gewährleistung der Rechte von besonders benachteiligten Kindern, 4. Förderung der Partizipation von Kindern.

4.4

Umwelt

Im Rahmen des ständigen Ausschusses des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer Lebensräume (Berner Konvention) wurde auf Antrag der Schweiz die Umsetzung der Motion Fournier22 traktandiert. Diese beauftragt den Bundesrat konkret, dem ständigen Ausschuss der Berner Konvention einen Änderungsvorschlag zu Artikel 22 zu unterbreiten, wonach es jedem Unterzeichnerstaat möglich sein soll, auch nach der Unterzeichnung der Konvention Vorbehalte anzubringen. Diesem Antrag war kein Erfolg beschie22

10.3264

1087

den, und entsprechend wird nun der Bundesrat über das weitere Vorgehen beschliessen müssen. Die Motion verlangt im Fall einer Ablehnung des Änderungsantrages durch die Schweiz eine Kündigung der Berner Konvention und den Wiederbeitritt unter Anbringung eines Vorbehaltes.

Der ständige Ausschuss hat die 37 von der Schweiz vorgeschlagenen Gebiete in das europäische Schutzgebietsnetzwerk «Smaragd» aufgenommen. Ziel dieses Netzwerks ist die Erhaltung von Lebensräumen und Arten, die in Europa selten oder gefährdet sind. Die Gebiete der Schweiz sind die ersten in Europa, die als «Smaragd-Gebiete» anerkannt werden.

4.5

Elektronische Stimmabgabe

Der aktuelle Stand des schweizerischen Projekts zur Einführung der elektronischen Stimmabgabe via Internet (vote électronique) wurde im Rahmen des 4. Review Meetings des Europarates zum Thema e-Voting, welches am 10. Juli 2012 in Bregenz (Österreich) stattfand, vorgestellt. Er gestaltet sich wie folgt: Die Schweiz hat auch im 2012 erfolgreich Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe in zwölf Kantonen durchgeführt. Seit Projektbeginn wurde vote électronique bei über 90 Urnengängen eingesetzt. Nach wie vor gelten die Auslandschweizer Stimmberechtigten als priorisierte Zielgruppe. Langfristiges Ziel des Bundes ist die Einführung dieses dritten, komplementären Stimmkanals für alle Stimmberechtigten.

Zurzeit wird der dritte Bericht des Bundesrates zu vote électronique erarbeitet, welcher die Versuche seit 2006 auswertet und gestützt auf diese Erkenntnisse aufzeigen wird, wie die Stimmabgabe via Internet künftig ausgedehnt werden soll. Der Bericht soll 2013 veröffentlicht werden.

Auch die anderen Mitgliedstaaten haben am Review Meeting ihre Erfahrungen in diesem Bereich aufgezeigt. Nebst der Schweiz haben Frankreich, Norwegen und Estland verbindliche Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe via Internet durchgeführt. Am Treffen sind die anwesenden Mitgliedstaaten übereingekommen, dass die einschlägige Empfehlung des Ministerrates zu e-Voting23, welche 2004 erarbeitet wurde, aktualisiert und insbesondere den bei den Versuchen gemachten Erfahrungen sowie den neuen technischen Erkenntnissen angepasst werden muss.

4.6

Entwicklungsbank des Europarats (CEB)

Unter ihrer neuen Leitung setzte die Entwicklungsbank des Europarates während der Berichtsperiode ihre Bestrebungen gezielt fort, ihre Gouvernanz zu verbessern und die regionale und sektorielle Ausrichtung verstärkt auf transitions- und armutsrelevante Schwerpunkte zu fokussieren. In Bezug auf die Gouvernanz der Bank setzte sich die Schweiz mit gleichgesinnten Ländern für eine Reform der Wahlmodalitäten in die Leitungsgremien der Institution ein.

23

Recommendation Rec(2004)11 of the Committee of Ministers to member states on legal, operational and technical standards for e-voting (adopted by the Committee of Ministers on 30 September 2004 at the 898th meeting of the Ministers' Deputies), https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=778189.

1088